Kapitel 1 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 Der Herr auf dem Weg von Essäa nach Jericho. 1. — Der Herr begegnet einer Schar armer Wallfahrer 1. Als wir uns schon bei einer Stunde Weges ferne vom Orte befanden, da kamen uns obbezeichnete arme Wallfahrer aus der Gegend um Jericho entgegen und baten uns um ein Almosen. 2. Und Ich sagte zu den Judgriechen: „Gebet ihnen von eurem Überfluß; denn diese sind ebenso arm in der Welt wie Ich Selbst, der Ich auch keinen Stein also als ein Eigentum besitze, daß Ich ihn als das unter Mein Haupt legen könnte! Füchse haben ihre Löcher und die Vögel ihre Nester; aber diese Armen haben nichts zu eigen außer sich selbst und ihre dürftigste Bekleidung. Daher beteilet sie!“ 3. Auf diese Meine Worte legten alle Judgriechen und auch die etlichen Jünger des Johannes ein gutes Sümmchen zusammen und übergaben es mit Freuden den Armen, und diese dankten Mir und den Gebern mit aufgehobenen Händen und baten uns um Vergebung, daß sie uns auf dem Wege aufgehalten hätten, fragten uns als Juden aber auch ängstlich und bekümmert, ob sie vor dem Aufgange wohl Essäa erreichen würden. 4. Sagte Ich: „Was sorget ihr euch, durch das Gehen auf dem Wege den Sabbat zu entheiligen? Hat doch weder Moses noch irgendein anderer Prophet je ein Gebot gegeben, daß man an einem Sabbat nicht reisen solle; die neuen Tempelsatzungen aber sind keine Gottesgebote und haben vor Gott auch keinen Wert. Es ist aber heute noch früh, und ihr werdet in einer Stunde den Ort erreichen. So ihr aber in den Ort kommen werdet, da kehret in die erste Herberge ein, die sich außerhalb des Tores des Ortes befindet! Dort werdet ihr eine gute Aufnahme und Pflege finden, denn Ich habe euch dort schon angesagt. Wer aber Ich bin, das werdet ihr in Essäa schon erfahren; und so ziehet nun weiter!“ 5. Es machten diese Armen wohl große Augen darum, daß Ich ihnen solches alles gesagt habe; aber sie getrauten sich dennoch nicht zu fragen, wie Ich solches alles wissen konnte, und zogen weiter. 6. Auf dem Wege aber fragten Mich die Jünger, warum diese Armen eigentlich nach Essäa zögen, da es ihnen doch nicht anzusehen war, als wären sie irgend krank; denn kranke Menschen seien niemals so gut bei Fuß. 7. Sagte Ich: „Diese ziehen auch nicht darum nach Essäa, um sich dort heilen zu lassen, sondern um als gänzlich Verarmte dort eine Arbeit und Unterstützung zu finden; denn sie haben es von Reisenden in Erfahrung gebracht, daß die Essäer in dieser jüngsten Zeit sehr wohltätig gegen wirkliche Arme geworden seien, und so denn machten sie sich auf den Weg nach Essäa, weil sie daheim keine Arbeit und somit auch keinen sie ernährenden Verdienst finden konnten, was ihrer Gegend zu keinem Ruhme gereicht und sie darum von Mir auch spärlich gesegnet wird. 8. Es waren aber unter diesen Armen doch auch etwelche Kranke, als sie daheim ihre Reise antraten; aber es kamen einige der von Mir ausgesandten etlichen siebzig Jünger zu ihnen in ihrer armseligen Gegend und machten sie gesund, und so war denn nun auch kein Kranker unter ihnen. Die Jünger rieten ihnen auch, ihrer Armut wegen nach Essäa zu wandern, allwo sie sicher Arbeit und Versorgung geistig und leiblich finden würden. Und so denn machten sich diese Armen denn auch alsbald auf den Weg.“ 9. Sagte Petrus: „Da müssen sie bald nach uns sich auf den Weg gemacht haben, da sie nun schon da sind; denn sie können sich ja doch nicht uns gleich auf eine wunderbare Weise vorwärtsbewegen?“ 10. Sagte Ich: „Das geht uns aber auch gar nichts an! Sie werden nun den Ort ihrer Bestimmung bald erreicht haben, und das genügt; an dem Tage und an der Stunde aber liegt nichts, und so lassen wir nun das!“ 11. Mit diesem Meinem Bescheid waren alle zufrieden. Wir schritten rüstig vorwärts und kamen denn auch schnell weiter, was besonders in dieser Gegend ganz gut und zweckmäßig war; denn sie war sehr öde, und mehrere Stunden weit war kein Baum, kein Gesträuch und so auch kein anderes Gewächs anzutreffen. In dieser Gegend begegnete uns denn auch kein Mensch, und wir konnten uns daher mit Windesschnelle fortbewegen und hatten auf diese Weise die weite und sehr öde Strecke Weges denn auch bald hinter unserm Rücken. 12. Als wir diesen für jeden Wanderer unwirtlichsten Weg hinter uns hatten, zu dessen Begehung wir trotz unserer Windesschnelle bei zwei Stunden Zeit benötigten, da sonst ein Wanderer selbst auf einem Kamele wohl beinahe einen vollen Tag auf der öden Wegstrecke zubringen mußte, da kamen wir wieder in eine wirtliche Gegend, in der sich am Wege denn auch eine Herberge nebst mehreren zumeist den Griechen gehörenden Wohn- und Wirtschaftshäusern befand. 13. Bei der Herberge angelangt, sagten einige Jünger: „Herr, wir haben nun eine sehr weite Strecke Weges zurückgelegt und sind durstig geworden! Wäre es Dir denn nicht genehm, so wir hier eine kleine Erfrischung nähmen und uns zur Löschung des Durstes ein Wasser geben ließen?“ 14. Sagte Ich: „Das können wir allerdings tun; aber es ist hier eine wasserarme Gegend, und der Wirt wird sich auch das Wasser gut bezahlen lassen, denn er ist ein sehr gewinnsüchtiger Heide, wie das die meisten Griechen sind. Wollet ihr das Wasser bezahlen, so können wir in die Herberge treten, eine kleine Rast nehmen und uns Wasser und etwas Brot geben lassen.“ 15. Sagten die Judgriechen und auch die Jünger des Johannes, da sie Geld bei sich hatten: „Herr, das tun wir mit vieler Freude! So der Wirt auch einen trinkbaren Wein hat, da wollen wir auch einen Wein bezahlen!“ 16. Sagte Ich: „Das steht euch hier frei. Tuet sonach das Eurige, und Ich werde das Meine tun! Und so treten wir in die Herberge!“ Kapitel 2 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 2. — Das Wunder im Hause des Wirtes 1. Wir traten darauf sogleich in die Herberge, und der Wirt kam uns überaus höflich entgegen und fragte uns, womit er uns dienen dürfe. 2. Sagte Ich: „Wir sind hungrig und durstig, und so gib uns etwas Brot und Wasser!“ 3. Sagte der Wirt: „Meine Herren, ich habe auch Wein! Wollet ihr nicht lieber einen Wein trinken, der bei mir sehr gut ist, als das Wasser, das in dieser Gegend kaum zum Kochen taugt?“ 4. Sagte Ich: „Dein Wein ist wohl eben nicht ungut; wir aber sind irdisch nicht so wohlhabend, um uns mit deinem teuren Weine unsern Durst zu löschen. Daher bringe du uns nur, was wir begehrt haben, und wir werden damit denn auch zufrieden sein! Nimm aber das Wasser aus dem Quellbrunnen in deinem Weinkeller und nicht aus der Zisterne im hintern Hofraum; denn das Wasser wird bei dir auch gezahlt, und es muß daher gut, frisch und rein sein!“ 5. Der Wirt sah Mich groß an und sagte: „Freund, meines guten Wissens bist du nun wohl das erste Mal in meinem Hause! Wie weißt du denn, wie es bestellt ist? Wer kann dir das verraten haben?“ 6. Sagte Ich: „Oh, wundere dich dessen nicht, sondern bringe uns das Verlangte! Bin Ich mit diesen Meinen Freunden auch nun das erste Mal unter deines Hauses Dache, so ist Mir in ihm dennoch nichts unbekannt. Wie aber das möglich ist, das weiß schon Ich, wie Ich denn auch weiß, daß deine älteste und liebste Tochter Helena schon drei volle Jahre an einem bösen Fieber leidet und du es dich schon viel hast kosten lassen, und es hat ihr dennoch kein Arzt und noch weniger einer deiner vielen Hausgötter, die du um ein teures Geld aus Athen hast bringen lassen, geholfen. Und siehe, so weiß Ich noch um mehreres in deinem Hause! Aber nun gehe, und bringe uns das Verlangte, auf daß wir uns stärken und dann weiterziehen können!“ 7. Hierauf berief der über alle Maßen erstaunte Wirt ein paar Diener und ließ uns Brot, Salz und mehrere Krüge frischen Wassers bringen. 8. Als das alles auf dem Tische sich vor uns befand und die durstigen Jünger gleich nach den Krügen greifen wollten, da sagte Ich zu ihnen: „So wartet doch ein wenig noch, bis Ich das Wasser segne, damit es niemandem schade; denn auch das Quellwasser in dieser Gegend ist fiebrig, da es in sich unlautere Naturgeister enthält!“ 9. Da warteten die Jünger, und Ich behauchte die Krüge und sagte zu den Jüngern: „Nun ist das Wasser gesegnet und gereinigt; aber esset zuvor etwas Brot, dann erst trinket mit Ziel und Maß, auf daß ihr nicht berauscht werdet!“ 10. Die Jünger taten das; und als sie zu trinken anfingen, da sagten sie mit verwundert freundlichen Mienen: „Ja, solch ein Wasser heißt es freilich mit Maß und Ziel trinken, auf daß man nicht berauscht wird!“ 11. Das merkte der Wirt und sagte zu den beiden Dienern: „Wie? Habt ihr denn diesen sonderbaren Gästen Wein gebracht, da sie doch ausdrücklich nur Wasser verlangt haben?“ 12. Sagten die Diener: „Herr, wir haben getan, wie uns befohlen ward! Wie aber nun aus dem Wasser Wein geworden ist, das wissen wir nicht; der es aber behauchet hat, der wird es schon wissen, wie das Wasser zu Wein hat werden können. Den frage du, denn der scheint mehr zu verstehen als wir alle in dieser Gegend!“ 13. Hierauf trat der Wirt an unsern Tisch, und wir gaben ihm zu trinken. Als er den Krug beinahe ganz geleert hatte, da sagte er voll Staunens zu Mir: „Bist du denn irgendein großer und berühmter Magier oder gar ein mir noch unbekannter Gott, daß du solches bewirken kannst? Ich bitte dich darum, daß du mir solches sagest!“ 14. Sagte Ich: „Wenn du deine Götter aus deinem Hause schaffst, an sie nicht mehr glaubst, so will Ich dir gleichwohl sagen, wer Ich bin, und dir auch zeigen den einen rechten, wahren, aber dir noch völlig unbekannten Gott, der auch deiner Tochter helfen könnte, so du an Ihn glaubtest und Ihm allein die Ehre gäbest.“ 15. Als der Wirt solches von Mir vernommen hatte, da sagte er: „Du führest sonderbare Worte in Deinem Munde! Die Götter alle vernichten, wäre gerade keine Kunst, – erfahren das aber unsere Priester oder die Römer, so wird es mir übel ergehen; denn ein Vergreifen am Bilde eines auch nur Halbgottes ist bei uns mit schweren Strafen belegt. Ich müßte mit meinem ganzen Hause zuvor ein Jude werden und mich darüber vor einem Gerichte mit Schrift, Siegel und Beschneidung ausweisen, wonach mir das Recht eines römischen Bürgers abgenommen würde und ich es als ein Jude dann um ein schweres Geld wieder erkaufen müßte, so ich fernerhin ein römischer Bürger sein wollte! Es ist, wundersamer Freund, dein an mich gestelltes Verlangen etwas in dieser meiner Stellung kaum Ausführbares. Aber da weiß ich einen Rat: Schaffe du mir die Götter aus dem Hause unter Zeugen, die in meinem Hause mir zu Diensten stehen, und ich werde dann im stillen mit meinem ganzen Hause nur dem mir von dir gezeigten Gott die Ehre geben!“ 16. Sagte Ich: „Wohl denn, so gehe nun in deinem Hause umher, und überzeuge dich, ob noch ein Götze, groß oder klein, eines deiner vielen Gemächer ziert!“ 17. Als der Wirt darauf nachsehen wollte, da kamen ihm schon mit verzweifelten Mienen alle Hausgenossen schreiend entgegen und heulten: „Dem Hause muß ein großes Unglück werden, denn alle Götter haben es auf einmal verlassen!“ 18. Da sagte der Wirt mit herzhafter Miene: „Seid darob ruhig! Die toten, von Menschenhänden gemachten Götter nur, die niemandem etwas nützen und in einer Not helfen können, sind sicher von einem wahren, lebendigen und über alles mächtigen Gott zunichte gemacht worden; dafür ist aber höchstwahrscheinlich der eine, allein wahre, lebendige und über alles mächtige Gott in unser Haus gekommen, den uns dieser Sein schon für sich übermächtiger Diener näher kennen lehren und sogar zeigen wird! Und so ist durch die Entfernung der toten und gänzlich machtlosen Götter unserem Hause kein Unheil, sondern nur ein höchstes Heil widerfahren. 19. Auf daß ihr aber glaubet, daß es wundersam also ist und sich verhält, so besehet hier diese unsere Wasserkrüge! Diese sind auf Verlangen eben dieses wundersam mächtigen Dieners des einen, wahren Gottes voll Wasser durch meine hierseienden zwei Diener, die das vor aller Welt bezeugen können, auf diesen Tisch gestellt worden. Und es wollten diese Gäste, nachdem sie sicher durstig waren, alsbald das Wasser trinken, aber der mächtige Gottesdiener sagte zu ihnen, daß sie das Wasser erst dann trinken sollen, so er es zuvor gesegnet haben werde. Darauf behauchte er die Krüge und das Wasser, und das Wasser ward augenblicklich in den besten Wein verwandelt. Da ist noch ein voller Krug; nehmet und verkostet den Inhalt, und urteilet, ob er Wasser oder Wein der allerbesten Art ist!“ 20. Hierauf nahm das Weib des Wirtes den Krug, verkostete dessen Inhalt und verwunderte sich übergroß, sagend: „Höret, das ist noch nie erhört worden! Ein solches Wunderwerk kann nur einem Gott möglich sein! Ich habe einmal in Athen wohl auch wundertätige Magier gesehen, die auch das Wasser bald in Blut, bald in Milch und bald wieder in Wein und in allerlei noch andere Dinge verwandelten; aber ich als eine damals überaus schöne und reiche Griechin hatte nur zu bald von einem mir nachstellenden Apollopriester gründlich erfahren, wie derlei wunderbar aussehende Verwandlungen auf eine ganz natürliche Art bewerkstelligt werden können. Das nahm mir aber auch den Glauben an alle Magier und ihre falschen Wunder. 21. Aber da ist keine irgend geheime und versteckte Falschheit zu entdecken, und es ist das demnach eine vollkommen wahre Wundertat eines lebendigen Gottes, was ich nun vollends glaube und in diesem Glauben auch verbleiben werde bis an mein Ende. Und nun verkostet ihr alle diesen Wein, und urteilet!“ 22. Hierauf verkosteten alle den Wein und fanden die Sache so, wie sie der Wirt und sein Weib beschrieben hatten. Kapitel 3 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 3. — Die Heilung der fieberkranken Helena 1. Darauf aber sagte der Wirt weiter zu seinen nun anwesenden Hausleuten: „Wir haben uns nun überzeugt, daß dieser uns noch völlig unbekannte Diener des einen, wahren Gottes ein wahres Wunder gewirkt hat, um uns zur Erkenntnis des einen, wahren Gottes zu bringen; aber er hat mir auch zuvor andere Beweise gegeben, die nicht minder wunderbar sind und denen ich entnahm, daß es mit ihm eine gar überaus seltsame Bewandtnis haben müsse, denn er weiß um alle noch so verborgenen und geheimgehaltenen Einrichtungen und Verhältnisse unseres Hauses genauer als oft wir selbst. 2. Und so weiß er auch um die bis jetzt unheilbare Krankheit unserer liebsten Tochter Helena, und er hat mir denn auch versprochen, sie zu heilen, so ich die toten Götzen, groß und klein, alle aus dem Hause schaffe und dann mit meinem ganzen Hause auf den einen, allein wahren Gott halte und Ihm die Ehre gebe. Ich aber getraute mich dennoch selbst nicht, mich an den toten Götzen zu vergreifen, aus Furcht, zuerst von jemandem verraten und dann von den Priestern und Gerichten bestraft zu werden, sagte aber dann zum wundersamen Diener des einen, wahren Gottes: ,Schaffe du sie vor Zeugen aus dem Hause, so bleiben wir unverantwortlich!‘ Und seht, er tat das in einem Augenblick, und es sind demnach alle unsere vielen Götzen ebenfalls auf eine höchst wundersame Weise im Hause rein zunichte gemacht worden, und wir alle sind nun des Zeugen und können weder von den Priestern und noch weniger von einem römischen Gericht darob zu einer Verantwortung gefordert werden, was ihr alle so gut begreifen werdet wie ich selbst! 3. Aber da nun dieser heute so Unerwartetes plötzlich vor unseren Augen entfaltet hat, so möge denn auch nun noch unsere Tochter geheilt und uns allen der eine, allein wahre Gott bekanntgegeben und gezeigt werden, auf daß wir allesamt Ihm allein die Ehre geben und nach Seinem Willen handeln und leben können!“ 4. Damit waren nun alle Anwesenden völlig einverstanden, und der Wirt wandte sich nun samt seinem Weibe und seinen Kindern an Mich und bat Mich um die mögliche Heilung der kranken Tochter. 5. Und Ich sagte: „Weil du glaubst mit all den Deinen, so geschehe auch nach eurem Glauben! Gehet aber nun in das Gemach eurer Tochter, und überzeuget euch, ob sie nun schon geheilt ist! Dann aber bringet sie hierher, auf daß auch sie verkoste von diesem Weine des Lebens und lerne Den erkennen, der sie geheilt hat!“ 6. Als Ich das ausgesprochen hatte, da verließen alle eiligst unser Speisezimmer, um zu sehen, ob Helena wohl geheilt sei. Als sie bei ihr ankamen, da fanden sie sie ganz vollkommen gesund, und sie erzählte denn auch, wie sie von einem Feuer durchströmt worden sei und das Fieber und alle Schmerzen und alle ihre frühere Schwäche sie urplötzlich verlassen hätten. Es entstand darob ein großer Jubel. Die Tochter verließ denn auch sogleich das Krankenlager, kleidete sich an und ward unter Jubel denn auch bald zu Mir gebracht. 7. Als ihr gesagt ward, daß Ich der Heiland sei, da fiel sie Mir zu Füßen und benetzte sie mit Tränen des Dankes. Also dankten Mir denn auch alle die andern für die wunderbare Heilung der Helena. 8. Ich aber sagte zu ihr: „Erhebe dich, Tochter, und trinke den Wein aus dem Kruge, der dir zunächst steht, auf daß du gestärkt werdest am ganzen Leibe und an deiner Seele!“ 9. Da erhob sich behende die Helena, nahm bescheiden den Krug und trank daraus den sie stärkenden Wein, dessen Wohlgeschmack sie nicht genug loben und rühmen konnte. 10. Als sie gestärkt war, da fingen wieder alle an, Mich zu bitten, daß Ich sie nun denn auch den einen, wahren Gott möchte erkennen lehren und Ihn ihnen dann auch zeigen, so das möglich wäre. 11. Sagte Ich: „So höret denn, was Ich nun in aller Kürze zu euch reden werde! 12. Es gibt beinahe keinen Griechen, der im Judenlande lebt und handelt, der mit der Lehre Mosis und der andern Propheten nicht vertraut wäre. Also der Gott, den Moses den Juden verkündete, der Gott, der auf dem Berge Sinai mit Moses und durch ihn und seinen Bruder Aaron unter Blitz und Donner redete und später gleichfort durch den Mund der Propheten und vieler anderer weiser Männer, dessen Name Jehova heißt und überheilig ist, ist der eine, allein wahre, ewig lebendige, höchst weise, übergute und über alles mächtige Gott, der den Himmel mit Sonne, Mond und allen Sternen und diese Erde mit allem, was in ihr, auf ihr und über ihr ist, aus Sich erschaffen hat. 13. An diesen Gott glaubet, haltet Seine euch bekannten Gebote, und liebet Ihn dadurch über alles, daß ihr eben Seine Gebote haltet, und liebet aber auch eure Mitmenschen, so wie ein jeder von euch sich selbst liebt, das heißt, tuet ihnen alles, was ihr vernünftigerweise wünschet, daß sie dasselbe auch euch tun möchten, so wird der eine, allein wahre Gott euch allzeit gnädig sein und gerne erhören eure Bitten! 14. Er wird Sich euch dann nicht als ein ferner und harthöriger Gott, sondern als ein stets naher, euch über alles liebender Vater erweisen, der eure Bitten niemals unerhört lassen wird. 15. In dem bestehet alles, was der eine, allein wahre Gott als auch der allein wahre Vater aller Menschen von den Menschen verlangt. Die das tun werden, die werden nicht nur über und über gesegnet sein schon auf dieser Erde, sondern sie werden auch überkommen nach dem Abfalle des Leibes das ewige Leben ihrer Seele und werden dort sein ewig, wo der Vater ist selig über selig. Kennet ihr nun den allein wahren Gott?“ 16. Sagten alle: „Ja, so Der es ist – was wir nun nicht mehr bezweifeln –, da kennen wir Ihn aus den uns gar wohl bekannten Schriften! Des Moses Lehre hat uns allzeit wohlgefallen; aber als wir uns nur zu oft überzeugten, wie ganz entgegengesetzt sie besonders von den Hauptpriestern befolgt wird, und wie gar nichts Arges ihnen der allein wahre Gott als Strafe für ihre Frevel, die sie an ihren Nebenmenschen begehen, tut und erweist, so dachten wir: Was Wahres wohl kann an einer Lehre haften, an die aus allen Taten nur zu wohl ersichtlich ihre ersten Vertreter und sogenannten Gottesdiener nicht einen Funken Glauben besitzen?! 17. Denn daß man seinen Nebenmenschen wie sich selbst lieben soll, das ersieht man ja auf den ersten Blick aus den Geboten Mosis. Man sehe aber auch, wie die Vorsteher der Lehre Mosis ihre Nebenmenschen lieben, und man müßte mit der dicksten Blindheit geschlagen sein, um das nicht zu merken, wie eben die Vorsteher der Lehre an sie nicht im geringsten glauben. Denn ein rechter Glaube muß sich ja doch vor allem durch das Handeln nach der Lehre als wahr darstellen, und das besonders bei den Vorstehern und Ausbreitern der Lehre. Wenn aber diese durch ihr Handeln vor jedermanns Augen nun schon ganz ohne alle Scheu und Furcht vor einem allein wahren Gott zeigen, daß sie nichts glauben, – wie sollen dann wir Fremde uns zu ihrer Lehre bekennen? 18. Und siehe, du mächtigster, wahrer Diener und Priester des einen, allein wahren Gottes, das war denn auch stets der Grund, warum wir an der Wahrheit und Echtheit der Lehre Mosis ebensogut zweifelten wie an unserer Vielgötterei! Wir machten der Welt und ihrer Gesetze wegen am Ende wohl alles mit, aber wir bei uns glaubten wahrlich an einen Gott nicht mehr, – wohl aber glaubten wir an die allwaltenden Kräfte der Natur, die wir durch unsere Weltweisen etwas näher haben kennen gelernt. 19. Aber nun haben sich die Sachen bei uns allen infolge deines Wirkens und Redens gewaltigst geändert, und wir glauben nun ungezweifelt an den einen, allein wahren Gott der Juden, der dir, weil du sicher allzeit Seinen Willen erfüllt hast, solch nie erhörte rein göttliche Macht erteilt hat. 20. Wir werden uns aber nur allein an Mosis Lehre und niemals an ihre Vorsteher in Jerusalem halten. Es sind auch schon spät in dieser Nacht von Essäa herkommend uns ein paar solcher Vorsteher vorgekommen, die über ihre eigene Tempelwirtschaft ganz gewaltig loslegten und die große Weisheit und Macht der Essäer sehr rühmten, und wir dachten uns: ,Wenn ihr über euch selbst schon so losziehet, was sollen dann erst wir Fremden von euch halten?‘ Aber sie gefielen uns dennoch, weil sie die Wahrheit bekannten. Heute frühmorgens sind sie weitergezogen. Wir wären nun, was die Lehre betrifft, in der Ordnung; aber es ist nun noch ein Punkt übrig, und der besteht in deinem Endversprechen. 21. Du versprachst, uns auch den allein wahren Gott zu zeigen, was dir sicher so wie alles andere möglich sein wird. Da du uns schon unaufgefordert soweit glücklich gemacht hast, daß du uns mit Tat und Wort den einen, allein wahren Gott hast erkennen gelehrt, so vollende nun unser Glück denn auch dadurch, daß du uns den allein wahren, einen Gott zeigest! Wir alle bitten dich darum allerinständigst!“ Kapitel 4 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 4. — Der Herr zeugt von Sich 1. Sagte Ich: „Ja, Meine lieben Kinder, das geht aber eben um euretwillen nicht gar so leicht, wie ihr das meinet; aber weil Ich euch auch das versprochen habe, so sollet ihr alle den einen, allein wahren Gott auch schauen. Aber zuvor muß Ich euch wohl ermahnen, daß ihr das Geschaute vor dem Verlaufe eines vollen Jahres nicht ruchbar machet.“ 2. Alle versprachen Mir das auf das feierlichste. 3. Und Ich sagte dann weiter: „Wohl denn, so höret Mich, und machet eure Augen und Herzen weit auf! 4. Ich Selbst, der Ich nun mit euch rede, bin es also, wie das die Propheten den Menschen verkündet haben! Es hat Mir nach Meinem ewigen Ratschlusse gefallen, als Selbst Mensch mit Fleisch und Blut unter die in der alten Nacht der Sünde irrenden und verschmachtenden Menschen als ein hellstes und lebenbringendes Licht zu kommen und sie zu erlösen vom harten Joche des Gerichtes und des ewigen Todes. 5. Ich kam aber nicht nur zu den Juden, die von Uranbeginn das Volk des einen, wahren Gottes waren und sich auch noch also nennen, – obwohl gar viele ob ihrer argen Taten schon seit langem ein Volk der Hölle geworden sind, sondern auch zu den Heiden, die zwar auch von demselben ersten Menschen dieser Erde abstammen, sich aber im Laufe der Zeiten von den Reizen der Welt also haben verlocken lassen, daß sie dadurch von dem einen, wahren Gott abfielen, Ihn nicht mehr erkannten und sich dann aus der toten und vergänglichen Materie selbst Götter nach ihrer Lust und nach ihrem Belieben schufen und sie dann verehrten und anbeteten, wie das noch gegenwärtig gar sehr der Fall ist, und wie ihr das wohl kennet. 6. Damit also auch die Heiden die ewige und lebendigste Wahrheit, als in Gott allein seiend, erkennen sollen, so kam Ich denn auch zu den Heiden und gebe ihnen das selbstwillig lange verlorene Lebenslicht wieder, und also auch das ewige Leben. 7. Ich Selbst bin das Licht, der Weg, die ewige Wahrheit und das Leben. Wer an Mich glaubt und nach Meiner Lehre lebt, der hat das ewige Leben schon in sich und wird nimmerdar weder sehen noch fühlen den Tod, so er dem Leibe nach auch tausendmal stürbe; denn wer an Mich glaubt, Meine Gebote hält und Mich sonach liebt über alles, der ist in Mir und Ich im Geiste in ihm. In dem aber Ich bin, in dem ist auch das ewige Leben. 8. Und so habe Ich euch denn auch den allein wahren, einen Gott gezeigt, wie Ich euch das zuvor verheißen habe. Und nun aber erforschet euch selbst, ob ihr das auch glaubet! Ja, ihr glaubet nun auch das, – bleibet aber auch in diesem Glauben als wahre Helden, und lasset euch von niemandem mehr davon abwendig machen, so werdet ihr leben, und Meines Willens Kraft wird in euch sein und bleiben! Also sei es und bleibe es!“ 9. Als Ich das zu den anwesenden Heiden geredet hatte, da wurden sie von einem tiefsten Ehrfurchtsschauder ergriffen, und es getraute sich niemand ein Wort zu reden. 10. Ich aber sagte mit freundlicher Stimme: „Fasset euch doch, Kinder! Bin Ich als ein wahrster Vater aller Menschen denn gar so fürchterlich aussehend, daß euch vor Mir nun ein solcher Schauder ergreift? Seht, Mir ist wohl sicher nichts unmöglich – denn in Mir ist alle Kraft, Macht und Gewalt im Himmel und auf Erden –, aber das kann Ich nicht machen, daß Ich nicht das wäre, was Ich bin, und ihr auch nicht das, was ihr seid! Ich bin einmal Der, der Ich bin, war und sein werde von Ewigkeit zu Ewigkeit, und ihr werdet auch dasselbe sein und bleiben. So Ich euch nun Meine lieben Kinder nenne, so seid ihr Mir ja vollends ebenbürtig, und so ihr nach Meiner Lehre und also nach Meinem Willen lebet und handelt, da werdet ihr wahrlich nicht minder vollkommen sein, als Ich Selbst es bin, und werdet dieselben Zeichen wirken können, die Ich wirke. Denn welche Freude können einem vollkommenen Vater unvollkommene Kinder wohl gewähren? Darum lasset fahren eure zu große Ehrfurcht vor Mir, und fasset dafür ein volles Vertrauen und die Liebe zu Mir, und ihr werdet Mir um gar vieles angenehmer, wohlgefälliger und werter sein! 11. Wahrlich, wer Mich liebt, der hat nicht not, sich vor Mir zu fürchten! Denn die Gott zu sehr fürchten, die haben Ihn erstens noch niemals recht erkannt, und ihr Herz steht noch ferne von Seiner Liebe, und zweitens stehen solche zu furchtsamen Kinder auch in der selbstverschuldeten Gefahr, in ihrem Glauben und Erkennen irre zu werden, weil ihnen die Furcht den Mut und Willen schwächt, sich Mir im Herzen soviel als nur immer möglich zu nahen und dadurch auch in aller Lebenswahrheit aus Mir erleuchtet zu werden. So ihr das verstanden habt, da lasset fahren eure Furcht vor Mir, und fasset Liebe und vollstes kindliches Vertrauen zu Mir!“ 12. Als Ich solches zu ihnen geredet hatte, da wich die götzenhafte Furcht aus ihren Herzen, und sie fingen Mich traulicher zu loben und zu preisen an, und in ihren Herzen wurde mehr und mehr die Liebe wach. Aber so ganz trauten sie dem Landfrieden dennoch nicht, denn ihre aus dem Heidentume lang gepflegten Begriffe von der Unerbittlichkeit und ewigen Macht und Strenge eines Gottes wollten und konnten nicht so bald verwischt werden. Doch nach einer Stunde, welche Zeit Ich noch in der Herberge verweilte, wurden sie alle zutraulich, und Ich gab ihnen noch so manche Lehre, die ihre Liebe zu Mir stärkte und befestigte. Kapitel 5 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 5. — Die Ankunft in Jericho 1. Es fragten darauf aber Meine Jünger, die da Geld bei sich hatten, den Wirt, was da für das Brot und für das Quellwasser zu zahlen wäre. 2. Der Wirt aber sagte: „Oh, wie könnet ihr mich darum fragen, da ich doch nun Gott dem Herrn und somit auch euch, Seinen sicher nächsten Freunden, ein ewiger Schuldner verbleiben werde? Ein jedes Wort, das Er zu uns geredet hat, ist ja endlos mehr wert als alle Schätze der Erde! So ihr bleiben möchtet tausend Jahre in diesem Meinem Hause und zehren Tag und Nacht, und ich würde auch nur einen Stater dafür verlangen, so wäre ich wahrlich nicht mehr wert, als daß man mich lebendigen Leibes den Schlangen und Drachen zum Fraße vorwürfe! Es ist nun aber nicht ferne mehr vom Mittage; welch ein Glück wäre das für mich, so Gott der Herr bei mir mit euch das Mittagsmahl nehmen möchte!“ 3. Sagte darauf Ich: „Dein Wille gilt Mir fürs Werk! Wir aber müssen nun weiterziehen, da es auch andernorts arme Kinder gibt, denen Ich helfen will. Es werden aber bald arme Pilger hierher kommen, und zwar in der Richtung von Essäa gen Jericho. Sie haben dort wohl die Gesundheit ihres Leibes vollkommen wieder erhalten, aber des Geldes haben sie wenig und sind hungrig, durstig und müde; denen gib du Speise und Trank und auch die Nachtherberge, und Ich werde das also annehmen, als hättest du es Mir getan!“ 4. Sagte der Wirt: „O Herr und Gott, so die Armen ein volles Jahr hierbleiben wollen, so sollen sie ihre Verpflegung haben! So sie auf der Heerstraße gehen, da will ich ihnen sogleich meine Lasttiere und Wagen, mit Pferden bespannt, entgegensenden und sie hierher bringen lassen.“ 5. Sagte Ich: „Auch da gilt dein Wille fürs Werk! Die von Mir dir angesagten Pilger sind von Essäa aus übers Gebirge hierher schon gestern in der Nacht abgegangen und werden denn in ein paar Stunden auf dem Bergsteige hierher kommen, und es würde ihnen daher mit deinen Lasttieren und Wagen schlecht gedient sein. Wenn sie aber morgen von hier abgehen werden, so kannst du ihnen einen oder den andern Dienst erweisen, so sie eines solchen benötigen werden. 6. In der Folge aber wolle du dir das Wasser von niemandem mehr bezahlen lassen; denn Ich habe auch dafür gesorgt, daß deine Brunnen gleichfort ein reichliches und gesundes Wasser geben werden. Sei allzeit barmherzig gegen Arme, und du wirst auch Barmherzigkeit bei Mir finden! Meinen Segen und Meine Gnade hast du erhalten, und er wird dir auch bleiben, so du tätig in Meiner Lehre verbleiben wirst; und somit werden wir uns nun wieder auf die Weiterreise begeben.“ 7. Nach diesen Worten erhob Ich mich schnell und ging mit den Jüngern hinaus. 8. Es versteht sich von selbst, daß uns der Wirt mit den Seinen eine Strecke unter Tränen, Dank und Lobpreisung begleitete; als wir aber unsere Schritte sehr zu beschleunigen anfingen, da blieben die Begleiter zurück und kehrten wieder heim. 9. Wir aber zogen, da es auf dieser Strecke um die Mittagszeit keine Wanderer gab, wieder mit der Schnelligkeit des Windes vorwärts; wo wir aber wieder in eine Gegend kamen, die da bevölkert war, da gingen wir denn auch natürlichen Schrittes vorwärts. Und so kamen wir bis zum Abend hin in die Nähe von unserem Jericho. 10. Es war da ein schöner Rasenplatz. Auf diesem ruhten wir bis zum vollen Sonnenuntergang; denn Ich wollte nicht bei Tageslicht in die Stadt gehen, und das darum um so weniger, weil die beiden Pharisäer, die wir trotz ihrer schnell trabenden Kamele eingeholt hatten, nur ein paar Morgen Landes weit vor uns sich der Stadt nahten. 11. Als wir auf unserem Rasenplatz unter mancherlei Besprechungen ruhten, da kam aus dem nahen Zollhause ein Zolldiener zu uns und fragte uns, von woher wir gekommen seien, und ob wir auf diesem Platze die Nacht über verweilen würden. 12. Sagte Ich: „Es geht dich weder das eine noch das andere etwas an; aber so du es schon wissen willst, da sage Ich es dir, daß wir erstens heute gar von Essäa her kommen, und zweitens, daß wir hier nun ein wenig ausruhen und uns dann in die Stadt begeben werden.“ 13. Als der Zolldiener vernahm, daß wir gar von Essäa an einem Tage bis nach Jericho zu Fuß gekommen seien, da schlug er die Hände über dem Kopfe zusammen und sagte: „Oh, das ist wohl einem schnellbeinigen Kamel möglich, aber von Menschenfüßen ist so etwas noch niemals erhört worden! Da müsset ihr geflogen sein!“ 14. Sagte Ich: „Das ist unsere Sache; du aber gehe in die Stadt, dieweil du Zeit hast, und sage es dem Kado, dessen Vater euer Oberherr ist: er wolle heraus zu Mir kommen; denn Ich, der Herr, harre hier seiner!“ 15. Da fragte der Zolldiener: „Herr, so ich dem Kado deinen Namen nicht angeben kann, wird er dann wohl auch zu dir herauskommen?“ 16. Sagte Ich: „Auch dann! Gehe, und es wird dir der Lohn schon werden; denn ein jeder willige Arbeiter ist seines Lohnes wert!“ 17. Auf diese Meine Worte begab sich der Zolldiener schnell in die Stadt und hinterbrachte das dem Kado. Kapitel 6 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 Der Herr in Jericho 6. — Das Wiedersehen mit Kado 1. Als Kado das vernahm, da wartete er keinen Augenblick mehr, gab dem Zolldiener einen Groschen Botenlohn und eilte so schnell als möglich zu Mir heraus. 2. Als er beinahe atemlos bei uns ankam, da erhoben wir uns vom Rasenplatz, und Ich reichte ihm die Hand; er aber umarmte Mich, drückte Mich an seine Brust, überschüttete Mich mit vielen Freundschaftsküssen und sagte endlich ganz in Freude und Wonne zerflossen (Kado): „O Herr und Meister, welch eine unbeschreibbare Freude hast Du mir durch Deine sobaldige Wiederkunft bereitet! O wir Glücklichen, daß wir Dich wieder in unserer sündigen und Deiner ewig unwürdigen Mitte haben! Es sind nun nur erst drei Tage, die Du von hier abwesend warst, und mir sind sie nahe zu drei Jahren geworden; denn unseres ganzen Hauses größte Sehnsucht nach Dir hat unsere Geduld auf eine starke Probe gesetzt. Wärest Du heute nicht gekommen, so hätte ich morgen schon in aller Frühe unsere besten Kamele in Bewegung gesetzt und wäre Dir nach Essäa nachgezogen. Oh, weil Du nur gekommen bist, so ist nun schon alles wieder vollkommenst gut und in der besten Ordnung! Aber nun, o Herr und Meister, Du unsere einzige Liebe und unser höchstes Bedürfnis, komme, komme nun mit mir, auf daß unser ganzes Haus überselig werde!“ 3. Sagte Ich: „Deine Freundlichkeit hat Mein Herz erquickt, und Ich werde mit dir gehen; aber wir wollen uns noch einige Augenblicke Zeit lassen! So es dunkler wird, werden wir in die Stadt ziehen, auf daß wir für die gafflustige Volksmenge kein Aufsehen machen; denn es sind wegen des morgigen Marktes viele Fremde hier, und diese sollen unseren Einzug nicht begaffen und bekritteln. Bei deinem Vater sind ja nun auch ein paar Pharisäer eingezogen; diese werden bald untergebracht sein, und dann können wir ganz unbeirrt in dein Haus kommen.“ 4. Das war dem Kado ganz recht; aber er berief noch einmal den Zolldiener und sandte ihn in die Herberge, auf daß er seinen Leuten sagen solle, daß sie ein bestes Nachtmahl bereiten sollten. Warum, das würden sie in einer kurzen Zeit schon allerfreudigst erfahren. 5. Darauf eilte der Zolldiener abermals in die Stadt und richtete die Botschaft aus. 6. Da sagte der Vater des Kado: „Ich ahne es schon, um was es sich handelt! Gehe, und sage es dem Kado, es werde alles in der besten Ordnung besorgt werden!“ 7. Als der Zolldiener wieder zurückkam und dem Kado des Vaters Antwort hinterbrachte und der Abend schon ziemlich dunkel zu werden begann, da sagte Ich: „Nun können wir uns schon ganz gemächlich weiterzubewegen anfangen, und wir werden von niemandem auf dem Wege mehr beobachtet und erkannt; und sieht uns auch jemand, so wird er uns für ankommende Handelsleute halten, was uns nicht beirren wird.“ 8. Wir kamen gemach denn auch ganz unbeirrt in des Kado Herberge. 9. Vor der Herberge angelangt, sagte Ich zu Kado: „Freund, nun gehe du zum voraus hinein, und sage es deinen Angehörigen, daß Ich mit Meinen Jüngern von Essäa angekommen bin! So Ich aber ins Gastzimmer eintreten werde, da sollen sie keinen zu großen Freudenlärm machen, um die etlichen Fremden nicht zu vorzeitig auf Mich aufmerksam zu machen. Also sollen sie Mich auch nicht als ,Herr‘ und ,Meister‘ anrufen, sondern nur als einen guten Freund; denn Ich sehe ja ohnehin nur aufs Herz und niemals auf den Mund. Warum Ich es nun aber also haben will, davon wirst du den Grund schon später einsehen und bestens begreifen. Gehe, und tue das!“ 10. Kado eilte nun ins Haus und unterrichtete die Seinen also, wie Ich es ihm aufgetragen hatte. 11. Ich ging darauf in das große Gastzimmer, in dem schon ein großer Tisch für uns gedeckt war. 12. Als wir eintraten, kam uns freilich alles freundlich entgegen. Der Vater und die Mutter des Kado, wie auch dessen Weib und Kinder grüßten Mich auf das freundlichste und baten Mich, Platz zu nehmen, indem Ich von der weiten Reise wohl sicher müde sein würde. Diese Ansprache war ganz gut und ließ die Fremden gegen Mich und Meine Jünger gleichgültig. Aber bei all der gut gewählten Ansprache kamen allen die Tränen der höchsten Freude zur Folge in die Augen, namentlich dem Vater des Kado und dem alten, treuen Diener des Kado, der Apollon hieß. Aber Ich stärkte sogleich ihr Gemüt, und so konnten sie Meine Gegenwart weiter wohl ohne Tränen ertragen. 13. Wir setzten uns denn sogleich an den Tisch, und der Wirt, der Kado, dessen Weib und Kinder, wie auch auf Mein Verlangen der Apollon setzten sich Mir zunächst; des Kado Mutter aber hatte ohnehin in der Küche zu tun, und des Kado Geschwister hatten die Gäste zu bedienen. 14. Als wir nun so ganz wohlgemut am Tische saßen, auf dem sich schon des besten Weines und Brotes in Hülle und Fülle befand, da wollten einige Jünger, und hauptsächlich unser Judas Ischariot, gleich danach greifen, weil es sie schon bedeutend hungerte. 15. Ich aber sagte: „Habt ihr schon bisher ausgehalten, so werdet ihr wohl noch die etlichen Augenblicke ohne zu verhungern und zu verdursten auszuhalten imstande sein! Wartet auf die warme Speise; wenn diese auf dem Tische stehen wird, dann erst nehmet zuvor etwas Brot mit Salz und darauf einen kleinen Schluck Weines, dann wird euch das Nachtmahl stärken und frisch und heiter machen, sonst aber nur Glieder und Eingeweide schwächen! Der Mensch muß auch suchen, seinen Leib gesund zu erhalten, so er seine Seele von Traurigkeit und Angst befreit haben will. Wie Ich es tue, also tuet es auch ihr!“ 16. Die Jünger dankten Mir für diesen Rat und befolgten ihn auch. Kapitel 7 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 7. — Der Herr und der kranke Kaufmann aus Sidon 1. Es hatten einige Fremde gemerkt, daß Ich den Jüngern solchen Rat gegeben hatte, und es stand einer auf, der ein Kaufmann von Sidon war, ging zu Mir hin und sagte: „Guter Freund, vergib mir, daß ich mir die Freiheit genommen habe, als ein Fremder dich hier anzureden! Ich merkte aus deinen Worten, die du an deine Freunde gerichtet hast, daß du ohne Zweifel ein Arzt sein werdest; und so möchte auch ich dich um einen Rat bitten, was ich tun und anwenden soll, um von meinem schon mehrjährigen Leiden im Magen befreit zu werden.“ 2. Sagte Ich: „So du meinst, daß Ich ein Arzt sei, da nimm denn von Mir auch den Rat an! Iß nicht, wie es bisher der Fall war, zuviel und zu fettes Schweinefleisch, und trinke nicht so viel des stärksten Weines den ganzen Tag hindurch, dann wird dein Magenleiden schon ein Ende nehmen! Das ist Mein ärztlicher Rat; wenn du den befolgst, so wird es dir mehr dienen denn dein Aloesaft, der dir wohl den Magen ausräumt, auf daß du ihn darauf wieder desto mehr anfüllen kannst. Der Mensch lebt nicht, um zu essen, sondern er ißt nur, um zu leben, und dazu bedarf es keines vollgestopften Magens und keiner täglichen Nervenberauschung durch einen möglich stärksten Wein.“ 3. Als der Fremde das von Mir vernommen hatte, sagte er ganz erstaunt: „Du hast mich zuvor doch noch nie gesehen! Wie kannst du so genau wissen, wie ich lebe?“ 4. Sagte Ich: „Wahrlich, Ich müßte ein schlechter Arzt sein, so Ich nicht imstande wäre, einem Kranken von seiner Stirne abzulesen, wie er lebt, und wie er zu seiner Krankheit gekommen ist! Tue das, was Ich dir geraten habe, und enthalte dich von der Wollust, dann wird dein Magen schon besser werden!“ 5. Der Fremde dankte Mir für diesen Rat und legte drei Goldstücke vor Mir auf den Tisch. 6. Ich aber gab sie ihm mit den Worten zurück: „Gib du sie den Armen; denn Ich bedarf weder des Goldes noch des Silbers, nach dem die Menschen gar so mächtig gieren!“ 7. Da nahm der Fremde sein Gold wieder und sagte: „Nun erkenne ich erst, daß du ein wahrer Arzt bist! So es mit mir besser wird, da sollen die Armen das Hundertfache von mir erhalten!“ 8. Mit dem begab er sich wieder an seinen Tisch, und auf den unsern wurden Speisen aufgetragen. 9. Die Speisen bestanden in gar wohlbereiteten Fischen, in drei gebratenen Lämmern und in zwanzig eben auch gebratenen Hühnern und danebst in mehreren edlen Obstgattungen. Wir fingen nun denn auch sogleich zu essen an, und jedem schmeckten die Speisen, das feine Weizenbrot und der Wein, und es ward an unserem Tische bald recht lebhaft. 10. Als die Fremden das merkten, wie wir an unserem Tische es uns wohlschmecken ließen und es ihnen auch bekannt war, daß es in dieser Herberge stets sehr teuer zu zehren war, da sagte eben der Fremde, dem Ich zuvor für seinen Magen einen guten Rat gab, so mehr in der Stille zu seinen Gefährten: „Ja, nun wird es mir erst klar, warum der Arzt von mir die drei Goldstücke nicht annahm! Gäste, wie er und seine Gefährten es sind, die solch eine kostspielige Mahlzeit einnehmen können, haben der Schätze sicher mehr denn wir und da sind nur drei Goldstücke für solch einen schon überreichen Arzt sicher zu wenig! Oh, solch ein Nachtmahl kostet in dieser Herberge mindestens fünfhundert Groschen! Ja, ja, wer das Geschick hat, ein berühmter Arzt zu sein, der ist glücklicher und reicher denn ein König, der bei solch einem Arzte, so er krank geworden ist, um große Schätze Hilfe suchen muß! Denn mag ein König noch so mächtig und reich sein, da kann er sich aber doch nicht heilen und vom Tode retten, so er krank und schwach wird. Da läßt er den besten Arzt, den es nur irgend gibt, oft von großer Ferne um ein großes Geld kommen, und hat ihm der Arzt geholfen, so wird er mit noch größeren Summen belohnt. Und das wird bei diesem Arzte auch ganz sicher der Fall sein, daß er sich bei Königen und Fürsten schon gar große Summen wird erworben haben, daher er auch ganz anders leben kann als wir armen Kaufleute aus Sidon und Tyrus.“ 11. Meine Jünger vernahmen auch diese Bemerkung von seiten des Fremden, und es wollte Jakobus der Ältere ihm schon in die Rede fallen. 12. Ich aber sagte zu ihm, auch mehr mit leiser Stimme: „Lassen wir sie reden und urteilen über uns, denn dadurch schaden sie uns wahrlich nicht! So ihr in Meinem Namen den Menschen in aller Welt das Evangelium predigen werdet, so werdet ihr allerlei Urteilen, die die Menschen über euch schöpfen werden, nicht entgehen. Werden die Urteile zwar blind und dumm sein, da lasset die Menschen reden, so ihre Urteile nur kein Böses in sich enthalten! Sind die Urteile aber böser Art, dann möget ihr die bösen Beurteiler entweder vor einem Richter zur Rede stellen, oder ihr verlasset den Ort und schüttelt auch den Staub von euren Füßen über solch einen Ort, und Ich werde dann im geheimen schon den Richter über solch einen Ort und seine Bewohner machen! Und so lassen wir diese nun auch über uns reden und urteilen, wie sie wollen, und wie sie es verstehen; denn über sein Verständnis hinaus kann kein Mensch ein Urteil über eine Sache oder über irgendein Verhältnis schöpfen, sowenig als es einem Ochsen möglich ist, einen Psalm Davids zu singen, oder einem Blinden, zu führen einen Blinden! Darum sollen euch in der Folge derlei Vorkommnisse durchaus nicht mehr beirren!“ 13. Alle gaben Mir recht und dankten Mir für diesen Rat. 14. Apollon aber sagte hinzu: „O Herr und Meister, Du hast ewig wohl in allem recht; aber es ist hier nur der Umstand, daß wir durch diese Fremden dennoch darin sehr beirrt sind, daß Du Selbst, um Dich nicht ruchbar zu machen, auch uns nichts Besonderes sagen kannst und wir Dich auch um nichts Außerordentliches fragen können.“ 15. Sagte Ich: „O Freund, sorge du dich darum nicht! Bis zur Mitternacht hin wird des Außerordentlichen noch gar vieles vorkommen; denn Ich bin heute, als an einem gut beendeten Tagewerke, guten Mutes, und ihr alle sollet es auch also sein! Nun aber essen und trinken wir und lassen uns in unserer Freude durch niemanden stören!“ 16. Darauf aßen und tranken wir ganz wohlgemut und die Fremden an den andern Tischen auch. Kapitel 8 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 8. — Der Gesang eines Harfners vor dem Herrn 1. Da es aber in Jericho Markt war, der sieben Tage hindurch andauerte, so kamen dahin nebst vielen Kaufleuten auch allerlei Gaukler, Pfeifer, Sänger, Harfner und Leierer, die abends von Herberge zu Herberge zogen und den Gästen um eine kleine Bezahlung allerlei vorzeigten und vormachten; und so kam denn in unsere Herberge ein Sänger mit einer Harfe, die er recht gut zu behandeln verstand und dazu auch mit einer reinen Stimme die Psalmen Davids sang. 2. Als er ins Zimmer trat, da bat er die Gäste um die Erlaubnis, sich um einen kleinen Lohn produzieren zu dürfen. 3. Die Fremden, zumeist Griechen und Römer, sagten: „Ah, gehe du mit deinem alten Judengekrächze! Die Musik, die göttliche Kunst, ist ja nur unter den Griechen zu Hause! Wenn dich aber der Haupttisch dort anhören will, so werden wir nichts dagegen haben; doch einen Lohn wirst du von uns nicht ernten.“ 4. Darauf kam der arme Harfner und Sänger an unseren Tisch und bat uns um die Erlaubnis, sich für und nur vor uns produzieren zu dürfen. 5. Und Ich sagte mit freundlicher Stimme: „Produziere du dich nur ohne Scheu und Bedenken, denn Ich kenne dich und weiß es, daß du ein reiner Sänger ganz in der Weise Davids bist! Der Lohn soll dir darum gar reichlich werden!“ 6. Darauf verneigte sich der Sänger und Harfner tief vor uns, stimmte seine Harfe rein und verwunderte sich selbst, sagend: „Wahrlich, das ist ein guter Saal für Musik und Gesang; denn so himmlisch hell und rein habe ich noch niemals die Saiten meiner Harfe ertönen hören!“ 7. Sagte Ich: „Nun, wenn also, da magst du dich nun schon zu produzieren anfangen!“ 8. Darauf griff der Harfner mit kunstgeübten Fingern in die Saiten und ließ ein ergreifendes Vorspiel ertönen. Als die Fremden die höchst reinen Töne und kunstvollen Tonweisen vernahmen, da wurden sie stille und hörten mit der gespanntesten Aufmerksamkeit dem Künstler zu. 9. Bei vollster Stille im ganzen Saale begann der Künstler unter gar herrlich klingender Begleitung mit einer wunderreinen und auch höchst wohlklingenden Stimme folgenden Psalm Davids zu singen: „Singet dem Herrn ein neues Lied; singe dem Herrn alle Welt! Singet dem Herrn, und lobet Seinen Namen! Prediget einen Tag um den andern Sein Heil! Erzählet den Heiden Seine Ehre, unter allen Völkern Seine Wunder; denn der Herr ist hoch und groß zu loben, wunderbarlich über alle Götter! Denn alle Götter der Völker sind tote Götzen; nur der Herr hat den Himmel gemacht. Es stehet herrlich und prächtig vor Ihm und gehet gewaltiglich und löblich in Seinem Heiligtume. 10. Ihr Völker, bringet her dem Herrn, bringet her dem Herrn Ehre und Macht! Bringet her dem Herrn die Ehre Seinem Namen, bringet Geschenke, und kommet in Seine Vorhöfe! Betet an den Herrn im heiligen Schmuck, und es fürchte Ihn alle Welt! Saget es unter den Heiden, daß der Herr allein König sei und habe Sein Reich, so weit die Welt ist, bereitet, daß es bleiben solle, und richtet die Völker recht! Himmel, freue dich, und du, Erde, sei fröhlich; das Meer brause, und was darinnen ist! Das Feld sei fröhlich, und alles, was darauf ist, und lasset alle Bäume im Walde rühmen vor dem Herrn; denn Er kommt, und Er kommt zu richten das Erdreich! Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit Seiner Wahrheit.“ (96.Psalm). 11. Als unser Sänger und Harfner diesen Psalm ausgesungen hatte, machte er noch ein Nachspiel und schloß damit seine Produktion. Da überhäuften ihn die Fremden mit Lob und Beifall und gestanden, daß sie in ihrem ganzen Leben etwas Herrlicheres sowohl in der Saitenmusik und ebenso auch im Gesange nicht vernommen hätten und baten ihn auch um Vergebung, daß sie ihn gar so roh und grob empfangen hätten, baten ihn aber zugleich auch um die Wiederholung des gesungenen Psalmes. 12. Der Sänger aber fragte Mich, ob er das noch einmal tun dürfe. 13. Und Ich sagte: „Tue das nur immerhin, denn herrlicher hat auch David diesen Psalm nicht gesungen!“ 14. Und der Sänger sagte: „Herr, wer du auch seist, – ich selbst auch noch niemals! Es kam mir unterm Singen wahrlich vor, als wäre mir Jehova ganz nahe gewesen und hätte mich wohlgefällig behorcht; und wieder kam es mir vor, als hätten ganze Chöre der Engel mit mir gestimmt. Oh, wenn mir doch die Kunst und Stimme bliebe, so würde ich der glücklichste Mensch auf der Erde sein und alle Heiden durch meinen Gesang zu unserm Jehova bekehren!“ 15. Sagte Ich: „Singe du nun nur noch einmal den 96. Psalm, und sei versichert, du frommer Samarite, daß dir die Kunst und Stimme erhalten bleibt bis ans Ende deiner irdischen Lebenstage, – und im Himmel sollst du vor dem Throne des Allerhöchsten ein lieblicher Sänger sein und bleiben ewig! Aber nun singe!“ 16. Sagte der Sänger: „O Herr, du mußt ein Prophet sein aller Wahrheit nach; denn so wie du reden gewöhnliche Menschen nicht! Doch nun nichts Weiteres mehr davon, denn ich muß ja noch einmal den Psalm singen!“ 17. Hierauf griff er wieder in die Saiten, und sie klangen noch heller und reiner denn das erste Mal, und so war es auch mit seiner Stimme. Alle Meine Jünger, unsere Wirtsleute und ebenso auch die Fremden wurden zu Tränen gerührt, und die Meinen an unserem Tische am meisten, da sie wohl wußten, Wem dieser Psalm galt. Kapitel 9 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 9. — Des Sängers Lohn 1. Als der Sänger auch zum zweiten Male den Psalm vollendet hatte, da erhob sich unter den Fremden ein ordentlicher Lobes- und Beifallssturm, und sie beschenkten ihn mit vielen Goldstücken und luden ihn ein, sich an ihren Tisch zu setzen und mit ihnen zu essen und zu trinken. 2. Er aber sagte (der Sänger): „Ich danke euch für die mir angetane Ehre und für das mir so reichlich gespendete Almosen; doch ich bin noch ein altreiner Jude – wenn ich auch erst dreißig Jahre Alters zähle –, und darf eure Speisen nicht genießen. Zudem hat mir nur dieser Herr hier die Erlaubnis zur Produktion erteilt, und so werde ich auch nur das tun, was er mir gebieten wird!“ 3. Da belobten die Fremden des Künstlers Treue, und Ich behieß ihn, sich an unsern Tisch zu setzen und mit uns zu essen und zu trinken, – was er mit vielem Dank denn auch sogleich tat. 4. Es ging aber unser Wirt und der Kado und brachten dem Harfner ein reichliches Almosen, das er beinahe gar nicht annehmen wollte, da er ohnehin schon von den andern Tischen zu reichlich beschenkt worden sei. 5. Ich aber sagte zu ihm: „Nimm du nur an, was man dir mit Freuden gibt; denn du selbst hast ein gutes Herz und teilst gerne mit den Armen auch von dem wenigen, was du dir mit deiner Kunst mühsam erwirbst! So du dir von nun an aber mehr erwerben wirst, so wirst du deinem guten Herzen auch einen größeren Tätigkeitsraum gewähren können. Den Armen wohltun, ist Gott wohlgefällig, und für die Armen arbeiten und sammeln, ist herrlich vor Gott und wird allzeit schon in diesem und noch mehr im andern Leben belohnt.“ 6. Sagte der Harfner: „Ja, du gütigster Herr, also ist es, und ich habe auch allzeit also geglaubt, obschon es mich mit dem diesirdischen Lohne lange stecken ließ, und ich doch schon seit beinahe fünfzehn Jahren treu in diesem Sinne meine schwache Kunst ausgeübt habe. Doch diesmal ist mir eine reiche Ernte geworden, und Gott dem Herrn, der mich in meiner Armut einmal angesehen hat, alles Lob und Ehre und allen meinen Dank dafür immerdar! Aber nun möchte ich dich, du bester Herr, denn doch auch um etwas fragen, wenn du mir das gnädigst erlauben möchtest.“ 7. Sagte Ich: „Oh, recht gerne! Frage du nur, und Ich werde dir die Antwort nicht schuldig bleiben!“ 8. Darauf fragte Mich der Harfner, sagend: „O du bester Herr, dem ich nächst Gott mein großes Glück zu danken habe, wie weißt du denn gar so genau um alle meine Lebensverhältnisse, – und ich weiß mich doch nicht zu entsinnen, dich jemals irgend gesehen zu haben?“ 9. Sagte Ich: „Das ist auch gar nicht nötig; es genügt, so nur Ich dich schon gar oftmals gesehen und gehört habe. Siehe, du hast dich nun hier produziert und bist von uns allen fest angesehen worden! Wir werden dich denn auch leicht überall wiedererkennen, wo wir uns auch treffen mögen; du aber wirst uns alle gewiß nicht so leicht wiedererkennen, und das aus dem ganz einfachen und natürlichen Grunde, weil sogar viele Tausende von Menschen sich einen irgend in etwas besonders ausgezeichneten Menschen leichter merken und ihn in allem beobachten können als der eine Mensch die vielen Tausende, vor denen er sich produziert hatte. Siehe, das ist der ganz natürliche Grund, warum auch allenfalls Ich dich besser kennen kann als du Mich. 10. Es kann aber schon auch andere Gründe geben, die du nun aber nicht wohl verstehen würdest, so Ich sie dir auch sagte; darum ist es der Fremden wegen besser, davon zu schweigen. Du hast aber ehedem selbst gesagt, daß Ich etwa ein Prophet sei, weil du in Meiner Nähe um vieles besser geharft und gesungen habest denn sonst irgendeinmal. Bin Ich für dich allenfalls denn ein Prophet, so kann Ich etwa als ein solcher ja aus dem Geiste Gottes in Mir auch wohl wissen, wie es mit deinen Lebensverhältnissen steht. Und so hast du nun einen natürlichen und einen übernatürlichen Grund, aus dem Ich dich allzeit besser kennen kann als du Mich oder jemand andern von uns. – Bist du nun im klaren?“ 11. Sagte der Harfner: „Ja, du bester und wahrlich auch sehr weiser Herr, ich heiße dich nicht umsonst weise! Denn ich habe es auf meinen Hin- und Herwanderungen auf dieser lieben Gotteserde mehrfach erfahren, daß wahrhaft gute Menschen auch stets weise Menschen waren. Daß aber die guten Menschen im Erdenglück den harten und bösen Menschen nachstehen, daran schuldet nicht etwa die aus ihrer Weisheit geschöpfte Klugheit, als wäre sie eine mindere denn die listige der Harten und Bösen, sondern ihre Herzensgüte, die aus ihr hervorgehende Geduld und die Liebe zur Wahrheit, zu Gott und sogar zu den Feinden, die am Ende doch auch noch Menschen sind, wenn auch blind und taub, und aus dem allen erst die rechte und wahre Weisheit, die die vergänglichen Güter dieser Welt eben nie höher schätzt, als sie von allen großen und wahrhaft Weisen allzeit geschätzt worden sind. Und siehe, du wahrhaft bester Herr, darum nannte ich dich denn auch einen Weisen, weil ich so viel Güte in dir fand!“ 12. Sagte Ich: „Da bist du am Ende ja auch ein Weiser, weil du meines guten Wissens auch ein guter Mensch bist?“ 13. Sagte der Harfner ganz bescheiden: „Bester Herr, ich werde mich dessen wohl nie rühmen, und es mögen darüber die Weisen über mich urteilen! Aber das kann ich von mir aus über mich bekennen, daß ich sehr weise und hochgelehrt sich dünkende Menschen schon um vieles dümmere Handlungen begehen sah, als ich sie je begangen habe. Ich bin der Meinung: An den einen, allein wahren Gott unter allen noch so oft widrigen Lebensumständen ungezweifelt fest glauben und aus wahrer Gottesfurcht und Liebe Seine heiligen Gebote halten, ist offenbar weiser als im Glauben schwach werden, Gott den Rücken zuwenden und sich als ein hochgeehrter Weltweiser in alle erdenklichen Lustbarkeiten der Welt stürzen und also leben und handeln, als hätten die andern Menschen gar kein Recht auf dieser Erde, auf die sie doch auch von Gott aus gestellt worden sind, auch umherzuwandern und sich ihre nötigste Nahrung und andern Lebensunterhalt zu suchen! O bester und weiser Herr, habe ich da recht oder unrecht geurteilt?“ 14. Sagte Ich: „Ganz vollkommen recht und somit auch recht sehr weise! Aber nun iß und trinke du nur nach deinem Bedürfnisse!“ 15. Der Harfner aß und trank nun nach Herzenslust, da er schon sehr hungrig und durstig war; doch merkte man an ihm keine Eßgier und noch weniger einen Säufersinn. Kapitel 10 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 10. — Des Griechen Frage an den Herrn in bezug auf die Schöpfungsgeschichte 1. Während aber unser Harfner ganz bescheiden aß und trank, machten die Jünger unter sich große Augen und staunten nicht wenig über seine weisen Worte. 2. Ich aber sagte zu ihnen: „Wie staunet ihr denn nun gar so über unseres Sängers Verstand? Habt ihr denn das noch nie gehört, daß Gott dem auch allzeit den Verstand gibt, dem wahrhaft Er zu Seiner Ehre ein Amt gegeben hat?! Ich sage es euch: Dieses Sängers Amt ist wahrlich eines der geringsten nicht auf dieser Erde; denn er erweicht durch die große Wärme seines Gesangs und seines Saitenspiels die harten Herzen, und in sie dringt dann leicht das Wort und die ewige Wahrheit. 3. Wenn Saul die Harfe Davids vernahm, da ward sein steinern Herz mürbe, und der böse Geist wich von ihm, und es steht auch in der Schrift darum: ,Lobet Gott den Herrn mit Psalmen, reiner Stimme und wohlgestimmten Harfen!‘ Was ein Johannes war, das soll der Harfner und Sänger euch werden!“ 4. Mit diesen Worten waren die Jünger höchlichst zufrieden und begriffen die Ursache der weisen Rede des Harfners. 5. Aber die Worte des Psalms konnten die Heiden nicht unters Dach bringen und sagten untereinander: „Schade um den Künstler! Wenn er mit seiner götterhaft reinen Stimme unsere Götter nach der Weise Homers besänge gleich einem zweiten Orpheus, er würde in Athen und Rom vergöttert werden und sich große Schätze sammeln!“ 6. Nach dergleichen weniger als nichtssagenden Gesprächen erhob sich derselbe Fremde, dem Ich zuvor einen Rat für seinen Magen gab, kam an unseren Tisch hin, noch einmal den Sänger hochbelobend, und sagte: „Um Vergebung, so ich euch irgend störe; aber so wir schon einmal als Gäste uns in diesem Saale zusammengefunden haben, und wahrlich keine Ursache haben, uns gegenseitig anzufeinden, so möge uns denn auch gegenseitig gegönnt sein, bei dieser wahrlich unerwartet herrlichsten Gelegenheit einige freundliche Worte miteinander zu verkehren! Denn ob wir Heiden sind und ihr Juden seid, das macht bei mir wenigstens dem wahren Menschenwerte gar keinen Eintrag, und ihr scheinet in dieser Hinsicht auch meiner Meinung und Lebensansicht zu sein!“ 7. Sagte Ich: „Freund, vor Mir kann ein jeder Mensch sein freies Wort aussprechen, und so auch du und jeder deiner Genossen! Wenn du etwas hast, so rede offen!“ 8. Sagte der Grieche: „Wir welterfahrenen und gebildeten Griechen sind zwar wohl schon lange über alle unsere Götterfabeln hinaus, und die besseren Juden halten auf ihren Eingottstempel vielleicht nicht um vieles mehr als wir Griechen und Römer auf unsere Vielgöttertempel. Dieser Harfner und Sänger sang einen mir nicht völlig unbekannten Psalm des einstigen Königs der Juden, der in der Reihe der Könige eures Volkes der zweite war und David hieß. Die Dichtung ist voll verborgener Theosophie; was aber daran klar ist, das scheint in dem zu bestehen, daß der große, mächtige, tapfere und auch siegreiche König als ein Eingottsbekenner alle Heiden erobern wollte, um sie auch zu bekehren zu seinem Glauben, weil ihm dies das Regieren um gar vieles erleichtert und sein Ansehen bei allen Völkern um ein gar großes erhöht hätte. Ob er aber bei sich wohl gar so ernstlich auf den einen Gott hielt, wie das aus seinen Dichtungen ersichtlich ist, das ist eine ganz andere Frage! Möglich wohl, – aber man könnte sich aus so manchen seiner Handlungen auch das Gegenteil denken! Doch sei ihm nun, wie ihm wolle, David war und bleibt ein großer und höchst denkwürdiger Mann in jeder guten Hinsicht, und die Erde wird Könige seinesgleichen wenige aufzuweisen haben, und ich kann den Sänger nur loben, daß er sich als ein reiner Altjude des großen Königs Psalmen zum Gegenstande seiner Musik und Sangesproduktionen machte. Doch bei aller seiner großen Vortrefflichkeit ist er dadurch, daß er nur ein Davidssänger ist, etwas einseitig. Würde oder könnte er auch unserer alten Dichter Psalter singen gleich einem Orpheus, und käme er als solcher nach Athen und Rom – wie ich das schon früher bemerkt habe –, so könnte er sich große Schätze erbeuten! Doch lassen wir das und gehen nun auf die Hauptsache über! 9. Unter anderm fiel mir in dem Psalm besonders die Stelle auf, die also lautete: ,Alle Götter der Völker sind tote Götzen; aber der Herr (also der eine, lebendige Gott der Juden) hat Himmel und Erde gemacht.‘ Sage mir doch, ob sich die Sache der vollen und erweisbaren Wahrheit nach denn auch also verhält! Denn wir Heiden nehmen vor dem ausgebildeten Dasein der Erde und des Himmels einen chaotischen Stoff an, aus dem dann irgend uns unbekannte mehr oder weniger intelligente Kräfte, die später von den phantasiereichen Menschen zu Göttern gemacht wurden, die Erde mit allem, was sie trägt, und auch den Himmel nach und nach geformt haben; ihr aber lasset alles von dem einen Gott in sechs Tagen oder etwa Zeitperioden aus nichts erschaffen. Welches ist da wahr? Zahllos viele Menschen in allen uns weit und breit bekannten Teilen der Erde glauben mit kleinen Unterschieden das, was wir und schon die ältesten Ägypter als eine nahezu erweisbare Wahrheit geglaubt haben; ihr aber seid von unserem Glauben so fern wie der Himmel von der Erde! Wer hat nun recht, und welches ist wahr? Kannst du die Wahrheit eurer Lehre erweisen, so lassen ich und alle meine Gefährten unsern Glauben und werden Juden; sonst aber bleiben wir, was wir sind, und werden von dem Sänger auch nicht begehren, daß er je nach Athen oder Rom kommen solle.“ Kapitel 11 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 11. — Der Herr heilt den magenkranken Griechen 1. Sagte Ich: „Freund, du verlangst etwas ganz Sonderbares nun von Mir! Dein Verstand ist zu sehr mit weltlichen und somit materiellen Dingen angefüllt; wie wird er da Geistiges zu fassen imstande sein? Wir echten, alten und wahren Juden aber haben unseren Verstand mit den geistigen Dingen erfüllt und können denn auch geistige Dinge als für uns wohl erweisbar leicht begreifen. 2. Es besteht Entsprechung wohl zwischen dem, was des Geistes und was der Materie ist. Wärest du in solcher Wissenschaft bewandert, da wäre es dir leicht zu erweisen, daß nur wir alten und reinen Juden in der vollen Wahrheit stehen, alle Heiden sich aber im Falschen und Unwahren trotz aller ihrer Weltweisheit befinden; aber solche innere Wissenschaft ist euch fremd, und es kann euch denn auch auf einem andern Wege schwer erwiesen werden, daß nur wir Juden allein in der vollen Wahrheit stehen. 3. David hat den einen, wahren Gott nur darum besungen, weil er an Ihn nicht nur geglaubt, sondern Ihn auch gesehen und allzeit mit Ihm geredet hat. Und unser Sänger hat, als selbst ein reiner Jude, wohl sehr recht, daß er durch sein Harfenspiel und durch seinen Gesang nur Dem die Ehre gibt, dem von Ewigkeit her allein die Ehre gebührt. Er soll darum auch den Heiden, die schon David zur alten Wahrheit zurückgerufen hat, nur die Psalmen Davids vorsingen, auf daß ihre Herzen weicher und offener werden zum Erkennen und Anbeten des nur einen, ewig wahren Gottes, der nicht ein den wahren Menschen so verborgener und unzugänglicher Gott ist, als wie da euch sind eure wahrlich nur erdichteten und nachher von Menschenhänden aus der toten Materie gemachten Götter. Daß sich aber die Sache also verhält, das können wir dir wohl alle sogar praktisch beweisen, obschon du dadurch der innern, geistigen und somit allein in sich lebendigen Wahrheit nicht näherstehen wirst, als du nun stehst.“ 4. Sagte der Grieche: „Freund, so gib mir einen praktischen Beweis, und ich werde mit allen meinen Gefährten an den Gott der Juden glauben und auch die etwa von Ihm ausgehenden Gebote halten und dazu noch viele Tausende zu meinem Glauben bekehren!“ 5. Sagte Ich: „Gut denn, einen solchen Beweis kann Ich als ein wahrer Jude der Juden, der Ich den einen, allein wahren Gott und Herrn Himmels und der Erden wohl kenne und auch weiß, daß Er ist, und wie Er ist, dir alsogleich vor deine Augen stellen! Du leidest noch an deinem Magen, darum du dich auch beinahe nichts zu essen und zu trinken getraust, obschon du nun Hunger und Durst ziemlich mächtig verspürst. Wieviel hast du schon deinen Götzen geopfert nach dem Rate der Priester, und wieviel Arzneien hast du schon verschluckt! Hat alles das dein Leiden nur im geringsten gemildert? Du sagst: ,Nein, nicht im geringsten!‘ Ich aber will dir durch die innere Anrufung des einen, allein wahren Gottes der Juden im Augenblick derart helfen, daß du nimmerdar ein Magenleiden verspüren sollst!“ 6. Sagte der Grieche: „O Freund, so dir das möglich ist ohne Arznei, dann glaube ich nicht nur allein an euren Gott und werde Ihm auch sogleich alle Ehre erweisen samt allen meinen Gefährten, sondern ich will dir auch die Hälfte meines nicht kleinen Vermögens zukommen lassen!“ 7. Sagte Ich: „Freund, dessen benötige Ich nicht; denn Mein allein wahrer und allmächtiger Gott gibt Mir und uns allen allzeit, dessen wir bedürfen. Und so benötigen wir nicht euch Heiden gleich der irdischen Schätze; denn die Schätze des Geistes Gottes in uns stehen endlos höher, als was da wert ist die ganze Erde und der ganze sichtbare Himmel, wovon du dich sogleich überzeugen wirst. Siehe, nun rufe Ich stille in Mir Gott den Herrn an, daß Er dir heile und stärke deinen Magen, – und sage mir nun, ob dein Magen schon besser ist!“ 8. Hier erstaunte der Grieche über alle Maßen und sagte: „Ja, nun glaube ich ungezweifelt, daß nur euer Gott ein allein wahrer ist! Denn als du, Freund, die Worte zu eurem Gott noch kaum völlig ausgesprochen hattest, da ward es mir plötzlich so wohl im Magen, wie ich zuvor ein solches Wohlsein selbst in meinen gesundesten Jugendjahren noch niemals empfunden habe, und dieses Wohlbefinden fühle ich nun gleichfort und habe nun erst einen rechten Hunger und Durst. Deinem allein wahren Gott sei von nun an allein all mein Dank, alle Ehre und alle meine tiefste Hochachtung und Ergebung in Seinen heiligen, über alles mächtigen Willen bis zu meinem Lebensende! Oh, Er aber wolle uns Heiden erleuchten, gleichwie Er euch erleuchtet hat, auf daß wir Ihn möchten tiefer und tiefer erkennen und Ihm geben allein eine rechte, Ihm wohlgefällige Ehre! 9. Und du, ausgezeichnetster Psalmsänger, bleibe nur bei deiner guten, wahren Kunstweise, und besinge allzeit und überall des allein wahren und lebendigst allmächtigen Gottes Ehre; denn nur Ihm allein gebührt alle Ehre, nicht nur von uns Menschen, sondern nach dem Psalme auch von der gesamten Kreatur, die Sein Werk ist. Denn nun sehe ich es schon ein, daß nur Er allein alles, Himmel und Erde, Sonne, Mond und alle die zahllos vielen Sterne, erschaffen hat. Wie? Um das werde ich niemals fragen; denn es ist genug, daß ich nun weiß, daß Er ganz allein der Urgrund aller Dinge ist, und daß nichts als nur Sein Wille der eigentliche Stoff jedes Daseins ist. In diesem Glauben will und werde ich fortan leben, handeln, denken und endlich auch sterben. 10. Dir liebstem und vom Geiste Gottes erfülltem Freunde aber danke ich auch, daß du mich in diesem allerwichtigsten Lebenspunkte so treu und wahr belehrt hast, wodurch mir beinahe mehr geholfen ist als durch die Heilung meines böse gewesenen Magens. Doch da es mich nun schon sehr nach Speise und Trank gelüstet, so werde ich mich nun wieder an unsern Tisch setzen und mäßig meinen Leib erquicken und stärken!“ 11. Sagte Ich: „Tue das nun ohne Furcht und Scheu, und bitte im Herzen Gott vor dem Essen, daß Er dir und allen Menschen die Speisen und den Trank segnen möchte, und Er wird solche Bitte allzeit erhören, und dir wird dann jegliche für die Menschen bestimmte Speise wohl dienen und deinen Leib wahrhaft nähren und stärken! Also sei es und bleibe es!“ 12. Auf diese Meine Worte begab sich allerdankbarst der Grieche wieder an seinen Tisch, bat Gott um Seinen Segen und aß und trank darauf mit heiterm Mute und hatte keine Furcht mehr, daß ihm Speise und irgendein Trank je mehr schaden könnte. Was aber nun der eine Grieche tat, das taten auch alle seine vielen Gefährten und aßen und tranken darauf noch weiter mit großer Lust und Freude; auch redeten sie viel untereinander von der Wahrheit bezüglich des Seins des Gottes der Juden und konnten sich noch immer nicht zur Genüge verwundern über das, daß der wahre Gott der Juden die Menschen, die an Ihn lebendig glauben, auf Ihn all ihr Vertrauen setzen und Seine Gebote halten, also sehr mit Seiner Macht unterstützt, daß man am Ende bald glauben könnte, daß sie selbst Götter seien. 13. Nach mehreren solchen Besprechungen, während deren wir uns über die Vorgänge in Essäa besprachen, erhoben sich die nun vollends gesättigten Griechen, dankten dem wahren Gott der Juden für Seinen Segen und baten Ihn, daß Er allzeit mit solcher Gnade bei ihnen und bei allen Menschen, die Ihn darum anflehen werden im Glauben und Vertrauen, verbleiben wolle. Kapitel 12 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 12. — Der Herr gibt den Griechen Ermahnungen 1. Darauf kam der Grieche wieder zu Mir und sagte: „Liebster Freund, war es also recht mit unserer Bitte und unserem Dank?“ 2. Sagte Ich: „Du hast Kinder daheim, die du sehr lieb hast; wenn es sie hungert und sie bitten dich um Brot, wirst du ihnen das Brot als den Segen deiner Vaterliebe vorenthalten, wenn sie dich etwa nach einer dummen, eingelernten Form darum bitten? Siehst du doch als ein Mensch und Heide nur auf das Herz deiner Kinder, und ihr Lallen gilt dir mehr als die schmuckvollste Rede eines Rhetors. Um wie vieles mehr sieht Gott als der allein wahre Vater aller Menschen nur auf deren Herzen und nicht auf die eitlen Worte des Mundes und auf deren künstlich geordnete Form! 3. Eure Bitte und euer Dank, wennschon in schlichte Worte eingekleidet, kam aus euren Herzen, und so hatte der allein wahre Vater der Menschen im Himmel auch ein rechtes Wohlgefallen daran. Bleibet also, und es wird euch dann zur rechten Zeit ein höheres Licht aus den Himmeln hinzugegeben werden! Wendet euch allzeit in der vollsten Liebe eurer Herzen zu Gott, dem ewigen Vater im Himmel, und Er wird sich allzeit zu euch kehren mit dem lebendigen Lichte der ewigen Wahrheit in Ihm! 4. Aber um Gott recht zu lieben, müßt ihr auch eure Nächsten lieben wie euch selbst und niemandem ein Unrecht zufügen. Was ihr nicht wünschet, daß man es euch antue, das tut auch euren Nebenmenschen nicht an! Ich verstehe das in einer vernünftigen und weisen Hinsicht und Beziehung; denn so könnte sonst auch ein Raubmörder verlangen, daß man darum auf ihn nicht fahnden und ihn den Gerichten übergeben solle, weil er in solcher Absicht auf niemanden fahndet, – und derlei Ungereimtheiten noch eine Menge. 5. Wer sonach seinen Nebenmenschen treu und vernünftig und somit auch wahrhaft liebt, der liebt auch Gott und wird von Gott wiedergeliebt. Wer aber schon seinen Nächsten nicht liebt, den er doch sieht, wie wird er dann Gott lieben, den er nicht mit seinen Augen sehen, noch mit seinen Ohren hören kann? 6. Ihr seid Handelsleute und Wechsler, und es ist euch ein großer Gewinn denn auch lieber als ein kleiner und somit gerechter; Ich aber sage es euch: Seid in der Folge in allem gerecht, und denket, wie es euch lieber ist, daß ein anderer gegen euch gerecht und billig ist, also seid auch ihr gerecht und billig gegen eure Nächsten im Preis, Maß und Gewicht! Denn mit welchem Maß, Gewicht und Preis ihr eure Nebenmenschen bedienet, mit demselben Maße wird es euch Gott der Herr und Vater im Himmel wiedervergelten. Denn Lügner und Betrüger in jeder diesirdischen Lebensbeziehung werden von Gott nicht angesehen und in Sein ewiges Lebensreich nicht eingehen. Das kann Ich euch wohl sagen, weil Ich Gott und Sein Reich und Seinen ewigen Herrscherthron und Seinen Willen gar wohl kenne. 7. Habt ihr das verstanden, so tuet auch danach, und es wird der wahre und lebendige Segen nicht von euch genommen werden! So ein Mensch in einem Königreich des Königs Gesetze kennt und sie auch stets treulich befolgt und der König darum weiß, so wird er dem Menschen wohlgewogen sein, ihn achten und liebhaben und ihn auch leicht in ein Amt setzen zum Lohne seiner Treue. So ihr aber nun durch Mich vernommen habt den Willen des einen, wahren Gottes, so tuet denn auch danach, und ihr werdet Gnade bei Gott finden!“ 8. Sagte der Grieche: „Freund, wir danken dir für diese wahrlich allerweiseste Belehrung und versprechen dir auch, daß wir von nun an treulich danach leben und handeln werden! Aber da es nun eben noch nicht so spät in der Zeit der Nacht ist und ich nun aus deinen Reden und aus deiner Handlung an mir ersehen habe, daß du den allein wahren Gott gar wohl kennst und als völlig nach Seinem Willen lebend und handelnd dich auch Seiner Liebe und Freundschaft erfreust, so kannst du aus dem Lichte Gottes in dir uns ja auch noch so einige Winke geben, wie Gott wohl aus Sich ohne Stoff und Materie diese Erde hat erschaffen können. Ich habe wohl schon ausgesprochen, daß der Stoff, aus dem alles erschaffen ist, pur in dem allmächtigen Willen Gottes besteht; aber dessenungeachtet muß ich dennoch darüber nachdenken, wie möglich etwa doch aus dem puren Willen Gottes der Stoff und die Materie geworden sind. So wir Griechen davon nur so einen kleinen Begriff bekämen, dann wären wir aber auch über die Maßen zufrieden.“ 9. Sagte Ich: „Ihr verlanget wahrlich Dinge, die der menschliche Verstand niemals völlig begreifen kann; und begriffe er auch ein Näheres in des Reiches Gottes tiefsten Geheimnissen, so würde ihn das der Liebe Gottes nicht näher bringen! Denn niemand kann wissen, was in Gott ist, denn allein nur der Geist Gottes; wer aber Gottes Gebote hält und Ihn liebt über alles, der bekommt dann auch den Geist Gottes in sein Herz, und dieser sieht dann auch in die Tiefen Gottes. 10. Tut denn nur, was Ich euch geraten habe; ihr werdet dadurch in alle höhere Weisheit geleitet werden, und es wird euch dann das, was euch nun unbegreiflich und unmöglich dünkt, so klar und leichtfaßlich werden wie eurer Kinder Spielzeug! 11. Auf daß ihr aber noch einen Beweis habt, wie Gottes Wille in Sich alles ist, als erstens pur Geist und dann auch Stoff und Materie, so bringet Mir einen völlig leeren Krug von eurem Tische her!“ 12. Da brachte sogleich ein anderer Grieche einen völlig leeren Krug und stellte ihn vor Mir auf den Tisch, sagend: „Hier, Freund Gottes, ist ein bis auf den letzten Tropfen vollkommen geleerter Krug!“ 13. Sagte Ich: „Gut denn, gebet nun wohl acht, und nehmet den Krug in eure Hand! Seht, wie er noch leer und sogar trocken ist! Ich aber will nun aus dem Willen Gottes in Mir, daß der ziemlich große Krug im Augenblick voll des reinsten und besten Weines werde, den ihr dann zur besonderen Stärkung eurer Glieder trinken könnet!“ 14. Als Ich das ausgesprochen hatte, war der Krug auch schon voll des besten Weines. 15. Als die beiden Griechen das gar wohl ersahen, da sagten sie höchst erstaunt: „Ja, nun sahen wir alleraugenscheinlichst, daß der Wille des einen, wahren Gottes Alles in Allem ist, darum Ihm allein alle Ehre! Wir brauchen das Wie gar nicht zu wissen, es genügt, daß wir wissen, daß es also und nicht anders ist und sein kann.“ 16. Sagte Ich: „Nun, da ihr den Wein habt, der ebenso nur der Wille Gottes ist wie der, den ihr daheim in den Schläuchen in großer Menge besitzet, so trinket ihn denn auch und saget, wie er euch schmeckt!“ 17. Da verkosteten die Griechen den Wein und konnten abermals nicht zur Genüge staunen über seine Güte und Kraft. Kapitel 13 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 13. — Die unverschämten Gymnastiker und ihre gerechte Bestrafung 1. Als sich aber die Griechen über das Wunderwerk an ihrem Kruge noch gar löblich besprachen, da kam noch eine Gesellschaft von einer Art Künstlern, die aber Griechen waren. Ihre Kunst bestand aber darin, daß sie allerlei gymnastische Bewegungen und Sprünge machen konnten. Diese ersuchten auch den ihnen wohlbekannten Wirt, ihre armselige Kunst vor den Gästen produzieren zu dürfen. 2. Der Wirt aber fragte auch diesmal Mich, ob er ihnen das gestatten solle. 3. Sagte Ich: „Du bist der Herr in deinem Hause und kannst tun, was dir gut dünkt! Uns geht aber das nichts an, und wir werden uns um deren heidnische Produktion auch gar nicht kümmern. Ich aber muß gar viele Torheiten der Menschen mit aller Geduld und Langmut ertragen; warum sollte Ich diese Dummheit nicht mit ertragen? Frage aber die Griechen, ob sie nun eine solche nichtssagende und für die Menschheit gänzlich unnütze Produktion wünschen! Ist sie ihnen genehm, so können sie sich von diesen armseligen Menschen ja einige ihrer Künste vormachen lassen; ist den Griechen aber das nicht genehm, dann können sie diese Gymnastiker auch gehen lassen.“ 4. Auf das ging der Wirt hin und besprach sich mit den Griechen. 5. Diese aber sagten (die Griechen): „Freund, wir haben hier das Höchste aller Künste gehört, gesehen und sind nun ganz mit dem allein wahren Gott der Juden beschäftigt, und da taugen derlei gar zu dumme und den Menschen nie einen Nutzen bringende Künste nicht mehr vor unseren Augen. Wir kennen aber diese Gymnastiker ohnehin schon lange samt ihren Leistungen und wollen sie nun nicht noch einmal wieder kennenlernen, und so können sie von uns aus gehen, wie sie gekommen sind.“ 6. Als der Wirt von den Griechen diesen ganz guten Bescheid erhielt, da sagte er zu den Gymnastikern: „Da von eurer nichts nützenden Kunst niemand etwas zu sehen wünscht, so könnet ihr wieder gehen, wie ihr gekommen seid!“ 7. Mit diesem Bescheide waren die Gymnastiker schlecht zufrieden, und ihr Oberster sagte: „Herr, wir sind mit unserer Kunst beinahe die halbe Welt aus- und durchgereist und sind allenthalben höchst bewundert worden; es ist uns noch niemals verweigert worden, uns zu produzieren! Wir sind zum mindesten wahre Halbgötter und sind die ersten Günstlinge des großen Gottes Mars, wie auch des Apollo und der neun Musen, und diese werden sich rächen an diesem Hause für die Schmach, die uns hier angetan wurde!“ 8. Sagte der Wirt, ganz in heiterer Stimmung: „Seit wir alle in diesem Hause den nur einen und allein wahren Gott der Juden haben kennengelernt, haben wir vor den toten Göttern der Ägypter, Griechen und Römer wahrlich nicht die allergeringste Furcht mehr; und so möget ihr uns mit euren Götzen drohen, wie ihr wollet, so wird uns das in unserer Ruhe nicht im geringsten beirren. 9. So ihr aber schon die halbe Welt nach eurer Aussage bereist und euch auch schon sicher große Schätze und Reichtümer erworben habt, so bereiset als seiende wahre Halbgötter noch die übrige halbe Welt, und lasset euch hoch ehren, wie ihr wollet, doch uns lasset in Ruhe! Wollet ihr hier aber irgendeinen Spektakel machen darum, weil hier kein Mensch von eurer Kunst etwas sehen will, so dürfte euch so etwas teuer zu stehen kommen; denn es befindet sich ein gar mächtiger Herr hier an meinem Tische, dem nichts unmöglich ist. Der würde euch für eure Zudringlichkeit sicher höchst empfindlich zu züchtigen imstande sein! Und so gehet denn nun lieber gutwillig aus diesem meinem Hause!“ 10. Sagte der Oberste ganz ergrimmt: „Wenn du nun vor den erhabenen Göttern keine Furcht mehr hast, so du sie als tot und nichtig bezeichnest gegenüber dem chimärenhaften Gott der Juden, der nichts als eine leere Dichtung ist, da wisse, du Götterverachter: Ich selbst bin der Gott Mars und werde dies Land durch Krieg, Hunger und Pest zu verderben verstehen! Als Gott aber habe ich sicher keine Furcht vor irgendeinem allmächtigen Juden an deinem Tische!“ 11. Hierauf aber sagte Ich zu dem Mars-Obersten: „Du frecher Heide, nun siehe, daß ihr weiterkommt, – sonst sollst du die Macht des allein wahren Gottes der Juden zu verkosten bekommen!“ 12. Auf diese Meine Worte ward der Oberste erst recht grob und fing an, gegen Mich aufzubegehren. 13. Ich aber bedrohte ihn noch einmal, und da er noch nicht gehen wollte, so sagte Ich zu ihm: „Weil du auf Meine Aufforderung dich nicht entfernen wolltest, so werde Ich dich durch die Kraft und Macht des Judengottes nun im Augenblick hundert Tagereisen ferne von hier samt deiner Gesellschaft entfernen; dort kannst du dich dann als den Gott Mars von den Mohren anbeten lassen! Und so denn fort mit euch!“ 14. Als Ich das ausgesprochen hatte, da verschwanden die argen Gymnastiker denn auch augenblicklich und wurden versetzt unter jene Mohren in Afrika, die wir schon in Cäsarea Philippi kennengelernt haben, allwo sie bald in der von Mir ausgehenden Lehre unterwiesen und also zu Meinen Jüngern wurden. 15. Wir aber besprachen uns dann noch über manches und auch über die schnelle Entfernung der vorgeblichen Halbgötter. 16. Und es war so die Mitternacht herbeigekommen, in der wir uns denn auch zur Ruhe begaben. 17. Auch der Harfner und Sänger blieb bei uns; der fing an, es zu begreifen, vor wem er seine Psalmen gesungen hatte, darum seine Liebe zu Mir denn auch stets mächtiger wurde. Kapitel 14 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 14. — Der Griechen Gedanken über das Verschwinden der Gymnastiker 1. Die Griechen aber blieben denn die ganze Nacht auf und konnten über das gar so plötzliche Verschwinden der Gymnastiker nicht ins klare kommen und fragten sich untereinander, ob Ich es mit ihnen wohl ganz ernst gemeint habe, oder ob Ich sie durch die Gewalt Gottes in Mir nur so bloß hinaus in irgendeinen andern Stadtteil getrieben habe. 2. Aber der erste Redner sagte: „Ich meinesteils bin der Meinung, daß der machtvolle Freund des einen, wahren Gottes durchaus niemals etwas nur so pro forma ausspricht; sondern was er einmal im Verein mit der innern, in ihm wohnenden Kraft des Jehova fest ausspricht, das geschieht auch ohne die allergeringste Abänderung also, wie er es ausgesprochen hat. Und so werden die Gymnastiker sich nun denn auch schon dort befinden, wo er etwa im tiefen Afrika einen Platz für sie bestimmt hat!“ 3. Sagte ein anderer: „Wenn sie durch die Luft – was denn doch am wahrscheinlichsten ist – dahin in mehr denn Blitzesschnelle geworfen worden sind, so wird es ihnen bei einer solchen Wanderung sicher nicht am besten ergangen sein!“ 4. Sagte der erste Grieche: „Darum sorge ich mich nicht; denn er hat mit seinem Machtworte von einer Beschädigung der Gymnastiker nichts merken lassen; und so meine ich, daß sie ihre wundersame Wanderung unversehrt werden gemacht haben. Wie es ihnen aber an dem neuen und ganz fremden Orte weiter ergehen wird, das ist wohl freilich eine ganz andere Frage. Wer weiß es aber, warum er das also hat geschehen lassen? Vielleicht kann mit unseren armseligen Künstlern auch noch ein guter Zweck zu erreichen sein?“ 5. Dieser Meinung waren bald auch die andern Griechen, und sie schlummerten bei solchen Gesprächen gen Morgen an ihrem Tische denn auch ein. 6. Ich Selbst schlief diesmal mit den Jüngern bis zum vollen Sonnenaufgang in einem ordentlichen Schlafgemach; denn Ich wollte Mich mit den Jüngern der vielen Marktleute wegen nicht zu früh in die offene Stadt begeben, da Ich da wohl erkannt worden wäre, – was in der Stadt unter den Menschen ein Mich vor der Zeit ruchbar machendes Aufsehen erregt hätte. Und so blieb Ich denn auch bis nahe gen Mittag hin in der Herberge. 7. Als Ich mit den Jüngern wieder in das große Gastzimmer kam, da waren unsere Griechen auch schon wach und saßen schon ganz wohlgemut bei dem für sie bereiteten Morgenmahle und begrüßten Mich freundlichst. 8. Es ward aber auch für uns das Morgenmahl bereitet, und wir setzten uns denn auch sogleich zum Tische und nahmen es ein. 9. Die Griechen fragten Mich aber auch gleich nach ihrem eingenommenen Morgenmahle um das etwa sicher sehr traurige Los der Gott weiß es wohin geworfenen Gymnastiker, und Ich sagte ihnen auch, wie es ihnen ergehe, noch weiter ergehen werde, und was sie fernerhin tun würden. 10. Damit waren die Griechen denn auch zufrieden, baten Mich noch einmal um den Segen Jehovas und begaben sich dann bald an ihre Marktgeschäfte. 11. Ich aber sagte zu ihnen, daß sie Mich nicht vor ihren Mitkaufleuten am Vormittage ruchbar machen sollten, – was sie Mir auch versprachen und ihr Versprechen nach Möglichkeit auch hielten. 12. Als unsere Griechen fort waren, da fragten Mich die Jünger, sagend: „Herr, bis gen Mittag sind noch etliche Stunden! Sollen wir diese ganz müßig zubringen oder sollen wir etwas tun?“ 13. Sagte Ich: „Wir sind nun schon nahe an dritthalb Jahre beisammen, und ihr habt wenig irgend etwas anderes zu tun gehabt, als daß ihr Mich allenthalben begleitet, angehört und Meine Taten angestaunt habt, und ihr habt dabei niemals Hunger und Durst gelitten und seid nie nackten Leibes einhergegangen. Habt ihr es schon so lange, ohne etwas Besonderes zu tun, ausgehalten, so werdet ihr es etwa wohl auch heute bis gen Mittag aushalten, ohne irgend etwas Besonderes zu tun! 14. Wenn Ich nicht mehr unter euch sein werde körperlich und an euch Mein Amt übertragen werde, dann werdet ihr schon genug zu tun haben; für jetzt aber besteht eure Tätigkeit darin, daß ihr allenthalben Meine Zeugen seid. Es wird aber gar nicht lange hergehen, bis wir etwas auch hier im Hause zu tun bekommen werden, und es wird euch die Zeit nur zu schnell verrinnen!“ 15. Mit diesem Bescheid waren die Jünger wieder zufrieden, blieben ruhig am Tische sitzen und besprachen sich mit den Jüngern des Johannes. 16. Mein Jünger Johannes aber nahm sein Schreibzeug aus seiner stets mit sich getragenen Reisetasche und machte sich ganz kurze Noten über unsere Reise und Taten von Jericho nach Essäa und von da wieder nach Jericho. 17. Ich Selbst aber besprach Mich mit dem Wirte, mit seinem Sohne Kado und mit seinem alten Diener Apollon über verschiedene, mehr diesweltliche Dinge, welche zum Nutz und Frommen in landwirtschaftlichen Angelegenheiten dienlich waren, wofür Mir die drei sehr dankten, weil ihnen derlei Mittel zum besseren Fortkommen der Landwirtschaft vorher ganz unbekannt waren. Kapitel 15 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 15. — Eine Gerichtsverhandlung in der Herberge 1. Als wir so bei einer Stunde Dauer uns mit Wort und Rat unterhielten, da entstand auf dem Platz vor dem Hause unseres Wirtes ein ungewöhnlich großer Lärm, und es hatte sich darum viel Volkes in wenigen Augenblicken angesammelt. Das lockte auch einige Meiner Jünger an die Fenster des Saales. 2. Ich aber berief sie zurück, sagend: „Wozu diese Neugier? Wir werden es etwa wohl noch früh genug erfahren, was es gibt! Etwas gar zu Erbauliches sicher nicht, und das, was schlecht ist, erfährt man allzeit nur zu früh, so man es auch etwas später erfährt.“ 3. Darauf zogen sich die etlichen neugierigen Jünger wieder an den Tisch zurück. 4. Es dauerte aber gar nicht lange, da brachten mehrere Kaufleute mit ganz ergrimmten Gesichtern drei mit Stricken fest geknebelte Hauptdiebe, die im Gedränge bei den Kaufleuten Geld und auch andere Dinge gestohlen hatten, in das Gastzimmer zum Wirte, um sie da anzuklagen, weil eben der Wirt in dieser Stadt eine Art Bürgermeister und Marktrichter war und die Diebe zu verhören und dann dem Hauptgericht zur Bestrafung zu überantworten hatte. 5. Es war aber dem Wirte dieser Fall nicht angenehm um Meinetwegen. Aber was wollte er machen? Er mußte die Kaufleute und noch andere Zeugen anhören und die drei schon allbekannten Diebe in ein festes Gewahrsam nehmen. 6. Als die Kaufleute das ihnen Gestohlene wieder zurückerhielten, da entfernten sie sich denn auch bald wieder und gingen in ihre Verkaufsbuden. 7. Ich aber sagte zum Wirte: „Freund, da außer uns nun niemand hier ist, so lasse du die drei Diebe aus der festen Kammer hierher bringen, und Ich werde mit ihnen reden!“ 8. Solches tat der Wirt, und die drei Diebe wurden von seinen Knechten zu uns gebracht. 9. Als sie vor Mir standen, redete Ich sie also an: „Ihr seid Juden aus der Gegend unweit von Bethlehem. Habt ihr nicht erlernt das Gesetz Gottes, darin es heißt, daß man nicht stehlen soll? Wer erteilte euch denn die Befugnis, wider das göttliche Gesetz zu handeln? Redet frei und offen, so ihr nicht einer noch härteren Strafe verfallen wollet als die, die euch auf euer Verbrechen ohnehin erwartet!“ 10. Auf diese Anrede sagte einer der drei Diebe: „Herr, sei uns gnädig und barmherzig, und ich will dir alles vom Grunde aus sagen, wie sich diese ganze Sache verhält! Sieh, wir sind drei Brüder, und unsere Eltern besaßen wahrlich in der Nähe der Stadt Davids Haus, Grund und Boden und waren samt uns und noch unseren vier Schwestern, die wohl die Schönsten in der ganzen Gegend waren, ganz gute und fromme Menschen und waren auch wahrlich wohlhabend. 11. Es starb aber der Vater um etliche Jahre früher denn die Mutter, die stets große Stücke auf die Priester besonders in Jerusalem hielt; was diese ihr mit frommer Miene sagten, das galt ihr für Gottes Wort. 12. Die frommen Gottesdiener aber benutzten nur zu bald die blinde Leichtgläubigkeit der Mutter, malten ihr den Himmel mit den buntesten Farben überaus herrlich vor, die Hölle (Scheoul) aber dagegen so schrecklich qual- und martervoll, als einer bösen Menschenphantasie nur immer möglich ist. Auf daß sich unsere Mutter auf dieser Welt schon völlig des Himmels versichern könne, so müsse sie nach dem Rate der gar entsetzlich frommen Priester alles verkaufen und das Geld dem Tempel zum Opfer bringen; auch die vier Schwestern müsse sie dem Tempel übergeben, auf daß er für sie sorge und sie bewahre in der jungfräulichen Reinheit und Keuschheit. Denn so eine der Töchter sich einem Manne vor der Ehe ergäbe, so würde solche Sünde die Seele der Mutter in den allertiefsten Grund der Hölle auf ewig verdammen. So die Mutter aber das täte, was er als der Priester, der Tag für Tag mit Gott verkehre und Seinen Willen kenne, ihr anrate, so komme sie nach des Leibes Abfall nicht nur sogleich in das himmlische Paradies, sondern sie werde auch vom Tempel aus im heiligen Witwenstifte zur größeren Heiligung ihrer Seele versorgt werden, wo etwa an den Sabbaten und hohen Festen die frömmsten Witwen von den Engeln Gottes bedient werden und kein Teufel sich mehr einer Seele nahen kann, um sie zu verführen. 13. Das galt unserer Mutter so viel, als hätte ihr das Jehova unter Blitz und Donner vom Berge Sinai herab verkündet. 14. Wir drei Söhne, die wir das lose Treiben der Templer schon ein wenig durchschaut hatten, widerrieten der Mutter, das zu tun; aber das half nichts, und sie verkaufte in kurzer Zeit alles, und wir mußten das schwere Geld ihr noch in den Tempel schaffen helfen. 15. Wir aber fragten dann ganz traurig den Obersten im Tempel, was denn wir nun als an den Bettelstab Gebrachte tun sollten. ,Wer wird uns versorgen, und wo werden wir nun einen Dienst und ein Brot finden?‘ 16. Da gab uns der Oberste drei Silberlinge und jedem ein gewisses Päckchen, darin sich etliche Reliquien befanden, und sagte: ,Mit den drei Silberlingen könnet ihr sieben Tage lang leben, und die in den drei heiligen Päckchen wunderbar anwesende Kraft Gottes wird euch alles zu eurem Glücke gelingen helfen, was ihr immer unternehmen werdet. Ihr könnet im Besitze dieser Päckchen auch stehlen und rauben, nur nicht morden, außer im Notfalle einen reichen Heiden und auch einen Samariten, und es wird euch das von Gott aus zu keiner Sünde gerechnet werden, weil ihr durch die fromme und Gott überaus wohlgefällige Tat der Mutter vor Ihm gerechtfertigt und den Engeln gleich geheiligt seid! Darauf bestrich er uns mit einem Stabe und hieß uns gehen.“ Kapitel 16 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 16. — Die Lebensgeschichte der Räuber 1. (Die drei Räuber:) „Wir waren anfangs wohl sehr traurig und zogen weinend in unsere Gegend zurück, um allda ein Unterkommen zu finden. Wir fanden auch Dienste, die aber wahrlich so elend waren, wie es schon nichts Elenderes geben kann. Von einem Lohne war schon gar nirgends eine Rede. Um eine für die Schweine zu schlechte Kost mußten wir beinahe Tag und Nacht schwer arbeiten und wurden bei allem unserm Fleiße allzeit nur beschimpft und getadelt; und suchten wir irgendeinen andern, vielleicht doch besseren Dienst, so fanden wir statt einen bessern nur einen noch schlechteren. 2. Wir litten so fünf Jahre hindurch mehr denn so mancher Heidensklave, und da man uns nirgends einen Geldlohn gab und wir auch sahen, wie schändlich wir von den Templern aller unserer Güter unter dem Titel ,Zur Ehre Jehovas‘ beraubt worden waren, und auch stets heller einzusehen anfingen, daß der Tempel zu Jerusalem kein Gotteshaus, sondern eine wahre Räuberhöhle und Mördergrube ist, so verloren wir denn auch allen Glauben an einen Gott, und die ganze Lehre Mosis und der Propheten galt uns nur als ein Menschenwerk, durch das sich die pfiffigeren und zum Arbeiten trägen Menschen durch die Hände der Armen und leichtgläubig blinden Menschen eine feste Burg erbauten, um aus derselben die Menschen zu knechten, für sich arbeiten zu lassen und sich dabei im größten Wohlleben zu mästen. 3. Ob wir die besagten fünf elendesten Jahre hindurch uns an keinen Diebstahl gewagt haben? Nein! Weil uns unser Glaube an einen allsehenden Gott davon noch abhielt. Aber nach dieser Zeit fingen wir uns ernstlicher zu fragen an, ob es wohl einen Gott gäbe, – und stets lauter kam uns aus unseren Erfahrungen die Antwort entgegen: Nichts gibt es! Alles ist Trug und Lüge, erfunden von trägen und phantasiereichen Menschen zu ihrem irdischen Wohle! Nur wir ohne unser Verschulden arm gewordenen Menschen sollen die Gesetze halten und an einen Gott glauben; die Reichen und Arbeitsscheuen haben das nicht nötig, weil sie wissen, daß am Moses und all den Propheten kein wahres Wörtlein haftet. Denn wäre es anders, so müßten sie ja doch selbst im Glauben stehen und die Gesetze halten, die an und für sich fürs irdische Zusammenleben der Menschen wohl ganz gut sind, aber in sich dennoch keinen moralisch geistigen Wert haben; denn hätten sie den, da müßten ja doch vor allem die Priester zum Beispiel für die blinden Laien strenge danach leben. 4. Kurz, unter solchen gewiegten Betrachtungen in unserem Elende und infolge der stets totalen Unerhörtheit aller unserer vielen Bitten, die wir unter vielen Tränen zu den Sternen emporsandten, und ferner noch mehr infolgedessen, als wir vernommen hatten, daß unsere Mutter in dem gewissen Stifte auffallend bald nach ihrem Eintritt gar elend gestorben sei und unsere schönsten Schwestern von den Pharisäern beinahe zu Tode geschändet worden seien, war es vollends aus mit all unserem Glauben, und wir beschlossen, uns an der argen Menschheit zu rächen und ihr zu Gefallen keine leichtgläubigen, blinden Narren mehr zu machen. 5. Wir fingen an, uns an den Reichtümern der Wohlhabenden zu vergreifen, und es gelang unserer Schlauheit stets, mit heiler Haut durchzukommen. Dies gab uns doch noch so ein kleines Vertrauen zu unseren gewissen Paketchen, und wir befanden uns ganz wohl bei unserem Geschäfte durch einige Jahre. Doch diesmal waren wir zu wenig vorsichtig und wurden ergriffen, was uns denn auch wahrlich nichts macht; denn wir sind alles mögliche Elend schon gewohnt und unser Leben ist uns schon lange zum höchsten Überdruß geworden, und jeder von uns wünscht sich den Tod. Doch bevor wir etwa ans Kreuz gebunden werden, soll laut der gräßlichste Fluch über die ganze Erde, über alle Menschen und anderen Kreaturen, über Sonne, Mond und Sterne und über die Naturkraft, die uns in ein so elendes Dasein rief, überlaut ausgesprochen werden, und wir werden es den Menschen zeigen, was und wieviel an ihrem allein wahren Gott, an Seinen Gesetzen und an Seinen Priestern gelegen ist. 6. Wir haben zwar bis jetzt noch keine Mordtat begangen, und das aus dem Grunde, weil wir Elenden jedem sein elendes Leben gönnten und niemand von seinem größten Elende befreien wollten, – doch wer sich uns widersetzte auf den Straßen, der ward von uns arg zugerichtet; denn aus unseren Herzen ist schon lange ein jeder Tropfen barmherzigen Blutes entschwunden. Wahrlich, könnten wir mit einem Schlag gar alle Menschen auf der ganzen Erde vernichten, so wäre das für uns ein größtes Labsal, und irgendein harter und tauber Gott könnte sich dann wieder andere elende Menschenkreaturen aus den Pfützen und Sümpfen zu Seinem tyrannischen Vergnügen zusammenmodeln! 7. Und nun weißt du, gestrenger Herr und Richter, alles und kannst über uns Elende nach deinem Gutdünken urteilen; doch bedenke wohl zuvor, wer und was die Schuld an unserem Elend war! Wir haben treu, wahr und offen, wie du es verlangt hast, geredet.“ Kapitel 17 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 17. — Die Entrüstung und gute Absicht des Wirtes 1. Als der eine Dieb vor Mir solches ausgeredet hatte, da schlug der Wirt, Kado und der alte Apollon dreimal die Hände über dem Kopfe zusammen und sagte: „Nein, Herr und Meister, das von den Pharisäern von Jerusalem zu hören, macht mich ordentlich grimm- und wutwirre im ganzen Gemüte, und ich begreife nun wahrlich nicht, wie ein Gott, den du uns auf die allerwahrste und lebendigste Weise kennen lehrtest, solchen Greueln so viele Jahre lang mit einer wahrlich unbegreiflichen Geduld zusehen kann und wie zulassen solche Missetaten. Gegen solche Priester sind ja die Straßendiebe und Räuber noch wahre Engel! 2. Wahrlich, wenn diese drei dadurch so elend geworden sind, wie der eine es ausgesagt hat, so verdienen erstens die elenden Templer, die ärger denn die Heidenfurien handeln, mit einem Hieb vernichtet zu werden, und diese drei verdienen zweitens nicht nur keine Strafe, sondern noch eine Belohnung; denn daß sie das geworden sind, als was sie nun vor uns stehen, daran schuldet doch wohl niemand anders denn solche fluchwürdigsten Priester, die sich als Diener des einen, allein wahren Gottes allenthalben überhoch ehren und anbeten lassen, als Menschen aber alle wilden und reißenden Wald- und Wüstenbestien an Grausamkeit himmelhoch übertreffen. 3. Herr und Meister, es wäre da wahrlich an der Zeit, über solche Ausgeburten der wahrhaftigen Hölle ein sie vernichtendes Gericht loszulassen; denn diese Ärgsten aller Argen müssen ja schon eine solche Masse Greuel an ihren Nebenmenschen begangen haben, daß deren Zahl kein Mensch mehr auszusprechen vermag! Diese drei aber dauern mich als einen Heiden in der Seele, und ich werde sie mit keiner Strafe belegen, sondern sie freilassen, und sie sollen und werden in meinem Hause ihr gutes Unterkommen haben ihr Leben lang und mir als treue Zeugen allzeit zur Seite stehen, wo es sich darum handeln wird, gegen die Teufel im Tempel zu Jerusalem kräftigst zu wirken. Es soll mir nur bald wieder so ein Judenpriester, wie das sehr oft geschieht, mit einer Klage wider jemanden kommen, bei dem er noch einen Zehnt einzutreiben hat! Ich werde ihm dann schon sagen, wie er heißt, und was er von mir für ein Recht zu gewärtigen hat! Und habe ich einmal das Zeitliche verlassen, so wird mein liebster Sohn Kado in meinem Geiste fortzufahren verstehen.“ 4. Hierauf wandte er sich zu den drei Dieben mit freundlicher Miene und sagte: „Seid ihr mit meinem Urteil zufrieden, und wollet ihr meinen Antrag annehmen?“ 5. Sagte der eine, der schon ehedem geredet hatte: „Also, unter den Heiden gibt es noch wahre Menschen, die man unter den Juden nicht mehr findet, die sich frechstermaßen das erwählte Volk Jehovas und Kinder Gottes nennen, dabei aber wahre Kinder aller Teufel sind! Mit vielen Freuden und mit dem dankbarsten Herzen nehmen wir deinen Antrag an und wollen dir treuer dienen als jemand, den du zu deinen treusten Dienern gezählt hast. Wir wollen von nun an das Gute des Guten wegen tun und die Wahrheit um ihrer selbst willen zu unserer ferneren Lebensrichtschnur erwählen, und keine Hölle, als der Juden jenseitige Seelenstrafe für ihre Sünden, soll uns vom Bösen abhalten und kein Himmel, als ewiger Seelenlohn für ihre guten Taten, uns zum Guten und Wahren ermuntern, sondern das Gute und Wahre für sich soll unser wahrhaftigster Himmel sein, und wir werden uns nach allen unseren Kräften emsigst bestreben, uns diesen Himmel anzueignen. 6. Aber nun bitten wir dich, uns von den Fesseln zu befreien; denn wir haben sie zu tragen wahrlich nicht verdient. Wahrhaft gute Menschen werden das wohl auch einsehen, und ein gerechter Richter sollte lieber diejenigen auf das schonungsloseste züchtigen, die durch ihr unbarmherzigstes Handeln und Gebaren die Menschen zu Verbrechern machten und nicht so sehr die Verbrecher, die nur die Not, Verzweiflung und der Zorn über die unbegrenzte und frechste Bosheit der Menschen zu Handlungen zwang, die an und für sich zwar böse, aber bei Menschen, wie wir sind, sicher sehr zu entschuldigen sein sollen. 7. Oh, wie viele schmachten in den Kerkern, die, von ihrer Kindheit an gerechnet, sicher die allergeringste Schuld tragen, daß sie Verbrecher geworden sind; denn entweder sind sie durch eine schlechte Erziehung oder auf die Art wie wir zu Verbrechern geworden. 8. Wenn es einen höchst guten, weisesten und dabei sicher gerechtesten Gott gäbe, so müßte Er das ja doch auch einsehen und mit Seiner Allmacht jene Menschen züchtigen, die der Hauptgrund an der stets zunehmenden Verschlimmerung der Menschen waren und noch gleichfort sind und bleiben werden bis ans mögliche Ende der Welt und ihrer argen Zeit. Aber weil die großen und mächtigen Teufel in Menschengestalt für ihre noch so großen Greueltaten nahezu nie sichtlich von Gott aus zum abschreckenden Beispiel für andere ihresgleichen bestraft werden, sondern sich ganz frei und auch allzeit hochgeehrt im größten Wohlleben bewegen und dazu noch mehr Greuel auf Greuel ungestraft begehen können, so kann es uns denn wahrlich auch nicht verargt werden, so wir sagen und behaupten, daß es bei so bewandten Umständen keinen eigentlichen Gott, wie Ihn uns die Schriften Mosis und der anderen Propheten darstellen, je gegeben hat und je geben kann, sondern irgendeine uns Menschen unbekannte Kraft der Erde unter Einwirkung der Sonne, des Mondes, der Planeten, der andern Sterne und der vier Elemente haben auch uns armseligste Menschen so wie alle andern Wesen und Dinge ohne ihr Wollen produziert, und man wird ungefähr also ins Dasein gerufen von sich ihrer selbst sicher so wenig bewußten Kräften der rohen Natur, als wie wenig sich der Mensch alles dessen bewußt ist, wie sein Leib wächst, und wie auf seiner Haut allerlei Haare und das ihm lästige Ungeziefer produziert wird. Darum ist ein Narr derjenige, der nur die geringste Freude an seinem so elend bestellten und allzeit vergänglichen Leben hat und dazu noch voll Demut und tiefster Hingebung einem nirgends seienden Gott für ein solches Leben dankt. 9. Ja, ein rechter Mensch soll Gott wohl suchen, – und hat er Ihn gefunden und von Ihm erfahren, warum er in diese elende Welt gesetzt worden ist, und ob es wohl der vollsten Wahrheit nach ein jenseitiges Fortleben der puren Seele gibt, dann soll er Ihm auch in aller Liebe des Herzens danken für solch ein Leben und Sein, das hinter sich gar große Bestimmungen wohl erweisbar birgt. Aber wo ist der Sucher auf der Erde anzutreffen, dem es der vollen Wahrheit nach gelungen wäre, solch einen Gott irgend gefunden zu haben? 10. Haben Ihn aber irgend Menschen jemals gefunden, wie man derlei in der Schrift häufig liest, warum läßt Er Sich denn von uns gegenwärtigen Menschen nicht mehr finden? Sind wir etwa weniger Menschen, als es da die in der Schrift benannten Menschen waren? Von der Geburt an sind sicher alle Menschen gleich höchst unschuldige Wesen gewesen; wer anders trägt denn hernach die große Schuld an der gegenwärtigen Verkümmerung der Menschen als eben ein solcher Gott, der Sich wohl von den Alten hat finden und erkennen lassen, aber uns, ihre Nachkömmlinge, nicht mehr erhört und ansieht und uns Schwache der vollen Willkür der herzlosesten mächtigen Tyrannen und somit allem Elende preisgibt?“ Kapitel 18 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 18. — Die Religion der drei Räuber 1. (Die Räuber:) „Ja, wir armen Suchenden werden von den vielartigen Mächten zu einem Blindglauben mit Feuer, Schwert und Kreuz gezwungen; aber die Tyrannen können ungestraft tun, was sie wollen, – denn sie stehen außerhalb des Gesetzes. Ich aber frage da die reine Menschenvernunft, ob das auch recht ist im Falle des wirklichen Daseins eines höchst guten, weisen, allwissenden und allmächtigen Gottes, dem doch alle Menschen gleich sein sollen, indem sie Sein und nicht ihr eigenes Werk sind. Wenn sie nun ungeratener sind, als sie früher einmal waren, können sie darum? Oder kann der darum, der blind oder taub aus dem Mutterleibe in diese Welt gestellt worden ist und dann ein elendes Leben zu durchleben hat? 2. Oh, oh, Freunde, es gibt für einen Denker wohl um tausend Male mehr Gründe, am wahren Dasein eines Gottes zu zweifeln, als an dasselbe zu glauben! Doch wir wollen damit aber noch immer nicht als irgend unwandelbar fest begründet aussprechen, daß aller Glaube an einen Gott ein eitler, von den phantasiereichen Menschen erfundener Trug sei, den sie durch allerlei Zauberwunder den leichtgläubigen, verstandesblinden Menschen als volle Wahrheit darstellen, um sie dann desto leichter für sich dienstwillig zu machen. 3. War die große Masse einmal gehörig breitgeschlagen, da half es dann den wenigen Helldenkern nichts mehr, sich dem wohlgenährten Volksbetruge entgegenzustellen, sondern jeder mußte, um nicht als ein Frevler gegen die einmal festgestellte Wahrheit auf das grausamste gemartert zu werden, auch nach der Melodie tanzen und springen, wie sie ihm von den sogenannten Gotteslehrern stets mit fürchterlich drohender Miene und Stimme vorgesungen ward. Und hat sich einer erdreistet, solch einen Gotteslehrer um das Wesen Gottes näher zu fragen, da bekam er sicher eine Antwort, ob der ihm bald das Hören und Sehen vergangen ist, wie das heute bei allen Priesterkasten, Heiden und Juden der unbezweifelte Fall ist. 4. Hat jemand im stillen selbst nach dem Dasein eines Gottes zu forschen und zu suchen angefangen, so fand er gleich uns nichts als nur die stets gleichwirkenden stummen Kräfte der großen Natur, und er erlosch mit der Überzeugung, daß alle seine Mühe eine vergebliche war. 5. Da wir an uns selbst bis jetzt diese Erfahrung auch zu machen die Ehre hatten, so kann uns abermals von einem vernunftreichen Menschen nicht verargt werden, so wir an einen Gott unter solchen Umständen nicht glauben können, und ebensowenig an ein Fortleben der Menschenseelen nach des Leibes Tode. Wir glauben wohl, daß in der großen Natur im Grunde nichts völlig vergehen, sondern nur seine Formen wechseln kann; ob aber unsere gegenwärtige Menschenform in einer andern, sicher sehr geteilten Form auch ein Denken und Selbstbewußtsein haben wird, das ist eine andere Frage. 6. Kurz und gut, wir haben nun auch zur Genüge unsere Gründe dargetan, aus denen wir an dem Dasein eines Gottes zweifeln, und warum wir von nun an als Menschen den wahren Himmel nur in der Wahrheit und ihrem Guten suchen und auch finden wollen; und so haben wir euch in dieser unserer Darstellung auch treu und wahr gezeigt, daß wir keinen Hinterhalt haben, und so bitten wir dich nun noch einmal, daß du, Bürgermeister dieser Stadt, uns von den Fesseln befreien wollest!“ 7. Hierauf befahl der Wirt den Dienern, den dreien die Fesseln abzunehmen, was denn auch sogleich geschah. Darauf aber hieß der Wirt die drei in ein anderes Gemach führen und ihnen zu essen und zu trinken geben, sie aber auch ganz frisch bekleiden, indem ihre Bekleidung sich schon in einem sehr elenden Zustande befand. Kapitel 19 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 19. — Über die Führung der Menschen 1. Als die drei sich ganz wohlgemut in einem Nebenzimmer befanden, da erst sagte der Wirt zu Mir: „Was, o Herr und Meister, sagst denn nun Du zu der ganz verzweifelt wohlbegründeten Rede dieser drei? Nein, ich habe doch schon so manches von unseren Weltweisen gehört und selbst gelesen, aber so etwas Gediegenes ist mir noch niemals vorgekommen! Man kann ihnen sowohl im Sonderheitlichen wie auch im Allgemeinen wahrlich selbst beim besten Willen und Glauben nichts entgegenstellen. Denn es steht mit der Menschheit im Allgemeinen wie auch im vielfach Sonderheitlichen genau so, und ich bin nun eben auf Deine Meinung im höchsten Grade begierig, wie Du da Dich Selbst entschuldigen und rechtfertigen wirst.“ 2. Sagte Ich: „Es sei euch allen darum nicht bange; denn Ich Selbst habe das alles so kommen lassen der etlichen Erztempeljuden wegen, die sich dort im anstoßenden Zimmer befinden. Sie sind heute in der Nacht von Jerusalem hier angekommen und haben im soeben angezeigten Zimmer die Wohnung auf etliche Tage gemietet. Diese haben an der Wand scharf gehorcht, was hier im Saale über sie alles gesprochen wurde, und der Redner hat mit starker Stimme sie gerade so gezeichnet, wie sie auch sind. Und das war denn auch gut. 3. Diese Juden kamen hierher, um einen rückständigen Zehent unter deinem Beistande einzuheben. Du aber wirst nun etwa wohl wissen, welchen Beistand du ihnen leisten wirst! Wenn sich die drei werden erholt haben, dann lasse sie wieder hierher bringen, und wir werden dann die Sache schon ganz gut weiterhin ab- und ausmachen!“ 4. Sagte der Wirt und auch Kado: „Gedacht haben wir es uns wohl, daß sich die Sache also verhalten werde, doch auszusprechen getrauten wir uns das darum nicht, weil wir Dich erstens vor den dreien nicht vor der Zeit verraten wollten, und zweitens, weil uns die Rede des Redners allen Ernstes zu einer Aufmerksamkeit nötigte und wir sehen wollten, wie weit es der Mensch mit der Schärfe seines Verstandes bringen kann. Und wahrlich, vom rein menschlichen Standpunkte aus betrachtet, hatte der Redner auch in seiner Darstellung der Verhältnisse zwischen Schöpfer und Geschöpf denn auch recht; denn es ist für unseren Menschenverstand wahrlich schwer zu begreifen, warum Du die Menschen eine so lang andauernde Zeit auf eine nähere Offenbarung Deiner Selbst, Deines Willens und Deiner Absichten mit den Menschen hattest können harren und in der dicksten Lebensnacht zahllos viele verschmachten lassen. Und wie viele werden noch verschmachten, ohne von Dir etwas zu erfahren; und so sie von den Ausbreitern Deiner Lehre auch erfahren, daß Du in Menschengestalt Selbst auf diese Erde kamst und den Menschen gezeigt hast die Wege zum ewigen Leben der Seelen, – werden sie es wohl glauben so fest wie wir nun, daß es auch also war, wie sie von Deinen Boten benachrichtigt worden sind?“ 5. Sagte Ich: „Ihr als Menschen habt allerdings sehr recht, so zu reden, zu fragen und zu urteilen; aber Mich als den Schöpfer fordert Meine Liebe, Meine Weisheit und Ordnung auf, Mich Meinen Geschöpfen gegenüber stets so zu verhalten, wie es für sie zu jeder Zeit am allernotwendigsten ist. 6. Vom ersten Menschen dieser Erde bis zu dieser Stunde sind die Menschen nie auch nur ein Jahr lang gänzlich ohne alle Offenbarung, von Mir ausgehend, geblieben, – aber stets also, daß ihr völlig freier Wille keine Nötigung zu erleiden hatte, weil der Mensch ohnedem kein Mensch, sondern nur eine Maschine Meines Willens wäre. 7. Es ward darum dem Menschen aber auch der Verstand gegeben als ein gutes Licht, um mit demselben Gott und Seinen Willen zu suchen, – was denn auch zu allen Zeiten gar viele Menschen getan und beim rechten Ernste auch das gefunden haben, was sie suchten. 8. Daß Sich aber Gott nicht so bald und so leicht finden läßt, wie es so gar manche Menschen eben gerne hätten, das hat seinen höchst weisen Grund darin: Würden die Menschen mit leichter Mühe das finden, was sie suchen, so hätte das Gefundene bald keinen Wert mehr für sie, und sie gäben sich wenig Mühe mehr, noch weiter zu suchen und zu forschen; sie begäben sich in die Trägheit, und der von ihnen gar so leicht und bald gefundene geistige Schatz würde ihnen noch weniger nützen, als so sie ihn ängstlich gleichfort suchen müssen und in dieser Welt doch nur selten und schwer völlig finden. Darum geschehen große Offenbarungen selten, damit die Menschen, in ihrer Seelennacht geängstigt, selbst Hand ans Werk legen müssen und mit allem Eifer suchen die ewige Wahrheit und also Mich. 9. Daß die Menschen in dieser Welt während ihres Suchens gar oft auf allerlei Abwege und auch in allerlei Bedrängnisse geraten, ist wohl ein diesirdisches Übel; aber dies entsteht nicht etwa aus dem tätigen Ernst des Suchens, sondern aus der leidigen Trägheit im Suchen, die eine Frucht der übertriebenen Welt- und Eigenliebe ist, vermöge der sich die Menschen das Streben nach dem Reiche des Geistes so bequem als möglich machen möchten. Wenn das andere, noch trägere Menschen merken, so sagen sie dann bald und leicht zu den lau Suchenden: ,Ei, was gebt ihr euch doch noch für Mühe, das zu suchen, was wir schon lange in größter Klarheit gefunden haben! So ihr uns glauben und dienen und statt eures fruchtlosen Selbstsuchens und Forschens kleine Opfer bringen wollt, so werden wir euch alles treu verkünden, was wir leicht und bald gefunden haben!‘ 10. Nun, den trägen und Mühe scheuenden Suchern ist solch ein Antrag willkommen, sie nehmen ihn an und glauben, was ihnen jene unter Mithilfe von allerlei falschen Wundern und Zeichen, die die noch Trägeren im Suchen der Wahrheit erfunden haben und zum Besten ihres diesirdischen Wohllebens vor den Blinden mit allerlei Zeremonie darstellen, mit ernster Miene sagen. Auf diese Art entstehen dann die vielen Gattungen des Aberglaubens, Lügen, Betrug und völlige Lieblosigkeit und mit ihr alles Unheil auf der Erde unter den Menschen. 11. Ihr fraget nun freilich in euch, warum Ich so etwas zulasse. Und Ich sage es euch: Aus dem Grunde lasse Ich so etwas zu, weil es für die Menschenseele, die zum ernsten Suchen zu träge, besser ist, daß sie doch etwas glaube und durch den Glauben sich in eine Ordnung füge, als so sie völlig erstürbe in ihrer Trägheit und Arbeitsscheu. Geht die Sache des Betrugs und der Bedrückung einmal zu weit, dann zwingt zuerst die Not die Leichtgläubigen zum weiteren Selbstforschen nach der Wahrheit. Sie merken den Betrug, verlassen ihre Trägheit und fangen an, ernstlich selbst zu forschen und scheuen den Kampf nicht, – und es geht daraus bald allerlei Licht hervor. Und zweitens ist darauf eine an solche lang betrogene und darum eifrige Sucher von Mir neu erteilte Offenbarung eine ihnen ums unaussprechliche willkommenere und für die Vertreibung des alten Aberglaubens auch wirksamere. 12. Da habt ihr nun von Mir aus eine ganz klare Beleuchtung dahin, warum Ich auf dieser Erde unter Menschen so manches nach ihrem freiesten Willen zulasse, was vor dem Richterstuhle der Menschen eben nicht als ganz gut und weise erscheint, aber im Grunde des Grundes doch höchst gut und weise ist. 13. So weit nun für euch. Aber nun lasset die drei wieder hereinkommen, und Ich werde mit ihnen reden!“ Kapitel 20 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 20. — Nojeds Frage nach der wahren Gotteslehre 1. Hierauf berief der Wirt sogleich die drei, und sie kamen denn alsogleich in besserem Zustande und somit auch heitereren Mutes und dankten dem Wirte für die ihnen erwiesene große Freundschaft. 2. Der Redner aber bat um die Erlaubnis, zum Dank noch einige Worte hinzufügen zu dürfen. 3. Und der Wirt sagte: „Rede nur, aber fasse dich kurz; denn es steht euch nun noch etwas gar Wichtiges zu eurem größten Heile zu vernehmen und zu erfahren bevor.“ 4. Sagte der Redner, der Nojed hieß: „Freund und edelster der Menschen, das werde ich auch beachten; denn dein Wunsch soll fortan unser Gesetz sein! Da wir in dir als einem Heiden einen wahren Menschen gefunden haben und auch eine Weisheit mit wahrer Güte vereint, wie man dergleichen unter den Juden wohl nicht mehr antrifft, so gedachten wir eurer Götter und kamen auf die Idee, daß sie vielleicht doch mehr als eine Fabel sind. Wir möchten mit eurer Lehre nun näher vertraut werden, um auch euren Göttern zu opfern und alle Ehre zu erweisen. 5. Denn ich denke da also: Unter welcher Gotteslehre die besten Menschen anzutreffen sind, die muß auch selbst die beste und wahrste sein. Unsere Gotteslehre ist es wahrlich nicht, weil die in ihr geborenen und erzogenen Menschen nun sicher wohl die schlechtesten sind, die es auf der weiten Welt nur je irgend geben kann. Ihre Priester aber sind schon allgemein bei den besseren Völkern als eine wahre Menschenpest bekannt und anerkannt. Und eine Gotteslehre, in deren geistigem Schoße statt gute und weise Menschen nur wahre Tiger und Hyänen und Wölfe und Bären erzogen werden, kann keine gute und noch weniger wahre Lehre sein. – Was sagst du, edler Menschenfreund, zu dieser unserer Idee?“ 6. Sagte der Wirt: „Meine Freunde, über diese Sache besprechet euch mit diesem neben mir sitzenden Freunde; denn er ist ums unaussprechbare kundiger und weiser denn ich und alle noch so guten und weisen Griechen!“ 7. Sagte Nojed: „Dein Wunsch ist uns Gesetz! Dieser Mann und Herr ist dem Ansehen nach zwar auch ein Jude, kann aber durch den Umgang mit Griechen sehr weise geworden sein; denn wäre er ein Jünger des Tempels, dann wäre es schade, mit ihm irgend viel noch so helle und wahrheitsvolle Worte zu verlieren.“ 8. Hierauf wandte er sich an Mich und sagte: „So du kein Tempeljünger bist und das Wahre und Gute also gesucht und auch gefunden haben kannst, wie wir es nun suchen und irgend zu finden hoffen, da gib uns du dein Urteil über unsere von uns laut ausgesprochenen Ideen! Haben wir nicht recht, nur dort die Wahrheit und ihr Gutes zu suchen, wo wir gute und weise Menschen gefunden haben?“ 9. Sagte Ich: „Oh, allerdings; aber darum ist die Gotteslehre Mosis dennoch die allein wahre, wenn sie in dieser Zeit von den Schweinen im Tempel auch also zertreten und zerstört wurde wie das alte Babylon und Ninive und noch mehrere solcher alten Hurenstädte. 10. Glaubet es Mir: Unser Jehova war von Ewigkeit her der allein wahre, gute, lebendige Gott und hat die Bitten derjenigen, die an Ihn ungezweifelt glaubten, Seine Gebote hielten und somit Ihn über alles und ihre Nächsten wie sich selbst liebten, niemals unerhört gelassen! Wenn Er zur größeren Läuterung der Menschenseelen oft auch mit der vollen Erhörung ihrer Bitten ein wenig zögerte, so hat Er sie aber darum dennoch niemals völlig unerhört gelassen und hat sie stets zu einer Zeit erfüllt, in der es die Bittenden oft am wenigsten gedachten. 11. Ihr selbst habt – was Ich gar wohl weiß – unter großer Drangsal Gott oftmals um die Wegnahme eures Elends gebeten. Er aber ließ euch, die ihr zuvor in großem Wohlstande, aber dabei auch in vieler leiblichen und geistigen Trägheit als hochangesehene Leute gelebt habt, durch einige Jahre eine ernstere und härtere Schule des Lebens durchmachen, auf daß ihr nicht nur des Erdenlebens Anmut, sondern auch dessen Bitteres selbst erfahren solltet, um danach erst den wahren Wert des Lebens und dessen Zweck in euch selbst zu erforschen und zu erkennen. 12. Ihr aber habt nun auch des Lebens Wermutbecher bis zum letzten Tropfen verkostet und seid dadurch zu wahren und tief denkenden Menschen geworden, fähig zur Aufnahme des wahren und lebendigen Gotteslebenslichtes aus den Himmeln, und so hat Gott denn auch nun in dem Moment eure Bitten erhört, in dem ihr Seiner Hilfe am meisten bedurftet! 13. Und was Er nun euch getan hat, das hat Er getreust schon gar sehr vielen Menschen getan, wenn sie sich wahrhaft gläubig in ihrer Not an Ihn gewendet haben, und so könnet ihr nun nicht mehr sagen, daß der wahren Juden Gotteslehre falsch und unwahr sei; wohl aber ist das die Götterlehre aller Heiden! 14. Meint ihr, daß dieser Wirt, als ein Patrizier dieser Stadt, euch wohl als noch ein Heide die Barmherzigkeit erwiesen hätte? Oh, mitnichten! Als ein Heide hätte er euch mit aller Schärfe des römischen Gesetzes behandelt; da er aber im Herzen kein Heide mehr ist, samt seinem ganzen Hause, sondern ein wahrer Jude gleich dem Abraham, Isaak und Jakob, so hat er euch denn auch auf Meinen Rat das angedeihen lassen, was ihr nun schon genießet und weiterhin noch mehr genießen werdet. – Erkennet ihr das?“ Kapitel 21 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 21. — Die Familienverhältnisse des Hiponias, des Vaters der drei Diebe 1. Sagte Nojed: „O weiser Freund, das riecht wohl sehr nach der Wahrheit, und es wird sich die Sache schon auch also verhalten; denn es steht ja geschrieben, daß Gottes Ratschlüsse unerforschlich und Seine Führungen und Wege unergründlich sind. Aber warum mußte unsere Mutter, die doch allzeit streng nach den Gesetzen des Tempels handelte und lebte, und so auch unsere vier allerunschuldigsten Schwestern von Jehova so gänzlich verlassen werden? Ist des Tempels Lehre eine gänzlich zerstörte und zertretene, was konnten da wohl die Mutter und die armen unschuldigen Schwestern dafür? Unsere Mutter, wie wir es als etwas Bestimmtes und Wahres vernommen haben, ist bald nach ihrem Eintritt in das schöne Gottesstift gestorben – wahrscheinlich an einem Gifte –, und die Schwestern sind über Hals und Kopf genotzüchtigt worden, und wer weiß es, was da noch Weiteres mit ihnen geschehen ist. Konnte daran der gute und höchst weise Gott der Juden auch ein Wohlgefallen haben, weil Er solches zugelassen hat? Kannst du uns auch darüber eine beruhigende Auskunft verschaffen, so wollen wir denn auch feste und gläubige Juden verbleiben!“ 2. Sagte Ich: „Oh, nichts leichter als das, – und so höret! Euer Vater, der Hiponias hieß – so wie der Älteste von euch –, war ein zum Judentum bekehrter Jude nach der reineren Lehre der Samaritaner. Er hielt nichts von den leeren Zeremonien und allerlei andern Betrügereien des Tempels. Er hatte aber dabei stets seine große Not mit seinem Weibe, die samt euren ihr ganz nachgeratenen Schwestern eine wahre Tempelnärrin war. Euer ehrlicher Vater grämte sich deshalb zu Tode und bat Gott noch auf dem Sterbelager, daß Er das Weib und die Töchter noch diesseits möchte erfahren lassen, daß sie nicht auf Seinen Wegen, sondern auf den Wegen des Fürsten der Lüge und der Macht des Todes wandeln. Gott aber erhörte die Bitte des Ihm in der Wahrheit stets unverändert treu ergebenen Vaters. 3. Und welches Mittel wäre da zur Besserung der fünf Weiber, die all ihr Heil nur vom Tempel erwarteten, wohl tauglicher und wirksamer gewesen, als sie das so hochstehende Heil des Tempels verkosten zu lassen? Die Mutter, als die größte Tempelnärrin, hat zwar ihr irdisches Leben im Tempel geendet, ist aber dabei zum wahren Glauben ihres Mannes, dem sie so vielen Kummer bereitet hat, gänzlich zurückgekehrt und hat des Tempels Tun und Treiben aus dem Grunde des Herzens verachten gelernt. Und eure Schwestern lernten die sie bedienenden Engel Gottes auch bald aus der Erfahrung unter vielen Tränen sehr wohl näher kennen, bekamen bald einen großen Abscheu vor ihnen und befinden sich nun auf eine höhere Fügung und Zulassung Gottes ganz gesund und voll des rechten Glaubens und Vertrauens auf den allein wahren Gott der Juden in Essäa im Hause des großen Platzwirtes, allwo ihr sie bei Gelegenheit sehen und sprechen könnet. Heute aber ist noch kaum der vierte Tag, daß sie von zwei Erzpharisäern dahin zur Heilung mit mehreren andern gebracht worden sind. Alles Weitere werdet ihr bei Gelegenheit aus ihrem Munde erfahren können. 4. Wenn sich aber die Sache also verhält, könnet ihr nachher noch behaupten, daß der Gott der Juden eine erdichtete, leere Fabel sei?“ 5. Sagte Nojed: „Freund, du bist ein Prophet, und wir glauben dir und glauben nun auch wieder an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs! Denn wärest du kein Prophet, erfüllt mit dem Geiste Jehovas, so könntest du nicht um unsere Namen und noch weniger um unsere geheimsten Lebensverhältnisse so genau wissen. Darum sei nun von neuem alle Ehre dem allein wahren Gott der Juden, der uns so wunderbar zu wahren Menschen durch Seine Sorge umgestaltet hat! In welchem Lande aber bist du ein Prophet geworden? Bist auch du ein Samaritaner?“ Kapitel 22 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 22. — Über die Bestimmung der Menschen 1. Sagte Ich: „Höre du, Nojed, samt deinen Brüdern Hiponias und Rasan! Ich bin kein Samaritan, wie du es meinst und verstehst, und doch bin Ich auch ein Samaritan; also bin ich auch kein Jude und doch wieder ein Jude; also bin Ich auch kein Heide und doch wieder ein Heide, ansonst Ich mit den Heiden keinen freundlichen Umgang hätte. Kurz und gut, Ich bin alles mit allem und in allem! Denn wo die Wahrheit, die Liebe und ihr Gutes in vollster Gemeinschaft walten, da bin auch Ich bei allen Menschen auf der ganzen Erde und verdamme niemand, der nach der Wahrheit strebt und ihrem Guten. 2. Welcher aber aus Welt- und Selbstliebe der Wahrheit und allem Guten aus ihr den Rücken kehrt und somit notwendig sündigt wider die Wahrheit und wider ihr Gutes, welches da ist die reine Liebe in Gott von Ewigkeit, der sündigt auch wider die Ordnung Gottes und wider deren unwandelbare Gerechtigkeit und verdammt sich selbst. 3. Erkennt er aber sein großes Übel und kehrt zur Wahrheit zurück und fängt an, dieselbe und ihr Gutes zu suchen und danach auch tätig zu werden, dann weicht die Verdammnis in dem Maße von ihm, als in welchem Maße er vollernstlich die gefundene Wahrheit zu seiner Lebensrichtschnur macht, und Gott greift ihm da auch unter die Arme und erleuchtet ihm stets mehr und mehr Herz und Verstand und kräftigt seinen Willen, und das gleich dem Heiden wie dem Juden. Und so bin Ich aus dem in Mir wohnenden Geiste Gottes Alles in Allem im Heiden wie im Juden. – 4. Du hältst Mich auch für einen rechten Propheten, und Ich sage es dir, daß Ich auch einer bin, – und bin es doch auch wieder nicht! Denn ein Prophet mußte tun, was ihm der Geist Gottes zu tun gebot. Ich aber bin da Selbst Herr und Diener, schreibe Mir die rechten Wege Selbst vor, und niemand kann Mich zur Rechenschaft ziehen und sagen: ,Warum tust du das?‘ Denn Ich Selbst bin aus und in Mir die Wahrheit, der Weg und das Leben; und wer nach Meiner Lehre tun wird und glaubt, daß Ich Selbst die Wahrheit, der Weg und das Leben und somit ein gänzlich unabhängiger, freiester Herr bin, der wird auch gleich Mir in sich das ewige Leben haben. 5. Denn so die Menschen dieser Erde Kinder Gottes werden wollen, so müssen sie in allem so vollkommen zu werden trachten, als wie vollkommen da ist der ewige und heilige Vater im Himmel, der in Sich ist die ewige Wahrheit, die ewige Liebe und Macht und alles das endlos Gute, Gerechte und Herrliche aus ihr. Darum heißt es auch in der Schrift: ,Nach Seinem Ebenmaße schuf Gott den Menschen, und zu Seinem Ebenbilde machte Er ihn und blies ihm Seinen Odem ein, auf daß er eine lebendige, freie Seele werde!‘ 6. Auf diese Weise sind die Menschen dieser Erde nicht etwa pure Geschöpfe der Allmacht Jehovas, sondern Kinder Seines Geistes, also Seiner Liebe, und somit – wie es auch geschrieben steht – selbst Götter. 7. So sie aber das sind, was ihnen auch ihr freiester und durch nichts beschränkter Wille laut sagt, da sind sie auch freieste Herren und Richter über sich selbst. Aber vollkommene und Gott völlig ähnliche Herren werden sie erst dann und dadurch, wenn sie den ihnen treu geoffenbarten Willen Gottes zu ihrem eigenen durch das Handeln nach demselben machen, was ihnen auch völlig freisteht. 8. Darum aber wirkt denn Gott auch nur höchst selten sichtbar unter den Menschen, weil er ihnen schon von Uranbeginn die Fähigkeit aus Sich gegeben hat, sich aus eigener Kraft nach und nach bis zur höchsten, gottähnlichen Lebensstufe erheben zu können. 9. Wer demnach, sobald er zum Gebrauch seiner Vernunft kommt, die Wahrheit und ihr Gutes zu suchen beginnt und nach dem, was er gefunden hat, auch gleich handelt, der hat schon den rechten Weg betreten, und Gott wird ihm denselben stets mehr und mehr erleuchten und ihn zu Seiner Herrlichkeit führen. Wer aber träge wird, auch durch seinen eigenen Willen, und sich an diese Welt und ihre Lustreize hängt, die nur zur Probung des freien Willens vor die äußeren und vergänglichen Sinne des Materie- oder Leibmenschen gestellt sind, der richtet sich auch selbst freiwillig und macht sich dem, was tot und gerichtet ist, ähnlich, – ist somit auch schon so gut wie gerichtet und tot. 10. Und dieser Tod ist dann das, was du unter dem Begriff ,Hölle‘ als Strafe der Seele für ihre Sünden verworfen hast, da du nimmer aus Furcht vor solch einer Strafe die Sünde meiden, wie auch einen Lohnhimmel fürs Handeln nach der erkannten Wahrheit erhoffen willst. Und Ich gebe dir da ganz recht; denn es gibt wahrlich nirgends eine solche Hölle, noch einen solchen Himmel. Und dennoch gibt es eine Hölle und einen Himmel, aber nicht irgend außerhalb des Menschen, sondern in ihm, je nachdem er sich selbst richtet auf die soeben gezeigte Art und Weise. Kapitel 23 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 23. — Über die Notwendigkeit und den Zweck der Versuchungen 1. (Der Herr:) „Wäre aber diese Welt nicht mit allen erdenkbaren Lustreizen versehen, sondern wäre sie nur das für den Menschen, was da ist eine Wüste für die wilden Tiere, so wären sein gottähnlicher freier Wille, seine Vernunft und sein Verstand ihm auch vergeblich gegeben; denn was sollte da seine Liebe erregen und diese nach der Erregung begehren und wollen, und was könnte da seine Vernunft läutern und seinen Verstand erwecken und beleben? 2. Das nahezu endlos viele und höchst Mannigfaltige, gut und schlecht, edel und unedel, ist also nur des Menschen wegen da, auf daß er alles sehe, erkenne, prüfe, erwähle und es zweckmäßig gebrauche; daraus kann er dann auch schon zu schließen anfangen, daß das alles ein höchst weiser, guter und allmächtiger Urheber also geschaffen und eingerichtet hat, Der, wenn der Mensch aus sich so zu urteilen beginnt, dann wahrlich niemals säumt, Sich dem denkenden Menschen näher zu offenbaren, wie das noch zu allen Zeiten der Menschen unbestreitbar der Fall war. 3. Aber natürlich, wenn die Menschen sich zu sehr in die bloßen Lustreize der Welt verrennen und verstricken und nur denken, daß sie bloß darum da sind, um sich als vernünftige und denkende Wesen von der mit allem reichst ausgestatteten Welt auch alle erdenklichen Wohlgenüsse zu bereiten und des eigentlichen Zweckes gar nicht gewahr werden, warum sie in die Welt gesetzt worden sind, und wer sie in die Welt gesetzt hat, da kann von einer eigentlichen und höheren Offenbarung Gottes und Seines Liebewillens so lange keine Rede sein, als bis die Menschen durch allerlei Not und Elend wenigstens so weit zu denken anfangen, daß sie fragen und sagen: ,Warum mußten denn wir in diese elende Welt kommen, und warum müssen wir uns denn so plagen und martern lassen bis in den sichern Tod als dem elenden Schlußpunkte unserer Verzweiflung?‘, – wie auch du, Nojed, ehedem auf eine ganz ähnliche Weise weltweise gefaselt hast. 4. Dann ist auch die Zeit da, in welcher Sich Gott den Menschen wieder von neuem zu offenbaren beginnt durch den Mund geweckter Menschen zuerst, durch andere Zeichen und auch durch allerlei Gericht an jenen Menschen, die durch allerlei Lug und Trug und Bedrückung der armen und schwachen Menschen reich und mächtig, stolz und lieblos und voll Übermutes geworden sind und bei sich an keinen Gott mehr denken und noch weniger im Herzen glauben, sondern sich nur in alle Lustbarkeiten der Welt stürzen und die armen Menschen mit Füßen treten und ihnen gar nicht mehr den Wert eines Menschen, sondern kaum den eines gemeinen Tieres erteilen. 5. Wenn das einmal auf der Welt unter den Menschen das gewisse Übermaß erreicht hat, dann kommt auch ein großes Gericht und mit demselben auch eine große und unmittelbare Offenbarung Gottes an die Menschen, die noch einen Glauben an Gott und also auch eine Liebe zu Ihm und zum Nächsten in ihrem Herzen bewahrt haben. 6. Da werden die Gottesleugner und stolzen Betrüger und Bedrücker von dem Erdboden hinweggefegt und die Gläubigen und Armen aufgerichtet und aus den Himmeln erleuchtet werden, wie das nun soeben der Fall ist und später, nach nahe 2000 Jahren, auch wieder einmal der Fall werden wird. Die Zeit aber, in der so etwas vor sich gehen kann und sicher wird, ist ebenso leicht zu erkennen, wie ihr im Spätwinter aus dem das herannahende Frühjahr leicht erkennet, so ihr die Bäume betrachtet, wie ihre Knospen stets angeschwollener und saftiger werden und von ihren Ästen und Zweigen der Saft gleich den Tränen der Menschen auf die Erde herabträuft und diese gewisserart um die Erlösung von der Not des Winters, in der so viele Bäume schmachteten, anfleht. 7. Wenn alsonach einmal die armen Menschen auch anfangen, in ihrem Herzen vom Lichte der Wahrheit aus Gott heller und angeschwollener zu werden und dabei aber durch die unbarmherzige und maßlose Bedrückung den Erdboden mit ihren Tränen sehr zu befeuchten anfangen, dann ist das große geistige Frühjahr in die volle Nähe gekommen. 8. Wenn ihr drei und auch ihr, Meine schon älteren Freunde, das so recht betrachtet, so werdet ihr es bald und leicht herausbekommen, um welche Zeit es nun ist, und was Ich so ganz eigentlich für ein Landsmann bin.“ Kapitel 24 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 24. — Nojeds Bedenken gegen die Göttlichkeit des Herrn 1. Sagte Nojed nun ganz voll Staunens: „O du großer und unbegreiflich weiser Freund! Diese deine Rede klang seltsam in unseren Ohren und Herzen! Daß du mehr als ein Prophet bist, das entnahmen wir aus deinen Worten; denn so weit hat es außer Moses und Elias wohl kein Prophet gebracht, und selbst diese sprachen niemals von ihrer eigenen Herrlichkeit, sondern stets nur von der Herrlichkeit Gottes. Du aber sagtest, daß du ganz eigenmächtig ein Herr bist, tun kannst, was du willst, und kein Gott und noch weniger ein Mensch kann und darf dich zur Rechenschaft ziehen und fragen: ,Warum tust du dieses und jenes?‘ Höre, wenn dieses von dir selbst über dich uns gegebene Zeugnis ohne Zweifel sich sicher bewahrheitet, dann ist zwischen dir und Gott gar kein anderer Unterschied mehr, als daß du gleich uns ein in der Zeit gewordener Gott bist und Jehova aber Gott schon von Ewigkeit her ist! Nun, das ist für unseren Verstand denn doch wahrlich etwas zu hoch gestellt, trotzdem auch wir wohl wissen, daß Gott durch den Mund des großen Propheten zu den damals frommen Juden gesagt hat: ,Ihr seid Götter, so ihr genau haltet Meine Gebote und dadurch Meinen Willen zu dem eurigen macht!‘ 2. Es lebten aber hernach bis auf uns her gar viele Juden, die Gottes Gebote von Kindheit an auf das strengste erfüllten; aber unter ihnen gab es auch nicht einen, der sich's zu sagen und zu behaupten nur von weitester Ferne her getraut hätte, daß er gleich Gott ein eigenmächtiger Herr sei, der weder vor Gott und noch weniger vor den Menschen für all sein Tun und Lassen irgend je eine Rechnung abzugeben schuldig ist. Freund, wie sollen wir das denn der Wahrheit gemäß wohl verstehen?“ 3. Sagte Ich: „Ganz leicht und klar! Habe Ich denn nicht gesagt, daß ein Mensch, der Gott und Seinen Willen völlig erkannt hat und unwandelbar nach demselben handelt und somit den Willen Gottes ganz zu dem seinigen macht, Gott gleich ist?! So aber Gott ein Herr ist durch Seine Liebe, Weisheit und Macht, so ist es im Geiste ja auch der, der in allem Gott gleich geworden ist. 4. Ich meine, daß das denn doch etwas nicht schwer Begreifliches sei. Denn über was sollte er vor Gott oder gar vor einem Menschen eine wie immer gestaltige Rechnung ablegen, so er nur aus dem Willen und Geiste Gottes denkt, will, spricht und handelt? 5. Ist denn der reine Wille Gottes im Menschen etwa weniger ein göttlicher Wille als in Gott Selbst, und ist er etwa auch weniger selbständig mächtig denn in Gott, der durch eben Seinen Willen überall und also sicherst auch im Menschen gegenwärtig ist und wirkt? Darum soll ein rechter Mensch denn auch also vollkommen werden und sein, als wie vollkommen da ist der Vater im Himmel. Ist der Mensch aber das, ist er dann nicht auch ein Herr voll Weisheit, Macht und Kraft?!“ 6. Sagte darauf Nojed: „Großer und wahrlich überweiser Freund! Du hast lebendig und lichtvoll wahr gesprochen, und ich kann dir da nichts entgegenstellen; aber eines bleibt daneben doch auch noch wahr, und das besteht darin: Der Mensch kann es wohl auf dem Wege der gänzlichsten Selbstverleugnung dahin bringen, daß er Gott ähnlich und somit auch mächtig wird, wie sich das besonders bei den großen Propheten auf das leuchtendste bewährt hat; aber darum ist und bleibt der Mensch doch nur gewisserart ein in der Zeit gewordener und somit bei aller seiner Gott ähnlichen Vollkommenheit ein untertäniger und beschränkter ganz kleiner Gott, während Jehova ewig, also ohne Anfang, unendlich in Zeit und Raum und somit durch gar nichts beschränkt ist. Und dieser überendlos große Unterschied zwischen dem einen und ewig allein wahren Gott und dem in der Zeit gewordenen Menschgott wird wohl ewig nie hinweggefegt werden können.“ Kapitel 25 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 25. — Der natürliche Mensch und der vom Geiste Gottes durchdrungene Mensch 1. Sagte Ich: „Da hast du wohl recht gesprochen und geurteilt. Der geschaffene Mensch wird sich da freilich mit dem eigentlichen Urwesen Gottes nie vergleichen können; aber in dem geschaffenen Menschen wohnt denn auch ein ungeschaffener, ewiger Geist aus Gott durch den urewigen Willen Gottes, und der kann dann ja im Menschen ebensowenig irgendeine Beschränkung haben als im eigentlichen Urwesen Gottes Selbst, da er doch eins mit demselben ist. 2. Oder meinst du wohl, daß das Licht der Sonne darum ein jüngeres und beschränkteres ist, das soeben die Erde erleuchtet und erwärmt, als jenes, das vor undenklichen Zeiten diese Erde erleuchtet und erwärmt hat? Ich sage es dir, daß du ein ganz kluger und richtiger Denker und Sprecher bist; aber im Geiste der vollen Wahrheit aus Gott wirst du erst dann denken und sprechen, wenn deine Seele in dem ewigen Geiste aus Gott zur völligen Einung gelangt sein wird. Das aber kann und wird nur dadurch geschehen, daß du in der Folge mit deinem freien Menschenwillen den erkannten Willen Gottes völlig zu dem deinen machen wirst in aller Rede und Tat. – Hast du das verstanden?“ 3. Sagte Nojed: „O Freund, da wird es bei uns noch einer langen Zeit benötigen; denn wir haben noch gar viel von der Welt in uns! Bis diese vollends hinausgeschafft sein wird und wir von der allmächtigen Gegenwart des göttlichen Geistes in uns etwas wahrzunehmen anfangen werden, oh, da wird – wie schon bemerkt –, noch eine geraume Zeit in das Meer der ewigen und nie wiederkehrenden Vergangenheit hinab verrinnen!“ 4. Sagte Ich: „Das ist auch eine noch sehr diesirdisch menschliche Sprache! Denn siehe, für den göttlichen Geist auch im Menschen gibt es weder eine vergängliche Zeit noch irgendeinen beschränkten Raum und somit auch keine Vergänglichkeit, noch irgendeine ferne Zukunft, sondern nur eine ewige Gegenwart! Doch in dieser Welt hat alles seine Zeit, und keine Frucht am Baume wird schon mit der Blüte reif; so du aber nach dem Willen Gottes von heute an unwandelbar zu leben und zu handeln dir fest vornimmst, dann wirst du auch bald anders reden. 5. So wie du nun geurteilt und geredet hast, so haben schon gar viele geurteilt und geredet; als sie aber aus Meinem Munde vernommen hatten, was sie zu tun und wie zu leben haben, und danach aber auch alsbald die Hand ans Werk legten, da ging es denn auch schnell vorwärts. 6. So ihr in Bälde nach Essäa kommen werdet, da werdet ihr an dem Obersten Roklus schon ein Beispiel finden, wie weit es ein Mensch, dem es um seine geistige Vollendung völlig ernst ist, in kurzer Zeit mit der Liebe und Gnade Gottes bringen kann. 7. Wenn Ich aber nun ganz bald mit diesen Meinen Freunden von hier abreisen werde, so werdet ihr von dem Wirte schon auch ein Näheres über Mich in Erfahrung bringen und werdet mit desto größerem Eifer und Ernst nach Meinem Rate zu handeln und zu leben anfangen, und es wird sich dann auch gar wohl fühlbar der Segen Jehovas an euch bemerkbar machen. 8. Und nun habe Ich euch nichts Weiteres mehr zu sagen, darum, weil ihr es nicht ertragen würdet; wenn aber Gottes Gnade und Liebe in euch wach wird, dann wird sie euch schon von selbst in alle euch in dieser Welt nötige Weisheit leiten. Und so denn möget ihr euch nun schon wieder in euer vom Wirte euch angewiesenes Zimmer begeben!“ 9. Die drei dankten Mir für alles, was Ich ihnen getan und gesagt habe, und begaben sich in ihr Zimmer, in welchem sie sich so lange verborgen aufhielten, als wie lange der Markt andauerte, um nicht von einem oder dem andern Kaufmanne oder Käufer erkannt und belästigt zu werden. Kapitel 26 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 Der Herr auf dem Wege von Jericho nach Nahim in Judäa (Lukas 19) 26. — Des Herrn Abreise von Jericho. Zachäus auf dem Maulbeerbaum 1. Als wir nun wieder allein waren, da sagte der Wirt zu Mir: „O Herr und Meister, möchtest Du denn nicht noch über den Mittag bei uns verweilen?“ 2. Sagte Ich: „Freund, was euch not tat, mit dem habe Ich euch wohl versehen! Bleibet nun in Meiner Lehre, und handelt und lebet danach, so werde Ich denn auch bleiben mit Meinem Geiste in euch; aber mit Meinem Leibe muß Ich Mich nun schon der vielen Armen, Blinden und Toten wegen von hier wegbegeben. Zudem werde Ich, so Ich nun am Tage durch Jericho ziehen werde, ohnehin von vielen Menschen erkannt werden, die Mir bei Meinem Abzuge vor- und nachlaufen werden, was viel Aufsehen machen wird. Bliebe Ich erst über Mittag hier, in welcher Zeit sich viele Gäste hier einfinden werden, so würde das Meine Gegenwart noch ruchbarer machen. Und das will Ich der anwesenden etlichen Templer wegen nicht! Daher werde Ich Mich mit Meinen Jüngern denn nun auch sogleich in der Richtung gen Nahim hin von hier begeben.“ 3. Auf dieses sagte Ich denn auch zu den Jüngern, daß sie sich zur Abreise fertigmachen sollten. 4. Diese taten das denn auch, und wir fingen an, uns in Bewegung zu setzen. Da aber das mehrere Knechte des Hauses vernommen hatten, so liefen sie auf den Platz hinaus und sagten es vielen, daß alsbald der berühmte Heiland Jesus aus Nazareth aus dem Hause abziehen werde, und zwar auf dem Wege gen Nahim hin. 5. Als das Volk das vernahm, da lief es eine geraume Strecke auf dem Wege großenteils voraus, und es ward auf diese Weise die Straße bis hinaus über des Zachäus, der ein Zöllneroberster war, großes Zollhaus mit Menschen angefüllt; denn alle wollten in Mir den Mann sehen, von dem sie schon so viele Wunderdinge vernommen hatten. 6. Es befand sich aber des Zachäus Zollhaus eine gute halbe Stunde Weges außerhalb der Stadt in entgegengesetzter Richtung von der, in welcher wir nach Jericho gekommen waren. Als Zachäus sah, wie sich viel Volk aus der Stadt auf der Straße noch über sein Zollhaus hinaus dränge, da trat er aus seinem Hause und befragte die Menschen, was es da gäbe. 7. Und die Befragten sagten, daß Ich als der berühmte Heiland Jesus aus Nazareth in Galiläa mit Meinen Jüngern bald nach dieser Straße gen Nahim ziehen werde und sie Mich sehen wollten. 8. Als Zachäus das vernahm, da sagte er: „Oh, den muß ja auch ich um so mehr sehen! Denn ich habe gar große Wunderdinge über ihn vernommen von meinem Freunde Kado, dem alten und dem jungen, und von dessen altem Diener Apollon, wie auch von einem von dem Heilande vor etlichen Tagen sehendgemachten Blinden, und es war mir unbeschreiblich leid, daß ich ihn nicht zu sehen bekam, da er nach seiner ersten Ankunft in Jericho schon am nächsten Morgen etwa nach Essäa gegangen ist. Da er nun abermals über Jericho ebendiese Straße weiterziehen wird, so muß ich ihn denn auch sehen, und koste es, was es da nur immer wolle!“ 9. Da sich aber das Volk immer mehr an der Straße anhäufte und unser Zachäus, als ein kleiner Mensch von Statur, wohl sah, daß er Mich so schwerlich durch die Volksmasse hindurch werde zu Gesicht bekommen können, so bestieg er alsbald einen Maulbeerbaum und harrte also, bis Ich käme und vorüberzöge. (Luk.19,1-4) 10. Während aber das Volk schon die Gassen der Stadt und mehr noch die offene Straße bis über das Zollhaus um Meinetwillen besetzt hatte und Ich Mich noch im Vorhause Kados mit den Jüngern befand, weil Ich darum wohl wußte, wie Mich die zu dienstfertigen Hausdiener Kados ohne Auftrag ruchbar gemacht hatten, so sagte Ich zum noch an Meiner Seite stehenden Wirte, was da in aller Eile geschehen sei, worüber er seine Knechte scharf zur Rede zu stellen Mir versprach. 11. Ich aber riet ihm, das zu unterlassen, da die Knechte das in einem guten Sinne getan hätten. Aber Ich begehrte vom Wirte, daß er uns bei des Hauses Hinterflur hinauslassen solle, weil an der Hauptflur zu viele Menschen auf Mich harrten. 12. Der Wirt tat das sogleich, und wir kamen also leicht, von der großen Volksmenge ungesehen, durch eine schmale und wenig begangene Gasse ins Freie und schlugen da einen Feldweg ein, der sich etwa bei hundert Schritte vor dem großen Zollhause mit der Hauptstraße vereinte, und entgingen so dem großen Gedränge in der Stadt sowohl, als dem größten Teil der Hauptstraße von der Stadt bis zum Zollhause entlang. 13. Als wir aber in der schon gezeigten Nähe des großen Zollhauses auf die Hauptstraße kamen und Ich von einigen Menschen erkannt wurde, da entstand bald ein großer Lärm, und viele jubelten aus vollem Halse, sagend: „Er ist da, er ist da – der große Heiland aus Nazareth! Heil ihm, und Heil auch uns, daß wir ihn nun zu sehen bekamen!“ 14. Meine Jünger aber bedrohten das lärmende Volk und behießen es zu schweigen. 15. Ich aber verwies ihnen ein solches Benehmen dem Volke gegenüber, sagend: „Ich bin der Herr! Wenn Ich des Volkes lauten Jubel ertrage, so werdet ihr ihn wohl auch zu ertragen imstande sein! Liebe und Geduld leite allzeit eure Schritte, und nie ein Drohen und Herrschen! Es ist ja doch ums nie Beschreibbare herrlicher, von den Menschen geliebt denn gefürchtet zu sein!“ 16. Als die Jünger solches von Mir vernahmen, da gaben sie nach, und wir gingen ruhigen Schrittes vorwärts und kamen so bald an den Maulbeerbaum, auf dem der kleine Zöllneroberste Zachäus unser harrte. 17. Als wir an den Baum gekommen waren, da blieb Ich stehen, sah empor und sagte: „Zachäus, steige nun nur eilig vom Baume herab; denn Ich muß heute in deinem Hause einkehren!“ (Luk.19,5) 18. Da stieg Zachäus auch schnell vom Baume und nahm Mich samt Meinen Jüngern mit der größten Freude auf. (Luk.19,6) 19. Als aber das Volk solches sah, da fing es alsbald an zu murren und sagte: „Oh, da sehet nun den Heiland an, der seine Werke durch die Macht des Geistes Gottes verrichte! Das muß ein schöner Geist Gottes sein, der bei Zöllnern, die doch allzeit die größten Sünder sind, einkehrt, ißt und trinkt!“ (Luk.19,7) 20. Und es fing darauf das murrende Volk an, sich mehr und mehr zu verlieren. 21. Als aber Zachäus merkte, daß das Volk solche Bemerkungen über Mich machte, da ward er um Meinetwillen ärgerlich übers Volk, trat zu Mir hin und sagte laut: „Siehe, o Herr, ich weiß auch ohne des Volkes Zeugnis, daß ich ein Sünder bin, und bin somit auch höchst unwürdig, daß du, Gerechtester, bei mir einkehren magst; da du mich aber dennoch so übergnädig angesehen hast und erweisest mir eine so übergroße und unschätzbarste Freundschaft, so will ich die Hälfte meiner vielen Güter den Armen geben, – und so ich jemanden irgend betrogen habe, der komme, und ich will es ihm vierfach wieder zurückerstatten!“ (Luk.19,8) 22. Als das noch in großer Anzahl anwesende Volk solche laut ausgesprochene Äußerung von Zachäus vernahm, da legte sich auch das Murren; denn einige Bessere sagten untereinander: „Da seht, ein Mensch, der das tun will und auch sicher wird, ist noch der allerärgste Sünder nicht! Denn Almosen bedecken die Menge der Sünden, und wer ein unrecht an sich gebrachtes Gut dem vierfach vergütet, dem er es entrissen hat, der hat seine Schuld vor Gott und vor den Menschen getilgt, – und es ist sonach dem Heilande nicht zu einem Fehler zu rechnen, so er bei einem sich gar sehr bessern wollenden Sünder einkehrt.“ 23. Andere, besonders die Armen, aber berechneten schon zum voraus, ob und wieviel sie etwa bei der Güterverteilung von Zachäus bekommen würden. Und noch andere aber dachten auch schon daran, wie sie etwa mit falschen Zeugen vor den Zachäus treten könnten und ihm erweisen, daß auch sie von ihm um etwa soundso viel in der und jener Zeit und bei dieser und jener Gelegenheit betrogen worden seien, um von ihm dann vierfach soviel zurückzuerhalten. 24. Ich aber habe später im Hause den Zachäus auf das alles aufmerksam gemacht und ihm die rechte Klugheit und Vorsicht empfohlen, die er auch treulich befolgte. Kapitel 27 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 27. — Das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden 1. Als das Volk sich aber mehr und mehr verlief, da sagte Ich laut zum nun ganz glücklichen Zachäus: „Heute ist diesem Hause und somit auch dir ein großes Heil geworden, indem auch du ein Sohn Abrahams bist! (Luk.19,9) Denn Ich als der Menschensohn und wahre Heiland bin gekommen, zu suchen und selig zu machen, was da verloren war (Luk.19,10), und komme als Heiland nur zu den Kranken und nicht auch zu den Gesunden, die des Arztes Hilfe nicht bedürfen. 2. Ich bin also in diese Welt gekommen, auf daß Ich den Menschen wiederbringe das Reich Gottes, das sie nun schon seit lange her völlig verloren haben, und dessen Gerechtigkeit, die unter den Menschen nicht mehr besteht. Ich bin sonach der Weg, die Wahrheit, das Licht und das Leben; wer an Mich glaubt, der wird das ewige Leben haben!“ 3. Als das noch immer ziemlich zahlreich anwesende Volk das hörte, da sagte es unter sich: „Es hat dieser Mensch zwar wohl höchst wunderbar seltene Eigenschaften, – aber daß er sich für den hält, der uns das verlorene Reich Gottes und dessen Gerechtigkeit wiederbringen werde, da lebt er in einer großen Einbildung und Selbstüberschätzung! Denn wir sind doch aus der Nähe von Jerusalem und wissen noch nichts davon, daß nun solches geschehen solle! Wenn er aber sagt und behauptet, daß er das verlorene Reich Gottes und dessen Gerechtigkeit uns wiederbringen werde, so kann er uns dasselbe ja auch sogleich offenbaren! Was zögert er denn noch und hält unsere Erwartung vergeblich in Spannung?“ 4. Ich aber wandte Mich darauf zu dem also unter sich urteilenden Volke und sagte eben darum zu ihm, weil Ich Mich bei ihm wahrlich so gut wie in der Nähe Jerusalems befand, folgendes Bild: „Ihr habt recht, daß ihr saget, daß ihr aus der Nähe von Jerusalem seid und von der Wiederbringung des Reiches Gottes und desselben Gerechtigkeit nichts wisset und nun hier begehret, daß sich das Reich Gottes alsogleich offenbaren solle, so es sich durch Mich offenbaren kann und will! 5. Ich befinde Mich nun an eurer Seite wahrlich in der Nähe des blinden Jerusalem, das mit offenen Ohren nichts hört und mit weit aufgesperrten Augen nichts sieht! Wie oft war Ich schon in Jerusalem und habe euch gelehrt und vor euren Augen Zeichen zum Zeugnis der Wahrheit über den Grund Meines Kommens in diese Welt gewirkt, und ihr saget es noch, daß ihr von der Wiederbringung des Reiches Gottes und dessen Gerechtigkeit nichts wisset, und verlanget nun von Mir, so Ich der Wiederbringer des Reiches Gottes und dessen Gerechtigkeit sei, daß Ich denn nun alsbald das Reich Gottes und dessen Gerechtigkeit auch vor euch offenbaren solle. Gut denn! Ich will es tun, und so vernehmet denn folgendes Bild (Luk.19,11): 6. Ein Edler zog in ein fernes Land, daß er ein Reich einnähme und dann wiederkäme. (Luk.19,12) Vor seiner Abreise aber forderte er zehn Knechte vor sich, gab ihnen zehn Pfunde und sprach: ,Handelt damit, bis ich wiederkomme! (Luk.19,13) Wer von euch mir einen guten Gewinn bereiten wird, der wird nach seinem Verdienste auch den gebührenden Lohn ernten!‘ 7. Darauf verzog der Edle. Die Knechte aber fingen an, mit den Pfunden zu handeln, nütz und unnütz. 8. Die heimischen Bürger aber waren dem Edlen, der ihr Herr und König war, feind, und als sie vernahmen, daß er verreist sei und die Knechte für ihn handelten, da sandten sie eine Botschaft dahin zu ihm, wohin er gezogen war und ließen ihm sagen: ,Wir wollen nimmer, daß du fürder über uns herrschest!‘ (Luk.19,14) 9. Es begab sich aber, daß der Herr wiederkam, nachdem er das Reich eingenommen hatte, und forderte dieselben zehn Knechte, denen er das Geld zum Handeln gegeben hatte, zuerst zu sich, um zu erfahren, wie viel ein jeglicher gewonnen hatte. (Luk.19,15) 10. Da trat der erste zu ihm und sprach: ,Herr, dein Pfund hat zehn Pfunde erworben! (Luk.19,16) Hier ist dein Pfund, und da die zehn Pfunde hinzu! Und der Herr sagte zu ihm: ,Ei du frommer und treuer Knecht! Dieweil du im Geringsten treu gewesen, so sollst du nun Macht haben über zehn Städte!‘ (Luk.19,17)! 11. Darauf kam ein zweiter Knecht und sagte: ,Herr, dein Pfund hat fünf Pfunde getragen! (Luk.19,18) Hier ist dein Pfund und die fünf Pfunde hinzu!‘ Und der Herr sprach auch zu diesem Knechte: ,Also sollst du auch Macht haben über fünf Städte!‘ (Luk.19,19) Und also geschah es auch den andern, die mit dem einen Pfunde etwas erworben hatten. 12. Es kam aber auch, als besonders berufen, ein dritter und eigentlich ein letzter Knecht und sagte: ,Sieh da, Herr, hier ist dein Pfund, das ich in einem Schweißtuche aufbewahrt behalten habe! (Luk.19,20) Ich fürchtete mich vor dir, da ich wohl wußte, daß du ein harter Mann bist, der da nimmt, das er nicht gelegt hat, und erntet, wo er nicht gesät.‘ (Luk.19,21) Der Herr aber sprach zu ihm: ,Aus deinem Munde richte ich dich, du Schalk! Wußtest du, daß ich ein harter Mann sei und nehme, da ich nicht gelegt, und ernte, da ich nicht gesät habe (Luk.19,22), warum hast du denn mein Geld nicht in eine Wechselbank gegeben, auf daß es mir einen Wuchergewinn erworben hätte?!‘ (Luk.19,23) Da verstummte der Knecht, weil er sich da weiter nicht mehr entschuldigen konnte. 13. Der Herr aber sagte zu den andern Knechten: ,Nehmet diesem trägen Knechte das Pfund weg, und gebet es dem, der mir zehn Pfunde erworben hat! (Luk.19,24) Er wird mit ihm am besten gebaren!‘ 14. Da sprachen die Knechte zu ihm: ,Dieser hat ja ohnehin das meiste!‘ (Luk.19,25) 15. Der Herr aber sagte zu den Knechten: ,Oh, wahrlich, Ich sage euch: Wer da hat, dem wird noch mehr gegeben werden, daß er dann in großer Fülle habe; wer aber nicht hat – wie ihr in Jerusalem –, dem wird auch ehest genommen werden, was er irgend noch hat! (Luk.19,26) Jene Meine Feinde aber, die nicht wollten, daß Ich herrsche über sie (die Pharisäer nämlich), bringet her, und erwürget sie vor Mir!‘ (Luk.19,27) 16. Auf daß ihr aber auch verstehet, was dies Bild besagt, so will Ich es euch in aller Kürze zerlegen, – und so höret: 17. Der Herr, der verreiste, um ein fernes Reich einzunehmen, ist Gott, der durch Moses zu euch geredet hat. Er übergab den Juden auf zwei steinernen Tafeln die zehn Pfunde (Gesetze des Lebens), mit denen die ersten Juden wohl gehandelt haben und darum auch bald zu einer großen Macht gelangten. 18. Die Zeit der Könige aber ist jener andere Knecht, der dem Herrn nur fünf Pfunde erworben hat; daher war ihre Macht auch nach ihrem Gewinne wohl bemessen. Wie diese Zeit aber im Gewinne für den Herrn stets magerer ward, das zeigte Ich euch im Gebaren der noch übrigen Knechte, und ihr möget sie näher erforschen im Buche der Könige und in der Chronika. 19. Der dritte, ganz träge Knecht aber stellt diese Zeit dar, in der die Pharisäer das ihnen von Gott verliehene Pfund vor den Augen, Ohren und Herzen im wahren Schweißtuche der armen und betrogenen Menschheit verbergen und es auch nicht in die Wechselbank der Heiden also, wie sie es von Gott erhalten haben, legen wollen, auf daß es dem Herrn Wuchergewinn brächte, – sondern sie legen ihren eigenen Unrat, den sie als Gold ausschreien und damit für ihren Leib Wucher treiben, in die Bank der noch blinden Heiden. 20. Diese jetzigen Pharisäer und Juden sind denn auch jene argen Bürger, die dem Herrn feind sind und nicht wollen, daß Er über sie herrsche. Darum wird ihnen denn auch geschehen, was Ich euch hier in dem Bilde gezeigt habe: Erstens, weil sie nichts erworben haben, wird ihnen auch das genommen, was sie noch hatten, und wird dem gegeben werden, der da nun wahrlich das meiste hat, – und das sind nun die Heiden, die zugleich jenes ferne Reich darstellen, dahin der Herr verreist ist, um es einzunehmen. Und Er hat es bereits eingenommen und ist nun in Mir heimgekehrt, um Rechnung zu machen, wie es euch das Bild in mannigfachem Lichte vor Augen gestellt hat. 21. Kurz, das Licht wird den Juden genommen und den Heiden gegeben werden! Die Zeit der Bestrafung der Gott dem Herrn feindlichen Bürger ist sehr nahe herbeigekommen, und die, denen das Licht gegeben wird und schon gegeben worden ist, werden jene neuen Diener des Herrn sein, welche die Feinde des Herrn erwürgen werden. 22. Das, was Ich euch nun geoffenbart habe, ist auch Gottes Reich, das Ich euch wiederbringe samt seiner Gerechtigkeit. Wer das beherzigen und das zum Handeln dargeliehene Pfund treu und gewissenhaft verwalten wird, der wird auch den Lohn des Lebens finden. 23. Das habe Ich zu euch, ihr Bürger in und um Jerusalem, geredet; wohl dem, der es gewissenhaft beherzigen wird!“ Kapitel 28 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 28. — Der Herr heilt den Sohn des Zachäus 1. Als die Juden solches von Mir vernommen hatten, wurden sie ärgerlich, und es sagten einige unter sich: „Die Pharisäer haben am Ende doch recht, so sie diesen Galiläer verfolgen; denn aus seiner Rede leuchtet klar hervor, daß er die Römer, die ihn seiner Zaubertaten wegen für einen Gott halten, auf uns hetzen wird, die uns ganz sicher alle unsere Rechte nehmen und uns vollends zu ihren Sklaven machen werden. Wenn er der Wiederbringer des verlorenen Reiches Gottes und dessen Gerechtigkeit ist, und das soll in dem bestehen, was er uns nun geoffenbart hat, da soll er sein Gottesreich und dessen schöne Gerechtigkeit nur selbst behalten! Und so er fortfährt, uns Juden ein solches Gottesreich und dessen Gerechtigkeit stets lauter zu verkünden, da kann es wohl gar leicht geschehen, daß die Juden ihn noch eher erwürgen werden, als er die Juden mit Hilfe der Römer!“ 2. Als Meine Jünger solches Gerede vernahmen, sagten sie zu Mir: „Herr, vernimmst Du nun nicht, was diese reden? Wirst Du sie nun wohl ungestraft von dannen ziehen lassen?“ 3. Sagte Ich: „Es hat noch keiner seine Hand nach Mir ausgestreckt, um Mich zu ergreifen; warum sollte Ich sie da bestrafen? Ich habe zuvor geredet, und nun reden sie unter sich und fangen an, sich davonzumachen; denn Mein Wort hat ihnen nicht gemundet, und dafür strafe Ich die Blinden nicht. Wenn sie aber einmal die Hände nach Mir ausstrecken werden, dann wird auch die Strafe über sie kommen, wie Ich sie euch schon zu mehreren Malen gezeigt habe. Und so lassen wir sie nun ungestraft reden und ihren Weg gehen! Wir aber begeben uns nun in das Haus des Freundes Zachäus, und er wird uns ein Mittagsmahl bereiten.“ 4. Auf diese Meine Worte begaben wir uns in das Haus des Zachäus, und er ließ uns sogleich Brot und Wein geben und behieß seine Leute, alles aufzubieten, um uns auf das möglich Beste zu bewirten. 5. Als wir nun in einem größten und reichst ausgestatteten Zimmer uns befanden und uns mit Brot und Wein labten und stärkten, da fing unser Zachäus an, Mir aus voller Brust auch darum zu danken, daß Ich den ihm sehr widerwärtigen Jerusalemern das verkündet habe, was sie sich schon lange verdient haben. Denn Zachäus, obwohl ein Nachkomme Abrahams, war ein Samaritan und darum bei den Jerusalemern um so mehr verhaßt. 6. Er fragte Mich denn auch, ob Ich etwas dawider hätte, daß er ein Samaritan sei. 7. Ich aber sagte zu ihm: „Bleibe du, was du bist, und sei in allem gerecht aus wahrer Liebe zu Gott und zum Nächsten, und du wirst Mir so besser gefallen denn die Juden, die des Tempels Gold küssen und die Armen von ihrer Häuser Türen mit Hunden wegtreiben lassen! Darum werde auch Ich sie ehest in alle Welt hinaustreiben lassen unter fremde Völker, und sie werden fürder kein eigen Land und kein Reich mehr besitzen. Aber nun lassen wir sie noch eine kurze Zeit walten und sündigen, bis ihr Maß voll werde!“ 8. Nach dieser Meiner kurzen Rede dankte Mir Zachäus wieder, bat Mich aber, daß Ich ihm einen Rat gäbe, was er mit seinem ältesten, bereits sechzehn Jahre zählenden Sohne machen solle, der seit drei Jahren irrsinnig sei und beinahe von Tag zu Tag in eine größere Raserei verfalle. Er habe zu dem Sohne schon alle ihm bekannten besten Ärzte kommen lassen, und alle hätten versucht, den Sohn zu heilen; doch alle ihre Wissenschaft und Mühe sei nicht nur gänzlich erfolglos geblieben, sondern der Sohn sei nach jedes Arztes Behandlung noch ärger denn vorher geworden. 9. Da sagte Ich zu Zachäus: „Freund, derlei Übel heilt kein irdischer Arzt mit seinen Kräutern! Bringe aber den Sohn hierher, und du sollst die Macht der Herrlichkeit Gottes sehen!“ 10. Da befahl Zachäus seinen Knechten, daß sie den Sohn, wohl gebunden, aus seinem wohlverschlossenen Gemache bringen sollten. 11. Da sagten die Knechte: „Herr, das wird sich vor diesen fremden Gästen gar übel machen; denn erstens rast er nun beinahe unausgesetzt, und zweitens stinkt er ärger denn alle Pestilenz, da er sich gleichfort mit seinem Kote beschmiert!“ 12. Da sagte Ich: „Bringet ihn nur hierher; denn Ich will ihn sehen und heilen!“ 13. Sagte ein Knecht, der viel im Hause galt: „O Freund, nur Gott allein kann den heilen, aber auf dieser Erde kein Mensch mehr! Wenn du auch den heilst, dann bist du kein Mensch, sondern ein Gott!“ 14. Sagte Ich: „Das kümmere dich nicht, sondern tue, was dir geboten ist!“ 15. Da gingen die Knechte und brachten den Sohn, vor dem sich alle Meine Jünger entsetzten und sagten: „Mit dem steht es noch ärger, als was wir sahen in der Landschaft der Gadarener!“ 16. Ich aber erhob Mich, bedrohte die bösen Geister im Sohne und hieß sie, ihn augenblicklich für immer zu verlassen. 17. Da rissen sie noch einmal den Sohn und fuhren in Gestalt von vielen schwarzen Fliegen aus dem Sohne, welcher darauf völlig gesund ward. 18. Ich aber sagte nun zu den Knechten: „Nun führet ihn hinaus an den Brunnen, und reiniget ihn; gebet ihm auch frische Kleidung, und bringet ihn wieder hierher, auf daß er mit uns halte das Mittagsmahl!“ 19. Das geschah denn auch. Und als der Sohn nun gesund und gereinigt an unserem Tische sich befand, da kamen alle im Hause wohnenden Verwandten und Bekannten in unser Zimmer und konnten nicht zur Genüge erstaunen über solch eine schnelle Heilung des Sohnes, und Zachäus dankte Mir über alle Maßen für diese Heilung. 20. Der Hauptknecht aber sagte zu Mir: „Herr, Du bist kein Mensch wie unsereins, sondern Du bist ein wahrer Gott, den wir Menschen allzeit anbeten wollen und werden!“ 21. Als der Knecht noch also redete, da ward auch das Mittagsmahl auf den Tisch gesetzt, und wir fingen an zu essen. Kapitel 29 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 29. — Der Grund für die Zulassung der Besessenheit des Sohnes 1. Während des Essens und Trinkens fragten mehrere den geheilten Sohn, der nun ganz frisch und heiter aussah, ob er in seinem kranken Zustande auch große Schmerzen zu bestehen hatte. 2. Er aber sagte (der geheilte Sohn): „Wie kann ich nun das wissen? Denn ich war ja so gut wie tot und hatte kein Gefühl und wußte auch nichts um mich! Das aber weiß ich dennoch, daß ich mich fortwährend in einem Traume befand und in einer schönen Gegend mich mit guten Menschen unterhielt.“ 3. Das wunderte die Anwesenden, und sie konnten das nicht fassen, und Zachäus fragte Mich, wie das doch möglich wäre, und warum so etwas von Gott zugelassen werde. 4. Sagte Ich: „Freund, darüber wollen wir nun nicht viele Worte verlieren! Bei solchen Übeln zieht sich die Seele ins Herz zurück, und ein oder oft auch viele arge und unreine Geister bewohnen den übrigen Leib und tun mit ihm, was sie wollen, wovon aber die im Herzen ruhende Seele nichts wahrnimmt. 5. Es werden aber derlei Besessenheiten darum zugelassen, auf daß die Menschen, bei denen der Glaube an Gott und an die Unsterblichkeit der Seele beinahe ganz erloschen ist, doch wieder an etwas Geistiges zu denken und auch zu glauben anfangen. Denn auch ihr seid schon schwachen Glaubens geworden, und so war euch diese Lektion auch sehr notwendig vor Meiner Ankunft in dieses Haus. 6. Wenn Ich früher gekommen wäre, so hättest du selbst Mir nicht also geglaubt, wie du Mir nun glaubst; und wäre dein Sohn, auf den du die größten Stücke hieltest, nicht in das Übel gekommen, so hätte dich der Stolz und Hochmut derart zugerichtet, daß du zu einem wahren Teufel unter den Menschen geworden wärest. Du hättest allen Glauben an Gott aus dir verbannt und die Menschen als pure Maschinen eingeschätzt, die vor dir nur dann irgendeinen Wert hätten, so sie dir beinahe umsonst dienten und dir zu noch größeren Reichtümern verhülfen. 7. Als aber dein Sohn, als dein Liebling und dein größter Stolz, also krank ward, wie Ich ihn nun hier angetroffen habe, da ward es dir ganz anders ums Herz. Du fingst an, wieder an einen Gott zu denken und zu glauben und wurdest demütigeren Herzens. Du hattest freilich daneben noch deine Zuflucht zu allen dir irgend bekannten Ärzten, ob Heiden oder Juden – was dir gleich war, – genommen und hattest dich's viel kosten lassen; aber als du sahst, daß deinem Sohne gar kein Arzt, auch kein Essäer und noch weniger irgendein Zauberer hatte helfen können, da wurdest du traurig und fingst an, ernstlicher darüber nachzudenken, warum Gott, so Er irgend einer sei, dich mit einem solchen Übel heimgesucht habe. 8. Du fingst wieder an, in der Schrift zu lesen, und fandest dein Handeln und Gebaren deinen Nebenmenschen gegenüber für stets mehr und mehr ungerecht und hattest denn auch Gott gelobt, daß du vollernstlich all das von dir begangene Unrecht wieder mehrfach gutmachen wollest. 9. Als solche Vorsätze in dir stets ernster und wahrer geworden waren und du auch in dem klarer geworden warst, daß dir nur der allmächtige Vater im Himmel helfen könne, da kam Ich dann auch bald in diese Gegend, und du hast es vernommen, was Ich an dem Blinden getan habe. 10. Da ward dein Glaube an Gott denn auch mächtiger und lebendiger, dieweil du vom alten und vom jungen Kado ein Zeugnis über Mich vernommen hast, das in dir keinen Zweifel übrigließ, daß Ich kein purer Prophet, sondern der Herr Selbst sei. Und siehe, also bist du denn auch dahin reif geworden, daß Ich nun bei dir einkehrte und mit Meiner Macht deinem Sohne half. 11. Wenn du nun das wohl überdenkst, so wird es dir wohl klar sein, warum Ich über Menschen, in deren Herzen noch nicht jeder Himmelslebensfunke völlig erloschen ist, allerlei Übel zulasse. 12. Freilich bei ganz verdorbenen und lebensverschlagenen Menschen, die keiner Mahnung von Mir aus mehr wert sind, bleiben derlei sie bessernde Zulassungen denn auch unterm Wege; denn sie fruchten nicht mehr und zeihen die Argen, daß sie noch ärger werden. Diese Art Menschen aber verzehren ihr Materieleben auch hier; nach diesem Leben aber erwartet sie ihr eigenes Gericht, das da ist der andere und ewige Tod. 13. Über den Ich noch allerlei Leiden und Trübsal zulasse, dem helfe Ich denn auch zur rechten Zeit; den Ich aber sein irdisch stolzes und schwelgerisches Wohlleben unbeirrt fortgenießen lasse, der trägt sein Gericht und seinen ewigen Tod schon in sich und sonach auch allenthalben mit sich. Und somit weißt du nun denn auch, warum so mancher Weltgroße und Weltreiche ungestraft bis zu seines Leibes Tode hin fortsündigen und fortgreueln kann.“ Kapitel 30 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 30. — Vom Maße des Guten und Bösen 1. (Der Herr:) „Es ist von Mir aus in dieser Welt aber einem jeden ein gewisses Maß gestellt, sowohl im Guten und Wahren, als auch im Bösen und Falschen. 2. Hat der Gute durch seinen Eifer dieses Maß völlig erreicht, dann hören auch alle weiteren Versuchungen auf, und er geht dann im Volllichte aus den Himmeln von einer Lebensvollendungsstufe zu einer noch höheren und also ins Unendliche vorwärts. 3. Hat aber der Böse ebenso auch sein böses Maß voll gemacht, so hören dann auch weitere Mahnungen auf, und er sinkt von da an denn auch stets tiefer und tiefer in die dickere Nacht und in das härtere Gericht seines schon toten Lebens und Seins und wird von Mir aus weiter nicht mehr angesehen als ein Stein, in dem kein Leben, sondern nur das Gericht und das ewige Muß Meines Willens, den die Alten den ,Zorn Gottes‘ nannten, ersichtlich ist. 4. Wie lange aber ein Stein von großer Härte brauchen wird, bis er nur zu einem noch lange hin unfruchtbaren Erdreich erweicht wird, das ist eine Frage, die auch kein noch so vollkommener Engel, im höchsten Himmelslichte stehend, beantworten kann; denn darum weiß allein der Vater, der in Mir ist, wie auch Ich in Ihm. 5. So aber einmal gar zu viele Menschen sich im Vollmaße ihres Bösen befinden, so wird von Mir aus, der noch wenigen Guten und Auserwählten wegen, die Zeit ihres ungestraften argen Waltens abgekürzt, und ihr eigenes Gericht und ihr Tod verschlingt sie vor den Augen der wenigen Gerechten, wie das zu Noahs und zu Abrahams und Lots Zeiten und auch zur Zeit Josuas teilweise der Fall war und von nun an auch fürderhin noch zu öfteren Malen der Fall sein wird. 6. Den Anfang werden die Juden bald erleben und später auch andere Reiche mit ihren Fürsten und Völkern; nach etwa nicht völlig 2000 Jahren aber wird abermals kommen ein größtes und allgemeinstes Gericht zum Heile der Guten und zum Verderben der Weltgroßen und völlig Lieblosen. 7. Wie aber das Gericht aussehen und worin es bestehen wird, das habe Ich schon allen Meinen hier mit Mir anwesenden Jüngern mehrere Male geoffenbart, und sie werden es nach Mir den Völkern der Erde verkünden. Wohl dem, der es beherzigen und sein Leben danach einrichten wird, auf daß er nicht ergriffen werde von dem Gerichte! 8. Und nun weißt du, Mein Freund Zachäus, zur Genüge, was du für dein Seelenheil zu tun und zu wirken hast, und wir haben uns nun an deinem Tische auch zur Genüge gestärkt mit Speise und Trank, – und so wollen und werden wir uns wieder erheben und auf den Weg nach Nahim begeben; denn Ich muß heute noch vor dem Untergange im benannten Orte eintreffen.“ 9. Sagte nun Zachäus: „O Du allein wahrer Herr und Meister! Es ist bis in den benannten Ort von hier noch eine weite Strecke Weges, und es wird auf eine natürliche Art wohl sehr schwer hergehen, heute vor dem Untergange den Ort zu erreichen; denn er liegt ja um vieles näher bei Jerusalem, als da die Ferne von hier bis zum von Dir benannten Orte ausmacht! In einem Tage kann man den Weg dahin auf Kamelen wohl machen, aber zu Fuß in von nun an kaum eines halben Tages Zeit wird das ohne Wunder wohl nicht möglich sein!“ 10. Sagte Ich: „Das, Freund, wird schon Meine Sorge sein! Konnten wir den noch weiteren Weg von hier bis nach Essäa in einem Tage ohne Kamele durchwandern, so werden wir auch den um ein bedeutendes kürzeren von hier bis Nahim durchmachen. Du hast freilich wohl eine Sehnsucht dahin, daß Ich noch hier verzöge bis zum Morgen; aber Ich allein weiß es am besten, was Ich vorhabe, und so denn muß Ich auch handeln, nicht wie Mein Fleisch es will, sondern wie Der es will, der in Meiner Seele wohnt. Und so muß Ich heute noch vor dem Untergange in dem vorbestimmten Orte eintreffen. 11. Gedenke Meiner Lehre, und handle danach, so wirst du leben im Lichte aus Gott! Und so du vernehmen wirst, daß die Pharisäer Mich fangen und diesen Meinen Leib töten werden – was auch zugelassen werden wird zu ihrem Untergange, aber auch zur Auferstehung der vielen Toten, die nun noch in den Gräbern des Un- und Wahnglaubens schmachten und kein Leben des Geistes in sich haben –, da ärgere dich nicht darob, und werde nicht zaghaften Glaubens; denn Ich werde am dritten Tage wieder auferstehen und werde kommen zu allen Meinen Freunden und ihnen geben das ewige Leben! 12. Über Meine Feinde aber wird hereinzubrechen anfangen das Gericht zu ihrem Untergange, den noch viele jetzt Lebende sehen werden. Ich habe dir nun denn auch das gesagt, und du weißt es nun, wie du dich in der Folge zu verhalten hast. 13. Ich habe dir nun auch ein Pfund dargeliehen; verwalte es gut und recht, auf daß Ich es, so Ich wiederkomme, von dir mit Zinsen wieder zurückerhalte! Über Kleines bist du nun gestellt, und über Großes sollst du dann gestellt werden; denn wer im Kleinen treu ist, der wird auch im Großen treu bleiben.“ 14. Nach diesen Worten segnete Ich des Zachäus ganzes Haus und begab Mich mit Meinen Jüngern sogleich auf den Weg. Kapitel 31 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 31. — Das heidnische Dorf mit dem Merkurtempel 1. Es stand aber noch viel Volk auf der Straße, das Mich noch einmal sehen und sprechen wollte; denn es war durch die Hausleute ruchbar geworden, was Ich des Zachäus Sohne getan hatte. Ich aber ließ Mich nicht beirren und ging rasch durch die Menge unaufhaltsam. Da Mich aber mehrere Hunderte geleiten wollten, so blieb Ich eine kurze Weile stehen und bedeutete den Nacheilenden, daß sie umkehren und nach Hause ziehen sollten, was sie dann auch taten. 2. Doch als Ich also vom Volke aufgehalten ward, da drängte sich auch ein Weib, das schon mehrere Jahre am Blutgange litt, und dem niemand helfen konnte, zu Mir. Dies Weib rührte Meinen Rock an im vollen Glauben, daß ihr das Hilfe bringen werde, und sie ward denn auch im Augenblick geheilt. 3. Ich aber befragte zur Probe die Jünger und die andern Menschen, sagend: „Wer hat Mich da angerührt im Glauben? Denn Ich gewahrte, daß von Mir eine Kraft ausging.“ 4. Da sagten die Jünger und etliche andere Menschen: „Da sieh, dies zudringliche Weib hat Dich angerührt!“ 5. Da fiel das Weib vor Mir nieder und bat Mich um Vergebung; denn sie fürchtete, daß sie deshalb bestraft werde. 6. Ich aber sagte zu ihr: „Stehe auf und gehe nach Hause; denn dein Glaube hat dir geholfen! Sündige aber nicht mehr, so du gesund bleiben willst!“ 7. Da erhob sich alsbald das Weib und begab sich, die Macht Gottes lobend, nach Hause. 8. Ich aber entließ darauf eiligst das Volk und zog mit den Jüngern schnell weiter. 9. Wir kamen bald in eine wüste Gegend, durch die die Straße gebahnt war. Da zog in dieser Zeit kein Wanderer, und wir konnten so ungesehen die sonst bei zehn Stunden lange Wegstrecke auf die schon bekannte Weise in einer kaum halben Stunde Zeit zurücklegen und eine Gegend erreichen, die zum Teil von Juden und zum Teil von Griechen und eingewanderten Babyloniern bewohnt war. 10. Wir kamen an ein Dörfchen, das den Griechen gehörte. In der Mitte dieses Dörfchens befand sich auf einem Hügel ein Tempel, der dem heidnischen Gott Merkur geweiht war. Für die Duldung dieses Heidentempels im Judenlande aber mußten die Bewohner dieses Dörfchens an den Tempel zu Jerusalem jährlich einen namhaften Tribut bezahlen und bekamen darauf allzeit vom Tempel aus die Bewilligung, ihrem Gott Merkur aufs neue wieder ein volles Jahr hindurch Opfer darzubringen und ihm zu Ehren gewisse Feste halten zu dürfen. Dieser Tag – es war ein römischer Merkurtag, obschon der Juden Nachsabbat – war aber gerade ein Festtag des obbenannten Heidengottes, und die Griechen trieben ihr Wesen mit ihrem Götzen. 11. Als wir an die Stelle kamen, da hielten uns die Griechen auf und verlangten, daß auch wir aus alter Sitte, also aus einer Art Höflichkeit, unsere Knie vor dem Götzen beugen möchten. 12. Ich aber sagte: „Höret, ihr blinden Heiden solltet lieber vor dem allein wahren Gott der Juden eure Knie und Herzen beugen! Denn dieser euer toter und machtloser Götze ist ein Werk von Menschenhänden, also um vieles minder als eine kleinste und unansehnlichste Moospflanze; der eine und allein wahre Gott der Juden aber hat pur aus Sich Himmel und Erde und alles, was sie trägt, erschaffen. Darum sollen alle Menschen nur an den einen, wahren Gott glauben, Ihn allein anbeten und keine anderen, toten Götzen haben und sie mit allerlei unvernünftiger und die Menschenwürde entehrender Zeremonie ehren.“ 13. Sagte ein Grieche: „So wir nach Jerusalem kommen, da weigern wir uns nicht, unsere Knie vor eurem Gott zu beugen, obschon wir recht gut wissen, daß im großen Tempel Salomos sich kein Gott unter irgendeiner Gestalt befindet. Einen Kasten nur haben die Juden, aus dem zu gewissen Zeiten eine Naphthaflamme emporlodert, die aber so heilig gehalten wird, daß sie nur von dem Obersten und Höchsten der Judenpriester etliche Male im Jahre gesehen und angebetet werden darf. Wir wissen aber auch, daß der Kasten der Juden gleich wie dieser unser Gott von Menschenhänden gemacht worden ist; wie sagst du dann, daß der Gott der Juden der allein wahre ist und aus sich Himmel und Erde erschaffen hat, darum denn auch alle Menschen an ihn glauben, ihn allein anbeten und ehren und nicht irgendwelche anderen Götzen haben sollen? 14. Freund, mir kommt es vor, daß wir uns in bezug auf die Wahrheit, welcher Gott ein wirklicher sei, gar nichts vorzuwerfen haben! Wir ehren in unseren Göttern als Symbole der verschiedenen Kräfte der Natur eben nur die von uns mehr oder weniger erkannten Kräfte der großen Natur und nicht die von Menschenhänden gemachte Statue samt ihrem Tempel, und das ist doch sicher vernünftiger, als so ihr Juden einen alten Kasten samt dem Tempel für den allein wahren Gott haltet und anbetet! Daß wir aber euch hier aufforderten, eure Knie im Vorübergehen höflichkeitshalber vor unserem Merkur zu beugen, da wollten wir euch damit ja nicht von eurem Judentume abwendig machen und euch sonach zu einer Sünde wider euren Gott verlocken! 15. Kannst du und alle deine Gefährten uns aber einen faktischen Beweis liefern, daß trotz meiner vernünftigen Gründe wider die von euch behauptete Wahrheit nur euer Gott der allein wahre ist, so sind wir nicht hartwillig und wollen gar bald und leicht nur allein zu eurem Gott uns kehren!“ 16. Sagte Ich: „Freund, einen solchen Beweis können wir dir schon liefern, ohne von euch zu verlangen, daß ihr eure Knie vor uns beugen sollet; aber Ich muß euch zuvor eine Bedingung setzen, die ihr vorher zu erfüllen versuchen müßt, ob sie euch gelingt oder nicht. Gelingt sie euch, dann wollen auch wir unsere Knie vor eurem Merkur beugen und dann als Juden weiterziehen; gelingt euch die Erfüllung der gestellten Bedingung nicht, so werde Ich euch schon den faktischen Beweis liefern, daß der Gott der Juden der allein wahre ist, und ihr werdet euch von euren kostspieligen Götzen abwenden und selbstwillig eure Herzen und Knie vor unserm Gott beugen. 17. Die Bedingung aber besteht darin: Ihr habt schon gestern und heute euren Götzen geehrt und in dem Tempel die Opfer niedergelegt, und es muß darum der Götze guten Willens sein und alsbald erhören irgendeine an ihn gerichtete Bitte. 18. Seht, dort an den Stufen des Tempels sitzt ein blindgeborenes Mägdlein von zwölf Jahren Alters! Sie ist ein Liebling ihrer wohlhabenden Eltern, und sie gäben alles darum, so demselben die Sehkraft verliehen werden könnte. Wendet euch darum alle mit der Bitte an euren Gott, daß er der Blinden die Augen öffnen wolle! Denn derlei Blinde heilt kein Mensch auf der ganzen Erde nun; das kann nur einem allmächtigen Gott möglich sein. Heilt euer Gott die Blinde, dann wollen auch wir uns vor ihm beugen; heilt er sie aber höchstwahrscheinlich nicht, sodann werde Ich sie heilen mit der Kraft des Geistes unseres Gottes, der in Mir wohnt, und werde von dieser Stelle aus, wo Ich Mich nun befinde, nachdem das Mägdlein wird sehend geworden sein, aber auch den Tempel samt seinem Götzen im Augenblick derart vernichten, daß ihr nicht einmal die Stelle wiedererkennen sollet, auf der nun der Tempel samt dem Götzen steht. Gehet und erfüllet die euch gestellte Bedingung!“ 19. Sagte der Grieche, der auch der Vater der Blinden war: „Freund, wir wollen den Versuch machen, wie ich ihn schon einige Male gemacht habe – leider allzeit ohne den geringsten Erfolg! Aber was haben wir dann von euch zu fordern, so dich, Freund, etwa auch dein allein wahrer Gott im Stiche ließe und nicht erhörete dein Verlangen? Denn ich habe schon mit gar vielen Juden, die auch ganz ernstlichst an ihren Gott glaubten, in diesem Punkte geredet, und es hat mir ein jeder treu gestanden, daß es mit der alsogleichen Erhörung eurer Ihm dargebrachten Bitten auch seine sehr geweisten Wege habe. Ich aber will darum in das, was du zu leisten versprachst, keinen Zweifel setzen, weil deine Worte äußerst zuversichtsvoll klangen. Aber wenn dein Gott am Ende dennoch in der Wirkung unserem Gotte gliche, was dann?“ 20. Sagte Ich: „Dann wollen wir eure Sklaven sein unser Leben lang! Aber nun gehet zu eurem Gott, und traget ihm eure Bitte vor!“ Kapitel 32 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 32. — Die Heilung des blinden Mädchens Achaia 1. Auf diese Meine Worte gingen die Griechen zu ihrem Götzen und hoben ein starkes Bittgeheul an, das eine kleine halbe Stunde lang währte, natürlich ohne allen Erfolg. 2. Als sie ihr Bittgeheul beendet hatten, da kam der Grieche wieder zu Mir und sagte: „Freund, wie du siehst, so ist unsere Mühe nun, wie immer, eine völlig fruchtlose gewesen! Nun kommt die Reihe an dich, uns den versprochenen faktischen Beweis zu liefern, laut dem euer Gott der allein wahre sei. Gelingt es dir, so wollen wir dann auch gleich euch für alle Zeiten Juden werden!“ 3. Sagte Ich: „So gehe denn hin, und bringe Mir deine blinde Tochter, und überzeuge dich, daß sie noch völlig blind ist! Darauf erst werde Ich ihr die Augen öffnen.“ 4. Da ging der Grieche sehr erfreut, weil er nun schon glaubte, daß seine Tochter sehend werde, hin zur Blinden und brachte sie zu Mir, sagend: „Hier, lieber Freund, ist die noch vollkommen Blinde; wolle ihr denn mit der Hilfe und lebendigen Macht deines Gottes die Augen öffnen!“ 5. Sagte Ich zum Mägdlein: „Achaia, möchtest du sehen, so wie die andern Menschen sehen das Licht und zahllos viele andere herrliche Dinge auf der Erde?“ 6. Sagte das Mägdlein: „O Herr, wenn ich sehen würde durch deine Macht, dann wäre ich wohl überglücklich und würde dich lieben mehr denn alles in der Welt! O so tue mir die Augen auf!“ 7. Und Ich behauchte ihre Augen und sagte: „Achaia! Ich will, daß du sehest in diesem Moment, und daß du in der Folge nimmerdar blind werdest!“ 8. Als Ich diese Worte über das Mägdlein ausgesprochen hatte, da ward das Mägdlein denn auch schon vollkommen sehend und wußte vor Freude nicht, was sie nun gleich zuerst tun sollte, und also ging es auch ihren Eltern. 9. Nach einer kurzen Weile erst fiel das Mägdlein samt ihren Eltern und Geschwistern vor Mir nieder und sagte: „O Herr! Du bist mehr denn alle Menschen auf der ganzen Erde! Du bist Selbst der eine und allein wahre Gott nicht nur der Juden, sondern aller Menschen auf dem ganzen Erdkreis! Dir allein will ich jedes Opfer darbringen und Dich allein lieben, loben und preisen mein Leben lang!“ 10. Sagte Ich: „Achaia, wie kommt dir denn das in den Sinn, daß du Mich nun als einen Gott anpreisest? Siehst du denn nicht, wie Ich gleich den andern, die um dich sind, ein Mensch bin?“ 11. Sagte das Mägdlein: „Das wohl, das wohl, – aber nur dem Anscheine nach in der Außenform; doch Dein Inneres ist voll der Kraft Gottes, und diese ist ja der eigentliche und allein wahre Gott! Zudem hast Du zu mir nicht gesagt: ,Der Gott der Juden mache dich sehend!‘, sondern Du sagtest: ,Achaia, Ich will, daß du sehest!‘, und ich ward sehend! Du hast mir sonach aus Deiner Macht geholfen, die rein göttlich sein muß, da ich sonst wohl blind geblieben wäre für immerdar. Dir darum alle meine Liebe und tiefste Verehrung!“ 12. Nach dieser Beteuerung kamen auch alle die andern und lobten und priesen Mich, und aller Augen waren auf Mich gerichtet. 13. Während aber alle Mich betrachteten und lobten und priesen, schaffte Ich denn auch den Tempel samt seinem Götzen hinweg durch die Macht Meines Willens und sagte darauf zu den Griechen: „Weil ihr nun den rechten und allein wahren Gott gefunden habt, so habe Ich denn auch aus Meiner Machtvollkommenheit euren Götzen samt seinem Tempel schon vernichtet. Gehet hin, und suchet die Stelle, wo der Tempel gestanden ist!“ 14. Da sahen sich alle nach dem Tempel um und konnten nicht mehr bestimmen, wo ehedem derselbe gestanden war; denn Ich hatte nicht nur den Tempel mit dem Götzen, sondern auch den Hügel vernichtet. 15. Als die Griechen das sahen, da fingen sie an, Mich noch lauter zu loben und zu preisen und fragten Mich, was sie nun tun sollten, um der ihnen nun erwiesenen Gnade würdiger zu erscheinen. 16. Ich belehrte sie mit wenigen Worten, und sie nahmen alle Meine Lehre an und bildeten bald eine gute Gemeinde in Meinem Namen. Kapitel 33 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 Der Herr in Nahim in Judäa 33. — Die Erweckung des toten Jünglings zu Nahim 1. Als Ich die Lehre an sie beendet hatte, machten wir uns gleich auf die Weiterreise, da die Sonne schon dem Abend sich zu nahen begann. In einer Stunde erreichten wir Nahim. Es versteht sich aber leicht von selbst, daß uns die über alles erstaunten und zu Meiner Lehre völlig bekehrten Griechen bis nach Nahim begleiteten und wir somit eine recht zahlreiche Karawane bildeten. 2. Nota bene: Hier kommt eine Begebenheit vor, die eine große Ähnlichkeit mit jener hat, die sich im ersten Lehrjahre zu Nain in Galiläa zugetragen hatte, die folgende aber trug sich in Nahim in Judäa zu, – daher die beiden sich ähnlich sehenden Begebenheiten nicht miteinander zu verwechseln sind. – 3. Als wir sonach in großer Anzahl vor das Tor des Städtchens kamen, da trugen die Leichnamsträger in Begleitung der Trauernden einen verstorbenen Jüngling als den einzigen Sohn einer Witwe zum Grabe; die Witwe aber weinte gar sehr um ihren einzigen Sohn. Als der Leichenzug in unsere Nähe kam, da hielt er an, bis wir vorüberzögen. 4. Ich aber trat zur Witwe, tröstete sie und befragte sie auch, wie lange ihr Sohn schon tot sei. 5. Die Witwe aber antwortete: „Herr! Ich kenne dich nicht, wer du bist; aber deine Trostworte haben sehr gelindert meinen Schmerz! Wer hat es dir aber nun hinterbracht, daß der Verstorbene mein Sohn sei?“ 6. Sagte Ich: „Das weiß Ich von Mir Selbst und habe nicht nötig, daß Mir das jemand verkünde.“ 7. Sagte die Witwe: „Weißt du, daß der Verstorbene mein Sohn ist, so wirst du auch wissen, wie lange er tot ist!“ 8. Sagte Ich: „Weib, du hast richtig geurteilt; denn Ich weiß es auch, daß dieser dein Sohn vor drei Tagen an einem hitzigen Fieber verstorben ist. Aber so du Vertrauen hättest, da könnte Ich dir deinen Sohn wieder beleben und ihn dir wiedergeben!“ 9. Sagte die Witwe: „O Herr! Deine Rede erquickt wohl gar sehr mein Herz, doch einen Toten kann und wird nur Gott nach Seiner Verheißung am Jüngsten Tage wiederbeleben! Oder bist du ein großer Prophet, erfüllt mit dem Geiste Gottes, daß du mit dessen Allgewalt auch einen Toten lebendig machen kannst?“ 10. Sagte Ich: „Das wirst du schon noch erfahren in dieser Nacht, da Ich in deiner Herberge verbleiben werde; nun aber öffnet den Sarg, und Ich will den Jüngling beleben und ihn der traurigen Mutter wiedergeben!“ 11. Auf das öffneten die Träger den Sarg, und Ich trat hinzu, nahm den Jüngling bei der Hand und sagte: „Jüngling! Ich will es, stehe auf, und wandle mit deiner Mutter nach Hause!“ 12. Auf diese Meine Worte erhob sich der Jüngling im Sarge, und als man die Tücher, mit denen die Juden ihre Toten umwanden, ablöste, da stieg er auch sogleich aus dem Sarge ganz kräftig und gesund, und Ich gab ihn der über alle Maßen erstaunten Mutter. 13. Dieses Zeichen aber bewirkte bei allen Anwesenden – selbst Meine alten Jünger nicht ausgenommen –, ein ordentliches Entsetzen, so daß einige die Flucht ergriffen und andere vor lauter Staunen ganz stumm dastanden und sich nicht ein Wort zu reden getrauten. 14. Ich aber behieß die Träger, den leeren Sarg hinwegzutragen, auf daß nun Mutter und Sohn ganz heiteren Gemütes Mir danken konnten für die ihnen erwiesene Gnade. Und die Träger taten voll der höchsten Ehrfurcht, was Ich ihnen befohlen hatte. 15. Als der Sarg hinweggeschafft war und dadurch auch die Erinnerung an den Tod, da erst fingen zuerst die uns bis hierher geleitet habenden Griechen von neuem an, Mich hoch zu loben und zu preisen, und sagten laut: „Das kann kein Mensch bewirken, sondern nur ein Gott!“ 16. Die Juden aber sagten: „Ja, ja, nur Gott sind solche Dinge möglich! Doch Gott ist ein purer Geist, und es kann Ihn niemand sehen und daneben behalten das Leben; diesen Menschen aber sehen wir, und der Tod bleibt ferne, und so ist dieser Mensch wohl sicher ein neu auferweckter großer Prophet voll Geistes aus Gott; aber darum ist er selbst dennoch kein Gott!“ 17. Sagten die Griechen: „Ihr wisset, was ihr wisset; aber wir wissen auch, was wir wissen! So ihr wohl saget, daß solches nur Gott allein möglich sei und ein solcher Mensch solche Taten nur darum bewirken kann, weil er mit dem Geiste Gottes erfüllt ist, so gestehet ihr es ja selbst, daß der Geist Gottes in Ihm unmöglich etwas anderes ist als eben Gott Selbst! Wenn wir nun Ihn als einen wahren Gott loben und preisen, so sind wir sicher näher an der Quelle der großen Wahrheit, aus der alles Licht und Leben kommt, denn ihr Juden, die ihr Den nicht für einen wahrsten Gott haltet, der da sagt: ,Ich will es!‘ und nicht: ,Der Geist Gottes in Mir will es!‘, und es geschieht dann alsogleich, was Er mit dem Munde ausspricht und will! 18. Wir sind Heiden gewesen noch vor ein paar Stunden Zeit, und dieser Gottmensch kam zu uns und hat meine blindgeborene Tochter Achaia mit einem Wort sehend gemacht und ebenso auch unsern Götzentempel in einem Augenblick derart vernichtet, daß von ihm aber auch nicht eine leiseste Spur übrigblieb und man gar die Stelle nicht mehr erkennt, wo er gestanden ist, und Er tat solches alles bloß aus Sich, also aus Seiner höchsteigenen göttlichen Machtvollkommenheit. Wenn Er aber also wirkt und handelt, so muß Er auch Selbst ein wahrster Gott sein und braucht keinen noch höheren und wahreren Gott zu bitten, daß Er Ihm helfe, eine Wundertat zu bewerkstelligen; denn Er Selbst ist schon der höchste und wahrste Gott! 19. So denken und urteilen nun wir Heiden, und Er wird uns auch aus Sich geben das wahre, ewige Leben, wie Er nun auch diesem Jüngling das irdische Leben aus Sich wiedergegeben hat, so wir leben und handeln werden nach Seiner Lehre und treu Seinen Willen erfüllen; denn Er Selbst ist der Urquell alles Seins und Lebens!“ Kapitel 34 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 34. — Der Streit um die Persönlichkeit des Herrn 1. Nach dieser ganz gediegen wahren Rede des Griechen sagte ein Jude dieses Ortes, der ein Rabbi war und einer Synagoge vorstand: „Du, als ein Heide in unserer Schrift sicher wenig bewandert, urteilst wohl recht gut, und man kann dir in vielen Stücken nicht unrecht geben; aber wenn du in unserer Schrift mir gleich bewandert wärest, so würdest du sicher auch ein wenig anders urteilen! Siehe, sooft Gott Sich eines frommen Menschen eben der Menschen wegen bedient hat, da konnte ein solcher Mensch nicht anders handeln und reden, als wie er von dem Geiste Gottes getrieben ward! Einer unserer ersten der vier Großpropheten redete zum Volke nahe stets also, als wäre er Gott Selbst gewesen, was ihm die Juden auch oft zum Vorwurfe machten; aber er konnte eben nicht anders reden und handeln, als wie er vom Geiste Gottes angetrieben worden war. 2. Ein Beispiel seiner Rede wird dir die Sache heller machen. So sagt der besagte Prophet, der Jesajas hieß, unter anderem gleich im Anfange seines 42. Kapitels, wo er wahrscheinlich auf diesen vom Geiste Gottes erfüllten Mann eine Vorandeutung machte: ,Siehe, das ist Mein Knecht, – Ich erhalte Ihn; und Er ist Mein Auserwählter, und Meine Seele hat an Ihm Wohlgefallen. Ich habe Ihm Meinen Geist gegeben, – Er wird das Recht unter die Heiden bringen. Er wird nicht schreien und rufen; auf den Gassen wird man nicht hören Seine Stimme. Das zerstoßene Rohr wird Er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen. Er wird das Recht wahrhaftig halten lehren. Er wird nicht mürrisch und greulich sein, auf daß Er das Recht auf Erden aufrichte. 3. Also spreche Ich, Gott der Herr, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volke, das darauf ist, den Odem gibt und den Geist denen, die darauf halten. Ich, der Herr, habe Dich gerufen mit Gerechtigkeit, Ich habe Dich bei der Hand gefaßt und habe Dich behütet und habe Dich zum Bund unter das Volk gegeben und zum Licht der Heiden. Du sollst öffnen den Blinden die Augen und die Gefangenen aus den Gefängnissen führen und die da sitzen in der Finsternis und in den Kerkern. Ich, der Herr, das ist Mein Name, will Meine Ehre keinem andern geben, noch Meinen Ruhm irgendeinem Menschengötzen. Siehe, was da kommen soll, verkündige Ich nun zuvor und verkünde Neues; ehe denn es aufgeht, lasse Ich es euch hören.‘ 4. Siehe nun, du mein sonst recht weiser Grieche, also sprach einst Gott durch den Mund eines Menschen, daß man meinen möchte, der Mensch Jesajas sei im Ernste der Herr Selbst! Dem aber war dennoch nicht also. Und wie es damals war, also ist es auch heutzutage. Dieser wundertätige Mann ist demnach nichts anderes als jener durch den Propheten angezeigte Knecht Gottes, Sein Auserwählter zum Heile auch der Heiden, wie er es euch ehedem auch tatsächlich bewiesen hat. 5. Gott wird ihn darum auch mit dem höchsten Ruhme krönen und ihn machen zum Könige aller Völker der Erde, indem Er ihm eine so große Macht gegeben hat, wie sie zuvor noch nie einem Menschen eigen war. Doch deshalb ist und bleibt er dennoch nur ein Mensch und ist aus sich heraus kein Gott und noch weniger irgendein Menschengötze, wie ihr Heiden deren eine Menge aufzuweisen habt. Er ist ein Knecht Gottes, begabt mit aller erdenklichen Macht, ein besonders Auserwählter, und darum sichtlich ein erster Liebling Gottes. 6. Siehe, so urteilen wir in der Schrift wohlbewanderten Juden; ihr aber, die ihr gewohnt seid, aus jeder außerordentlichen Erscheinung einen Gott zu machen, haltet solch einen vom Geiste Gottes erfüllten Menschen um so eher gleich für den wahren Gott, weil er vor euren Augen Zeichen gewirkt hat, die ganz sicher nur Gott allein möglich sind. Aber er wirkt derlei unerhörte Wunderdinge doch nicht aus seiner eigenen Menschenkraft, sondern nur durch die ihm auf eine Zeitlang verliehene Willensmacht Gottes. So stehen diese Sachen, und ich bin überzeugt, daß er sich selbst kein anderes Zeugnis geben wird.“ 7. Sagte darauf der Grieche: „Du hast auch nun wohl geredet und dürftest in manchem auch wohl so für den Weltverstand der Menschen recht haben. Aber es hat der von dir angezogene Prophet in seinen vielen Kapiteln auch noch anders gesprochen, was mir, trotzdem ich ein Heide bin, nicht unbekannt ist, und das dürfte sich wohl mehr zu meines Urteils Gunsten gestalten denn zu des deinen!“ 8. Sagte der Rabbi: „So lasse hören, was du weißt!“ 9. Sagte der Grieche: „Gut, wie ist denn hernach die Stelle zu verstehen, wo der Prophet also spricht: ,Uns ist ein Knabe geboren, ein Sohn ist uns gegeben, dessen Herrschaft Er trägt auf der eigenen Schulter! Sein Name ist: Wunderbar, Rat, Kraft, Held, Gott, Ewigkeit, Vater, Friedensfürst.‘ – Wie erklärst du mir dies Zeugnis des Propheten?“ 10. Darauf wußte der Rabbi nichts zu antworten, sagte bloß so hingeworfen: „Nun ja, das steht wohl auch im Jesajas; doch es ist dieser Prophet in gar vielen seiner Weissagungen sehr dunkel und unverständlich, und man kann da nicht sicher feststellen, was er darunter gemeint hat.“ 11. Sagte der Grieche: „Sonderbar, daß du als schriftkundiger Jude hier also urteilen magst, und das geborene Kind und der gegebene Sohn, dessen großen Namen der Prophet offen ausgesprochen hat, stehet doch unverkennbar in der Person, in Wort und Tat vor uns! Er ist als nun ein uns sichtbarer Mensch auch ein Knecht, an dem Gott Sein höchstes Wohlgefallen hat aus dem Grunde, weil Er sicher in aller Fülle in Ihm wohnt. Sein Leib ist nur der Knecht; aber Seine Seele ist Gott von Ewigkeit. Dieser Leib ist doch sicher ein allerhöchst Auserwählter Gottes, an dem Er Sein innigstes Wohlgefallen hat! Ich als ein Heide werde hier nach meinem natürlichen Sinne schier der Wahrheit näherstehen, als du mit aller deiner dir nach deinem eigenen Zeugnisse unklaren und unverständlichen Schriftkundigkeit!“ 12. Hierauf sagte der Rabbi gar nichts mehr, ward ärgerlich und ging davon. 13. Ich aber sagte zu Meinen Jüngern, die sich über den blinden Rabbi im geheimen auch ärgerten: „Da habt ihr abermals ein Beispiel, wie das Licht den Juden genommen und den Heiden gegeben wird. Diese Griechen waren vor ein paar kleinen Stunden noch feste Götzendiener, und nun stehen sie im wahren Lichte schon um gar vieles höher denn die sich auf ihre Schriftkundigkeit so viel einbildenden Juden! Seid denn froh, daß es nun einmal also gekommen ist! Wahrlich, Davids Thron wird nicht mehr unter den Juden, sondern unter den Heiden aufgerichtet werden!“ 14. Hier erst fiel Mir die Witwe mit ihrem Sohne recht zu Füßen und sagte: „O Herr, Herr! Jetzt erst gehen mir die Augen auf! Du bist der uns verheißene Messias! Oh, vergib es unserer Blindheit, daß wir Dich nicht alsogleich erkennen mochten!“ 15. Ich aber sagte zu ihr: „Hebe dich vom Boden, gehe mit deinem Sohne nach Hause und bereite uns ein Abendmahl; denn heute bleiben wir in deiner Herberge! Ich habe dir das zwar schon ehedem gesagt, aber nun tue alsbald, was Ich dir geboten habe!“ 16. Hierauf erhob sich das Weib alsogleich vom Boden und eilte gar selig mit ihrem Sohne nach Hause und machte sich sogleich an die Bereitung eines guten Abendmahles, dessen wir schon bedürftig waren. Kapitel 35 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 35. — Über die Zulassung von Not und Krankheit 1. Da aber die Sonne bereits schon untergegangen war, so sagte Ich zu den Griechen: „Ich stelle es euch nun ganz frei: Ihr könnet, so ihr Unterkunft findet, diese Nacht hier in Nahim verbleiben oder aber auch euch nach Hause begeben. Es wird für euch das eine wie das andere von keinem Nachteile sein.“ 2. Sagte der Grieche, der Vater der Blinden und der Vorsteher des griechischen Dörfchens: „Oh, Du Herr, Herr, Herr von Ewigkeit, wegen der Unterkunft hat es hier seine ganz guten Wege! Wir sind unser wohl bei hundert Personen stark, die aber alle bei der glücklichen Witwe eine ganz geräumige Unterkunft finden können und mit Deiner allmächtigen Hilfe auch werden. So wir heute Nacht um Dich verweilen dürfen, so bleiben wir, und sollte uns in dieser Nacht zu Hause auch aller unser Weltquark zugrunde gehen; denn ein Wort aus Deinem Gottesmunde zu vernehmen, ist endlos mehr wert denn alle Schätze der Erde und mehr als die Sonne, der Mond und alle Sterne! Wir bleiben darum hier. So viel, als die Herberge kosten wird, haben wir schon Gelder bei uns; und sollte es alle unsere Güter kosten, so blieben wir dennoch bei Dir, o Du Herr, Herr, Herr! Denn haben wir auch alle unsere Erdengüter um Deinetwillen verloren, aber dabei Deine Gnade lebendig gefunden, so haben wir dadurch ja einen endlos großen Gewinn gemacht! Darum bleiben wir, zu jedem uns möglichen Opfer bereit, hier in Deiner Nähe!“ 3. Sagte Ich: „So bleibet, – für alles andere wird schon von Mir aus gesorgt sein! Denn wahrlich sage Ich es euch: Wer in der Folge nicht eures Sinnes und Glaubens sein wird, dessen Seele wird schwerlich das Reich Gottes einernten! Wenn ihr gleichfort so im Herzen bei Mir verbleiben werdet, da werde auch Ich bleiben, im Geiste kräftig wirkend, bei und unter euch; und bei denen Ich bleiben werde, die werden keinen Mangel und keine Not je zu erleiden haben, weder für ihre irdischen Bedürfnisse und noch weniger für die Bedürfnisse der Seele. 4. Mangel, Not und allerlei Elend lasse Ich nur dann unter die Menschen kommen, wenn sie von Mir ganz abgefallen und zum Teil finstere und dumme Götzendiener und zum Teil pur selbstsüchtige und gottlose Weltlinge geworden sind. Denn Not und Mangel nötigen die Menschen zum Denken über die Ursachen ihres Elends, machen sie erfinderisch und scharfsichtig, und es werden auf diese Art bald ganz kluge und weise Männer aus einem Volke aufstehen, die ihren Mitmenschen die Augen öffnen und ihnen die Quellen des allgemeinen Elends zeigen, und viele treten dann bald aus den Schranken ihrer Trägheit und rüsten sich zum Kampfe gegen jene mächtig gewordenen Müßiggänger, die über die durch sie mit Blindheit geschlagenen Völker tyrannisch herrschen und die eigentlichen Gründer des allgemeinen Elends auf dieser Erde sind. Diese werden unter oft schweren Kämpfen entweder gänzlich besiegt und vertrieben oder zum wenigsten dahin genötigt, den Völkern solche Gesetze zu geben, unter denen sie bestehen können. Und so kehrt dann allzeit nach dem Maße Glück und Wohlstand unter den Menschen ein, in welchem Maße die Menschen wieder zu dem einen allein wahren Gott zurückzukehren angefangen haben. 5. Würden die Menschen sich nie von Gott abwenden, so würden sie auch nie in eine Not und in ein Elend verfallen. 6. Wenn ihr sonach auch in euren Nachkommen stets in und bei Mir im Glauben und in der Tat nach Meiner Lehre verbleiben werdet, so werdet ihr auch nie ein Elend zu bestehen haben. Auch des Leibes Krankheiten werden eure Seelen nicht ängstlich und kleinmütig machen; denn des Leibes Krankheiten sind allzeit nur die bitteren Folgen der Nichtbefolgung der von Mir den Menschen allzeit klar ausgesprochen gegebenen Gebote. 7. Wer diese schon von seiner Jugend an treu zu halten anfängt, der wird bis in sein hohes Alter keines Arztes bedürfen, und seine Nachkommen werden nicht an den Sünden ihrer Eltern zu leiden haben, wie das bei den alten, Gott getreuen Völkern oft durch Jahrhunderte der Fall war. Aber wenn die Menschen auszuarten angefangen haben, dann sind auch bald schwere Körperleiden über sie gekommen und haben sie die Folgen der Gering- oder Garnichtachtung der Gebote Gottes kennen gelehrt. 8. Denn so da ist ein Mensch nur, der eine kunstvolle Maschine zu irgendeinem Gebrauch anzufertigen versteht, so versteht er sicher auch, wie sie zum zweckdienlichen Gebrauch zu verwenden ist, und wie man die Maschine zu handhaben hat, daß sie nicht verdorben und sodann zum ferneren Gebrauch völlig untauglich wird. Und wenn der sachkundige Verfertiger der Maschine dem, der sie ihm zum Gebrauch abgekauft hatte, sagt und zeigt, was er zu beachten hat, um von der Maschine einen dauerhaft nützlichen Gebrauch machen zu können, so muß der Käufer das ja auch genau beachten, was ihm der Maschinenmeister gesagt hat. So aber der Käufer mit der Weile das entweder aus Eigen- oder Leichtsinn nicht mehr beachtet, wie die Maschine zu behandeln und zu gebrauchen ist, so muß er es sich selbst zuschreiben, daß die Maschine verdorben ist und somit für den guten Gebrauch entweder ganz oder doch zum Teil unbrauchbar geworden ist. 9. Gott aber ist der große Maschinenmeister des menschlichen Leibes, den Er zum nützlichen Gebrauch für die Menschen als eine gar kunstvollste Maschine wohl eingerichtet hat. Gebraucht die Seele diese belebte Maschine nach dem ihr klar erteilten Rat, der in den Geboten Gottes besteht, so wird der Leib auch in seiner stets wohl brauchbaren Gesundheit verbleiben; mißachtet aber mit der Zeit die träg und sinnlich gewordene Seele diese Gebote des ewig großen Maschinenmeisters, so muß sie es sich denn auch selbst zuschreiben, so ihr Leib in allerlei Elend verfallen ist. Ich meine, daß ihr alle Mich wohl verstanden habt, und so wollen wir uns nun in die Herberge begeben.“ 10. Die Griechen konnten Mir nicht genug danken für diese Belehrung, und auch Meine Jünger sagten: „Das war einmal wieder ein klares Wort!“ 11. Darauf machten wir uns auf den Weg und begaben uns in die schon bekanntgegebene Herberge, allwo schon ein reichliches und wohlbereitetes Mahl unser harrte. Kapitel 36 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 36. — Der Grund des Besuches des Herrn bei der Witwe 1. Da aber die Witwe auch die Griechen ankommen sah, da ward ihr bange, weil sie zu wenig vorbereitet habe. 2. Ich aber beruhigte sie und sagte, daß das Bereitete für alle genügen werde. 3. Sie glaubte, und wir setzten uns an die Tische und hatten mehr als hinreichend zu essen und zu trinken. 4. Es fing aber alles sich überhoch zu verwundern an – und ganz besonders die Witwe, die am besten wußte, für wie viele Gäste sie die Speisen bereitet hatte –, wie nun mehr als dreimal so viele Gäste schon bei einer Stunde lang aßen und tranken, und man merke den Speiseschüsseln noch nicht an, daß in ihnen der Speise weniger geworden wäre. Auch die Weinkrüge schienen sich von neuem selbst zu füllen. 5. Als die Sache noch eine Weile so andauerte, da kam die Witwe mit ihrem Sohne zu Mir und sagte: „O Herr, nun erst weiß ich ganz, wer in Deiner höchst heiligen und anbetungswürdigen Person mein unwürdigstes Haus betrat! Die Griechen hatten recht, dem alten Rabbi auf seine eingebildete Judenweisheit zu zeigen, daß sie die bei weitem Weiseren sind. Er hat sich auch weislich davongemacht und ist nun am Abend, wie sonst doch gewöhnlich, nicht zu mir gekommen. Aber nun, o Herr, Herr, möchte ich denn doch auch aus Deinem heiligsten Munde erfahren, was mich denn vor Dir so würdig gemacht hat, daß Du mir armen Sünderin solche Gnaden erweisen mochtest!“ 6. Sagte Ich: „Ich kenne wohl dein Leben schon von der Wiege an, aber Ich kenne auch dein Herz, dem viele Arme ihr Leben zu danken haben; und darum bin Ich zu dir gekommen in deiner größten Not. Denn du selbst bist schon ziemlich alt und schwächlich geworden, und dieser dein einziger Sohn sollte deine Hauptstütze werden, wie du dir das auch mit Recht erhofftest; aber er ward krank und starb. Da Ich da wohl ersah deinen Schmerz und deine Not, aber daneben auch die sicher bald eintretende Not der vielen Armen, die infolge deiner eigenen Schwäche und Hilflosigkeit ihre bisherige Versorgung in deinem Hause mehr und mehr verloren hätten, so kam Ich, um nicht nur allein dir, sondern auch den vielen andern Armen und durch allerlei Not Bedrängten wunderbar zu helfen. 7. Siehe, das ist der eigentliche Grund, der Mich bestimmte, zu dir zu kommen! Denn wahrlich, wahrlich sage Ich euch allen: Wer da nach seinem Vermögen den armen und bedrängten Nebenmenschen allzeit Barmherzigkeit und Liebe erweist in aller Freundlichkeit, der wird auch bei Mir Erbarmung, Liebe und Freundlichkeit finden; denn darin besteht das wahre Reich Gottes, das in Mir nun zu euch gekommen ist, daß ihr Gott liebet über alles und eure Nächsten wie euch selbst. Wer das tut, der erfüllt das ganze Gesetz und steht in der vollen Gnade Gottes, und Jehovas segnende Hand ist über ihm. Wer in solcher Liebe verharrt, der ist und bleibt in Mir und Ich in ihm. Wer aber in Mir ist, wie auch Ich in ihm, der hat in sich das ewige Leben und wird den Tod nicht sehen und schmecken; denn er ist also schon in dieser Welt ein rechter Bürger des Reiches Gottes, in dem es ewig keinen Tod mehr gibt. Beherziget das alle wohl, und handelt danach; denn darum kam Ich Selbst in diese Welt, um den Menschen also das wahre Gottesreich zu überbringen und sie zu erlösen von aller Blindheit und vom Tode ihrer Seelen, der euch bisher hart gefangenhielt. So nun jemand von euch noch etwas wissen will, der mag fragen, und Ich werde ihm antworten.“ 8. Als Ich solches ausgeredet hatte, da wandte sich der neu belebte Sohn der Witwe an Mich und sagte: „O Herr des Lebens, sieh, ich war völlig tot und lebe nun durch Deine Gnade wieder. Werde ich von nun an bei der genauesten Beachtung Deines uns nun bekanntgegebenen heiligen Willens gleich ewig fortleben und nimmerdar sterben? Denn das Sterben ist ganz entsetzlich bitter, und ich möchte es nicht wieder noch einmal verkosten! Ist man einmal tot, dann verspürt man freilich keinen Schmerz mehr, und alle Angst und Furcht ist dahin, weil man um sich nichts mehr weiß, nichts fühlt, sieht und hört; aber bis man völlig tot ist, das geht höchst ängstlich und schmerzhaft zu! Daher möchte ich Dich, o Herr des Lebens, wohl bitten, mich und auch alle andern guten Menschen nicht mehr sterben zu lassen!“ 9. Sagte Ich: „Mein lieber Sohn! Ich habe es ja ehedem schon euch allen treuest und wahrst verkündet, daß die, welche an Mich glauben, Mich über alles lieben und ihre Nächsten wie sich selbst, den Tod nicht sehen, fühlen und schmecken werden; denn wer nach Meinem Worte das ewige Leben in sich hat, wie kann der sterben? 10. Du sagtest aber auch, daß der Tod dann wohl auch gewisserart gut sei, so man einmal völlig tot ist, weil man da nichts mehr höre, sehe und fühle und somit um sich nichts mehr wisse; aber das, Mein lieber Sohn, ist wohl nicht also, wie du nun nach deinem Gefühle urteilst! Dir kommt es nun freilich so vor, als wärest du in deinem leibestoten Zustande völlig tot und bewußtlos gewesen; aber dem war nicht so. 11. Denn daß du nun keine Rückerinnerung an das hast, was deiner Seele in ihrer Abwesenheit vom Leibe alles begegnet ist, das habe Ich ganz weise angeordnet; denn wäre deiner Seele die Rückerinnerung geblieben an das, wie sie im Paradiese sich höchst wohl und selig unter vielen Engeln befand, und wie sie dann traurig geworden ist, als ihr diese verkündeten, daß sie nach dem Willen Jehovas noch einmal in ihren Leib werde zurückkehren müssen, so würdest du dich als nun wieder mit deinem Leibe vereint, nicht so heiter wie jetzt befinden. Ich könnte dir die vollste Rückerinnerung gleich wieder verschaffen, so Ich das wollte; doch Ich würde dir dadurch nichts Gutes erweisen, weil du dadurch für diese Welt, in der du noch vieles zu wirken bekommen wirst, auf viele Jahre hin völlig untüchtig werden würdest. 12. Es wird in deinem hohen Alter schon wieder einmal eine Stunde kommen, in der Ich deine Seele aus dem Leibe zu Mir rufen werde; dann werde Ich dir auch die Rückerinnerung an den dreitägigen Zustand im Paradiese Meiner Engel zum voraus geben, und du selbst wirst Mich dann kniend bitten, dich als Seele aus ihrem morsch gewordenen Leibe zu erlösen. 13. Dein Leib wird dann freilich noch einmal und für immer tot werden, und es wird in ihm kein Lebensbewußtsein zurückbleiben; aber du wirst dann fortleben im vollkommensten Bewußtsein deiner selbst und wirst mit Meinen Engeln, von einer Weisheits- und Liebesstufe stets seliger werdend, emporsteigen und den Vater, der in Mir wohnt, stets tiefer und tiefer erkennen und bewundern Seine end- und zahllos vielen und großen Schöpfungen. 14. Siehe, du Mein lieber Sohn, also ist es, und also wird es sein, und du kannst das Mir wohl glauben; denn Ich, der dich nun wieder in dieses Erdenleben zurückgerufen hat, und Ich als die ewige Liebe, Weisheit, Macht, Kraft, Licht, Wahrheit und Leben Selbst habe es dir nun geoffenbart!“ Kapitel 37 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 37. — Die Bedingung zur persönlichen Offenbarung Gottes 1. (Der Herr:) „Jetzt mußt du freilich das alles nur glauben; so aber dein Glaube durch Werke lebendig wird, so wirst du durch den lebendigen Glauben schon auch ins Schauen, Selbstfühlen und tiefstes dich überzeugendes Erkennen übergehen, und das ist für die Seele des Menschen um gar vieles besser, als so sie erst etwas als für überzeugend wahr annimmt, was sie durch ihr eigenes Suchen und Forschen mühevoll auf dem Erfahrungswege sich als eine Wahrheit zu eigen gemacht hat. 2. Es ist wohl solch eine suchende und emsig forschende Seele sicher auch ihres Lohnes wert, da doch jeder Arbeiter seines Lohnes wert ist, aber besser ist eine Seele, die, so sie die Wahrheit – sage – aus dem Munde Gottes vernimmt, da glaubt und danach tätig ist; denn dadurch eint sie durch die Liebe Meinen Geist mit sich, der ihr in einer Stunde Zeit mehr der lichtvollsten Weisheit geben kann und auch gibt, als sie sich auf dem Wege des höchsteigenen Forschens in hundert Jahren erwerben kann. Aber darum sollte auch eine frommgläubige Seele das gerechte Suchen und Forschen nicht auf die Seite setzen! Denn es sollte ein jeder Mensch alles prüfen, was er von Menschen vernimmt, und das Gute, das auch allzeit wahr ist, behalten; doch was leicht erkennbar von Mir Selbst den Menschen geoffenbart wird, das braucht der Mensch nicht viel zu prüfen, sondern nur zu glauben und danach zu handeln, und die lebendige Wirkung wird sich ihm bald sehr bemerkbar zu machen anfangen. 3. Wer an Mich glaubt, Meinen Willen tut und Mich liebt über alles und seinen Nächsten wie sich selbst, zu dem werde Ich Selbst kommen und Mich Ihm treulich offenbaren. In der Folge aber wird es also sein, daß am Ende ein jeder, den es wahrhaft nach Mir als der ewigen Wahrheit dürstet, von Mir belehrt werden wird; denn Ich, als die Wahrheit im Vater, bin gleich wie ein Sohn, der Vater aber ist die ewige Liebe in Mir. Wen sonach die Liebe oder der Vater zieht, der kommt auch zum Sohne oder zur Wahrheit. 4. Darum ist es besser, sich Mir durch die Liebe zu nahen als durch das Erforschen der puren Wahrheit. Denn mit der Liebe kommt auch der Geist der Wahrheit unfehlbar gleich also, wie mit dem Feuer, so es sich zur lebendigen Flamme gesteigert hat, das Licht; aber so jemand ein irgend fernes Licht wohl ersieht und demselben nacheilt, da wird er sicher länger zu tun haben, bis er an die Stelle des Lichtes gelangen mag, um daselbst auch von des Lichtes lebendiger Flamme zum Leben erwärmt zu werden. 5. Wer Gott wahrhaft sucht, der muß Ihn im eigenen Herzen, also im Geiste der Liebe, in der alles Leben und alle Wahrheit verborgen ist, suchen, und er wird Gott und Sein Reich auch so leicht und bald finden, – auf jedem andern Wege aber schwer und in dieser Welt oft wohl gar nicht. 6. Es heißt auch in der Schrift, daß der Mensch Gott anbeten solle. Wie aber soll er Gott anbeten, so er erstens Gott noch niemals anders als höchstens vom Hörensagen erkannt hat und dabei kaum glaubt, daß es einen solchen Gott gibt, und zweitens, er auch nicht von ferne hin weiß, was Gott anbeten heißt! An dem gewissen Lippengebet, bei dem das Herz ferne ist, kann aber Gott ja doch wohl, als Selbst die ewige und reinste Liebe, kein Wohlgefallen haben. 7. Gott anbeten heißt: Ihn stets über alles lieben und den Nächsten wie sich selbst. Und Gott wahrhaft lieben heißt: Seine Gebote treust halten unter oft noch so mißlich scheinenden Lebensverhältnissen, die Gott, so es nach Seiner Liebe und Weisheit irgend nötig ist, über einen und den andern Menschen kommen läßt zur Stärkung und Lebensübung der von der Materie zu sehr angezogenen Seele; denn Gott allein kennt jede Seele, ihre Natur und Eigenschaft, und weiß es auch am klarsten und besten, wie ihr auf den wahren Lebensweg zu helfen ist. 8. Gott ist in Sich also der höchste und reinste Geist, weil die reinste Liebe, und muß daher von jenen, die Ihn wahrhaft anbeten wollen, im Geiste und in der Wahrheit angebetet werden, und das ohne Unterlaß das ganze Leben hindurch, wie das auch tun alle Engel im Himmel ewig! 9. Wäre das Lippengebet eine rechte und Gott wohlgefällige Anbetung, und Gott verlangte das von den Menschen und Engeln, so wäre Er ebenso schwach, eitel und unweise wie ein blinder und hoffärtiger Pharisäer, der von jedermann über alles hochgeehrt sein und über alles herrschen will. Denn so ein Mensch zu Gott Tag und Nacht mit dem Munde beten sollte, und das ohne Unterlaß, wo würde er dann die Zeit zur andern nötigen Arbeit hernehmen und wie für sich und die Seinen die nötige Leibesnahrung schaffen? Leider gibt es nun unter den Juden eine Menge solcher Narren und wird es auch fürderhin geben, die Gott mit nahe endlos langen Lippengebeten anbeten und meinen, daß das ein wahrer Gottesdienst sei und Gott daran ein Wohlgefallen habe, besonders, wenn ein solches Lippengeplärr mit allerlei Zeremonie begleitet wird. 10. Allein, wahrlich sage Ich euch allen: Wo Ich also von den Menschen angebetet und geehrt werde, da werde Ich sofort Mein Gesicht abwenden und einer solchen Anbetung und Verehrung nimmerdar achten, und das darum, um den dummen Menschen praktisch zu zeigen, daß vor Mir derlei Anbetungen und Verehrungen ein wahrer Greuel sind und Ich ihrer niemals achte, besonders jener schon gar niemals, die von den Priestern ums Geld verrichtet werden, weil da der Betende, der darum von einem andern bezahlt worden ist, bloß zum Scheine, zumeist ohne allen Glauben, ein solches Gebet hinmurmelt, und der, dem das Gebet helfen soll, selbst zu träge ist, seine Knie vor Gott zu beugen und daher lieber andere für sich beten läßt. 11. Liebet daher Gott über alles und eure Nächsten wie euch selbst, und tut sogar denen Gutes, die euch Böses tun, und betet sogestaltig auch für eure Feinde, und bittet ebenso für die, welche euch hassen und verfluchen, und vergeltet nicht Böses mit Bösem – außer im höchsten Notfalle, um einen wahren Bösewicht dadurch vom Wege des Lasters möglicherweise auf den Weg der Tugend zu setzen –, und Ich werde solch eine wahre und lebendige Anbetung mit dem innigsten väterlichen Wohlgefallen ansehen und wahrlich keine eurer Bitten unerhört lassen! Aber ein pures Lippengebet ohne Herz und vollsten Glauben werde Ich niemals ansehen und irgend erhören. Ich habe euch nun getreust den rechten Lebensweg gezeigt; wandelt und handelt also, und ihr werdet dadurch sein und bleiben in Mir und Ich in euch! 12. In wem aber Ich bin durch seine Liebe zu Mir und daraus zum Nächsten, der wird nicht in der Nacht des Gerichtes und des Todes der Seele, sondern gleichfort am hellsten Lebenstage wandeln. 13. Und nun sage, du Mein lieber Sohn, Mir, wie und ob du das wohl verstanden hast? Denn so du es recht verstanden hast, so wirst du auch recht danach handeln und voll Lichtes werden!“ Kapitel 38 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 38. — Die Sorge des Jünglings 1. Sagte der Jüngling: „O Herr, Herr und ewiger Meister des Lebens, ich habe das alles wohl verstanden und begriffen, und es kommt mir nun wahrlich vor, als ob es in meinem Herzen nun schon ganz frei und lebenshelle geworden wäre, und ich bin darum auch schon zum voraus lebendigst überzeugt, daß es mit der Zeit, so ich nach Deiner heiligsten Lehre erst selbst vollernstlich die Hand ans Werk legen werde, in mir noch um gar vieles lebensheller werden wird! O Herr, Herr! Lasse doch viele, ja alle Menschen also in Deiner Liebe erleuchtet werden, und wir Menschen werden uns dann schon in dieser Welt im Paradiese befinden! 2. Aber ich gewahre in mir nun auch die starke Nacht in Jerusalem, mit der wir bis zu einem allgemeinen Lebensvolltage gar viele Kämpfe zu bestehen haben werden; denn in meinem nun in mir erwachten Lichte sehe ich erst den ganz entsetzlichen Gegensatz zwischen Deiner reinsten Lehre und den haarsträubend machenden Trug- und somit grundfalschen Lehren und elendsten Gesetzen des Tempels. Wie wird man denen zu begegnen imstande sein? Denn die Templer haben die irdische Macht noch immer in ihren Händen und verfolgen jeden anders Glaubenden, Denkenden und Handelnden mit Feuer und Schwert. So sie uns, wenn sie hierher kommen, nach Deiner Lehre lebend und handelnd treffen werden und uns um den Grund angehen werden, so werden wir als in Deiner Wahrheit stehende Menschen doch auch nur die Wahrheit sagen müssen, um nicht als Lügner vor ihnen und auch vor Dir, o Herr, Herr, zu erscheinen! 3. Du ewiger Herr alles Seins und der Himmel und der Erde, gib uns auch da einen Rat; denn ich, obschon noch ein junger Mensch, sehe das nun auf einmal nur schon zu gut ein, wie wir uns da nicht ohne die bittersten und harten Verfolgungen von seiten der Templer in vielleicht schon jüngster Zeit befinden werden, und das um so mehr, je ernster und reger wir nach Deiner Lehre leben und handeln werden. O Herr, Herr, was wird da zu machen sein?“ 4. Sagte Ich: „Nun, nun, du Mein lieber Sohn! Bin Ich erstens denn nicht mächtiger denn der Tempel, der auch an Mich nicht glaubt, sondern Mich nur in einem fort verfolgt, zu fangen und zu verderben trachtet? Wer an Mich glaubt, auf Mich baut und vertraut, dem werde Ich doch wohl auch wider die blinde Macht des Tempels zu Hilfe kommen können! Glaubst du das wohl?“ 5. Sagte der Jüngling: „O Herr, Herr, vergib mir meine eitel törichte Furcht, ich glaube, ich glaube das ungezweifelt! Du als der ewig alleinige Herr über Leben und Tod wirst die Deinen zu schützen wissen auch gegen die Macht aller Höllen, so sehr sie auch bemüht sind auf der ganzen Erde, das Reich Gottes zu vernichten und das Reich des ewigen Todes aufzubauen.“ 6. Sagte Ich: „Ganz sicher, wahr und gewiß! Aber ich sage dir als etwas Zweites noch hinzu: Seid auch ihr zwar in euch sanft gleich den Tauben, gegen die Welt hin aber klug gleich den Schlangen! Denn Ich will es nicht, daß ihr Meine Perlen offen all den Weltschweinen vorzeigen und vorwerfen sollet. 7. So man euch aber irgend zur Rede stellen wird, da werde schon Ich euch die Antwort in den Mund legen, – und wahrlich, man wird euch auf tausend nicht eins zu erwidern imstande sein. So Ich euch auch noch diese Versicherung gebe, da könnet ihr in Meinem Namen jedem Kampfe, der euch irgend erwarten dürfte, schon ganz mutvoll ins Angesicht schauen. Denn in dieser Zeit wird die Ausbreitung Meines Reiches unter den Menschen Gewalt brauchen, und die es werden haben wollen, werden es auch mit Gewalt an sich reißen müssen! Doch der sichere Sieg wird darum nicht schwer zu erkämpfen sein, weil Ich Selbst als der mächtigste Held den Kämpfern um Mein Reich alle Hilfe werde angedeihen lassen! – Verstehst du auch das?“ 8. Sagte der Jüngling: „Ja, Herr, Herr, mit Deiner Gnade ist alles leicht zu verstehen; denn mit Deiner Lehre gibst Du dem, der ernstlich nach ihrem göttlichen Sinne leben will, auch das richtige Verständnis und damit auch den Mut, für die göttliche, reine und lebensvolle Wahrheit den Kampf mit jedem Feinde aufzunehmen und siegreich zu bestehen. Denn ich war tot, und Dein göttlich allmächtiges Wort hat meine Glieder wieder belebt und das Herz von neuem zu pulsieren genötigt, und ebenso hat Dein allmächtiger Wille nun denn auch unsere Schüsseln und Krüge nicht leer werden lassen. Zudem hast Du uns allen noch das größte Lebensgut hinzugetan durch die Gabe Deiner Lehre, durch die wir nun schon ganz lebendig wissen und gar wohl erkennen, was wir zu tun haben und warum. 9. So wir nun das alles wissen und Dich, o Herr, Herr, auch als den allein wahren Gott erkannt haben, so muß uns das ja den vollsten Glauben und das innigste Vertrauen geben, daß Du uns auch im Kampfe wider die Feinde der Wahrheit schützen und schirmen und den sicheren Sieg über sie allzeit verleihen wirst, weil Du als die ewige Wahrheit uns das treu verheißen hast. Wohl werden wir im Herzen sanft sein gleich den Tauben, aber es wird uns auch an der Klugheit unseren allfälligen Feinden gegenüber nicht fehlen mit Deiner Hilfe, o Herr, Herr!“ Kapitel 39 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 39. — Die Frage des Jakobus nach dem geistigen Sinn der Erweckung des toten Jünglings 1. Nach diesen für einen Jüngling sehr geistvollen Worten, über die sogar alle Meine Jünger sehr erstaunten, sagte Mein alter Jünger Jakobus der Ältere: „Herr und Meister! Du weißt es, wie selten ein Wort über meine Lippen kommt; doch hier fühle ich einen eigenen Drang im Herzen, auch einmal ein paar Worte zu reden, so Du mir solches gestatten wollest.“ 2. Sagte Ich: „Mein lieber Bruder! So Ich nicht wollte, daß auch du einmal unter Menschen redetest, da hätte Ruhe dein Herz wie immer; also aber will Ich, daß auch du einmal redest, und so öffne du nun nur den Mund und rede, was dir dein innerer Sinn geben wird!“ 3. Hierauf erhob sich Jakobus und sprach: „Schon stark über zwei Jahre waren wir in schon gar vielen Orten und Landen mit Dir und waren Zeugen von den schon nahe zahllos vielen Wundertaten, die Du mit Deinem Willen verrichtet hast, und hast auch uns die Macht gegeben, in Deinem Namen die Kranken zu heilen und die Besessenen von ihren bösen Geistern zu befreien; kurz und gut, so jemand das alles, wovon wir Zeugen waren, in Bücher schreiben würde, so würde er damit wohl in hundert Jahren noch lange nicht fertig werden, und der Verstand der noch so weltweisen Menschen würde den Sinn solcher Schriften auch nicht fassen und begreifen. Doch diese Deine Tat hier in Nahim hat mich nun ganz besonders erregt, und ich gestehe es hier ganz offen und sage: Hinter dieser Deiner Tat scheint ein ganz besonderer, tief geistiger und prophetischer Sinn zu liegen. 4. Es liegt da wohl am Ende hinter jeder Deiner vielen Lehren und Taten ein tiefer geistiger Sinn verborgen, und ich selbst habe mir schon so manches ganz geheim bei mir enträtselt; aber hinter dieser Deiner Tat scheint nach meinem Gefühle etwas ganz besonders Großes und für die Zukunft sehr Wichtiges verborgen zu sein, und mich dürstet nun ganz mächtig danach, von Dir auch nur so einige Winke zu überkommen, wohin sich diese Deine Tat als weissagend wendet!“ 5. Sagte Ich: „Du hast recht geurteilt, Mein lieber Bruder Jakobus, der du schon von Meiner diesirdischen Geburt an stets um Mich warst und somit auch von gar allen Meinen diesirdischen Schritten, Tritten, Worten und Taten ein treuer Zeuge warst, nun noch bist und auch bleiben wirst. Hinter dieser Tat steckt freilich wohl etwas ganz Besonderes; doch das, was dahinter verborgen ist vor den Augen der Menschen, ist für den Menschenverstand, wie er jetzt besteht, und für den euren nicht wohl faßbar. 6. Ich sehe in Mir freilich die ganze, nie endende Ewigkeit enthüllt und somit auch das als eine schon vollendete Tat, was hinter dieser Meiner Tat verborgen ist; aber euer Geist kann, wie nun noch in seiner Kindheit, das nicht schauen und fassen. 7. Weil du aber schon so ein geheimer Denker bist und auch selbst begreifst und fühlst, daß Ich nichts tue, was da nicht für die ganze Unendlichkeit und Ewigkeit eine wohlentsprechende Bedeutung hätte, und du nur so einige Winke für dich von Mir haben möchtest, da kann Ich dir denn auch einige Winke geben, und so höre! 8. Siehe, warum Ich Selbst als ein Menschensohn in diese Welt gekommen bin, das habe Ich euch und auch gar vielen andern Menschen nur schon zu oft mit steter Hinweisung auf die Propheten kundgetan und habe das hier früher wieder berührt. Ich habe euch aber auch schon sattsam gezeigt, welchen Verlauf in den künftigen Zeiten diese Meine Lehre, die da ist eine wahrhaft von Mir Selbst neu gegründete Kirche, unter den Menschen nehmen wird. Das habe Ich euch in Jerusalem auch mit großen Zeichen am Firmamente gezeigt; und sieh, jene letzte und allerfinsterste Zeit, in der Meine Lehre in ein tausendfach größeres Götzentum ausarten wird, als je auf der ganzen Erde bis auf diese Zeit eine reine Gotteslehre ausgeartet ist, in der man verstorbenen und von den Priestern heilig und selig gesprochenen Menschen und sogar ihren vermoderten Gebeinen Tempel und Altäre erbauen und ihnen in selben göttliche Verehrung erweisen wird, entspricht eben dieser Begebenheit. 9. Ich habe euch, Meinen Jüngern, schon bei mehreren Gelegenheiten offen gesagt und gezeigt, daß Mein Reich nicht von dieser Welt ist, daß ihr euch auch nicht sorgen sollet um den kommenden Tag, was ihr essen und trinken werdet, sondern suchen, das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit unter den Menschen auszubreiten, und sollet euch dafür von niemand als irgend pflichtgemäß bezahlen lassen, sondern nur das annehmen, was euch der Menschen Liebe in Meinem Namen geben wird; denn umsonst habt ihr alles von Mir empfangen, und umsonst sollet ihr es auch wieder andern geben! 10. Also habe Ich auch zu euch und zu den andern etlichen siebzig Jüngern, die Ich in Emmaus hinausgesandt habe, daß sie verkündeten den Menschen das Evangelium aus den Himmeln, gesagt, daß keiner haben solle zwei Röcke, keinen Sack, um etwas einzustecken, und auch keinen Stock, um sich gegen einen Feind zur Wehr zu setzen; denn Mein Name, Mein Wort und Meine Gnade genüge jedem! 11. Also habe Ich euch und vielen andern Menschen auch treu und offen gesagt, daß ihr niemanden richten sollet, um nicht einmal selbst gerichtet zu werden, daß ihr auch niemanden verfluchen und verdammen und nie jemanden feindlich verfolgen sollet, um nicht dasselbe an euch zu erleben; denn mit dem Maße ihr ausmessen werdet, mit eben dem Maße wird es euch zurückbezahlt werden! 12. Ja, ihr sollt nur beten für die, welche euch hassen und fluchen, und Gutes erweisen denen, die euch Arges zu tun bestrebt sind, so werdet ihr den Lohn von Mir zu erwarten haben und werdet so glühende Kohlen über den Häuptern eurer Feinde sammeln und sie so am ehesten zu euren Freunden machen! 13. Und sehet, unter dem Banner der wahren und lebendigen Nächstenliebe habe Ich euch zu lehren, zu leben und zu handeln befohlen und habe euch auch gesagt, daß man euch daran allzeit als Meine wahren Jünger erkennen wird, so ihr euch untereinander also als Brüder lieben werdet, wie Ich Selbst euch liebe, und daß man allzeit Meine wahren Nachfolger pur an den Werken der uneigennützigsten Nächstenliebe erkennen wird. 14. Aber sehet, so wird es in jener finstersten Zeit nicht sein, sondern gerade solcher Meiner euch treust geoffenbarten Lehre nur schnurgerade entgegengesetzt!“ Kapitel 40 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 40. — Über die geistigen Zustände unserer Zeit 1. (Der Herr:) „Der wahre Glaube und die reine Liebe werden in jener Zeit ganz erlöschen. An ihrer Stelle wird ein Wahnglaube unter allerlei ärgsten Strafgesetzen den Menschen aufgedrungen werden, gleichwie da auch ein böses Fieber dem Menschenleibe den Tod aufdrängt. Und so sich irgendeine von Meinem Geiste gestärkte Gemeinde wider die falschen und von Gold, Silber, Edelsteinen und andern großen Erdengütern strotzenden und allerhochmütigsten und herrsch- und selbstsüchtigsten Lehrer und Propheten, die sich als eure allein wahren Nachfolger und Meine Stellvertreter den Menschen zur tiefsten Verehrung darstellen werden, erheben und ihnen zeigen wird, daß sie nur gerade das Gegenteil von dem sind, als was sie sich den Menschen mit der frechsten und Gottes vergessendsten Keckheit darstellen, indem sie sie zwingen, nur bei ihnen allein das Seelenheil und die Wahrheit zu suchen, so wird es da Kämpfe und Kriege und Verfolgungen geben, wie sie seit dem Beginne der Menschen auf dieser Erde noch nicht stattgefunden haben. 2. Doch der allerärgste und allerfinsterste Zustand wird nicht lange währen, und es wird kommen, daß die falschen Lehrer und Propheten sich selbst am Ende den Todesstoß geben werden. Denn es wird da Mein Geist, das ist der Geist aller Wahrheit, unter den vielfach bedrängten Menschen wach werden, die Sonne des Lebens wird gewaltig zu leuchten beginnen, und die Nacht des Todes wird sinken in ihr altes Grab. 3. Ich habe euch aber von dieser nun dargestellten finsteren Zeit schon mehrere Male geweissagt und habe nur darum ihrer nun wieder erwähnt, auf daß ihr um so leichter die Entsprechung in diesem heute abendlichen Begebnis mit jener künftigen Zeit findet. 4. Seht, dies kleine Städtchen, beinahe von allen Seiten mit heidnischen Dörfchen und Flecken umgeben, ist noch von einer kleinen Anzahl Juden bewohnt, die gleich mit einigen Altsamariten sich in einem reineren Judentume befinden, und denen die Tempelgesetze vielfach ein Greuel sind! Sie sehen des Tempels arges und wirres Treiben gar gut ein, obschon sie sich demselben nicht widersetzen können. Ihre Nachbarn sind Heiden, die auf ihre Götzen zwar auch nichts halten, aber des äußeren Scheines halber doch noch so tun müssen, als hielten sie etwas darauf. Sie glauben aber eigentlich schon an gar nichts mehr als allein an einen guten Gewinn, den sie irgend erbeuten können. 5. Und seht, also wird es in jener von Mir geweissagten Zeit auch sein, freilich in einem großen Weltumfange! 6. Es wird eine reine Gemeinde ähnlich diesem Städtchen fortbestehen, umgeben zunächst mit völlig glaubenslosen Menschen, die nur allerlei gewinnbringende Industrie treiben werden und sich weder um Meine reine Lehre und noch weniger um das verrufene Heidentum Roms in jener Zeit kümmern werden. Bei solchem Umstande wird es in der reinen Gemeinde denn auch sehr verwitwet und traurig auszusehen anfangen. 7. Meine reine Lehre wird gleichen der traurig gewesenen Witwe, deren toten Sohn Ich zum Leben wieder erweckt habe; der Glaube aber bezeichnet den toten Sohn, den Ich erweckte. Ihn tötete das arge Fieber, das da wieder gleicht dem Weltgewinnsinne, in den auch dieses Völkchen überging, und zwar auf Grund des widersinnigsten und argen Betrugtumes Jerusalems und daneben auch auf Grund der gänzlichen Glaubenslosigkeit der diesen Ort umgebenden Heiden, die in der geweissagten argen künftigen Zeit den Namen ,Industrielle‘ haben werden. 8. Also auf dem Grunde alles dessen geht der ehedem reine, wenn auch darum junge Glaube, weil er sich erst vor etwa sechzehn Jahren durch einen hier eingewanderten Samariten, der eben der Gemahl dieser Witwe war, hier eingebürgert hatte, durch das Weltsinnsfieber zugrunde, da er stirbt und wir ihm als einem Toten begegneten. 9. Aber da komme Ich Selbst, bekehre die Heiden und komme mit ihnen hierher am größten Trauerabende dieser Gemeinde und mache den toten Glauben wieder lebendig und gebe ihn der Witwe, also der reinen Gotteslehre wieder zurück; und es werden nun nach dieser Meiner Tat auch alle die Heiden hierher kommen und den wieder neubelebten Glauben an einen, allein wahren Gott annehmen und ihr Leben einrichten nach Seinem ihnen bekanntgegebenen Willen. 10. Das blinde Mädchen aber, das Ich sehend gemacht habe, stellt die völlig glaubenslose Industrie jener Zeit dar, von der nun die Rede ist, und sie wird eine derart karge und magere sein, daß die zu stolzen und prachtliebenden Könige von den Menschen sogar große Steuern mit aller Gewalt von dem fordern werden, was sie essen und trinken werden, und es wird dadurch entstehen eine große Not, Teuerung, Glaubens- und Lieblosigkeit unter den Menschen, die sich gegenseitig betrügen und verfolgen werden. 11. Doch – das merket euch wohl! – so die Not am größten sein wird, dann werde Ich der wenigen Gerechten wegen kommen, und werde das Elend vertilgen von der Erde und Mein reines Lebenslicht leuchten lassen in den Herzen der Menschen. 12. Und nun habe Ich dir, du Mein lieber Bruder Jakobus, die Winke, die du von Mir gewünscht hast, mit dem Gesagten auch gegeben, und du als ein kräftiger Denker wirst das Weitere leicht finden. 13. Obschon aber ein solches Vorerkennen der leidigen Zukunft die Seele des Menschen nicht seliger zeiht, so schadet es ihr auch nicht, wenn sie sich in den Entsprechungen übt und durch sie das erkennt, wie alles Sichtbare, was da ist und geschieht in dieser Welt, mit der inneren und verborgenen Welt der Geister, die alle Zeiten und Räume als stets in enthüllter Gegenwart in sich faßt, auf das innigste zusammenhängt und aufeinander Beziehung hat. – Habt ihr nun das alles wohl verstanden?“ Kapitel 41 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 41. — Die Frage der Jünger über die Verdunklung der reinen Lehre Christi 1. Sagten darauf alle: „Ja, Herr und Meister, was Du uns jetzt wieder erläutert hast, das haben wir wohl verstanden; nur das ist uns noch trotz dem vielen, was wir darüber schon aus Deinem Munde vernommen haben, stets nicht völlig klar, warum Du es zulässest, daß in dieser Welt in einem fort nach einem aus Deinen Himmeln unter die Menschen gekommenen Lichte wieder eine langwierige dichteste Geistesnacht folgen muß. 2. Wir alle, die wir nun aus Deinem Munde die reinste Lehre erhalten, werden sie als lebendige Zeugen Deiner persönlichen Gegenwart, Deiner Taten und Lehren auch ebenso rein den andern Menschen überliefern, und unsere Nachfolger werden dasselbe wieder tun. Und sollte es jemanden geben, der den Menschen in Deinem Namen etwa ein anderes Evangelium predigen würde, so wirst Du das ja sehen und sicher klarst darum wissen! Solch einem Propheten wird Deine Macht ja doch den Mund zuschließen können! Wenn das geschähe, dann sehen wir nicht ein, wie da Deine reinste und göttlichste Lehre je verfälscht und am Ende in ein finsterstes und plumpstes Heidentum verkehrt werden könnte. 3. Sagte Ich: „Ihr sehet jetzt noch gar vieles nicht ein, was Ich aber wohl einsehe! Und so hätte Ich euch gar vieles noch zu sagen und zu erklären, aber ihr würdet das nun noch nicht fassen und ertragen. So Ich aber nach Meiner Auffahrt Meinen Geist aller Wahrheit über euch ausgießen werde, dann wird er euch in alle Weisheit führen, und ihr werdet dann alles einsehen und fassen, was ihr jetzt noch lange nicht einsehen und fassen könnet. 4. Sehet aber und gebet wohl acht darauf, was Ich euch nun noch sagen werde! Ich werde euch aber keine Lehre geben, sondern nur vielen Sinn enthaltende Beispiele, aus denen euch klarer werden mag, warum ihr jetzt trotzdem, daß ihr schon so vieles von Mir gesehen und gehört habt, noch gar vieles nicht einsehen und fassen könnet. 5. Seht und betrachtet das Licht der Sonne in seiner mannigfachsten Wirkung auf die Kreaturen nur dieser Erde und also auch die verschiedenartigste Wirkung des Regens auf das Erdreich, auf die Pflanzen, Tiere und Menschen! Da stehen auf demselben Felde heilsame Kräuter und mitten unter ihnen aber giftiges Unkraut. Woher nehmen die Giftkräuter ihr Gift, da sie doch von einer und derselben Sonne beschienen, in der gleichen Erde ihre Wurzeln haben und vom gleichen Regen und Tau befeuchtet und belebt werden? 6. Seht, das wirkt der innere Geist und verkehrt das Licht und den Regen in sein Eigentümliches! Der Löwe, der Panther, der Tiger, die Hyäne, der Wolf und noch eine Menge anderer Raubtiere nähren sich vom Fleische sanfter Tiere und werden auch von derselben Sonne beschienen und erwärmt, und löschen sich den Durst mit demselben Wasser wie die sanften und zahmen Haustiere; woher kommt ihnen ihre Wildheit? Seht, die erzeugt ihr innerer Geist, der das Sanfte in sich in die reißende Wildheit verkehrt! 7. Gehet weiter hin in ein Haus, und ihr werdet daselbst finden ein mit mehreren Kindern wohlgesegnetes Elternpaar! Diese Kinder haben alle nur einen und denselben Vater, eine und dieselbe Mutter, genießen an der Eltern Tische dieselbe Kost, empfangen den gleichen Unterricht und genießen die gleiche Pflege; aber da ist das eine leiblich stark, das andere schwach, ein anderes ist munter und voll Fleiß in allem und wieder ein anderes mürrisch und träge. Wieder ein anderes dieser Kinder ist voll Talente und lernt und begreift alles leicht. Ein anderes wieder ist zwar voll guten Willens; aber es fehlt ihm an Talenten, lernt schwer und begreift alles nur mühsam und selten ganz so, wie etwas zu Erlernendes begriffen werden soll. Und so werdet ihr unter diesen Kindern noch eine Menge anderer Unterschiede merken. Ja, wie kommt denn das? Möchtet ihr da nicht auch sagen: ,Aber, Herr und Meister, wie und warum läßt denn Du das zu? Was kann das wohl für einen weisen Zweck haben?‘ 8. Ja, sehet, auch daran schuldet der innere freie Geist, und er bewirkt solches alles; und wäre dem nicht also, so gäbe es auch keinen inneren freien Geist, dessen Aufgabe es ist, sich aus sich selbst zu einem selbständigen Sein auszubilden und zu gestalten. 9. Wie und warum aber also, das habe Ich euch schon bei verschiedenen Gelegenheiten gezeigt und es euch auch anschaulich zur Genüge erklärt; aber dennoch fasset ihr derlei Dinge noch nicht in der rechten Tiefe, dieweil der ewige Geist aller Wahrheit und Weisheit eure Seelen noch nicht völlig durchdrungen und erfüllt hat. 10. So ihr aber diese euch nun vorgezeigten Bilder nur einigermaßen durchdenket, so wird es euch auch bald und leicht klarer werden, wie mit der Zeit ein noch so reinstes Licht aus Meinen Himmeln in eine dickste Heidenfinsternis verkehrt werden kann und auch wird, und daß Ich am Ende das doch eher zulassen muß, als mit aller Meiner Macht und Gewalt den freien Lebensgeist im Menschen zu knebeln. 11. Wie würde euch eine Erde wohl gefallen, auf der ein Ding dem andern so völlig ähnlich wäre, wie ein Auge dem andern? Wie gefielen euch die Menschen, die sich in allem so gleich sähen wie die Sperlinge, von denen keiner weiser und stärker ist als sein ihm völlig ähnlicher Nachbar? Ich meine, daß euch so eine mathematisch gleiche Welt in der kürzesten Zeit sehr zu langweilen anfinge. Und wäre das in Meinen freien Himmeln etwa anders, so es dort nicht noch endlosere Verschiedenheiten und Mannigfaltigkeiten gäbe? 12. Oder was würdet ihr von Meiner Weisheit denken, so Ich aller Wesenheit nur die Gestalt eines Eies gegeben hätte? Seht, es ist demnach schon alles recht und gut also, wie es ist! Ihr sehet, wie schon gesagt, nun freilich von gar vielem den Grund nicht ein; aber es wird die Zeit schon kommen, in der ihr das alles fassen und begreifen werdet. Und somit wollen wir uns nun mit dem begnügen, was uns bis jetzt gegeben ist. 13. Nun aber stehen noch Speisen und Wein vor uns auf den Tischen, und wir wollen denn auch noch etwas für unseren Leib tun. Dann aber werden wir uns zur Nachtruhe begeben und uns morgen früh wieder auf den Weg machen. Wohin, das wird uns der Geist des Vaters künden.“ 14. Auf diese Meine Rede erstaunten die Griechen über alle Maßen und lobten und ehrten Mich. Ich aber aß und trank noch ungestört weiter, und so auch alle die andern. Nach dem Essen aber erhob Ich Mich, und die Witwe ließ Mir und den Jüngern gute Lager bereiten. Die Griechen aber blieben bei ihren Tischen. Kapitel 42 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 42. — Der Witwe und des erweckten Sohnes Zeugnis vor dem Volke 1. Da die Witwe aber vernahm, daß Ich am Morgen früh mit Meinen Jüngern abreisen würde, so sorgte sie auch dafür, daß zeitlich zur Genüge ein Morgenmahl bereitet werde. Als wir denn am frühen Morgen vom Nachtlagerzimmer in das Gastzimmer kamen, da war das Morgenmahl auch schon bereitet, und die Witwe trat mit ihrem Sohne zu Mir und bat Mich, daß Ich vor der Abreise mit Meinen Jüngern das Morgenmahl zu Mir nehmen möchte. 2. Ich aber sah, daß der Griechen Tische noch nicht gedeckt waren, und sagte zur Witwe: „Siehe, auch die Griechen, die an Mich glaubend geworden sind, sollen nicht mit nüchternem Magen heimkehren! Decke auch ihren Tisch, damit sie sehen, daß Ich nicht nur den Juden, sondern auch den Heiden das Brot des Lebens gebe!“ 3. Als die Witwe das vernahm, da eilte sie hinaus in die Küche, um auch für die Griechen ein Morgenmahl zu bereiten. 4. Als sie aber in die Küche kam, da fand sie schon ein genügendes Morgenmahl vollauf wohlbereitet und fragte ihre Küchenmägde unter großem Staunen, wer denn da das zweite Morgenmahl für die Griechen in so kurzer Zeit bereitet hätte. 5. Die Mägde aber sagten: „Wir wissen das nicht und haben auch niemanden außer uns in der Küche gesehen; aber was du nun mit großem Staunen ersiehst, das ersahen wir auch mit gleichem Staunen, und es überfällt uns eine Furcht. Der große und mächtige Prophet, der dir gestern den Sohn belebte, wird das veranlaßt haben durch die Macht seines Willens! Ja, ja, es ist unter den Juden ein großer Prophet aufgestanden, und Gott hat in ihm Sein Volk, das Seiner sehr zu vergessen begann, wieder einmal sichtlich heimgesucht, – und auf diese Heimsuchung, so sich die Menschen nicht alsbald bekehren und Buße wirken werden, wird sicher folgen ein großes Gericht und wird vertilgen alle Übeltäter.“ 6. Sagte die Witwe: „Ja wohl, ja wohl, da möget ihr ganz recht haben! Aber, da nun auch auf eine so überaus wundersame Weise das Morgenmahl auch für die Griechen bereitet ist, so traget es sogleich in das Gastzimmer, und setzet es auf den Tisch, an dem die Griechen sitzen; denn also will es der große und mit aller Gottesgeisteskraft erfüllte Prophet!“ 7. Auf diese Worte der Witwe wurde das wundersam bereitete Morgenmahl denn auch sogleich auf den Griechentisch gebracht, und wir begannen denn auch sogleich das wohlbereitete Morgenmahl einzunehmen und waren dabei voll guten Mutes. 8. Es wollte aber die Witwe den Griechen, die sich über die schnelle Bereitung des für sie von Mir verlangten Morgenmahles sehr wunderten, zu erzählen anfangen, wie es bereitet wurde. 9. Ich aber sagte zu ihr: „Weib, was du reden willst, dafür wird sich, nachdem Ich abgereist sein werde, noch eine hinreichende Zeit finden lassen; jetzt aber essen und trinken wir, was auf die Tische gesetzt ist!“ 10. Auf diese Meine Ermahnung schwieg die Witwe und aß und trank mit uns. 11. Nach einer halben Stunde Zeit hatten wir alle das Morgenmahl eingenommen, und Ich erhob Mich mit Meinen Jüngern vom Tische, und wir schickten uns zur Abreise an. 12. Als wir aber gewisserart schon die Füße in Bewegung setzen wollten, da kamen schon eine Menge Menschen von der Stadt vor das Herbergshaus der Witwe und wollten sich da erkundigen, ob der vom Tode erweckte Sohn der Witwe wohl noch lebe, und ob die Erweckung eine wirkliche oder etwa nur eine scheinbare gewesen sei. Denn es hätten auch schon große Zauberer, die oft aus den fernen Morgenländern nach Judäa herübergekommen seien, tote Menschen wieder lebendig gemacht; aber das Leben wäre nur von kurzer Dauer gewesen, indem es nur ein Schein-, aber kein wirkliches Leben war, und sie möchten darum nun sogleich erfahren, ob der Sohn noch fortlebe, oder ob er das Leben wieder zu verlieren anfange, wie etwa das nach allen zauberischen Wiederbelebungen noch stets der unausbleibliche Fall gewesen sei. 13. Da fragte Mich die Witwe, was sie den zudringlichen Fragern sagen solle. 14. Und Ich sagte zu ihr: „Schicke den Sohn hinaus zu den Fragern! So sie ihn ganz frisch und gesund ersehen werden, da wird er selbst die allerbeste Antwort auf alle ihre albernen Fragen sein. Es hat sie der hiesige Rabbi also beredet aus Ärger, weil ihm gestern die Griechen dargetan haben, daß sie den Propheten Jesajas besser verstehen denn er als ein alter Schriftgelehrter. Der Rabbi also hat die Frager über die Zauberer, von denen er selbst nur reden gehört, aber nie einen gesehen hat, also unterrichtet, daß sie nun zweifeln; wenn sie aber den Sohn sehen werden, so werden ihre Zweifel weichen. 15. Nehmet euch aber in acht vor dem Rabbi und vor den Pharisäern; denn sie werden, um ihrer Behauptung den Glauben und Triumph beim Volke zu erhalten, dem Sohne, so sie ihn gleichfort gesund leben sehen werden, nach dem Leben trachten und werden ihn irgend zu vergiften suchen! Darum ladet sie ja nicht zu Gaste, und lasset euch auch von ihnen niemals zu Gaste laden, und nehmet von ihnen auch keine sonstigen Dinge an, so werden sie euch nichts antun können! Das beachtet, und Ich werde euch vor allen andern Gefahren bewahren! Und nun gehe du mit dem Sohne hinaus, auf daß sie dadurch die einfachste und beste Antwort auf ihre vielen Fragen erhalten!“ 16. Hierauf ging die Witwe mit dem Sohne hinaus zu den vielen Fragern und sagte zu ihnen, mit der Hand deutend: „Sehet, ihr Zweifler alle, dieser mein Sohn lebt und ist frisch und gesund! Er ist somit von dem großen, mit dem Geiste Gottes erfüllten Propheten nicht scheinbar, sondern wirklich vom Tode zum Leben erweckt worden. Gehet hin, und saget das auch dem Rabbi, der euch so töricht unterwiesen hat!“ 17. Hierauf sagte auch der Sohn, den alle wie ein Weltwunder angafften: „Ja, ja, ich lebe, bin auch ganz heiter, frisch und gesund und werde nach der Verheißung Dessen, der mich vom Tode zum Leben erweckt hat, auch fortleben; und so ich Seinen Willen fortan tun und völlig erfüllen werde, da werde ich auch gleichfort leben und keinen Tod je mehr sehen, fühlen und schmecken. Gehet hin und saget auch das dem Rabbi, auf daß möglicherweise auch er gläubig und selig werden möge!“ 18. Als die Frager den ihnen wohlbekannten Sohn also gesehen und gesprochen hatten, da wich aller Zweifel von ihnen, und einige fingen an, darum auf den Rabbi unmutig zu werden, weil er sie hierüber ganz falsch unterrichtet hatte. 19. Als die Witwe mit ihrem Sohne wieder ins Zimmer kam, dankte sie samt ihrem Sohne Mir für den guten Rat und hatte eine große Freude, daß sie die vielen lästigen Frager so bald und so leicht losgeworden waren. Kapitel 43 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 43. — Die Zeichen der geistigen Gegenwart des Herrn 1. Darauf aber trat noch der Grieche, welcher schon früher der Wortführer war, zu Mir und sagte: „Herr, Herr, Gott und Meister von Ewigkeit in Deinem Geiste! Du verläßt uns nun zwar in Deiner sichtbaren Persönlichkeit, aber wir bitten Dich, daß Du mit Deinem höchsten Gottgeiste bei uns bleiben wollest, und uns nur dann und wann ein Zeichen geben, das uns ein Bürge sei, daß Du unser gedenkest und also im Geiste auch bei uns seiest.“ 2. Sagte Ich: „Ja, das wird auch also sein bis ans Ende der Zeiten dieser sichtbaren Welt! Doch nicht nur ein Zeichen, sondern mehrere sollet ihr allzeit haben davon, daß Ich im Geiste bei euch, unter euch und in euch gegenwärtig bin! Die sicheren und niemals trügenden Zeichen aber werden allzeit und ewig folgende sein: 3. Erstens, daß ihr Mich mehr liebet denn alles in der Welt! Denn so jemand irgend etwas in der Welt mehr liebt denn Mich, der ist Meiner nicht wert; wer Mich aber wahrhaft liebt über alles, der ist eben durch solche wahre Liebe in Mir, und Ich bin in ihm. 4. Ein zweites Zeichen Meiner Gegenwart bei euch sei auch das, daß ihr aus Liebe zu Mir eure Nächsten und Nebenmenschen, jung und alt, ebenso liebet wie euch selbst; denn wer seinen Nächsten nicht liebt, den er sieht, wie kann der Gott in Mir lieben, den er nicht sieht? Wenn ihr Mich auch jetzt sehet und höret, so werdet ihr Mich in dieser Welt fortan doch nicht mehr sehen! Und so ihr Mich nicht sehen werdet, wird eure Liebe also bleiben, wie sie nun ist, da ihr Mich sehet? Ja, es wird bei euch die Liebe wohl bleiben; aber sehet auch, daß sie bei euren Nachkommen also bleiben wird! Denn so Mich jemand wahrhaftig im Herzen über alles lieben wird dadurch, daß er leben und handeln wird nach Meinem ihm geoffenbarten Willen, zu dem werde Ich Selbst wie persönlich im Geiste kommen und werde Mich ihm als vollends gegenwärtig offenbaren. 5. Ein drittes Zeichen Meiner Gegenwart bei, in und unter euch wird auch das sein, daß euch allzeit alles gegeben wird, um was ihr den Vater in Mir in Meinem Namen ernstlich bitten werdet. Aber es versteht sich von selbst, daß ihr Mich nicht um dumme und nichtige Dinge dieser Welt bittet; denn so ihr das tätet, da zeigtet ihr ja doch offenbar, daß ihr derlei Dinge mehr liebtet denn Mich, und das wäre dann wahrlich kein Zeichen Meiner Gegenwart bei, in und unter euch. 6. Ein viertes Zeichen Meiner mächtigen Gegenwart bei, in und unter euch wird auch das sein, daß so ihr den leiblich kranken Menschen aus wahrer Nächstenliebe in Meinem Namen die Hände auflegen werdet, es mit ihnen besser werden soll, wenn das Besserwerden zum Heile ihrer Seelen dienlich ist. 7. Es versteht sich aber auch da von selbst, daß ihr dabei allzeit saget im Herzen: Herr, nicht mein, sondern nur Dein Wille geschehe! Denn ihr könnet es nicht wissen, ob und wann das Besserwerden des Leibes einer Seele zum Heile dienlich ist, und ein ewiges Leben auf dieser Erde im Leibe ist keinem Menschen beschieden! Daher kann das Händeauflegen auch nicht allzeit und jedem Menschen von seinen Leibesübeln Befreiung verschaffen. Aber ihr werdet dennoch keine Sünde dadurch begehen, so ihr jedem Kranken die euch angezeigte Liebe erweiset; den Helfer werde schon Ich machen, so es zum Seelenheile des Menschen dienlich ist, – was Ich allein nur wissen kann. 8. So ihr irgend aus der Ferne vernommen habt, daß da ein oder der andere Freund von euch krank daniederliegt, da betet über ihn, und leget im Geiste die Hände auf ihn, und es soll auch besser werden mit ihm! 9. Dabei aber bestehe das im Herzen nur auszusprechende Gebet in folgenden wenigen Worten: ,Jesus, der Herr, wolle dir helfen! Er stärke dich, Er heile dich durch Seine Gnade, Liebe und Erbarmung!‘ So ihr das voll Glauben und Vertrauen zu Mir über einen noch so ferne von euch sich irgendwo befindenden kranken Freund – oder Freundin – aussprechen und dabei über ihn im Geiste eure Hände halten werdet, so wird es mit ihm zur Stunde besser werden, wenn das zu seinem Seelenheile dienlich ist. 10. Ein noch fünftes Zeichen Meiner Gegenwart bei, in und unter euch aber wird auch noch das sein, daß ihr, so ihr Meinen Willen allzeit tuet, in euch des Geistes Wiedergeburt erreichen werdet. Das wird sein eine wahre Lebenstaufe, da ihr dabei mit Meinem Geiste erfüllt und dadurch in alle Weisheit eingeführt werdet. 11. Nach diesem fünften Zeichen aber strebe ein jeder vor allem! Denn an dem sich dieses Zeichen gewärtigen wird, der wird schon in dieser Welt das ewige Leben haben und wird das tun und schaffen können, was Ich tue und schaffe; denn er wird da sein eins mit Mir. 12. Nun habe Ich euch die Zeichen Meiner Gegenwart gezeigt; tuet danach, so werdet ihr bei, in und unter euch Meines Geistes ehestens wahrhaftigst gewahr werden!“ Kapitel 44 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 44. — Die rechte Verehrung des Herrn 1. Hierauf fragte Mich der Grieche, sagend: „O Herr und Meister! Da wir alle nun das ewig nie genug schätzbarste Glück hatten, Dich Selbst in Deiner göttlichen Persönlichkeit kennenzulernen, und aus Deinem Munde die Worte des Lebens vernommen haben, so wäre ich wenigstens für uns Griechen der Meinung, daß wir Dir ein Haus erbauten, in welchem wir allwöchentlich einmal uns versammelten, auf daß wir Deine Lehre besprächen und darin Moses und die Propheten läsen; denn an anderen Tagen ist ja doch ein jeder von uns mehr oder weniger mit einer Arbeit belastet, bald da und bald dort, und es ist da nicht leicht möglich, sich über Deine Lehre und Taten gegenseitig zu besprechen und zur Tätigkeit nach Deinem Willen zu ermuntern. O Herr und Meister, sage es uns doch, ob Dir das wohlgefällig wäre!“ 2. Sagte Ich: „Wozu da ein eigenes Haus erbauen, da ihr ja ohnehin eure Wohnhäuser habt, in denen ihr euch auch in Meinem Namen versammeln könnet, um euch über Meine Lehre zu besprechen und die gemachten Erfahrungen mitzuteilen, die sich aus dem Wandel nach dem Willen Gottes sicher für jedermann ergeben werden?! Also ist es auch nicht notwendig, einen bestimmten Feiertag dazu einzuführen, den ihr, etwa wie die Pharisäer den Sabbat, den Tag des Herrn benennetet, da doch ein jeder Tag ein Tag des Herrn ist und man also auch an jedem Tage gleich Gutes tun kann. Denn Gott sieht weder auf den Tag und noch weniger auf ein Ihm zur Ehre und Anbetung erbautes Haus, sondern Gott sieht nur auf das Herz und auf den Willen des Menschen. Ist das Herz rein und der Wille gut und den ganzen Menschen zur Tat ziehend, so ist das schon das wahre und lebendige Wohnhaus des Geistes Gottes im Menschen, und sein allzeit guter und tätiger Wille nach dem erkannten Willen Gottes ist der wahre und darum auch allzeit lebendige Tag des Herrn! 3. Sehet, das ist die Wahrheit, und bei der sollet ihr denn auch unverwandt bleiben! Alles andere aber ist eitel und hat vor Gott keinen Wert. 4. Es werden aber die Menschen in der späteren Zeit Mir wohl gewisse Häuser erbauen und darin, gleich den Pharisäern im Tempel zu Jerusalem und gleich den Heidenpriestern in den Götzentempeln, einen gewissen Gottesdienst verrichten an einem bestimmten Tage in der Woche, zu dem sie dann noch mehrere gewisse große und Hauptfeiertage im Jahre hinzufügen werden. Aber wenn das wider Meinen Rat und Willen unter den Menschen gang und gäbe werden wird, dann werden sich die vorbesprochenen Zeichen Meiner lebendigen Gegenwart bei, in und unter den Menschen völlig verlieren! Denn in den von Menschenhänden unter dem Titel ,Gott zur größeren Ehre!‘ erbauten Tempeln werde Ich ebensowenig daheim sein, wie nun im Tempel zu Jerusalem! 5. So ihr aber aus Liebe zu Mir in einer Gemeinde ein Haus erbauen wollet, so sei das ein Schulhaus für eure Kinder, und gebet ihnen auch Lehrer nach Meiner Lehre hinzu! Also möget ihr auch ein Haus erbauen für Arme und Kranke und Bresthafte! Versorget solch ein Haus mit allem, was zur Pflege der darin wohnenden Menschen nötig ist, und ihr werdet euch dadurch Meines Wohlgefallens allzeit zu erfreuen haben! Alles andere und Weitere ist vom Übel und hat, wie schon gesagt, keinen Wert vor Gott. 6. In einem wohlbestellten Schulhause aber könnet da schon auch ihr eure Versammlungen und Besprechungen in Meinem Namen halten und habt nicht not, zu dem Zwecke noch irgendein drittes Haus zu erbauen. 7. Wie aber Gott im Geiste und in der Wahrheit ohne Unterlaß anzubeten ist, das habe Ich euch allen klar und wohlbegreifbar gezeigt, und so habe Ich euch nichts Weiteres mehr hinzuzufügen. Ich habe euch den Weg gezeigt, auf dem fortwandelnd ihr zu aller Wahrheit und Weisheit gelangen könnet, und das war vorderhand für euch notwendig. Nun aber wandelt und handelt also, und suchet vor allem in euch das Gottesreich, alles andere wird euch hinzugegeben werden!“ 8. Auf diese Meine Worte verneigten sich alle Anwesenden und dankten Mir in voller Inbrunst auch für diese Belehrung. Auch die Witwe mit ihrem Sohne trat noch einmal vor Mich hin, und beide dankten Mir für die ihnen erwiesene Liebe, und Ich erteilte darauf allen den Segen, und wir begaben uns darauf schnell auf die Weiterreise. 9. Als wir durch das Städtchen zogen, da sahen uns viele, die gestern Zeugen waren von dem, was Ich dem Sohne der Witwe getan hatte, und liefen auf uns zu und riefen laut: „Heil dir, du großer Prophet des Herrn! Durch dich hat Gott Sein Volk nun abermals in seiner großen Verlassenheit heimgesucht. Dank und Ehre Ihm, dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, jetzt und in alle Ewigkeit! O du von Gottes Geiste vollst erfüllter großer Prophet, möchtest du uns denn nicht gestatten, daß da einige von uns mit dir zögen, damit sie so vernähmen deine Lehre und sie uns dann verkündeten? Denn wir haben gestern deinen wenigen Worten entnommen, daß du voll göttlicher Weisheit bist, – und von der möchten wir mehreres vernehmen!“ 10. Sagte Ich: „Dessen habt ihr nun nicht nötig! Wollet ihr aber nach Meiner Lehre leben und handeln, da haltet die Gebote Gottes, die Moses gab, und ihr werdet so auch völlig nach Meiner Lehre leben; denn Ich bin nicht in diese Welt gekommen, um Moses und die Propheten aufzuheben, sondern zu bestätigen und alles zu erfüllen, was in ihren Büchern geschrieben steht. 11. Wollet ihr aber Näheres über Mich Selbst in Erfahrung bringen, so gehet zu der Witwe hin, bei der sich auch noch die Griechen befinden! Diese werden es euch schon verkünden, was sie aus Meinem Munde vernommen haben.“ 12. Auf diese Worte aber verließen Mich diese Zudringlinge und begaben sich zur Witwe hin. Kapitel 45 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 Des Herrn Zug durch Samaria 45. — Die Karawane der Räuber 1. Ich aber zog mit den Jüngern schnell weiter auf dem Wege, der auch gen Jerusalem führt. Aber Ich zog noch nicht alsogleich nach Jerusalem, sondern machte einen großen Umweg, und zwar durch Samaria und einen Teil von Galiläa, in welchen Provinzen Mich die Menschen schon größtenteils kannten und hie und da ihre Kranken zu Mir brachten, und Ich sie auch heilte. 2. Der Weg aber, den wir zu durchreisen hatten, war ein ziemlich verlassener und war deshalb auch wenig begangen, und wir konnten, ohne viel gesehen zu werden, oft mit Windesschnelle uns fortbewegen, wie wir das bei weit zu machenden Reisen auch immer getan hatten. 3. Als wir uns gen Mittag hin schon in Samaria befanden, da begegnete uns eine kleine Karawane, die über Jericho nach Ägypten zog. 4. Der erste Führer der Karawane aber hielt vor uns an und fragte uns in griechischer Zunge, ob man auf diesem Wege wohl gut nach Jericho und von dort weiter nach Ägypten kommen könne. 5. Ich aber sagte zu ihm: „Wie bist du denn ein Führer geworden, so du selbst der Wege unkundig bist?“ 6. Sagte der Führer: „Wir sind noch weit hinter Damaskus zu Hause und machen in unserem Leben zum ersten Male diese weite Reise; daher sind wir denn auch oftmals genötigt, hie und da uns nach dem rechten und nächsten Weg zu erkundigen, was hier oft auch schwierig ist, weil nur selten jemand unserer Zunge mächtig ist.“ 7. Sagte Ich: „Höre, so ein Wanderer eines Weges, den er zu bereisen hat, wahrhaft unkundig ist, da tut er ganz recht und wohl, so er sich bei jemand nach dem rechten und möglich nächsten Weg, der in ein fremdes Land führt, erkundigt; aber es ist nicht fein von dir, uns hier auf dem Wege unter dem Vorwande auf- und anzuhalten, als wärest du des Weges, den du wohl schon bei zwanzig Male durchwandert hast, unkundig! Der Grund aber, aus dem du uns hier aufhältst, ist ein ganz anderer und wahrlich kein löblicher! Du meinst, daß wir geheime Schätze mit uns tragen, deren ihr euch auf eurem Raubzuge bemächtigen möchtet, und deshalb hast du uns angehalten. Doch wir tragen derlei, das du meinst, nicht bei uns; aber andere Schätze für Seele und Geist tragen wir in höchster Fülle bei uns und geben sie auch jedermann umsonst hin, der sie zur Rettung seiner Seele vollernstlich zu besitzen wünscht!“ 8. Auf diese Worte stutzte der Führer und fragte Mich in noch keckerem Ton: „Woher weißt du das von uns, und wer hat uns dir verraten?“ 9. Sagte Ich, auch mit kräftigerer Stimme: „Ich kenne dich und deine siebzig Gefährten schon von deiner Geburt an! Dein rechter Name ist Olgon, den du aber nie, sondern dafür in jedem Orte nur einen erdichteten Namen angibst, so wie auch jeder deiner Helfershelfer, damit man sich in einem Orte, den ihr beraubt habt, nach euch schwer erkundigen kann, um nach euch zu fahnden und euch den Gerichten zu überantworten. 10. Also wollet ihr nun auch nicht nach Ägypten ziehen; aber ihr wisset, daß in Jericho ein großer Markt abgehalten wird, von dem ihr etwas gewinnen möchtet. Und das wisset ihr auch, daß, von heute an gerechnet in vier Wochen, in Jerusalem das Fest der Tempelweihe abgehalten wird, zu welchem Feste stets viele Fremde mit allerlei Schätzen und Waren kommen, von denen ihr sehr vieles gebrauchen könnt. Aber Ich sage es euch: Diesmal werdet ihr einen schlechten Fang machen!“ 11. Sagte der Führer, nun schon voll Zorns: „Wollt ihr noch gesunden Leibes von dieser Stelle kommen, da schweiget, so ihr uns denn schon kennet, allenthalben von uns, und ziehet nun eiligst von dannen; denn auch ich kenne euch und schwöre euch bei allen Göttern die fürchterlichste Rache, so ich es irgend in Erfahrung bringe, daß ihr uns verraten habt! Wir leben wohl vom Raub, aber sind darum dennoch keine Mörder; denn wären wir das, so erginge es euch nun schlecht!“ 12. Sagte Ich: „Kenntest du Mich, so würdest du zu Mir sagen: ,Herr, sei mir großem Sünder gnädig und barmherzig, und vergib mir meine Sünden; denn ich will mich bessern und Buße tun und will mich bemühen, alles Unrecht, das ich jemandem angetan habe, nach Möglichkeit gutzumachen!‘ Aber dieweil du Mich nicht kennst, so bist du entschlossen, in deinen Sünden zu verharren, und schwörest mir Rache bei allen Göttern, da du doch ein Jude bist und die Gesetze Mosis kennst. Wärst du im Ernste nur ein Grieche, da hätte Ich es nicht zugelassen, daß du Mich angehalten hättest; aber weil du auch ein Sohn Jakobs bist, so habe nur Ich das also zugelassen, auf daß dir eine Gelegenheit werde, die Wahrheit zu erfahren und in ihr einen besseren Fang für dein Leben zu machen, als der da wäre, auf den ihr ausgegangen seid.“ 13. Sagte darauf in einem gemäßigten Tone Olgon: „So sage du es mir, wer du seist, auf daß ich dann anders mit dir reden kann!“ 14. Sagte Ich: „Ich bin einer, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, und der Gewalt Meines Willens sind alle Dinge untertan; denn Mein Wille ist Gottes Wille, und Meine Kraft ist Gottes Kraft, die über alle Kräfte ewig waltet und herrscht. Jetzt weißt du, wer Der ist, der mit dir redet!“ 15. Sagte Olgon: „Oh, oh, – wie so denn?! Wenn dir denn schon alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, da wärst du ja mehr denn Moses und alle andern Väter und Propheten; denn sie haben nur eine kleine Macht auf dieser Erde innegehabt, wie wir solches in der Schrift gelesen haben. Und du hättest aber gar alle Macht im Himmel und auf dieser Erde inne? Ah, so etwas habe ich noch niemals aus dem Munde eines Menschen vernommen, – er müßte nur irrsinnig sein, was aber bei dir doch nicht der Fall zu sein scheint, weil du erstens schon das Ansehen danach nicht hast und man zweitens in deiner Rede auch nichts Irriges gewahrt. Wenn dir im Ernste eine solche vollkommenste Gottesmacht innewohnt, so gib uns davon eine Probe, und wir wollen deinem Worte glauben und tun nach deinem Willen!“ 16. Sagte Ich: „So ihr schweigen könnet vor den Juden in Jerusalem und besonders vor den Pharisäern im Tempel und auch andernorts, dahin ihr kommet und Pharisäer treffet; denn vor dieser Menschenunart soll das Licht der Himmel nicht leuchten!“ Kapitel 46 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 46. — Das Bekenntnis der Räuber 1. Sagte Olgon und auch einige Gefährten von ihm: „Ja, wir werden schweigen! Denn auch wir sind die dicksten Feinde der unersättlichen Pharisäer! Wir waren zuvor alle ehrliche Juden und standen im Dienste der Pharisäer. Da wir rüstige und beherzt mutige Menschen waren und auch die Schrift verstanden, so erklärten sie uns eben die Gesetze der Nächstenliebe also: Es stehe wohl geschrieben, daß man nicht stehlen und rauben und auch nicht nach des Nächsten Gut lüstern sein solle, – aber dies sei nur zu verstehen von den Juden untereinander. Wer aber klug, mutig und kräftig sei, der könne den Heiden ihre Schätze stehlen und auch mit Gewalt wegnehmen, wie er nur immer kann und mag, und er begehe keine Sünde vor Gott; im Gegenteil, es habe Gott nur ein besonderes Wohlgefallen an einem solch mutigen und klugen Juden, der den Gottesfeinden ihre irdischen Schätze stiehlt und raubt und davon einen Teil dem Tempel opfert. Doch solle man die beraubten Heiden ohne Not nicht töten, auf daß sie dann nicht mit ihrem tyrannischen Gesetz über die ohnehin von ihnen schon über alle die Maßen gedrückten Juden herfallen und sie ganz zu Tode erdrückten. 2. Und siehe, weil wir die Stimme der Pharisäer für Gottes Stimme hielten, so wurden wir denn auch, ohne uns ein Gewissen daraus zu machen, Diebe und Räuber; denn wir bestahlen und beraubten die Heiden ja – nach unserem anfänglichen Dafürhalten – im Auftrage Jehovas, gleichwie auch der große König David im Auftrage Gottes die Philister und noch andere arge Heidenvölker vom Boden der Erde vertilgen mußte, wie ihm das Gott sicher zu einem Verdienste anrechnete, da Er ihn den Mann nach Seinem Herzen nannte! 3. So dachten auch wir lange Zeit hin, Männer nach dem Herzen Jehovas zu sein; aber als wir mit der Zeit selbst dahinter kamen, wie die Templer selbst sich an den Gütern der Juden zu vergreifen anfingen und das Vermögen der armen Witwen und Waisen an sich rissen, ehebrachen, auch Knaben und Mägdlein schändeten und noch eine Menge anderer Greuel begingen, da ließen wir den ganzen Glauben an einen Gott und an Moses fahren und trieben unser Geschäft für uns, – und es waren nun denn auch reiche Juden vor uns nicht sicher! Wir haben uns darum denn auch in der Griechen und Römer Kleider gesteckt, um als solche auch oft reiche Pharisäer und andere reiche Juden mehr denn irgend Griechen und Römer von ihren Schätzen befreien zu können. Doch den Armen haben wir niemals etwas weggenommen, wohl aber sie oft beschenkt, besonders wenn wir so recht reiche Beuten uns errungen hatten. 4. Weil du nach dem, daß du in deiner wundersamen Allkundigkeit genau wußtest, wer wir sind, und dir auch mein rechter Name nicht fremd war, auch das sicher wissen wirst, daß es sich mit uns auch also verhielt, wie wir es dir nun treu und offen erzählt haben, so wirst du als ein weisester Prophet auch den Grund einsehen, warum wir in dieser Zeit und schon seit mehreren Jahren wahre Erzfeinde der Pharisäer und aller reichen Erzjuden geworden sind. Und so du uns zur Neubelebung unseres Glaubens an Gott und an dich, Seinen außerordentlichen Gesandten und Erwählten, nun ein Zeichen deiner Allmacht über alles im Himmel und auf Erden geben willst, so kannst du auch versichert sein, daß wir dich den Pharisäern niemals verraten werden. Gib uns denn etliche Proben deiner gottähnlichen Allmacht im Himmel und auf Erden!“ 5. Sagte Ich: „Gut denn, weil ihr nun die Wahrheit geredet habt und habet vor Mir offen kundgetan, wie es euch ergangen ist, so fällt alle eure Schuld an die Pharisäer zurück, die darum auch desto mehr Verdammnis überkommen werden –, und euch aber vergebe Ich eure bisherigen Sünden, so ihr in der Folge euer bisheriges Tun und Treiben völlig aufgebet und als ehrliche Juden euch auch ehrlich ernähret und fortbringt, was ihr leicht tun könnet, da ihr euch der irdischen Mittel bisher schon in Übergenüge zu eigen gemacht habt, mit denen ihr aber auch reichlich der Armen, ob Juden oder Heiden – was nun eins ist –, gedenken sollet. Versprecht ihr Mir auch das offen und treu, so will Ich euch denn auch sogleich die Proben von dem geben, was Ich Selbst von Mir zu euch gesagt habe.“ 6. Sagten alle, sich mit den Händen auf die Brust schlagend: „Herr, das wollen und werden wir tun, so wahr wir uns mit unseren eigenen Händen auf unsere Brust schlagen, und so wahr wir, durch dich neu angeregt, an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs glauben und alle Seine Gebote genauest halten wollen, auch in allen unseren Kindern und Kindeskindern bis ans Ende der Welt, so uns Gott helfen wolle!“ Kapitel 47 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 47. — Die Umgestaltung der Wüste 1. Sagte Ich: „Nun wohl denn also! Gebet denn acht, und entsetzet euch nicht; denn es wird euch kein Haar gekrümmt werden! Sehet, hier ist eine wüste Gegend von mehreren tausend Morgen Landes; nichts als kahles, wüstes Gestein, kaum hie und da mit einem halbverdorrten Dorngestrüpp bewachsen und mit wenigen Disteln. Diese Wüste ist auch ihrer Unfruchtbarkeit und ihrer sonstigen Zerstörtheit wegen für nichts als höchstens für einen elenden und schwer und mühsam zu begehenden Saumweg tauglich. 2. So Ich hier mit dieser Gegend eine Änderung vornehme und sie dann euch und euren Nachkommen zu eigen gebe, so wird dabei niemand in seinem Landbesitzeigentum beeinträchtigt. Ihr aber habt euch ohnehin zumeist in dieser Wüste und in ihren vielen Klüften und Höhlen aufgehalten und sie so zu eurer Hauptheimat gemacht, was den an diese Wüste angrenzenden Samaritern und teilweise auch Galiläern und Juden nur zu wohl bekannt ist, und so werdet ihr diese Gegend auch in ihrem fruchtbaren und blühenden Zustande unbeanstandet euer Eigentum nennen können. 3. Doch bevor Ich noch vor euch und für euch diese Wüste segnen werde, muß Ich euch zeigen, daß Ich auch der Herr aller Mächte und Kräfte der Himmel bin, und so tuet nun eure Augen, Ohren und Herzen auf! – Offenbaret euch, ihr den Fleischesaugen verborgenen Mächte und Kräfte Meiner Himmel!“ – 4. Als Ich dieses ausgesprochen hatte, da ward allen die innere Sehe aufgetan, und sie ersahen zahllose Heere von Engeln und vernahmen einen hohen Lobgesang, dessen Sinn aber ihre Seelen nicht zu fassen vermochten; und viele der lichtesten Engel senkten sich zu Mir hernieder und beteten an Meinen Namen. 5. Als die früheren Räuber das sahen, überkam sie eine große Furcht. 6. Ich aber sagte zu ihnen: „Was fürchtet ihr euch denn vor diesen Meinen Engeln, die Mir untertan sind und bleiben seligst für ewig? Bin ja doch nur Ich der alleinige Herr über alles im Himmel und auf Erden, und ihr habet vor Mir euch lange nicht gefürchtet, obschon Ich euch das gesagt habe!“ 7. Hierauf stiegen auch die Räuber alle von ihren Saumtieren, warfen sich auf die Knie und baten Mich um Barmherzigkeit. 8. Diese Erscheinung aber dauerte bei einer Viertelstunde lang, während welcher Zeit Ich den um Mich knienden Engeln gebot, daß sie über diese Gegend alsbald den mächtigsten Blitz, Wind und Regensturm bescheiden sollten, auf daß Ich darauf diese Wüste in ein Fruchtland segne! 9. Darauf fing diese Erscheinung nach Meinem Willen zu verschwinden an; aber an ihrer Stelle fing der irdische Lufthimmel sich mit den dichtesten Wolken zu füllen an. Es dauerte keine halbe Stunde, so fingen vom Süden her so heftige Orkane zu wüten an, daß die Räuber und selbst Meine Jünger Mich zu bitten anfingen, sie nicht zugrunde gehen zu lassen. 10. Ich aber sagte: „Habt ihr an Meiner Seite derlei doch oftmals erlebt, und es ist euch dabei niemals ein Haar gekrümmt worden! So Ich bei euch bin, ihr Kleingläubigen, welche Macht soll euch da beschädigen können?“ 11. Mit dem gaben sich die Jünger wieder zufrieden. Es war aber einige Schritte weiter vorwärts eine geräumige Höhle. Als der Sturm aber stets heftiger ward, ein Blitz dem andern zu tausendmal tausendweise folgte und der Regen in Strömen aus den Wolken zu stürzen begann, da nahmen die Räuber ihre Saumtiere und flüchteten sich mit ihnen in die Höhle, während Ich mit den Jüngern an der offenen Stelle verblieb, ohne auch nur von einem Tropfen Regen berührt zu werden. 12. Der Sturm aber dauerte auch nur eine volle halbe Stunde lang, und dennoch hatten die mächtigen Blitze das wüste Gestein der ganzen Wüste mehr denn mannstief zu einem grauen Lehmteige zermalmt und zerknetet, und die kreuz- und querströmenden Fluten hatten damit die vielen Gräben und Schluchten ausgefüllt und sie dadurch für Äcker und Gärten tauglich gemacht. Die vielen andern Erdlöcher und Höhlen aber hatte unsichtbar Mein Wille ausgefüllt, und so ward die ganze, nicht unbedeutend große Wüste in der kurzen Zeit von im ganzen kaum einer vollen Stunde zu einem üppigen Acker- und Weinberglande umgestaltet. Der Sturm war zu Ende, der Himmel klärte sich auf, und die Sonne beschien mit ihren warmen Strahlen nun einen neuen Erdboden. Kapitel 48 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 48. — Die Segnung der Wüste durch den Herrn 1. Nun kamen denn auch unsere Räuber ganz kleinmütig aus der Höhle, die Ich nicht verschwemmen und ausfüllen ließ, zum Vorschein, und Ich berief den Olgon zu Mir. 2. Und als er kam mit noch einem Paar seiner ersten Gefährten, da sagte Ich zu ihm: „Nun, Olgon, glaubst du, daß Ich Der bin, als den Ich Mich dir mit dem Munde vorgestellt habe?“ 3. Sagten Olgon und seine beiden Gefährten: „Ja, o Herr, Herr! Wir glauben das ja nun weit über auch den kleinsten Zweifel hinaus! Du bist kein Erwählter Jehovas, sondern Du bist wahrlich, wahrlich und nun leibhaftig wundersamst Er, Er – Selbst! O sei uns armen und allzeit schwachen Sündern vor Dir gnädig und barmherzig!“ 4. Sagte Ich: „Ich habe euch eure Sünden, an denen die Pharisäer die Schuld haben, schon vergeben; habt ihr aber nach eurem Gewissen noch an jemand irgend etwas verbrochen wider das Gesetz Mosis, so machet das an ihm gut, – und so er es euch vergeben wird, da ist es euch auch völlig vergeben in allen Himmeln. 5. Solltet ihr aber einen harten Menschen finden, der es euch nicht vergeben wollte, so lasset euch darum nicht bange werden im Herzen, denn da wird euer guter Wille fürs Werk bei Mir angenommen werden, und der unversöhnliche Mensch wird seine Härte auf seiner Rechentafel als Schuld aufgezeichnet finden! – Denn Ich allein bin der weiseste und allergerechteste Richter, der allein einem jeden sein wahrstes Urteil allerwirksamst zukommen läßt. 6. Aber nun habt ihr von Mir ein förmliches Land zum Geschenk also erhalten, daß es euch auch nicht einmal ein Engel der Himmel, geschweige ein Mensch streitig machen könnte; aber wie ihr sehet, so sieht es nun noch öder und unwirtlicher aus denn zuvor, obschon es nun durch eine außerordentliche Umwälzung ungemein fruchtbar geworden ist. Es fragt sich nun, wie ihr es bebauen werdet.“ 7. Sagte Olgon: „O Herr, Herr! Das ginge nach meiner Idee nun ganz sicher, leicht und gut! Siehe, o Herr, Herr, als Du die Erde erschaffen hast durch Deines Geistes allmächtigsten Gottwillen, da hattest Du ja doch auch nicht irgend für die zahllos vielen Pflanzen den Samen zuvor schon irgend vorrätig besessen, außer pur in Deinem allmächtigen Willen! Du aber bist in Ewigkeit Derselbe, der Du auch zu Anfang der wunderbaren Erschaffung der ganzen großen Erde warst. Besame nun Du die Gegend mit der Allmacht Deines Gottwillens, und die Gegend wird sicher also am allerbesten angebaut sein! O Herr, Herr, tue auch hier dasselbe, und die ganze ehedem wüsteste Gegend wird ehest in ein wahres Eden umgewandelt werden!“ 8. Sagte Ich: „Ja glaubet ihr denn wohl auch ungezweifelt, daß Ich auch das zu tun imstande wäre?“ 9. Sagte Olgon: „O Herr, Herr! Dir ganz allein ist nichts unmöglich! Was Du sagst, ist ewige Wahrheit, und wir glauben sie ungezweifelt, und was Du willst, das geschieht, und wir wollen und werden Deinen Willen auch tun also, wie Du ihn durch Moses und durch die Propheten den Menschen geoffenbart hast. Und wir haben nun ja auch aus Deinem Munde vernommen, was Dein Wille ist, und wir werden treu danach handeln; aber besame Du, o Herr, Herr, die jetzt noch wüste Gegend!“ 10. Sagte Ich: „Also sei es denn, wie ihr glaubet! – Wie wüste und öde da war diese Gegend, ebenso wüste und öde war euer Herz, Sinn und Wille, und eure völlige Glaubenslosigkeit erzeugte die Härte eures Herzens, das völligst dem Steinboden dieser Wüste glich. Ich aber erweckte in euren Herzen einen mächtigen Sturm und erweichte es durch den geöffneten Himmel in euch, durch die Wahrheitsblitze Meiner Worte, durch die euch gezeigte Sturmmacht Meines Willens und endlich durch den gewaltigen Regenerguß Meiner Liebe und Erbarmung und habe euch denn auch wieder besamet mit vieler Wahrheit aus dem Munde Gottes, die euch die wahrsten Früchte des Lebens bringen wird, so ihr nach ihr leben und handeln werdet. Wie Ich aber euch besamt habe nun in aller Kürze mit allerlei Frucht zum ewigen Leben der Seele, also ist nun auch besamt diese Wüste mit allerlei Frucht zur Nahrung eures Leibes. 11. Ihr seid euer siebzig an der Zahl, und so ihr diese Gegend nach den verschiedenen Richtungen durchwandern werdet, so werdet ihr auch schon ebenso viele mit allem versehene Wohnhäuser finden; und wer eines oder das andere in Besitz nehmen soll, das wird euch ein am Hause angeschriebener Name zeigen. Binnen kurzem wird die Gegend vor euren Augen ergrünen und erblühen. – Nun möget ihr gehen zu besehen, was Ich für euch getan habe! 12. Verbreitet aber Mein Wort auch unter den Heiden, die häufig zu euch kommen werden; doch von dem Wunderzeichen schweiget vorderhand, und machet auch nachderhand nicht viele Worte, es genügt zu sagen, daß bei Gott alles möglich ist.“ 13. Auf diese Meine Worte zog Ich mit den Jüngern wieder sehr schnell weiter, und ehe sich die bekehrten Räuber umsahen, waren wir schon weit von ihnen entfernt. Kapitel 49 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 49. — Die Übernahme der fruchtbaren Kolonie 1. Es hatten zwar die bekehrten siebzig Räuber durch den Mund Olgons angegeben, daß sie noch weit hinter Damaskus daheim wären; aber es war das auch unwahr, da sie mit ihren Weibern und Kindern nur gewisse schwer zugängliche Höhlen und Grotten dieser Gegend bewohnten. Aber sie machten ihre Raubzüge oft wohl auch in der Gegend um Damaskus, kehrten aber dann mit der Beute allzeit wieder in diese Gegend zurück, die ihnen vor allen Nachstellungen immer den sichersten Schutz bot. 2. Als wir ihnen zu ihrem abermaligen großen Staunen in wenigen Augenblicken aus den Augen völlig entschwunden waren, da machten sie sich denn auch auf und zogen längs der Wüste so weit zurück, allwo ihre Weiber und Kinder in einer schwer zugänglichen großen Grotte, die von dem Sturme mehr verschont blieb und auch nicht verschlammt ward, mit ihren Habseligkeiten wohnten. Als die siebzig Männer in die Grotte so bald wieder zurückkamen, da staunten darob ihre vor Furcht und Angst, die in ihnen der plötzlich entstandene, nie erhörte Sturm bewirkte, noch bebenden Weiber und Kinder, daß sie so bald und ohne Beute zurückgekehrt seien. 3. Die Männer aber erzählten in Kürze alles, was sich mit ihnen unerhörtest wundersamstermaßen zugetragen hatte, und daß sie nun – was die Weiber schon lange gewünscht hatten – von dem Raubmachen für alle Lebenszeit abgestanden seien, aber dafür von einem mit dem Geiste Gottes erfülltesten Manne eine endlos bessere Lebensbeute zum ewigen Leben der Seele erhielten, als da wert wären alle Schätze der Erde. 4. Sie erzählten auch den immer neugieriger werdenden Weibern und Kindern, wie der Gott gleich mächtige Mann durch Sein Wort und Seinen Willen durch eben den erschrecklichen Sturm diese alte, unwirtlichste Wüste in ein wahres, fruchtbarstes Eden umgestaltet und ihnen zum unbestreitbarsten Eigentum gegeben habe, und daß auf den verschiedenen Punkten dieser ehemals so wüsten Landschaft auch schon fertige und mit allem wohlversehene Wohnhäuser in Bereitschaft stünden, die sicher auch nur die rein göttliche Macht des besagten Mannes erschaffen habe. 5. Als die Weiber solches von ihren Männern erfuhren, so hieß es, nur gleich ohne viel Säumens die wunderbaren Häuser aufsuchen gehen. Die Männer aber meinten, daß das vor drei Tagen kaum möglich sein werde, weil die Klüfte, Gräben und Schluchten noch voll Schlammes sein würden, in den man leicht ganz versinken und den Tod finden könnte. 6. Als die Weiber das vernahmen, da gaben sie nach; aber nach drei Tagen gingen sie die Wohnhäuser suchen, und es fand ein jeder das für ihn bestimmte und bezog es auch alsbald. 7. Es waren aber diese Wohnhäuser also gestellt, daß sie von den diese Gegend durchziehenden Wanderern von keinem Punkte des Weges irgend gesehen werden konnten, was für die Bewohner ganz gut war, auf daß sie nicht von den Reisenden vor der Zeit überlaufen werden mochten, die sie gleich mit tausend Fragen belästigt hätten, wie und wann die Bewohner sie erbaut und wie sie diese alte Wüste fruchtbar gemacht haben. 8. Denn nach ein paar Wochen merkte man der Wüste Meinen Segen schon an allen Punkten an, und viele diese ehemalige Wüste durchwandernde Samariter und Griechen fragten hie und da emsig, wer diese Wüste so kultiviert habe, und es konnte ihnen niemand einen Bescheid geben. Die es aber wohl wußten, die ließen sich nicht viel unter den andern Menschen sehen, – in der ersten Zeit schon gar nicht. Erst als einige Früchte zu reifen begannen, da kamen auch Samariter und hielten Rat, an wen das Land verteilt werden solle, so es nicht schon irgend eingewanderte Besitzer hätte. 9. Da kam denn auch Olgon mit mehreren seiner Gefährten herbei und sagte zu denen, die da Rat hielten: „Freunde, diese ganze weite Wüste war nie jemandes Eigentum, wie auch die weite Meeresfläche nie noch jemandes ausgemessenes Eigentum war. Wir als von den Pharisäern verfolgte Juden, weil wir ihrem argen Sinne nicht dienen konnten und wollten, haben diese Wüste in unsern Wohnbesitz genommen und haben sie mit der alleinigen Hilfe des Herrn Himmels und der Erde fruchtbar gemacht, und wahrlich, Jehova Selbst hat sie uns zum unbestreitbaren Eigentum gegeben, und somit brauchet ihr fernerhin keinen Rat darüber mehr zu halten, wem nun diese fruchtbare Gegend zum Eigentume fallen solle; denn sie ist schon von siebzig Familien in Besitz genommen, die auch in dieser Gegend ihre Wohnhäuser wohl eingerichtet haben.“ 10. Als die Beratenden solches von Olgon vernommen hatten, da stutzten sie und fragten einen römischen Richter, der mit ihnen diese Gegend durchzog, wie das zu nehmen wäre, indem diese Wüste denn doch ganz samaritanischer Boden sei und die Samariter darauf im allgemeinen ein Besitzrecht hätten. 11. Der Richter aber sagte: „In welchem Lande immer eine seit undenklichen Zeiten besitzlose vollkommene Wüste besteht und sich auch kein Landsasse zu einem Besitze einer solchen Wüste je vor einem Gericht gemeldet hat, so ist eine solche Wüste frei und wird als Besitz auch von dem Gerichte dem ersten besten eingeräumt, der sich für den Besitzer erklärt hat. Da sich diese Männer, denen diese ehemalige vollkommene Wüste die Kultur verdankt, nun als Besitzer erklärt haben, so wird ihnen der unbestreitbare Besitz vom Gericht aus eingeräumt. 12. Als Kultivierern einer Wüste, die zuvor niemandes Eigentum war, kommt ihnen aber noch die Begünstigung zu, daß sie volle zwanzig Jahre die Befreiung von jeder Art Steuer zu genießen haben. Wollen sie sich jedoch freiwillig nach einer gemachten guten Ernte zu einem Ehrentribut für den Kaiser bekennen, so werden sie sich auch bei allen irgend für sie mißlichen Angelegenheiten eines besonderen Schutzes von seiten Roms zu erfreuen haben. Ich, ein Richter im Namen des mächtigen Kaisers in Rom, habe geredet und also befohlen!“ 13. Durch diesen Akt ging denn auch das in Erfüllung, daß den siebzig Familien den Besitz der kultivierten Wüste niemand streitig machen konnte. In ein paar Jahren war diese Gegend schon eine der fruchtbarsten und wurde von allen Reisenden hoch bewundert; und die Besitzer hatten sich schon nach einem Jahre freiwillig zur Entrichtung eines Ehrentributs für den Kaiser beim Gerichte gemeldet und wurden dadurch zu römischen Bürgern erklärt und gemacht, was ihnen viele Vorteile gewährte. 14. Aber diese neugeschaffene Gemeinde blieb auch viele Jahre hindurch, obschon sie große Proben zu bestehen hatte, am reinsten, gleichwie auch die der Essäer. Freilich – in den späteren Zeiten ging auch dieser schönste Teil Samarias unter den verheerendsten Kriegen und Völkerwanderungen zugrunde und ward wieder zur alten Wüste. 15. Und nun kehren wir wieder zu uns selbst zurück! Kapitel 50 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 50. — Der Herr mit den Seinen in einer Herberge in Samaria 1. Wir kamen am selben Tage in die Stadt Samaria und kehrten daselbst in einer mehr abgelegenen Herberge ein. Als wir in die Herberge eintraten, da kam uns der Wirt gleich ganz freundlich entgegen, denn er hoffte, bei uns einen Gewinn zu machen. Es waren aber die Jünger, da sie seit dem Morgen weder etwas gegessen noch getrunken hatten, schon sehr hungrig und durstig, was Ich wohl wußte, obwohl sie diesmal nicht, wie oft zu andern Malen bei ähnlichen Gelegenheiten, heimlich unter sich ein wenig murrten. 2. Und Ich fragte darum sogleich Selbst den Wirt, sagend: „Freund, wir haben heute schon einen sehr weiten Weg durchwandert und haben von frühmorgens an nichts zu uns genommen, da auf dem ganzen Wege auch nicht eine Herberge anzutreffen war, und sind darum hungrig und durstig. Was kannst du uns in Bälde zum Essen und zum Tranke bieten?“ 3. Sagte der Wirt: „Ihr seid eurer nahe an vierzig Mann an der Zahl, und es werden darum ebenso viele Fische und Brote und auch ebenso viele Becher Weines sicher nicht zu viel sein!“ 4. Sagte Ich: „Lasse von den Fischen die doppelte Anzahl bereiten; denn deine Fische sind kleiner Art, und da sind zwei nicht zuviel für einen von uns. Sieh aber, daß sie bald und gut bereitet werden! Vorderhand aber gib uns Wein, Brot und Salz!“ 5. Sagte der Wirt etwas verlegen: „Ja, meine lieben und wertesten Herren Gäste, es wäre schon alles recht also, wenn ich nur den von euch erwünschten Vorrat an allem dem hätte! Es wird mir mit den Fischen sowohl, wie auch mit dem Brote etwas schlecht gehen, da ich mich nicht so reichlich damit einrichte, indem meine Herberge wegen ihrer unvorteilhaften Abgelegenheit im ganzen nur spärlich besucht wird, aber mit Wein kann ich schon noch ordentlich dienen. Kurz, was da ist, das sollet ihr auch haben; mehr aber kann auch Gott Selbst nicht von einem Menschen verlangen!“ 6. Sagte Ich: „Da hast du zwar ganz recht geredet; doch mit den Fischen steht es bei dir dennoch besser, als wie du es hier bekannt hast! Aber du hast geheim nur so eine kleine Sorge, als dürften wir dir am Ende die achtzig Fische nicht bezahlen können, und gibst uns darum einen geringeren Vorrat an! Mit dem Brote, ja da geht es dir heute etwas kärglich, aber mit den Fischen nicht; habe darum keine Sorge, und laß für uns schnell die verlangte Anzahl Fische bereiten, und bringe uns Brot und Wein!“ 7. Hierauf ging der Wirt eilig, schaffte alles an und ließ sogleich durch seine Diener Brot, Wein und Licht in das Gastzimmer bringen; denn es war schon tiefer Abend, und im Zimmer war die Nacht vollends herrschend geworden. Als das Gastzimmer nun erleuchtet war, da kam auch der Wirt wieder zu uns und gab uns die Versicherung, daß wir binnen einer halben Stunde Zeit bestens bedient werden würden. Dabei aber betrachtete er uns mit der größten Aufmerksamkeit und wußte nicht recht, für was und für wen er uns halten solle; denn etliche von uns trugen griechische Kleidung, etliche jüdische und etliche gleich Mir die galiläische. 8. Da aber den Wirt die Neugierde zu sehr zu plagen begann, so wandte er sich in aller Artigkeit an einen ihm zunächst stehenden Jünger, und zwar an den Thomas, und sagte (der Wirt): „Erlaube mir, Freund, eine Frage!“ 9. Sagte Thomas: „Dort obenan sitzt der Herr, an Den richte deine Frage! Er wird sie dir am besten beantworten! Wir andern alle sind Seine Jünger und Diener Seines Willens.“ 10. Auf das kam der Wirt zu Mir und sagte: „Herr, vergib mir meine Freiheit und gewissermaßen Zudringlichkeit! Ich möchte denn doch wissen, welches Landes Kinder ihr seid. Nach der Kleidung seid ihr Judäer, Galiläer und auch Griechen. Welch ein Geschäft treibet ihr wohl? Handelsleute seid ihr sicher nicht, da ihr keine Waren mit euch führt, und irgendwelche Künstler oder Zauberer scheint ihr auch nicht zu sein; denn dazu habt ihr ein zu offenes Aussehen. Und wie wußtest du, daß ich mit Fischen weit besser versehen sei als mit dem Brote? Kurz und gut, euer ganzes Erscheinen hier in meiner abgelegenen und stets nur spärlich besuchten Herberge kommt mir ein wenig sonderbar vor. Ihr müßt es mir schon vergeben, so ich hier etwas offener, wie sonst gebräuchlich, mit euch rede.“ 11. Sagte Ich: „Höre, du sehr neugieriger Wirt! Wenn wir uns werden mit dem Brote, Weine und den Fischen gestärkt haben, dann werde Ich dir schon sagen, was wir für Landsleute sind. Jetzt sorge du nur, daß das Abendmahl bald bereitet wird, und bringe nun noch mehr Wein und Brot; denn mit der ersten sehr mäßigen Gabe sind wir bereits zu Ende!“ 12. Als der Wirt solches von Mir vernommen hatte, da ging er sogleich und brachte Brot und Wein zur Genüge. 13. Und Ich sagte zu ihm: „Da siehe, es scheint dir nun auch mit dem Brote besser zu gehen denn zuvor; auch kommt mir dieses Brot größer und besser vor als das, welches du uns zuerst aufgesetzt hast! Wie kommt denn das?“ 14. Nota bene: Ich wußte es wohl, wie das kam, und fragte den Wirt nur, auf daß er sich selbst prüfen möchte. 15. Der Wirt machte auf Meine Frage große Augen und wußte nicht, was er Mir darauf hätte antworten sollen. Er verkostete das ihm auch fremd vorkommende Brot und fand es überaus wohlschmeckend. 16. Nach einer Weile erst sagte er (der Wirt): „Sonderbar! Ich weiß doch sonst um alles, was in meinem Hause ist und geschieht; aber woher mein Weib etwa im geheimen dieses wahre Königsbrot bezogen hat, das weiß ich wahrlich nicht! Es ist nur noch das schon ordentlich wunderbar, daß nun meine Brotkammer ganz voll mit derlei Brotlaiben angefüllt ist. Aber sei das nun schon, wie es wolle, – ich bin nur froh, daß ich wieder mit dem Brote sicher auf mehrere Tage hin bestens versorgt bin! Aber mein Weib muß ich denn doch ein wenig ausforschen, woher das Brot bezogen wurde, und wer es bezahlt hat, und um welchen Betrag. Denn derlei wahres Königsbrot ist teuer, und es dürfte ein Laib wohl vier Pfennige kosten!“ 17. Hierauf berief er sein Weib und fragte sie, woher das Brot gekommen sei, von dem nun auf einmal die Brotkammer ganz voll sei, und wie teuer es wäre. 18. Das Weib kostete auch das Brot, machte ein noch verwunderteres Gesicht denn zuvor der Wirt und schwor bei ihrer Treue, daß auch sie nicht im geringsten wisse, von woher das Brot gekommen sei. 19. Es wurden darauf auch mehrere Dienstleute befragt, ob sie nicht wüßten, woher das viele und überaus gute Brot in die Brotkammer gekommen sei. Aber auch diese schworen, daß sie davon nicht die leiseste Kunde hätten. 20. Sagte Ich zum Wirte: „Was fragst du da nun lange herum? Sei froh, daß deine Kammer voll Brotes ist, und siehe, daß die bestellten Fische bald auf den Tisch kommen; hernach wird sich vielleicht noch manches Rätsel lösen lassen!“ Kapitel 51 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 51. — Des Wirtes Fragen nach dem Herrn 1. Darauf ging der Wirt mit dem Weibe und mit den Dienstleuten wieder in die Küche, und bald darauf wurden die bestellten und sehr wohlzubereiteten Fische und eine große Schüssel voll mit wohlgekochten Linsen auf unseren Tisch gesetzt, und wir fingen an zu essen, und der Wirt selbst mußte mit uns halten, ward dabei voll frohen Mutes und wußte uns eine Menge zu erzählen, was sich seit wenigen Jahren in Samaria alles, und das wundersamstermaßen, zugetragen habe. 2. Unter anderem erzählte er auch, sagend (der Wirt): „Es nimmt mich gerade wunder, daß ihr als Judäer, Galiläer und Griechen von dem berühmten Galiläer, der ungefähr vor zweieinhalb Jahren mit mehreren Jüngern hierher gekommen ist und hat da gelehrt von der Ankunft des Reiches Gottes mit wunderbarer Rede und hat in der Stadt und in der Umgebung Wunder gewirkt, die nur Gott allein möglich sein können, beinahe nichts zu wissen scheinet! Es sind wohl erst unlängst Judäer hierher gekommen und sagten, daß sie von Ihm ausgesandt seien, um zu predigen allen Völkern das Evangelium. Und wir glaubten ihnen das auch; denn sie bestätigten ihre Aussage auch durch sehr beachtenswerte Wunderzeichen, indem sie bloß durch die Auflegung ihrer Hände im Namen ihres Aussenders gar viele Kranke plötzlich geheilt haben. Zudem war ihre Lehre ganz dieselbe, die Er in der erwähnten Zeit Selbst hier gelehrt hat, und so glaubten wir den Jüngern um so mehr. 3. Sagt mir doch, weil wir nun schon einmal so recht fröhlich beisammen sind, was ihr von dem großen und für mich wahrlich über alles denkwürdigen und auch weit über alle Menschen erhabenen Manne wisset! Denn bei uns Samaritern gilt Er unwiderruflich für den verheißenen Messias, für den Retter und Erlöser der Menschen aus der Gewalt jeglichen Feindes der Wahrheit, der Liebe, des Lebens und dessen Freiheit. Oh, saget es mir doch, ob und was ihr von Ihm wisset und auch von Ihm haltet!“ 4. Sagte Ich: „Freund, wir wissen gar sehr vieles von Ihm und halten auch alles auf Ihn; aber da Er nach deiner Aussage vor zweiundeinhalb Jahren Selbst hier war, gelehrt und Zeichen gewirkt hat, so wirst du Ihn ja doch auch einmal persönlich gesehen haben? Oder ist dir keine Gelegenheit zuteil geworden, Ihn bei Seiner Gegenwart in dieser Stadt persönlich zu sehen?“ 5. Sagte der Wirt: „Freunde, das ist für mich eben das Bedauerliche! Ich war eben in jener Zeit von hier abwesend, weil ich in Tyrus ein Handelsgeschäft abzumachen hatte, und meine Leute haben von Seiner Anwesenheit erst dann etwas vernommen, als Er schon über Berg und Tal war. Ich kam darauf nach ein paar Tagen nach Hause und hörte in der ganzen Stadt und Umgegend nichts als nur von dem Manne, Seiner Lehre und Seinen Taten reden, die so unglaublich groß und wunderbar sind, daß sie ein Fremder, dem man es erzählt, gar nicht glauben kann, so wahr sie auch bloß durch das Wort und durch den Willen jenes Mannes bewerkstelligt worden sind. 6. Es lebt hier ein Arzt im besten Wohlstande mit einem Weibe, die vormals bekanntermaßen, was die Keuschheit anbelangt, etwa nicht im besten Rufe gestanden ist. Der erwähnte Arzt habe mit dem Manne etwa die größte Bekanntschaft gehabt und hat von Ihm auch die Wunderkraft überkommen, die Kranken verschiedener Art zu heilen bloß durch das Auflegen der Hände. Von dem erwähnten Arzte habe ich denn auch das meiste über jenen Mann aller Männer in Erfahrung gebracht. Er hat mir auch Seine äußere Gestalt beschrieben; aber die beste Beschreibung läßt die Wirklichkeit stets in der Dunkelheit. Man schafft sich in der Phantasie wohl ein Bild, das aber am Ende mit der Wirklichkeit dennoch keine Ähnlichkeit hat. Und so kann ich mir aus gar leicht begreiflichen Gründen von der Gestalt des großen Gottmenschen keine rechte Vorstellung machen. 7. Es treibt sich im Lande Samaria auch ein gewisser Johannes herum, der vormals ein Bettler war, nun aber auch die von dem großen Manne vernommene Lehre den andern Menschen predigt, selbst ein strenges Leben führt und durchs Gebet und durchs Händeauflegen im Namen des großen Mannes auch viele Kranke heilt und auch die Besessenen von ihren Plagegeistern befreit. Nun, dieser erwähnte Mann war auch schon einige Male bei mir und hat mir vieles erzählt, und ich habe ihn darum nach meinen Kräften auch allzeit bestens bewirtet; aber darum kann ich mir die Gestalt des großen Gottmenschen dennoch nicht vollkommen vorstellen. 8. Ich bin auch schon vor einem Jahre, als ich von Seinem Wirken viele und große Dinge von vielen Reisenden erfahren habe, Ihm einen ganzen Monat lang nachgezogen und bin in Orte gekommen, in denen Er kurz vorher gelehrt und gewirkt hatte; aber wenn ich in einem Orte ankam und mich emsigst nach Ihm erkundigte, da hieß es: ,Ja, vor zwei oder drei Tagen war Er hier und hat dies und jenes gesprochen und dies und jenes getan!‘, und ich fand auch Beweise genug, daß es also war. 9. Kurz, ich habe alles in reichlicher Fülle gefunden, das mir zum vollgültigsten Beweise diente, daß Er da war und gehandelt hatte; nur Ihn Selbst konnte ich bis zur Stunde noch nicht zu Gesichte bekommen. Ich habe aber von einem besseren Juden aus Bethlehem, der auch alles auf den großen Gottmenschen hält und an Ihn glaubt, erfahren, daß Er an allen großen Festtagen in Jerusalem und zwar im Tempel Sich aufhält und das Volk lehrt, obgleich Ihm die finsteren und argen Pharisäer im höchsten Grade aufsässig sind. Und so will ich, obschon ich ein von den Erzjuden verachteter Samariter bin, am nächsten Tempelweihfeste dennoch nach Jerusalem ziehen und sehen, ob ich den großen Gottmenschen doch etwa einmal zu Gesicht bekommen werde. 10. Für jetzt aber macht mich ein Wanderer schon überglücklich, so er mir nur recht vieles von Ihm zu erzählen weiß; kann er das, und hält er auch im Glauben alles auf den mir so heilig gewordenen großen Mann, dann kann er bei mir im Hause die Zeit zubringen, wie lange er will, kann und mag, und es kostet ihn sein Aufenthalt und auch selbst die beste Kost nichts. Und wahrlich, so ihr mir ebenfalls recht vieles von dem großen Manne zu erzählen wisset – aber wohl der vollen Wahrheit getreu –, da werdet auch ihr bei mir die Zeche höchst leicht bezahlen. Erzählet mir daher, ihr lieben Männer, auch etwas von Ihm!“ 11. Sagte Ich: „Ja, du Mein lieber Freund, Ich könnte dir freilich gar manches über deinen großen Gottmenschen, in dem die Fülle der Gottheit körperlich wohnt, erzählen und könnte dir am Ende sogar Sein treuestes Ebenbild zeigen, so du deinen Mund wenigstens nur etliche Tage hindurch im Zaume halten könntest; aber in diesem Stücke scheinst du eben kein besonderer Meister zu sein?!“ 12. Sagte der Wirt: „Ja, was meinen heiligen Gottmenschen betrifft, da dürftest du eben nicht ganz unrecht haben; denn was einem Menschen eine zu große Freude macht und das Herz in die vollste Bewegung setzt, das kann man auch schwer verschweigen. Doch wenn es sein muß, dann kann schon auch ich schweigen, dessen ihr alle völlig versichert sein könnet.“ Kapitel 52 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 52. — Das Edelfischwunder 1. Sagte Ich: „Nun gut denn, Ich will sehen, ob Ich dir etwas Rechtes und Wahres über deinen großen Mann werde zu erzählen imstande sein, – und so höre denn! 2. Siehe, soweit Ich den Mann kenne, so ist Er nach Meinem Erkennen eben derselbe Jehova, der schon mit Adam, Noah, mit dem Abraham, Isaak und Jakob, mit Moses und mit noch vielen andern Propheten geredet hat. Der Unterschied zwischen damals und jetzt besteht nur darin, daß Er, als der ewige Herr aller Kreatur, damals nur als der reinste Geist voll Liebe, Leben, voll der höchsten Weisheit, Macht, Kraft und Gewalt mit dem geweckten Geiste der Menschen geredet und Sich ihnen also geoffenbart hat. In dieser Zeit aber – wie Er das auch zu gar öfteren Malen durch den Mund der Propheten verheißen hat – hat es Ihm wohlgefallen, aus größter Liebe zu den Menschen dieser Erde, die Er zu Seinen Kindern erschaffen hat und ihnen auch schon zu Adams Zeit Selbst diesen Namen gab, Selbst das Fleisch anzuziehen und sie als ein sichtbarer Vater für Sich zu erziehen, auf daß sie ewig dort bei Ihm sein, leben und wohnen sollen, wo Er Selbst Sich ewig befindet und schafft und regiert die Unendlichkeit. 3. Darum heißt es ja: Im Anfang war das pure Wort, und Gott war das Wort im Munde der Urväter der Erde, aller wahrhaft Weisen und Propheten. Das ewige Wort, also Gott Selbst, ist aber nun Fleisch geworden, also ein Mensch, und so kam der Vater zu Seinen Kindern, aber diese erkennen Ihn nicht. Er kam also in Sein Eigentum, und man will Ihn nicht als den alleinig wahren und ewigen Vater anerkennen. Aber es gibt dennoch auch viele, die Ihn als Den, der Er ist, anerkennen und mit aller Liebe sich an Ihn allein halten, und das Juden und Heiden, und zwar die Heiden mehr denn die Juden; darum aber wird auch nach Seinem Worte das Licht den Juden genommen und den Heiden gegeben werden. 4. Wenn du das, was Ich dir nun von dem großen Manne gesagt habe, zu würdigen verstehst, so wirst du daraus wohl auch entnehmen, daß Ich den großen Mann gewiß sehr wohl kenne!“ 5. Sagte der Wirt voll Freuden: „Oh, oh, oh, überaus wohl und ausgezeichnet also! Das ist auch unser Glaube! Ich hätte euch das schon lange gerne bekannt; aber weil ihr keine Samariter seid, so mußte ich klug zu Werke gehen, um mich nicht – wie mir das schon einige Male begegnet ist – gewissen unnötigen Grobheiten auszusetzen. Denn das Heiligste gehört nach meiner Ansicht nicht vor die Schweine, die in aufgeblähter Menschengestalt vor uns einhergehen und uns für gar vieles minder halten, als was sie sich zu sein dünken. 6. Weil ihr aber solches von dem Gottmenschen haltet, so seid ihr denn auch meine freien Gäste, wie lange ihr auch immer bei mir bleiben wollet. Ich bin zwar kein reicher Wirt, aber so viel habe ich schon noch im Vorrat, daß wir es in einem Jahre nicht aufzehren werden. O Freude und übergroße Freude, daß ich in euch so tief erleuchtete Freunde und treue Bekenner des allein wahren Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs gefunden habe! Aber jetzt nur gleich mehr und besten Weines her, und zu den wenigen Fischen, die sämtlich kleiner Art waren, und da ich an Fischen nur noch einen ganz geringen Vorrat haben dürfte, vier Lämmer geschlachtet und schnell bestens zubereitet; denn solch wahre Gottesfreunde dürfen in meinem Hause keinen Hunger und Durst leiden!“ 7. Sagte Ich zum Wirte: „Lasse die Lämmer für heute noch am Leben, sieh aber dafür in deinem größeren Fischbehälter nach; denn Mir kommt es vor, als befänden sich darin noch eine Menge großer und edler Fische aus dem See Genezareth! Wenn sich welche vorfinden, so lasse sie, etwa vierzig Stück, für uns zubereiten!“ 8. Sagte der Wirt, mit den Achseln zuckend: „Darin waren sie wohl vor ein paar Wochen; ob sich aber nach deiner mir ganz unerklärlich scharfsinnigen Wahrnehmung jetzt auch noch welche darin befinden, das getraue ich mir nicht zu behaupten! Ich bin zwar bei dem Ausfischen meines größeren Fischbehälters nicht zugegen gewesen, und so wäre es allerdings möglich, daß da einige zurückgeblieben sind. Aber von vierzig Stück wird da wohl schwerlich die Rede sein können! Ja, im großen Behälter, der aber ein paar Feldwege von hier entfernt ist, da habe ich wohl noch einen ziemlichen Vorrat von allerlei Fischen, aber von den Edelfischen wird wenig darunter sein; denn der Edelfisch ist ein Raubfisch, und so man ihn unter die andern Fische gibt, so macht er einen großen Schaden unter ihnen. 9. Aber ich will auf dein Wort, weil du mir durch dein Bekenntnis eine so große Freude gemacht hast, denn doch nachsehen gehen, wie es mit den Edelfischen aussieht. Sollte es mit ihnen merkwürdigerweise etwa auch so stehen wie mit den Broten, über deren Vermehrung und Veredlung ich noch lange nicht im klaren bin, dann müßte ich beinahe zu denken anfangen: du selbst bist auch so ein schon bevollmächtigter Gesandter des großen Mannes, meines einzigen Herrn und Gottes! Und ich glaube, daß ich nicht weit fehlen werde, so ich euch alle als das begrüße. Aber jetzt zu den Edelfischen!“ 10. Auf das eilte der Wirt schnell hinaus zu seinem in der Küche für das Hausgesinde noch beschäftigten Weibe und sagte ihr das. 11. Das Weib aber sagte: „Ei du gar zu leichtgläubiger Mann, woher denn vierzig Edelfische? Auch nicht einen mehr wirst du darin finden! Ich habe sie ja alle vor fünf Tagen dem Arzte, der eine große Mahlzeit gab, verkauft und das schöne Geld in deinen Kasten gelegt, und er wird uns für die ihm erwiesene Gefälligkeit durch jemanden, der schweigen muß, mit dem Königsbrote unsere Brotkammer angefüllt haben!“ 12. Sagte der Wirt: „Höre, du stets etwas hartgläubiges Weib! Das mag also, aber eher auch nicht also sein; aber deine alte Hartgläubigkeit wird mich nicht abhalten, den größeren Fischbehälter in Augenschein zu nehmen. Ob du mit- oder auch nicht mitgehen willst, das wird mir eines sein!“ 13. Auf diese Worte des Wirtes ging das Weib denn doch mit dem Wirte, – und wie sehr staunten beide, als sie den Behälter so voll der edelsten Fische fanden, daß sie darob ein ordentliches Grauen überfiel. 14. Der Wirt berief abermals alle seine Dienstleute zusammen und befragte sie ernstlich, ob sie nicht wüßten, wie diese vielen und sehr kostbaren Edelfische in den Fischbehälter gekommen seien. Aber alle schworen beim Himmel, daß sie das nicht wüßten. 15. Da sagte der Wirt: „Wahrlich, da geht es nicht mit natürlichen Dingen zu! Das hat einer der am Abend angekommenen Gäste, die alle etwas Rätselhaftes an sich haben, getan.“ 16. Zum Weibe und zu der Küchendienerschaft sich wendend, sagte er: „Kurz, die Fische sind wundersamsterweise einmal da zu vielen Hunderten, – so nehmet nun denn statt vierzig gleich fünfzig! Machet ein größeres Feuer, und bereitet sie nach bester Art; denn von diesen werde ich selbst ein paar verzehren!“ 17. Darauf griffen die Knechte gleich zu und hoben die verlangten Fische alsbald aus dem Behälter. Und ehe eine Stunde Zeit verrann, standen die schönen Edelfische schon bestbereitet vor uns auf dem Tische. Kapitel 53 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 53. — Der Wirt erkennt den Herrn 1. Der Wirt aber war schon vorher wieder zu uns in das Gastzimmer gekommen und hatte auch seinen ältesten Sohn, der auf einem Auge blind war, mitgenommen. 2. Als er voll Staunens zu uns kam, da sagte er zu Mir (der Wirt): „Guter und liebster Freund, ich habe gleich nach deinem mir gemachten Bekenntnisse über den großen Mann die Mutmaßung in mir geschöpft, daß einer unter euch irgendein schon besonders bevollmächtigter Gesandter des großen Gottmenschen sein dürfte; denn die kleineren sind voraus entsendet worden, und nun kommen die großen nach. Aber jetzt, wo ich auch den größeren Fischbehälter voll der edelsten Fische fand, und das auf dein Wort, so ist denn nun auch schon gar kein Zweifel mehr, daß ihr offenbar Gesandte jenes großen Gottmenschen seid, dem du das vollkommenst wahre Zeugnis gegeben hast. Einer unter euch wird sicher der Erste sein, und das am Ende gar du? Wenn das der Fall ist, da sage es mir, auf daß ich dich ganz besonders ehren kann; denn bei uns gilt noch immer der Satz: Ehret den, dem die Ehre gebührt!“ 3. Sagte Ich: „Kümmere du dich nun dessen nicht! Ich bin wohl ein Erster unter diesen Meinen Gefährten, – aber in einer ganz anderen Weise, als du es meinst. Es ist nur gut, daß die Edelfische da sind und noch ein guter Wein; alles andere wird sich schon noch später, und das zur rechten Zeit, zeigen. 4. Was ist denn mit diesem deinem halbblinden Sohne da?“ 5. Sagte der Wirt: „Ah, wie weißt du denn, daß dieser mein Sohn halbblind ist?“ 6. Sagte Ich: „Oh, das zu erkennen, wird doch etwa keine so wunderbare Sache sein! Sieht er dir ja doch ganz ähnlich. Du bist geistig halbblind, und dieser dein Sohn natürlich. Am Ende kann noch euch beiden geholfen werden! Haben denn die Jünger des großen Mannes, von denen du ehedem erzählt hast, diesem deinem Sohne das eine Auge nicht zu heilen vermocht?“ 7. Sagte der Wirt: „Ja, einen Versuch haben sie wohl gemacht; aber der ist ihnen eben nicht gelungen. Auch der gewisse Johannes war darum schon ein paar Male hier; aber auch dem gelang es nicht, meinem Sohne das Licht des einen Auges wieder zu verschaffen. Und so muß er sein bißchen Ungemach schon mit Geduld ertragen. Ich habe ihn in der Meinung, daß ihr etwa doch die noch mächtigeren Jünger des Herrn wäret, mit hereingenommen, ob vielleicht ihr ihm helfen könntet. Aber weil ihr das etwa nicht seid, da kann er schon wieder an seine Arbeit in die Küche gehen!“ 8. Sagte Ich: „Ah, darum soll auch er nur da verbleiben, – er wird sicher noch eher sehend werden denn du!“ 9. Sagte der Wirt: „Aber liebster Freund! Sieh doch meine Augen an, – ich sehe auf beiden Augen ganz vortrefflich gut! Wie kann da mein halbblinder Sohn eher sehend werden denn ich?“ 10. Sagte Ich: „Ich habe es dir ja zuvor gesagt, daß du nur geistig halbblind bist; und dein physisch halbblinder Sohn wird noch eher sein volles Augenlicht bekommen, als du dein seelisches! Aber nun nichts mehr von dem; denn nun kommen schon die Fische, die wir noch verzehren werden, denn das erste Gericht war für vierzig Mann und darüber etwas karg bemessen, trotz der Beigabe des Linsengerichts. Aber diesmal mußt auch du und dein Sohn mitessen; dein Weib aber soll heute von diesen Fischen nichts zu essen bekommen, ihres harten Glaubens wegen. Morgen kann sie sich auch einen Fisch bereiten und ihren Glauben stärken.“ 11. Als die Fische sich auf dem Tische befanden, da griffen Meine sämtlichen Jünger, nachdem Ich Mir zuvor einen Fisch genommen hatte, gleich wacker zu; denn diese Art Fische waren ihnen als die besten schon lange bekannt. Wir aßen und tranken nun voll guten Mutes und ließen oft den großen Mann aus Galiläa leben, was den Wirt stets über die Maßen fröhlich stimmte, darum er auch nur stets Denselben mit einem Becher Wein begrüßte und Ihn überhoch leben ließ. Dabei erzählten auch Meine Jünger abwechselnd eine und die andere Begebenheit von unseren Wanderungen und auch manches von Meiner Kindheit, was alles dem Wirte über alles angenehm war. 12. Als das Erzählen, das nahe in die Mitternacht hinein dauerte, zu Ende war, da wandte sich der Wirt mit der Bitte an Mich und sagte: „Mein lieber und selten weiser Freund, ihr habt mir nun so vieles von dem großen Gottmenschen erzählt, daß ich nun schon der glücklichste Mensch in der ganzen Welt zu sein mich dünke und zum größten Teile auch wirklich bin; aber ich wäre nun auch ganz glücklich und so selig wie ein erster Engel im Himmel, wenn ich nur noch ein wohlähnliches Abbild vom großen Gottmenschen zu sehen bekäme! Du, Freund, hast mir zuvor versprochen, daß du ein solches wirst sehen lassen. Wenn du ein solches bei dir hast, so bitte ich dich, daß du mich es wollest sehen lassen!“ 13. Sagte Ich: „Ja, ja, du hast recht, Ich habe dir das versprochen und werde Mein Versprechen auch halten; aber Ich sagte nachher auch, als du deinen halbblinden Sohn zu uns hereingebracht hattest, daß er noch früher ganz sehend werden würde und du am Ende in deiner halbblinden Seele wohl etwa auch ganz sehend werden würdest. Denn als ein an deiner Seele halbblinder Mensch wirst du das wahrste Abbild des Herrn und Meisters immer nicht ganz wohl ausnehmen und lebendig betrachten können. Lasse nun denn deinen Sohn zu Mir kommen, und Ich werde sehen, ob Ich sein blindes Auge werde öffnen und mit dem Lichte erfüllen können!“ 14. Auf diese Meine Worte, die den Wirt stutzen machten, stellte er den Sohn zu Mir hin, und sagte (der Wirt): „Da ist der Sohn, Freund! Versuche nun auch du, ob es dir gelingen wird, ihn sehend zu machen!“ 15. Sagte Ich: „Gut, Mein Freund, Ich will, daß dein Sohn Jorab sehe! – Es sei!“ 16. Auf diese Meine Worte ward des Sohnes blindes Auge auch schon sehend, auf welche plötzliche Heilung Vater und Sohn ordentlich erschraken, und der Sohn zum Vater sagte: „Vater, der Mann muß mit dem großen Gottmenschen in einer viel innigeren Verbindung stehen als alle die andern, die mich in Seinem Namen zu heilen versuchten! Jene sagten: ,Im Namen des Herrn Jesus Jehova werde Licht deinem Auge!‘, – und siehe, ich blieb dennoch blind. Dieser aber sagte: ,Ich will, daß dein Sohn Jorab sehe! Es sei!‘ Der Freund hat mich also durch seine eigene Macht geheilt, da er sagte: ,Ich will es!‘ Er ist darum der große Gottmensch Selbst und niemand anders! Und du, Vater, bist noch halbblind an deiner Seele, wenn du solches nicht alsobald merkst – und Er, Er Selbst ist das treueste Abbild Seiner Selbst voll des Lebens, der Macht und Kraft Gottes; denn nur Gott allein kann sagen: ,Ich will es!‘, – ein Mensch aber nur: ,Gott der Herr wolle dies und jenes!‘“ 17. Als der Sohn solches ausgeredet hatte, da ward auch der Wirt sehend, erkannte Mich und fiel vor Mir auf die Knie nieder und fing an, Mich um Vergebung zu bitten. 18. Ich aber sagte: „Freund, was soll Ich dir vergeben? Daß du Mich erst jetzt erkannt hast, das wollte Ich also! Und somit sei du nun erst ganz selig! Aber sage es niemandem in deinem Hause, bevor Ich dir das zu tun anzeigen werde! Siehe aber nun, daß wir ein Nachtlager bekommen! Morgen werden wir dann schon das Weitere bestimmen.“ 19. Der Wirt erhob sich nun vom Boden und fing an, Mir über alle die Maßen zu danken, daß Ich ihn solch einer unschätzbaren Gnade gewürdigt habe. 20. Ich aber sagte zu ihm: „Mache nun nicht so viel Aufhebens, damit dein Hausgesinde nicht vor der Zeit auf Mich aufmerksam gemacht werde! So dein Weib und deine andern Kinder und deine Hausleute den Jorab sehend erschauen und dich und ihn fragen werden, wie er sehend geworden sei, da saget: Die angekommenen Gäste haben das vermocht; denn der große Herr ist mit ihnen mehr denn mit jenen, denen es nicht gelang, dem Jorab das blinde Auge in Seinem Namen zu heilen. – Aber nun gehe und laß uns ein Nachtlager bereiten!“ 21. Da ging der Wirt und ließ uns im großen Schlafsaale etliche vierzig Ruhestühle zurechtrichten und kam dann und zeigte Mir solches ehrerbietigst an. Und wir erhoben uns von unseren Bänken und begaben uns zur Ruhe. 22. Der Wirt aber besprach sich dann noch über vieles mit seinem Weibe und auch mit seinen mündigen Kindern; aber Mich verriet er dennoch nicht, obschon sein Weib einige Male die Bemerkung machte, daß am Ende doch Ich Selbst eben jener wunderbare Meister sein könnte, der schon vor zweieinhalb Jahren in Samaria so große Zeichen gewirkt habe. Ich wolle Mich aus gewissen Gründen etwa nur nicht, wie dies bei Meinem ersten Besuche dieser Stadt der gleiche Fall war, sogleich zu erkennen geben. Am Tage werde sie Mich schon schärfer ins Auge fassen, da sie Mich bei Meiner ersten Anwesenheit in diesem Orte wohl ein paar Male zu sehen das Glück gehabt habe. Und bei solchen Besprechungen schliefen denn auch die Wirtsleute ein und ruhten samt uns bis zum Sonnenaufgang. Kapitel 54 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 54. — Die Entsprechung der Begebenheiten in der Herberge 1. Am Morgen aber war gleich das ganze Haus besorgt, um für uns ein bestes Morgenmahl zu bereiten. Wir erhoben uns auch von unseren Ruhestühlen und begaben uns wieder in das Gastzimmer, in welchem der Tisch mit reichen und kostbaren Tischgeräten geschmückt war. Da gab es viel Goldes und Silbers und das Tischtuch war von feinstem Byssus und war an den Enden mit Gold und Perlen eingearbeitet. Auch die gestrigen Bretterbänke waren mit reich geschmückten Stühlen vertauscht worden. 2. Als Meine Jünger das ersahen, da sagten sie: „Da sieh, Herr und Meister, wie sehr Dich dieser Wirt ehrt! Eine solche Aufmerksamkeit von seiten eines Wirtes haben wir noch kaum irgendwo erlebt!“ 3. Sagte Ich: „Meinet ihr denn, daß Ich daran ein Wohlgefallen habe? An der Liebe des Wirtes nur habe Ich ein Wohlgefallen, aber an dieser Pracht gar nicht! Weil Ich aber wohl wußte, mit welchem Glauben und mit welcher Liebe der Wirt an Mir hängt, obschon er von Mir nur hatte reden hören und darum denn auch die große Sehnsucht hatte, Meine Person nur einmal in seinem Leben zu sehen, so kam Ich denn auch mit euch in sein Haus, um Mich so in seiner nächsten Nähe von ihm finden, erkennen und am Ende auch erschauen zu lassen. Warum Ich das also einleitete und auch also geschehen ließ, das sollet ihr als Meine ersten Nachfolger und Jünger, die ihr vor allem die Geheimnisse Meines Reiches auf Erden zu verstehen habt, aus Meinem Munde erklärt vernehmen! 4. Seht, in der Folge werden Mich auch gar viele Menschen, so sie von Mir hören werden, in aller Welt mit großem Eifer suchen, und also auch Mein Reich. Sie werden Mich aber, als halbblind an der Seele, dennoch nicht völlig finden, wenn sie da- und dorthin Mir nachziehen werden, so ihnen die Menschen sagen werden nach ihrem Forschen: ,Er war wohl hier, und ist nun dort und dort, gehet hin, und ihr könnet Ihn wohl finden!‘ Und die Mich Suchenden werden hineilen, um Mich zu finden, und werden Mich dennoch nicht finden, – wie Ich euch auch schon zu öfteren Malen angedeutet habe, daß da viele sagen werden: ,Sehet, hier ist Er!‘ oder ,Dort ist Er!‘ oder ,Er ist in diesem Hause, oder in jener Kammer!‘, so glaubet es nicht; denn so jemand ungezweifelt an Mich glaubt und Mich wahrhaft im Herzen über alles liebt und darum auch seinen Nächsten wie sich selbst und hat dabei aber auch eine stets wachsende Sehnsucht, Mich Selbst zu erschauen und Mich und Meinen Willen tiefer und heller zu erkennen, so werde Ich also, wie es hier der Fall ist, ganz unerwartet schon in seiner nächsten Nähe gegenwärtig sein, obschon er Mich noch irgendwo unbekannt ferne zu sein glaubt, und gebe Mich ihm denn auch bald nur in seiner nächsten Nähe zu erkennen, mit ihm in einem und demselben Hause wohnend und mit ihm Mahl haltend. 5. Wer Mich in der Folge, so Ich wieder in Meine Himmel zurückkehren werde, wahrhaftig wird finden, sehen und sprechen wollen, der wird Mich nicht in der Welt oder in gewissen Häusern, Tempeln und Kammern, sondern in seiner nächsten Nähe, das heißt, in seinem Herzen suchen müssen; und wer Mich also suchen wird, der wird Mich auch finden, aber so lange auch nicht erkennen, wenn Ich auch schon bei ihm sein werde, solange er an seiner Seele halbblind verbleiben wird. 6. Halbblind an der Seele aber ist ein Mensch so lange, als er zwar im Glauben an Mich und in der Liebe zu Mir wächst, aber dabei aus der Einwirkung der Welt in ihren vielen Richtungen von Zeit zu Zeit in allerlei kleine Zweifel und Lebensstumpfheiten gerät und Mich darum, so Ich Mich oft auch in seiner nächsten Nähe befinde und mit ihm wie ein bester Freund handle und rede, dennoch nicht gewahrt und Mich denn auch voll Hochachtung, rechtem Glauben und auch voll Liebe fragt, wo Ich sei, und ob er Mich wohl je einmal zu Gesichte bekommen werde, und wie und wann, und ob möglich schon in dieser oder dereinst erst in der andern und ewigen Seinswelt. 7. Sein physisch halbblinder Sohn aber bezeichnet des Menschen Sinn und Gemüt. Der Sinn ist das noch diese Welt schauende Auge, das Gemüt aber ist das für diese Welt und ihre Reize blinde, aber darum nach innen gekehrte Auge, das Ich aber ansehe und es völlig heile und erleuchte. Sowie aber dieses Auge lebendig wird, so überwältigt es bald das Weltsinnsauge und kehrt es auch nach innen. Wenn dieses geschieht, so wird der ganze Mensch erleuchtet und sehend und ersieht und erkennt Mich bald und leicht und verwundert sich dann, wie er Mich so lange nicht hatte erkennen mögen, da Ich Mich doch schon lange in seiner vollen Nähe leicht erkennbar wirkend und durch viele Tatsachen redend und lehrend befand. 8. Das, was Ich euch gesagt habe, das könnet auch ihr die Menschen lehren und ihnen zeigen, wie ein Mensch von Mir heimgesucht wird, so er Mich zuvor im wahren Glauben sucht, und aus diesem in der Liebe zu Mir und aus der in der Liebe zum Nächsten. Merket euch das wohl!“ 9. Die Jünger und besonders Mein Jakobus major dankten Mir sehr für diese Beleuchtung; denn – wie schon bekanntgegeben – der benannte Jünger war am meisten mit den Entsprechungen beschäftigt, und so auch Johannes und Petrus. Kapitel 55 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 55. — Die Tafelpracht beim Morgenmahl 1. Als Ich diese Erklärung beendet hatte, da kam auch der Wirt mit dem geheilten Sohne und kündigte uns an, daß das Morgenmahl alsbald bestens bereitet auf den Tisch gesetzt werde? Zugleich aber bat er in aller Ehrerbietung Mich um einen Rat, was er tun solle, indem sein Weib und seine Kinder ihn in einem fort ordentlich quälten, daß er ihnen sagen solle, wer und woher Ich sei, daß Ich dem Sohne ohne ein Mittel das eine blinde Auge wieder sehend habe machen können. Er wie auch der geheilte Sohn aber wollten Mich darum nicht verraten, weil Ich ihnen das untersagt habe. 2. Ich aber sagte: „So Ich nach dem Morgenmahle ohnehin bald weiterziehen werde, dann erst entdecke ihnen, wer und woher Ich bin; denn so du ihnen das nun sogleich sagen würdest, da wäre bald Meine Gegenwart in der ganzen Stadt ruchbar, und du könntest vor Zudrang der Menschen in deinem Hause sehr belästigt werden. Du wirst noch nach Meinem Abgange mit den Neugierigen deine Not bekommen; um wie vieles mehr würde das nun während Meiner Gegenwart der Fall sein!“ 3. Mit dem war der Wirt und der Sohn völlig zufrieden und ging und besorgte das Morgenmahl. 4. Es ward darauf sogleich in silbernen Schüsseln auf den Tisch gebracht, so wie auch der Wein in großen silbernen Bechern. Meine Schüssel und Mein Weinkelch aber waren aus reinstem Golde angefertigt, und Ich fragte den Wirt, warum er das getan hätte, da Ich an derlei irdischer Pracht niemals ein Wohlgefallen habe. 5. Er aber verneigte sich tief vor Mir und sagte (der Wirt): „O Herr und Meister, ich weiß es wohl, daß Du an derlei niemals ein Wohlgefallen hast, daß man Dich nur mit einem mit reiner Liebe erfüllten Herzen wohlgefällig ehren und preisen kann. Du hast aber in Mir schon einen Menschen gefunden, der Dich im Herzen über alles geehrt und gepriesen hat und Dich fortan also noch mehr ehren und preisen wird. Ich aber dachte mir, daß ich eine Sünde begehen würde, so ich Dir als dem höchsten Herrn Himmels und der Erde nicht auch die Ehre erwiese, die man doch besseren Menschen zu erweisen pflegt! 6. Du hast ja die ganze Erde mit allem, was sie enthält, erschaffen, und so denn auch ihr Gold und Silber, und so zeugen ja auch diese Metalle, die von den Menschen schon seit gar lange her als die edelsten und somit auch wertvollsten anerkannt worden sind, von Deiner Liebe, Weisheit, Macht, Größe und Ehre! Und so denke ich in meiner Schlichtheit, daß es besser ist, Dich als den Schöpfer auch des Goldes und des Silbers mit diesen Metallen nach unserer menschlichen Weise zu ehren, als mit ihnen einen schmählichen Wucher zu treiben oder um ihretwillen die blutigsten Kriege zu führen und tausendfaches Unheil über die arme Menschheit wie aus der Hölle heraufzubeschwören.“ 7. Sagte Ich: „Ja, ja, da hast du freilich auch wohl recht; wenn alle Menschen dir gleich dächten und deines Herzens und Sinnes wären, dann würden ihnen Gold und Silber und Perlen und alle die kostbaren Edelsteine niemals zum Unheil werden! Aber weil die Menschen, die darauf sehen, daß Gott mit Gold und Silber und Perlen und Edelsteinen geehrt werde, ganz anders zu denken anfangen und sonach auch bald eines andern Sinnes werden, so wäre es sehr unweise von Gott, wenn Er Sich mit dem ehren ließe, was unter den Menschen zu allen Zeiten das meiste und größte Unheil gestiftet hat. 8. So wie du dachten auch die Erzväter der Erde und ehrten Gott vor goldenen und silbernen Altären und verrichteten ihre Preis- und Lobgebete in mit Gold und Silber und mit allerlei Edelsteinen reichlichst gezierten Tempeln, wie du solches im Tempel zu Jerusalem wohl ersehen kannst. Was war aber die Folge davon? Siehe, eben dadurch sind die benannten Metalle, Perlen und Edelsteine in der Einbildung der Menschen so überaus wertvoll geworden! 9. Als die Menschen am Ende von dem Werte dieser gottesverehrlichen Dinge in eine zu hohe Idee geraten sind, haben sie denn auch stets mehr und mehr in der Erde herumzuwühlen angefangen und suchten Gold, Silber und Perlen und Edelsteine, vergaßen dabei nach und nach auch Gott und meinten, Gott schon dadurch im höchsten Grade zu ehren und ungeheure Gnaden von Ihm zu erhalten, wenn sie Ihm zur Ehre irgend den größten Brocken Goldes, Silbers und der Edelsteine auf den Altar legen konnten. 10. Da aber doch nicht alle Menschen so geschickt waren, die benannten Dinge zu finden, um sich durch sie Gott wohlgefällig erweisen zu können, so befragten sie sich bei den Erzvätern, die zugleich Priester waren, wie viele Schafe, Kühe, Ochsen oder auch Kälber und Stiere sie anstatt soundso viel Goldes oder Silbers Gott zum Opfer bringen sollten, um Ihm wohlgefällig zu werden gleich dem, der da pur Gold und Silber Gott zum Opfer darbringt. 11. Da merkten es nur zu bald die Ältesten oder Priester, daß sich dabei ein einträgliches Geschäft mit dem Gottesdienste gar leicht und etwa auch unschädlich verbinden ließe, und daß das zur Erbauung und Beruhigung der Menschen auch ganz wohl dienlich wäre. Und so fingen die Priester an, Gold und Silber und Perlen und Edelsteine zu wägen und bestimmten den Wert nach der Anzahl der verschiedenen Tiere, später auch nach dem Maße des Getreides, der Früchte, des guten Bauholzes, des Weines, der Kleidungsstoffe und noch einer Menge anderer Dinge. 12. Dadurch entstand schon der Tausch- und Stechhandel, die arge und wucherische Wechslerei, darauf Neid, Haß, Zorn, Verfolgung, Lüge, Betrug, Geilheit, irdische Pracht, Größe und Hoheit und Stolz und Verachtung unter den Menschen, da man ihren Wert nicht mehr nach ihrem inneren Seelenadel, sondern nur nach dem Gewichte des Goldes und Silbers, der Perlen und Edelsteine, nach der Größe der Herden, der Äcker und Weinberge und nach dem größeren Besitze auch anderer Dinge bestimmte. 13. Daß die Armen die Reichen beneideten und durch allerlei List ihnen den Reichtum zu schmälern anfingen, wodurch Dieberei und Raub und Mord auch nicht lange auf sich warten ließen, ist eine selbstverständliche Sache. Denn mit dem stets mehr überhandnehmenden Materialismus geht das Geistige zugrunde, und Gott wird den Menschen am Ende ein alter, verbrauchter, nichtiger und wertloser Begriff, von dem sie sich keine Vorstellung mehr zu machen imstande sind, und die volle Gottlosigkeit und mit ihr alle erdenkbaren Übel werden unter den Menschen auf die allergewissenloseste Weise gang und gäbe, und die Menschen greifen zu den Waffen, und der sich besser dünkende Teil sucht dann den böseren mit Gewalt zu unterjochen; und hat er das, dann gibt er Gesetze, deren Nichtbeachtung er mit den ärgsten Strafen belegt. Und so entstehen dann die Machthaber und ihnen gegenüber die Sklaven auf der Erde. 14. Siehe, das macht alles das Gold, das Silber, die Perlen und die Edelsteine, so die Menschen in der Meinung, daß diese Dinge die reinste und edelste Materie seien, sie auch zur äußeren Verehrung auf was immer für eine Art anwenden! 15. Was die äußere Verehrung und Verherrlichung Gottes anbelangt, dafür hat schon Gott Selbst von Ewigkeit her gesorgt; denn Er hat darum den Himmel und alle sichtbare Natur – als diese ganze Erde, den Mond, die Sonne und die zahllos vielen Sterne, die zumeist lauter ums kaum Aussprechliche große Weltkörper sind voll Lichtes und voll der wunderherrlichsten Dinge und Kleingeschöpfe auf ihren übergroßen und überweit gedehnten Flächen und Gefilden – erschaffen, und das genügt zur Außenverherrlichung des großen Gottes und Meisters über alles von Ewigkeit, und Er bedarf darum keines Goldes, Silbers und keiner Perlen und geschliffener und polierter Edelsteine dieser Erde. 16. Die wahre und Gott allein wohlgefällige Verehrung und Verherrlichung besteht und bestehe denn allzeit nur in einem reinen, Gott über alles und den Nächsten wie sich selbst liebenden Herzen und somit – was dasselbe ist – auch in der getreuen Haltung der Gebote, die Er durch Moses allen Menschen gab; alles andere ist eitel und töricht auch von seiten eines reinen und Gott wohlgefälligen Menschen. Wird die äußere Verehrung aber noch von solchen Menschen, wie es da sind die Pharisäer und die Götzenpriester und -priesterinnen, und auch von anderen Scheinfrommen und Augendienern und Gleisnern Gott, an den sie bei sich gar nicht glauben und nie geglaubt haben, dargebracht, und das um Geld und andere bedeutende Opfer, so gilt das vor Gott nicht nur nichts, sondern es ist das ein Greuel vor Ihm, und dasselbe ist auch alles, was vor den Augen der Welt groß und glänzend ist. Das, Mein Freund, merke dir, da du es nun aus dem Munde Dessen vernommen hast, der Sich mit gar keiner Materie ehren und preisen läßt, sondern allein nur mit einem reinen, Ihm völlig ergebenen Herzen und Willen!“ 17. Sagte der Wirt, nun ganz verlegen: „O Herr und Meister von Ewigkeit, so Dir diese meine auch äußere Verehrung, wie ich das nun schon ganz gründlich einsehe, nicht angenehm ist, so soll alles sogleich anders bestellt werden!“ 18. Sagte Ich: „Jetzt laß nur alles so, wie es ist; denn die wohlbereiteten Fische werden uns diesmal auch aus den goldenen und silbernen Schüsseln wohlschmecken, und desgleichen auch der Wein! Aber für ein anderes Mal laß das hinweg!“ 19. Mit dem war der Wirt zufrieden, und wir begannen das Morgenmahl zu uns zu nehmen. Kapitel 56 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 56. — Die Prophetenschulen 1. Während des Essens aber fragte Mich der Wirt, ob er nicht den Arzt davon ganz im geheimen benachrichtigen solle, daß ich hier sei. 2. Sagte Ich: „Da würdest du dir eine vergebliche Mühe machen; denn er und sein Weib sind über Land gezogen und werden erst in ein paar Tagen wieder heimkommen. Wenn sie zu dir kommen werden, dann kannst du es ihnen schon melden, was alles sich während ihrer Abwesenheit hier zugetragen hat. Aber nun essen und trinken wir nur ganz ungestört fort!“ 3. Darauf aßen und tranken wir ganz wohlgemut, und der Wirt und sein geheilter Sohn taten dasselbe und konnten den Wohlgeschmack der Edelfische nicht genug rühmen. 4. Und der Wirt konnte sich der ganz guten Bemerkung nicht erwehren, sagend nämlich: „O Herr und Meister! Also wohl dürften die erst erschaffenen Fische in den Wassern der Erde auch besser geschmeckt haben als die nachher unter sich gezeugten; denn diese Edelfische sind auch keine gezeugten, sondern von Dir, o Herr und Meister, frisch erschaffene, und haben darum denn auch einen außerordentlichen Wohlgeschmack.“ 5. Sagte Ich: „Ja, ja, da magst du auch wohl recht haben! Aber also ist auch das Wort, das aus Meinem Munde geht, kräftiger und wirksamer als das Nachwort eines Propheten; es kann aber das Nachwort auch zur gleichen Kraft erhöht werden in jedem Menschen, wenn es durch die Tat im Herzen und Willen wohl zubereitet wird. 6. Mein Wort ist schon das Leben in sich und macht lebendig jeden, der es mit gutem Herzen vernimmt, – denn es geht da sogleich das Grundleben alles Lebens ins Leben des Menschen über; das Wort des Propheten aber ist nur ein getreuer Wegweiser und zeigt dem Menschen, wie er zu dem lebendigen Worte aus Meinem Munde gelangen und durch dasselbe ins Leben des Geistes übergehen kann. 7. Ich sage euch allen: Am Ende muß ein jeder Mensch in seinem Herzen von Gott belehrt werden; denn wer da am Ende nicht vom Vater oder vom Gottgeiste in Mir belehrt wird auf dem Wege der reinen Liebe zu Mir und zum Nächsten, der kommt nicht zu Mir, dem Sohne der ewigen Liebe, der Ich bin das ewige Licht, der Weg, die Wahrheit und das Leben selbst; denn Ich bin des Vaters Weisheit in Mir Selbst. Solches verstehet ihr zwar jetzt noch nicht völlig, aber ihr werdet es verstehen, so ihr nach Meiner Auffahrt im Geiste aus Mir wiedergeboren werdet; denn das ist der ewig in Sich Selbst vollst lebendige Geist aller Wahrheit, und der wird euch leiten in alle Weisheit. Und so hattest du wohl recht, zu sagen, daß die frischerschaffenen Fische ums unvergleichbare wohler schmecken denn die nachher unter sich gezeugten.“ 8. Sagte darauf der Wirt: „O Herr und Meister, ich habe so manches von der einstmaligen Prophetenschule gehört, die besonders in den Zeiten der Richter sehr gang und gäbe war und sich dann auch noch unter den Königen nahezu bis an unsere Zeiten fort erhielt. Aber ich konnte dennoch nie so recht klar dahinterkommen, worin die eigentlichen Lehr- und Übungselemente dieser Schule bestanden. Wer aber einmal ein Prophet der vollen Wahrheit gemäß geworden ist, durch dessen Mund hatte aber auch unverkennbar der Geist Jehovas geredet, was mehrere der großen Propheten denn auch durch die Tat bewiesen haben. 9. Worin bestanden denn hernach die Lehr- und Übungselemente einer Prophetenschule?“ 10. Sagte Ich: „Höre, du Mein Freund, was damals nur in allerlei Entsprechungen für diese gegenwärtige Zeit vorbildend geschah, das steht nun in der Erfüllung vor dir! Von gottesfürchtigen Eltern schon von der Geburt an rein und wohl erzogene Kinder, natürlich vor allem Knaben, die auch sicher zuallermeist physisch völlig gesund und kräftig waren, wurden von den im Geiste geweckten Richtern und Priestern in der Weise Aarons in diese Schule aufgenommen, in der sie zuerst des Lesens, Rechnens und Schreibens wohl kundig werden mußten; dann wurden sie in der Schrift wohl unterwiesen, das heißt in den Büchern Mosis, und sodann auch in der Länder- und Völkerkunde der den Menschen bekannten Erde. 11. Dabei aber wurden sie auch sorglichst angehalten, die Gebote Gottes nicht nur zu erkennen, sondern auch strenge, und das soviel als möglich freiwillig und sich selbst bestimmend, zu beachten. Sie wurden dabei nach ihrem Alter und nach dem Grade ihrer geistigen Entwicklung gar manchen Proben und Prüfungen ausgesetzt, auf daß sie in sich selbst zu der lebendigen Überzeugung kamen, inwieweit sie schon in der Kraft, aller Welt und ihren Reizen zu widerstehen, zugenommen haben. 12. Vor allem mußten sie vor der Trägheit als der Mutter aller andern Sünden und Übel bewahrt werden, darum sie denn auch zu allerlei ihren Kräften angemessenen körperlichen Arbeiten angehalten wurden. 13. Waren sie einmal in aller Selbstverleugnung und Selbstbesiegung groß und stark geworden, so wurden sie durch die Wissenschaft der Entsprechungen in ihr Inneres geführt, wodurch sie zum lebendigen Glauben und zu einem unbeugsamen Willen unter der Einung mit dem wohlerkannten und auch schon von Kindheit an stets genau beachteten Willen Gottes gelangten, wodurch sie dann auch schon so manche Zeichen zu bewirken imstande waren, weil ihr eigener Selbstwille mit dem Willen Gottes eins geworden war und der Glaube, als ein wahres, lebendiges Licht aus den Himmeln, in ihren erleuchteten Herzen keinen Zweifel mehr zuließ. 14. War das alles einmal in der wahren und lebendigen Ordnung, so wurden sie eben durch den lebendigen Glauben und durch den in aller Tat mit dem Willen Gottes geeinten Selbstwillen mit dem Geiste Gottes nach der individuellen Fähigkeit erfüllt, wodurch die innere Sehe erweitert ward und sie dadurch auch zukünftige Dinge und Begebenheiten voraussahen in entsprechenden Bildern, die sie dann für die Nachwelt aufzeichneten. 15. Wer einmal in diesen Zustand, in welchem er Gesichte bekam, gelangte, der gelangte auch zum innersten, lebendigen Worte und vernahm also die Stimme Jehovas in sich, und das war das Gotteswort, das der Prophet wie aus dem Munde Gottes den Menschen verkündete und eigentlich verkünden mußte, weil er von dem in ihm waltenden Geiste Gottes dazu angetrieben worden ist. Und siehe, also sah die Schule der Propheten aus, und auf die beschriebene Art wurden die Menschen in einer förmlichen und wahren Lebensschule zu Propheten gebildet!“ Kapitel 57 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 57. — Die wahren Propheten 1. (Der Herr:) „Aber es wurden fromme und an Gott allzeit fest glaubende und Ihn im Herzen liebende Männer oft auch ohne die vorangehende Schule zu wahren Propheten erweckt. So waren Moses und Aaron selbst große Propheten und sind dazu in keiner Schule gebildet worden; denn ihr Glaube, ihr Gott ergebenes Herz und Gott Selbst waren ihre Schule. Also wurden auch Elias und Jonas, Josua und Samuel zu wahren Propheten ohne vorangehende Schule; denn Gott Selbst war ihr Meister und ihre Schule. 2. So waren auch die Erzväter zuallermeist Seher und Propheten ohne Schule; denn Gott allein, an den sie ungezweifelt hielten und glaubten, war ihre Schule, in der Er ihnen Seinen Willen offenbarte. Und selbst in diesen Zeiten gab es Seher und Propheten, die nicht in der Schule zu Sehern und Propheten erzogen worden sind; denn Gott sieht allzeit nur auf das Herz der Menschen und nicht auf die Schule, in der ein Mensch zu dieser oder jener Geschicklichkeit gelangt ist. 3. Siehe da diese, Meine Jünger! Keiner von ihnen hat je eine Prophetenschule gesehen, und dennoch werden von ihnen viele Größeres leisten denn alle alten Seher und Propheten; denn Ich allein bin ihr Meister und ihre Schule, und so wird es in der Folge sein und bleiben bis ans Ende der Zeiten dieser Erde. 4. Es werden in der Zukunft wohl gar viele Schulen errichtet werden, aus denen wohl eine Unzahl falscher Lehrer und Propheten hervorgehen werden, aber nur sehr wenige der wahren dem Willen Gottes gemäß. 5. Wahrlich sage Ich dir: In der Folge wird nur der ein Seher und Prophet, der an Mich glauben, Mich über alles, seinen Nächsten wie sich selbst lieben und Meine Lehre tatsächlich befolgen wird! Darum wird aber auch nicht ein jeder, der gläubig zu Mir rufen wird: ,Herr, Herr!‘, in Mein Reich eingehen, sondern nur der, welcher Meinen in Meiner Lehre klar ausgesprochenen Willen tun wird. 6. Darum seid denn auch ihr nicht nur pur eitle Hörer, sondern sofortige Täter Meines Wortes, so werdet ihr in euch auch das wahre Reich Gottes überkommen! Erwartet aber niemals, als werde das Reich Gottes, als das Reich des inneren Lebens, jemals mit irgend äußeren Zeichen und äußerem Glanzgepränge zu den Menschen kommen, sondern es ist inwendig in euch! Wer es auf die von Mir euch gezeigte Art und Weise sucht in sich und es nicht also findet, der sucht es in aller Welt und in allen Gestirnen vergeblich. 7. Der Pfad zum wahren und lebendigen Reiche Gottes ist somit ein sehr schmaler und oft mit allerlei Dornengestrüpp überwachsener. Demut und vollste Selbstverleugnung ist sein Name. Für den Weltmenschen ist er völlig ungangbar. 8. Wer aber an Mich glaubt und Meine Gebote hält, dem werden die Dornen auf dem Pfade zum Reiche Gottes nicht die Füße verwunden. Nur ein ernster Anfang ist schwer; wenn der Ernst aber bleibt und nicht durch allerlei Weltrücksichten geschwächt wird, so ist die volle Erreichung des Reiches Gottes in sich etwas ganz Leichtes. Denn solch einem stets vollernstlichen Bestreber nach dem Gottesreiche in sich ist Mein Joch sanft und leicht die ihm zu tragen von Mir aufgelegte Bürde, und Ich werde den ernsten Suchern des wahren Reiches Gottes stets laut in ihren Herzen zurufen: ,Kommet alle zu Mir, die ihr mühselig und belastet seid! Ich Selbst komme euch schon mehr denn auf dem halben Wege entgegen und will euch vollauf kräftigen und erquicken!‘ 9. Die aber zu Mir nur wohl ,Herr, Herr!‘ rufen, ihre Hauptsorge aber pur weltlichen Dingen zuwenden und nur so nebenbei nach dem trachten werden, was des Reiches Gottes ist, zu denen werde Ich sagen: ,Was rufet ihr Weltlinge Mich, und was schreiet ihr? Mein Herz hat euch noch nicht erkannt. Um was ihr euch sorget, das bringe euch auch die von euch gewünschte Hilfe!‘ Wahrlich sage Ich euch: Solche Menschen werden diesseits schwerlich je das wahre und lebendige Reich Gottes in sich finden und werden ihren Nebenmenschen gegenüber schlechte Lehrer, Seher und Propheten darstellen; und im Jenseits wird es für solche halbtoten Seelen noch ums unvergleichbare schwerer sein, das Reich Gottes in sich zu suchen und zu finden. 10. Darum arbeite ein jeder, solange der Tag währt; denn es kommt darauf die Nacht, da wird es sich schwer arbeiten lassen! – Hast du, Mein Freund, das von Mir nun Gesagte wohl auch verstanden?“ 11. Sagte der Wirt: „Ja, Herr und Meister über alles, ich danke Dir für diese Belehrung aus der innersten Tiefe meines Lebens! Nun bin ich über das Wesen der alten Prophetenschule ganz im klaren. Ich bitte Dich aber auch zugleich, daß Du mir, so ich ernster, als es bis jetzt der Fall war, den schmalen und dornigen Pfad zum Gottesreiche betreten werde, gnädig schon gleich auf den ersten Schritt entgegenkommest und mir helfest, auf daß ich im Fortschreiten auf dem schmalen und dornigen Lebenswege nicht müde, verzagt und ungeduldig werde!“ Kapitel 58 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 58. — Die Nachfolge des Herrn 1. Sagte Ich: „Um was du Mich nun gebeten hast, das habe Ich bereits schon jetzt getan, und so wirst du nun ein leichtes Fortschreiten haben! Denn wem Mein Lebenslicht leuchtet, der wird auf dem Wege mit seinen Füßen nicht leichtlich mehr an einen Stein stoßen, und die Dornen wird er wohl vermeiden mögen. Wer mit Mir wandelt, der hat allenthalben schon einen wohlgebahnten Weg; wer aber ohne Mich dem Reiche Gottes, als dem inneren Reiche des Lebens und aller Wahrheit, zuwandelt, der hat wohl einen langen, schmalen und sehr dornigen Weg zu durchwandern, wie das bei gar vielen alten Weisen aller Völker der Erde von jeher der Fall war und auch künftighin der Fall sein und bleiben wird. 2. Du hast es von nun an leicht, und so auch gar viele, die Mich gesehen und gehört haben und völlig an Mich glauben; aber die Nachkommen werden nur durch den puren Glauben in das Reich Gottes gelangen. Wer Mich aber sieht und hört, der glaubt leicht und kann auch leicht nach Meinem Worte leben und handeln. Aber wer Mich künftighin nicht mehr in Meinem Fleische sehen wird, der wird es schwerer haben, in das wahre und lebendige Reich Gottes zu gelangen; denn er wird es pur glauben müssen, was ihm die ausgesandten Boten von Mir erzählen werden. 3. So er aber das Vernommene willig in sein gläubig Herz aufnehmen und eine rechte Freude ob der vernommenen Wahrheit haben wird, da wird denn auch alsbald die Taufe des Geistes aus Mir über ihn kommen, und er wird in ihr das geöffnete Tor ins Gottesreich wohl erschauen. Von der Weg ins volle Gottesreich ein leichter sein. 4. So ihr aber das alles nun wohl wisset, so freuet euch des, daß Gott das alles schon von Anbeginn her also angeordnet hat! Und so ihr zu den Menschen von Mir und Meinem Reiche reden werdet, da saget ihnen auch das, was Ich nun zu euch geredet habe; aber machet es ihnen auch vor allem begreiflich, daß Mein Reich nicht irgend von dieser Welt ist, – sondern es ist das inwendige Reich aller Wahrheit und alles Lebens im Innersten des Menschen. Wer es in sich gefunden hat und in dasselbe durch den lebendigen Glauben und durch die tätige Liebe einging, der hat die Welt, das Gericht und den Tod überwunden und wird gleichfort das ewige Leben haben. 5. Es kommt zwar das, was Ich euch jetzt gesagt habe, für den Weltverstand gleich wie eine Torheit anzuhören vor; aber es ist darum dennoch die höchste Weisheit alles Lebens in Gott. Wohl dem, der sich an ihr nicht stößt! 6. Niemand kann wissen, was im Menschen alles als zum Leben Notwendiges verborgen ist, als nur der Geist, der im Innersten des Menschen ist und wohnt; und so weiß auch kein Weltweiser, was Gott Selbst und was in Ihm ist, als nur der Geist Gottes, der alle Tiefen Dessen durchdringt. 7. Wenn der Geist im Menschen aber nicht als das wahre Lebenslicht erweckt wird, da ist es finster im Menschen, und er erkennt sich nicht; wenn durch den Glauben an Mich und durch die Liebe zu Mir und zum Nächsten aber der Geist im Menschen erweckt und zum hellen Lichte entzündet wird, dann durchdringt der Geist den ganzen Menschen, durch und durch, und der Mensch erschaut da, was in ihm ist und erkennet sich. Und wer sich erkennt, der erkennt auch Gott; denn der wahre und ewige Lebensgeist im Menschen ist nicht ein Menschengeist, sondern ein Gottesgeist im Menschen, ansonst der Mensch kein Ebenmaß Gottes wäre. 8. So ihr das nun wohl verstanden habt, da wollen wir uns nun, als leiblich und geistig gestärkt, vom Tische erheben und unsere Reise von hier nach Galiläa hin antreten.“ 9. Alle beteuerten, daß sie das wohl verstanden hätten, und dankten Mir für diese Belehrung. 10. Der Wirt meinte freilich, ob Ich etwa doch noch bis zum Mittage hin in seinem Hause verweilen möchte. 11. Ich aber sagte zu ihm: „Sieh, in dieser Welt hat alles seine Zeit, also auch das Kommen, Bleiben und Gehen! Ich weiß aber, wo heute noch eine große Arbeit Meiner harrt, und so muß Ich denn auch nun dahin ziehen, wo die Arbeit Meiner harrt! Zudem wird in einer Stunde eine große Karawane von aus Jericho kommenden Kaufleuten bei dir einkehren, und ihr werdet viel zu tun bekommen. Die Kaufleute werden dir vieles von Mir zu erzählen wissen; erzähle du aber auch ihnen, daß Ich hier war, doch sage es ihnen nicht, wohin Ich den Weg eingeschlagen habe!“ 12. Der Wirt beteuerte nochmals, daß er alles streng halten werde, was er als Meinen Willen erkannt hatte, und dankte Mir auch noch einmal für die ihm erwiesenen Wohltaten; und Ich gab den Jüngern den Wink zum Aufbruch. 13. Wir erhoben uns denn darauf vollends und betraten den Weg. Der Wirt und sein geheilter Sohn gaben Mir über tausend Schritte weit das Geleit und kehrten darauf voll guter Dinge wieder nach Hause zurück. Kapitel 59 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 59. — Der Fruchtsegen in einem kleinen Dorfe Samarias 1. Als aber der Wirt nach Hause kam, da sagte sein Weib in einem schmollenden Tone zu ihm: „Warum hast du mich mit den andern Kindern denn nicht gerufen, auf daß auch ich mit den andern Kindern mich bei dem wundersamen Heilande hätte geziemend empfehlen können?“ 2. Sagte der Wirt: „Weib, so das nötig gewesen wäre, so hätte dich schon der Heiland Selbst gerufen; weil aber das sicher nicht nötig war, so bist du deines kleinen Unglaubens wegen nicht gerufen worden, und so du den Heiland gar näher erkannt hättest, so hätte von Seiner Anwesenheit bald die ganze Stadt gewußt, was Er aber nicht haben wollte, und so ist auch das gut, daß eben Er Selbst das alles also hat geschehen lassen. In der Folge, so unser Arzt wieder nach Hause kommen und uns sicher besuchen wird, da wirst du schon noch früh genug erfahren, wer so ganz eigentlich der wundersame Heiland war. 3. Aber nun sieh dich mit allem wohl vor; denn von jetzt an etwa in einer halben Stunde Zeit wird eine starke Kaufleutekarawane bei uns einkehren, wie mir das der wahrlich allwissende Heiland zum voraus angezeigt hat, und wir werden da viel zu tun bekommen; darum sieh dich mit allem in der Küche wohl vor!“ 4. Als das Weib das vernommen hatte, da eilte sie sogleich in die Küche und setzte alle ihre Gehilfen und Gehilfinnen in Bewegung; denn sie glaubte nun dem, was der Wirt ihr als von Mir verkündet anzeigte. 5. Und als allerlei Speisen, mit denen die Kaufleute stets zu bedienen waren, beinahe schon völlig zum Genusse bereitet waren, da kam denn auch schon die von Mir angekündigte Karawane an und konnte sich nicht höchlich genugsam verwundern, wie der Wirt diesmal schon zum voraus wissen konnte, daß sie um diese Zeit ankommen würden. 6. Es ward nachher noch vieles darüber geredet, und die Kaufleute begriffen denn auch bald, wie der Wirt um die Zeit ihrer Ankunft hatte wissen können. Und es glaubten darauf auch mehrere Kaufleute, die da von Mir abermals gehört hatten, an Mich. 7. Wir aber zogen unseren Weg ruhig weiter und kamen denn um die Mittagszeit nahe an ein Dorf, das noch in Samaria lag. Um das Dorf waren viele Fruchtbäume, zumeist Feigen und Oliven, Äpfel und Pfirsiche, und die Jünger bekamen Lust, sich mit den Früchten ein wenig zu erquicken. 8. Als wir vollends in das Dorf kamen, da fragten die Jünger einige anwesende Dorfleute, ob sie sich von den Früchten etwas nehmen dürften. 9. Die Dorfleute aber sagten: „Was Wunder! Wie wollet ihr Juden von uns Samaritern Früchte essen?“ 10. Sagten die Jünger: „Wir sind wohl Juden, aber keine Pharisäer, die euch hassen, – und so mögen wir schon von euren Bäumen die Früchte essen, so ihr sie uns geben wollet; und wir wollen sie euch auch bezahlen!“ 11. Da sagten die Dorfleute: „Da esset, soviel ihr möget! Aber Geld werden wir von euch nicht annehmen; denn wir haben auch Gott um kein Geld gebeten, als Er unsere Fruchtbäume segnete!“ 12. Da gingen die Jünger hin und aßen von den Früchten nach ihrer Lust, und je mehr sie aßen, desto voller wurden die Bäume. 13. Es merkten aber das bald die Bewohner des Dorfes und gingen hin zu den Jüngern und sagten: „Wie verzehret ihr denn unserer Bäume Segen? Wir merken es auffallend genug, daß unsere Bäume nicht nur nichts an den Früchten verlieren, sondern es werden die Bäume derart sichtlich voller, daß ihre Äste und Zweige die Last kaum mehr zu tragen imstande sind. Merket ihr das denn nicht, da ihr so ganz gleichgültig die Früchte verzehret? Es ist das ja ein helles und augenscheinlichstes Wunder!“ 14. Sagte darauf der Apostel Andreas: „Was ihr sehet, das sehen wir auch; aber wir Essenden bewirken das nicht, sondern eure uneigennützige Nächstenliebe bewirkt das! Wir sind für euch Fremde, und ihr habt uns gastfreundlich von euren in dieser Gegend mühsam gepflegten Obstbäumen die süßen Früchte ohne Entgelt freundlichst zu essen gestattet, und es hat das Gott dem Herrn wohlgefallen, und so hat Er euch und eure Fruchtbäume nun sichtlich vor unsern und euren Augen wegen der von euch uns erwiesenen Freundschaft und Liebe gesegnet. 15. Es ist das freilich in dieser Zeit ein seltener Fall; aber er ist darum ein seltener, weil auch das ein äußerst seltener Fall geworden ist, daß man fremden Reisenden ohne Entgelt Freundschaft und Liebe erweist. Denn wohin man nur immer kommt und von einem oder dem andern Menschen eine Freundschaft erwiesen haben will, so geschieht das wohl um ein Entgelt; aber aus einer puren Nächstenliebe geschieht das so selten wie ein derartiges Gottessegenwunder, wie ihr es nun vor Augen habt. 16. Bleibet darum gleichfort in der treuen Beachtung der uneigennützigen Nächstenliebe, und liebet auch Gott durch die treue Beachtung Seiner Gebote, und ihr werdet euch über den Mangel des Segens Gottes wahrlich nie zu beklagen haben! Gott bleibt Sich allzeit und ewig gleich, nur die Menschen sind veränderlich, vergessen in ihrem Welttaumel Ihn und betrachten Seine Satzungen als ein Machwerk pur menschlicher Klugheit und tun dann dabei, was ihnen nach ihrem Verstande gut dünkt. Bei solchem Glauben und bei solchem Handeln nach dem Weltglauben aber sieht Gott auf die Seiner beinahe gänzlich vergessenden Menschen nicht mehr mit dem Auge Seiner Gnade und Liebe, sondern mit dem Auge Seines Zornes. 17. Bei solchen Lebensumständen der Menschen werden die göttlichen Segenswunder wohl gar leicht und sicher zu den allerseltensten Erscheinungen auf dieser Erde unter den Menschen; aber wo sich irgend noch Menschen vorfinden, die an Gott noch ungezweifelt glauben, Seine Gebote halten und ihre Herzen und Seelen noch nicht mit der schnöden Gier nach dem Weltmammon besudelt und beschmutzt haben, da erweist Sich Gott ihnen auch, wie es in den Zeiten der Erzväter geschah, stets als ein Seine Kinder segnender bester Vater, – nur den Seiner nicht achtenden Weltkindern zeigt Er Sich als ein unerbittlicher Richter und züchtigt sie mit allerlei Ungemach, und Seine segnende Rechte ist nicht über Weltlinge ausgestreckt. 18. So ihr lieben und einfachen Bewohner dieses kleinen Dorfes das beherziget, da wird es euch auch leicht begreiflich sein, warum Gott euch hier augenscheinlichst euren guten Willen gesegnet hat.“ 19. Sagte darauf ein Ältester dieses Dorfes: „Freund, der du hier gar weise im Namen Jehovas des Herrn geredet und dadurch auch gezeigt hast, daß du kein Anhänger der schlechten Lehre der Pharisäer bist, du bist ganz unseres Sinnes und hast wahrlich in allem recht; aber ich bin schon ein alter Bürger dieses Dorfes und weiß es, daß seine Einwohner noch stets fest an die Satzungen Mosis, durch den Gott geredet hat, halten. Und was wir euch von Herzen gerne nach eurem Wunsche erwiesen haben, das haben wir auch schon vielen andern, die hungrig und durstig durch unser kleines Dorf gezogen sind, ebenso erwiesen; aber eine solche wunderbare Segnung haben wir dennoch nie erlebt, obwohl ich aber dabei auch offen gestehen muß, daß wir bei aller unserer Freigebigkeit uns noch nie über den Mangel an Gottes Segen haben zu beklagen gehabt. Doch, wie gesagt, auf eine so auffallende Weise haben wir noch nie eine Gottessegnung zu sehen bekommen! 20. Es scheint denn hier noch ein ganz besonderer Umstand obzuwalten, den ihr uns vielleicht aus sehr weisen Gründen nicht offenbaren wollet oder dürfet. Sei es aber nun, wie es wolle! Die Sache ist einmal ein augenfälligstes Wunder, das niemand leugnen kann, und wir wollen uns da nicht näher nach dem eigentlichen geheimen Grund desselben erkundigen. Doch eines fällt mir auf, und das ist, daß einer von euch, der dort am Wege auf euch wartet, nichts von unseren Früchten verkosten wollte! Ist er denn entweder ein Erzjude, der von Samaritern nichts annehmen will, oder ist er kein Freund der Baumfrüchte, wie sie bei uns gedeihen?“ 21. Sagte Andreas: „Freund, Er ist weder das eine noch das andere! Wer aber Ihn erkannt hat, der hat mehr erkannt, als was alle Welt je zu fassen imstande sein wird; denn Er ist darum auch unser aller Herr und Meister!“ 22. Diese Worte des Andreas fielen dem Alten sehr auf, und er sagte darum auch (der Alte): „Habe ich nicht recht geurteilt, so ich sagte, daß bei diesem augenfälligsten Wunder nebst der besonderen Gnade von oben noch ein ganz eigentümlicher, geheimer Grund obwalte? Und dieser geheime Grund wird sicher in jenem Manne zu suchen sein, den du euren Herrn und Meister nanntest. – Habe ich recht geurteilt oder nicht?“ 23. Sagte Andreas: „Freund, wenn es dir so vorkommt, da gehe hin zu Ihm, und rede mit Ihm Selbst! Denn wir wissen, was wir zu tun und zu reden haben. – Er aber ist der Herr und kann tun und reden, was Er will.“ Kapitel 60 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 60. — Der Grund des Wohlergehens der Bewohner 1. Als der Alte das vernahm, da ging er alsbald zu Mir hin und sagte: „Höre du, Herr und Meister dieser Männer, die sich mit den Früchten unserer Bäume gelabt haben! Warum wolltest denn du dich nicht auch mit sicher deinen Jüngern und Dienern an den wohlreifen Früchten erlaben?“ 2. Sagte Ich: „Weil es Mich nun nicht so sehr nach dem Genusse der süßen Baumfrüchte verlangte, als vielmehr nach den um ein gar vieles süßeren Früchten eurer Herzen und eures guten Willens; denn wenn jemand einem Meiner rechten Jünger und Diener eine wahre und uneigennützige Liebe erweist, so nehme Ich das ebenso an, als hätte er es Mir Selbst erwiesen. 3. Ich aber bin mit Gott, und Gott ist mit Mir; und die mit Mir sind, die sind denn sonach auch mit Gott, und Gott ist mit ihnen. Gott ist aber auch mit jedem, der lebendig an Ihn glaubt, Seine Gebote hält, Ihn über alles liebt und seinen Nächsten wie sich selbst. So aber jemand seinen Nächsten – gleichviel, ob er ein Heimischer oder ein Fremder ist – schon nicht ohne Entgelt liebt und ihm aus irgendeiner Not hilft, den er als ein ihm ähnliches Ebenmaß Gottes doch sieht, wie kann der Gott lieben, den er nicht sieht? 4. Darum ist die wahre und uneigennützige Liebe zum Nächsten mit der Liebe zu Gott eins, und Gott belohnt solche Liebe schon in dieser Welt und wird sie noch mehr belohnen dereinst jenseits in Seinem ewigen Reiche mit dem ewigen Leben. Wahrlich, auch nicht ein Trunk Wassers, den ihr einem Durstigen dargereicht habt aus gutem Herzen, wird euch unvergolten bleiben!“ 5. Sagte der Alte: „Herr und Meister, aus deinen Worten entnehme ich, daß du wahrlich ein Herr und Meister bist! Mit Wasser haben wir die Reisenden schon gar oft erquickt; denn wir haben einen gemeinsamen Brunnen, der ein gar frisches Wasser enthält. Wir würden aber auch oft gerne einen müden Wanderer mit einem Becher Weines erquickt haben, so wir einen besäßen; aber unsere Gegend ist eine magere, und die Rebe gedeiht hier nicht wohl. Um uns aber einen Wein zu kaufen, haben wir weder des Geldes noch der Herden in der dazu erforderlichen Menge, und so stehen wir denn so manchem armen Wanderer nur mit dem bei, was wir notdürftig haben; der liebe, große und allmächtige Vater im Himmel nehme denn auch unsern Willen fürs Werk an!“ 6. Sagte Ich: „Das hat Er auch schon seit langem, und ihr habt darum noch niemals eine besondere Not gelitten; in der Folge aber wird Er schon noch augenfälliger um euer zeitliches und noch mehr aber um eurer Seelen Heil sorgen, dessen ihr völlig versichert sein könnet! Denn wer auf Ihn, wie ihr, vertraut, den verläßt Er niemals. So Er ihm oft auch nicht sogleich augenblicklich und augenscheinlich hilft, so läßt Er ihn aber doch nicht irgend völlig sinken. 7. Denn Gott prüft jeden wohl zuvor, bis Er ihm augenscheinlich hilft; hat ein Mensch aber auch in aller Prüfung seine Treue und Liebe zu Ihm bewahrt, dann kommt denn auch auf einmal, ehe sich's ein Mensch versieht, die allzeit augenscheinliche Hilfe von Gott, und Sein Segen bleibt dann immerdar über dem Getreuen. Das behaltet ihr alle in euch, und denket: Gott hat euch zum Wohle eurer Seelen geprüft, ihr habt die Prüfung wohl bestanden, und so kam Er nun mit aller lohnenden Fülle Seines Segens zu euch, und Sein Segen wird euch zum bleibenden Gute werden. 8. Mich kennet ihr nicht und wisset nicht, wer Ich bin; aber es wird die Zeit kommen und ist eigentlich schon da, in der ihr ausrufen werdet: ,Heil dem Sohne Davids, der zu uns gekommen ist im Namen des Herrn!‘ – Habt ihr denn nicht Kunde erhalten von dem, was sich vor zwei Jahren in Samaria zugetragen hat?“ 9. Sagte der Alte: „Herr und Meister und nun deiner eigenen Aussage zufolge ein Abkömmling aus der Linie des großen Königs der Juden, wir kommen wohl nur selten nach der Stadt Samaria, die mehr denn einen halben Tag Weges von hier entfernt ist, und wissen darum auch wenig von dem, was sich in ihr etwa alles zuträgt und ereignet; aber durch Reisende haben wir vernommen, daß sich in der von dir besagten Zeit durch einen neu erstandenen großen Propheten gar unglaublich wunderbare Dinge sollen zugetragen haben. Er soll den Samaritern auch allerlei trostvolle Lehren gegeben haben, über die sich aber dennoch einige Priester und auch andere Weltmenschen sollen geärgert haben, – ob mit oder sicherer ohne wahren Grund, das vermochten wir in unserer Schlichtheit nicht zu beurteilen und vermochten nicht über eine uns unbekannte Sache zu richten. 10. Aber etwas anderes ist uns erst vor kurzem begegnet, wovon wir alle ebenso wie heute von der wunderbaren Baumfrüchtevermehrung Zeugen waren, und das bestand darin: Es kamen auch so um die Mittagszeit aber nur zwei Männer, dem Anzuge und der Zunge nach aus Jerusalem, zu uns und baten uns um etwas Brot und auch um einige reife Früchte unserer Bäume, was alles wir ihnen nach unseren Kräften gerne gaben. Als sie sich damit gestärkt hatten, nahm auch ich mir die Freiheit, sie zu befragen, wer sie wären, woher sie gekommen seien, wohin sie weiter ziehen würden, wo ihre Heimat und was ihre Beschäftigung sei. 11. Und sie sagten: ,Wir waren vor noch nicht gar langer Zeit ganz gewöhnliche und zumeist sehr gedrückte Diener und Knechte und dann und wann, wenn wir keinen bestimmten Herrendienst hatten, auch schlecht belohnte Tagelöhner in Jerusalem. Aber da kam ein Mann voll göttlicher Kraft, Macht und Weisheit aus Galiläa nach Jerusalem und lehrte alles Volk mit gar mächtiger Rede und tat große und nie erhörte Zeichen, und gar viel Volk fing an, an Ihn zu glauben zum großen Ärger der Pharisäer und Schriftgelehrten, deren arge Volksbetrügereien Er ohne alle Scheu vor dem Volke offen aufdeckte und ihnen wie einer, der Macht hat, scharf ans Gewissen ging. 12. Dieser von Gott in die Welt gesandte Mann, der auch gleichfort einen mächtigen Erzengel zu Seinem Begleiter hatte, nahm auch uns, da wir völlig an Ihn glaubten, zu Seinen Jüngern an, gab uns Weisheit und allerlei Macht, zu heilen die Krankheiten des Leibes und der Seele und von den Menschen auszutreiben die bösen Geister; und Gifte und giftige Tiere können uns nicht schaden, auch dann nicht, so wir irgend genötigt wären, über Skorpionen und Vipern barfuß einherzuschreiten. 13. Unsere Hauptarbeit und Beschäftigung aber besteht darin, daß wir in des von Gott gesandten Gottmenschen Namen als dessen Gesandte die Ankunft des Reiches Gottes auf Erden unter den Menschen, gleichviel ob Juden oder Heiden, verkünden und ihnen sagen, daß in Seiner Person der von den Propheten verkündete Messias nun in diese Welt gekommen ist, um sie zu erlösen vom alten und überharten Joche der Sünde, der Lüge, des Truges, die da seien das Gericht und der ewige Tod.‘ 14. Ich fragte die beiden um die Elemente der neuen Lehre, durch die das Reich Gottes auf die Erde unter die Menschen kommen solle. Und siehe, da redeten sie so wie du und auch, wie einer deiner Jünger nun mit uns geredet hat, und wir fanden, daß sie die Wahrheit redeten, und glaubten völlig ihren Worten!“ Kapitel 61 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 61. — Die vollständige Heilung des Besessenen 1. (Der Alte:) „Es war aber unter uns ein Mensch, der schon seit dreißig Jahren irrsinnig war und sich dann und wann in die Wälder verlief, allwo er von den argen Geistern derart gequält ward, daß er oft so stark und entsetzlich heulte und brüllte, daß sogar die wildesten Tiere vor ihm jählings die Flucht ergriffen. Wenn er wieder aus den Wäldern zu uns zurückkam, da war er ruhig; aber so man ihn befragte, was er in den Wäldern gemacht habe, da wußte er sich dessen niemals zu entsinnen. 2. Dieser sehr zu bedauernde Mensch befand sich zur Zeit gerade hier im Dorfe, als die beiden Männer uns besuchten, und wir stellten ihn ihnen auf ihr Verlangen vor. Da legten sie die Hände auf ihn und geboten den argen Geistern im Namen des Gottessohnes Jesus, aus dem Menschen zu fahren und seinen Leib auf immerdar zu verlassen. Da aber schrien die bösen Geister so stark wie ein Kriegsheer aus dem von ihnen so lange geplagten Menschen: ,Den Jesus Zebaoth Jehova, geboren ins Fleisch von einer zarten Jungfrau in einem Schafstalle zu Bethlehem und zum kräftigen Manne aufgewachsen in Altnazareth in Galiläa, kennen wir und sind auch Seiner Allmacht untertan, weil es uns nicht möglich ist, ihr zu widerstreben; aber euch kennen wir nicht und werden euch auch nicht gehorchen!‘ 3. Darauf aber beriefen im Geiste die beiden Männer gar ernstlich ihren Jesus zu Hilfe. Wir vernahmen auf diesen Ruf wie einen mächtigen Donner aus der Höhe, und die argen Geister verließen plötzlich den Geplagten, und wir sahen sie wie einen großen Schwarm schwarzer Fliegen eiligst von dannen brausen, und der vorher so viele Jahre geplagte Mensch ward darauf völlig gesund und befindet sich noch bis zur Stunde so unter uns im Dorfe. So du, Herr und Meister deiner Jünger, ihn etwa sehen wolltest, so könnte ich ihn herführen lassen! 4. Und siehe, das war eine seltene Begebenheit in unserem sehr abgelegenen Dorfe, – und ich möchte nun denn auch erfahren, ob etwa auch ihr so Abgesandte von jenem mächtigen Jesus Zebaoth Jehova aus Nazareth seid, weil auch ihr, gleich den zwei Männern, weise redet und nun auch an unseren Fruchtbäumen augenscheinliche Wunder durch eure Gegenwart geschehen sind.“ 5. Sagte Ich: „Laß zuvor den geheilten Menschen herkommen, und es wird sich dann schon zeigen, wer Ich bin, und wer Meine Jünger sind!“ 6. Auf diese Meine Worte ward alsbald der geheilte Mann aus einem Hause, wo er arbeitete, zu Mir gebracht, und er fragte Mich, was Ich von ihm begehre, das er Mir tun solle. 7. Ich aber sagte zu ihm: „Daß du Mir irgendeinen Dienst erweisen sollst, das verlange Ich von dir wahrlich nicht; aber Ich kann dir einen guten Dienst erweisen und ließ dich darum zu Mir kommen. Du bist erst vor kurzem von zwei Männern von deinen Plagegeistern erlöst worden?“ 8. Sagte der Befragte: „Ja, mein Herr, die argen Geister haben mich – Dank sei Gott in der Höhe! – verlassen; doch eine gewisse körperliche Schwäche und die stets steigende Furcht vor dem in meinem Alter sich sichtlich nahenden Tode wollen mich trotz alles Betens und Vertrauens auf Gott doch nicht verlassen, und ich kann mich darum über gar nichts in der Welt mehr freuen. Siehe, das ist auch ein großes und sehr traurig aussehendes Übel, besonders für einen unter lauter ärgsten Plagen altgewordenen Menschen. Kannst du mich etwa davon befreien, dann würdest du mir freilich einen größten und mir wohltuendsten Dienst erweisen!“ 9. Sagte Ich: „Ja, mein Freund, das vermag Ich aus Meiner höchsteigenen Machtvollkommenheit und bedarf dazu keines andern Wesens Hilfe! Und so will Ich, daß du nun alsogleich so stark und kräftig werdest, wie du zuvor noch niemals warst, und so verlasse dich denn auch für immerdar die eitel törichte Furcht vor dem Tode des Leibes, der eigentlich kein Tod, sondern nur ein helles Licht ins wahre, ewige Leben ist!“ 10. Als Ich diese Worte über den Menschen ausgesprochen hatte, da ward er plötzlich voll einer jungmännlichen Kraft, und die Furcht vor dem Tode verließ ihn alsbald gänzlich also, daß er vor lauter Freude zu jubeln und Mir aus voller Brust für diese Heilung zu danken anfing und Gott pries, der Mir solch eine Macht verlieh. 11. Hierauf trat wieder der Alte zu Mir und sagte voll Staunen und Ehrfurcht: „O Herr und Meister, mir kommt es nun vor, als wüßte ich schon, wer Du so ganz eigentlich bist!“ 12. Sagte Ich: „Wenn es dir also vorkommt, da rede, wie es dir vorkommt!“ 13. Und der Alte sagte: „Herr und Meister, vergib mir meine Dreistigkeit, daß ich mit Dir rede! Es geht aus allem, was ich nun vernommen habe, hervor, daß eben Du der Jesus Zebaoth Jehova bist; denn kein Sterblicher von Anbeginn der Welt könnte es je sagen: ,Ich tue dir das aus meiner höchsteigenen Machtvollkommenheit!‘, und es gelänge ihm wunderbarsterweise auf ein Haar, was er will und ganz einfach mit leichtverständlichen Worten ausspricht. Du, Freund, aber hast nicht zu Gott oder dem Jesus Zebaoth Jehova gerufen: ,Hilf mir!‘, sondern Du sagtest: ,Ich will es also aus Meiner höchsteigenen Machtvollkommenheit!‘ 14. Was bist Du demnach? – Du Selbst bist da der einzig allein wahre Jesus Zebaoth Jehova, – und so verbirg denn nicht länger Dein durch der Propheten Weissagungen verheißenes Messiasantlitz, auf daß wir in Dir Den begrüßen, lieben, loben und preisen können, der Du bist, und Dir niemand gleicht weder auf Erden noch im Himmel! Denn so Du Jehova Zebaoth bist – was ich für mich nicht im geringsten bezweifle –, so gebührt Dir allein alle Ehre und Anbetung von uns Menschen, die wir Dich erkannt haben aus Deinen Worten und aus Deinen Taten!“ 15. Sagte Ich: „Was ihr tun wollt, das tuet im Herzen; denn alles Lob aus dem Munde hat vor Mir keinen Wert! Nur vor euren Brüdern bekennet Meinen Namen auch offen mit dem Munde, und redet von Meiner Lehre und von Meinen Taten, und tuet nach Meinen Worten, und handelt und lebet nach Meiner Lehre, die euch Meine zwei Gesandten verkündet haben, und Ich werde euch bekennen vor Meinem Vater; und den Ich bekennen werde vor Meinem Vater, der wird in sich haben das ewige Leben. 16. Nun aber werden wir unseren Weg wieder weiter fortsetzen; denn Ich muß Mich noch vielen zeigen, die so wie ihr schon völlig an Mich glauben, aber auch eine große Sehnsucht haben, Mich zu sehen. Kapitel 62 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 62. — Die Verheißung und der Segen des Herrn für die Bewohner des Bergdorfes 1. (Der Herr:) „So ihr bleibet in Meiner Lehre, da werde Ich auch bleiben im Geiste bei euch also, wie bei allen Menschen, die an Mich glauben und nach Meiner Lehre leben und handeln und jene, die Ich ausgesandt habe, zu predigen allen Völkern das Evangelium von der Ankunft des Reiches Gottes auf Erden, und worin es besteht, und was sein Wesen ist, gleich euch in aller Liebe und Freundlichkeit aufnehmen und ihnen geben zu essen und zu trinken. 2. Denn die Ich nun aussende, sind gleich den Propheten; wer aber einem Propheten irdisch Gutes erweist, der wird auch eines Propheten Lohn ernten; dieser aber besteht darin, daß Ich im Geiste also, wie im Propheten, bei ihm sein und bleiben werde, und er wird an Meinen Segnungen keinen Mangel haben. 3. Ihr habt eure Grundstücke, die sehr steinig sind, bisher schwer bearbeitet, und eure Äcker, Gärten und Wiesen haben euch nur eine magere Ernte gebracht; aber ihr habt nicht gemurrt, danktet Gott auch für das wenige, und Er aber segnete euch auch das wenige, und es langte aus für euch und durch eure Nächstenliebe auch für manchen Fremden, der hungrig, durstig und oft auch nackt zu euch kam. 4. Da ihr Mir aber mit dem wenigen treu waret, so sollen von nun an eure Gründe, die wohl keinen kleinen Flächenraum haben, ihr sehr steiniges Ansehen verlieren, und ihr werdet in der Folge reiche Ernten machen und werdet auch viele Diener benötigen. Kurz, der Geist, den Ich in euch erwecken werde, wird euch lehren, wie ihr in der Folge eure diesweltliche Wirtschaftung werdet zu besorgen und zu bestellen haben. 5. So aber eure Gründe voll Segens sein werden, da übernehmt euch nicht, sondern bleibet, wie ihr nun seid, und Mein Segen wird auch bei euch bleiben natürlich und geistig! Also sei es, und also bleibe es, gleichwie ihr tatsächlich in Meiner Lehre bleiben werdet!“ 6. Auf diese Meine Worte warfen sich alle die anwesenden Bewohner dieses kleinen Bergdorfes auf ihre Knie vor Mir nieder und dankten Mir für die Gnade, die Ich ihnen erwiesen habe. Der Alte und der ganz Geheilte aber konnten vor lauter Dankestränen kaum reden. Ich aber hieß sie aufstehen und sich nun heiteren Mutes an ihre Geschäfte begeben, was sie denn auch taten; nur der Alte und der Geheilte blieben noch und betrachteten Mich und Meine Jünger mit wonniglichen Blicken. 7. Und der Geheilte sagte: „Oh, wie glücklich doch müssen diese Deine auserwählten Jünger sein, die stets um Dich, o Herr, und Zeugen von allen Deinen Taten und Lehren sein können!“ 8. Sagte Ich: „Darum werden sie späterhin, so Ich in dieser Meiner sichtbaren Person nicht mehr bei ihnen sein werde, sondern dort, von wannen Ich gekommen bin, aber auch um so stärkere Lebensproben und allerlei Verfolgungen von seiten der Welt zu bestehen bekommen; denn die Welt, wie sie nun ist, ist blind und taub, wird sie hassen um Meines Namens willen, wie sie auch Mich haßt, weil sie Mich noch nie erkannt hat und auch nicht erkennen und so in ihren Sünden und Greueln zugrunde gehen wird. 9. Und sehet, da werdet ihr es in dieser Welt leichter haben, obwohl man auch euch häufig erforschen wird, ob auch ihr an Mich glaubet und nach Meiner Lehre handelt und lebet! 10. So man aber euch darum fragen wird, da werdet nicht ängstlich und denket auch nicht nach, was ihr den Fragern und Versuchern zur Antwort bringen sollet! Es wird euch zur Stunde, wann ihr es benötigen werdet, die rechte Antwort schon in den Mund gelegt werden, und eure Versucher werden euch auf tausend auch nicht eins zu erwidern imstande sein. Auch dessen kann Ich euch völlig versichern.“ 11. Darauf wurden die beiden beruhigt, und Ich winkte den Jüngern, daß es an der Zeit zur Weiterreise sei. 12. Da fingen die Jünger an, sich auf den Weg zu machen, und Ich trat unter sie, und wir verließen in Windesschnelle das Bergdorf. Und ehe sich die Bewohner desselben noch so recht umsehen konnten, waren wir ihnen auch schon aus dem Gesichte völlig entschwunden, welch schnelles Entschwinden einige der Bewohner des Dorfes in die Meinung versetzte, als wären wir Geister gewesen; aber der Alte und der Geheilte erklärten ihnen, wer Ich sei, und wie Mir darum auch alles möglich ist. 13. In einem Jahre darauf, als ihre steinigen Gründe sich in gar üppige Fluren umzugestalten anfingen, da ward auch ihr Glaube noch kräftiger, und Ich trat von Zeit zu Zeit sichtbar unter ihnen auf und stärkte sie im Glauben und in der Liebe, in der Geduld und Sanftmut. Denn es wurden einige von ihnen, als sie vernommen hatten, daß Ich in Jerusalem bin gekreuzigt worden und am Kreuze starb, sehr ängstlich und bedenklich im Glauben; und so war es denn auch nötig, daß Ich auch persönlich zu ihnen kam, Mich ihnen als Herr und als der Besieger des Todes zeigte, sie tröstete, und ihnen auch aus der Schrift erklärte, wie das alles an Mir hatte geschehen müssen, auf daß durch die finstere Pforte des Todes eine jede Seele, die an Mich glaubt, in die ewige Herrlichkeit eingehe, in die Ich eingegangen bin, und in der Ich Mich schon von Ewigkeit befand. Was aber geschah, das sei aus Liebe zu den Menschen geschehen, auf daß sie durch den Glauben an Mich und an Meine Menschwerdung zu ihrem Heile, aber auch zum Gerichte der argen Welt, zu Meinen wahren Kindern würden, Mir gleich in allem. Und es wurden dann eben diese Bewohner des Bergdorfes, das in wenigen Jahren sehr ansehnlich ward, zu wahren Helden im Glauben und in der Tat danach. Kapitel 63 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 63. — Der Herr mit den Seinen in einem Urwald in Samaria 1. In einer Stunde aber gelangten wir in einen dichten Wald, durch den der Weg führte gen Galiläa hin. Der Wald dauerte bei drei guten Stunden Weges, und es war kein Haus irgend am Wege. 2. Und es fragten Mich die Jünger, warum ein solcher Wald von niemandem benützt werde. 3. Ich aber sagte zu ihnen: „Seid froh darüber, daß in dem Gelobten Lande noch ein so gesunder Wald besteht und noch nicht der menschlichen Habgier zum schnöden Opfer geworden ist! In diesem Walde könnet ihr noch Stellen finden, an denen der Honig aus den Bäumen wie ein kleiner Bach fließt; denn in solchen Wäldern sind noch reichlich Bienen vorhanden und bereiten den Honig. 4. Dazu habe Ich auch allerlei Getier erschaffen, das da erstens für den natürlichen Bestand der Erde ebenso notwendig ist wie dem Menschen das Auge zum Sehen, und zweitens zur fortschreitenden und selbständigen Ausbildung der Seelen auf dieser Erde vollends unerläßlich ist, wie Ich euch das bei andern Gelegenheiten schon ganz umständlich und durch die Eröffnung eurer inneren Sehe auch wesentlich gezeigt habe; und so werdet ihr denn auch einsehen, daß das Getier aller Art und Gattung, weil es zur endlichen Ausbildung des Menschen nach Meiner Ordnung dasein muß, neben dem Menschen auf dieser Erde doch auch eine Wohnstätte haben muß. Und dazu sind denn auch hie und da auf der Erde derlei größere und dichtere Wälder notwendig. Sie haben aber daneben noch tausendfach andere Zwecke. 5. Vor allem sind sie die ersten Aufnahmegefäße für zahllos viele Naturgeister, die im Reiche der Pflanzen ihre erste, schon mit einer geordneten Intelligenz gesonderte Inkorporierung erhalten und insoweit zu einer Reife gelangen, durch die sie dann schon ins intelligentere und freiere Tierleben übergehen können, – was alles Ich euch auch schon gezeigt habe, weil Ich es also will, daß ihr alle Geheimnisse des Reiches Gottes auf Erden wohl erkennen sollet. 6. Solange derlei Wälder auf der Erde in gerecht reichlichem Maße bestehen und die stets aus allen Sternen zur Erde kehrenden und aus dieser Erde sich entwickelnden und aufsteigenden Naturgeister in solchen Wäldern ihre Aufnahme und wohlgeordnete Unterkunft finden, so lange werdet ihr über dem Erdboden hin weder zu heftige Elementarstürme, noch irgend zu verschiedenartig pestilenzische Krankheiten auftauchen sehen; wenn aber einmal die zu gierende Gewinnsucht der Menschen sich zu sehr an den Wäldern der Erde vergreifen wird, dann wird für die Menschen auch böse zu leben und zu bestehen sein auf dieser Erde und am bösesten dort, wo die Lichtungen der Wälder zu sehr überhandnehmen werden, – was ihr euch auch merken könnet, um die Menschen vor solch einer losen Industrie rechtzeitig zu warnen. 7. Seht, in den ersten Zeiten der Menschen auf dieser Erde wußte man weder von gezimmerten Häusern und noch weniger von gemauerten Burgen; solche Wälder dienten auch den Menschen zur Wohnung, und sie erreichten in diesen naturlebendigen Wohnungen ein überhohes und völlig gesundes Alter. Im Norden sowohl Asiens als auch Europas und noch anderer großer und kleinerer Weltteile, auch auf der südlichen Erdhälfte, wohnen noch heutzutage ganz kräftige und gesunde Menschen, in naturmäßiger Hinsicht genommen, in Wäldern, und so ist ein solcher Wald nicht etwas so Furchtbares und Nutzloses, als sich das der kurzsichtige Verstand der Menschen vorstellt! Wenn ihr das begriffen habt, dann seid nun nur recht heiteren Mutes darüber, daß wir hier noch so einen recht gesunden Urwald angetroffen haben.“ 8. Während Ich aber den Jüngern dieses über den dichten Wald eröffnete, kamen wir auf eine freiere Stelle des Waldes, die mit alten Zedern umwachsen war. Und da war eine Zeder, die hohl war und darum eine große Masse Bienen in sich beherbergte, die so viel Honig bereiteten, daß dieser, weil er von den Bienen nicht verzehrt werden konnte, allenthalben aus den Ritzen und Spalten des mächtigen Baumes so reichlich herausfloß, daß eine Vertiefung, von dem Baume etwas nach abwärts, wie ein kleiner Teich ganz mit dem besten Honig vollgefüllt zu sehen war und von den Jüngern bald ein Abfluß von dem wahren Honigteiche nach rechts weit in den Wald hinein entdeckt wurde. 9. Und Petrus sagte: „Da ist wahrlich noch ein Stückchen des alten Kanaan, in dem Honig und Milch in Bächen floß! Es ist nur ordentlich wunderbar, daß die stets unersättliche Habsucht der Menschen diesen wahren Honigsee bis jetzt noch nicht entdeckt hat. Herr und Meister, schade, daß wir kein Brot bei uns haben, – da könnten wir uns ganz wohl mit dem Honigbrote sättigen!“ 10. Sagte darauf Philippus: „Einen Laib Brotes hätte ich wohl bei mir; aber wir sind nun unser etliche vierzig an der Zahl, und es wird darum wenig auf einen kommen!“ 11. Sagten darauf die Johannesjünger: „Wir haben auch noch ein paar Laibe, die wir schon in Jericho gekauft haben, und so dürfte das Brot doch, wenn auch in kärglicher Weise, für uns alle wohl auslangen!“ 12. Sagte Ich: „Wenn es euch schon hungert, da verteilet unter euch die drei Laibe, und esset!“ 13. Die Jünger taten das und übergaben auch Mir ein bestes Stück. 14. Darauf segnete Ich das Brot, und es vermehrte sich also, daß wir nun alle des Brotes zur Übergenüge hatten. Wir setzten uns denn um den Teich, tauchten das Brot in den Honig, und die Jünger, und ganz besonders Judas Ischariot, konnten sich an dem süßen Brote nicht zur Genüge satt essen. 15. Diese Mahlzeit dauerte bei einer halben Stunde lang, und Ich sagte: „Nun haben wir alle genug des Honigbrotes gegessen, und es ist Zeit, daß wir diese für euch gar zu süße Waldstelle verlassen und sehen, heute vor dem Untergange noch Galiläa zu erreichen, denn hier sind wir noch in Samaria.“ 16. Sagte Petrus: „Herr, wahrlich, hier wäre es gut, ein paar Tage lang zu verbleiben und so ein wenig auszuruhen! Hier wären wir auch vor der oft lästigen Zudringlichkeit der Menschen sicher; denn diese Stelle hat vor uns ganz sicher noch kein Mensch entdeckt, weil der Honigteich noch so voll ist, daß er überfließt.“ 17. Sagte Ich: „Die Menschen haben zwar diese Waldstelle nicht entdeckt, aber mehrere Bären dieses Waldes schon lange, und diese werden nicht zu lange auf sich warten lassen. Wollt ihr mit solchen Bewohnern diese Nacht an diesem Honigteiche zubringen, da könnet ihr schon hier übernachten. Doch Ich werde da nicht in der Gesellschaft der Bären verweilen, und mit der Macht Meines Willens will Ich sie nicht bezwingen und ihnen ihre Mahlzeit schmälern!“ 18. Als die Jünger von der Ankunft mehrerer Bären hörten, vor denen die meisten einen Abscheu hatten, da waren sie denn auch gleich zur Abreise bereit. Ein jeder tauchte noch einmal seinen Rest Brotes in den Honig, erhob sich dann schnell vom Boden, und wir verließen diese Stelle und zogen unseren Weg weiter, den wir uns aber eine ziemliche Strecke weit erst bahnen mußten, weil wir uns ehedem, um zu unserem Honigteiche zu gelangen, von der gebahnten Straße bergaufwärts entfernen mußten. 19. Nach einer Weile gelangten wir mit mancher kleinen Mühe wieder zu der gebahnten Straße noch im Walde, auf der wir uns dann wieder mit Windesschnelle vorwärtsbewegten und so denn auch schon in einer halben Stunde das Land Galiläa erreichten. Kapitel 64 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 Der Herr in Galiläa. 64. — In der Landherberge 1. Es waren aber die Jünger auf die Honigmahlzeit sehr durstig geworden, und da wir zu einer Landherberge kamen, so verlangten sie zu trinken. 2. Der Wirt aber entschuldigte sich, daß er außer etwas Zisternenwasser und Schafmilch keine Getränke besitze, und die Jünger begnügten sich mit der Schafmilch, die der Wirt in reichlichem Maße besaß, und stillten sich damit den Durst. 3. Als sich die Jünger den Durst gestillt hatten, da fragten die sogenannten und schon bekannten Judgriechen und auch die Jünger des Johannes, die alle recht viel Geld bei sich hatten, was die Milch koste. 4. Der Wirt aber sagte: „Wer unter euch ein Jude ist, der ist frei – denn so ein Jude zum ersten Male in meiner Herberge eine Labung verlangt, so ist es bei mir Sitte, daß sie ihm ohne Entgelt gereicht wird –; aber die Griechen bezahlen die Labung, und zwar ein jeglicher mit einem Pfennige!“ 5. Die Judgriechen aber, obschon sie Juden waren, sagten: „Freund, wir tragen zwar der Griechen Kleidung, sind aber beschnitten und sind darum Juden und keine Griechen! Es macht das aber nichts. Du hast eine so billige Rechnung gestellt, daß wir sie dir nicht nur einfach, sondern dreifach bezahlen wollen und auch werden; denn deiner Schafe Milch war frisch und gut, und wir haben uns unseren Durst gestillt, und so ist deine Rechnung zu gering gestellt! Hier, empfange du das Geld!“ 6. Mit dem übergab ihm einer der Judgriechen ein Silberstück im Werte von hundert Pfennig. 7. Der Wirt aber entschuldigte sich, daß er so ein Geldstück nicht wechseln könne und sagte: „Da ihr nach eurer für mich völlig glaubwürdigen Aussage denn auch Juden seid, da seid auch ihr frei, und ich nehme von euch kein Geld an, weder klein und noch weniger groß!“ 8. Sagte darauf Ich zum Wirte: „Wer so billig rechnet wie du, der begeht keine Sünde, so er das annimmt, was ihm die Gäste freiwillig darreichen.“ 9. Auf dies Mein Wort nahm der Wirt das Geldstück an und sagte: „Da zahlt einer für den andern! Es ist zwar diese keine Straße, auf der oft und viele Karawanen ihre Reisen machen – denn die Reisenden scheuen den großen und dichten Bergwald, in welchem sich allerlei Raubtiere aufhalten und die Reisenden besonders in der Winterszeit oft sehr belästigen –; aber im Frühjahr und im Sommer kommen doch noch Reisende auf dieser alten Straße, die von den Philistern gebahnt worden sein soll, und darunter werden sich schon etliche vorfinden, denen eine entgeltlose Verpflegung ganz gut zustatten kommen wird. 10. Oh, hätte ich nur eine gute Brunnquelle bei meiner sonst großen Landwirtschaft, so würde es zu gewissen Zeiten an hier zusprechenden Gästen nicht fehlen; aber alle meine Zisternen haben oft kaum so viel nur halbwegs trinkbaren Wassers, als ich für meine Wirtschaft benötige. Ich kann darum denn auch nur selten Fremde bei mir beherbergen. Seht, es geht der heutige Tag auch schon seinem Ende zu, und ich möchte euch gern über die Nacht beherbergen, weil der nächste Ort, ein kleiner Flecken, bei zwei Stunden Weges von hier entfernt ist, – aber ich habe keinen Wein, beinahe kein Brot und kein Salz! Denn wir leben hier wahrlich nur von der Milch unserer Schafe und Ziegen und von ihrem geräucherten Fleisch – auch Hühner kommen hier gut fort und legen viele Eier –; nur muß ich stets recht viele wohlbewaffnete und mutige Hirten halten, damit meine Herden von den Raubtieren keinen zu großen Schaden erleiden. Seid ihr aber mit meiner Hauskost zufrieden, da möget ihr immerhin hier bei mir die Nacht zubringen. Ich habe von euch des Geldes zur Genüge erhalten und würde euch am Morgen keine neue Rechnung machen. Mein Weib und meine schon erwachsenen fünf Töchter bereiten unsere Hauskost recht gut.“ 11. Sagte Ich: „Freund, wir werden zwar heute nicht hier, sondern im nahen Flecken übernachten; aber da Ich eben ein Meister in der Auffindung der reinen und lebendigen Brunnenwasserquellen bin, so will Ich Mich bei deinem Hause ein wenig umsehen, ob sich nicht eine Stelle irgend finden lasse, unter der sich etwa eine reiche Wasserquelle befindet.“ 12. Sagte der Wirt: „O Freund, da wirst du dir eine ebenso vergebliche Mühe machen, wie sich das hier schon mehrere Wasserkundige gemacht haben, die in der ganzen weiten Umgegend Wasser suchten und mit allen ihren Werkzeugen, mittels denen man das Vorhandensein irgendeiner unterirdischen Quelle wohl wahrnehmen soll, keine solche Stelle gefunden haben! Wahrlich, da müßte zuvor Gott in dieser Gegend erst eine Brunnenwasserquelle erschaffen, ansonst wird sich hier wohl keine finden lassen, – und um mein Haus herum schon am allerwenigsten; denn da habe ich mit meinen Knechten schon das Unterste zum Obersten aufgewühlt und fand nichts als taubes und trockenes Gestein.“ 13. Sagte Ich: „Es kommt da nun nur auch auf eine kleine Probe an. Vielleicht gelingt es Mir besser als dir und allen deinen Wasserfühlern?!“ 14. Sagte der Wirt: „O Freund, du kannst es wohl versuchen, – aber da habe ich einen schwachen Glauben!“ 15. Sagte Ich: „Das macht vorderhand nichts; denn du wirst schon nachderhand zu einem stärkeren Glauben kommen!“ 16. Hierauf fragte Ich den Wirt, auf welcher Stelle er sich in der Nähe seines Hauses eine reiche Brunnquelle wünschen würde. 17. Sagte der Wirt: „Freund, das auch noch? Ja, wenn du so einen Hirtenstab Mosis besäßest, siehe, da wäre dieser bei zwei Mannslängen hohe harte Fels der geeignetste Punkt dazu! Hatte der Fels in der Wüste sein Wasser geben müssen auf Mosis Geheiß, als er mit dem Stab in den Felsen stieß, so könnte dieser Fels dasselbe tun. Aber es gibt nun keinen Moses mehr und einen solchen Stab auch nicht, und so wird unser Fels wohl auch nimmerdar zu einem Wasserbrunnen werden.“ 18. Sagte Ich: „Freund, hier vor dir ist mehr denn Moses und alle Propheten, und Mein Wille ist mächtiger als dein Hirtenstab Mosis! Siehe, Ich werde mit keinem Stabe an den Fels schlagen, ja denselben nicht einmal mit einem Finger berühren, und der Fels wird so viel des reinsten und besten Trinkwassers von sich für lange hin geben, daß du und deine Nachkommen an keinem Wassermangel je zu leiden haben sollen!“ 19. Auf das wandte Ich Mich zum Felsen hin und sagte: „Ich will, daß aus dir ein ganzer Bach voll des reinsten und besten Wassers hervorzuquellen anfange, dann fortfließe tausend Jahre lang und erst dann versiege, wenn finstere Heiden diese Stätte zertreten werden!“ 20. Auf diese Meine Worte löste sich im Augenblick ein Stück von der Wand des Felsens, und es schoß mit einem starken Gebrause ein so mächtiger Wasserstrom hervor, daß dann von dem Felsen weg etwas abwärts dem tiefergelegenen Tale zu sogleich ein so starker Bach zu fließen begann, daß er sich bald ein Bett grub und im selben fortfloß. Kapitel 65 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 65. — Der Herr gibt Sich dem Wirte zu erkennen 1. Als der Wirt das ersah, da erschrak er und wußte nicht, was er nun hätte sagen sollen. 2. Ich aber sagte zu ihm: „Freund, wie sieht es nun mit der Schwäche deines Glaubens aus?“ 3. Sagte darauf der Wirt, noch ganz voll Staunens: „O Freund, was da meinen Glauben an dein Wort betrifft, da könntest du mir nun schon zum Glauben vorstellen, was du wolltest, und ich würde es dir glauben! Wahrlich, du mußt ein gar mächtiger Prophet sein, ja größer noch als Moses und Elias! Du magst schon vielerorts große Zeichen gewirkt haben, um den verfallenen Glauben an den einen wahren Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs wieder von neuem aufzurichten und die alte Gottesfurcht in den Herzen der Menschen wieder zu erwecken; aber ich lebe hier zwischen den Bergen von aller Welt ganz abgeschlossen und erfahre wenig, was irgend in der weiten und großen Welt ist und geschieht, und die seltenen Wanderer auf dieser alten Straße halten auch nur selten aus den ehedem angeführten Gründen bei mir an, – und so kann nun schon gar viel Wunderbarstes sich in der Welt zugetragen haben, und es ist dennoch nichts davon bis zu unsern Ohren gekommen. Was ist denn so ganz eigentlich deine Sache, die du an der Spitze dieser deiner Gefährten hauptsächlich betreibst? Denn es kommt mir vor, daß du nicht nur darum in der Welt umherziehst, um wasserleere Gegenden mit Wasser zu versehen!“ 4. Sagte Ich: „Da magst du wohl recht urteilen; aber es nimmt Mich wunder, daß du, als selbst ein Galiläer, von Mir bis jetzt noch nichts solltest vernommen haben. Du kamst vor etlichen Jahren ja doch zu öfteren Malen nach Nazareth, in welcher Stadt Ich lange als ein Zimmermann an der Seite des alten, dir wohlbekannten Joseph gearbeitet habe! Und da hast du über Mich denn auch allerlei erfahren. Erinnerst du dich dessen denn gar nicht mehr?“ 5. Sagte nun der Wirt, gar große Augen machend: „Du – wärest eben jener Zimmermannssohn, von dem die Nazaräer allerlei Märchen und Fabeln erzählten und ihn für einen halb irrsinnigen Sonderling erklärten? Ja, ja, von jenem Zimmermanne habe ich wohl vor etlichen Jahren so manches gehört, aber das meiste nur aus seiner Jugendzeit; denn als ein reif gewordener Jüngling und nachher als schon ein Mann soll er gar wenig von seinen Kinderfähigkeiten mehr innegehabt haben, redete nur wenig und tat auch keine Zeichen mehr, und man hat sich denn auch wenig mehr um ihn gekümmert. 6. Also – du bist des alten Joseph jüngster Sohn, auf den er gar große Hoffnungen setzte, aber am Ende selbst daran zu zweifeln begann, da du nahezu ganz stumm geworden wärest und etwa gar keine Zeichen mehr wirktest! Ah, nun wird mir so manches klar, was ich früher nimmerdar geglaubt hätte! Aber nun erst möchte ich aus deinem Munde erfahren, was nun der Zweck deines Umherreisens ist, und jetzt erst wünsche ich vollends, daß ihr diese Nacht bei mir verbleiben möchtet!“ 7. Sagte Ich: „Siehe, wenn Ich bald werde dahin zurückgekehrt sein, von woher Ich gekommen bin, dann werden Meine Jünger in alle Welt ausgesandt werden und werden in Meinem Namen den Menschen predigen, was sie von Mir gelernt haben, und es wird dir dann der Zweck Meines nunmaligen Umherreisens schon bekanntgemacht werden. 8. Wer an Mich und an Mein Wort glauben und danach handeln wird, aus dessen Lenden werden Ströme des lebendigen Wassers fließen, und es wird ihn nimmerdar dürsten; denn er wird in sich haben das ewige Leben in der Wahrheit und im Geiste aller Liebe aus Gott. 9. Es ist aber ein leichtes, einem Fels zu gebieten, daß er ein natürliches Wasser aus sich hervorströmen lasse; aber da die Menschen in ihren Gemütern und Herzen nun um vieles härter geworden sind, als da ist dieser Fels, der auf Mein Wort das Wasser von sich strömen läßt, so ist es auch um ein großes schwerer, die Menschen dahin zu bringen, daß aus ihren Lenden das Wasser des Lebens ströme, – welches Wasser da ist die ewige Wahrheit in Gott und nun im Worte an die Menschen ergeht. 10. So es im Worte auch an dich ergehen wird, dann glaube und handle, und du wirst im Gottesreiche zu einem Brunnen werden, aus dem sich viele nach der Wahrheit Dürstende fürs ewige Leben ihrer Seelen erlaben werden. Da hast du nun dargestellt den Zweck Meines Umherreisens. 11. Du wünschtest aber auch, daß Ich diese bald kommende Nacht in deinem Hause zubringen möchte. Allein das kann Ich dir nun nicht gewähren; denn siehe, der Tag wird noch eine Stunde währen, und Ich muß arbeiten, solange der Tag währt! Es harret heute Meiner vor dem Untergange noch eine wichtige Arbeit, und Ich muß darum sogleich weiterreisen mit Meinen Jüngern. Merke es dir aber, was Ich zu dir nun geredet habe; denn es wird bald die Zeit kommen, in der du das höher denn alle Schätze der Welt achten wirst mit deinem ganzen Hause!“ 12. Hierauf winkte Ich den Jüngern zum Aufbruch und somit zur Weiterreise, und wir machten uns auf und zogen gleich weiter. 13. Der Wirt aber gab uns auf ein paar hundert Schritte das Geleit, dankte Mir für die ihm erwiesene wundersame Wohltat und bat Mich, ehest wieder zu ihm zu kommen und bei ihm länger zu verweilen, als das jetzt der Fall war. 14. Und Ich sagte zu ihm: „Freund, also, wie diesmal, wirst du Mich wohl nicht mehr sehen; aber wenn du von Meinen Jüngern über Mich und Meinen Willen wirst unterrichtet sein und an Meinen Namen glauben wirst, da werde Ich im Geiste zu dir kommen und auch bleiben bei und in dir. Das verstehst du jetzt noch nicht; aber wenn es geschehen wird, dann wirst du das auch verstehen!“ 15. Auf diese Worte empfahl sich der Wirt und kehrte nachdenkend wieder nach Hause zurück, und wir zogen unseren Weg, der sich auf einem freien Bergrücken fortzog, ruhig weiter und betrachteten die sehr romantische Gegend nach allen Seiten. 16. Als der Wirt aber bald wieder nach Hause kam, da standen alle seine Leute, bei vierzig an der Zahl, und betrachteten unter großem Staunen und Verwundern den Fels, aus dem nun ein so reichliches Wasser hervorströmte, und fragten den Wirt, wer Ich denn wäre, und wie Ich das angestellt hätte, daß der Fels nun ein so reines und reichliches Wasser von sich strömen lasse. 17. Der Wirt erzählte ihnen wohl alles, was er gesehen und gehört hatte; aber seine Leute verstanden von allem nichts. 18. Nur ein ganz schlichter Hirte, der eine Herde Schafe nach Hause brachte und sie gleich an der frischen Quelle tränkte, sagte: „Ihr ratet, fraget und forschet um allerlei, – und die Wahrheit scheint hier ganz nahe zu liegen! Ein Mensch, der bloß durch sein Wort machen kann, was keinem Menschen möglich ist, der muß voll des Geistes Gottes sein; denn derlei zu bewirken ist nur Gott allein möglich! Aber da Gott unserem Hause hiermit eine übergroße Gnade erwiesen hat, so sollten wir denn auch nun zuerst Ihm danken und lobpreisen Seinen herrlichsten Namen; und morgen sollten wir sogleich unsere Hände ans Werk legen und da unten, wo die Ebene ohnehin schon eine recht weite Einsenkung hat, einen Teich machen, in dem sich das hier abfließende Wasser sammle und unseren Herden zu einer bequemeren Tränke diene, als das hier der Fall ist, wo das Wasser zu rasch von dem Fels ins Tal hinab entweicht!“ 19. Alle belobten den Hirten wegen dieses guten Einfalls und Rates, und es nahmen mehrere Knechte sogleich Krampen, Spaten und Hauen in die Hände und brachten es in einer Stunde so weit zustande, daß das Wasser sich in die vorbezeichnete Ebene bewegen und daselbst sammeln mußte; und in ein paar Tagen war die ganze Ebene, die ohnehin nur aus kahlem Gestein bestand, in einen förmlichen See umgestaltet, worüber sich später viele Reisende hoch verwunderten, da sie in den früheren Zeiten hauptsächlich nur darum diese Gegend gemieden hatten, weil sie im Sommer allda an Wassermangel litten. 20. Diese alte Straße ward denn auch bald von vielen Reisenden durchzogen, und der Wirt wurde auch bald so reich, daß er aus der ehedem kaum beachteten kleinen Herberge eine große errichtete und stets viele Gäste hatte. Viele zogen auch des bald verbreiteten Wunders wegen dahin und hielten sich mehrere Tage in dieser Herberge auf. 21. Der Wirt aber ward später auch ein Hauptverbreiter Meines Evangeliums, indem er zuvor von Meinen Jüngern darin wohlunterrichtet worden war. 22. Das ist als Nachtrag für dieses als denkenswert zu erwähnen gewesen. 23. Und so kehren wir nun wieder zu uns selbst zurück! Kapitel 66 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 66. — Die Heilung der zehn Aussätzigen (Luk. 17,11-19) 1. Wir kamen denn nach einer kleinen Stunde in die Nähe eines Fleckens oder Marktes, und da kamen uns zehn mit bösem Aussatze Behaftete entgegen. Diese waren alle aus der Nähe von Nazareth und mußten schon ein volles Jahr hindurch im Freien lagern, weil sie niemand in eine Herberge aufnehmen wollte und ihnen auch kein Arzt helfen konnte. (Luk.17,11.12) 2. Diese Zehn, als sie vollends in Meine Nähe kamen, erkannten Mich und auch mehrere Meiner Jünger, blieben stehen, erhoben ihre Stimme und sprachen: „O Jesus, Du lieber Meister, wir kennen Dich und Deine göttliche Macht, erbarme Dich unser; denn wir leiden nicht nur oft kaum erträgliche Schmerzen, sondern alles flieht unsere Nähe!“ (Luk.17,13) 3. Ich aber sagte zu ihnen: „So helfe euch denn euer Glaube! Kehret nun aber wieder in den Markt zurück und zeiget euch einem Priester, der auch ein Arzt ist (wie das gewöhnlich die Judenpriester zu sein sich einbildeten), der wird euch ein vor der Welt gültiges Zeugnis geben, daß ihr nun völlig rein seid! Dann aber gehet hin, und nützet den Menschen durch eurer Hände Arbeit, und sündiget nicht mehr, auf daß es mit euch nicht noch ärger werde, als es bis jetzt war; denn derlei Übel am Leibe bewirkt die Sünde der Geilheit! Gehet nun, und tut, was Ich euch befohlen habe!“ 4. Da kehrten die Gereinigten eiligst wieder in den Markt zurück und gingen zu einem Priester, zeigten sich ihm und baten ihn, daß er ihnen ein Zeugnis gebe. 5. Und der Priester besah sie, fand sie völlig rein und gab ihnen denn auch gegen ein kleines Opfer ein Zeugnis, und zwar – wie es gebräuchlich war –, einem jeden ein eigenes, bestehend in einem Blättchen geglätteter Eselshaut, das mit einem Stern bezeichnet war. 6. Mit diesem Zeugnisse gingen sie denn auch in eine Herberge und wurden mit der Vorzeigung des beschriebenen Zeugnisses denn auch sogleich ohne allen Anstand in die Herberge als Gäste aufgenommen. (Luk.17,14) 7. Einer aber sagte zu seinen früheren Leidensgefährten: „Höret, der liebe Meister Jesus aus Nazareth hat uns durch Seine wunderbare göttliche Macht von unserem großen Übel geheilt; ich erachte es darum für unsere erste Pflicht, daß wir nun alsbald umkehren, Ihm entgegenziehen und Ihm nochmals unseren Dank darbringen!“ 8. Da sagten die andern: „Du hast wohl recht; aber es ist die Sonne schon untergegangen, und es fängt an zu dämmern, und Er wird nun draußen vor dem Markte nicht auf uns warten, daß wir zurückkämen und Ihm unseren mündlichen Dank darbrächten. Wir danken Ihm im Herzen, und Er, der auch weiß, was ein Mensch denkt, wird es uns doch nicht zu einem Übel anrechnen, so wir Ihm nun nicht irgend entgegenziehen, wo Er schwerlich mehr zu treffen sein wird.“ 9. Der eine aber sagte: „So der liebe Meister Jesus die Gedanken der Menschen, wie wir das an Ihm schon erfahren haben, auch in der Ferne erkennt, so wird Er auch erkennen, daß ich nun zurückkehre an die Stelle, wo wir gereinigt worden sind, um Ihm da die Ihm gebührende Ehre zu geben, – ob Er dort weilt oder nicht!“ 10. Und die andern sagten: „Tue du immerhin, was dir gut und recht dünkt; wir aber glauben auch nichts Unrechtes zu tun, so wir tun, was uns auch gut und recht dünkt!“ 11. Da gingen die neun in die Herberge, der eine aber kehrte an die Stelle zurück, auf der er gereinigt worden war, und an der Ich mit Meinen Jüngern des herrlichen Abends wegen auch noch verweilte. Als er zu Mir kam, empfand er eine große Freude, daß er Mich noch an derselben Stelle weilend fand, an der er eine halbe Stunde zuvor mit den andern neun vom bösen Aussatze gereinigt worden war. 12. Er fiel denn auch alsbald auf sein Angesicht vor Mir nieder und pries Gott mit lauter Stimme, sagend (der geheilte Aussätzige): „O Jesus, Du lieber, guter Meister, Du Sohn des lebendigen, ewigen Gottes, der Du mit Ihm einer Natur und Wesenheit bist und also auch alles vermagst, was der Vater vermag, ich danke Dir und preise Dich darum, daß Du mir und auch den andern, meinen Leidensgefährten, eine so große Gnade erwiesen hast! Ehre, Lob und Preis Dir im gleichen Maße wie dem ewigen Vater im Himmel, der in Dir, Seinem Sohne, zu uns armen Sündern gekommen ist, um zu erfüllen, was Er durch den Mund der Erzväter und Propheten treu und offen verheißen hat! Oh, bleibe Deine Liebe, Gnade und Erbarmung stets bei uns, und lasse, o Jesus, das auch den Blinden im Geiste erkennen!“ (Luk.17,15.16) 13. Sagte Ich: „Stehe auf! Denn dein großer Glaube hat dir geholfen! Du bist ein Samariter und hast Mich erkannt, und bist gekommen und hast Gott wohlgeziemend die Ehre gegeben; daher wirst du auch in Meiner Liebe verbleiben. Aber was ist denn mit den andern neun? Sind sie nicht auch dir gleich rein geworden? Und so sie rein geworden sind, warum kamen sie nicht mit dir, daß auch sie dir gleich Gott die Ehre gegeben hätten? Hat sich außer dir denn keiner gefunden, der umgekehrt wäre, zu geben Dem die Ehre, der ihn gesund gemacht hat? Ein Fremdling also weiß es besser, was Gott gebührt, als die, welche sich als die Kinder Gottes ehren lassen! Darum aber wird den Kindern diese Ehre auch bald weggenommen und den Fremden gegeben werden!“ (Luk.17,17-19) 14. Der Samariter aber kniete noch am Boden vor Mir, und Ich sagte zu ihm abermals mit freundlichen Worten: „Stehe nun nur ganz auf, und gehe in die Herberge; denn dein Glaube hat dir geholfen! Sage es aber auch deinen Gefährten, die da Juden sind, was Ich zu dir gesagt habe!“ 15. Da richtete sich der Geheilte vollends auf und ging hin in die Herberge und fand seine Gefährten, wie sie sich beim Brote und Weine gar gut geschehen ließen. 16. Als er zu ihnen kam, da fragten sie ihn alsogleich, ob er Mich wohl noch irgend angetroffen habe. 17. Und er erzählte ihnen ganz ernst und offen, was Ich zu ihm gesagt hatte. 18. Da überfiel die neun eine Furcht, daß sie wieder in den Aussatz zurückverfallen könnten. Da aßen und tranken sie nicht mehr und bereuten, daß sie nicht auch das getan hatten, was der Samariter getan hatte. 19. Ich aber kam bald nach mit Meinen Jüngern und kehrte in derselben Herberge ein; nur ward uns ein großes Zimmer sogleich angewiesen, und der Wirt selbst, der auch mehr ein Samariter denn ein Jude war, fragte uns gleich, was wir essen und trinken möchten. 20. Ich aber sagte: „Laß uns nur geben, was du hast, und wir werden es genießen!“ 21. Da befahl der Wirt sogleich seinen Dienern, Brot und Wein zu bringen, und später sollten für uns Fische in gerechter Menge wohl bereitet werden. 22. Wie es der Wirt anbefohlen hatte, so geschah es denn auch. 23. Als wir eine kurze Weile uns beim Brote und Weine gütlich geschehen ließen, da lockte die Neugier die Hausleute zu uns, damit sie sähen und erführen, wer wir seien, und von woher wir gekommen seien. Als sie uns aber ersahen, da wurden sie inne, daß wir sicher dieselben wären, von denen die zehn Aussätzigen ihre Reinigung erhalten hatten; denn diese hatten uns schon zuvor genau beschrieben, und so erkannten die Hausleute in uns nur zu bald, daß wir die Wunderheilande seien. 24. Das ward auch dem Wirte sogleich mitgeteilt, – daher er sich denn auch um uns gleich näher umzusehen und sich nach unserem Stande und Gewerbe zu erkundigen anfing. Er setzte sich an unseren Tisch, nahm auch Brot und Wein und fragte einen Meiner Jünger, ob wir wohl dieselben Männer wären, aus deren Mitte einer, namens Jesus, die zehn Aussätzigen bloß durch die Macht seines Wortes völlig gereinigt habe. 25. Der Jünger, namens Jakobus der Kleinere, aber sagte: „Dort zuoberst am Tische sitzet der Herr; Den frage, und Er wird dir antworten, was da Rechtens ist!“ 26. Da kam der Wirt denn auch sogleich zu Mir und sagte: „Höre, Freund, bist du der wundersame Heiland, der außerhalb des Marktes die zehn von ihrem bösen Aussatze reingemacht hat bloß durch seines Wortes Macht und Kraft? Bist du der nun schon allbekannte Jesus aus Nazareth?“ 27. Sagte Ich: „Führe die hierher, die dir das gesagt haben; sie werden es dir wohl wieder sagen, ob Ich es bin!“ 28. Da ging der Wirt alsbald hin und brachte etliche der Gereinigten zu uns, und diese sagten gleich mit einer Stimme (die Geheilten): „Ja, ja, dieser ist es, der uns Undankbaren die große Gnade erwiesen hat!“ 29. Und es fielen nun auch die neun, die zuvor nicht umgekehrt waren, vor Mir nieder und gaben Mir die Ehre. 30. Ich aber sagte zu ihnen: „Weil euch die Furcht, als könntet ihr wieder mit dem Aussatze behaftet werden, zu Mir getrieben hat, so seid nun auch ihr gekommen, um Gott die Ehre zu geben! Es sei euch diesmal vergeben, und ihr sollet rein verbleiben; aber in der Folge wird bei denen Mein Segen nicht verbleiben, die da zu bequem sein werden, nach einer empfangenen Gnade Dem die Ehre zu erweisen, von dem sie die Gnade erhalten haben. Erhebet euch nun und gehet, und sündiget hinfort nicht mehr!“ 31. Da erhoben sich die Gereinigten, dankten noch einmal und begaben sich wieder in ihr ihnen angewiesenes Zimmer. 32. Der Wirt aber wußte nun, mit wem er es zu tun habe. Er ward darauf gleich voll Hochachtung vor Mir, ging hinaus in die Küche und befahl seinen Köchinnen, daß sie für uns die allerbesten Fische bereiten sollten, was denn auch geschah. Kapitel 67 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 67. — Pharisäer und Schriftgelehrte versuchen den Herrn (Luk. 17,20.21) 1. Es befanden sich aber auch abends stets alle in diesem Markte amtierenden Pharisäer, Rabbis und ein Schriftgelehrter in dieser Herberge, und der Wirt benachrichtigte sie in der Meinung, Mir eine angenehme Gesellschaft zu bereiten, daß Ich, der Ich zuvor die zehn ganz wunderbar von dem bösen Aussatze gereinigt habe, nun auch sein Gast sei und Mich mit mehreren Gefährten im großen Speisesaale befinde. 2. Als die etlichen Pharisäer, der Schriftgelehrte und die Rabbis das vom Wirte vernommen hatten, erhoben sie sich gleich von ihrem Tische und sagten unter sich: „Nun gut, dem wollen wir hier auf den Zahn fühlen, ob es mit ihm wohl die Bewandtnis hat, die nun schon weit und breit, sogar unter den Heiden ruchbar geworden ist. Er soll der verheißene Messias der Juden sein und das Reich Gottes auf Erden gründen. Wir werden sehen, wie er sich uns gegenüber behaupten wird.“ 3. Mit diesem Vorsatze kamen sie denn auch, vom Wirte geleitet, zu uns in den großen Speisesaal, ließen sich gleich einen Tisch decken und ihn mit dem besten Weine und Brote und mit wohlbereiteten Fischen und noch anderen Speisen best besetzen. Als der Tisch zum großen Vergnügen ihrer Dickbäuche sehr wohl besetzt war, da setzten sie sich und zeigten gleich durch Worte und Gebärden, daß sie die Herren im Orte seien. 4. Wir aber taten so ganz gleichgültig gegen sie, als hätten wir kaum gemerkt, daß sie in unserem Speisesaale Platz genommen haben; wir aßen und tranken und redeten über ganz gleichgültige Dinge. Es wurden nun auch auf unseren Tisch die Fische gebracht, und wir fingen an, sie zu verzehren. 5. Es merkten aber die Pharisäer, daß wir die kostbarsten Edelfische aßen und daneben auch den besten Wein tranken. Da wandte sich ein Pharisäer an den Wirt und sagte: „Warum hast denn du nicht auch für uns solche Fische bereiten lassen? Sind wir denn minder als diese Galiläer, von denen wir etliche gar wohl kennen?“ 6. Sagte der Wirt: „Ob minder oder nicht minder, das ist mir gleich; was da jemand bestellt, das bekommt er auch! Was ihr bestellt habt, das steht auch auf eurem Tische; wollet ihr aber auch Edelfische, so ist es noch Zeit, sie auch für euch herrichten zu lassen, soviel ihr deren wollt!“ 7. Die Pharisäer aber wußten es, daß derlei Fische sehr kostspielig sind, und daß der Wirt sich derlei Speisen auch stets gut bezahlen ließ, und so bestellten sie keine Edelfische. Aber einer sagte, um der Pharisäer Geiz zu beschönigen: „Konnten wir als die Ersten derlei Fische nicht haben, so wollen wir sie auch als die Zweiten nicht!“ 8. Sagte der Wirt: „Ihr möget nun sagen, was ihr wollet, so beirrt mich das nicht im geringsten! Wer kann mir denn vorschreiben, jemandem, der nur etwas zu essen begehrt hat, ohne zu bestimmen, worin die Speise bestehen soll, zu geben, was ich will, und wer kann mir gebieten, dem für das, was er fest begehrt hat, etwas anderes auf den Tisch zu setzen? Kurz und gut, bei mir gilt der alte Grundsatz: Jedem das Seinige!“ 9. Sagte der Pharisäer: Da hast du wohl recht, und wir können dagegen nichts einwenden; aber sonderbar ist es immerhin von dir, der du eben nicht im Rufe eines freigebigen Mannes stehst, daß du gerade diesen Galiläern, die alle nicht gar weit her sind, und bei denen sehr die Frage sein kann, ob sie dir die kostbaren Fische auch zu bezahlen imstande sein werden, einen gar so guten Willen erweisen mochtest!“ 10. Sagte der Wirt: „Auch das geht euch schon wieder nichts an! Menschen, wie ihr da seid, sind bei mir wahrlich nichts Seltenes; aber Menschen wie der euch bekannte Heiland Jesus aus Nazareth, der durch die wahrhaft überwunderbare Macht seines Wortes und Willens zehn mit dem bösesten Aussatze behaftete Männer, denen ihr das Zeugnis vor kaum einer Stunde gegeben habt, in einem Augenblick zu reinigen und sie völlig gesund zu machen vermag, sind gar überaus selten und sind eigentlich noch gar nie dagewesen, – und es wird da wohl jedermann sehr begreiflich sein, daß man ihnen diejenige Aufmerksamkeit freiwillig erweist, die ihnen gebührt.“ 11. Auf diese ganz gute Gegenbemerkung wußten die Pharisäer nichts mehr zu erwidern und machten zum für sie nach ihrer Meinung bösen Spiel eine gute Miene, obschon sie innerlich voll Ärgers waren. Sie aßen und tranken darauf ganz wacker, und wir taten dasselbe und kümmerten uns nicht, was die ärgerlichen Pharisäer machten, und was sie untereinander für Worte wechselten. 12. Als aber der Wein die Pharisäer so recht erhitzt hatte und sie mit Mir in einen Wortwechsel zu kommen trachteten, da erhob sich der Schriftgelehrte, stellte sich ganz keck vor Mich hin und sagte: „Meister, sage es uns doch, aus was für einer Macht verrichtest denn du deine offenkundigen Wunderwerke?“ 13. Sagte Ich: „Ich will euch das sagen, – doch zuvor müsset ihr Mir eine Frage beantworten! Saget Mir: War des Johannes Predigt und Taufe von Gott verordnet, oder war sie ein pures Menschenwerk?“ 14. Hierauf wußte der Schriftgelehrte nicht, was er Mir erwidern solle. Denn er dachte: ,Sage ich: ,Sie war von Gott verordnet!‘, da wird er zu mir sagen: ,Warum habt ihr ihm denn nicht geglaubt?‘, und sage ich: ,Sie war ein pures Menschenwerk!‘, so haben wir gleich den Wirt und morgen den ganzen Markt wider uns; denn alle halten den Johannes für einen von Gott erweckten Propheten!‘ 15. Nach einer Weile erst sagte er (der Schriftgelehrte): „Meister, das wissen wir alle wahrlich nicht, und ich kann dir da weder mit Ja noch mit Nein antworten!“ 16. Sagte Ich: „Dann kann Ich auch dir nicht sagen, aus welcher Macht Ich Meine Wunderwerke verrichte, und so sind wir miteinander wieder wie vorher!“ 17. Es kam aber nun auch ein Pharisäer zu Mir und sagte: „Meister, uns ist über dich schon gar Verschiedenes zu Ohren gekommen, und unter anderm auch das, daß durch dich das Reich Gottes auf Erden gegründet werde! Durch deine Taten zeugest du über dich selbst, daß du der seist, den alle Juden infolge der alten Verheißung erwarten. – Siehe, auch wir wollen an dich glauben; aber sage es uns doch, wie und wann das Reich Gottes kommen wird unter die Menschen auf dieser Erde!“ 18. Sagte Ich: „So, wie ihr euch das vorstellet, ganz sicher nicht!“ 19. Sagte der Schriftgelehrte nun: „Wie denn anders hernach?“ 20. Sagte Ich: „Das Reich Gottes wird nicht kommen mit irgendeinem äußeren Schaugepränge, und man wird da nicht sagen: ,Sieh, hier oder da ist es!‘; denn das Reich Gottes ist kein materielles, sondern ein geistiges Reich, da Gott Selbst in Sich der urewige und reinste Geist ist und Sein Reich daher auch nicht für den Leib, sondern für dessen Seele und Geist gegeben und auf dieser Erde errichtet wird. Seele und Geist aber sind inwendig im Menschen und nicht außerhalb desselben; und so ist das Reich Gottes auch nur inwendig im Menschen, und so es zum Menschen kommen wird, da wird er dessen nur in sich gewahr werden und nicht irgend außer sich.“ (Luk.17,20.21) 21. Auf diese Meine Antwort wußten die Pharisäer nichts mehr zu erwidern und begaben sich wieder zu ihrem Tische. 22. Und der Wirt frohlockte heimlich, daß Ich den Pharisäern den Mund gestopft habe, und ließ auf unseren Tisch frischen und besten Wein aufsetzen und sagte zu Mir: „Esset und trinket, soviel ihr wollet; der Zechmeister bin ich diesmal!“ 23. Und wir aßen und tranken ganz wohlgemut. 24. Da das die Pharisäer sahen, da ärgerten sie sich noch mehr und sagten so ganz laut unter sich: „Der soll der von Gott in diese Welt gesandte Messias sein? Wie ist er doch ein Fresser und Vollsäufer samt seinen Jüngern! Dazu aber wissen wir auch noch, daß er mit Zöllnern, Heiden und andern Sündern umgeht und das Brot mit ungewaschenen Händen ißt, und so mag er noch so viele Wunder wirken, und es wird dennoch kein wahrer Schriftgelehrter und Pharisäer an ihn glauben!“ 25. Sagte hierauf der Wirt: „Daran wird Ihm auch sicher sehr wenig gelegen sein! So Er der Herr ist – wie ich das nun auch glaube –, da wird Er, als in Sich der vollkommenste Geist aus Gott, wohl nicht nötig haben, Sich nach unseren Weltsatzungen zu richten, sondern wir nach denen, die Er uns geben wird!“ 26. Sagten die Pharisäer: „Was du uns sagst, das ärgert uns nicht, da wir wohl wissen, daß du mehr ein Samariter denn ein Jude bist; uns ärgert nur das, daß er viele Juden durch seine Lehren und Taten verführt und sich als etwas ausgibt, das er nicht sein kann, weil er das Gesetz Mosis in vielen Stücken nicht hält!“ 27. Hierauf erhob Ich Mich mit ernster Miene und sagte: „Wem soll Ich diese Unart von Menschen vergleichen? Johannes aß und trank nahe nichts denn nur Heuschrecken und wilden Honig und führte ein strenges Büßerleben; da sagten sie: ,Wie ist doch der Mensch ein Gleisner und Scheinheiliger!‘ Aber das sagten sie, weil Johannes ihnen ihre volle Gottlosigkeit und ihrer Sünden Unzahl vorhielt, darum sie es durch Herodes dahin brachten, daß er ihn ins Gefängnis werfen und darin enthaupten ließ. 28. Ich esse und trinke, mache keinen Frömmler und Kopfhänger und begegne jedermann freundlich, und helfe jedem, der zu Mir kommt, glaubt und sich von Mir Hilfe erfleht, und da sagen sie: ,Wie ist der Mensch doch ein Vollsäufer und Vielesser und ein Freund der Sünder, Zöllner und Heiden und achtet der Satzungen Mosis nicht!‘ 29. Aber was ist denn hernach das, so sie lehren: ,So du opferst, ist es dir nützlicher, als so du selbst ehrest Vater und Mutter!‘? Heben da nicht sie Gottes Gebote auf und quälen die Menschen mit den Satzungen, die sie zum Besten ihres Bauches erfunden haben? Darum werden sie aber dereinst auch desto mehr Verdammnis überkommen! Sie bürden den Menschen unerträgliche Lasten auf, sie selbst aber rühren dieselben auch nicht mit dem kleinen Finger an! Für die großen Opfer versprechen sie lange Gebete zu halten, die sie dann von ihren untergeordneten Dienern herz- und sinnlos ekelig den betrogenen und blinden Menschen vorplärren lassen. Sind sie da nicht denen gleich, die da Mücken säugen und dafür Kamele verschlingen? 30. Ja, ja, sie essen das Brot wohl mit gewaschenen Händen, aber ihr Herz ist voll Unflates und Schmutzes. Sie gleichen darum auch den fein und zierlich übertünchten Gräbern, die inwendig voll Moders und Gestankes sind. Mit ungewaschenen Händen das Brot essen, verunreinigt den Menschen nicht – und schon am allerwenigsten dort, wo man oft keine Gelegenheit hat, sich vor dem Brotessen die Hände zu waschen –; aber Lüge, Betrug, Neid, Geiz, Fraß und Völlerei, Stolz, Haß, Zorn, Unzucht, Hurerei und Ehebruch und Gottesleugnung bei sich selbst verunreinigen den ganzen Menschen und machen aus ihm ein Kind der Hölle!“ 31. Als die Pharisäer solches von Mir vernommen hatten, da wurden sie ganz grimmig, erhoben sich von ihrem Tische und verließen den Saal, was uns allen sehr lieb war. 32. Und der Wirt kam zu Mir und konnte Mir nicht genug danken darum, daß Ich diesen Pharisäern die Wahrheit so ganz unverhüllt ins Gesicht geschleudert habe, und auch alle Meine Jünger lobten Mich. 33. Der Wirt sagte am Ende: „O Herr und Meister, diese Deine Rede wird etwa doch einen oder den andern dieser Pharisäer auf eine bessere Meinung von Dir bringen?“ 34. Sagte Ich: „Eher wäschest du zehn Mohren weiß, als daß da einer dieser Gleisner sich bekehre und Buße tue! Wo in einem Menschen der Geiz, Neid und die Herrschsucht zu tiefe Wurzeln getrieben haben, da ist von einer wahren Besserung schwer eine Rede mehr! Aber lassen wir sie nun brüten unter sich; morgen ist auch noch ein Tag, an dem sich etwas tun lassen wird!“ Kapitel 68 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 68. — Der Herr heilt den kranken Knecht des Wirtes 1. (Der Herr:) „Du hast aber einen kranken Knecht, der dein Liebling ist, weil er dir stets am treuesten und eifrigsten gedient hat, der nun schon ein volles Jahr, von der Gicht geplagt, sich nicht vom Krankenlager erheben kann. So du es wünschest und glaubst, da kann Ich ihm helfen.“ 2. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, so Du mir solche Gnade erweisen willst, so will ich alles tun, was zu tun Du nur immer von mir verlangen wollest!“ 3. Sagte Ich: „So geschehe dir nach deinem Glauben! Gehe hin und siehe, ob dein Knecht noch leidet!“ 4. Da ging der Wirt eiligst in das Gemach, in dem der kranke Knecht sich befand, und siehe, der Knecht war gesund und erzählte dem Wirte, daß es ihm klar vorkam, als ob es um ihn geblitzt hätte, worauf ihn im Augenblick aller Schmerz und alle Schwäche verließen, derart, daß er sich nun gleich vom Krankenbett erheben möchte! Es müsse da Gott an ihm ein Wunder gewirkt haben. 5. Der Wirt aber sagte: „Stehe nur getrost auf, und komme dann in den Großen Saal; dort wirst du Den sehen, der dich also wundersam gesund gemacht hat!“ 6. Der Knecht tat bald, was ihm der Wirt anbefohlen hatte; dieser aber kehrte sogleich wieder mit dem dankbarsten Herzen zu uns zurück. 7. Als der Wirt wieder zu uns kam und seinen Dank Mir dargebracht hatte, da kam auch bald der geheilte Knecht nach, und mit ihm kamen auch die andern Hausleute und Diener und Mägde und fragten, welcher von uns derjenige wäre, der den Oberknecht so wunderbar von seiner Gicht geheilt habe. 8. Und der Wirt zeigte mit seiner Hand auf Mich und sagte: „Dieser Gottmensch hier, von dem ich offen also sagen und bekennen muß, daß wir alle nicht von ferne hin würdig sind, daß Er zu uns kam und die Türschwellen meines Hauses betrat. Diesem danket alle für die uns erwiesene Gnade, und gebet Ihm allzeit vor allen Menschen die Ehre!“ 9. Auf diese Worte des Wirtes fiel der geheilte Knecht alsbald Mir zu Füßen, dankte Mir und pries Mich laut, was denn auch die andern Hausleute, Diener und Mägde taten, wodurch im Hause ein großer Lärm entstand, der auch von den Pharisäern, obschon sie sich in einem von unserem Saale entlegenen Gemach befanden, vernommen wurde und einer von ihnen nachzusehen kam, was es da gäbe. 10. Als er aber erfuhr, daß Ich den Knecht von der Gicht völlig geheilt hatte und auf welche Weise, da ward er ärgerlich und sagte zum Wirte, den er zu sich berief (der Pharisäer): „Nimm dich in acht vor diesem Volksaufwiegler; denn so er etwa durch die Hilfe des Obersten der Teufel oder durch eine andersartige Zauberei, die er etwa von den Essäern erlernt hat, solche Wunder wirkt, da werden das bald die Römer erfahren, wie ihm alles Volk nachläuft und ihn am Ende gar zu einem Könige aller Juden machen will, und werden dann kommen über uns und werden uns gar übel zurichten!“ 11. Sagte der Wirt: „Dieses Wundertäters wegen, den die Römer sicher schon lange besser kennen denn wir, befürchte ich von ihrer Seite nichts; nur von eurer Seite hätte ich alles zu befürchten, so ich nicht ein römischer Untertan wäre! Aber ihr solltet euch fürchten vor diesem Manne, der voll des Geistes Gottes sein muß, ansonst es Ihm unmöglich wäre, solche Zeichen zu wirken und Taten zu verrichten, die nur Gott allein möglich sein können; wer aber voll des Geistes Gottes ist, der ist auch ein wahrer Herr über alles im Himmel und auf Erden, und die Ihn anfeinden, haben nur Ihn und nicht Er sie zu fürchten! Deine an mich gerichtete Warnung wird daher denn auch in meinem Gemüte niemals Wurzeln schlagen!“ 12. Als der Rabbi, der auch schon ein minderer Pharisäer war, solches vom Wirte vernommen hatte, ward er noch ärgerlicher denn ehedem, sagte nichts mehr darauf und begab sich wieder zu seinen Gefährten. 13. Als er bei ihnen ankam, da fragten sie ihn alsogleich, was es gegeben habe. 14. Der Rabbi aber wurde nach den Worten des Wirtes bei sich doch nachdenkend und machte darum einen ganz gleichgültigen Bericht über das, was da vorgefallen sei, und die Hausleute hätten darüber einen kleinen Jubellärm geschlagen, der wenig zu bedeuten habe. 15. Damit begnügten sich die andern Pharisäer und fragten nichts weiter, sondern schwelgten fort und sagten: „Lassen wir dem verblüfften Wirte die Freude, in einem herumziehenden Wunderarzt, der offenbar aus der Schule der Essäer stammt, auf die auch die Römer große Stücke halten, seinen Heiland und Messias zu preisen; in einigen Wochen wird bei ihm schon alles wieder verraucht und vergessen sein!“ 16. Und es war eine solche Stimmung der schon ziemlich berauschten Pharisäer für uns gut, weil wir dadurch Ruhe vor ihnen hatten und uns über gar wichtige Dinge besprechen konnten. 17. Auch die in unseren Saal gekommenen Hausleute, Diener und Mägde gingen wieder nach dem Geheiß des Wirtes an ihr Geschäft; denn sie hatten mehrerer Fremden wegen, die von Kapernaum hierher in diesen Markt zumeist der Handelsgeschäfte wegen gekommen waren, noch manches zu verrichten. Nur der geheilte Knecht blieb bei uns, aß und trank mit uns und stärkte sich. Kapitel 69 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 69. — Der Wert der Tempelsatzungen 1. Der Wirt aber sagte zu Mir: „O Herr und Meister, da wir nunmehr in der Ruhe beisammensitzen und von niemand so leicht gestört zu werden zu befürchten haben und es auch noch nicht zu spät in der Nacht ist, so bitte ich Dich, mir so manches zu sagen, was zur Erlangung des wahren Heils der Seele nötig ist!“ 2. Sagte Ich: „Glaube ungezweifelt an Gott, halte Seine Gebote, liebe Ihn über alles aus allen deinen Kräften und deine Nebenmenschen wie dich selbst und glaube, daß Ich der verheißene Messias bin, der Ich nun im Fleische in diese Welt kam als die ewige Wahrheit, das Licht und das Leben Selbst, auf daß alle, die an Mich glauben und nach Meiner Lehre leben, das ewige Leben haben sollen! Wenn du alles das glaubst und danach tust, so wirst du für deine Seele das wahre und lebendige Heil dir erwerben und behalten in Ewigkeit. 3. Siehe, das allein genügt vollkommen zur Erreichung des Reiches Gottes in dir; alles andere ist eitel und hat zum Nutzen der Seele keinen Wert vor Gott. So Ich als der Herr alles Lebens dir das sage, da kannst du es auch glauben, daß es also und nicht anders ist.“ 4. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, ich glaube das nun ungezweifelt fest; nur hat Moses noch eine Menge Regeln und Verordnungen gegeben, wie die Speisen, die man als Jude allein nur essen darf, das öftere Waschen des Leibes, das Fasten, das Bußetun in Sack und Asche, das Tragen eines härenen Rockes, und so noch eine Menge, das man sich schwer merkt und daher noch schwerer beachtet und darum auch stets in der Furcht steht, voller unwissentlich begangener Sünden zu sein. Wie soll man sich denn in diesen Stücken verhalten? Ist die strenge Beachtung aller der von Moses und auch den andern Propheten gegebenen Verordnungen eine unerläßliche Bedingung zur Erreichung des göttlichen Wohlgefallens?“ 5. Sagte Ich: „Wenn du das beachtest, was Ich dir ehedem gesagt habe, so hast du dadurch auch schon alles erfüllt, was in Moses und allen Propheten zu tun vorgeschrieben steht. Der Mensch muß essen und trinken zur Erhaltung des Leibeslebens; aber die Speisen und der Trank sollen rein und frisch sein. Und so ist es für den Leib auch gut und gesund, ihn möglichst rein zu halten, und ebenso auch in allem rein, mäßig und nüchtern zu sein. Und so sind derlei Verordnungen auch gut und heilsam nicht nur für die Juden, sondern für alle Menschen; denn in einem kranken Leibe kann auch die Seele sich nicht so leicht zu dem erheben, was ihr Heil fördern und sie zum ewigen Leben kräftigen kann. 6. Siehe, darum hat Gott durch Moses und auch durch die andern Propheten das verordnet, was auch für die Zeit des Erdenlebens dem Leibe des Menschen frommt, und der Mensch tut wohl daran, so er auch solche Regeln beachtet! 7. Wer aber das tut, was Ich dir ehedem gesagt habe, den leitet dann schon der Geist des Reiches Gottes im eigenen Herzen und zeigt ihm auch die Regeln zur Wohlfahrt seines Fleisches; und also ist in dem, was Ich dir gesagt habe, auch schon alles enthalten! – Hast du das nun alles wohl verstanden?“ 8. Sagte der Wirt und mit ihm auch dankbarst der geheilte Knecht: „O Herr und Meister, wir danken Dir von ganzer Seele, von ganzem Herzen und aus allen unseren Lebenskräften für diese Deine gar weise und wahre Belehrung, die da ein ganz anderes Licht in uns angezündet hat als die langen Predigten der Pharisäer, die nur auf die strenge Haltung der vielen äußeren Dinge und Regeln alles Heil der Menschen setzen; aber auf die Haltung der Gebote Gottes, durch die die Seele allein geläutert und zum ewigen Leben gekräftigt werden kann, halten sie beinahe gar nichts und sagen, daß ein Mensch dafür opfern könne, – was ihm nützlicher sei als die starre und schwere Haltung der Gebote. 9. Und so sieht man gar oft die Menschen schwere Opfer vor die Türen der Pharisäer legen; aber einen Menschen, der da strenge die Gesetze Mosis hielte, sieht man beinahe schon gar nicht mehr. Denn sie sagen: Wenn man durch die Opfer dasselbe vor Gott erreichen kann und von den Sünden noch mehr gereinigt wird als durch die eigene schwere Haltung der Gebote, so ist das Opfern um vieles bequemer und das Gewissen leichter, weil nach den Worten der Pharisäer die Opfer alles vor Gott sühnen, die Haltung der Gebote aber nur insoweit, als ein Mensch ein und das andere Gebot strenge und gewissenhaft zu halten imstande war. 10. Nun, wenn man solche Lehre mit dem vergleicht, was Du, o Herr und Meister, mir angeraten und allerhellst erklärt hast, so besteht darin ja ein unendlicher Unterschied. Bei Dir ist alles die volle und lebendige Wahrheit und bei den Pharisäern faule und tote Lüge, durch die wahrlich keine Seele das ewige Leben erreichen kann. Herr, was sollen wir aber in der Folge nun den Pharisäern gegenüber tun?“ 11. Sagte Ich: „Was sie als reines Wort Mosis und der Propheten predigen, das höret an, und tut nach dem reinen Worte; aber an ihre eigenen Satzungen haltet euch nicht, denn diese sind vor Gott ein Greuel! 12. Es steht ja auch geschrieben: ,Siehe, dies Volk ehrt Mich mit den Lippen; aber sein Herz ist ferne von Mir!‘ Ich aber sage euch: Das Ende dieser Menschenlehrer ist nahe herbeigekommen! Ich bin darum zu euch gekommen als die Wahrheit, der Weg und das Leben und werde von der Erde hinwegfegen die Lüge und ihre bösen Werke. Ich werde zwar in Kürze diese Welt verlassen, und es wird in der Zeit Meiner sichtbaren Abwesenheit die Lüge und ihr Falsches und Böses noch eine Zeit fortwuchern unter den Menschen auf der Erde; aber Ich werde dann zur rechten Zeit wiederkommen mit aller Macht und Kraft zu euch Menschen und werde der Herrschaft der Lüge und des Truges ein Ende machen! 13. Ich bereite aber auch schon jetzt in den Herzen der Menschen den Grund dazu und erbaue einen neuen Tempel und eine neue Stadt Gottes. Lasset uns den Bau ehest vollenden, damit für immerdar zerstört werde der alte Tempel und die Stadt der Lüge, des Truges und aller Bosheit! 14. Dieses werdet ihr nun wohl noch nicht in aller Reinheit verstehen; aber so ihr von Meinem Geiste durchdrungen sein werdet, dann werdet ihr auch das in aller Klarheit verstehen und werdet daran euch wohl erinnern, was Ich euch zum voraus gesagt habe.“ 15. Diese Meine Worte wollten auch den Jüngern nicht recht einleuchtend vorkommen, darum sie auch unter sich also zu reden anfingen (die Jünger): „Von einer zweiten Wiederkunft auf diese Erde hat Er schon zu öfteren Malen geredet, aber stets mehr in unbestimmten Weisen nach Art der Propheten! Gehen wir Ihn nun einmal so recht ordentlich an, – vielleicht sagt Er diesmal etwas Näheres und Bestimmteres darüber!“ Kapitel 70 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 70. — Die Wiederkunft des Herrn (Luk. 17,22-36) 1. Nach solcher Beratung aber wandten sich die Jünger an Mich und sagten: „Herr und Meister, Du hast uns schon zu öfteren Malen gesagt, daß es uns gegeben sein solle, die Geheimnisse des Reiches Gottes wohl zu verstehen, und Du hast uns auch schon so vieles überklar enthüllt, daß wir im Geiste Deine unendliche Schöpfung und noch tausenderlei anderes wohl erkennen, wovon sich kein Weltweiser je einen Begriff gemacht hat und sich auch durch sein eigenes Forschen und Suchen nie einen vollklaren Begriff wird machen können, darum denn auch bis auf uns alles menschliche Wissen ein Stückwerk ist. Sage uns denn auch einmal über Deine abermalige Wiederkunft etwas Bestimmtes! In welcher Zeit wirst Du wiederkommen, und wo und wie? Denn uns dünket, daß auch das zum Verstehen der Geheimnisse des Reiches Gottes gehört.“ 2. Sagte Ich: „Auch das habe Ich euch schon mehrere Male ganz umständlich gezeigt; aber weil auch ihr von Meinem Geiste nicht völlig durchdrungen seid, so verstehet ihr das denn auch noch nicht in der rechten Tiefe. Das Jahr, den Tag und die Stunde kann Ich euch darum nicht fest bestimmen, weil das ja alles auf dieser Erde von dem vollkommen freien Willen der Menschen abhängt. Darum weiß das denn auch kein Engel im Himmel, sondern allein nur der Vater und der auch, dem Er es offenbaren will. Zudem ist das allergenauest zum voraus zu wissen zum Heile der Seele durchaus nicht unumgänglich notwendig. 3. Wäre es wohl gut für den Menschen, so er den Tag und die Stunde Seines Ablebens ganz genau zum voraus wüßte? Für sehr wenige, im Geiste völlig Wiedergeborene, ja; aber für zahllos viele wäre das wohl ein großes Übel! Denn die herannahende Stunde ihres Ablebens würde sie derart mit aller Furcht, Angst und Verzweiflung erfüllen, daß sie entweder so zu Feinden des Lebens würden, daß sie sich vor der Zeit das Leben nähmen, um dadurch der Todesangst zu entgehen, oder sie würden in eine derartige Lebensträgheit geraten, in der für die Seele wahrlich wenig Heil zu erwarten wäre. Und also ist es für den Menschen besser, so er nicht alles als ganz bestimmt zum voraus weiß, was, wie und wann in dieser Welt dieses und jenes über ihn kommen kann und auch kommen muß. 4. Ich sage es euch: Es wird die Zeit kommen, in der ihr in euren Glaubensnachkommen fragen werdet, wie nun hier, wann der Tag des Menschensohnes kommen werde, und werdet begehren, ihn zu sehen, und werdet ihn dennoch nicht sehen nach eurem Begehren. (Luk.17,22) Und es werden sich in jenen Zeiten aber viele erheben und hervortun und werden mit weiser Miene sagen: ,Siehe hier, siehe da und dann ist der Tag!‘ Aber da gehet nicht hin und folget nicht solchen Propheten. (Luk.17,23) 5. Der Tag Meiner abermaligen Wiederkunft wird gleich sein einem Blitze, der vom Aufgange bis zum Niedergange oben am Wolkenhimmel fährt und über alles leuchtet, was unter dem Himmel ist. (Luk.17,24) Bevor aber das kommen wird, da wird – wie Ich euch das schon mehrere Male verkündet habe – des Menschen Sohn noch vieles leiden müssen und wird gänzlich verworfen werden von diesem Geschlechte (Luk.17,25), nämlich von den Juden und Pharisäern, und in den späteren Zeiten von jenen, die man neue Juden und Pharisäer nennen wird. 6. Und wie es geschah zu den Zeiten Noahs, so wird es auch geschehen in der Zeit der abermaligen Ankunft des Menschensohnes. (Luk.17,26) Sie aßen und tranken ganz wohlgemut, sie freiten und ließen sich freien bis auf den Tag, da Noah in die Arche stieg und dann die Flut kam und alle ersäufte. (Luk.17,27) Desgleichen auch, wie es geschah zu den Zeiten Lots: sie aßen und tranken, sie kauften und verkauften und pflanzten und bauten. (Luk.17,28) An dem Tage aber, den Ich euch auf dem Ölberge näher erklärt habe, da Lot aus Sodom ging, regnete es schon Feuer und Schwefel vom Himmel und brachte sie alle um. (Luk.17,29) 7. Sehet nun, also wird es auch sein und geschehen in jenen Zeiten, wenn des Menschen Sohn abermals wieder wird geoffenbart werden! (Luk.17,30) Wer an demselben Tage auf dem Dache ist und weiß um den Hausrat im Hause, der steige nicht vom Dache, um den Hausrat zu holen! – was aber so zu verstehen ist: Wer da ein wahres Verständnis hat, der bleibe in dem Verständnisse und steige nicht unter dasselbe in der Furcht, daß er dadurch etwa seine Weltvorteile einbüßen könnte; denn derlei wird zugrunde gerichtet werden. (Luk.17,31a) 8. Desgleichen ein weiteres Bild: Wer auf dem Felde (der Erkenntnisfreiheit) sich befindet, der wende sich nicht nach dem um, was hinter ihm ist (alte Truglehren und deren Satzungen), sondern er gedenke des Weibes Lots und strebe in der Wahrheit vorwärts. (Luk.17,31b.32) 9. Ich sage euch noch ein Weiteres: In derselben Zeit werden zwei in einer Mühle sein und die gleiche Arbeit verrichten. Der eine wird angenommen und der andere verlassen werden, das heißt, der gerechte Arbeiter wird angenommen und der ungerechte und eigennützige verlassen werden. Denn wer da seine Seele der Welt wegen zu erhalten sucht, der wird sie verlieren; wer sie aber um der Welt willen verlieren wird, der wird ihr das Leben erhalten und ihr zum wahren, ewigen Leben helfen. (Luk.17,33) 10. Und noch weiter sage Ich euch: In einer und derselben Nacht der Seele werden zwei in einem und demselben Bette liegen. Da wird auch der eine angenommen und der andere verlassen werden (Luk.17,34), das heißt, zwei werden sich zwar dem Äußeren nach in der Sphäre eines und desselben Glaubensbekenntnisses befinden, der eine aber wird sein im lebendigen Glauben in der Tat und wird darum auch angenommen werden in das lebendige und lichtvolle Reich Gottes, der andere aber wird bloß am äußeren Kultus festhalten, der keinen inneren Lebenswert für Seele und Geist hat, und wird, da sein Glaube als ein ohne die Werke der Nächstenliebe toter dasteht, nicht in das lebendige und lichtvolle Reich Gottes aufgenommen werden. 11. Und weiter werden auch zwei auf dem Felde der Arbeiten sich befinden. Der eine, der da arbeiten wird im lebendigen Glauben aus Liebe zu Gott und aus Liebe zum Nächsten ohne Eigennutz, wird auch ins wahre Reich Gottes aufgenommen werden; der aber da auf dem gleichen Felde gleich den Pharisäern arbeiten wird ohne inneren lebendigen Glauben aus purem Eigennutz, der wird selbstverständlich verlassen und ins lebendige und lichtvolle Reich Gottes nicht aufgenommen werden! (Luk.17,37) 12. Seht, also wird es mit der abermaligen Ankunft des Menschensohnes sich verhalten und gestalten! So ihr von Meinem Geiste in der Folge aber tiefer durchdrungen sein werdet, dann wird euch über all das von mir euch Gesagte auch ein helles Verständnis werden; für jetzt aber kann Ich euch das nicht klarer und deutlicher verkünden.“ 13. Sagten die Jünger: „Herr und Meister, es ist das schon alles recht also; und wir glauben Deinen Worten; aber wo und wann der irdischen Zeit nach wird das geschehen? Das könntest Du uns ja doch auch noch hinzusagen!“ Kapitel 71 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 71. — Die letzte Zeit vor der Wiederkunft des Herrn (Luk. 17,37) 1. Sagte Ich: „Es ist wahrlich zum Staunen, wie unverständig ihr noch seid! Ich habe es euch ja doch schon oft genug angedeutet, warum sich da die irdische Zeit nicht ebenso auf ein Haar – wie ihr das meinet – mit Gewißheit bestimmen läßt, wie daß Ich euch wohl genau auf einen Augenblick vorausbestimmen könnte, wann dieser oder jener Berg und seine Felsenspitzen von einem Blitze zerstört werden! Denn da haben wir es mit einer gerichteten Materie zu tun, die in allem ganz von der Macht Meines Willens abhängt; aber bei den Menschen, die einen freien, sich selbst bestimmenden Willen haben, geht das nicht ebenso, wovon Ich euch den Grund schon gar oft gezeigt habe, und ihr werdet ihn endlich doch einmal einsehen und sollet Mir darum auch nicht gleichfort mit den gleichen Fragen kommen! 2. So ihr aber das Wann und Wo schon durchaus näher bestimmt haben wollet, da merket, was Ich euch nun sagen werde: Wo ein Aas irgend ist, da sammeln sich auch bald die freien Adler.“ (Luk.17,37) 3. Sagten die Jünger: „O Herr und Meister, da hast Du schon wieder etwas gesagt, was wir nicht verstehen können! Wer ist das Aas, und wer sind die Adler; und wo wird das Aas sein, und von woher werden die freien Adler kommen?“ 4. Sagte Ich: „Sehet euch nun das faule und glaubenslose Pharisäertum an, und ihr sehet das Aas! Ich und alle, die an Mich glauben, Juden und Heiden, aber sind die Adler, die das Aas bald völlig aufzehren werden. Ebenso ist der Seele Sündennacht ein Aas, um das sich das Licht des Lebens auszubreiten anfängt und das Aas, wie der Morgen die Nacht, mit allen ihren Nebeln und Truggebilden vernichtet. 5. Wie aber das nun vor unseren Augen mit dem faulen und wahrheits- und glaubenslosen Judentume geschieht, das sicher ein gar gewaltiges Aas geworden ist, mit dem es nach etwa fünfzig Erdenjahren zu Ende kommen wird, ebenso wird es in einer späteren Zeit mit der Lehre und Kirche stehen, die Ich nun gründe. Diese wird auch zu einem noch ärgeren Aase werden, als nun das Judentum ist, und es werden denn auch die freien Licht- und Lebensadler von allen Seiten über sie herfallen und sie als ein alle Welt verpesten wollendes Aas mit dem Feuer der wahren Liebe und mit der Macht ihres Wahrheitslichtes verzehren. Und es kann das noch eher geschehen, als da nach Mir, wie Ich nun leiblich unter euch bin, zwei volle Tausende von Erdenjahren verrinnen werden, – was Ich euch auch schon bei anderen Gelegenheiten angedeutet habe. 6. Ihr aber habt damals gemeint und meinet es auch jetzt, warum das von Gott denn also zugelassen werde. Ich aber habe euch dagegen auch schon oft, wie diesmal, gezeigt, daß Ich die Menschen, denen ein völlig freier Wille zu ihrer Selbstbestimmung gegeben ist, mit Meines Willens Allmacht nicht also halten kann und darf wie alle andere Kreatur, klein und groß, in der ganzen Unendlichkeit; denn täte Ich das, so wäre der Mensch kein Mensch, sondern ein durch Meine Allmacht gerichtetes Tier oder eine Pflanze oder ein Stein. Das werdet ihr nun hoffentlich wohl einsehen und begreifen und Mich um Dinge nicht so leicht mehr fragen, die ohnehin für jeden nur einigermaßen helleren Denker klar am Tage liegen. 7. Wenn aber nun schon in dieser Zeit, in welcher Ich noch im Fleische auf dieser Erde unter euch wandle und lehre, sich etwelche aufgemacht haben, in Meinem Namen umherziehen und zu ihrem materiellen Vorteile auch Meine Lehre ausbreiten, aber darunter auch ihren eigenen unlauteren Samen mengen, aus dem zwischen dem mageren Weizen auf dem Acker des Lebens und dessen Wahrheit bald viel böses Unkraut emporwachsen wird, – wird es dann in den späteren Zeiten zu verwundern sein, so sich in Meinem Namen noch mehrere falsche und unberufene Lehrer und Propheten erheben und mit gewaltiger Rede, mit dem Schwerte in der Hand, zu den Menschen schreien werden: ,Sehet, hier ist Christus!‘ oder ,Dort ist Er!‘? 8. So aber ihr und später eure rechten und reinen Nachfolger das hören und sehen werdet, so glaubet solchen Schreiern nicht! Denn an ihren Werken werden sie ebenso leicht zu erkennen sein wie die Bäume an ihren Früchten; denn ein guter Baum bringt auch gute Früchte. Auf Dornhecken wachsen keine Trauben und auf den Disteln keine Feigen. 9. Worin aber das Reich Gottes besteht, und wie und wo es sich im Menschen selbst nur entfaltet, das habe Ich vor euch ehedem zu den Pharisäern gesagt; und so werdet ihr denn wohl auch einsehen und begreifen, daß denen nicht zu glauben sein wird, die da rufen werden: ,Siehe da, siehe dort!‘ Denn wie der Geist inwendig im Menschen ist und alles Leben, Denken, Fühlen und Wissen und Wollen urstämmlich von ihm ausgeht und alle Fibern durchdringt, also ist auch das Reich Gottes als das wahre Lebensreich des Geistes ja auch nur inwendig im Menschen und nicht irgend auswendig oder außerhalb des Menschen. 10. Wer das in sich recht auffaßt und es der vollen, lebendigen Wahrheit nach begreift, dem wird ein falscher Prophet in Ewigkeit nichts anzuhaben imstande sein; wer aber in seinem Gemüte einer Windfahne oder einem Schilfrohre im Wasser gleicht, der wird freilich schwerlich den ruhevollen und wahrheitshellen Hafen des Lebens finden. Darum seid denn auch ihr keine Windfahnen und Schilfrohre, sondern seid wahre Lebensfelsen, denen Stürme und Wasserwogen nichts anhaben können! – Habt ihr dieses nun wohl begriffen?“ 11. Sagten die Jünger: „Ja, Herr und Meister, nun haben wir Dich wohl wieder begriffen, da Du uns die Sache auch lichtvoll und mit verständlichen Worten erläutert hast; aber wenn Du in oft sehr verhüllten Bildern zu uns sprichst, so können wir nicht darum, so wir sagen: ,Herr, wo da, wie also?‘ Wir danken Dir nun aber auch, wie allzeit, für solche Deine uns erteilte Gnade und bitten Dich, daß Du mit uns auch stets die gleiche Geduld haben mögest!“ 12. Sagte Ich: „So Ich wäre, wie da sind die Menschen, da wäre Mir Meine Geduld mit euch wohl schon zu öfteren Malen zu kurz geworden; aber weil Ich Der bin, als den ihr Mich kennet, und bin voll der höchsten Geduld, Langmut, Liebe und Sanftmut, so werdet ihr euch über Meine Geduld auch nie zu beklagen haben. Seid aber auch also geduldig, sanft- und demütig, wie Ich das von ganzem Herzen bin, und liebet euch als wahre Brüder untereinander, wie auch Ich euch liebe und allzeit geliebt habe, so werdet ihr es dadurch aller Welt zeigen, daß ihr wahrhaft Meine Jünger seid! Keiner von euch dünke sich mehr zu sein denn sein Nebenjünger, denn ihr seid alle gleiche Brüder; nur Ich allein bin euer Herr und Meister und werde das auch sein und verbleiben in alle Ewigkeit, gleichwie zu allen Zeiten dieser Welt. Denn so der Vater mit Seinen Kindern keine Geduld hätte, wer anders sollte da mit ihnen noch Geduld haben? 13. Wir haben nun schon eine geraume Zeit miteinander fürs Gottesreich gewirtschaftet, und ihr habet auch in solcher Zeit so manche Fehler begangen, und nicht einer von euch ist von Mir noch verstoßen worden, sogar der eine nicht, den Ich euch schon zu öfteren Malen bezeichnet habe, und der bis zur Stunde noch ein Teufel ist, der sich noch nicht gebessert hat. Aber Meine Liebe und Geduld hat ihn noch nicht gerichtet; um wieviel weniger wird sie diejenigen richten, die mit aller Liebe und vollstem Glauben an Mir hängen! Darum könnet ihr auch allzeit Meiner höchsten Liebe und Geduld völlig versichert sein; denn wer in Mir bleibt, in dem bleibe auch Ich.“ Kapitel 72 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 72. — Das Reich Gottes 1. Sagte nun der Wirt in aller Ehrfurcht und Hochachtung: „O Herr und Meister, Deine Taten sind allerwunderbarst, – aber Deine Worte sind wahrhaft pur Wahrheit und Leben. Denn so Du handelst, da merkt es auch ein Blinder, daß in Deinem Willen mehr als eine menschliche Kraft und Macht waltet; aber wenn Du sprichst, da erkennt man erst in der Fülle, daß Du der Herr Selbst bist! Denn die Weisheit Deiner Rede ist mehr denn das hellste Licht der Mittagssonne. 2. Aber nun muß auch ich mir noch die Freiheit nehmen und des Reiches Gottes wegen an Dich, o Herr und Meister, eine Frage stellen. So Du es mir zuvor allergnädigst gestatten wollest, will ich reden.“ 3. Sagte Ich: „Rede du, was du nur immer willst, und Ich werde dir antworten!“ 4. Sagte nun der Wirt: „Herr und Meister, Du hast nun vieles von Deiner abermaligen Ankunft und somit auch von der Ankunft des Reiches Gottes auf dieser Erde gar überweise geredet zu Deinen lieben Jüngern und daneben auch zu mir und zu meinem von Dir geheilten Oberknecht. Da fiel mir denn doch eines sehr auf, und das von einer irgendwann in der Ferne der Zeiten werden sollenden und somit auch von der wahren Ankunft des Reiches Gottes auf Erden. 5. Und also sagtest Du auch, daß das Reich Gottes nicht irgend mit äußerem Schaugepränge unter die Menschen kommen werde, sondern es sei schon inwendigst im Menschen, der es nur zu suchen, zu finden und also in sich zu entfalten habe. 6. Ich aber bin da nun einer solchen Meinung, daß wir uns alle hier in Deiner Gegenwart befinden, die sich sichtlich nicht in uns, sondern noch sehr außer uns befindet, und wir mit aller Zuversicht sagen können: Siehe, hier ist Christus, der von Ewigkeit gesalbte Herr aller Herrlichkeit, und Er Selbst ist Alles in Allem und somit auch das ewige Reich Gottes und das Leben und die Wahrheit! Da Du nun aber bei uns bist, so ist ja auch Dein Reich nicht in uns, sondern bei uns in unserer Mitte. 7. Wird in der von Dir uns vorhergesagten Zeit sich diese heiligste Sache auch also verhalten, oder wird Deine zweite Ankunft von der jetzigen doch eine sehr verschiedene sein?“ 8. Sagte Ich: „O du Mein lieber Freund, du hast nun wahrlich ganz gut geredet, und Ich kann dir sagen, daß dir das nicht dein Fleisch und Blut, sondern nur dein Geist eingegeben hat; aber darum verhält sich die Sache von der einstigen Wiederkunft des Menschensohnes dennoch also, wie Ich sie euch allen klar genug gezeigt habe. 9. Du hast ganz recht, so du nun sagst, daß das Reich Gottes in Mir zu euch gekommen ist und sich bei euch und in eurer Mitte befindet; aber das genügt noch nicht zur Erreichung und vollen Erhaltung des ewigen Lebens der Seele, weil das Reich Gottes in Mir wohl zu euch gekommen, aber darum noch nicht in euer Inneres gedrungen ist, was erst dann geschehen kann und wird, wenn ihr ohne alle Rücksicht auf die Welt Meine Lehre ganz in euren Willen und somit auch in die volle Tätigkeit aufgenommen habt. Wenn das einmal der Fall sein wird, dann werdet ihr nicht mehr sagen: ,Christus, und mit Ihm das Reich Gottes, ist zu uns gekommen und wohnt bei und unter uns!‘, sondern ihr werdet sagen: ,Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir!‘ Wenn das bei euch der Fall sein wird, dann auch werdet ihr das in der Fülle lebendig begreifen, wie das Reich Gottes nicht mit äußerem Schaugepränge zu und in den Menschen kommt, sondern sich nur inwendig im Menschen entfaltet und die Seele in sein ewiges Leben zieht, festigt und erhält. 10. Es muß zwar dem Menschen zuvor von außen her der Weg gezeigt werden durch das Gotteswort, das da kommt aus den Himmeln zum Menschen, und wo man sagen kann: ,Der Friede sei mit dir; denn das Reich Gottes ist nahe zu dir gekommen!‘ Aber darum ist der Mensch noch nicht im Gottesreiche, und das Reich Gottes ist nicht in ihm. 11. Aber so der Mensch ungezweifelt zu glauben anfängt und durch sein Tun nach der Lehre den Glauben lebendig macht, dann erst entfaltet sich das Reich Gottes also im Menschen, wie sich im Frühjahre das Leben in der Pflanze sichtlich von innen aus zu entfalten anfängt, wenn die Pflanze von dem Lichte der Sonne beschienen und erwärmt und dadurch zur inneren Tätigkeit genötigt wird. 12. Alles Leben wird wohl wie von außen her angeregt und geweckt, – aber die Entstehung, Entwicklung, Entfaltung, Formung und Festigung geht dann immer von innen aus. 13. Also müssen auch Tiere und Menschen die Nahrung zuerst von außen her in sich aufnehmen; aber dieses Aufnehmen der Speise und des Trankes ist noch lange nicht die wahre Ernährung des Leibes, sondern diese geht erst dann vom Magen in alle Teile des Leibes aus. Wie aber gewisserart der Magen das Lebensnährherz des Leibes ist, also ist auch das Herz im Menschen der Nährmagen der Seele zur Erweckung des Geistes aus Gott in ihr, und Meine Lehre ist die wahre Lebensspeise und der wahre Lebenstrank für den Magen der Seele. 14. Und so bin Ich denn in Meiner Lehre an die Menschen ein wahres Lebensnährbrot aus den Himmeln, und das Tun nach ihr ist ein wahrer Lebenstrank, ein bester und kräftigster Wein, der durch seinen Geist den ganzen Menschen belebt und durch die hellst auflodernde Liebesfeuerflamme durch und durch erleuchtet. Wer dieses Brot ißt und diesen Wein trinkt, der wird keinen Tod mehr sehen, fühlen und schmecken in Ewigkeit. 15. So ihr das nun verstanden habt, so tuet auch danach, und Meine Worte werden in euch zur vollsten und lebendigsten Wahrheit werden!“ Kapitel 73 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 73. — Eine Belehrung des Herrn über das Essen Seines Fleisches und das Trinken Seines Blutes 1. Sagten nun die Jünger: „Herr und Meister, diese Deine Belehrung an uns ist wohl verständlich, – aber als Du einmal in Kapernaum, wo Dir so viel Volk aus allen Gegenden um Jerusalem nachgezogen ist, eine ähnliche Lehre von dem Essen Deines Fleisches und vom Trinken Deines Blutes geredet hast, da war das offenbar eine harte Lehre, besonders für jene Menschen, die Dein einfaches und klares Wort nicht also verstanden haben, wie es dem wahren Sinne nach zu verstehen war, darum denn damals Dich auch viele der damaligen Jünger verlassen haben. Wir selbst verstanden das anfangs nicht, nur der Wirt, der niemals ein eigentlicher Jünger von Dir war, hat uns die Sache verdolmetscht, und so wir nun jene Lehre mit dieser vergleichen, so besagt sie dasselbe, was Du nun wohl in höchster und handgreiflicher Klarheit gelehrt hast. – Haben wir recht oder nicht?“ 2. Sagte Ich: „Allerdings, denn Brot und Fleisch sind da eines und dasselbe, so wie auch Wein und Blut, und wer da in Meinem Worte das Brot der Himmel ißt und durch das Tun nach dem Worte, also durch die Werke der wahren, alleruneigennützigsten Liebe zu Gott und zum Nächsten den Wein des Lebens trinkt, der ißt auch Mein Fleisch und trinkt Mein Blut. Denn wie das von den Menschen genossene natürliche Brot im Menschen zum Fleische und der getrunkene Wein zum Blute umgestaltet wird, so wird in der Seele des Menschen auch Mein Wortbrot zum Fleische und der Liebetatwein zum Blute umgewandelt. 3. Wenn Ich aber sage: ,Wer da ißt Mein Fleisch‘, so ist damit schon bedeutet, daß er Mein Wort nicht nur in sein Gedächtnis und in seinen Gehirnverstand, sondern auch zugleich in sein Herz, das da – wie bereits gezeigt – der Magen der Seele ist, aufgenommen hat, und im gleichen auch den Liebetatwein, der dadurch nicht mehr Wein, sondern schon das Blut des Lebens ist; denn das Gedächtnis und der Verstand des Menschen verhalten sich zum Herzen beinahe geradeso, wie der Mund zum natürlichen Magen. Solange das natürliche Brot sich noch unter den Zähnen im Munde befindet, ist es noch kein Fleisch, sondern Brot; wenn es aber zerkaut in den Magen hinabgelassen und dort von den Magensäften durchmengt wird, so ist es seinen feinen Nährteilen nach schon Fleisch, weil dem Fleische ähnlich. Und also ist es auch mit dem Weine oder auch mit dem Wasser, das sicher auch den Weinstoff in sich enthält, da ohne das Wasser, das das Erdreich zur Ernährung aller Pflanzen und Tiere in sich birgt, die Rebe erstürbe. Solange du den Wein im Munde behältst, geht er nicht ins Blut über; aber im Magen wird er gar bald in dasselbe übergehen. 4. Wer demnach Mein Wort hört und es in seinem Gedächtnisse behält, der hält das Brot im Munde der Seele. Wenn er im Gehirnverstande darüber ernstlich nachzudenken anfängt, da zerkaut er das Brot mit den Zähnen der Seele; denn der Gehirnverstand ist für die Seele das, was die Zähne im Munde für den Leibmenschen sind. 5. Ist vom Gehirnverstande Mein Brot, also Meine Lehre, zerkaut oder als volle Wahrheit verstanden und angenommen, so muß sie dann auch von der Liebe zur Wahrheit im Herzen aufgenommen werden und durch den festen Willen in die Tat übergehen. Geschieht das, so wird das Wort in das Fleisch und durch den ernstfesten Tatwillen in das Blut der Seele, das da ist Mein Geist in ihr, umgestaltet, ohne das die Seele so tot wäre wie ein Leib ohne das Blut. 6. Der ernstfeste Tatwille aber gleicht einer guten Verdauungskraft des Leibmagens, durch die der ganze Leib gesund und stark erhalten wird; ist aber die Verdauungskraft des Magens schwach, so ist der ganze Leib schon krank und schwach und siecht selbst bei den besten und reinsten Speisen. 7. Ingleichen geht es der Seele, in deren Herzen der Wille zur Tat nach der Lehre ein mehr schwacher ist. Sie gelangt nicht zur vollen, gesunden, geistigen Kraft, bleibt so halb hin und halb her, gerät leicht in allerlei Zweifel und Bedenken und fängt bald die eine und bald eine andere Kost zu prüfen an, ob sie ihr nicht besser und stärkender anschlüge. Aber es ist damit der einmal schon schwächlichen Seele dennoch nicht völlig geholfen. ,Ja‘, aber fraget ihr nun in euch, ,ist denn einer schwächlichen Seele dann auch nicht mehr völlig zu helfen?‘ O ja, sage Ich. Wie aber?“ Kapitel 74 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 74. — Die Bedeutung der Tat nach dem Worte Gottes 1. (Der Herr:) „Höret! So ein Mensch einen schwachen Magen hat, so nimmt er einmal einen euch wohlbekannten Kräutertrank, durch den die schlecht verdauten Speisen auf dem bekannten natürlichen Wege aus dem Magen und den Gedärmen hinweggeschafft werden; die schlecht verdauten Speisen aber gleichen den in der Seele erwachten Bedenken, ob sie dies und jenes wohl völlig glauben und danach tätig sein solle. 2. Wenn aber der natürlich schwache Magen einmal gereinigt ist, was ist dann zu tun, damit er wieder stark werde und stark bleibe? Der Mensch werde recht tätig und mache dabei in der frischen und reinen Luft eine rechte Bewegung, und der Magen wird dadurch zuerst seine volle und gesunde Kraft wieder erhalten. Und seht, das tue denn auch die Seele! Sie reinige ihr Herz von all den irrtümlichen Lehren, Begriffen und Ideen, nehme die Wahrheit, wie Ich sie euch lehre, liebewillig und vollgläubig auf und werde danach recht tätig und regsam, und sie wird dadurch bald sehr erstarken und auch völlig und unverändert bleibend gesund werden! 3. Darum sei denn keiner von euch nur Hörer, sondern sogleich auch ein ernstwilliger und emsiger Täter Meines Wortes, so werden dadurch auch ehest alle Bedenken und Zweifel aus seiner Seele entwichen sein. 4. Wie aber der natürliche Leibesmagen in seinem kräftig gesunden Zustande allerlei reine und im Notfalle auch unreine Speisen in sich aufnehmen kann, ohne einen Schaden zu leiden, weil er durch seine Tätigkeit alles Unreine entweder von sich wegschafft oder ins Reine verkehrt, ebenso tut das auch der kräftige und völlig gesunde Magen der Seele; und es ist demnach dem Reinen alles rein, und selbst der unreinste geistige Pestdunst der Hölle kann in ihm keinen Schaden bewirken. 5. So ihr denn im Vollbesitze Meines Reiches in euch sein werdet, da werdet ihr über Schlangen und Skorpionen einherwandeln und Gifte aus der Hölle trinken können, und es wird euch das nimmerdar schaden. 6. So ihr nun das alles wohl begriffen und aufgefaßt habt, so werdet ihr denn nun auch das der vollen und lebendigen Wahrheit nach einsehen, was Ich in Kapernaum unter dem ,Mein-Fleisch-essen‘ und unter dem ,Mein-Blut-trinken‘ von euch verstanden haben wollte, und ihr werdet das hinfort auch sicher keine harte Lehre mehr nennen. 7. Es sind aber für den puren Menschenverstand die Dinge und gar viele Erscheinungen schon in der sichtbaren Naturwelt grundursächlich schwer dahin zu erklären, auf daß er darauf von allen möglichen, den bösen Aberglauben nährenden Irrtümern frei werde und so den Weg der Wahrheit wandle; um wie vieles schwerer begreiflich erst sind dann die dem Fleischesauge des Menschen unsichtbaren, himmlisch geistigen Dinge, Kräfte, Wirkungen und Erscheinungen für den puren Gehirnverstand und für die Seele ersichtlich zu machen! 8. Darum sage Ich euch denn auch allzeit: In alle Weisheit in geistigen, himmlischen Lebensverhältnissen und in deren Kraft und Macht werdet ihr erst dann eingeweiht werden, so ihr auf die Art und Weise, wie Ich sie euch ausführlich klar gezeigt habe, in Meinem Geiste völlig neu geboren sein werdet. Und nun fraget euch selbst, ob ihr das alles auch in der rechten und vollen Wahrheitstiefe verstanden und begriffen habt!“ 9. Sagten die Jünger: „Ja, Herr und Meister, wenn Du also vor uns die Geheimnisse des Reiches Gottes enthüllst, dann sind sie für uns denn auch leicht verständlich; aber so Du Deinen Mund in Gleichnissen auftust, dann ist der Sinn Deiner Worte für uns stets schwer und manchmal gar nicht verständlich. Aber so Du dann die Gleichnisse uns erklärst, da erst sehen wir ein, daß derlei Bilder und Gleichnisse zu geben nur der göttlichen Allweisheit möglich ist. O Herr, wir danken Dir aus dem tiefsten Herzensgrunde für Deine übergroße Geduld mit und für Deine Liebe zu uns! So wir aber als Menschen irgendwann schwach und müde werden sollten auf dem Wege zur wahren Neu- und Wiedergeburt Deines Geistes in uns, dann, o Herr, verlasse uns nicht, sondern stärke uns, und laß uns nimmerdar schwach werden! Und wenn unser Gemüt ängstlich und traurig wird, wenn Du in der Zukunft nicht mehr sichtbar unter uns wandeln wirst, dann komme mit Deiner Gnade und Erbarmung, und tröste uns, und belebe unsere Liebe, unsern Glauben und unser Hoffen und unser Erwarten!“ 10. Sagten der Wirt und sein geheilter Oberknecht: „O Herr und Meister, um das, um was Dich die Jünger gebeten haben, bitten auch wir Dich!“ 11. Sagte Ich: „Wahrlich, wahrlich sage Ich euch: Um was ihr den Vater in Meinem Namen bitten werdet, das wird euch auch gegeben werden! Wo aber ist ein Vater unter den Menschen, die doch zumeist eitel böse sind, der einem Kinde, das ihn um ein Stück Brot bittet, einen Stein gäbe, oder einer Tochter, die ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange? 12. So aber schon die Menschen, die – wie gesagt – eitel böse sind, ihren Kindern gute Gaben erteilen, um wieviel mehr wird der ganz allein übergute Vater im Himmel denen Gutes erweisen, die Ihn liebend und gläubig darum bitten. 13. Darum möget ihr allzeit fröhlichen Herzens und frohen Mutes sein; denn der heilige und übergute Vater wacht allzeit über euch und sorgt um euer Wohl und Seelenheil. 14. Der Vater aber ist in Mir, wie Ich allzeit und ewig in Ihm bin, und Ich gebe euch die volle Versicherung, daß Ich euch niemals als Waisen belassen werde bis ans Ende der Zeiten dieser Erde. 15. Wahrlich sage Ich euch: Wer Mich wahrhaft lieben und Meine Gebote halten wird, zu dem werde Ich kommen und Mich ihm selbst offenbaren, und es wird sich dann ein jeder überzeugen können, daß er sich nicht als Waise in der Welt befindet! Wem Ich Mich aber also offenbaren werde, der behalte das nicht für sich, sondern teile solchen Trost auch seinen Brüdern mit, auf daß auch sie dadurch getröstet und gestärkt werden. 16. Wer die Schwachen gerne stärkt, die Betrübten tröstet und den Leidenden gerne hilft, der wird in allem dem den zehnfachen Lebenslohn von Mir zu gewärtigen haben. Dessen könnet ihr allzeit völlig versichert sein!“ 17. Diese Meine Worte machten alle fröhlich und heiter, und der Wirt ließ unsere Becher abermals mit seinem besten Weine füllen, und wir tranken denn auch und unterhielten uns noch bei einer Stunde lang. Kapitel 75 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 75. — Der nächtliche Gewittersturm 1. Nach einer Stunde aber ward es unruhig auf der Straße; denn es entstand ein starker Wind und tobte mit großem Ungestüm durch die Türen und Fenster des Hauses. Darob entsetzten sich denn auch die Pharisäer so sehr, daß ein paar zu uns kamen und den Wirt ängstlich fragten, was daraus werde. 2. Der Wirt aber, der selbst ängstlich wurde über den so plötzlich entstandenen Sturm, sagte: „Wie möget ihr Gottesdiener mich darum fragen? Ihr kennet doch sonst alles und saget, daß Gott auf der Welt ohne euch, die ihr Seine einzigen Stellvertreter und Seine Diener und Knechte seid, nichts vermöge. So werdet ihr nun wohl auch am besten wissen, warum Gott diesen gewaltigen Sturm gar so plötzlich hat entstehen lassen, und was daraus werden wird. Was soll ich als ein von euch noch stets geächteter Halbsamariter da wissen, wo ihr Gott so nahe Stehende selbst voll Furcht und Angst zu fragen anfanget?“ 3. Sagte einer der Pharisäer: „Nun, nun, so fahre als ein Bürger Roms nur nicht gleich so in die Höhe! Vielleicht weiß uns da der wundersame Nazaräer, der in alle Geheimnisse der Natur sicher sehr eingeweiht ist, etwas zu sagen? Denn so etwas ist ja noch gar nie dagewesen! Ein Sturm, wie er nun immer ärger zu wüten anfängt, fängt doch stets mit einem schwächeren Winde an, der immer heftiger wird, so lange, bis er in einen Orkan ausartet; aber diesem Sturm ist auch nicht das leiseste Lüftchen vorangegangen, sondern er kam wie eine mächtige Flut urplötzlich und tobt und rast nun mit stets zunehmender Heftigkeit fort, und da kann man denn doch wohl fragen, was daraus werden solle?“ 4. Während der Pharisäer noch also fortreden wollte, entlud sich draußen ein starker Blitz, dem alsbald ein gar gewaltig dröhnender Donner folgte. Da stürzten die beiden Pharisäer, von Schreck und Angst genötigt, ganz zu uns hin und suchten bei uns Schutz und Trost. Es dauerte aber gar nicht lange, als sich ein zweiter Blitz mit noch größerer Heftigkeit entlud, der auch die andern Pharisäer und den Schriftgelehrten zu uns brachte. Alles im ganzen Hause war von Furcht und großer Angst erfüllt und drängte sich in unseren Saal, und die Pharisäer verkrochen sich unter den Tisch, an dem sie ehedem gesessen hatten. 5. Es fragte Mich aber darauf der Wirt, sagend: „Herr und Meister, die Zeit in der Nacht zu messen, wenn man keine Sterne sieht, ist eine schwere Sache; aber so nach meinem Gefühl dürfte es nun wohl schon in die Nähe der Mitternacht gekommen sein. Die meisten von der Tagesarbeit müden Menschen haben sich schon sicher vor zwei Stunden zur Ruhe begeben und sollten zur Nachtzeit Ruhe haben; dieser Sturm aber wird doch sicher niemanden in der Ruhe lassen, da sein Toben ein so heftiges ist, daß sogar ein Halbtoter wach und mit aller Angst und Furcht erfüllt werden muß. Warum ist denn doch nun dieser Sturm so urplötzlich entstanden? Sieh, ich bin doch ein Mensch, der so leicht nicht kleinmütig wird; aber ich gestehe es offen, daß ich nun trotz Deiner allmächtigen Gegenwart von dem Toben und Wüten dieses Sturmes, der sich nicht im geringsten legen will, in allerlei Besorgnisse versetzt werde. Kannst oder willst Du diesem Sturme nicht auch gebieten, sich zu legen? Denn die Nacht ist ja eine Zeit der Ruhe der ganzen Natur und nicht eine Zeit der gewaltigsten Unruhe. Warum müssen denn sicher gar viele Tausende von Menschen und Tieren von solch einem Nachtsturm in eine größte Angst und Furcht versetzt werden?“ 6. Sagte Ich: „Siehst du nun auch Mir irgendeine Furcht und Angst an? Laß du diesen äußeren Sturm nur immerhin wüten und toben; denn es wird durch ihn keinem Gerechten ein Haar gekrümmt werden! 7. Um vieles ärger ist der innere Sturm eines großen Sünders, wenn sein Ende naht und er den ewigen Tod vor sich sieht und Gottes Zorn über seinem Haupte. Wird der bei Gott wohl auch noch eine Gnade und Erbarmung zu erlangen hoffen können, der nie einem Armen auch nur die kleinste Barmherzigkeit erwiesen, wohl aber gar viele Menschen ins größte Elend und in die drückendste Not gestürzt hat? Siehe, Freund, ein solcher Seelensturm ist ums unaussprechbare erschrecklicher denn ein solcher Natursturm, durch den der Erde eine große Wohltat und daneben hie und da nur ein sehr kleiner Schaden zugefügt wird. Darum lassen wir diesen Natursturm nun nur wüten und toben noch eine Weile, und wir werden dabei dennoch voll guter Dinge und voll guten Mutes sein!“ 8. Als Ich damit den Wirt getröstet und beruhigt hatte, da entluden sich wieder mehrere gar gewaltige Blitze, denen ein gar mächtig erdröhnender Donner folgte, daß darob das ganze starke Haus des Wirtes erbebte. 9. Als die unter einem Tische zusammenhockenden Pharisäer das Erbeben des ganzen Hauses wahrnahmen, da fingen sie mit zitternder Stimme laut zu rufen an: „Jehova, Du Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, erbarme Dich unser, und laß uns nicht zugrunde gehen, etwa gar dieser zauberischen und frevelhaft kecken Essäer wegen, die sich Juden nennen, aber mit den Samaritern, Heiden, Zöllnern und anderen Sündern umgehen und sich über uns, Deine rechten Diener erheben und uns allerorts bei den Menschen verdächtigen, Deinen Namen eitel nennen und, wie wir es wissen, auch zu öfteren Malen den Sabbat schänden!“ 10. Als die Pharisäer solches noch kaum ausgesprochen hatten, da entluden sich wieder mehrere noch heftigere Blitze mit starkem Gekrache, und ein Blitz hatte sogar in die dem Hause des Wirtes gegenüberstehende Synagoge geschlagen und das Holzwerk, das Dach und die Bänke, Tische und Kästen, in Brand gesteckt. 11. Der Wirt ersah das alsbald durch die Fenster des Saales und sagte zu den Pharisäern: „Erhebet euch, und gehet löschen; denn der letzte Blitz hat in die Synagoge eingeschlagen und das Holzwerk entzündet! Kurz, die Synagoge steht in Flammen; darum gehet hin, und suchet eure Schätze und Heiligtümer zu retten!“ 12. Als die Pharisäer das vernahmen, da sprangen sie gleich auf, machten im Hause einen großen Lärm und wollten Mich und Meine Jünger zum Löschen des Feuers zwingen. 13. Ich aber sagte mit ernster Stimme: „Was kümmert Mich euer Feuer und eure Synagoge! Ihr habt ja ohnehin schon euren Gott angerufen. Warum erhört Er eure Bitte denn nicht? Wahrlich, so Ich, als ein von euch blinden Pharisäern vermeinter Essäer, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs bitten würde, daß Er dem Sturme geböte, aufzuhören, so würde der Sturm auch alsbald aufhören! Ich werde aber das nun nicht tun; denn ihr haltet mich für einen Ketzer und Sünder gegen euren Gott, an den ihr selbst in euren Herzen noch nie geglaubt habt. Wendet euch nun nur an euren Gott, und sehet, ob Er euch erhören und helfen wird!“ 14. Auf das wurden die Pharisäer noch zudringlicher und baten uns, ihnen zu helfen, so da bei der schon starken Überhandnahme des Feuers noch eine Hilfe möglich wäre. 15. Auch der Wirt bat Mich, sagend: „O Herr und Meister, so Du auch diese blinden Pharisäer nicht erhören willst, so wolle doch mich erhören! Denn siehe, mein Haus ist nur bei siebzig Schritte von der brennenden Synagoge entfernt; wenn der heftige Wind umschlüge, so stünde auch mein Haus in Gefahr, Feuer zu fangen, und das um so leichter, weil der Sturmwind von keinem Regen begleitet ist!“ 16. Sagte Ich: „Ich habe dir schon einmal die Versicherung gegeben, daß dem Gerechten kein Haar gekrümmt werde, und so der Wind zehnmal umschlüge, so wird dadurch dir und deinem Hause noch kein Unheil begegnen. Derlei Winde aber schlagen nicht so leicht um, was Ich wohl kenne, und so hast du nun nichts zu befürchten. 17. Es sind aber in dieser Synagoge gar viele ungerechte Schätze aufgehäuft, um die arme Witwen und Waisen, in der Fremde umherirrend, seufzen und wehklagen, während diese blinden Pharisäer, die sich von den Juden als Gottes Diener ehren lassen, sich hier ganz sorglos und um das wahre Wohl der Menschen unbekümmert mästen. Daher ist denn auch kein Schade um derlei Schätze, an denen Gott ewig nie ein Wohlgefallen haben kann. Diese hier aber, die nun zum gerechten Schaden kommen, werden in der Folge noch ebensogut leben, wie sie bisher gelebt haben!“ Kapitel 76 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 76. — Der jüngere Pharisäer beginnt den Herrn zu erkennen 1. Als die Pharisäer das von Mir vernommen hatten, da sagte der eine, der unter ihnen noch der Bessere war, zu dem Schriftgelehrten: „Du, der Galiläer hat an und für sich wahrlich nicht unrecht. Seine Worte stechen zwar wie scharfe Pfeile; aber er spricht die Wahrheit! Warum hat der Blitz denn gerade unsere Synagoge treffen müssen? Der Galiläer kennt unsere Wirtschaft und kann ihr wahrlich kein Lob erteilen und weiß es denn auch recht wohl, daß Gott unsere Bitte unerhört lassen wird. Wir sollten uns ihm nun freundlicher nähern, und er könnte uns vielleicht doch wunderbar erretten. Wer von uns kann es denn nur mit einiger Gewißheit behaupten, daß er nicht eben Der ist, der uns verheißen worden ist?“ 2. Sagte der Schriftgelehrte: „Fängst auch du an, wider uns zu zeugen? Steht es denn nicht geschrieben: ,Aus Galiläa steht kein Prophet auf!‘?“ 3. Sagte der bessere Pharisäer: „Ja, ja, das steht wohl also geschrieben; aber das steht auch nirgends geschrieben, daß der Messias nicht in Galiläa erstehen könnte. So er aber Der wäre, da ist er dann aber auch kein Prophet, sondern der Herr Selbst, und es hätte dann das, was in der Schrift steht, auf ihn keinen Bezug!“ 4. Sagte der Schriftgelehrte: „Ja, wenn es so wäre, dann freilich nicht; aber wer kann das erweisen, und wer getraute sich das?“ 5. Sagte der Pharisäer: „Er selbst und nun schon vielleicht viele Hunderttausende von Zeugen! Für unsern Unglauben aber kann er nicht. Hier aber ist nun eine Gelegenheit, uns zu zeigen, daß er mehr denn ein Prophet ist, und wir wollen und werden dann auch an ihn glauben!“ 6. Hierauf sagte der Schriftgelehrte nichts mehr, ging aber hinaus, um nachzusehen, welchen Schaden etwa das stets wachsende Feuer schon angerichtet habe. Da aber der Sturmwind gleichfort so heftig wehte, daß sich ein Mensch kaum aufrecht stehend halten konnte, und die Blitze auch beinahe unausgesetzt die Luft und das dichte Gewölk mit starkem Gedonner durchkreuzten, so blieb der Schriftgelehrte mit noch einem ihn begleitenden Pharisäer nicht lange draußen als ein Beobachter stehen, sondern kehrte bald wieder in den Saal zurück und zeigte es den andern an, daß nun von der Synagoge nicht viel mehr zu retten sein werde, indem das Feuer schon zu mächtig geworden sei und man im Orte zu wenig Wasser und zu wenig mutige Menschen zum Löschen besitze. 7. Der bessere Pharisäer aber trat wieder zu Mir und sagte: „Meister, Du hast es vernommen, was ich über Dich zu unserem Schriftgelehrten geredet habe, und er konnte mir darauf nichts irgend Haltbares erwidern, schwieg daher lieber, ging aber doch hinaus, um nachzusehen, ob es sich etwa noch der Mühe lohnte, die Synagoge zu löschen und so auch noch einige Kostbarkeiten zu retten. Damit hatte er andeuten wollen, daß er auch an Dich zu glauben anfinge, so Du durch Deine Wundermacht den Brand der Synagoge löschen und so denn auch einige wenige Schätze retten würdest. Da aber das böse Feuer nun schon bald alles verzehrt und zerstört haben wird, so wird er sich nun denken: ,Da ist weder mit natürlichen noch mit wunderbaren Mitteln mehr etwas zu retten, und so bleibe ich bei meinem Unglauben.‘ 8. Ich für mich und meinen Teil aber denke und urteile da nun ganz anders; denn mir genügen die zwei Zeichen, die Du hier gewirkt hast, nämlich erstens die Reinigung der zehn Aussätzigen und zweitens die Heilung des Oberknechtes, und ich glaube, daß Du unwiderlegbar der Gesalbte Gottes bist und Dir darum auch nichts unmöglich ist. Und so glaube ich denn auch, daß Du den Sturm stillen und unsere Synagoge noch löschen und uns das Notwendigste zum Leben retten könntest, so Du das wolltest! Herr und Meister, vergib es mir, so ich mich ehedem irgend an Dir versündigt habe, und lasse wenigstens mich sehen, daß Du auch ein Herr der Elemente und der großen Natur bist!“ 9. Sagte Ich: „Selig bist du, da du glaubest, und Ich will dir auch tun nach deinem Glauben! Gehe denn nun mit Mir hinaus ins Freie, und wir wollen sehen, was ein rechter Glaube vermag!“ 10. Darauf ging Ich mit dem besseren Pharisäer hinaus ins Freie und besah mit ihm den starken Brand, der bereits im ganzen großen Gebäude wütete, und sagte zu ihm, der ohne Furcht und Angst mit Mir war: „Meinst und glaubst du noch, daß es Mir möglich wäre, mit einem Worte den gewaltigen Sturm zu stillen und den Brand zu löschen und dadurch zum wenigsten deine Habe zu retten?“ 11. Sagte der Pharisäer ganz zutraulich: „Ja, Herr und Meister, jetzt erst glaube ich das ganz ohne etwelchen Zweifel! Sprich Du nur ein Wort, und es wird unfehlbar geschehen, was Du willst!“ 12. Sagte Ich: „Nun, so geschehe denn, wie du es glaubest!“ 13. Als Ich das ausgesprochen hatte, da legte sich urplötzlich der Sturm, und der Brand der Synagoge verlosch auch derart, daß im ganzen großen Gebäude auch nicht ein glühendes Fünklein aufzufinden war. 14. Hierauf fiel der Pharisäer vor Mir auf seine Knie nieder und pries laut die Kraft und Macht Gottes in Mir. 15. Ich aber hieß ihn aufstehen; denn es fingen nun auch alle, die die Furcht und Angst in den großen Saal getrieben hatte, an, sich ins Freie zu begeben, da sie es wohl merkten, daß der Sturm gänzlich nachgelassen hatte und durch die Fenster vom Brande der Synagoge auch nichts mehr zu entdecken war. 16. Als der Schriftgelehrte mit den anderen Pharisäern das merkte und auch den Himmel ganz wolkenlos erblickte, da sagte er: „Höret, das ist mehr, als was sich ein noch so weiser Mensch je hätte können träumen lassen! Was können wir aber nun tun? Glauben wir an den Galiläer, so wird uns bald der ganze Tempel mit glühenden Scheiten am Genicke sitzen, – und glauben wir ihm nun noch nicht, so haben wir das Volk der ganzen Umgegend wider uns. Da wird es nun schwer werden, die goldene Mittelstraße zu finden und auf ihr fortzuwandeln. Doch davon wollen wir erst morgen weiterreden. Nun aber schaffet uns Lichter, auf daß wir uns alsbald überzeugen mögen, welch einen Schaden wir durch den Brand erlitten haben!“ 17. Da brachte der Wirt Lichter, aus Wachs angefertigt, und alles begab sich nach der Synagoge, um nachzusehen, was da alles durch das Feuer zerstört worden sei. Die Pharisäer fanden bald, daß das Feuer in ihren Wohnungen eine große Verheerung angerichtet hatte, und fingen darob sehr zu jammern an; als sie aber in die Wohnung des besseren und gläubigen Pharisäers kamen, in der Ich Mich mit ihm befand, da ergriff alle ein großes Staunen, als sie da alles unversehrt und in der besten Ordnung antrafen. Kapitel 77 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 77. — In der beschädigten Synagoge 1. Da trat der Schriftgelehrte zu Mir und sagte: „Meister, warum hast denn Du nicht auch unsere Wohnungen also beschützt wie diese hier?“ 2. Sagte Ich: „Warum habt denn ihr nicht auch also geglaubt wie dieser eine hier?“ 3. Sagte der Schriftgelehrte: „Wir konnten uns doch nicht selbst zum Glauben zwingen! Zum vollen Glauben gehört eine gediegenere Überzeugung als die, die wir über dich haben konnten. In dieser von allerlei Zauberern und Wundertätern strotzenden Zeit ist es schwer – besonders für einen alten Schriftgelehrten –, die Wahrheit aus den vielen ähnlichen Erscheinungen herauszufinden und sie dann auch ungezweifelt als das, was sie sei, anzunehmen und ungezweifelt zu glauben!“ 4. Sagte Ich: „Wer zwang denn diesen euren Gefährten zum Glauben, und wie fand denn er aus den vielen falschen Erscheinungen die Wahrheit heraus? Seht, das liegt nicht im Gehirnverstande des Menschen, sondern in seinem besseren und aufrichtigeren Herzen! 5. Ihr habt euch schon gar lange kein Gewissen mehr daraus gemacht, die Menschen zu eurem äußeren Weltvorteile auf alle nur mögliche Art und Weise zu belügen und zu betrügen; dieser allein tat das nicht, da er bei sich noch auf die Gebote Gottes etwas hielt und sie nicht also verkehrte, wie ihr sie verkehrt habt. 6. Ihr hattet in euren Herzen keinen Glauben und somit auch keine Lebenswahrheit mehr, und darin liegt der Grund, aus dem ihr Mich nicht erkennen mochtet und an Mich auch keinen Glauben fassen konntet; denn wo keine Wahrheit und kein Leben ist, da kann sich auch keine noch so helle Wahrheit mit ihrem Leben eine Aufnahme und eine bleibende Wohnung verschaffen. 7. Wo aber noch eine Wahrheit mit ihrem Leben in einem Menschenherzen wohnt, da greift denn auch bald und leicht eine höhere Wahrheit Platz und erzeugt den lebendigen Glauben und dessen Kraft. Und das war denn bei diesem eurem Gefährten der Fall, und Ich habe denn also auch geschehen lassen, wie er geglaubt hat. Da habt ihr nun den Grund eures Unglaubens und der Härte eures Herzens, der euch ebenso blind macht und erhält wie euresgleichen allenthalben im ganzen Judenlande. Ich habe nun geredet und werde Mich nun wieder in die Herberge begeben.“ 8. Auf diese Meine Worte wußte der Schriftgelehrte samt seinem Anhange nichts zu erwidern; Ich aber begab Mich darauf im Geleit des bekehrten Pharisäers, des Wirtes und des geheilten Oberknechtes sogleich nach der Herberge, in der alle die Jünger noch am Tische saßen und sich über Meine Lehren und Taten besprachen. 9. Die andern Pharisäer und der Schriftgelehrte aber durchsuchten mit mehreren Hausleuten des Wirtes die Synagoge mit Hilfe der Lichter klein durch, um zu sehen, was alles ihnen durch den Brand zerstört worden sei. Sie hätten das auch am nächsten Tage tun können; aber da sie viel Gold, Silber und noch andere Schätze, in der Synagoge verschiedenen Winkeln und Mauerlöchern wohl versteckt, besaßen, so wollten sie sich überzeugen, inwieweit das Feuer etwa auch diese wohlverborgenen Schätze verschont oder unverschont gelassen habe. Als sie nach fleißigem Durchsuchen der Winkel und Mauerlöcher denn doch noch so manches unversehrt vorfanden, da ward es ihnen etwas wohler ums Herz; sie stellten aber dennoch eine Wache auf, die in etlichen Knechten des Wirtes gegen einen guten Lohn bestand, damit ihnen niemand etwas stehle und sie noch ärmer mache, als sie nun zu sein glaubten. 10. Wir aber hatten unterdessen noch über so manches Besprechungen angestellt, die hier sonderheitlich nicht wiedergegeben zu werden brauchen, weil sie ohnehin an den Orten, wo sie vorgekommen sind, mehr denn hinreichend klar dargestellt und erklärt worden sind. 11. Besonders ward hier unsere Reise von Jericho bis hierher von Meinen Jüngern klar und kurz und bündig erzählt, worüber der Pharisäer, der Wirt, sein Knecht und sein Weib und etliche seiner erwachsenen Kinder höchlichst erstaunten und der Pharisäer laut zu öfteren Malen ausrief: „Nein, das ist mehr als endlosmal zu viel, um selbst die Steine sehend zu machen! Und meine Gefährten bleiben noch blind und suchen ihre elenden Weltschätze zu verwahren, während die allerhöchsten und ewig unvergänglichen Schätze des Lebens hier in der überschwenglichsten Fülle aufgetischt werden. Aber was kann unsereiner da machen, wo der Herr des Lebens so oftmals vergeblich die größten Zeichen wirkt und den Menschen Lehren gibt, die allein nur aus dem Herzen und Munde Gottes kommen können? Ich lebe leider unter Wölfen und muß, um von ihnen nicht zerrissen zu werden, mit ihnen heulen. Aber sie werden mich von nun an nicht mehr zum Heulen bringen; denn ich weiß nun schon, was ich tun werde!“ 12. Als unser Pharisäer noch solche Ausrufungen machte, da kam auch der Schriftgelehrte und wollte zu erzählen anfangen, wie das Feuer doch eine bedeutende Menge der Schätze unversehrt gelassen hätte. 13. Aber der Pharisäer erhob sich gleich gegen ihn und sagte: „Ich bitte dich, schweige hier an der heiligen Stätte von dem fluchwürdigsten Unflate der Welt! Dieser Unflat hat die Menschen zu Teufeln gemacht und ihre Seelen in den Pfuhl des ewigen Todes gestürzt. Hier unter uns aber weilt der Herr des Lebens, dem alle Macht über alles im Himmel und auf Erden innewohnt, und ist gekommen, um uns vom alten Joche der Hölle und des ewigen Todes zu erlösen durch Seine Liebe, Gnade und übergroße Erbarmung, – und du suchst den Unflat der Hölle wohl zu verwahren, auf daß du dann noch blinder, verstockter und toter wirst in deiner Seele, als du ohnehin schon bist! Hier stehen die Pforten der Himmel weit geöffnet, und du und die anderen Gefährten bemühet euch, für euch die Hölle wohl zu erhalten. Oh, wie groß muß da eure Seelenblindheit und Herzensverstocktheit sein! 14. Frage dich selbst! Wer kann Der wohl sein, dem Winde, Stürme, Blitze, Feuer und alle andern Elemente und Kräfte der Natur gehorchen? Ich habe Ihn erkannt und bin nun schon überselig darob; warum erkennest denn du Den noch nicht, der dich mit dem leisesten Hauche Seines allmächtigen Willens vernichten oder in die Hölle verstoßen kann? Weil du an dem bösen Unflate der Welt mit Leib und Seele hängest und tot und blind im Herzen bist!“ Kapitel 78 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 78. — Die geistige Finsternis des Schriftgelehrten 1. Als der Schriftgelehrte dieses von unserem bekehrten Pharisäer vernommen hatte, da ward er zwar dem Außen nach unwillig; aber innerlich fing er doch an nachzudenken und sagte nach einer Weile: „Glücklich der, dem ein offenes Herz gegeben ist; mir ist es bis jetzt noch nicht gegeben worden! Ich habe die Schrift wohl studiert und suchte die Wahrheit, – was kann nun ich darum, daß ich sie nicht finden konnte? Was nützte mir, so ich las: ,Gott hat mit Abraham, Isaak, Jakob und noch mit vielen andern so und so geredet und hat Sich durch Moses und durch die andern Propheten den Menschen geoffenbart.‘? Warum hat Er denn mit mir und vielen andern meinesgleichen nicht geredet? Bin ich denn weniger Mensch, als es die waren, mit denen Gott geredet und Sich ihnen geoffenbart hat? 2. Erst jetzt ist abermals ein Mensch unter uns aufgestanden, der uns von neuem wieder zeigt, daß die Schrift keine pure von herrschsüchtigen Menschen erfundene und erdichtete Fabel ist, und daß es einen Gott gibt, dem alle Himmel und alle Mächte und Kräfte der Natur untertan sind. Und so ist es auch nun an der Zeit, zu denken und zu forschen, wie und wodurch bewogen Gott nun wieder einen Menschen erweckt hat, der uns durch Taten und Worte zeigt, daß die Schrift Wahrheit und keine Fabel ist. 3. Ich bin Mensch geworden nicht durch meinen Willen und nicht durch meine Kraft, sondern durch einen unerforschlichen Willen und durch dessen ebenso unerforschliche Kraft und Macht. Kann ich denn dafür, wenn mich diese Kraft und Macht nicht auch also leitete, daß ich an ihrem Dasein nie hätte zweifeln können? Laß mich nun darum denken, auf daß ich in mir auf den Weg komme, auf dem die alte Wahrheit von neuem wohlerkennbar werde; dann erst rede du mit mir!“ 4. Darauf sagte der bekehrte Pharisäer: „Wie groß muß denn die Herzens- und auch Verstandesblindheit bei einem Menschen sein, der bei solchen Erscheinungen und besonders bei solchen Lehren noch denken und alles genau erwägen will, ob und wie Gott bewogen werden konnte, in dieser Zeit von Seinem allmächtigen Dasein den Menschen dieser Erde wieder einmal ein Zeichen zu geben, und ob das Zeichen auch ein vollgültig wahres sei. O Herr und Meister voll rein göttlicher Kraft, sei auch den Blinden und Verstockten gnädig und barmherzig!“ 5. Sagte Ich: „Freund, lasse du das; denn es hat auf dieser Welt alles seine Zeit! In der Seele deines Gefährten steckt noch zu viel Gold und Silber dieser Welt, und da kann das Reich Gottes nicht so leicht Platz greifen wie bei Menschen, deren Seelen nicht von dem Mammon dieser Welt verhärtet und blind geworden sind. Der schiebt die Schuld auf Gott, daß Er ihn vernachlässigt habe, – bedenkt aber nicht, daß auch er gar manche und sehr bedeutungsvolle Mahnungen von Gott aus erhalten hat, die ihm zu einer großen Leuchte für seine Seele hätten werden können, wenn sie nicht schon von Kindheit an mit aller Gold- und Silbergier wäre angefüllt worden. 6. Er war damals schon im Tempel, als das offenbare Wunder mit dem Hohenpriester Zacharias geschah, den sie, weil er die großen Mißbräuche und Betrügereien der herrschsüchtigen Pharisäer und ihrer getreuen Anhänger zu rügen und abzuschaffen anfing, zwischen dem Altare und dem Allerheiligsten erwürgt haben. Er war auch im Tempel, als Simeon und die alte Anna lebten, und hat ihre Worte gehört; er war auch noch im Tempel, als Ich als ein zwölfjähriger Knabe die unverkennbarsten Zeichen von dem Geiste gab, der in Mir wohnt, und er kannte Johannes, den Bußprediger in der Wüste, der ein Sohn des Zacharias und der alten, frommen Elisabeth war. 7. Aber er erkannte vor lauter Gold und Silber das Licht aus den Himmeln nicht, obschon es Tausende geradewegs mit Händen haben greifen können. Er dachte wohl recht viel in seinem Gehirne nach, – aber was nützet der Seele, deren Herz mit lauter Mammon verhärtet und verfinstert ist, ein solches Denken, das da gleicht einem flüchtigen Irrlichte, das wohl gleich einem Blitz die Nacht auf einen Augenblick erleuchtet, aber gleich darauf eine viel ärgere Finsternis zur Folge hat, als sie ehedem den Boden der Erde deckte? 8. Wahrlich aber sage Ich: So aber ein solches Verstandeslicht im Menschen schon die purste Finsternis ist, wie groß und stark muß dann erst die eigentliche Nacht des Herzens und der Seele selbst sein! Darum laß du diesen Schriftgelehrten mit seinem Irrlichte nur das Reich Gottes suchen; je länger er es also suchen wird, desto weniger wird er es finden! So er sein Herz und dadurch auch seine Seele nicht völlig von dem Mammon frei macht, so lange auch wird er ins Gottesreich nicht eingehen. 9. Seine Rede gleicht nur der eines Blinden, der auch teils Gott die Schuld gibt, daß er blind ist, und nicht begreift, wie da die andern Menschen sehen können, da doch er nichts sieht. Doch bei einem Leibesblinden ist solch eine Rede zu entschuldigen, wenn er sich nicht selbst mutwillig geblendet hat; aber bei einem Seelenblinden ist solch eine Rede nicht zu entschuldigen, indem er lange gleich vielen andern hätte sehend werden können, so er die ihm wohlbekannten Mittel dazu treulich gebraucht hätte. – Doch lassen wir nun das; morgen ist auch noch Zeit, über die Mittel zur Erlangung des inneren Lichtes zu reden. Die vier Stunden der noch übrigen Nachtzeit aber wollen wir der Ruhe unseres Leibes widmen!“ 10. Es fragte nun schleunigst der Wirt, ob Ich in ein eigenes Schlafgemach Mich begeben wolle. 11. Sagte Ich: „Wir bleiben hier am Tische; denn Meine Jünger schlafen hier ohnehin schon zum größten Teile, und die Lampen fangen an, zu erlöschen.“ 12. Mit dem war der Wirt zufrieden. 13. Der Pharisäer wollte auch bei uns bleiben; aber der Schriftgelehrte sagte zu ihm: „Komme du mit mir in deine unversehrt gebliebene Wohnung; ich werde diese Nacht bei dir Wohnung nehmen und mit dir noch so manches besprechen!“ 14. Sagte der Pharisäer: „Ganz gut, – aber mit dem Besprechen wird sich in diesem Reste der Nacht nicht viel machen lassen; denn auch meine Augenlider haben angefangen, schwach zu werden!“ 15. Sagte der Schriftgelehrte: „Nun, nun, das tut nichts zur Sache; gehen wir aber dennoch und nehmen die Ruhe! Vielleicht haben wir einen guten Traum zu gewärtigen, der uns mehr sagen kann, als wir uns gegenseitig; denn ich habe bei solchen gemütsaufregenden Gelegenheiten noch allzeit sehr sonderbare Träume gehabt und werde damit auch diesmal sicher nicht verschont werden.“ 16. Mit dem gingen die beiden und nahmen die Nachtruhe. Kapitel 79 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 79. — Der Traum des Schriftgelehrten 1. Am Morgen, als die Sonne schon über die Berge gestiegen war und Ich und die Jünger wie gewöhnlich uns schon im Freien befanden, erwachten denn auch der Pharisäer und der Schriftgelehrte, wuschen sich nach der strengen Sitte der Juden, und der Pharisäer fragte dann den Schriftgelehrten, ob er wohl einen Traum gehabt hätte. 2. Und dieser sagte (der Schriftgelehrte): „Ja, Freund, wie ich es dir vor unserer Ruhenahme gesagt habe; aber es träumte mir nichts als lauter dummes Zeug durcheinander. 3. Höre! Ich befand mich zwischen hohen Bergen, und wo ich hinsah, waren lauter Gold- und Silberminen; und ich sah eine Menge Bergleute, die diese Metalle in großen Klumpen aus den Bergen schafften. Da ich aber dieses Metall in einer so übergroßen Menge vor mir sah, so hat es vor mir allen Wert zu verlieren angefangen, und als die Bergleute noch immer mehr und mehr dieser Metalle an das Tageslicht förderten, da ward es mir bange, und ich fing an, einen Ausweg zu suchen. Wo ich aber auch hinkam und einen Ausweg nehmen wollte, da war er mit den größten Klumpen Goldes und Silbers schon derart verrammt, daß es eine Unmöglichkeit war, je darüber ins Freie gelangen zu können. 4. Ich wandte mich denn in meiner großen Angst und nahe völligen Verzweiflung an einen Bergmann, der sich in meiner Nähe befand, und bat ihn, daß er mir einen Ausweg aus der Gold- und Silberschlucht zeige. 5. Aber der rollte mich mit einer sehr rauhen Stimme an, sagend: ,Da gibt es keinen Ausweg! Wer sich einmal in diese Schlucht verirrt hat, der kommt nicht mehr hinaus; denn wir merken das genau, von woher jemand zu uns herein gelangt, und verrammen ihm den Ausweg, sobald er unsere Schätze zu bewundern angefangen hat. In dieser Schlucht haben schon gar überaus viele Mächtige und Große der Erde ihren Untergang gefunden, und du wirst nicht einer der Letzten sein!‘ 6. Auf diese sehr drohenden Worte des rauhen Bergmanns, der sich darauf auch alsogleich von mir entfernte, erreichten meine Furcht und Angst den höchsten Grad, so daß ich darob wie ganz besinnungslos zu Boden fiel und in diesem bösen Zustande abermals in einen neuen Traum im Traume verfiel. 7. Da kam ein Mann zu mir und fragte mich mit ernster Stimme, was ich an diesem Orte mache. 8. Ich aber sagte: ,Wie fragst du mich also, – weiß ich doch nicht, wann, wie und warum ich hierher gekommen bin. Ich habe das ja nie gewollt und befinde mich dennoch hier.‘ 9. Darauf verschwand der Mann, und ich sah bald darauf ein arges Tier sich mir nahen. Da geriet ich in eine noch größere Angst. Darauf aber sah ich einen Blitz vom Himmel fahren, der traf das böse Tier, dessen Gestalt ich dir nicht beschreiben kann. Darauf fing dasselbe an, sich zu krümmen und zu bäumen und stürzte bald in einen tiefen Abgrund, und mir ward es behaglicher im Gemüte. 10. Ich richtete mich auf und eilte von dieser Stelle einem Orte zu, der sich in einer ziemlichen Ferne von mir befand und ein freundliches und einladendes Aussehen hatte. Ich kam bald in die Nähe des Ortes. Da ersah ich gar zierliche Gärten, in denen eine Menge von allerlei mir unbekannten Fruchtbäumen standen, deren Äste und Zweige von den seltsamsten Früchten strotzten. 11. In dem einen der Gärten ersah ich auch Weiber und Mägdlein von großer Schönheit, und es fing mich zu gelüsten an, mit ihnen zu reden. Aber mein Gelüsten hatte auch bald ein Ende; denn als mich die Mägdlein und die Weiber ersahen, da fingen sie an zu schreien und flohen vor mir. 12. Ich dachte bei mir, warum das? 13. Da vernahm ich eine Stimme wie aus irgendeinem Versteck: ,Das ist unser Feind! Fliehet vor ihm, damit er uns nicht auch hier raube unsere Habe und unsere Keuschheit und unsere Unschuld! Ihr, unsere Männer, aber ergreifet und bindet ihn, und werfet ihn in einen Kerker, darin Kröten und Schlangen hausen!‘ 14. Als ich solches vernahm, da fing ich an zu fliehen über Steine und Stoppeln; ich fiel endlich vor Müdigkeit zu Boden und wurde darauf wach. 15. Wahrlich, das war denn doch ein dummer und böser Traum, und ich bin vom Angstschweiß noch ganz naß am ganzen Leibe! 16. Was sagst nun du, Freund, zu diesem meinem bösdummen Traum?“ Kapitel 80 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 80. — Die Erklärung des Traumes durch den Pharisäer 1. Sagte der Pharisäer: „Freund, dieser von dir mir nun erzählte Traum scheint mir eben nicht so bösdumm zu sein, wie du das meinst, und hat eben für dich nach meinem Urteil eine gar tiefe Lebensbedeutung, die ich dir mit wenigen Worten zeigen könnte!“ 2. Sagte der Schriftgelehrte: „So tue das; ich will dich recht gerne anhören!“ 3. Sagte weiter der Pharisäer: „Höre! Die dich so sehr ängstigende Gold- und Silberschlucht, aus der du am Ende keinen Ausweg mehr finden konntest, zeigte dir den Zustand deiner mit lauter Goldgier umpanzerten Seele, die aus eben diesem Zustande keinen Ausweg trotz alles ihres Denkens und Suchens ins Freie der reinen und lebendigen Wahrheit aus Gott mehr finden kann. Die Bergleute, welche du die benannten Metalle in großen Klumpen aus den Bergen schaffen sahst, sind deine eigenen unersättlichen Begierden nach solchen Erdenschätzen. Der Bergmann aber, der zu dir sagte, daß aus dieser Schlucht kein Ausweg mehr führe, und dir auch mit unsanfter Stimme dein sicheres Zugrundegehen verkündete, ist dein eigenes Gewissen, das dich – wie zu einem letzten Mal – allerernstlichst ermahnte, weil du seine sanftere Mahnstimme nicht mehr achten wolltest. 4. Hierauf wurde es dir so sehr ängstlich und bange zumute, daß du wie besinnungslos zu Boden fielst. Das ist dir ein Zeichen, so zu verstehen nach meiner Ansicht: Weil du deine Gier zu verachten und zu fliehen begannst und dadurch deine Seele entpanzert hast, so hast du dich deiner alten Liebe und somit deines materiellen Lebens begeben und fielst wie tot zu Boden. Weil du aber das getan hast, so erwachte in dir alsbald ein anderes und schon freieres Leben. 5. Der Mann, der da bald zu dir kam und an dich eine ganz gewichtige Frage stellte, die du nicht beantworten konntest, war abermals dein Gewissen, dein jenseitiger Geist aus Gott. Als er sich von dir entfernte, da ersahst du alsbald ein böses Tier, das nichts anderes als deine alte Gier war, die dich trotz deines schon freieren Seelenzustandes in deinem Gemüte verfolgt. Aber weil du vor deiner alten Sünde nun einen Abscheu hast, so ist dir selbst die Rückerinnerung an sie widrig und verächtlich, und du bemühst dich, diesem bösen Tiere zu entfliehen, auf daß es dich nicht abermals ergreife und dich verderbe und töte. Solche deine gerechte Furcht vor deinem bösen Tier ersieht der Himmel und entsendet einen Blitzstrahl der lebendigen Wahrheit aus Gott. Dieser trifft dein böses Tier wohl, das sich darauf wohl noch eine Weile bäumt und krümmt, aber endlich doch in den Abgrund stürzt und in deiner Seele nicht mehr zum Vorschein kommt. 6. Nun zeigt sich dir, wie noch in einer Ferne, ein wohnlicher Ort, darob es dir ganz behaglich zumute wird. Du eilst dem Orte zu und in dessen Nähe zu gar schönen und an seltsamen Fruchtbäumen und Früchten reichen Gärten. Der wohnliche Ort ist die in dein Herz zurückgekehrte Ruhe, und die Gärten stellen die neuen Wahrheiten aus Gott dar, an denen du viel Wohlgefallen hast. Aber da sie durch das Tun danach nicht dein Eigentum sind, so erschaust du sie noch wie außer dir, und die Früchte getrauest du dir nicht anzugreifen. 7. In einem Garten ersahst du auch gar schöne Weiber und Mägdlein, mit denen du dich besprechen und in eine nähere Bekanntschaft setzen möchtest. Als sie aber, als innerste lebendige Wahrheiten, deiner als eines puren, äußeren Verstandesmenschen ansichtig werden, so fliehen sie vor dir, und du denkst: ,Warum wollen sie mich denn nicht, und warum fliehen sie vor mir?‘ Da erwacht wieder dein Gewissen und zeigt dir, wie arm du an den Werken der Liebe zu Gott und zum Nächsten dastehst, und wie viel Unrecht, das du den armen Witwen und Waisen zugefügt hast, du noch gutzumachen hast, worüber sich aber dein Verstand noch entsetzt. 8. Da sagt dir abermals dein Gewissen: ,Ergreifet und bindet ihn – deinen Außenverstand nämlich – und werfet ihn in einen finstern Kerker, darin Schlangen und Kröten hausen!‘ Das will mit andern Worten so viel sagen, als: Du selbst nimm deinen Weltverstand durch den lebendigen Glauben an Gott und Seinen zu uns gekommenen Gesalbten gefangen, und verbanne ihn, und gib ihn der finstern Welt und ihren giftigen Sorgen zurück; denn aus dem Worte Gottes muß ein neuer und rein geistiger Verstand werden, ansonst du in den Ort der wahren und trostreichen Seelenruhe nicht eingehen kannst. 9. Da erschrickst du freilich wie von neuem wieder, weil du all dein Leben in deinem Außenverstande zu besitzen wähnst, und fliehst daher noch eine Weile über harte und tote Stoppeln und Steine des Anstoßes. Die Stoppeln und Steine aber sind gleich den Torheiten der Weltweisheit, die dich ermüden und abermals zu Fall bringen. Wohl dir, so du durch diesen im Geiste der vollen Wahrheit aus Gott also wach würdest, wie du nun von deinem guten und für dich sehr bedeutungsvollen Traume ins irdische Leibesleben zurück erwacht bist! 10. Siehe, so habe ich die Bedeutung deines Traumes erkannt und sie dir denn auch ohne Rückhalt mitgeteilt! Sie ist aber freilich meinem guten Wahrnehmen nach nicht so ganz auf meinem eigenen Grund und Boden gewachsen; denn es kam mir deutlich vor, als hätte mir ein höherer Geist die Worte ins Herz und in den Mund gelegt. Und ich glaube auch, daß dich der Geist Dessen, dem die Kräfte der Himmel und alle Elemente dieser Erde gehorchen – wie wir das gesehen haben – in einen solchen Traumzustand hat kommen lassen. 11. Du aber kannst nun dennoch glauben, was du willst. Ich habe geredet und werde nun auch sogleich den großen Meister aufsuchen gehen und sehen, was Er macht; du aber kannst nun tun, was du willst!“ 12. Sagte der über diese Traumdeutung ganz erstaunte Schriftgelehrte: „Höre, ich werde das tun, was du tust, – und so gehen wir!“ Kapitel 81 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 81. — Die beiden Templer suchen den Herrn 1. Als die beiden aus der Wohnung ins Freie kamen, da sahen sie die große Brandstätte und wie ihre Gefährten tätig waren, um ihre vom Feuer noch nicht zerstörten Schätze zu sammeln und irgend in eine gute Verwahrung zu bringen. 2. Einer rief dem Schriftgelehrten zu, sagend (ein Templer): „Kümmerst du dich um das Deinige denn gar nicht?“ 3. Sagte der Schriftgelehrte: „Ich werde zu dem, was allenfalls mein ist, noch früh genug kommen; und ist von dem Meinen nichts zu finden, so werde ich mich darum auch nicht grämen. Arbeitet ihr nur zu für den Tod; ich aber werde mich nun um eine Arbeit fürs Leben umsehen!“ 4. Mit diesen Worten begaben sich die beiden weiter. 5. Die andern Pharisäer aber sagten unter sich: „Hat der Galiläer etwa auch schon unseren einzigen Schriftgelehrten verrückt gemacht?“ 6. Dieser achtete aber dessen nicht und begab sich in die Herberge mit dem ganz bekehrten Pharisäer, um da mit Mir reden zu können. Ich aber war mit Meinen Jüngern noch im Freien und daher nicht in der Herberge. 7. Da Mich die beiden vermißten, so fragten sie den Wirt, der mit dem Ordnen des großen Speisetisches beschäftigt war, wo Ich Mich befände, oder ob Ich etwa gar den Ort schon verlassen hätte. 8. Der Wirt aber sagte: „Der Herr des Lebens ist noch nicht fortgegangen! Er befindet Sich mit Seinen Jüngern irgendwo im Freien; wo aber, das kann ich euch nicht angeben, da Er schon eher diesen Saal verließ, als ich wach wurde. Es hatten aber einige Seiner Jünger Reisebündel bei sich, die ich noch in meiner Verwahrung habe, und das ist ein Zeichen, daß der Herr diesen Ort noch nicht verlassen hat, und ich glaube, daß Er bald wieder zurückkommen wird, indem das Morgenmahl bald vollends bereitet sein wird, darum Er sicher weiß. Gehet aber hinaus, und suchet Ihn auf; denn es lohnt sich da wohl der Mühe, den Herrn des Lebens aufzusuchen! Ich werde das selbst tun, sobald ich mit dem Ordnen dieses Tisches fertig sein werde. Mein geheilter Oberknecht hat das bereits getan.“ 9. Sagte der Pharisäer: „Was machen denn die zehn Gereinigten? Sind sie noch hier, oder sind sie schon weitergezogen?“ 10. Sagte der Wirt: „Oh, die sind schon mit dem Anbruch des Tages weitergezogen! Wohin, das wird auch der Herr am besten wissen!“ 11. Auf diese Worte verließen die beiden eiligst den Saal und gingen, daß sie Mich irgendwo träfen. Sie gingen durch den Markt und fragten einen und den andern Menschen, ob er Mich nicht gesehen habe; aber es wußte ihnen keiner einen Bescheid zu geben. 12. Am Ende des Marktes begegnete ihnen ein armes Kind, das eine Waise war. Das fragten sie auch, ob es Mich in Gesellschaft von mehreren Männern nicht irgendwohin habe gehen sehen. 13. Und das Kind sagte: „O ja! Seht, dort auf dem Hügel gen Kana zu sitzen die fremden Männer, – und einer muß gar etwas Hohes sein; denn er hat mir die Augen plötzlich geheilt! Ihr wisset es ja, daß ich von Geburt an völlig blind war, und wie mich meine arme Mutter täglich vor des Marktes Tor hinaussetzte, auf daß ich von den Menschen ein Almosen erbettelte!“ 14. Die beiden beschenkten das arme Kind reichlich und ließen es nun voll Freuden zu seiner Mutter ziehen, die das Kind bald ersah und ihm ganz erstaunt entgegeneilte und es um alles befragte. 15. Die beiden aber eilten darauf gleich dem Hügel zu und kamen gerade zu uns, als wir uns vom Boden aufrichteten, um in die Herberge zurückzukehren. 16. Als sie bei uns ankamen, da grüßten sie Mich auf das freundlichste und baten Mich, in Meiner Nähe sein zu dürfen. 17. Und Ich sagte: „So ihr das wollet, da bleibet! Wir aber werden nun auf einem andern Wege uns in die Herberge begeben und nicht durch den Markt ziehen. Denn Ich habe das blinde Mägdlein sehend gemacht; das wird dieses nun samt ihrer Mutter jedermann erzählen, und wenn wir nun durch den Markt zögen, würde alles Volk sich zu uns drängen, um Mich zu sehen und zu preisen, dem Ich nun vorbeugen will. Und so gehen wir!“ 18. Auf diese Meine Worte verließen wir eiligst den Hügel und begaben uns schleunigst auf einem kleinen Umwege in die Herberge. 19. Als wir in den Saal traten, wollte eben der Wirt Mich auch aufsuchen gehen, da er mit dem Ordnen des Tisches zu Ende gekommen war. Da wir aber ihm zuvorgekommen waren, so bat er Mich um Vergebung, daß er so saumselig gewesen sei. Ich aber beruhigte ihn und sagte, daß er nun das Morgenmahl solle auf den Tisch setzen lassen, was denn auch sogleich geschah. Wir setzten uns zu Tische und nahmen guten Mutes das wohlbereitete Mahl zu uns. 20. Während des Mahles ward auch die Heilung des blinden Mägdleins besprochen, worüber sich der Wirt überaus verwunderte und sogleich nach dem armen Mägdlein und nach seiner Mutter jemanden senden wollte. Ich aber riet ihm, das vorderhand des Aufsehens wegen bleibenzulassen; wenn Ich aber aus dem Orte sein werde, dann werde es schon Zeit zur Genüge geben, der Armen zu gedenken. Und der Wirt tat das. Kapitel 82 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 82. — Das Weinwunder und seine Folgen 1. Als der Wirt aber von Mir vernahm, daß Ich den Ort etwa bald verlassen möchte, da ward er traurig und sagte: „O Herr und Meister, Du wirst etwa doch nicht heute noch diesen Ort verlassen?“ 2. Sagte Ich: „Freund, es gibt noch gar viele Blinde und Taube im Herzen und in der Seele; zu denen muß Ich auch kommen und ihnen helfen. Wie es euch wohl tat, daß Ich zu euch kam, so wird es noch vielen wohl tun, wenn Ich zu ihnen kommen werde. Aber etwelche Stunden werde Ich dennoch in deinem Hause verweilen; und es wird sich in dieser Zeit noch so manches besprechen lassen. Laß uns aber nun noch einen frischen und reinen Wein auf den Tisch setzen!“ 3. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, einen frischeren, reineren und besseren Wein besitze ich in allen meinen Kellern nicht! Was wird da zu tun sein?“ 4. Sagte Ich: „Gehe du in den Keller, der sich unter diesem Saale befindet, da wirst du schon welchen finden!“ 5. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, da unter diesem Saale ist wohl ein alter Keller; aber es befinden sich darin weiter nichts als alte, nahezu unbrauchbar gewordene Kellergerätschaften, als Schläuche, Krüge und noch andere Gefäße. Von einem Weine ist darin keine Spur!“ 6. Sagte Ich: „Darum eben sollst du uns aus diesem Keller einen Wein bringen, auf daß du und alle, die in deinem Hause sich befinden, es noch mehr denn bisher merken sollen, daß derlei Dinge kein Essäer je zu bewirken imstande ist, wie der Schriftgelehrte bei sich noch meint!“ 7. Hierauf sagte der Wirt: „O Herr und Meister, dieser Meinung ist außer unserem Schriftweisen nun wohl kein Mensch mehr in meinem ganzen Hause! Ich glaube, daß in Dir die Fülle des Geistes Gottes wohnet körperlich! Dein Wille ist Sein Wille, und Dein Wort ist Sein Wort, und es ist darum alles, was Du sagst, eine ewige Wahrheit, Licht, Liebe, Leben und so gut wie ein vollbrachtes Werk. Und so glaube ich denn auch, daß sich nun in diesem alten Keller Wein befindet, und das sicher von der allerbesten Sorte!“ 8. Sagte Ich: „So gehe denn hinab, und bringe uns einen!“ 9. Hierauf nahm der Wirt zwei große Krüge, und ebenso auch der Oberknecht, gingen in den besagten Keller und fanden zu ihrem größten Erstaunen alle die alten Schläuche, bei hundertundfünfzig an der Zahl, alle Krüge und andern Gefäße, die sich nun alle in gutem Zustande befanden, voll des besten Weines. Beide kosteten den Wein und fanden ihn über alle Maßen gut und wohlschmeckend. Sie füllten die mitgenommenen vier Krüge und brachten den Wein auf den Tisch und füllten unsere schon leeren Becher. 10. Der Pharisäer war der erste, der seinen Becher bis auf den letzten Tropfen leerte und darauf zu seinem Gefährten, der sich nicht recht getraute, einen etwa zauberischen Wunderwein zu trinken, sagte: „Versuche auch du den Wein, auf daß auch du erkennest, daß das Glaubensbekenntnis unseres Wirtes ein wahres ist!“ 11. Da nahm der Schriftgelehrte denn auch seinen Becher, fing an, den Wein zu kosten, und da er ihm gar zu wohl schmeckte, so leerte auch er seinen Becher bis auf den letzten Tropfen. 12. Als er den Becher völlig geleert hatte, da sagte er (der Schriftgelehrte): „Wahrlich, dies ist eines jener Zeichen, das sich auf keine natürliche Art und Weise erklären läßt! Denn aller Art Kranke bloß durch einen überfesten Glauben und unbeugsamen Willen heilen, das ist nach alten Sagen und Traditionen unter den Menschen schon dagewesen; denn es gibt, wenn auch selten, hie und da noch gänzlich unverdorbene Menschen, die eine übergroße und ebenso starke Lebenskraft besitzen. Wenn derlei Menschen auf irgendeinen Kranken durch ihren Glauben und Willen einwirken wollen, so wird der Kranke wie von einem Lebensfeuerstrom durchdrungen und erfüllt und kann dadurch im Augenblick gesund werden, wie man um derlei Heilungen wohl so manches aus den alten Schriften beinahe aller uns bekannten Völker weiß. Also weiß man auch, daß es Menschen gegeben hat, die nach ihrem guten oder bösen Belieben am schönsten und heitersten Tage allerlei herzaubern und auch andere Dinge verrichten konnten, welche einem natürlichen Menschen wunderbar vorkommen mußten. Aber alte, leere Schläuche und andere Gefäße bloß durch den Willen erstens in einen brauchbaren Zustand setzen und sie dann aber auch mit dem reinsten, besten Weine füllen, das ist etwas, wovon alle Chroniken und alten Sagen nichts zu erzählen wissen. Und dieses Zeichen halte denn auch ich für ein übermenschliches, das ohne eine große Fülle wahrer göttlicher Kraft nicht zustande gebracht werden könnte, – und so fange nun denn auch ich an zu glauben, daß Du wahrhaft der Gesalbte Gottes bist!“ 13. Sagte Ich: „Da tust du wohl daran, so du das glaubst; aber in Mein Reich des Lebens werden die nicht völlig eingehen, die in ihrem Glauben zu Mir sagen werden: ,Herr, Herr und Meister!‘, sondern jene nur, die nach Meiner Lehre handeln und leben werden. Denn Meine Worte, so sie von einem Menschen tatsächlich erfüllt werden, sind Leben und Gotteskraft; aber bei Menschen, die die Worte wohl hören und sie auch im Gedächtnisse behalten, aber nicht danach handeln und leben, sind sie ohne Wirkung zum ewigen Leben der Seele, – wohl aber werden sie ihr gereichen zum Gerichte, das da ist der andere Tod im andern Leben. Ich habe es euch nun gesagt, auf daß sich niemand damit entschuldigen kann, als habe er das nicht gewußt!“ 14. Sagte darauf der Schriftgelehrte: „Herr und Meister, wir glauben das nun freilich wohl ganz leicht und sind durch Deine hier gewirkten Zeichen vollends überzeugt, daß Deine Worte volle Wahrheit sind; aber wodurch werden diejenigen von der Wahrheit überzeugt werden, die Deine Lehre von uns vernehmen werden, vor denen wir aber keine Zeichen als eine endgültige Bestätigung der in Deiner Lehre enthaltenen Wahrheit zu wirken werden imstande sein?“ Kapitel 83 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 83. — Vom Baum des Lebens und dem der Erkenntnis 1. Sagte Ich: „Erstens bleibt die Wahrheit auch ohne Zeichen eine und dieselbe Wahrheit, und wer nach ihr leben und handeln wird, der wird es schon in sich lebendigst innewerden, daß Meine Lehre Gottes- und nicht Menschenwort ist. 2. Und zweitens werden jene, die Meine Lehre vom Reiche Gottes im Menschen an andere übertragen werden und nicht pure Lehrer, sondern auch selbst Täter Meines Willens, der in Meiner Lehre klar enthalten ist, sein werden, in Meinem Namen auch Zeichen, und noch größere denn Ich Selbst, zu wirken imstande sein. 3. Aber als pure Lehrer und nicht Selbsttäter Meiner Lehre werden sie keine Zeichen zu wirken imstande sein; denn die Kraft, Zeichen zu wirken, geht nicht vom Verstande, sondern vom lebendigen Glauben und festen Tatwillen aus. Denn der Verstand des Gehirns ist ein totes Weltlicht des Menschen, das wohl niemals in die innersten Lebensregionen des Geistes und seiner Kraft dringen kann; aber der lebendige Glaube im Herzen ist das wahre Lebenslicht der Seele, das in ihr den Geist erweckt und ihn den ganzen Menschen durchdringen macht. Ist der Mensch aber von dem Geiste durchdrungen, so ist er auch durchdrungen von seiner alles vermögenden Kraft; und was dann der lebendige Geist, als ein Wesen mit der Seele, will, das geschieht, und es ist des Wille schon als ein vollbrachtes Werk da. 4. Es steht darum auch in der Schrift: Zwei Bäume hat Gott in den Garten des Lebens gesetzt, einen Baum des Lebens und einen Baum der Erkenntnis, und sagte zum Menschen: ,So du nur von dem Baume des Lebens die Früchte essen wirst, so wirst du auch leben; wirst du aber auch vom Baume der Erkenntnis die Früchte essen, bevor sie von Mir für dich gesegnet werden, dann wird der Tod über dich kommen, und du wirst sterben!‘ 5. Der Mensch aber, da er einen freiesten Willen hatte, ließ sich durch die Schlange seiner Begierde verlocken und aß eher noch auch von dem Baume der Erkenntnis, als er durch Glaubensreife im Herzen des Menschen wäre gesegnet worden, das heißt, er fing an, durch den Gehirnverstand den Geist Gottes und so den Geist des Lebens zu suchen und zu ergründen, und die Folge davon war, daß er sich dadurch von Gott nur stets mehr entfernte, anstatt sich Ihm mehr und mehr zu nahen. Und das war schon der Tod, das heißt der geistige des Menschen, und der ganze Mensch wurde kraftlos und verlor die Herrschaft über alle Dinge in der Naturwelt und ward dann genötigt, mit Hilfe des matten Schimmers seines Gehirnverstandes sich im Schweiße seines Angesichtes sein Nährbrot physisch und noch mehr geistig zu erarbeiten und zu erwerben. 6. Und siehe, so haben sich nun die Menschen bis auf diese Zeit von Gott und somit auch vom wahren inneren Leben so weit entfernt, daß sie beinahe an gar keinen Gott mehr glauben und somit auch an gar kein Fortleben der Seele nach dem Abfalle des Leibes. Und die noch mechanisch entweder an einen Gott oder im blindesten Aberglauben an viele Götter, den Heiden gleich, glauben, stellen sich Gott oder die Götter so endlos weit von ihnen entfernt vor, daß es ihnen am Ende unmöglich vorzukommen anfängt, als könnte sich ein Mensch dem von ihm so endlos ferne geglaubten Gott je nahen. 7. Und so nun Gott Selbst zu den Menschen in aller Fülle Seiner ewigen Macht und Kraft und mit aller Seiner Liebe und Weisheit körperlich gekommen ist, so erkennen sie das nicht und halten das in ihrer großen Blindheit und Dummheit für unmöglich, während bei Gott doch alle Dinge möglich sind. Und so halten sie Gott Selbst darum, weil Er Sich nun ihnen mit leiblichem Munde und nicht mit Blitz und Donner offenbart, für einen Gotteslästerer und bösen Aufwiegler des Volkes gegen Gott und gegen die Könige der Welt, die sich selbst für Götter halten und sich auch als solche von den Menschen ehren lassen. 8. Und siehe, das alles ist eine Folge davon, weil alle Menschen die tote Frucht vom Baume der Erkenntnis lieber gegessen haben als die lebendige und lebengebende vom Baume des Lebens.“ Kapitel 84 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 84. — „Adam, wo bist du?“ — eine wichtige Frage 1. (Der Herr): „Die Frage, welche Gott an den Adam stellte, als dieser schon von der verbotenen Frucht gegessen hatte, die also lautete: ,Adam (oder Mensch), wo bist du?‘ dauert noch immer fort und wird auch fortdauern bis ans Ende dieser Welt, solange es irgend Menschen geben wird, die da lieber vom Baume der Erkenntnis als vom Baume des Lebens essen werden. 2. Denn der Mensch, der von dem Baume der Erkenntnis ißt, der verliert nur zu bald Gott, sich und sein inneres Leben und weiß nicht mehr, wer er ist, warum er da ist, und was aus ihm werden soll. Da wird voll Angst und Furcht seine Seele und sucht in ihres Leibes Gehirnverstande die beruhigende und tröstliche Antwort auf ihre Frage: ,Mensch, wo bist du?‘ Aber da kommt stets dieselbe untröstliche Antwort: ,Du bist im Gerichte, welches der rechte Tod der Seele ist! Im Schweiße deines Angesichtes erwirb dir dein Brot!‘ 3. Was sollte denn die Seele im Gehirne finden? Nichts als innehaftende Bilder dieser Welt, die von dem, was des Geistes und des Lebens ist, alle um vieles ferner stehen wie sie selbst. Erkennt die Seele den ihr stets am allernächsten stehenden Geist des Lebens aus Gott nicht, wie wird sie dann erst dessen ihr oft endlos ferner stehenden Geist in den Abbildern der Welt in ihres Leibeskopfes Gehirn erkennen? 4. Aus dieser gänzlichen Verkehrtheit geht aber dann auch notwendig von selbst die noch größere Verkehrtheit hervor, in der sich die Seele Gottes Wesen stets entfernter und unerreichbarer vorstellt, und das so lange fort, bis sie dasselbe endlich gänzlich verliert und dann in Epikureismus oder in Zynismus übergeht. [Epikureismus = Genußsucht; Zynismus = bissig-pietätlose Gesinnung.] 5. In diesem Zustande, in welchem sich nun die meisten Priester aller Art und Gattung befinden, und nun zumeist die Pharisäer, die Ältesten und Schriftgelehrten und die Fürsten und Könige samt ihrem großen Anhange, erkennt die Seele keine Wahrheit mehr. Lüge gilt ihr so viel und mehr noch als die reinste Wahrheit, wenn sie aus ihr nur irgendeinen irdischen Vorteil ziehen kann; hindert sie irgendeine Wahrheit daran, so wird sie derselben feind und flieht oder verfolgt sie mit Feuer und Schwert. 6. In solchem Zustande der Seele gibt es für sie denn auch keine Sünde mehr, und ein Mensch, dem irgendeine weltliche Macht zu Gebote steht, tut dann, was ihm beliebt, und was seinen Sinnen schmeichelt, und wehe dem irgend Gerechten und in der Lebenswahrheit sich Befindenden, der zu einem solchen Mächtigen hinginge und zu ihm sagte: ,Warum bist du ein Feind der Wahrheit, und warum übst du die schreiendste Ungerechtigkeit unter den Menschen, die auf dieser Erde nichts Minderes sind denn du blinder Tor?‘ 7. Sehet euch aber nun in der Welt um, ob es sich nicht allenthalben also verhält! Und wer schuldet daran? Ich sage es euch: nichts anderes als das stets zunehmende Essen von dem Baume der Erkenntnis! 8. Ich bin nun Selbst in diese Welt zu den sich zu weit vom wahren Ziele des Lebens abgewandten Menschen körperlich gekommen und frage sie abermals: ,Adam, wo bist du?‘, und es weiß Mir keiner zu sagen, wo und wer er ist, – und Ich zeige ihnen nun von neuem wieder den Baum des Lebens und treibe sie an, von seinen Früchten zu essen und sich an ihnen zu sättigen. 9. Wahrlich sage Ich euch: Wer von dem Baume des Lebens essen wird, der wird auch zum wahren Leben des Geistes aus Mir gelangen, und es wird ihn dann nimmer hungern und gelüsten, von dem Baume des Todes zu essen! Denn wer sich einmal im Leben des Geistes aus Mir befindet, der befindet sich auch in aller Weisheit desselben; und durch diese wird der Baum der Erkenntnis erst gesegnet, und die Seele wird dann in einem Augenblick mehr erkennen denn durch ihr äußeres und eitles Verstandesforschen in tausend Jahren. 10. Wenn ihr euch aber im Zustande des wahren Lebens befinden werdet, so werdet ihr in Meinem Namen auch Zeichen zu wirken imstande sein und also jedermann ein Zeugnis geben können von der Wahrheit Meiner Lehre, so es nötig sein wird. – Hast du, schriftgelehrter Freund, das nun wohl verstanden?“ Kapitel 85 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 85. — Der Herr über Seine Menschwerdung 1. Sagte der Schriftgelehrte: „Ja, Herr und Meister; aber ich stehe nun auch wie völlig vernichtet da vor Dir! Denn was ist der Mensch vor Dir?“ 2. Sagte Ich: „Da sieh du Meine Jünger an! Die sind schon über zwei Jahre stets um Mich und kennen Mich sicher um gar vieles tiefer denn du nun; aber es ist darum noch keiner vernichtet vor Mir gestanden. 3. Es ward wohl Moses gesagt, als er verlangte, Jehovas Angesicht zu schauen: ,Gott kann niemand sehen und dabei erhalten sein Leben‘, das heißt das Leben des Leibes. Damals aber war nur von Gottes ewigem Geiste die Rede, indem Gott in jener Zeit noch kein Fleisch angenommen hatte, weil dazu die Zeit nach Seiner ewigen Ordnung noch nicht da war. 4. Nun aber hat nach der Weissagung der Propheten Jehova das Fleisch der Menschen dieser Erde angenommen und dadurch zwischen Sich als dem urewigen Geiste und den Menschen eine Schutzwand gestellt, auf daß sie unbeschadet ihres Lebens Ihn sehen, berühren, hören und sprechen können, und es hat sich da niemand zu fürchten, daß er durch Meine sichtbare Gegenwart irgend vernichtet werde. 5. Es war zwischen Mir und euch Menschen wohl eine endlose Kluft, vermöge der sich Mir auch nicht einmal der allervollkommenste Engelsgeist hätte nahen können; aber nun ist über die besagte Kluft eine Brücke gebaut, und diese heißt die Liebe zu Mir von eurer Seite, so wie Ich Meinerseits aus Meiner ewig großen, über alles mächtigen Liebe zu euch Menschen Selbst Mensch mit Fleisch und Blut geworden bin und habe auch eure Schwächen angenommen, auf daß Ich kein ewig ferner Gott, sondern ein vollends naher und leicht erreichbarer Vater, Freund und Bruder sein und nach dem Maße eurer Liebe zu Mir werden und bleiben kann. 6. Wenn die Sache zwischen Mir und euch Menschen sich nun aber also verhält und somit ganz anders als zu den Zeiten Mosis, so kann da niemand sagen, daß er irgend von Meiner göttlichen Hoheit und Majestät, die wohl in Mir in aller Fülle wohnt, vernichtet werde, da Ich ja Selbst von ganzem Herzen sanftmütig und demütig und voll der höchsten Geduld und Langmut, Liebe und Erbarmung bin. Und so sei du voll guten Mutes und habe keine eitle Furcht vor Mir, der Ich dich schon gar lange zuvor geliebt habe, als du noch warst!“ 7. Sagte nun mit mehr Mut und Selbstgefühl der Schriftgelehrte: „Aber Herr und Meister, wie kannst Du mich denn eher geliebt haben, als ich noch war?“ 8. Sagte Ich: „Ohne Meine Liebe wäre nie weder eine Welt und also auch kein Mensch ins Dasein gekommen. Es ist somit alles, was der endlose Schöpfungsraum faßt, Meine durch Meinen Willen verkörperte Liebe, und somit sicher auch du. 9. Meine Liebe aber ist ewig und sonach im Grunde des Grundes auch alles, was aus ihr hervorging, nun hervorgeht und ewig hervorgehen wird. 10. Der lebendige Geist im Menschen ist eben Meine ewige Liebe und Weisheit, die alles schafft, ordnet und erhält; und dieser Geist ist der eigentliche wahre und in sich schon ewige Mensch im Menschen, der sich aber nach Meiner ewigen Ordnung in ihm erst mit der Zeit, der Selbständigwerdung halber, mit Seele und Leib umkleidet und so in eine äußerlich beschauliche Form tritt. 11. Wenn aber also und unmöglich anders, so wirst du nun wohl einsehen, daß Ich dich ewig lange zuvor geliebt habe, als du noch das warst, was du nun bist! Du bist nun ein von Mir wie losgetrenntes Lebensfünkchen Meiner Liebe und kannst selbst zu einer Mir ähnlichen, großen und selbständigen Liebesflamme werden, dadurch, daß du Mich über alles liebst und deinen dir völlig ähnlichen Nächsten wie dich selbst. Bist du aber das und wirst du Mich denn auch also lieben, so wirst du bald in dir selbst einsehen, wie Ich als die ewige Liebe alles in allem bin und wieder alles in Mir ist. – Verstehest du nun das?“ Kapitel 86 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 86. — Von der wahren Gottesfurcht 1. Sagte der Schriftgelehrte: „Es gemahnet mich leise im Herzen, als verstünde ich das wohl; aber in meinem Kopfe menget sich nun alles bunt durcheinander, und ich sehe es nun ein, daß derlei Dinge nur im Herzen der Seele, aber niemals mit dem Gehirnverstande begriffen werden können. Aber Moses hat befohlen, Gott zu fürchten und Ihn allein allzeit anzubeten! Soll ich Dich nun nicht mehr fürchten und Dich nach der vorgeschriebenen Weise anbeten?“ 2. Sagte Ich: „Ja, ja, das hat Moses wohl anbefohlen, und es war denn auch wohl recht also; aber in dieser Zeit versteht auch nicht einer mehr, was ,Gott fürchten‘ heißt, und ihr Priester habt den Menschen teils infolge eurer eigenen Blindheit und zum größten Teile aber aus eurer unersättlichen Gewinnsucht ganz falsche und gänzlich verkehrte Begriffe von der Gottesfurcht beigebracht, und so fürchten die noch ein wenig an einen Gott glaubenden schwachen Menschen Gott wie einen bösen, aller Liebe und Erbarmung baren und allerunerbittlichsten Tyrannen und schaudern bei dem Worte und Begriffe ,Gott‘ zurück, weil sie in Ihm nahezu nichts denn einen ewigen Zorn und eine ewige Rache erblicken. 3. Es heißt aber auch, daß der Mensch Gott anbeten und über alles lieben soll. Wie kann man aber ein Gottwesen lieben und dadurch auch am wahrsten anbeten, vor dessen Namen man schon ärger erbebt als vor dem Tode? 4. Du wirst aus dem nun wohl einsehen, welch einen unwahren und im höchsten Grade verkehrten Begriff ihr und durch euch die andern Menschen von der Gottesfurcht habt. 5. Was heißt denn ,Gott fürchten?‘ Gott fürchten heißt: Gott als die ewige, höchste und reinste Liebe über alles lieben und, weil Gott die höchste Wahrheit ist, in der göttlichen Wahrheit verharren und nicht der Lüge der Welt des materiellen Eigennutzes wegen huldigen. 6. Wer in allem wahrhaft ist, der hat die wahre Gottesfurcht im Herzen; und wer diese hat, der betet Gott auch allzeit und vollgültig an. Denn wie die Lüge eine größte Verunehrung Gottes ist, so ist die reine und lebendige Wahrheit auch eine allzeitige und höchste Verehrung und wahrste Anbetung Gottes. – Verstehest du nun das?“ 7. Sagte der Schriftgelehrte: „Ja, Herr und Meister, das verstehe ich nun für mich wohl und sehe es ein, daß sich diese Sache gar nie anders verhalten kann; aber es wird nun eben nicht so leicht sein, diese Wahrheit auch den andern Menschen begreiflich zu machen, weil sie sich schon zu sehr in allerlei Irrtümern begründet haben und die Lüge für eine Wahrheit halten. Zu dem kommt noch der Tempel mit seinen Vorschriften, was und wie wir vor dem Volke zu reden haben. Und so wird es wohl schwer werden, in der Folge einen rechten Volkslehrer abzugeben. Doch jedem Siege muß ein Kampf vorausgehen! Du als der Herr Selbst hast uns die Wahrheit enthüllt, und Du wirst uns auch behilflich sein im Kampfe gegen die Feinde der Wahrheit, darum wir Dich nun bitten und auch allzeit bitten werden; denn ohne Deine allzeitige Hilfe werden wir nichts vermögen. 8. Es fragt sich aber nun, wie wir Dich zu bitten haben, auf daß Du uns erhörest und uns hilfst. So wir Dich nun in Deiner Gegenwart um etwas Rechtes bitten, so erhörst Du denn auch bald und leicht unsere Bitte; aber wie dann, so Du persönlich nicht also gegenwärtig bist wie jetzt? Wie haben wir dann zu bitten?“ 9. Sagte Ich: „Diese Deine Frage sieht wohl noch ganz pharisäisch aus! So du lebendig an Mich glaubest, so wird dir auch allzeit werden, was du den Vater in Mir in Meinem Namen bitten wirst, und dazu bedarf es Meiner persönlich sichtbaren Gegenwart nicht, da Ich im Geiste überall gegenwärtig bin und alles sehe und höre und um alles vom Größten bis zum Kleinsten auf das allergenaueste und klarste weiß. 10. So du denn im Geiste und in der vollen Wahrheit Mich um etwas bitten wirst, so werde Ich dich sicher auch hören und erhören; aber eine Bitte, wie sie mit den Lippen in rätselhaften Worten bei euch gang und gäbe ist, erhöre Ich nicht. 11. Weißt du als ein Schriftgelehrter ja doch auch, was Gott durch den Mund eines Propheten zu dem Volke geredet hat, als dieser der damaligen Bedrängnisse wegen sich dahin zu Ihm gewendet hatte, daß Er die Bitten desselben erhören möchte: ,Ich kenne dich und das Volk, das Mich mit den Lippen ehrt und bittet, – sein Herz aber ist ferne von Mir!‘ Sieh, also wird auch von nun an kein pures Lippengebet, und am allerwenigsten ein bezahltes, je erhört werden! 12. Wer aber voll lebendigen Glaubens im Herzen Mich um etwas Rechtes bitten wird, dem wird auch werden, um was er gebeten hat. 13. Wer aber in Meinem Namen nach Meiner Lehre lebt und handelt der betet wahrhaft ohne Unterlaß, und es wird ihm darum auch allzeit gegeben werden, wessen er bedarf.“ 14. Sagte der Schriftgelehrte: „O Herr und Meister, ich danke Dir im Herzen für diese Deine trostvolle Belehrung, und ich glaube nun, daß dem recht nach Deinem nun laut ausgesprochenen Willen Bittenden auch das zuteil wird, um was er bittet.“ Kapitel 87 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 87. — Die Übung im Glauben und Vertrauen 1. Sagten darauf einige Meiner Jünger: „Herr, es wäre schon alles recht, so der Mensch in dieser Welt keinen Versuchungen zur Begehung einer Sünde ausgesetzt wäre! Wenn der Mensch irgend in einer schwachen Stunde dann doch sehr leicht möglicher Weise eine oder die andere Sünde begeht, so wird er dadurch in seinem Vertrauen und Glauben schon geschwächt; und so er auch die begangene Sünde bereut und irgendeinen durch sie verursachten Schaden völlig gutgemacht hat, so bleibt doch eine Scheu in der Seele, vermöge der er sich nicht so glaubensvoll zu Dir zu wenden getraut, als hätte er nicht gesündigt. 2. Was soll dann solch ein Mensch tun, um Dich also um etwas zu bitten, daß er es voll glaubete, daß Du ihn erhören werdest?“ 3. Sagte Ich: „Der soll wissen, daß Ich erstens kein zorniger und rachgieriger, sondern ein geduldiger und liebevollst sanftmütiger Gott bin, wie das schon durch den Mund der Propheten ist gesagt worden und Ich nun zu allen Sündern rufe: Kommet alle zu Mir, die ihr mühselig und mit Sünden belastet seid; denn Ich will euch alle erquicken! 4. Und zweitens sollen sich die Menschen im wahren Beten allzeit üben und darin nicht laß werden; denn ein rechtes und festes Vertrauen wird dem Menschen auch durch eine rechte Übung eigen, die noch stets dem Jünger in was immer für einem Fache zur Meisterschaft verholfen hat. 5. Ein mit allen diesirdischen Gütern wohlversehener Mensch verlernt leicht das wahre und glaubensvolle Beten. Kommt endlich einmal eine Not über ihn, so fängt er wohl auch an, durchs Beten bei Gott Hilfe zu suchen; aber er hat bei sich zu wenig Vertrauen dahin, daß er bei Gott werde Erhörung finden, und der Grund liegt offenbar im Mangel an der Übung des lebendig vollen Vertrauens zu Gott. 6. Wodurch aber kann der Mensch sein Vertrauen zu Gott wohl besser kräftigen als durch die Übung, bestehend im Beten und Bitten ohne Unterlaß? Worin aber hauptsächlich das Beten und Bitten ohne Unterlaß besteht, habe Ich euch schon gezeigt.“ 7. Hier sahen die Jünger einander an, und Andreas sagte: „Herr, ich erinnere mich noch gar wohl an das Bild, das Du uns bei einer ähnlichen Gelegenheit zeigtest, in dem von einem unverschämten Bettler in der Nachtzeit die Rede war, dem der Hausherr am Ende doch um die Mitte der Nacht Brot zum Fenster hinaus gab, mehr um vor dem weiteren Jammern und Geilen Ruhe zu haben, als aus wahrer Barmherzigkeit. 8. Ich habe so bei mir selbst über dieses etwas sonderbare Bild wohl schon recht oft nachgedacht, konnte es aber mit Deiner höchsten Liebe und Erbarmung noch nicht in eine rechte Vereinigung bringen. Aber nun erst fängt mir die Sache klarer zu werden an, wo Du jetzt von dem Beten und Bitten ohne Unterlaß und auch von der Übung im Glauben und Vertrauen zu Dir geredet hast. 9. Durch das Bitten in der Mitternacht ums Brot hast Du sicher wohl auch das Üben im Glauben und Vertrauen zu Dir bezeichnet, indem Du durch den anfangs auch etwas harthörigen Hausvater Dich Selbst und durch den Bettler aber uns Menschen so darstelltest, wie wir vom Beten und Bitten nicht abstehen sollen, wenn wir bei Dir auch nicht alsogleich Erhörung finden. 10. Du Selbst willst es also, daß wir Dir durch unser unablässiges Beten und Bitten ordentlich lästig werden müssen, bevor Du uns erhörest, denn dadurch willst Du unser Vertrauen zu Dir in einer steten und weiterschreitenden Übung erhalten, durch die wir endlich zu jener Stärke gelangen können, durch die wir in unseren eigenen Tag des Lebens, welcher da ist Dein Reich in uns, gelangen, im selben jede Hilfe und Kraft als in Deinem Geiste und Willen im Herzen unserer Seele als Deine Kinder selbst tragen und fürder nicht nötig haben sollen, Dir beständig durch Betteln in der Nacht unseres Lebens lästig zu werden. Denn der Mensch muß nun in seiner Lebensnachtschwäche Hilfe suchen; ist er einmal durch Deine Gnade selbst stark und mächtig geworden, so kann er sich selbst helfen! – Herr, habe ich Dein damals aufgestelltes Bild wohl der Wahrheit gemäß verstanden?“ Kapitel 88 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 88. — Die Wirkung des Bittens ohne Unterlaß. Das Gleichnis von der bedrängten Witwe und dem harten Richter (Luk. 18,1-8) 1. Sagte Ich: „Du hast das Bild ganz richtig und wohl und wahr aufgefaßt, und es war ganz am rechten Platz, daß du es mit wenigen Worten hier wieder zum Vorschein gebracht hast. Auf daß aber allda ein jeder das von dir angezogene Bild noch klarer verstehe nach dem Urteil der eigenen Vernunft, so will Ich, da uns noch die Zeit günstig ist, euch ein anderes Bild geben, in dem ihr noch klarer ersehen sollet, wie ein rechter Mensch im Beten und Bitten nicht laß werden soll, so er in sich zur wahren Kraft Meines Reiches in sich gelangen will. Und so höret denn! (Luk.18,1) 2. Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich auch vor keinem Menschen. (Luk.18,2) Es war aber auch eine Witwe in derselben Stadt; die kam zu ihm und sprach: ,O du gerechter Richter, rette mich vor meinem Widersacher; denn siehe, so und so stehen die Sachen völlig gerecht auf meiner Seite!‘ (Luk.18,3) 3. Der gerechte Richter sah das wohl auf den ersten Blick ein; aber er war nicht gelaunt und wollte der Witwe Prozeß nicht annehmen. Die Witwe aber ließ nicht nach, kam zu wiederholten Malen zum Richter und bat ihn auf den Knien, sich ihrer anzunehmen. 4. Da dachte der Richter bei sich selbst: ,Was will ich da machen? Ob ich mich schon vor Gott nicht fürchte und auch keinen Menschen scheue, – da mir diese Witwe nun schon so viele Mühe macht, so will ich sie retten, auf daß sie am Ende nicht noch zu öfteren Malen wiederkommt und mich mit ihren Bitten vollends betäubt!‘ (Luk.18,4.5) 5. Habt ihr aus diesem Bilde wohl vernommen, was der Richter gesprochen und auch getan hat? Wenn aber schon ein nach dem Gesetze streng gerecht richtender Richter das anhaltende Bitten einer bedrängten Witwe wohl erhört und ihr hilft, sollte dann Gott nicht noch eher Seine Auserwählten retten, die Tag und Nacht zu Ihm rufen, und sollte Er etwa weniger Geduld und Liebe mit und zu ihnen haben, als solches der Richter mit und zu der Witwe hatte? (Luk.18,6.7) 6. Wahrlich sage Ich euch, Er wird sie erhören und erretten in Kürze, und das nun in dieser Zeit, wie auch in der fernen, allwann Er als Menschensohn, wie nun, auf diese Erde wiederkommen wird! 7. Aber so in jener Zeit des Menschen Sohn in diese Welt wiederkommen wird, meinet ihr wohl, daß Er Glauben finden werde?“ (Luk.18,8) 8. Sagte Andreas: „Herr und Meister, da ich schon früher geredet habe, so will ich auch diesmal weiter reden, so Du mir das gestatten wollest!“ 9. Sagte Ich: „Rede nun du nur immerhin; denn dir ist eigen dazu Vernunft und Mut und Mund!“ 10. Sagte darauf Andreas: „Was das Bild selbst anbelangt, so besagt es völlig dasselbe, was das von mir ehedem wiedererzählte Bild von dem Hausherrn und von dem Brotbettler in der Nacht besagt hat; nur ist die Stellung Gottes gegenüber den bei Ihm Hilfe suchenden Weltmenschen in ihrer Lebensnachtbedrängnis noch entschiedener bezeichnet als in dem andern von mir wiedererzählten Bilde. Denn da steht Gott gewisserart außer allem Verbande bloß als ein gerechter Richter da, der den Bedrängten wohl allzeit helfen kann, wenn Er das will; Er hilft ihnen aber auch, aber erst dann, wenn sie Ihm durch ihre unaufhörlichen Bitten ordentlich lästig geworden sind. 11. Aber auch hier handelt es sich pur um die Übung im Glauben und Vertrauen; ist dieses einmal zu einer gewissen unbeugsamen Kraft gelangt, so ist die Erhörung und die Hilfe auch schon da. 12. Der Nachsatz, in dem Du sagtest, daß Gott Seine Auserwählten, die schon in der Kraft des Glaubens und Vertrauens stehen, sicher als ein liebevollster Vater wohl noch eher erhören werde, so sie an ihrem schon erreichten inneren Lebenstage, wie in ihrer noch so dann und wann leicht möglich zurückkehrenden Nacht zu Ihm um Hilfe rufen, stellt Dich nicht mehr als einen schwer erbittlichen Weltrichter, der als Selbstgott einen Gott nicht zu fürchten und ebenso keinen Menschen zu scheuen hat, sondern als den Vater derer dar, die sich schon im inneren Lebenstage befinden. Ich habe die Sache also aufgefaßt und bin der Meinung, mich nicht geirrt zu haben. 13. Wir alle aber stehen nun noch nicht schon völlig im inneren Lebenstage, sondern teilweise auch mitunter noch sehr in unserer alten Lebensnacht und haben Dich noch um gar vieles zu bitten, um uns dadurch im Glauben und Vertrauen zu üben und dadurch zu stärken; aber Du hast uns eine sichere und baldige Errettung verheißen, und wir glauben auch ungezweifelt fest, daß jede Deiner Verheißungen in Erfüllung gehen wird. 14. Aber Du sagtest uns abermals von einer zweiten Ankunft auf dieser Erde und stelltest am Ende die Frage auf, ob Du dann unter den Menschen auch wohl Glauben finden werdest. 15. Nun, diese Frage Dir zu beantworten, steht wohl noch gänzlich und weit außer dem Bereiche dessen, was uns zu erörtern möglich ist, daher ich Dir darauf auch keine Antwort geben kann. Du Selbst aber wirst das wohl am besten wissen, wie es in der noch fernen Zukunft mit dem Glauben der Menschen stehen wird, und so Du es willst, da kannst Du es uns noch näher bezeichnen, als Du uns das bei mehreren andern Gelegenheiten schon bezeichnet hast.“ 16. Sagte Ich: „Du hast dies heutige Bild auch ganz wahr, wohl und gut aufgefaßt und hast dadurch Meinem Herzen eine rechte Freude gemacht. So ihr alle auch also tuet, da wird die volle Errettung eurer Seelen vom Joche der Materie dieser Welt und ihren Anreizungen auch wahrlich nimmer lange auf sich warten lassen.“ Kapitel 89 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 89. — Der zukünftige Glaubenszustand 1. (Der Herr): „Was aber Meine Frage nach dem Stande des Glaubens bei den Menschen in der noch fernen Zukunft betrifft, so des Menschen Sohn wieder auf diese Erde auf die euch schon zu öfteren Malen angezeigte Art und Weise kommen wird, so sage Ich euch, daß Er im ganzen noch weniger lebendigen Glauben finden wird denn jetzt. Denn in jenen Zeiten werden es die Menschen größtenteils durch das unermüdliche Forschen und Rechnen unter den Zweigen und weit ausgebreiteten Ästen des Baumes der Erkenntnis in vielen Wissenschaften und Künsten gar sehr weit bringen und werden mit allen in der Natur der Erde jetzt den Menschen noch ganz verborgenen Kräften Wunderbares zustande bringen und werden auch sagen: ,Sehet, das ist Gott, – sonst gibt es keinen!‘ 2. Der Glaube dieser Menschen wird demnach so gut wie gar keiner mehr sein. Also bei diesen Menschen werde Ich in Meiner Wiederkunft keinen Glauben mehr finden! 3. Ein anderer, auch großer Teil der Menschen aber wird sich in einem noch um vieles dickeren und finsteren abgöttischen Aberglauben befinden, als jetzt alle Heiden auf der ganzen Erde sich befinden. Diese werden ihre Lehrer, Vertreter und Beschützer haben in den dermaligen Großen und Mächtigen der Erde eine geraume Zeit; aber die mit allen Wissenschaften und Künsten wohlausgerüsteten Kinder der Welt werden den finstersten Aberglauben mit aller Gewalt unterdrücken und dadurch die Großen und Mächtigen der Erde in eine übergroße Verlegenheit setzen, weil durch die Wissenschaftler und Künstler aller Art und Gattung das gemeine und lange mit aller Gewalt in aller Blindheit gehaltene Volk einzusehen anfangen wird, daß es nur des Weltruhmes und Wohllebens der Großen und Mächtigen wegen, die selbst keinen Glauben hatten, in der harten Knechtschaft gehalten worden ist. Und so Ich dann kommen werde, so werde Ich auch bei diesen keinen Glauben finden. 4. In der Zeit der großen Finsternis würde Ich bei ihnen keinen Glauben finden können, weil sie die dümmsten und allerblindesten Knechte ihrer Beherrscher waren, die bei sich gar wohl einsahen, wozu die gänzlich Blinden gut zu gebrauchen sind, und daß die Sehenden sich das niemals gefallen lassen würden wie die gänzlich Blinden. Sind die Blinden aber einmal durch die Wissenschaftler und Künstler auch sehend geworden, so sind sie Anhänger derer geworden, die sie zum größten Teil von der harten Knechtschaft der Großen und Mächtigen frei gemacht haben; und so Ich da kommen würde und sagen: ,Höret, ihr Völker der Erde, Ich bin nun wieder zu euch gekommen und will euch von neuem zeigen die rechten Wege zum ewigen Leben eurer Seelen!‘, – was werden die jedes Glaubens baren Menschen dazu sagen? 5. Sie werden Mir zur Antwort geben: ,Freund, wer du auch seist, laß ab von der alten, verbrauchten und glücklicherweise verrauchten Dummheit, für die seit den Zeiten ihrer ersten Entstehung viele Ströme oft des allerunschuldigsten Blutes geflossen sind! Ist der sogenannte gute Vater im Himmel, den wir nicht kennen und nun auch gar keine Sehnsucht mehr nach Ihm haben, gar ein so großer Blutfreund, so kann Er Sich ja leicht den großen Ozean in Blut umwandeln und sich daran höchlichst ergötzen, aber wir brauchen von solch einer Lebenslehre nichts mehr, die statt des verheißenen Gottesreiches nur die allerbarste Hölle unter die Menschen auf die ohnehin magere Erde gebracht hat. Wir halten uns nun an die Wissenschaften und Künste aller Art und Gattung und leben dabei in Frieden und Ruhe, wenn zuversichtlich auch nur zeitlich; denn uns ist nun ein gewisses zeitliches, aber friedliches und ruhiges Leben um gar vieles lieber als ein durch unzähliges Leiden und durch viele Ströme unschuldig geflossenen Blutes erkaufter und dabei doch in Zweifel gezogener Himmel mit allen seinen schönen Seligkeiten!‘ 6. Bei solcher Sprache der einstigen Menschen wird Meine Frage, ob Ich bei Meiner Wiederkunft auf die Erde einen Glauben finden werde, wohl sehr zu rechtfertigen sein! 7. ,Aber‘, saget ihr nun in euch, ,ja, wer wohl wird daran der Schuldträger sein? Etwa die Hölle? Herr, so vertilge sie! Oder etwa die falschen, eigennützigen Propheten, unter deren Deckmantel dann auch bald allerlei Große und Mächtige wie die Pilze aus der feuchten Erde zum Vorschein kommen werden und die Erde mit Krieg nach allen Richtungen überziehen und die Menschen quälen werden? Herr, so laß die falschen Propheten in Deinem Namen niemals aufkommen! Willst Du Selbst es aber also haben, so muß es Dir auch recht sein, wenn Du bei Deiner abermaligen Wiederkunft auf diese Erde unter den Menschen keinen Glauben mehr findest!‘ 8. Ich aber sage hierzu: Die kurzsichtige Menschenvernunft urteilt da freilich nach ihrer Einsicht ganz richtig, und es läßt sich von der diesweltlich-menschlichen Seite eben nicht gar zu vieles dagegen einwenden; aber Gott, als der Schöpfer und ewige Erhalter aller Dinge und Wesen, hat da wieder ganz andere Ansichten und Pläne mit allem, was Er aus Sich erschaffen hat, – und so weiß Er es auch am allerbesten, warum Er dies und jenes unter den Menschen auf dieser Erde zuläßt. 9. Am Ende erst wird aller Aberglaube mit den Waffen der Wissenschaften und der Künste vom Boden der Erde hinweggeräumt werden, wobei aber dennoch kein Mensch in seinem freien Willen nur im geringsten beirrt wird. 10. Dadurch wird mit der Zeit wohl eine volle Glaubensleere unter den Menschen sein; aber es wird ein solcher Zustand nur eine höchst kurze Zeit dauern. 11. In jener Zeit erst will Ich den alten Baum der Erkenntnis segnen, und es wird durch ihn der Baum des Lebens im Menschen wieder zu seiner alten Kraft gelangen, und so wird es dann nur mehr einen Hirten und eine Herde geben! 12. Wer das nun verstanden hat, der wird auch Meine Frage verstehen, ob Ich in jener Zeit wohl einen Glauben, wie jetzt, auf der Erde finden werde. Solch einen Glauben, wie jetzt, werde Ich in jenen künftigen Zeiten wohl sicher nimmer finden, – aber einen andern! Worin er aber bestehen wird, davon könnet ihr euch jetzt wohl keine Vorstellung machen; aber dessenungeachtet wird es dereinst dennoch so kommen, wie Ich es euch nun zum voraus gesagt habe!“ Kapitel 90 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 90. — Von der neuen Zeit 1. Sagte nun einer aus der Zahl der sogenannten Judgriechen: „Herr und Meister, wird denn mit Deiner abermaligen Ankunft auf dieser Erde den Menschen auch eine Lehre gegeben werden? Wenn Du ihnen wieder mit dieser Lehre kommen wirst, so werden sie dann ja auch sagen: ,Oh, bleibe uns vom Halse mit dieser Lehre, die so viel Unheil auf der Erde angerichtet hat!‘“ 2. Sagte Ich: „Freund, die Lehre, die Ich euch nun gebe, ist Gottes Wort und bleibt ewig, und darum werden jene Menschen, von denen hier die Rede ist, auch nur diese Lehre von Mir überkommen, die ihr von Mir überkommen habt; aber in jenen Zeiten wird sie ihnen nicht verhüllt, sondern völlig dem himmlischen und geistigen Sinne nach enthüllt gegeben werden, und darin wird das neue Jerusalem bestehen, das aus den Himmeln auf diese Erde herniederkommen wird. In seinem Lichte wird den Menschen erst klar werden, wie sehr ihre Vorgänger von den falschen Propheten, gleichwie die Juden nun von den Pharisäern, hintergangen und betrogen worden sind. 3. Sie werden dann nicht mehr Mir und Meiner Lehre die Schuld an all dem vielen Unheil auf der Erde in die Schuhe schieben, sondern den höchst selbst- und herrschsüchtigen falschen Lehrern und Propheten, die sie schon im Lichte ihrer Wissenschaften und vielen Künste nur zu genau werden erkannt haben, wessen Geistes Kinder sie waren. 4. Wenn aber das hellste Licht des neuen Jerusalems über die ganze Erde scheinen wird, dann werden die Lügner und Betrüger völlig enthüllt werden und der Lohn für ihre Arbeit wird ihnen gegeben werden. Je höher von ihnen sich jemand zu stehen dünken wird, desto tiefer wird auch sein Fall sein. Darum hütet euch schon jetzt vor den falschen Propheten! – Habt ihr das nun wohl auch verstanden?“ 5. Sagten darauf auch Meine anderen Jünger: „Herr und Meister, warum gibst Du uns denn Deine Lehre nicht auch schon enthüllt also, wie Du sie dereinst in der fernen Zukunft den bezeichneten Wissenschaftlern und Künstlern aller Art und Gattung geben wirst? Solch ein neues Jerusalem täte den Menschen jetzt auch not!“ 6. Sagte Ich: „Ich hätte euch noch gar vieles zu sagen und zu enthüllen, aber ihr alle könntet das noch nicht ertragen; wenn aber der Geist der Wahrheit aus Mir über euch kommen wird, so wird er euch in alle Wahrheit und Weisheit leiten, und ihr werdet euch dann schon völlig im Lichte des neuen Jerusalems befinden. 7. Ob ihr aber dann auch imstande sein werdet, das Licht an eure Jünger übergehen zu lassen, das ist eine Frage, die ihr schwer beantworten werdet, vorausgesetzt, daß ihr das begreifet und einsehet, daß erstens aller Unterricht gewisserart an Kinder zu ergehen hat, und daß er ein mehr freier denn ein zwingender sein muß, und zweitens, daß man von niemandem verlangen kann, die Schrift zu lesen, so ihm die Buchstaben unbekannt sind. 8. Ihr könnet es nun noch gar nicht ahnen, zu welch großen und vieles umfassenden Wissenschaften und Künsten es dereinst die Menschen bringen werden, und wie sehr dadurch aller Aberglaube unter den Menschen gelichtet werden wird. Wo in der ganzen Welt aber ist nun wohl eine Rede von einer auf den Grundsätzen der wohlberechneten Wahrheit stehenden reinen Wissenschaft, und wo von einer durch solche Wissenschaft berechneten Kunst? 9. Wo es nun unter den Menschen auch noch eine Wissenschaft und eine von ihr abgeleitete Kunst gibt, so sind dabei auch stets über drei Vierteile blinder Aberglaube. Auf solch eine faule Frucht von dem noch ungesegneten Baume der Erkenntnis aber läßt sich keine höhere Himmelswahrheit stellen; und wollet ihr sie darauf stellen, so wird darauf eine Frucht zum Vorschein kommen, die man wohl den Drachen zum Fraße vorwerfen, aber nicht den Menschen zur Nahrung geben könnte. 10. Und sehet, und merket es wohl! Aus derlei Früchten werden auch die falschen Propheten mit all ihren Irrlehren und falschen Wunderzeichen hervorgehen und mehr denn drei Vierteile der Erde verderben. Denn so man sich bemühen wird, Meine reinste Wahrheitslehre mit den nun unter den Menschen bestehenden, mit allerlei Aberglauben untermengten Wissenschaften und wenig sagenden und leistenden Künsten in der Meinung zu vereinen, daß sie dadurch für die Menschen um so leichter annehmbar würde, so wird man, leicht von selbst verständlich, Meine Lehre stets mehr und mehr verunreinen, und die Wissenschaften und Künste, die voll Aberglauben sind, werden dadurch noch tiefer in die alte Nacht hinabsinken, als sie seit Anbeginn der Menschen jemals gesunken sind. Sie werden am Ende eine Zeitlang bloß nur zu einem Eigentum der falschen Propheten werden, damit diese mit ihrer Hilfe desto leichter und umfangreicher das blindgehaltene Volk für sich gewinnen werden können. 11. Aber es wird das nicht also verbleiben; denn zur rechten Zeit werde Ich Menschen erwecken für die reinen Wissenschaften und Künste, und diese werden es den Menschen von den Dächern herab verkünden, wie die Diener Balaams ihre Wunder bewirkt haben. Dadurch wird die reine Wissenschaft in allen Dingen und auch die reinen Künste zu einem unbesiegbaren Vorläufer und Vorkämpfer für Mich gegen den alten Aberglauben werden; und so durch sie der Augiasstall wird gereinigt sein, dann werde Ich ein leichtes und wirksamstes Wiederkommen auf dieser Erde haben. Denn mit der allenthalben reinen Wissenschaft der Menschen wird sich Meine reinste Lebenslehre auch leicht vereinen und so den Menschen ein vollständiges Lebenslicht geben, da eine Reinheit die andere nimmerdar verunreinigen kann, so wie eine sonnenhelle Wahrheit die andere nicht.“ Kapitel 91 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 91. — Die stufenweise Reinigung der Künste und Wissenschaften 1. (Der Herr): „Ihr meinet nun freilich wohl bei euch: Was Mir in jener Zeit möglich sein werde, nämlich die Wissenschaft zu reinigen, das könnte Mir wohl jetzt auch möglich sein, und es könnte dadurch die reinste Lehre, vereint mit der reinen Wissenschaft und ihren Kunstschöpfungen, ja sogleich gewisserart Hand in Hand zu den Menschen übergehen, wobei die etwa hie und da auftreten wollenden falschen Propheten sicher keine Geschäfte zur Befriedigung ihrer Selbstsucht machen würden. 2. Und Ich sage euch dagegen: Es wäre schon ganz gut also, wenn es so ginge; aber es geht die Sache dennoch nicht also, wie ihr es nun recht gut meinet, – Ich müßte denn den Menschen den freien Willen nehmen und sie mit der Allmacht Meines Willens zu puren Maschinen umgestalten! Was würden aber die Menschen zum ewigen Heile und Leben ihrer Seelen dadurch gewinnen? 3. Wisset ihr denn noch nicht, daß alles, was unter dem Mußgesetze steht, das in der Allmacht Meines Willens besteht, an und für sich gerichtet und tot ist? Ich habe euch das doch schon so oft ganz gründlich gezeigt, und ihr kommet alles dessen ungeachtet in euren alten Weltverstand. 4. Seht, so Ich nun in dieser Zeit sogleich tausendmal tausend mit der reinsten Wissenschaft in allen Dingen und so auch nach der Wissenschaft völlig durchgebildete Künstler aller Art und Gattung unter den Menschen erweckte, so würden diese von den gegenwärtigen Menschen noch mehr verfolgt werden, als ihr als die baldigen Ausbreiter Meiner Lehre und Meines Namens von den finsteren Weltmenschen werdet verfolgt werden! Denn das Wissen der Menschen, das – wie schon gesagt – mehr denn zu drei Vierteilen mit dem dicksten Aberglauben gemengt ist, und aus dem sich die Menschen ihre materiellen Vorteile verschaffen, ist um vieles schwerer zu reinigen. 5. Ich habe bei gar vielen Gelegenheiten die verschiedenen Dinge, Erscheinungen und Vorkommnisse euch und auch anderen Menschen, die einen guten Willen und ein empfängliches Herz hatten, wohl und anschaulich gründlich erklärt, habe vor euren Augen und Ohren den ganzen Sternenhimmel also enthüllt, daß ihr nun wohl wisset, was unsere Sonne, der Mond, die Planeten, und was die zahllos vielen andern Sterne sind, und welch eine Beschaffenheit sie haben, und habe euch mehrere sogar durch die Öffnung der inneren Geistessehe besichtigen lassen; und so besitzet ihr nun in gar vielem schon die reinste Wissenschaft. 6. Gehet aber hin, und lehret die blinden Menschen also, wie Ich euch belehrt habe, und ihr werdet es nur zu bald erfahren, wie schwer die Menschen von ihrem alten Wissen und von mystischen Vorurteilen abzuwenden sind! 7. Dazu gibt es auch eine Unzahl Menschen, die von ihren selbstsüchtigen Priestern und Beherrschern derart verdummt sind, daß sie solch eine Aufklärung im Wissen als einen niemals verzeihlichen Frevel gegen die Götter ansehen würden und einen Menschen gar übel zurichteten, der sie zu einem Frevel wider ihre Götter verleitete. 8. Um bei den Menschen mit der Länge der Zeiten in den Wissenschaften und den aus ihnen hervorgehenden Künsten eine volle Reinigung zu bewirken, muß ihnen zuvor Meine Lehre gepredigt sein, und die vielen Götzen samt ihren Priestern und Tempeln müssen zerstört werden. 9. Ist das geschehen und Mein Evangelium, wenn auch durch viele falsche Propheten, den Menschen gepredigt worden, dann auch werden sie fähig, sich nach und nach in den Wissenschaften und Künsten zu reinigen; und diese werden dann ein Blitz sein, der vom Aufgange bis zum Untergange alles hell beleuchtet, was da auf der Erde ist. Unter dem Aufgang aber versteht man das Geistige, unter dem ,Untergang‘ aber alles Naturmäßige. 10. So ihr dieses nun verstanden habt, da fraget nicht wieder, ob dies oder jenes nicht schon jetzt möglich wäre!“ Kapitel 92 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 92. — Die Weisheit Mosis und Josuas 1. Als die Jünger diese Meine Rede vernommen hatten, und natürlich auch der Wirt, der geheilte Knecht, der Pharisäer und der Schriftgelehrte, da sagte der Schriftgelehrte: „Ich habe aus dieser Deiner Rede, Herr und Meister, entnommen, daß Du Deinen Jüngern nicht nur das große Geheimnis vom Reiche Gottes auf Erden unter den Menschen enthüllt hast, sondern auch das Naturreich dieser Erde, des Mondes, der Sonne und der Sterne, und gabst mir da einen neuen Beweis, daß eben Du in Deinem Geiste der Schöpfer von all dem sein mußt, ansonst Du diese endlos vielen und wundervollen Dinge Deinen Jüngern nicht hättest erklären und ihnen sogar beschaulich machen können. 2. Da Du aber Deinen Jüngern das tun mochtest, die doch auch nur Juden und Menschen sind, möchtest Du denn nicht auch uns in aller Kürze diese wunderbaren Dinge in der Art nur ein wenig beleuchten, daß auch wir einen helleren Begriff bekommen, was wir von dem Monde, von der Sonne und von all den Sternen, Finsternissen, von den furchtbaren Kometen und auch von den vielen Flugsternen halten und glauben sollen? Denn in diesen Stücken sind wir nicht um ein Haar besser daran als die Heiden.“ 3. Sagte Ich: „Warum habt ihr denn das sechste und siebente Buch Mosis verworfen und für unecht erklärt und den sogar mit starken Strafen bedroht, der es zu lesen sich unterfinge? Sieh, in diesen zwei Büchern hat Moses die gesamte Naturschöpfung mit klaren Worten beschrieben!“ 4. Sagte der Schriftgelehrte: „Herr und Meister! Ich habe wohl davon einmal reden hören, aber nie nur einen Buchstaben davon zu Gesichte bekommen. Es sollen sich diese Bücher im Tempel zu Jerusalem auch nimmer vorfinden. Darum bitte ich nun Dich, daß Du uns diese Dinge, um die Ich gefragt habe, in möglicher Kürze also beschreiben und erklären möchtest, daß wir dann auch wüßten, was und wie sie beschaffen sind.“ 5. Auf diese Bitte des Schriftgelehrten beschrieb Ich den vieren in möglichster Kürze die Dinge also, daß sie das wohl verstehen konnten, was Ich erklärt habe. 6. Nach dieser Erklärung, die gut bei einer Stunde lang gedauert hatte, fragte Mich der Schriftgelehrte, ob von dem auch die Altväter schon irgendeine Kunde gehabt hätten. 7. Sagte Ich: „Allerdings, und das namentlich die Urbewohner Ägyptens! Sowie aber mit der Zeit sich die Menschen stets mehr und durch allerlei Sünden von dem einen, ewig allein wahren Gott entfernten und in das blinde Heidentum übergingen und sich verfinsterten, so ging auch solche Kunde zugrunde, und an ihre Stelle trat eine leere und mit allen Irrtümern erfüllte dichterische Faselei und Phantasterei. 8. Und so verlor sich die Erd- und Sternenkunde. Nur bei einigen gar wenigen Weisen in irgendeinem verborgenen Winkel der Erde hielt sie sich noch; aber diese wagten es nicht, damit vor den ganz verfinsterten Menschen an das Tageslicht zu treten. Und so ist diese Kunde so gut wie gänzlich zunichte geworden. Aber in den künftigen Zeiten werden die Menschen schon wieder, und das heller noch denn in der Urzeit, darauf kommen und alles berechnen; und das wird zu dem Blitz gehören, der vom Aufgange bis zum Untergange leuchtet.“ 9. Sagte der Schriftgelehrte: „Von wem hatten denn Moses und Aaron solche Kunde?“ 10. Sagte Ich: „Vom Geiste Gottes! Obschon er als ein angenommener Sohn des Pharao in die ägyptischen Mysterien eingeweiht war und auch von der alten Sternenwissenschaft und Erdkunde so manches kennengelernt hatte, so war aber das dennoch kaum ein trüber Wassertropfen gegen das ganze Meer seiner nachmaligen Erkenntnis, die ihm als dem erwählten Führer des israelitischen Volkes vom Geiste Gottes gegeben worden ist, wodurch er erst ein wahrer Gelehrter aus Gott ward.“ 11. Sagte abermals der Schriftgelehrte: „Herr und Meister! Josua, als auch ein von Gott erwählter Führer des iraelitischen Volkes ins Gelobte Land, muß von all dem doch auch die genaueste Kunde gehabt haben, was Moses beschrieben hat! Wie konnte er denn zur Sonne vor Jericho sagen: ,Sonne, stehe still, bis ich alle die Feinde schlage!‘, – und die Sonne soll seinem Befehl gehorcht haben? Hätte er das zur Erde gesagt, so hätte das nach dem, was Du uns ehedem erklärt hast, einen wahren Sinn; nun wir von Dir den wahren Sachverhalt vernommen haben, da erscheint der Befehl Josuas an die Sonne als ein Etwas, das offenbar keinen Sinn hat, und es scheint, daß Josua den wahren Sachverhalt doch nicht gekannt hat, so sein Befehl eine naturgemäße Wahrheit hätte werden sollen.“ 12. Sagte Ich: „Josua hat wohl also gesprochen, aber nicht zur naturmäßigen Sonne, sondern zur Sonne des Geistes, die da bestand in der Lehre Mosis aus Gott. Diese fing im Glauben und Vertrauen des Volkes beim Anblick der großen Übermacht des Feindes stark zu sinken an. Josua hat denn mit seinem kräftigen Ausruf nichts anderes zum verzagten und schon über Hals und Kopf murrenden Volke sagen wollen als: ,Glaubet und vertrauet doch so lange, bis ihr in Kürze den mächtig scheinenden Feind vor euch werdet völlig geschlagen erblicken! Dann möget ihr mit mir das Land, wo Milch und Honig fließt, einnehmen oder wieder in die Wüste zurückkehren!‘ 13. Dadurch faßte das Volk wieder Mut im vollen Glauben und Vertrauen auf Gott, der da ist, war und sein wird die wahre Sonne der Seele und ihres Geistes im Himmel und auf Erden. Und siehe, diese von Josua angeredete Sonne blieb im Glauben und Vertrauen des Volkes stehen, erleuchtete es und gab ihm Mut, Klugheit und Kraft, und der Feind wurde gänzlich vernichtet bis auf die Hure Rahab, welche den Abgesandten Josuas Barmherzigkeit erwies. – Hast du das nun verstanden?“ Kapitel 93 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 93. — Über die Entsprechungswissenschaft 1. Sagte der Schriftgelehrte: „Ja, Herr und Meister, das haben wir nun alle wohl so ganz verstanden, daß wir es nun einsehen, daß Josua mit seinem großartigsten Ausruf unmöglich einen andern Sinn hat verbinden können; aber warum verstanden wir das denn ehedem nicht?“ 2. Sagte Ich: „Weil von euch schon vor der babylonischen Gefangenschaft die alte innere Entsprechungswissenschaft gänzlich gewichen ist; denn diese Wissenschaft ist nur jenen Menschen zugänglich und eigen, die im wahren Glauben und Vertrauen an den einen, wahren Gott niemals wankend und schwach geworden sind, Ihn allzeit als den Vater über alles liebten und ihre Nächsten wie sich selbst. 3. Denn die besagte Wissenschaft ist ja die innere Schrift und Sprache der Seele und des Geistes in der Seele. Wer diese Sprache verloren hat, der versteht die Schrift unmöglich, und ihre Sprache kommt ihm in seinem toten Weltlichte wie eine Torheit vor; denn die Lebensverhältnisse des Geistes und der Seele sind ganz anderer Art als die des Leibes. 4. So ist denn auch das Hören, Sehen, Fühlen, Denken, Reden und die Schrift des Geistes ganz anders beschaffen als hier unter den Menschen in der Naturwelt, und darum kann das, was ein Geist tut und spricht, nur auf dem Wege der alten Entsprechungswissenschaft dem Naturmenschen begreiflich gemacht werden. 5. Haben die Menschen diese Wissenschaft durch ihre eigene Schuld verloren, so haben sie sich selbst außer Verkehr mit den Geistern aller Regionen und aller Himmel gestellt und können darum das Geistige in der Schrift nicht mehr fassen und begreifen. Sie lesen die geschriebenen Worte nach dem blind eingelernten Laut des toten Buchstabens und können nicht einmal das begreifen und dessen innewerden, daß der Buchstabe tot ist und niemanden beleben kann, sondern daß nur der innerlich verborgene Sinn es ist, der als selbst Leben alles lebendig macht. 6. Wenn ihr nun das begreifet, so trachtet denn auch vor allem, daß das Reich Gottes in euch lebendig und vollauf tätig werde, so werdet ihr auch wieder in die besagte Wissenschaft der Entsprechungen zwischen Materie und Geist gelangen, ohne welche ihr weder Moses noch irgendeinen Propheten je in der Tiefe der lebendigen Wahrheit verstehen könnt und dadurch in euch selbst bemüßigt seid, in Unglauben, in allerlei Zweifel und Sünden zu verfallen. Denn so ein Blinder auf einer Straße, auf der eine Menge Steine liegen, wandelt, wird er es wohl verhüten können, daß er beim Gehen an einen und den andern Stein stößt und dabei gar oft fällt? Und kommt auf des Weges Strecke irgendein Abgrund, wie wird er sich schützen, daß er nicht mit dem nächsten Tritt in denselben stürzt und darin den unvermeidlichen Tod findet? 7. Darum trachtet vor allem, daß ihr im Geiste ehest wiedergeboren und sehend werdet, sonst werdet ihr tausend Gefahren, die auf euch lauern und euch zu verschlingen drohen, nicht entgehen!“ 8. Sagte darauf der Schriftgelehrte: „O Herr und Meister, Deine Weisheit ist unermeßlich, und wir Menschen sind Dir gegenüber blind wie ein Stein! Jetzt erst sehe ich ganz klar ein, worin der Grund des gänzlichen Verfalls im Glauben und Vertrauen auf Gott liegt, und ich sehe es auch ein, daß es in Zukunft mit dieser Deiner Licht- und Lebenslehre genau also gehen wird, wie es nun mit der Lehre Mosis und der Propheten geht, und daß Du im Ernste wieder auf diese Erde zu den Menschen zu kommen durch Deine Liebe und Erbarmung wirst genötigt werden. Es fragt sich nun nur, ob Du wieder so wie diesmal oder vielleicht auf eine andere, nur Dir allein bekannte Weise wiederkommen wirst! Möchtest Du uns das nicht näher andeuten?“ 9. Sagte Ich: „Ich habe es euch ja ohnehin schon klar zur Genüge gezeigt, wie und auf welche Weise Ich wieder auf diese Erde zu den Menschen kommen werde. Wie magst du Mich um dasselbe wieder fragen?“ 10. Sagte der Schriftgelehrte: „Wahr ist es, Herr und Meister, daß Du uns solches schon gesagt hast, – wäre ich nun schon im Besitze der Entsprechungswissenschaft, so hätte ich Deiner Rede Sinn auch ganz verstanden; aber ich bin noch ganz außerhalb dieser Wissenschaft, und es ist mir darum nicht alles klar, was Du über Deine Wiederkunft geredet hast. 11. Siehe, es handelt sich nun bei dieser meiner Frage hauptsächlich nur darum, ob Du wieder als ein Mensch mit Fleisch und Blut, wie jetzt, geboren von einem reinen Weibe, oder ungeboren, mehr als Geist und doch auch sichtbarer Mensch, wiederkommen wirst, und wo, und unter welchem Volke! 12. Es ist das vor Deiner unergründlichen Weisheit wohl sicher eine sehr vernunftlose Frage von mir; aber ich bin ja nur erst seit ein paar Stunden ein bekehrter Mensch, und es ist mir darum nicht zu verargen, wenn ich Dir noch mit allerlei unvernünftigen Fragen zur Last falle.“ Kapitel 94 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 94. — Die Wiederkunft des Herrn 1. Sagte Ich: „Gerade unvernünftig sind deine Fragen nicht, und du hast das volle Recht, danach zu fragen, was dir unbekannt ist; und Mir steht offenbar das Recht zu, dir zu antworten, so und so, wie Ich es für dich und für die andern zweckdienlich finde. Weil du aber nun schon gefragt hast, so will Ich dir denn auch antworten, und so höre denn! 2. Ich werde bei Meiner zweiten Wiederkunft nicht mehr aus einem Weibe irgendwo wieder als ein Kind geboren werden; denn dieser Leib bleibt verklärt so wie Ich als Geist in Ewigkeit, und so benötige Ich nimmerdar eines zweiten Leibes in der Art, wie du das gemeint hast. 3. Ich aber werde zuerst unsichtbar kommen in den Wolken des Himmels, was so viel sagen will als: Ich werde vorerst Mich den Menschen zu nahen anfangen durch wahrhaftige Seher, Weise und neuerweckte Propheten, und es werden in jener Zeit auch Mägde weissagen und die Jünglinge helle Träume haben, aus denen sie den Menschen Meine Ankunft verkünden werden, und es werden sie viele anhören und sich bessern; aber die Welt wird sie für irrsinnige Schwärmer schelten und ihnen nicht glauben, wie das auch mit den Propheten der Fall war. 4. Ebenso werde Ich von Zeit zu Zeit Menschen erwecken, denen Ich alles das, was jetzt bei dieser Meiner Gegenwart ist, geschieht und gesprochen wird, durch ihr Herz in die Feder sagen werde, und es wird dann das einfach Geschriebene auf eine eigene, den dermaligen Menschen wohlbekannte kunstvolle Art in einer ganz kurzen Zeit von einigen Wochen und Tagen in vielen Tausenden gleichlautenden Exemplaren können vervielfacht und so unter die Menschen gebracht werden; und da die Menschen in jener Zeit beinahe durchgängig des Lesens und Schreibens wohl kundig sein werden, so werden sie die neuen Bücher auch selbst wohl lesen und verstehen können. 5. Und diese Art der Ausbreitung Meiner neu und rein wiedergegebenen Lehre aus den Himmeln wird dann um vieles schneller und wirksamer zu allen Menschen auf der ganzen Erde gebracht werden können denn so wie jetzt durch die Boten in Meinem Namen von Munde zu Munde. 6. Wenn auf diese Art Meine Lehre unter die Menschen, die eines guten Willens und tätigen Glaubens sein werden, gebracht sein wird und zum wenigsten ein Drittel der Menschen davon Kunde haben werden, so werde Ich denn auch hie und da persönlich und leibhaftig sichtbar [im verklärten Geistleibe; vergleiche Ziffer 2.] zu denen kommen, die Mich am meisten lieben und nach Meiner Wiederkunft die größte Sehnsucht und dafür auch den vollen und lebendigen Glauben haben werden. 7. Und Ich werde aus ihnen Selbst Gemeinden bilden, denen keine Macht der Welt mehr einen Trotz und Widerstand zu bieten vermögen wird; denn Ich werde ihr Heerführer und ihr ewig unüberwindlicher Held sein und richten alle toten und blinden Weltmenschen. Und also werde Ich die Erde reinigen von ihrem alten Unflate. 8. Zur Zeit der neuen Seher und Propheten aber wird eine große Trübsal und Bedrängnis unter den Menschen sein, wie sie auf dieser Erde noch niemals da war; aber sie wird Meiner dermaligen Auserwählten wegen nur eine kurze Zeit dauern, auf daß diese an ihrer Seligwerdung nicht sollen einen Schaden erleiden. 9. Doch in diesem Lande, wo Ich nun schon von einem Orte zum andern von den Juden des Tempels wie ein Verbrecher verfolgt werde, und das in jener Zeit von den finstersten Heiden zertreten wird, werde Ich persönlich nicht wieder zuerst auftreten und lehren und trösten die Schwachen. Wohl aber in den Landen eines andern Weltteiles, die nun von den Heiden bewohnt werden, werde Ich ein neues Reich gründen, ein Reich des Friedens, der Eintracht, der Liebe und des fortwährend lebendigen Glaubens, und die Furcht vor dem Tode des Leibes wird nicht mehr sein unter den Menschen, die in Meinem Lichte wandeln und im beständigen Verkehr und Umgang mit den Engeln des Himmels stehen werden. – Da hast du nun eine rechte Antwort auf deine Frage.“ 10. Sagte der Schriftgelehrte: „Asien, die alte Wiege der Menschen und der vielen Segnungen Gottes, wird sonach nicht mehr das Glück haben, Dich in Deiner Wiederkunft auf diese Erde zu sehen und zu hören? Das ist wahrlich keine freudige Kunde für diesen Weltteil.“ 11. Sagte Ich: „Die Erde ist allenthalben Mein, und Ich weiß, woorts Meine Wiederkunft für die ganze Erde am allerwirksamsten sein wird! In jener Zeit aber, in der sich die Menschen von einem Ende der Erde zum andern so schnell, wie da fährt ein Blitz aus der Wolke, werden verständigen können, und in der die Menschen auf ehernen Straßen mit Benutzung der im Feuer und Wasser gebundenen Geister schneller die weitesten Strecken des Erdbodens werden überfahren können, als da der heftigste Sturm von einem Ende der Erde zum andern treibt, und die Schiffe mit Hilfe derselben Kräfte den großen Ozean in einer viel kürzeren Zeit überfahren werden als nun die Römer von Rom aus bis nach Ägypten, da wird die Kunde von Meiner persönlichen Wiederkunft in einer ganz kurzen Zeit leicht über die ganze Erde verbreitet werden können, und also auch nach Asien. 12. Aber es fragt sich da wieder: Wird die Kunde bei den blinden und tauben Heiden dieses Weltteils auch Glauben finden? 13. Ich meine und sage: Schwerlich eher, als bis es durch ein großes Weltgericht geläutert werden wird! 14. Es gibt ein gar großes Land im fernen Westen, das von allen Seiten vom großen Weltozean umflossen ist und nirgends über dem Meere mit der alten Welt zusammenhängt. Von jenem Lande ausgehend, werden die Menschen zuerst große Dinge vernehmen, und diese werden auch im Westen Europas auftauchen, und es wird daraus ein helles Strahlen und Widerstrahlen entstehen. Die Lichter der Himmel werden sich begegnen, erkennen und sich unterstützen. 15. Aus diesen Lichtern wird sich die Sonne des Lebens, also das neue, vollkommene Jerusalem, gestalten, und in dieser Sonne werde Ich auf diese Erde wiederkommen. – Und nun mehr denn zur Genüge von dem, was dereinst geschehen wird!“ 16. Hierauf machten sogar Meine Jünger große Augen und sagten unter sich: „So klar und umständlich hat Er von Seiner einstmaligen Wiederkunft noch nicht geredet! Glücklich werden die Menschen sein, die in jener Zeit dort leben werden, wo Er wiederkommen wird mit aller Fülle Seiner Gnade, – aber überunglücklich jene, die an Ihn nicht glauben werden und etwa, gleichwie nun die Pharisäer, sich gegen Ihn erheben und Ihm nach dem Leben streben, sich wider Ihn setzen und ihr Heidentum schützen wollen. Denen wird Er, wie Er das schon zu öfteren Malen und auf dem Ölberge durch Zeichen am Himmel angezeigt hat, als unerbittlicher Richter entgegenkommen und ihnen geben den Lohn in der Hölle.“ 17. Sagte Ich: „Ja, ja, da habt ihr nun die Wahrheit geredet! Und Ich sage es euch: Wahrlich, wahrlich, dieser sichtbare Himmel und diese Erde werden in der rechten Länge der Zeiten auch vergehen; aber Meine Worte, die Ich zu euch geredet habe, werden nicht vergehen!“ Kapitel 95 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 95. — Das Mittagsmahl 1. Bei diesen unseren Reden aber war es auch in die Nähe des Mittags gekommen, und Ich sagte zu den Jüngern: „Ihr könnet euch nun zur Abreise bereiten; denn wir haben heute noch einen weiten Weg zu machen!“ 2. Der Wirt aber sagte: „O Herr und Meister, das Mittagsmahl, das nun bald vollends bereitet sein wird, wirst Du mit Deinen Jüngern doch bei mir einnehmen wollen?“ 3. Darum baten Mich auch der Pharisäer und der Schriftgelehrte. 4. Und Ich sagte zum letzteren: „Freund, da sieh hinaus, wie deine Gefährten mit Hilfe vieler gedungener Arbeiter sich dort im Schutte der abgebrannten Synagoge herumtummeln und ihre vorgefundenen Schätze sammeln und in Verwahrung bringen. Wirst du dich nicht auch beteiligen?“ 5. Sagte der Schriftgelehrte: „O Herr und Meister, ich habe hier den endlos besseren Schatz gefunden und werde mich in der Folge wohlweislich hüten, mich den Weltschätzen zu sehr zu nahen; denn so ich das täte, da könnte an mir das, was ich in dieser Nacht geträumt habe, wohl zur vollen und lebendigen Wahrheit werden. Daher mögen sich die Weltlinge im Brandschutte herumtummeln, wie sie es nur immer wollen, und sollten sie sich auch meinen Teil zueignen; mir ist nun Deine Gegenwart endlos lieber denn alle Schätze der Erde. Daher wolle Du gnädigst doch nur noch über den Mittag hier verweilen!“ 6. Sagte Ich: „Aus Liebe zu euch, weil auch ihr Mich liebet, will Ich wohl noch über den Mittag hier verweilen! Du aber gedenke nur stets Deines Traumes, und bleibe Deinem Vorsatze getreu, so wirst du bald im helleren Lichte wandeln! Was du aber von deinem irdischen Schatze noch vorfinden wirst, das nimm und verteile alles an die Armen, und Ich werde dir darum einen andern Schatz aus den Himmeln zukommen lassen! Wer in Meinem Namen vieles gibt, dem werde auch Ich vieles geben; wer aber in Meinem Namen alles gibt, dem werde auch Ich alles geben für die Ewigkeit!“ 7. Auf diese Meine Worte sagten der Wirt und der Pharisäer: „Herr und Meister, warum sagtest Du das denn nicht auch uns?“ 8. Sagte Ich: „Ihr wisset es ja ohnehin schon, was ihr zu tun habt! Wer den guten Willen hat, der hat auch schon das Werk für sich. So ihr der Armen wegen gute Hauswirte machet, da tut ihr auch so viel, als hättet ihr alles hergegeben, und Mein Segen für euch wird nicht unterm Wege verbleiben. Gedenket vor allem der armen Witwen und Waisen, und Ich werde euer gedenken und euch nicht als Waisen auf dieser Erde belassen, sondern im Geiste bei euch verbleiben fortan! Aber nun sieh, du Wirt, wie es mit dem Mittagsmahle steht!“ 9. Darauf eilte der Wirt schnell in die Küche und sah nach, wie es mit der Bereitung des Mittagsmahles stehe. Es stand damit ganz gut, und der Wirt beeilte sich denn auch, um den Tisch neu zu decken. 10. Ich aber sagte: „Laß das, – diese Schüsseln, die noch vom Morgenmahle her auf dem Tische stehen, sind noch nicht so verunreinigt, daß man aus ihnen die Mittagsspeisen nicht sollte genießen dürfen; was für Mich rein ist, das sei auch für euch rein!“ 11. Da nahm aber der Wirt dennoch reine Tücher und reinigte die völlig leeren Schüsseln; denn Meine Jünger verstanden sich wohl aufs vollkommene Leeren der Schüsseln. Darauf nahmen der Wirt und seine Diener die gereinigten Schüsseln, gingen damit in die Küche und brachten bald darauf eine Menge der wohlbereiteten Fische, und so auch des Brotes und mehrere Krüge voll des Wunderweines; und wir fingen denn auch sogleich an, das Mahl zu genießen. 12. Während des Essens wurde noch über so manches gesprochen, was auch schon bei andern Gelegenheiten besprochen worden ist und daher – nota bene – nicht abermals erzählt zu werden braucht. 13. Als wir aber mit dem Mahle zu Ende waren, da kamen ein paar von jenen Pharisäern in den Speisesaal, welche den ganzen Vormittag ihre Schätze aus dem Brandschutte ausgesucht und in sichere Verwahrung gebracht hatten. 14. Diese verwunderten sich sehr, als sie den einen Pharisäer und sogar den Schriftgelehrten an unserem Tische ganz wohlgemut speisen sahen, und sagten zum letzteren (die Pharisäer): „Oh, ihr machet es euch ja ganz bequem! Wir arbeiten draußen den ganzen Vormittag, um noch etwas von den durch Feuer zerstörten kostbaren Schätzen aufzufinden und in Verwahrung zu bringen, und ihr lasset euch da um uns ganz unbekümmert wohlgeschehen! Wohin gehört denn solch euer Benehmen?“ 15. Sagte der Schriftgelehrte, ganz erbost über diese Anrede: „Höret! Erstens haben wir das, was wir unser nennen durften, schon lange ganz in der vollsten Ordnung und sehen nun ganz und gar nicht ein, warum wir euch auch das Eurige hätten aufsuchen und in Ordnung bringen helfen sollen, da auch euch es noch niemals eingefallen ist, uns mit etwas behilflich zu sein. Und zweitens haben wir bei dieser Gelegenheit einen ganz andern Schatz nebenher entdeckt und gefunden, der uns nun ums Endlose lieber ist als all euer zusammengerafftes Gold und Silber; doch von diesem Schatze werdet ihr schwerlich je Besitzer werden. Und drittens haben wir hier einen wahren Lebenswein zum Genießen bekommen, wie eure vielsüffigen Kehlen noch niemals etwas zum Verkosten bekommen haben werden! Und so sind wir beide nun ganz wohl versorgt in allem und jedem und haben euch darob keine Rechnung zu legen. Wenn ihr mich verstanden habt, so könnet ihr euch alsbald wieder dahin zurückwenden, von woher ihr wahrlich ganz unberufenermaßen gekommen seid!“ 16. Als sich die beiden Pharisäer gegen diese Antwort streng aufzuhalten anfangen wollten, da erhob sich der Wirt, der als ein Samariter und römischer Bürger mit den Pharisäern niemals viel Aufhebens machte, und sagte: „Hier bin in irdischer Beziehung noch ich der Herr, und es ist mir ein jeder friedliche Gast lieb, wert und teuer, ob er nun ein Heide oder ein Jude ist; denn der Heide hat sich nicht selbst zum Heiden und der Jude sich wahrlich nicht selbst zu einem Juden gemacht. Aber wenn mir solche Stänker über die Schwelle meiner Haustür kommen, so braucht es gar nicht zu besonders viel, um mich zum Gebrauche meines alten Hausrechtes zu nötigen! Wollt ihr etwas zu essen und zu trinken, so begebet euch in euer gewöhnliches Speisegemach, und verlanget, was ihr wollet, und es wird euch das Verlangte auch alsbald verabreicht werden. Aber hier habt ihr nichts zu tun, nichts zu reden und nichts zu schaffen; denn dies ist keine jüdische, sondern eine römische Herberge, in der alle Reisenden gleich behandelt und bedient werden.“ Kapitel 96 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 96. — Die Abreise nach Kana 1. Als die beiden den Wirt also reden hörten, da machten sie eben nicht viel Gegenbemerkungen mehr, sondern kehrten uns bald den Rücken und begaben sich in ihr Speisegemach, in welchem auch schon ein paar andere auf sie warteten. 2. Denen erzählten sie, wie sie vom Schriftgelehrten, und namentlich vom Wirte, behandelt worden seien. 3. Ihre Gefährten aber sagten: „Den Wirt kennen wir gar lange schon als den stolzesten und eigensinnigsten, und so machen wir uns denn aus seiner angeborenen Roheit auch nichts. Wir sind nur noch froh, daß wir unsere guten Sachen von Wert zum größten Teil aufgefunden und in gute Verwahrung gebracht haben, und können uns nun ganz wohl geschehen lassen. 4. Sonderbar aber ist es immerhin, daß der eine von uns und auch der Schriftgelehrte, die sich am meisten an den Nazaräer gehalten haben, ihre Schätze nach ihrer Aussage ganz unversehrt erhielten, und der Pharisäer Joram sogar seine Wohnung! Auch des Schriftgelehrten Wohnung ist nur insoweit beschädigt, daß die Zimmerdecke hie und da durchgebrannt erscheint; die Tür in sein Wohngemach aber scheint vom Feuer wenig gelitten zu haben, und so werden auch seine Schätze sicher weniger gelitten haben!“ 5. Sagte ein anderer: „Sei ihm nun schon, wie ihm wolle; in etlichen Monden ist unsere Synagoge schon wieder ganz in der Ordnung, und wir haben zum Leben noch mehr als zur Genüge. Lassen wir uns in unserem gegenwärtigen Vergnügen durch keine Seitenbetrachtungen mehr stören!“ 6. Darauf verlangten sie Fische und Lammfleisch, ungesäuertes Brot und Wein, den ein echter Jude trinken darf, – was sie denn auch sogleich bekamen und sich dabei ganz unbesorgt wohlgeschehen ließen. 7. Wir aber waren mit unserem Mahle auch zu Ende, und der Wirt fragte Mich, ob er den zwei Pharisäern doch vielleicht zuviel gesagt habe. 8. Sagte Ich: „Sorge du dich darum nicht; denn die haben einen guten Magen und können viel vertragen, wenn sie dabei nur die Aussicht haben, in ihren Interessen nicht zu kurz zu kommen! Wenn diese beiden, die Ich nun auch schon zu den Meinigen zähle, klug sind, so kann es ihnen gelingen, auch die andern auf ihre Seite zu bringen. 9. Aber jetzt ist die Zeit vollends gekommen, wo Ich mit Meinen Jüngern fortziehen muß; denn Ich sehe es, wo Ich bald einzutreffen habe. Werdet aber darum nicht irgend traurig, denn nur dem sichtbaren Leibe nach verlasse Ich euch; aber Meinem allwirkenden Geiste nach bleibe Ich bei euch, so wie bei jedermann, der an Mich glaubt, Mich liebt und nach der empfangenen Lehre lebt und handelt. So ihr irgendeinen Zweifel in euch noch verspüret, so wendet euch im Herzen nur an Mich, und Ich werde die Antwort auf eure Zunge legen. Und so denn bleibet in Mir, und Ich werde in euch bleiben!“ 10. Hierauf versprachen Mir alle auf das feierlichste, tätigst in Meiner Lehre bis an ihr irdisches Lebensende zu verharren und Mich in ihren Herzen zu behalten und gegen jede Anfeindung und arge Verfolgung zu verteidigen. 11. Darauf erhob Ich Mich schnell mit Meinen Jüngern und zog auf der geheimen Straße gen Kana weiter; denn Ich wollte des Aufsehens wegen nicht durch den Markt ziehen, weil das Weib noch immer auf Mich wartete, um in Mir den zu sehen, der ihre Tochter am Morgen sehend gemacht hatte. 12. Das Weib hatte sich zwar schon den ganzen Vormittag nach Mir in mehreren Häusern erkundigt, konnte aber nirgends eine rechte Kunde erhalten, und so hatte sie sich mit dem Mägdlein auf die Lauer am Platze aufgestellt, aber natürlich fruchtlos. Der Wirt aber fand das Weib samt dem Mägdlein, nahm beide in sein Haus auf und verpflegte sie bestens. Das Mägdlein diente ihm im Orte als ein triftiger Beweis von dem, was Ich im Orte gewirkt habe; denn die zehn gereinigten Aussätzigen waren schon lange, wie man sagt, über Berg und Tal, und der geheilte Oberknecht des Wirtes konnte, als ein geheilter Gichtkranker, eben für die Weltverständigen auch nicht als ein besonderer Beweis von Meiner Wunderkraft vorgestellt werden, weil es denn doch Fälle gegeben hatte, wo dergleichen Gichtkranke am Ende auch durch gute Arzneien, an denen es damals weniger denn – nota bene – in dieser Zeit gebrach, geheilt wurden. 13. Aber ein blindgeborenes Mägdlein, das in der ganzen Gegend als solches nur zu bekannt war, hatte ein viel stärkeres Gewicht; und so war am Ende dieses Mägdlein samt ihrer Mutter dem Wirte, dem Joram und dem Schriftgelehrten als Beweis Meiner göttlichen Macht lieber denn alle die andern Zeichen, von denen sie wohl zu reden, aber keine so handgreiflichen Beweise mehr darzustellen imstande waren. 14. Dieses Mägdlein, zugleich sehr schön von Gestalt, hat zehn Jahre später auch noch ein ungewöhnlich großes Erdenglück gemacht. Denn es war dem bekannten Kado in Jericho sein Weib gestorben; er kam in diese Gegend, lernte sie kennen und nahm sie aus Liebe zu Mir zum zweiten Weibe. Und so hat Meine Gnade, dem sie zuteil wird, auch in der diesirdischen Beziehung stets ihre guten Folgen. 15. Joram, der zuerst bekehrte Pharisäer und der Schriftgelehrte, der Boz hieß, hatten in kurzer Zeit auch die andern Pharisäer auf ihre gute Seite gebracht, wozu freilich das geheilte Mägdlein und später der Freund Kado sehr vieles beigetragen haben. 16. Mit dem wollen wir die kleine Geschichte von diesem Markte denn auch vollends als beendet ansehen und nun wieder zu uns selbst zurückkehren und sehen, wie es uns auf unserer Weiterreise nach Kana ergangen ist! Kapitel 97 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 Der Herr in Kana. 97. — In der Herberge zu Kana 1. Der Weg von dem nun schon sehr bekannten Markte war ein noch sehr gestreckter. Ein guter Fußgänger hätte ihn kaum in einem vollen Tage zurückgelegt; wir aber benötigten, nach unserer oft stark wunderbaren Art zu reisen, nur drei Stunden dazu. Wir kamen denn gen Abend in Kana an und nahmen Herberge beim selben Wirte, bei dem Ich bei Gelegenheit einer Hochzeit auf die Aufforderung Meiner Gebärerin Maria zum ersten Mal offen das Wasser in Wein verwandelt habe. 2. Als der Wirt Meiner ansichtig ward, war er beinahe außer sich vor Freude und gab Mir einen ordentlichen Verweis darob, daß Ich Mich bei ihm schon so lange nicht wieder habe sehen lassen. 3. Ich aber sagte zu ihm: „Weil es mit und bei euch allen, die ihr hier zu Hause seid, keine Not gehabt hat, so kam Ich denn auch nicht in diese Gegend; nun ist aber bei euch eine kleine Not eingetreten, und so kam Ich zur rechten Zeit, um euch allen zu helfen.“ 4. Sagte der Wirt: „O du lieber Herr und Meister, die Not dauert bei mir schon über ein Jahr fort, und ich habe mich schon mehrere Male teils im Herzen an Dich gewendet, und teils habe ich mich bei Deinen Brüdern und bei Deiner gegenwärtig zumeist in Kis weilenden Mutter angelegentlichst nach Dir erkundigt; aber Du schienst die frommen Wünsche meines Herzens nicht zu vernehmen, und von Deinem irgendwoigen Aufenthalte war auch nichts zu vernehmen, und so mußte ich die große Not meines Hauses im Namen des allmächtigen Gottes denn bisher ruhig ertragen. Ich weiß zwar nicht um den Grund, warum ich von Gott dem Herrn so hart heimgesucht worden bin; aber nun bitte ich Dich, daß Du, lieber, guter Heiland, mir helfen möchtest. 5. Das Weib ist von der Gicht geplagt, und die Kinder leiden an bösen Fiebern, und zwei meiner besten und treuesten Knechte liegen am bösen Aussatz schon über ein halbes Jahr danieder, und ich muß meine Wirtschaft zum größten Teil um einen teuren Lohn von fremden Arbeitern bestellen lassen. Und das wird doch eine Not sein, besonders da ich selbst auch nicht mehr zu den gesunden Menschen zu zählen bin! 6. O Du liebster Herr und Meister, seitdem, als du bei einer hier gefeierten Hochzeit ein erstes Zeichen auf Verlangen Deiner Mutter gewirkt hast, ist es in meinem Hause so groß anders geworden! Wenn Du mir nicht helfen wolltest, so gehe ich in Kürze geistig und auch diesirdisch zugrunde!“ 7. Sagte Ich: „Das wußte Ich wohl, daß bei dir die Not groß geworden ist, und da Ich dein oftmaliges Flehen um Abhilfe wohl vernommen habe, so kam Ich denn nun auch, wo bei dir die Not einen sehr hohen Grad erreicht hat, um dir die rechte Hilfe zu bringen. Ich hätte auch schon früher zu dir kommen können, aber da fehlte es dir noch sehr am lebendigen Glauben und Vertrauen; als du aber nach Kis zu Kisjonah kamst, da erst bekamst du ein rechtes Licht über Mich und gelangtest auch zum rechten Glauben und Vertrauen auf Mich, und also kam Ich denn auch, um dir alle Hilfe zu bringen. Und so will Ich denn nun, daß da alles, was in deinem Hause krank ist, samt dir so gesund sein soll, als hätte nie jemandem je etwas gefehlt. Gehe nun hin zu allen deinen Kranken, und sage es ihnen!“ 8. Da eilte der Wirt zu allen und fand sie alle völlig gesund also, daß sie sich von ihren Lagern aufrichteten, frische Kleider anzogen, zu Mir kamen und Mir dankten. 9. Da es aber schon sehr stark abenddämmerlich geworden war, so sagte Ich zum vor Freude weinenden Wirte: „Da Deine Hausnot nun beseitigt ist und Ich diese Nacht in deinem Hause bleiben werde, so sehet nun, daß Ich und Meine Jünger ein Nachtmahl bekommen. Laß uns Fische bereiten und dann etwas Brot und Wein auf den Tisch setzen!“ 10. Als der Wirt solchen Meinen Wunsch vernommen hatte, da ward alles in die freudigste Bewegung gesetzt, um Meinem Wunsche zu entsprechen. Es dauerte kaum eine volle Stunde Zeit, so war das Nachtmahl auch schon bereit, ward auf den Tisch gebracht, und Ich sagte zum Wirte: „Siehe, dort ist noch ein Tisch! Laß nun alle Geheilten sich zu jenem Tische setzen, und sie sollen das essen, was wir essen, jeglicher nach seinem Bedarfe, und sollen auch den Wein trinken und das Brot essen, auf daß sie wieder recht kräftig werden!“ 11. Als Ich das gesagt hatte, da fielen alle die Geheilten vor Mir auf ihre Knie nieder und sagten: „O Herr, wir sind solch einer Gnade nicht würdig! Daher möchten wir lieber in unserer Stube ein mäßiges Nachtmahl zu uns nehmen an unserem alten Dienstbotentische; aber nicht unser, sondern nur Dein allein heiliger Wille geschehe!“ 12. Sagte Ich: „Höret, eure gerechte Demut und Bescheidenheit gefällt Mir und frommt eurer Seele; aber dessenungeachtet bleibet ihr hier! Denn ihr habt viel mit Geduld und mit voller Ergebung in den Willen Gottes gelitten und habt euch dadurch als wahre Helden im Glauben und Vertrauen auf Gott erwiesen und seid darum denn auch würdig, als Begnadigte des Herrn in Seiner nächsten Nähe euch zu stärken; und so setzet euch nun nur ganz wohlgemut an jenen Tisch, und esset und trinket, was euch aufgesetzt wird auf den Tisch!“ 13. Als die Geheilten, mit Ausnahme des Weibes, das in der Küche beschäftigt war, das von Mir vernommen hatten, da erhoben sie sich voll Ehrfurcht vom Boden, dankten Mir und begaben sich ruhig an ihren Tisch, der so wie der unsrige schon mit Speisen, Wein und Brot recht wohl besetzt war. Wir fingen denn darauf auch gleich an, zu essen und den recht reinen und guten Wein zu trinken, und also taten auch die Geheilten. 14. Wir aßen und tranken nun ganz wohlgemut, und Meine Jünger gaben recht vieles der wahrlich recht frommen Gesellschaft zum besten, was wir alles auf unseren Kreuz- und Querzügen erlebt hatten. Das vergnügte unsere kleine Gesellschaft außerordentlich, und es ward dabei viel Gemütliches von beiden Seiten gesprochen, und ebenso ward dabei auch viel geweint. 15. Aber das gewisserart Bemerkenswerte war das, daß unser nur schon zu bekannter Judas Ischariot auf einmal ganz bedeutende Gegenbemerkungen zu machen anfing. Kapitel 98 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 98. — Der Wirt und Judas Ischariot 1. Der Wirt sagte zu ihm (nota bene, Ich will euch Neusalemiten das ein wenig umständlicher kundtun): „Freund, du bist ein Jünger des Herrn und bist von Profession, insoweit ich dich vermöge deiner stets allerschlechtesten Töpferprodukte nur zu gut kenne, also auch nichts anderes als ein Töpfer! Wie aber du in die Gesellschaft dieses Herrn und Meisters, also so gut wie in die vollendetste Gesellschaft Gottes des Herrn, gekommen bist, darüber würde uns auch der Erzengel Michael selbst die Antwort vollends schuldig bleiben!“ 2. Sagte Judas Ischariot: „Ja, Freund, du hast recht, gegen mich eine solche Rede zu erheben! Ich bin ein Töpfer wohl, und bin wahrlich nicht unbewandert in der Schrift! Moses und die Propheten habe ich trotz eines Schriftgelehrten im kleinen Finger und weiß es sicher recht wohl, in wessen Gesellschaft ich mich befinde. Ich reise wahrlich nicht mit, um etwas Weltliches zu gewinnen – was bei den obwaltenden Weltverhältnissen doch jedermann gestattet sein sollte –, sondern allein des Erfolges wegen, ob der Prophet Jesajas in seinen Weissagungen wohl keine Unwahrheit geredet und geschrieben hat! Denn auch ich bin, obwohl der Kunst nach ein Töpfer, ein Schriftgelehrter und fand nach meiner stets mehr stillen Beobachtung an diesem wahren Gottmenschen alles als vollkommen wahr bestätigt, was der genannte Prophet und auch die andern Propheten von Ihm geweissagt haben. 3. Ich habe aber auch noch ein gutes Gedächtnis und weiß um ein jedes Wort, was eben der Herr wider mich schon bei mehreren Gelegenheiten geweissagt hat. Kurz und gut, – ich bin ein Teufel in der Gesellschaft der Jünger des Herrn, den ich als das auch trotz jedes andern anerkenne; denn die Zeichen, die Er wirkt, hat noch niemals ein natürlicher Mensch gewirkt. So ich aber das gleich allen andern anerkenne und fest glaube, da frage ich: Warum bin ich denn ein Teufel? 4. Gut, so ich einer bin, so bin ich einer und muß auch einer sein! Wenn man aber schon einmal etwas sein muß, was man im Grunde nie hat sein wollen, – bin ich an all dem dann wohl Schuldträger? Kurz und gut, die Sache wird mir nun auf einmal zu toll und zu bunt! Ich bin nun schon bei zwei und ein halb Jahren gleich allen andern ein erster Jünger des Herrn, – und ich muß zu einem Teufel der Hölle werden! Aber nein, das geschieht aber nun ganz und gar nicht; denn ich weiß es nun wohl, was auf der ganzen Erde ich zu tun habe, um kein Teufel zu werden. 5. Ja, in der Zeit, als der Herr mir ein solches Zeugnis gab, war ich vor Ihm auch sicher das; denn Er allein prüfet der Menschen Herz und Nieren. Er wußte es demnach auch, wie es mit mir stand, und Er wird es auch wissen, wie es nun mit mir steht. So Ich in Seine Gesellschaft nicht tauge, so hat Er auch der Macht in der höchsten Genüge, mich auf der Stelle zu entfernen. Er allein ist der Herr und kann tun, was Er will, und niemand kann zu Ihm sagen: ,Herr, warum tust Du das?‘; aber von einem Menschen, vollends meinesgleichen, lasse ich mich wahrlich ungern zurechtweisen! Denn ein jeder Mensch hat seine Schwächen und hat mit sich zu tun zur Genüge, um in die rechte Ordnung zu gelangen, und soll, solange er noch mit seinen eigenen Schwächen zu kämpfen hat, seinen Nächsten in Ruhe lassen und sich nicht über dessen Fehler lustig machen, nicht ihn vor der Welt verkleinern. 6. Ich kenne Moses und die Propheten und kenne nun auch die Lehre des Herrn, in der alles bestätigt wird, was alle die Propheten von Adam, Sehel und Henoch an von Dem, der nun unter uns sitzet, geweissagt haben, – und so denn weiß ich auch, was ich zu tun und zu lassen habe. Ich möchte nur das wissen, warum ich stets unter uns Jüngern des Herrn als ein letzter zumeist mit unfreundlichen Augen angesehen werde, als wäre ich im vollen Sinne des Wortes ein Teufel unter ihnen!“ 7. Sagte der Wirt nun: „Freund, du bist nun wohl über mich am meisten nur deshalb erregt worden, weil ich in meinem Frohsinn dich gefragt habe, wie es denn gekommen ist, daß auch du ein bleibender Jünger des Herrn geworden bist! Ich habe dich darum nicht irgend in etwas zurechtweisen wollen und wußte auch von dem durchaus nichts, daß dich der Herr irgendeinmal mit einem Namen bezeichnete, den ich selbst nicht wieder aussprechen will. Ich drückte nur meine Verwunderung darum über dich aus, weil ich dich ehedem in deinem bürgerlichen Handeln und Walten dahin nur zu gut gekannt habe, wie du trotz deiner Schriftgelehrtheit es mit der Haltung der Gebote Gottes eben niemals zu genau und strenge genommen hast. 8. Wenn man mit dir redete, da wußtest du wohl alles besser als irgendein anderer; aber so man dich deines oft wohl sehr unlöblichen Handelns wegen befragte, ob du selbst wohl das auch als eine unbestreitbare Wahrheit glaubest, da sagtest du: ,Gott hat nie jemand gesehen, noch gehört Seines Mundes Stimme, aber Menschen von verschiedenen Talenten und Fähigkeiten hat es zu allen Zeiten gegeben; und Moses und alle Propheten waren auch nur Menschen, mit denen wir selbst niemals geredet haben. Was sie gelehrt und aufgezeichnet haben, war gut für ihre Zeiten; aber die Zeiten haben sich bis auf uns herab gewaltig geändert und wir und unsere Bedürfnisse in und mit ihnen, und so taugen für uns denn Moses und die Propheten in gar vielen Stücken nicht mehr. Und wer das aus den selbstgemachten Erfahrungen nicht anerkennt, der betrügt sich selbst, indem er um die Erreichung des einst zu erwartenden Himmels, von dem man nicht die geringste Gewißheit hat, sein Erdenlebensglück mit den Füßen zertritt!‘ Siehe, Freund, daß auch ich noch ein gutes Gedächtnis besitze! 9. Ich kenne dich also gar wohl, und deine Lebensgrundsätze sind mir nicht fremd geblieben, und eben das hat denn auch meine Verwunderung über dein Verweilen in dieser allerhöchst geehrtesten Gesellschaft hervorgerufen; denn du warst in deinem Glauben schon ein vollkommener Sadduzäer und hast dir auch die Hundsweisheit der Griechen zu eigen gemacht, von der du oft sagtest, daß sie der Natur des Menschen am meisten zusagen möchte, so man schon als ein Kind nach ihr gebildet werden würde. 10. Sage du nun selbst, ob es mich nicht wundernehmen solle, daß auch du ein bleibender Jünger des Herrn geworden bist und dein früheres Geschäft aufgegeben hast, das dir viel Geld eintrug, obschon deine Geschirre niemals die besten waren, – warum, das wirst du als Sachverständiger wohl am besten wissen! Aus dem aber geht doch klar hervor, daß ich niemals die Absicht hatte, dich irgend verkleinern und noch weniger zurechtweisen zu wollen. 11. Warum du dich selbst aber stets als einen Letzten unter den Jüngern des Herrn ansiehst und betrachtest, das ist deine Sache; ich merke aber hier wahrlich nicht, daß dir vor den andern Jüngern irgendein minderer Rang zugedacht ist. 12. Aber das ist so meine Meinung, daß solche Gedanken nur in eines solchen Menschen Gemüt entstehen können, der, in sich von einem gewissen Hochmutsdünkel getrieben, stets gerne lieber ein Erster und Angesehenster in dem, was er bekleidet, sein möchte, als irgendein Letzter und Untergeordneter. Ein Mensch aber, der schon überglücklich ist, in solch einer Gesellschaft der Letzte der Letzten und der Diener der Diener des Herrn sein zu können, wird sich sicher niemals darüber beklagen und in sich darob auch keine geheime Kränkung empfinden, weil er sich in der Gesellschaft als ein Letzter betrachtet! 13. Soweit ich nun den Sinn der Lehre des Herrn erkenne, über die ich mit dem Kisjonah und mit dem Philopold von dem benachbarten Orte Kane an der in unser Land stark einmündenden Landspitze von Samaria vieles gesprochen habe, wie auch erst vor ein paar Wochen mit zwei von Jerusalem ausgesandten Jüngern, die ich in Kapernaum antraf, so ist eben der Sinn der Lehre die vollste Demut, Sanftmut und Selbstverleugnung, ohne welche Gemütseigenschaften keine wahre und reinste Liebe zu Gott und zum Nächsten denkbar ist. 14. Ein Mensch aber, der noch durch die Schwächen seiner Nebenmenschen gekränkt und beleidigt werden kann, ist noch nicht auf jenen wahren Lebenspunkt gedrungen, auf dem der Herr von ihm sagen möchte oder könnte: ,Siehe, das ist der Mann nach Meinem Herzen!‘ 15. Ich habe dir jetzt meine Meinung offen mitgeteilt, und das darum, weil du mich dazu genötigt hast; nun kannst du wieder deine Bemerkungen machen, so du dagegen welche machen kannst!“ 16. Judas Ischariot fühlte sich durch die höchst kluge Rede des Wirtes sehr getroffen und wußte zuerst nicht, was er ihm hätte entgegnen sollen. 17. Nach einer Weile erst sagte er (Judas Ischariot): „Ja, ja, du sollst recht haben; denn wahrlich, du bist in den Geist der Lehre tief eingedrungen! Aber so der Herr zu dir nun sagte: ,Du bist ein Teufel!‘, wie würde dir solch ein Zeugnis aus Seinem Munde schmecken?“ 18. Sagte der Wirt: „Freund, so der Herr mir ein solches Zeugnis gäbe, so würde ich zu Ihm in meinem Herzen sagen: ,O Herr und Meister des Lebens, ich danke Dir, ganz zerknirscht vor Deiner Herrlichkeit, daß Du mir gezeigt hast, ein wie großer Sünder ich noch vor Dir bin; ich bitte Dich aber, erweise mir die Gnade und Barmherzigkeit und treibe den Teufel des Hochmutes, der Lüge und des Betruges und der schnöden Selbstsucht aus mir, und erfülle mich mit dem Geiste der wahren Demut, Sanftmut, Selbstverleugnung, der wahren Liebe zu Dir und mit uneigennützigster Liebe zum Nächsten!‘ Und ich glaube, daß der Herr mir auch solche Gnade zu erweisen sicher nicht vorenthalten würde, so eine solche Bitte aus dem vollsten Ernste meines Lebens hervorginge. 19. Und nun wende ich mich an Dich, o Herr und Meister, Selbst und bitte Dich, mich gnädigst zurechtweisen zu wollen, so ich im Verlaufe dieser meiner Worte etwas Unrechtes gesagt habe!“ Kapitel 99 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 99. — Der Herr über Judas Ischariot 1. Sagte Ich voll Freundlichkeit zum Wirte: „Wie hättest du nun etwas Ungerechtes und somit Unrechtes sagen können, da ja Ich dir die Worte in den Mund und ins Herz gelegt habe? Und so hast du dem Jünger nun ganz nach Meinem Sinne und in Meinem Namen die volle Wahrheit unverhüllt ins Gesicht gesagt; wohl ihm, so er sie für sein Leben beherzigen will! 2. Oh, Ich weiß es gar wohl, daß er ein Schriftgelehrter ist, und weiß auch um alle seine anderwärtigen Kenntnisse und Erfahrungen, in dem allem er allen Meinen andern Jüngern bei weitem überlegen ist. Aber was nützt ihm alles das, so er nun schon bei zwei und nahe ein halb Jahren mit Mir nur hauptsächlich darum umherzieht, um Mich in allem dem, was Ich rede und tue, scharf zu beobachten, ob er am Ende doch etwas fände, was da nicht mit der Schrift harmoniert. Und in dem findet sein geheimer und somit noch nicht abgelegter Hochmut und somit auch seine Selbst- und irgend mögliche Erwerbsucht stets neue Nahrung, darum er denn auch gleichfort bleibt, wie er ist, und sich von niemand irgend völlig und wahrhaft lebensverbesserlich zurechtweisen läßt; denn er denkt sich immer: ,Was wollt ihr armen und ungelehrten Fischer mich belehren, der ich ein Schriftgelehrter bin?‘ 3. Ich aber sage: Ein Schriftgelehrter sein ist an und für sich ganz wohl und recht; aber Mir ist ein Mensch, der auch nur weniges aus der Schrift weiß und danach gläubig lebt und tut, um ein gar Großes lieber denn ein Mensch voll Schriftgelehrtheit, der die Schrift nur kritisiert, an sie einen schwachen und am Ende gar keinen Glauben hat und darum auch nicht nach der Schrift lebt und handelt, sondern nur nach dem Rate seiner Weltvernunft. 4. Ein Mensch, der einmal von dem Dünkel seines vielen Wissens sich aufgebläht hat, ist so gut wie alle die hochweisen Juden und Pharisäer und Schriftgelehrten in Jerusalem im Geiste blind, und das also, daß er am hellsten Tage den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, ihn daher auch noch immer sucht und inmitten desselben fragt: ,Ja, wo ist denn der Wald, den ich suchte und sehen wollte?‘ 5. Ist es etwa nicht ebenso in geistiger Beziehung mit dem Menschen, der mitten im Leben zu fragen anfängt, ob er wohl lebt, und worin denn sein Leben besteht? 6. Tor! Deine Haut und dein Fleisch und die ganze dir gleiche Außenwelt wird dir das freilich wohl nicht sagen können, weil das alles in sich kein Leben, sondern nur eine Wirkung des Lebens ist! Gehe aber in dein Inneres hinein durch den Glauben, durch die Liebe, durch die Demut, Sanftmut und wahre Selbstverleugnung, und werde dadurch zum Selbstleben mit dem Leben aus Gott in dir, dann wirst du schon erfahren, daß du wahrhaft lebst, und was das Leben ist! 7. Warum suchen denn die Menschen das Gold nicht in dem tauben Gestein, sondern dringen an einer Stelle, wo sie Spuren dieses Metalls entdeckten, in das Innere der Berge und sammeln sich darin große Schätze? Tun aber die Menschen das ohne Furcht und Scheu zur Gewinnung der irdischen Schätze, die in sich tot sind und gar vielen auch den Tod bringen, warum tun sie das denn in und mit sich nicht zur Gewinnung des in ihnen verborgenen Lebensgoldes? Haben sie ja doch schon auf ihrer Haut die deutlichsten Spuren des inneren und wahren Lebensgoldes. 8. Wer einmal da ist und lebt, sich aber als eine noch unreife Lebensfrucht noch nicht auskennt, wie und warum er da ist und lebt, der stelle sich tätig dem Lichte aus Gott entgegen, lasse sich von ihm kräftig erleuchten und im Herzen erwärmen, so wird er dadurch zur inneren Löse und wahren Lebensreife gelangen. In dieser wird er dann schon wohl erkennbar gewahr werden, wie und warum er da ist und lebt, und was und wer das Leben in ihm ist!“ Kapitel 100 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 100. — Vom rechten Weg zum rechten Ziel. Falsche und rechte Verstandesbildung 1. (Der Herr:) „Der Mensch, wie er sich noch so lebensblind und unreif in der Welt bewegt, gleicht einem Weizenhalme, wie dieser aus dem Keime sich zu entwickeln anfängt. So er erst eine Spanne hoch über dem Boden der Erde unter der Einwirkung der Sonne gewachsen ist, so merkt man noch nichts von einer Fruchtähre; aber unter der stets kräftiger werdenden Einwirkung der Sonne wird auch bald die Ähre ersichtlich, wird voller und vollkommener, blüht, setzt das Korn an, und dieses reift am Halme und in den Hülsen der Ähre zur festen und lebentragenden Weizenkornfrucht, die in ihrer Vollreife sich ganz vom Halme und ebenso von der Hülse völlig löst und für sich frei befindet. 2. Ist das Korn einmal zur vollen Reife gelangt, dann stirbt der Halm und die Ähre. Warum denn? Weil all sein früheres Außenleben sich in das wahre, innere Fruchtleben im Korne begeben hat, in welchem sich nun auch die Wurzeln und der emporwachsende Halm in jedem Stadium seines Wachsens und Vollkommenerwerdens bis zur vollen Reife nicht nur einfach, sondern gleich unendlichfältig befinden, ansonst ein in die Erde gelegtes Korn nicht wieder alles in stets vervielfachterer Anzahl zum Vorschein bringen könnte, was zum Wachsen und Reifwerden des Weizens erforderlich ist. 3. Habt ihr aber auch schon einmal erlebt, daß im starren und kalten Winter unter dem schwachen Lichte der Sonne, des Mondes und aller Sterne ein Weizenhalm aus der Erde bis zu seiner Vollreife samt Ähre und Korn erwachsen ist? Sowenig aber das im Winter möglich ist, sowenig ist auch das möglich, daß ein Mensch unter den zahllos vielen und verschiedenartigen Lichtlein der so hochgepriesenen Weltweisheit je zur wahren, inneren Lebensreife und Löse gelangen kann! Es muß über ihn der Lebenssommer mit dem vorangehenden Frühling kommen, der in dem durch die Tat stets lebendiger werdenden Glauben, wie der alle Früchte zur Vollreife bringende Sommer in der stets mächtiger werdenden Liebe zu Gott und daraus auch zum Nächsten besteht. 4. Gott aber, an und in Sich die Liebe, das Licht und das Leben, ist die wahre Sonne alles Lebens. Wer Gott stets inniger liebt in aller Tat nach Seinem geoffenbarten Willen, der dringt in sein Inneres und geht so in den wahren Sommer des Geistes aus Gott über, in welchem er unter dem Liebelebenslichte und unter dessen Lebenswärme zur wahren Lebensreife gelangt. 5. So ihr nun das aus Meinem Munde vernehmet, so beachtet es wohl und tuet danach, so werdet ihr zur wahren Lebensreife gelangen! – Habt ihr das nun verstanden, und auch du, Judas Ischariot?“ 6. Sagte dieser (Judas Ischariot): „Herr und Meister, du hast nun in klaren Bildern geredet, wir haben sie auch verstanden, und jeder weiß es nun noch überzeugender denn zuvor, was er zu tun hat, um in das Reich Gottes in sich zu gelangen; aber es ist dennoch immerhin keine leichte Arbeit, in sich das zur lebendigen Kraft zu bringen, was im Menschen noch ebenso unregsam ruht und schlummert, wie in einem Samenkorn der Keim. Dieses muß erst in ein gutes Erdreich gelegt werden und zuvor völlig absterben, damit der alles bewirkende Geist im Keime erwachen und die ihm eigene Tätigkeit nach der eben auch in ihm wohnenden Intelligenz beginnen kann, ansonst wird aus dem Samenkorn, das in einer Scheune irgend trocken liegt, trotz des schönsten Frühlings und Sommers niemals ein Halm, eine Ähre und ein reifes Korn erwachsen!“ 7. Sagte Ich: „Gut, so du das der vollen Wahrheit nach weißt, so ziehe du den alten, materiellen Adamsmenschen aus und ziehe den neuen aus Mir an, so wird dann der innere Mensch in dir schon von sich selbst heraus ebenso tätig werden wie der Geist im Keime, wenn das ihn umgebende Korn in der Erde verwest und dadurch als Nahrung und Stärkung in den Keimgeist übergegangen ist!“ 8. Sagte darauf wieder Judas Ischariot: „Herr und Meister, wie kann man denn den alten Adam ausziehen und dann einen neuen anziehen? Soll man den Fleischleib denn töten, um dadurch zu einem geistigen Leibe zu gelangen?“ 9. Sagte Ich: „Wie aber kann einer Meiner alten und gelehrtesten Jünger zu einem solch überdummen Urteil gelangen? Wer hat denn davon geredet, daß ein Mensch seinen Leib töten soll, um dann ein rein geistiger Mensch werden zu können? Deine weltlichen Begierden und Gelüste, die im Fleische toben und wüten, unterjoche du mit deinem freien Willen, und trachte nach dem Reiche Gottes in dir nach der euch allen nur schon zu klar bekannten Weise, so hast du dadurch den alten Menschen ausgezogen und einen neuen angezogen. 10. Wenn du aber in einem fort noch so geheim bei dir an den äußeren Dingen und ihren Reizen hängen wirst und herumschwärmen in dem engen Bereich deiner irdischen Weisheit und allerlei als ein Blinder erworbener Erfahrungen, so kann es dir schon noch begegnen, daß der böse Geist der Welt dich ganz gefangennehmen wird und du ihm als ein jammervolles Opfer zur Beute wirst mit Leib und Seele. 11. Wer durch pure Beobachtungen und nach den Urteilen seines Weltverstandes zur inneren, wahren Weisheit des Geistes aus Gott gelangen will, der irrt groß, gerät auf Abwege, die voll Abgründe sind, in die er in der Nacht seines Geistes nur zu bald und leicht fallen und sich gänzlich zugrunde richten kann. 12. Leuchten in der Nacht nicht zahllos viele Lichter am Himmel? Und dennoch kannst du bei ihrer Beleuchtung keine Schrift lesen! Ebenso kann ein Mensch bei all dem Tausendgeflimmer seiner mühevoll errungenen Weltwissenschaften und gemachten Erfahrungen die innere Lebensschrift nicht entziffern. 13. Wie man aber am Tage beim Lichte der Sonne jede noch so kleine Schrift wohl lesen kann, so kann ein Mensch, so durch das Tun nach Meinem Worte die innere Lebenssonne in ihm aufgegangen ist, dann auch seine innere, wahre Lebensschrift lesen und verstehen und erkennen die Verhältnisse alles dessen, was in ihm ist und ihn auch nach allen Seiten nach außen hin umgibt. 14. Mit dem puren Suchen mit dem mattesten Schimmerlichte des Weltverstandes findet die Seele im Menschen nicht einmal sich selbst – und noch weniger ihr Lebensverbandesverhältnis mit dem Leibe und mit dem Geiste in ihr. Es soll der Mensch wohl den Gehirnverstand ausbilden und vernünftig denken lernen – aber nicht nach der Weise der Welt, sondern nach der Weise der wahren Kinder Gottes, wie das wohl ersichtlich ist bei den frommen Patriarchen und Altvätern –, so wird auch der Gehirnverstand bald und leicht zu jener Lichtstärke gelangen, gegen die alle Weltweisheit eine große Finsternis ist. 15. Betrachtet die erste Verstandesbildung zum Beispiel nur eines Samuel und eines David, eines Salomo und noch einer Menge von Menschen! Wo steht unter den noch so Weltgelehrten, sowohl der Juden als der Heiden, einer, der jenen Männern an Weisheit gleichkäme? Beachtet demnach das, was Ich Selbst euch zeige, so wird auch der Gehirnverstand gar wohl in allem erleuchtet werden!“ Kapitel 101 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 101. — Die Ursache der Not auf Erden 1. Sagte nun der Wirt: „Herr und Meister, ich danke Dir nicht nur für mich, sondern auch für alle von Dir Geheilten meines Hauses für diese Belehrung, durch die wir in den Stand gesetzt worden sind, uns selbst zu erkennen und also auch das Reich Gottes in uns! Was wir zu tun haben, das wissen wir nun klarer denn jemals zuvor; und weil wir das nun wissen, so werden wir auch danach handeln und uns von der Welt nicht mehr irreführen lassen. Stärke Du mit Deiner Gnade und Liebe unseren Willen, auf daß auch er stets gleichen Schrittes mit unserem Erkennen der Wahrheit aus Dir wandle bis an das lichtvollste Ziel unseres Lebens; denn das Erkennen der noch so lichtvollen Wahrheit genügt nicht, wenn an seiner Seite ein träger und schwacher Wille einhergeht! Der Wille aber ist die Kraft der Liebe in uns; wie diese beschaffen ist, ebenso auch der Wille. Daher stärke, o Herr, in uns denn auch vor allem die Liebe zu Dir und zum Nächsten!“ 2. Sagte Ich: „Deine Bitte ist eine wahre und gerechte und wird auch die volle Erhörung finden; aber so da ein Mensch um nichtige und törichte Dinge dieser Welt bittet, da wird er bei Mir schwerlich eine volle Erhörung finden. Darum sei du nun voll Trostes; in deinem Handeln wirst du auch die volle Erhörung deiner Bitte finden; und also auch alle, die du in deine Bitte eingeschlossen hast. Denn Mir ist das allzeit wohlgefällig, so da aus purer Liebe jemand zu Mir mit einer gerechten Bitte kommt; diese soll niemals unerhört bleiben. Aber Bitten und Gebete von solchen Menschen, die sich als Gottes Diener hoch ehren und preisen und sich für ihr leeres Bitten und Beten recht unbarmherzig groß und stark bezahlen lassen, werden bei Mir niemals auch nur die geringste Erhörung finden. Denn was ein Mensch seinem Nächsten nicht aus wahrer Liebe tut, sondern nur, um vor der Welt zu glänzen, hat bei Mir keinen Wert. 3. So du deinem Nächsten eine Wohltat mit der rechten Hand erweisest, so laß deine Linke nichts davon merken; Gott, der alles noch so Verborgene wohl sieht, wird es dir schon vergelten! 4. Wenn jemand sein überflüssiges Geld ausleiht, so leihe er es nicht denen, die ihm dafür große Zinsen bezahlen können, sondern denen, die in einer wahren Not stecken, ohne Zinsen! Und können sie ihm auch das Kapital nicht zurückerstatten, so grolle er darob nicht und pfände die oft ohne ihre Schuld Verarmten nicht, sondern erlasse ihnen in aller Freundlichkeit und wahrer Nächstenliebe, was sie ihm schulden; wahrlich, da werde Ich dem also barmherzigen Gläubiger das Kapital mit hohen Zinsen zurückerstatten und für ihn einen großen Schatz im Himmelreiche gründen, von dem er ewig in Hülle und Fülle zu zehren haben wird. 5. Wahrlich, auch ein Trunk frischen Wassers, den eure Liebe einem Durstigen dargereicht hat, wird bei Mir Belohnung finden! 6. Wenn die Menschen alle also untereinander lebten und nach dem ihnen schon gar oft geoffenbarten Willen und Rate Gottes täten, so würde auch niemals eine Not und Bedrängnis und Trübsal unter ihnen auf dieser Erde entstehen. Alles Elend bereiten sich die Menschen durch ihren bösen Wuchergeist nur selbst. Zuerst leiden die Kleinen und Armen, dann aber kommt es tausend Male ärger über die Großen und Mächtigen; denn sie sind durch ihren Wuchersinn und durch ihre zu himmelschreiend große Herrschsucht Diebe und Räuber der Völker und haben darum von Mir aus auch zur rechten Zeit den verdienten Lohn zu gewärtigen. 7. Sehet euch alle die großen Reiche der euch bekannten Erde an! Wo sind die einst so mächtigen Könige von Babylon, von Ninive und von Griechenland, und die mächtigen Ägypter und ihre Pharaonen? Sie sind verdorret alle; und ebenso wird es auch andern solchen Großreichen in aller Zukunft ergehen, ihres Wuchers und ihrer zu großen Herrschsucht wegen! Denn der zu selbstsüchtige Wucher und die zu große Herrsch- und Glanzsucht der Menschen ist der eigentliche Satan, ein Fürst dieser Welt, die – weil ohne alles Lebenslicht aus den Himmeln – vollkommen die Hölle selbst ist, der es wohl gestattet ist, sich wegen der Probung des freien Willens und seiner Liebe sich bis zu einer gewissen Höhe zu erheben; wird diese Höhe aber überschritten, so kommt das Gericht, und Hölle und Satan werden in den Abgrund des Verderbens gestürzt. Darum bleibet denn alle in Meiner Lehre, und kämpfet mit reiner Liebe, gutem Willen und mit aller Sanftmut und Demut wider die Hölle und wider den Satan, und ihr werdet dafür des ewigen Lebens Siegeskrone überkommen und schon auf dieser Erde ein wahres Gottesreich gründen! 8. Ich bin sonach denn auch nicht in diese Welt gekommen, um ihr, wie sie ist, Frieden und Ruhe zu bringen, sondern das Schwert zum Kampfe wider sie, und Ich Selbst bin als die ewige Wahrheit das Schwert! Und dieses Schwert habe Ich auch euch zum Kampfe wider die Hölle und alle ihre tobende Macht gegeben. Fürchtet darum diejenigen nicht, die wohl euren Leib töten, aber der Seele nicht schaden können; so ihr aber schon jemanden fürchtet, so fürchtet Den, dem alle Macht zu eigen ist im Himmel und auf aller Materiewelt, und der allein ein Herr und Meister des Lebens ist und eine mit Sünden erfüllte Seele in den tiefsten Abgrund der Hölle und ihres ewigen Todes verstoßen kann! – Habt ihr das begriffen?“ 9. Sagten alle: „Ja, Herr und Meister; aber traurig ist, daß wir Menschen in dieser Welt, die ganz sicher schon eine vollkommene Hölle ist, den Himmel erkämpfen müssen! Es ist schon gar oft der Himmel unter den Menschen aufgerichtet gewesen in dieser Welt, währte aber alle Male nur eine kurze Zeit! Nur zu bald machte sich darauf die alte Hölle unter den Menschen breit und machte sie zu Teufeln; nur höchst wenigen in irgendeinem verborgenen Winkel der Erde gelang es, ganz im stillen den Himmel zu erhalten und zu bewahren. Könnte denn das auf dieser Erde nicht anders werden? Wird diese Erde für immerdar ein Erntefeld des Todes und ein ewiges Grab alles dessen, was da atmet und lebt, verbleiben?“ Kapitel 102 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 102. — Die Aufgabe der Menschenseele auf Erden 1. Sagte Ich: „Könnte jemand bestehen mit seinem Leibe auf einer Erde, die nicht aus allerlei Materie und ihren Elementen bestünde? Was ist aber alle Materie, und was ihre Elemente? Das ist durch die Allmacht Gottes gerichtetes und festgehaltenes Geistiges, dem aber die Fähigkeit zu einem stets freier werdenden und also auch stets selbständigeren Leben innewohnt! 2. Um aber all die zahllos vielen und durch die Weltenmaterie von Gott gleichsam abgetrennten Urgeister in ein vollkommen freies und dem Urgrundleben Gottes ähnlich selbständiges Leben zu überführen, gehört eben diese vielfache Übergangsordnung, wie ihr sie auf allen Punkten der Erde ersehet, und wie Ich sie euch schon vom Kleinsten bis zum Größten ganz sonderheitlich gezeigt habe, unumgänglich dazu. 3. Bis zum Menschen sorgt ganz Gottes Liebe, Weisheit und Macht dafür, daß die Entwicklung des in der Weltmaterie gefesteten und gehaltenen Urgeistlebens von Stufe zu Stufe in eine stets größere Vollendung übergehe und sich fortbilde; aber beim Menschen, als dem Schlußstein der Urgeistlebensentwicklung, geht diese Sache dann notwendig anders. Was seinen materiellen Leib anbelangt, so ist dessen Einrichtung auch noch zum allergrößten Teil von der Liebe, Weisheit und Macht Gottes abhängig, – aber nicht so die Entwicklung der Seele und ihres Geistes. Dieser ist gegeben die Vernunft, der Verstand, ein freies Denken, ein vollkommen freier Wille und die Kraft zu handeln, wie sie es für gut und nützlich erkennt. 4. Damit aber die Seele wissen kann, wie sie zu handeln hat, um zur endlichen und gottähnlichen materielosen und von allem Gerichte befreiten und also vollends freiesten Lebensselbständigkeit nach der Ablegung des Leibes zu gelangen und vor dem Angesichte Gottes bestehen zu können, so werden ihr von Gott aus die Wege gezeigt, die sie zu wandeln hat, um seligst zum endlichen Lebensziele zu gelangen. 5. Es kommt dann auf den wahren Verstand und Willen der Seele selbst an, sich von allen Banden der alten gerichtvollen Materie frei zu machen und sich durch die materiellen Weltgelüste nicht wieder wie von neuem von der Materie gefangennehmen und verschlingen zu lassen. 6. In der Materie ist Gottes unbesiegbare ewige Macht gegenwärtig. Sie kann nur durch die Macht Gottes Selbst hie und da nach Bedarf zu einem höheren Zwecke gelöst werden. Darum kann denn auch keine Kreatur anders sein und handeln, als wie sie von der Macht Gottes geformt und gestellt ist. Darum hieß es auch schon bei den alten Weisen, die das Machtverhältnis Gottes in aller materiellen Kreaturen Wesenheit wohl erkannt hatten: ,Erschrecklich ist es für den frei werden sollenden Menschen, wieder in die Machthände Gottes zu gelangen!‘ 7. ,Ja‘, meinet ihr nun in euch, ,wie kann aber der schwache Mensch sich je der allwaltenden Händemacht Gottes irgend entziehen?‘ Das kann ein Mensch, dessen Seele noch in allerlei materiellen Weltgelüsten steckt, freilich wohl nicht und nimmer; aber darum ist dem Menschen ja von Gott aus die große Fähigkeit verliehen, sich selbst der Macht Gottes zu bemächtigen. Hat er sich dieser bemächtigt, dann ist er auch also vollkommen in allem, als wie vollkommen da ist der Vater im Himmel; er ist also selbst zur Macht Gottes geworden, und diese kann und wird sich selbst ewig nimmerdar irgend besiegen, richten und gefangen nehmen. 8. Worin aber besteht diese Macht Gottes im Menschen? Diese besteht in der wahren und reinen Liebe zu Gott, in deren alles überbietenden Weisheit und daraus in der rechten Liebe zum Nächsten, und ferner in der Sanftmut und Demut, wie auch in der Selbstverleugnung gegenüber den Reizungen von seiten der Welt. Wer in allem dem stark geworden ist, der hat schon die Macht Gottes in sich, ist durch die Einung des Machtgeistes aus Gott mit der Seele eben mit Gott vollends eins geworden und hat sich dadurch über den Zwang der Zeit und des Raumes und somit auch über alles Gericht und über allen Tod erhoben. Er ist in und aus Gott ein Selbstherr geworden und hat den ,Zorn Gottes‘, welcher da ist dessen allmächtiger und alles vermögender Wille, dessen unbeugsamster Ernst die Feste aller Kreatur in Zeit und Raum ist, ewig ebensowenig mehr zu fürchten, als wie wenig Gott Sich vor Sich Selbst zu fürchten hat, weil der Mensch auf die euch nun klar dargestellte Art mit Gott eins geworden ist. 9. So wie nun Ich im Vater und der Vater in Mir ist, so werden auch alle, die nach Meiner Lehre, die da ist Mein Wille, leben werden, in Mir sein und Ich in ihnen!“ Kapitel 103 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 103. — Der Menschen Weg zum Ziel 1. Hierauf dankten Mir wieder alle für diese Belehrung. 2. Und der Wirt sagte: „O Herr und Meister! Diese Deine Worte haben auf mich einen großen und mein Inneres hellst durchleuchtenden und somit auch bleibenden Eindruck gemacht. Oh, welch eine unermeßliche Tiefe Deiner Liebe und Weisheit liegt darin! Über die wunderbaren Verhältnisse zwischen Gott und den Geschöpfen kann nur der Geist Gottes den Menschen, die auch Seine Geschöpfe sind, solche überklaren und wahrheitsvollsten Aufschlüsse geben, aus denen wir ersehen können, warum Gott den Menschen Seinen Willen geoffenbart hat, und warum sie in aller Tat denselben sozusagen zu ihrem Eigentume machen sollen! 3. O Welt, o Welt, wo stehst du mit deiner so hoch gepriesenen Weisheit! O Herr und Meister, wäre es Dir denn nicht möglich, solch ein Licht in den Verstand der Menschen zu legen? So alle das in sich einsehen würden, da würde es bei gar vielen sicher ein Ende mit dem Sündigen haben.“ 4. Sagte Ich: „Du meinst es wohl recht gut mit den Menschen, aber es wäre das dennoch eine völlig vergebliche Mühe! Ich müßte dem Menschen nur an seinem Willen, der frei sein muß, ansonst der Mensch kein Mensch wäre, einen Zwang antun; täte Ich aber das, so wäre der Mensch schon gerichtet und könnte sich nimmerdar zur selbständigen Lebensfreiheit emporschwingen. 5. Mit dem bloßen Erleuchten des Verstandes der Menschen aber würde der guten Sache noch weniger gedient sein, als so sie von außen her durch einen nach Meiner Lehre weise und stark gewordenen Nebenmenschen unterrichtet werden. Glauben aber nun so viele Menschen Mir Selbst nicht, wo Ich vor ihnen neben der Lehregebung auch Zeichen wirke, die bis auf Mich noch nie jemand gewirkt hat, so werden sie ihrem eigenen Verstande noch weniger trauen, durch den allein sie keine Zeichen sich vorzuwirken imstande wären, weil ihr Herz und Wille mit dem, was sie als wahr und gut einsehen würden, nicht so leicht und so bald, wie du das meinst, in einen völligen Einklang kämen. Denn sieht der Mensch auch mit seinem Verstande all das Gute und Wahre ganz klar ein, sein Herz ist dabei aber noch voll von allerlei weltlichen Dingen, so kostet es den Menschen noch gar manchen harten Kampf mit seiner eigenen Welt, bis sie aus dem Herzen und dessen Willen geschafft wird und der Mensch dann auch nur das liebt und will, was er als gut und wahr erkennt. 6. Wenn erst die Liebe, der Wille und der von aller Wahrheit erfüllte Verstand in aller Tat eins geworden sind, so ist der Mensch auch in die Wiedergeburt des Geistes aus Gott in seiner Seele eingegangen und ist in den ersten Grad der Macht Gottes in sich getreten und kann in diesem Zustande schon auch Zeichen wirken. 7. Aber es kann ein schon von der Welt oft zu sehr erfüllter Mensch in diesen Zustand nicht so bald und so leicht gelangen, wie Ich dir davon den Grund schon gezeigt habe; ohne die Gelangung in diesen Zustand aber bleibt alle pure Verstandeswissenschaft für den Menschen nur das, was alle andere Wissenschaft für ihn ist, und hat für die Vervollkommnung des inneren Menschen einen sehr geringen Wert, ja oft mehr Schaden als Nutzen, und es ist dem Menschen im allgemeinen besser, so er, von allerlei Bedenken und Zweifeln gepeinigt, die Wahrheit des Lebens suchen muß, als so er sie schon gleich einer urplötzlich in seinem Verstande aufgegangenen Sonne hätte, besäße in seiner Liebe und in seinem Willen aber noch lange nicht die dazu erforderliche Kraft, danach zu handeln. Darum müssen beim Menschen Herz und Verstand stets zugleich nach und nach gebildet und gestärkt werden, ansonst kein Mensch irgend recht vorwärts in der Einsicht und im Handeln nach ihr gelangen kann. 8. Was nützten dem Menschen zwei männlich starke Arme zu jeglicher Arbeit, so seine Füße von der Gicht gelähmt wären? Und wozu wäre es gut, an einen und denselben Karren zwei Ochsen so anzuspannen, daß da einer nach vorwärts und der andere nach rückwärts zöge? Zu zwei kräftigen Mannesarmen gehören auch zwei gesunde und kräftige Füße, und vor einem Karren müssen die Zugtiere vorne angespannt werden, ansonst es mit der Arbeit und mit dem Fuhrwerk nicht vorwärts gehen kann und wird. Daher ist die Art und Weise, die Menschen zum wirksamen Lichte des Lebens zu führen, schon also am besten, wie Ich nun Selbst das tue und ihr es nach Mir auch nicht anders machen sollet. 9. Hast du, Mein Freund, das nun auch so klar verstanden wie Meine frühere Belehrung, mit deren Licht du gleich aller Menschen Verstand erleuchtet haben wolltest?“ 10. Sagte der Wirt: „O ja, Herr und Meister, es stellt sich da wieder der ewig wahre Grundsatz heraus, demnach ein guter und weiser Vater die Lebensbedürfnisse seiner Kinder besser kennt als die noch in gar vielen Dingen völlig unerfahrenen Kinder. Habe Dank auch für diese großwichtige Belehrung!“ Kapitel 104 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 104. — Der Wanderer vor der Herberge 1. Sagte Ich: „Freund, es ist die dritte Stunde der Nacht zu Ende gekommen, und es ist hier die Seele und auch der Leib gesättigt worden; aber draußen auf der Straße haben sich zwei arme Wanderer gelagert, weil sie kein Geld haben, um in dieser Herberge eine Unterkunft suchen zu können. Laß sie hereinbringen, und gib ihnen Brot und Wein und dann ein Nachtlager, nachdem Ich mit ihnen euretwegen werde einige Worte gewechselt haben!“ 2. Als der Wirt solches von Mir vernahm, da eilte er mit dem Oberknechte sogleich hinaus, fand aber bei den zwei Männern auch ein Weib und ein Kind und sandte den Knecht zu Mir mit der Frage, ob er auch das Weib mit dem Kinde aufnehmen solle. 3. Und Ich sagte: „Ein Mann und ein Weib sind ein Leib! Der zweite Mann aber ist des Weibes Bruder; daher soll der Wirt alle aufnehmen!“ 4. Da ging der Knecht und hinterbrachte das dem Wirte, und dieser führte sie alle ins Zimmer und gab ihnen Brot und Wein. 5. Als sich die vier Personen gestärkt hatten, da fragte Ich den Mann, der das Weib und ein Kind, ein Mägdlein von zwölf Jahren, hatte, sagend: „Höre, Freund, du bist deiner Abstammung nach auch ein Jude, bist aber zur Zeit der Babylonischen Gefangenschaft, natürlich in deinen Ureltern, ganz in das ferne Indien mit noch zweihundert Männern, Weibern und Kindern geflohen. 6. Über fünfzig Tage lang waren deine Ureltern auf der Reise und fanden endlich in den weit ausgedehnten hohen Bergreihen ein einsames Tal, das reich war an üppigen Wiesen, allerlei ihnen unbekannten Fruchtbäumen und an Ziegen und Gazellenherden. Ebenso fehlte es in dem erwähnten Tale auch nicht an Quellen und Bächen, und ebenso auch nicht an edlen Fischen. 7. Eure Ureltern, die sich auf dieser weiten Reise mit allerlei Früchten und Wurzeln ernährt hatten, untersuchten das viele Stunden der Reisezeit lange Tal nach allen Richtungen und fanden alles zum Leben Nötige, nur keine Menschen, noch irgendeine Art Wohnhütte, aus der sie hätten entnehmen können, daß dieses Tal schon irgendwann einmal von Menschen wäre bewohnt worden. 8. Nach solcher Untersuchung des Tales sagte eben dein Urvater, der unter den zweihundert Entflohenen ein Ältester war: ,Gott dem Herrn alles Lob und alle Ehre! Auch dieses Tal hat Er gebaut und hat seine Triften bepflanzt mit allerlei Gras, Kräutern und Wurzeln und Bäumen, die vielerlei Früchte tragen, von denen wir schon welche genossen und sie uns nicht geschadet haben. Ebenso ist dieses schöne Tal auch reich an allerlei sanften Tieren, welche keine Furcht vor uns haben, da sie sicher noch niemals weder von Raubtieren und noch weniger von beutesüchtigen Jägern verfolgt worden sind. Wir sind sicher die ersten Menschen, die in dieses Tal gekommen sind. 9. Hier wollen wir uns Wohnungen errichten und im vollen Frieden ohne irgendwelche Verfolgung beisammen leben, für den nötigen Lebensunterhalt gemeinschaftlich sorgen und allzeit Gott dem Herrn für die Gnade danken und Ihm allein die Ehre geben, daß Er uns auf eine so wundersame Weise ganz wohlbehalten in dieses schöne Tal geführt hat! 10. Als Er einst unsere Väter aus Ägypten durch die Wüste nach Kanaan führte, da kamen gar viele, die Ägypten verlassen hatten, nicht ins Gelobte Land, und die da hineinkamen, hatten zuvor gar viele Kämpfe und Drangsale zu bestehen; wir aber entkamen mit Seiner Hilfe ganz glücklich der gottlosesten Tyrannei des Nebukadnezar und gelangten allesamt gar wohl behalten in das ferne Tal, das nach allen Richtungen hin von unübersteiglich hohen Bergen umfangen ist. Wir selbst kamen nur durch eine sehr schmale und kaum ersteigbare Kluft hierher, die wir leicht so verlegen können, daß auch durch sie kein Mensch mehr zu uns gelangen kann. Dann haben wir keine stolzen und lieblosen Könige der Erde mehr zu fürchten. 11. Wir selbst aber wollen und werden vollends die uns wohlbekannten Gebote Gottes unter uns allzeit streng und ohne jemaligen Nachlaß beachten und uns an jedem Tage unseres Lebens dankbarst daran erinnern, daß uns Gott dieses Tal hat auffinden lassen. Wir werden auch die Tage zählen und den siebenten Tag als den Sabbat bestimmen und an demselben Gott alle Ehre geben. Die Arche des Bundes, um deren Aufenthalt wir alle nicht wissen, werden wir wohl in diesem Tale nimmerdar zu Gesichte bekommen; dafür aber wollen wir in unseren Herzen Gott eine neue Lade erbauen durch die Befolgung Seiner heiligen Gebote und werden Ihm in unseren Herzen durch die Liebe zu Ihm ein Opfer darbringen, das Ihm wohlgefälliger sein wird als die Brandopfer jener Priester, die die Propheten steinigten und sich von den Zehnten und reichen Opfern mästeten!‘ 12. Als dein Urvater solche gute Ansprache an die andern beendet hatte, da fielen alle auf ihr Angesicht zur Erde und lobten Gott bei einer vollen Stunde lang und baten Ihn um Seine fernere Hilfe, Liebe und Gnade. 13. Gott aber fand ein rechtes Wohlgefallen an diesen Flüchtigen und gab deinem Urvater die Weisheit, und er erfand dann in diesem Tale viele Dinge, die zum besseren Fortkommen nötig waren. Einige notwendige Werkzeuge und Gerätschaften hatten sie ohnehin mit sich gebracht auf den Rücken ihrer mitgenommenen etlichen Lasttiere, mittels deren sie sich im Anfange zur Notdurft ihre Hütten und Vorratskammern erbauen konnten; alles weitere hatte ihnen der Geist Gottes gezeigt und mit ihrer geringen Mitmühe verschafft. 14. In einer kurzen Zeit von etlichen Jahren waren sie schon mit allem ganz wohl versehen, hatten große Herden von den edelsten Gebirgsziegen mit feinster Wolle und Gazellen und Lamas und eine Menge seltsames und zahmes Geflügel und Rehe und Hirsche, die sie alle zu zähmen und zu ihrem Nutzen zu gebrauchen verstanden. 15. Und nun seid ihr zu einem Volke angewachsen und seid irdisch wohlhabend geworden; aber ihr habt angefangen, zu sehr auf den irdischen Gewinn zu sehen und habt dadurch schon vieles von eurer inneren Weisheit verloren! 16. Ihr werdet aus dem, was Ich euch nun der vollen Wahrheit nach gesagt habe, wohl erkannt haben, daß Mir alle eure Lebensverhältnisse wohlbekannt sind, und Ich könnte euch noch gar viele andere Dinge von eurem Lande und von euren Lebensverhältnissen sagen; aber nun kommt die Reihe an euch, davon zu reden, aus welchem Grunde ihr hierher aus eurem fernen Morgenlande gekommen seid. Redet aber rückhaltlos die reine Wahrheit; denn Meinen Worten werdet ihr entnommen haben, daß man bei Mir mit einer Lüge oder verdeckten Rede nicht auskommen kann!“ Kapitel 105 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 105. — Der Bericht der Indojuden über den Zweck ihrer Reise 1. Hierauf öffnete der Verheiratete den Mund und sagte in gut verständlicher hebräischer Sprache: „O Freund, wer hat dich so über unser Land unterrichtet, das bis zur Stunde noch gar wenigen Fremden bekannt ist? Du hast die volle Wahrheit geredet, und es steht mit uns also; aber wie kamst du hinter unsere so tief verborgenen Geheimnisse?“ 2. Sagte Ich: „Das kümmere euch vorderhand nicht, sondern seid frohen Mutes, und du rede, was Ich von euch verlangt habe!“ 3. Hierauf öffnete abermals der, welcher verheiratet war, den Mund und sagte (der Indojude): „Lieber, uns noch völlig unbekannter Freund, siehe, wir haben wahrlich ein gesegnetes Gebirgsland, das noch einmal so viele Menschen und Tiere ernähren könnte, als es gegenwärtig ernährt; aber den Eigennutz und die Selbstsucht hat der Satan auch in unser Land verpflanzt! Die Ältesten, sein wollend die Weisen und Leiter des Volkes, haben das Land unter sich geteilt und haben das Volk zu ihren Dienern bestimmt, und so gibt es nun in unserem Lande bei siebenhundert Patriarchen, von denen beinahe ein jeder an zehntausend untergeordnete Diener beiderlei Geschlechts zählt. 4. Es gibt aber nun zwischen uns selbst schon einen gegenseitigen Neid und dadurch auch Zwietracht und Verfolgungen und somit auch kleine Kriege; denn da will ein jeder der Weiseste sein und auch der Reichste und Angesehenste, und es ist in unseren Tagen schon mehrere Male nahe daran gewesen, daß das dienende Volk aus den siebenhundert Patriarchen einen Weisesten zum Könige erwählen sollte. Aber das Volk ist noch klug und sagt: ,Gott allein ist unser aller Herr und König! Er hat uns aus der argen Gefangenschaft der Heiden in dies herrliche Land geführt, – sollen wir Ihm auch so ungetreu und ungehorsam werden, wie es Ihm einst unsere Väter zu den Zeiten Samuels, des letzten Richters, geworden sind? Das sei ferne von uns! 5. Sollte Gott auch durch den Mund eines Propheten die gerechte Klage über uns also erheben, daß Er mit der Stimme des Donners sagete: ,Siehe, dies Volk hat vor Mir schon so viele der größten Sünden begangen, als wie viel es da gibt des Grases auf der Erde und des Sandes im Meere, und zu allen diesen Sünden fügt es nun noch dadurch die allergrößte hinzu, daß es mit Meiner so väterlich guten und weisen Regierung unzufrieden ist und einen König, wie ihn die Heiden haben, mit allem Ungestüm verlangt!‘ Oh, das sei ferne von uns! Lieber wollen wir euch noch hundert Jahre als gute Arbeiter dienen und euch die unrecht an euch gerissenen großen Gründe um den bedungenen Lohn bearbeiten, als aus euch erwählen einen König! 6. Es steht aber auch geschrieben, daß Gott dereinst allen Juden einen König aus den Himmeln herabsenden werde, und unsere Weisen haben schon etwa Seinen Stern entdeckt und sind Ihn nach dem Laufe des Sternes suchen gegangen. Wenn sie wiederkommen werden, da werden wir es schon aus ihrem Munde erfahren, wie es mit der Ankunft des großen Königs aller Juden steht!‘ 7. Freund, diese Versammlung des Volkes zur Wahl eines Königs aus der Zahl der siebenhundert Patriarchen geschah vor dreißig Jahren nach unserer Zeitrechnung, und das Volk enthielt sich um so mehr bis zur Stunde von einer Königswahl, da nach einem Jahre unsere ausgegangenen sternkundigen Weisen wieder zurückkamen und uns treu und wahr ganz umständlich erzählten, wie und wo sie den neugeborenen König der Juden gefunden haben, und welche unerhörten Wunder aus den Himmeln Seine Geburt und Sein Dasein auf Erden verkündeten und verherrlichten! 8. Auf diese Nachricht, an die auch unsere siebenhundert Patriarchen glaubten, obschon einige mit sauren Mienen, unterblieb bis zur Stunde eine irgend erneuerte Königswahl. Es verstrichen aber seit jener Zeit schon mehr denn dreißig Jahre, und es wurden von uns zu verschiedenen Malen Kundschafter hierher gesandt, um zu erfahren, wie es mit dem Könige aller Juden, wo solcher auch auf der Erde immer wohnen möge, stehe. Selbst unsere alten drei Sternkundigen haben sich schon vor etwa ein paar Jahren wieder hierher begeben; ob sie schon wieder mit guter Nachricht heimgekehrt sind, das wissen wir nicht, da unser Wohnland nun um vieles größer ist, als es zur Zeit der ersten Besitznahme war und nun oft schon etliche Jahre dazu erforderlich sind, bis das ganze, nun sehr große und weit auseinander wohnende Volk erfährt, welche Nachrichten von außen her ins Land gebracht worden sind. 9. Es mögen daher die drei Weisen schon wieder vielleicht mit den besten Nachrichten nach Hause gekommen sein, so konnten wir dennoch aus dem treu und wahr angeführten Grunde nicht erfahren, was die abermals ausgegangenen drei für Nachrichten ins Land gebracht haben. Zudem hat uns auch die stets wachsende Herrschlust unserer Patriarchen mit allerlei Besorgnis erfüllt, als könnten sie etwa beim Vernehmen guter Nachrichten über den neuen Himmelskönig aller Juden stützig (widerspenstig) geworden sein und den Weisen strenge verboten haben, dem Volke solche Nachricht zu hinterbringen. Und so machten wir uns heimlich auf den weiten Weg, um hier in unserem alten Vaterlande auszukundschaften, wie es hier mit dem neuen Könige steht. 10. Unsere Reise war eine beschwerliche, da wir zu wenig Goldes und so auch nur wenig Edelsteine, die bei uns als Tauschmittel gebraucht werden, haben mit uns nehmen können. Wir mußten uns auf dem weiten Wege zum Teil von uns bekannten Wurzeln und zum Teil von der noch hie und da im Gebrauche stehenden Gastfreundschaft der Menschen durchbringen. Aber alle unsere Beschwerden hielten uns nicht zurück, Den suchen zu gehen, der uns – wie es in den Propheten geschrieben steht – von aller Not erretten kann und wird. 11. Wir sind nun trotz aller Beschwerden und Entbehrungen in das alte Vaterland der Juden gekommen, das etwa nach vierzig Jahren ihnen zurückgegeben ward, aber nun abermals unter der Herrschaft der Heiden – Römer genannt – steht, und wir hoffen denn nun auch mit großer Zuversicht, daß wir unsere weite Reise nicht vergeblich unternommen und gemacht haben. Gold, Silber und Edelsteine, womit man Könige zu ehren pflegt, haben wir freilich wohl nicht, aber ein aufrichtiges und den großen Himmelskönig aller Juden über und über liebendes Herz, das Er auch nicht zurückstoßen wird; und mit dem wollen wir Ihn ehren und preisen unser Leben lang! 12. Aber nun noch etwas, du lieber und überaus weiser und um alles wissender Freund! Ihr seid euer viele in dem Speisezimmer, und scheint mit allen Verhältnissen der Menschen auf der ganzen weiten Erde bestens vertraut zu sein und werdet sicher auch wissen, wo Sich der große König wohnlich befindet. Ist Er in Jerusalem oder in Bethlehem, wo Er nach der Aussage unserer drei Weisen, die auch den Ehrentitel ,Könige‘ in der Sternkunde besitzen, geboren worden ist, oder in irgendeiner andern Stadt des einst so großen und mächtigen Judenreiches anzutreffen, und wie und wann, auf daß wir dahin ziehen schon am morgigen Tage und Ihn aufsuchen?“ 13. Sagte Ich: „Freund, du hast deinen Weg wahrlich nicht umsonst gemacht, – aber weder in Jerusalem noch in Bethlehem und in einer andern stolzvollen Stadt wirst du Ihn, deinen neuen König der Juden, als bleibend wohnlich finden, da Er stets arm und ganz ohne allen äußeren Weltglanz von einem Orte zum andern zieht und die Menschen erkennen lehrt das Reich Gottes und dessen Gerechtigkeit; aber wo ihr es euch nicht versehet, wird Er sein und euch mit offenen Armen und Herzen aufnehmen! 14. Das Ehrenopfer aber, das ihr Ihm darbringen wollet und eigentlich schon dargebracht habt, wird Ihm wahrhaftest lieber sein denn alles, was die Menschen auf der Welt irgend als höchst wertvolle Schätze anerkennen und begierlich an sich zu reißen sich alle Mühe geben! Denn bei Ihm gilt nur ein reines, liebevolles, demütiges und mit aller Sanftmut erfülltes Herz; die Schätze der Welt aber sind vor Ihm ein Greuel und bekommen erst dann einen Wert, wenn sie zu den Zwecken der wahren Nächstenliebe verwendet werden. Wo sie aber als Nahrung für den menschlichen Geiz, für des Menschen Hochmut und Herrschsucht dienen und die Menschen zu Trägheit, Fraß, Völlerei, Hurerei, Raub, Mord und zu noch vielen andern Lastern verleiten, da sind sie auch aller Verdammung werte Greuel vor Ihm, der ein Herr ist über alles im Himmel also wie auf Erden. 15. Sein Thron ist die reine Liebe, und Sein alles überstrahlender Glanz ist die ewige und lebendige Wahrheit; wer an Ihn glaubt, Ihn über alles liebt und Seine Gebote hält, dem gibt Er aus Sich das ewige Leben. 16. Seht, so ist der neue König der Juden und auch der Heiden beschaffen und läßt Sich von jenen Menschen allzeit gern und sicher finden, die Ihn mit der wahren Liebe in ihrem Herzen suchen! Und da ihr Ihn also suchet, so werdet ihr Ihn auch sicher finden; denn Er Selbst wird euch unversehens entgegenkommen!“ 17. Sagte der Verheiratete: „O du lieber und sehr weiser Freund! Aus unseren Mienen kannst du lesen, welch eine große Freude du uns mit deiner Aussage und Beschreibung in bezug auf den großen König gemacht hast! Denn also muß Er sein nach der Weissagung der alten Weisen! Du aber mußt schon sehr oft und sehr viel mit Ihm zu tun gehabt haben, weil du Ihn gar so durch und durch zu kennen scheinst! Wie sieht Er denn so von Person gestaltlich aus? Möchtest Du uns nicht davon eine kleine Beschreibung geben?“ 18. Sagte Ich: „Seht, unser Wirt hat unterdessen für euch etliche gute Fische bereiten lassen! Gehet nun zuvor an euren Tisch, und verzehret sie; darauf erst wollen wir wieder weiterreden!“ 19. Darauf taten die vier freudig das, was Ich ihnen geraten hatte. Kapitel 106 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 106. — Der Traum des Mägdleins 1. Als die Fische verzehrt waren, da sagte der Wortführer zum Wirte: „O lieber Freund, du hast uns nun eine gute Stärkung für unseren Leib gegeben; aber mit dem Bezahlen wird es schlecht gehen!“ 2. Sagte der Wirt: „Meine lieben Stammesverwandten, für das habt ihr euch nicht zu sorgen, und so ihr wieder heimkehren werdet, da wird schon auch dafür gesorgt werden, daß ihr eure Rückreise nicht mit leeren Säcken machen werdet; darum seid nun frohen Mutes und habt keine Furcht und keine unnötige Sorge!“ 3. Sagte darauf das zwölfjährige Mägdlein, das nun, wohlgestärkt mit Speise und Trank, auch Mut zum Reden bekam, zu ihrem Vater: „Höre, du mein Vater, mir hat vor drei Tagen, als wir auch das Glück hatten, einen Menschenfreund im Wirte einer Herberge zu treffen, Wahres geträumt! Du hast zu mir freilich, wie immer, gesagt, daß die Träume der Kinder nichts zu bedeuten haben; aber ich habe im Traum dieses Zimmer gesehen und so auch die über alles freundliche Aufnahme in dieser Herberge. Aber ich habe im Traum noch viel mehr gesehen, was du aber, als ich es dir erzählen wollte, nicht anhören wolltest und mich zu schweigen nötigtest; aber mir kommt es nun hier vor, daß mein Traum ganz in Erfüllung gehen wird!“ 4. Sagte darauf der Vater zur Tochter: „Nun, was hat dir denn noch Weiteres, das nun hier in Erfüllung gehen solle, geträumt? Hier erlaube ich es dir schon, uns deinen Traum ganz zu erzählen!“ 5. Sagte das Mägdlein darauf: „Ganz werde ich dir den gehabten hellen Traum nicht erzählen, sondern nur die Hauptsache berühren, und diese besteht darin: Ich sah im Traumgesichte auch jenen großen Tisch und dieselben Männer um den Tisch sitzen. Und siehe, einer von ihnen war eben jener neue Himmelskönig, dessentwegen wir unsere Wanderung hierher unternommen haben! Ich könnte dir Ihn auch zeigen; aber ich habe nun eine Stimme in mir vernommen, die es mir verbot, solches zu tun, und der Stimme muß ich gehorchen! Weil aber alles aus meinem Traume hier in Erfüllung geht, so wird auch vielleicht das noch in Erfüllung gehen, daß wir eben hier Den finden werden, den wir über alles gerne finden möchten!“ 6. Sagte darauf, ganz überrascht, der Vater: „Mein liebes Kind, es kann wohl etwas Wahres in deinem Traume stecken, – aber deiner Traumaussage sogleich einen unbedingten Glauben schenken, wäre bei einer so hochwichtigen und heiligen Sache doch etwas zu sehr Gewagtes: daher heißt es da mit aller prüfenden Vorsicht zu Werke gehen! Ich werde mich darum wieder an jenen sehr weisen Mann, mit dem ich schon geredet habe und der offenbar ein Prophet ist, wenden; von dem werde ich am ehesten etwas Näheres über den Himmelskönig aller Juden erfahren. Ich habe ihn schon früher um die Personbeschreibung des genannten heiligen Königs gebeten; wenn er mir diese gibt, so wird es dann eben nicht gar zu Schwieriges mehr geben, Ihn ausfindig zu machen und auch zu erkennen!“ 7. Sagte nun auch das Weib zum Manne: „Höre, du mein Gemahl, das unschuldige und reine Gemüt eines Kindes ist Gott oft näher als das unsrige, das schon durch manche Leidenschaftlichkeit verunlautert worden ist, und sieht und erkennt die Nähe Gottes denn auch oft eher als das unsrige! Im Suchen und Finden sind die Kinder mit ihren scharfen Augen oft um gar vieles geschickter denn wir Alten. Du aber bist in manchen Dingen zu strenge prüfend, und ich habe es schon bei dir mehrere Male erlebt, daß du mit der Zeit das auch als echt und gut anerkannt hast, was wir dir gleich anfangs als echt und gut vorgestellt haben; wer weiß es, ob es dir diesmal nicht auch so ergehen wird!“ 8. Sagte der Mann: „Diesmal wünschte ich wohl, daß ihr recht haben möchtet! Aber nun gehen wir beiden Männer zu dem Weisen hin und bitten ihn noch einmal um die Personbeschreibung des großen Königs, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf dieser weiten Erde!“ 9. Auf diese Unterredung, die stets mit halblauten Worten geschah, auf daß sie von uns nicht vernommen würde, standen die zwei Männer auf und begaben sich wieder voll Ehrfurcht zu Mir und baten Mich um die Personbeschreibung des großen Königs. 10. Ich aber sagte mit freundlicher Miene zum Verheirateten: „Ihr habt zwar mit ganz leiser Stimme von dem Könige geredet und über den Traum deines Töchterleins geurteilt, und doch habe Ich jede Silbe wohl vernommen. Ihr möchtet von Mir die Personbeschreibung des Königs vernehmen, weil ihr der Meinung seid, durch sie den König, so ihr mit Ihm irgend zusammenkämet, alsbald zu erkennen und Ihm die Ehre zu geben. 11. Ich aber sage es euch: Der neue König der Juden muß von denen, die Ihn wahrhaft zu erkennen wünschen, vor allem im Geiste und aller Wahrheit erkannt werden, dann wird auch Seine Person bald und leicht erkennbar werden. Es hatte aber deine Tochter dir aus ihrem Traume vor drei Tagen unweit von Damaskus ja die persönliche Gestalt des Königs beschreiben wollen; warum wolltest du sie denn nicht anhören?“ 12. Sagte der Mann: „Liebster und sehr weiser Freund, weil bei mir, wie bei meinen Eltern und Voreltern, stets der weise Erziehungsgrundsatz gehandhabt ward, demnach Kinder wohl recht Gutes und Wahres hören, aber nur dann reden sollen, wenn sie um etwas gefragt werden, auf daß sie nicht zu losen Schwätzern werden; denn viel denken und danach handeln ist klüger denn viel schwätzen und dabei wenig tun. Und so wollte denn ich mir auch den Traum von meinem Kinde nicht alsogleich erzählen lassen, um es in der Geduld und Selbstverleugnung zu üben und zu stärken, was besonders dem weiblichen Geschlecht am meisten not tut, das seine Zunge ohnehin schwer zu bändigen imstande ist.“ 13. Sagte Ich: „Da hast du wohl ganz recht, – aber weil dein Töchterlein ohnehin von einer selten schweigsamen Gemütsbeschaffenheit ist, so hättest du von deiner festen Regel schon auch einmal eine kleine Ausnahme machen können; denn so sittsam und wohl erzogene Kinder stehen der inneren Lebenswahrheit gewöhnlich um vieles näher als jene erwachsenen Leute, die durch ihr unermüdsames Forschen ihr Gehirn mit vieler Weltweisheit so vollgefüllt haben, daß sie am Ende den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Bei dir ist das auch so recht stark der Fall; denn du wolltest dem alten Rufe deines Stammes keine Unehre machen, – was dir auch zu keinem Übel anzurechnen ist. Aber das wirst du auch schon selbst bemerkt haben, daß ein zu scharf geschliffenes Messer stets eher schartig wird, denn eines, das zwar ein wenig stumpfer, aber immer noch zur Genüge scharf geschliffen ist! – Aber dem sei nun, wie ihm wolle! Lasse du nun dein Töchterlein hierher kommen, und sie soll sich aus uns Den aussuchen, der ihr im Traum als der neue König der Juden ersichtlich geworden ist!“ 14. Sagte der Mann, der auf diese Meine Worte ganz verlegen geworden war, so wie auch sein Schwager: „O du liebster und unbegreiflich hochweisester Freund, sollte der heilig große König denn etwa wohl im Ernste unter euch sein?“ 15. Sagte Ich: „Das wird sich hernach schon zeigen; jetzt aber tue du das, was Ich dir anbefohlen habe!“ 16. Auf diese Worte ging der Mann hin und führte sein Töchterlein zu Mir. Kapitel 107 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 107. — Das Mädchen erkennt den Herrn 1. Als die Maid mit der ehrfurchtsvollsten Miene vor Mir stand, fragte Ich sie mit aller Freundlichkeit, sagend: „Nun, du Meine liebe Tochter, sage Mir es, welcher von uns bei diesem Tische Dem am meisten gleich schaut, der dir in deinem Traume vor drei Tagen als der große König aller Juden und als ein Herr Himmels und der Erde ersichtlich geworden ist!“ 2. Sagte die Maid: „O Herr, du setzest mich armes Kind nun wohl auf eine harte Probe!“ 3. Sagte Ich: „Warum nennest du, Mein liebes Töchterlein, das denn eine harte Probe?“ 4. Sagte das Töchterlein: „O Herr, wenn mich ein anderer darum gefragt hätte, so hätte ich ihm leicht zu antworten; aber weil gerade Du, der Du eben Selbst Derjenige bist, den ich im Traume als den großen und über alles mächtigen König nicht nur aller Juden, sondern aller Menschen gesehen habe, fragest, so ist mir das schwer zu sagen! 5. Aber da ich nun vor Dir, Du allmächtiger Herr und Herrscher von Ewigkeit zu Ewigkeit über alle Himmel und Welten, reden muß, so sage ich denn auch nun offen heraus: Du, o Herr, bist es Selbst! Dich sah ich im Glanze der Sonne! Zahllose Scharen der seligsten Engel umgaben Dich und priesen überhoch Deinen allerherrlichsten Namen. 6. Und ich fragte einen Weisen, der in meiner Nähe stand, wie Dein Name wohl laute. 7. Und der Weise sagte: ,Den Namen des Allerhöchsten konnte vom ewigen Uranfange an auch kein Engel aussprechen; denn Sein Name ist so unendlich groß wie der unendliche Raum Seiner Schöpfungen, von denen die Erde, die du bewohnst, kaum das ist, was ein winzigstes Stäubchen gegen die ganze, große Erde selbst ist. Aber der ewige Gott, Schöpfer und Vater hat aus übergroßer Liebe zu euch, Seinen Kindern, auf daß ihr euch Ihm vollauf nahen könnet, Selbst euer Fleisch angezogen und hat mit demselben auch einen Namen Sich gegeben, den jeder Mensch dieser Erde und auch jeder Engel fühlen und aussprechen kann; – und dieser heiligste Name lautet: Vater, Liebe, Wahrheit und Leben; als Menschensohn aber heißet Er Jesus!‘ 8. Auf das sah ich in großen Reihen Sonnen und Erden ohne Zahl und Maß vor Dir vorüberschweben, und alle waren voll der herrlichsten Wesen unseresgleichen und auch anderer wunderbarster Dinge, und wohin Du Dein Auge wandtest in die Tiefen des endlosen Raumes, ersah ich alsbald neue große und wundervollste Schöpfungen ins Dasein treten! O Herr, o Liebe, o Vater, o Du nun mein König Jesus! Wie endlos groß, mächtig und über alles heilig und herrlich bist Du in Dir Selbst von Ewigkeit zu Ewigkeit! Dir ist ewig niemand gleich! Oh, vergib es der Schwäche meiner Zunge, daß sie Dein Lob und Deine Ehre nicht würdiger auszusprechen vermag!“ 9. Hierauf sank das Mägdlein auf ihre Knie und lobte und pries Mich, vor lauter Liebe weinend, still im Herzen. 10. Als ihr Vater, ihr Oheim und auch ihre Mutter das vernahmen, sanken sie auch auf ihre Knie und fingen an, Mich laut anzubeten. 11. Ich aber sagte: „Stehet auf, ihr Meine lieben Kinder; denn der Vater will von euch nicht, wie etwa ein Götze von den Heiden, angebetet, sondern allein nur wahrhaft geliebt sein! Denn eurer Liebe zu Ihm wegen hat Er Sich von euch denn auch hier finden lassen! Den ihr suchtet, der bin Ich. Aber nun erhebet euch vom Boden, und seid frohen und heitern Mutes! Setzet euch nun zu diesem Tische, und labet euch mit dem Weine, mit dem Ich eure Becher füllen werde! Du, Töchterchen der lieblichsten Art, setze dich zu Meiner Rechten samt deiner Mutter, ihr beiden Männer aber setzet euch zu Meiner Linken! Es ist noch eine Stunde Zeit bis zur Mitternacht, und wir wollen da noch über gar sehr wichtige Dinge uns besprechen.“ 12. Als Ich solches ausgesprochen hatte, da erhoben sich die vier voll der höchsten Ehrfurcht vom Boden und sagten: „O Du nie begreifbar große Liebe, o Herr, König und Vater Jesus, laß uns an dem kleinen Tische dort wieder unseren früheren Platz einnehmen; denn wir fühlen uns zu unwürdig, nun in deiner vollsten Nähe zu sein!“ 13. Sagte Ich: „Was Ich einmal gesagt habe, bei dem hat es zu verbleiben! Bin Ich im Geiste denn nicht überall zugegen? Wohin wollt ihr euch wohl verstecken, auf daß euch nicht fände das Licht Meiner Augen? Darum seid nun heitern und frohen Mutes, darum daß Ich Mich von euch habe finden lassen! Denn nun bin auch Ich, wie ihr, ein Mensch mit Fleisch und Blut auf dieser Erde und bin wie ein Freund und Bruder unter euch.“ 14. Auf dies Mein Zureden setzten sich die vier denn endlich doch zu Mir, und das Mägdlein wandte ihre Augen nicht von Mir ab und ward nahe ganz leuchtend vor lauter Liebe zu Mir, was sogar Meinen Jüngern auffiel. 15. Ich aber sagte zum Wirte: „Bringe du vier reine und völlig leere Becher; denn Ich will diesen Meinen vier Freunden von Meinem Weine eine rechte Kräftigung zukommen lassen! Denn sie haben Mir zuliebe viele Tage alle Beschwerden, die arme Menschen auf einer so weiten Reise zu erdulden haben, mit aller Geduld und dabei doch mit einem wahren Heldenmut ertragen, und so sollen sie hier denn dafür entschädigt und belohnt werden!“ 16. Hierauf ging der Wirt und brachte vier reine und leere Becher und setzte sie vor die vier armen Gäste. 17. Als die Becher vor ihnen standen, sagte Ich, das Mägdlein ansehend: „Du, Mein allerliebstes Töchterchen, hast in deinem Traume gesehen, wie im endlosen Raum dort neue Schöpfungen entstanden, wohin das Licht aus Meinen Augen drang, – und nun siehe, Ich werde das Licht aus Meinen Augen in eure bis jetzt noch leeren Becher dringen lassen, und sie werden dann auch sogleich voll des reinsten Weines aus den Himmeln werden! Solchen Wein trinket dann aus Liebe zu Mir, und ihr werdet dadurch zu jener Kraft und Stärke gelangen, die euch den rechten Mut, mit Mir zu reden, geben wird, – und was Ich euch sagen werde, das werdet ihr leicht ertragen und behalten und werdet dann auch imstande sein, Meinen Namen in eurem Lande euren Brüdern zu verkünden.“ 18. Hierauf besah Ich die leeren Becher, und sie wurden im Augenblick voll des besten und reinsten Weines, worüber sich die vier über und über zu verwundern anfingen. 19. Als die vier Becher, nun mit dem besten Weine gefüllt, vor den vieren standen, da sagte Ich zu ihnen: „Habt nun keine Furcht und Scheu, und trinket den neuen, nun für euch geschaffenen Wein! Denn so wie Mein Wort und Wille den ganzen Menschen erweckt und belebt, also auch dieser Wein, der auch gleich ist Mein Wort und Wille; er wird euch erwecken und beleben zum ewigen Leben eurer Seelen! Und so denn trinket!“ 20. Auf diese Meine Anrede nahmen die vier voll Ehrfurcht die Becher in die Hand und tranken den Wein, da er ihnen zu wohl schmeckte, bis zum letzten Tropfen aus. Als sie den Wein im Leibe hatten, da verließ sie die übertriebene Ehrfurcht vor Mir und wandelte sich in Liebe um, und diese erst gab ihnen den rechten Mut, mit Mir also offen zu reden, als wie offen und zutraulich da reden die Kinder mit ihren Eltern. Kapitel 108 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 108. — Von der Kraft des Geistes 1. Und so denn fragte Mich zuerst das Mägdlein, sagend: „O Herr und Meister und höchster König voll göttlicher Macht und Kraft, wie war es Dir doch möglich, diesen wahren Himmelswein rein aus nichts in den Bechern zu erschaffen, und das so plötzlich, daß man sich nicht versehen konnte, wie er in die Becher kam? Ich weiß wohl, daß der göttlichen Kraft nichts unmöglich ist, und daß Gott alles, was da ist, erschaffen hat und noch gleichfort erschafft; aber bei dem Erschaffen beachtet Gott stets also eine gewisse Ordnung, daß da, um ein vollendetes Ding ins Dasein zu setzen, immer eins dem andern vorangeht und die Hauptsache dann auch immer als eine Folge der oft recht vielen Vorangänge erscheint und auch aller Wahrheit nach ist. 2. Ja, der Wein, den die Rebe gibt, ist nicht minder ein Wunder! Aber bei dem Werden des Weines von der Rebe her gibt es gar viele Vorgänge bis zur vollreifen Traube; hier bei der wahren Erschaffung des allerbesten Weines in den Bechern aber gab es keinen Vorgang, sondern Du wolltest, – und die Becher waren schon voll Weines! Wie ist das doch wohl möglich?“ 3. Sagte Ich: „Höre, du Mein liebes Töchterlein, du bist zwar erst volle zwölf Jahre alt; aber dein Verstand reicht über vierzig Jahre wohlgebildeten Alters! Mit solch einer Frage ist Mir noch kaum jemand zum Vorschein gekommen. Ja, du Mein liebes Töchterlein, die Frage, die du hier gestellt hast, ist wohl recht klar und verständlich, – aber die darauf zu gebende Antwort wird euch offenbar nicht ebenso klar und verständlich vorkommen; aber weil du schon gefragt hast, so sollst du von Mir auch eine Antwort bekommen. 4. Siehe, der Wein, der durch die Rebe nach und nach bereitet wird, ist eben ein solches Wunder wie dieser, den Ich für euch hier plötzlich erschaffen habe! Ich könnte gleichfort den Wein und auch alles andere also erschaffen, gleichwie erschaffen wird in der Luft die Wolke und der Regen, und wie Ich nun auch für euch den stärkenden Wein erschaffen habe aus der Luft, in der schon alle Bestandteile, die zum Weine gehören, vorhanden sind gleichwie auch alles, was zur Hervorbringung aller anderen Kreaturen erforderlich ist; aber der Mensch kann das mit seinen Fleischesaugen nicht sehen, sondern der Geist nur kann das sehen, sondern und vereinen, und so denn entweder plötzlich oder – wegen der Probung des menschlichen Verstandes, der Liebe und der Geduld und wegen der Erweckung der Tätigkeit und Hintanhaltung der Trägheit der Menschen – nach und nach auf die euch als natürlich bekannte Weise bewerkstelligen. Immer aber ist es ein und derselbe Geist, der ganz allein nur alles so oder so zu bewirken imstande ist, weil er uranfänglich der Grund von allem ist und auch ewig sein wird; denn alles, was da ist, ist im Grunde des Grundes nur des Geistes Macht, Kraft, Liebe, Weisheit und Wille. 5. Auch ein jeder Mensch ist im Besitze solch eines Geistes, der aber erst dann im Menschen wirkend auftritt, wenn er völlig nach dem erkannten Willen Gottes tätig wird und sein Geist auf dem Wege der reinen Liebe zu Gott und daraus zum Nächsten mit der Seele im Menschen sich vereinigt und sie dadurch selbst zur puren Liebe und Willen Gottes wird. Ist das im Menschen vor sich gegangen, dann ist er auch Gott ähnlich und kann auch Dinge bewirken, von deren Grunde kein pur äußerer Menschenverstand sich einen Begriff machen kann. 6. Nun aber seid ihr an der Quelle, Gottes Willen zu hören und für euer Leben zu erkennen; wenn ihr danach tätig geworden sein werdet – was von eurem völlig freien Willen abhängt –, so werdet ihr dadurch den allmächtigen Willen Gottes zu dem eurigen machen und durch ihn alles vermögen. 7. In dem Willen Gottes aber lebt auch die höchste Weisheit, daher er auch nichts bewirken kann und will, was da wider die Weisheit Gottes wäre. Wer demnach den Willen Gottes sich durch die Taten danach zu eigen gemacht hat, der hat sich auch die Weisheit Gottes zu eigen gemacht, ohne die der Wille nichts zu bewirken imstande wäre; und so ist denn ein Mensch, der dem Willen Gottes gemäß handelt, voll des wahren Lebenslichtes und voll der durch die Liebe zu Gott und zum Nächsten lebendigen Weisheit. Und siehe nun, du Mein allerliebstes Töchterlein, da hast du nun eine vollgültigst wahre und alles besagende Wahrheit auf deine Mir gegebene Frage; und nun sage Mir, ob du sie auch verstanden hast!“ 8. Sagte das gar wohl erzogene und gut gebildete Töchterlein: „O Du über alles großer und mächtiger König, Herr und Meister, es kommt mir wohl vor, als hätte ich den rechten Sinn Deiner Worte begriffen; aber in die klare Tiefe dieser nur einem reinsten Geiste wohl begreiflichen Weisheit werde ich erst sicher nur dann zu dringen imstande sein, wenn auch ich es dahin werde gebracht haben, wo meine Seele mit dem Geiste nach Deinem Worte eins sein wird. Dank Dir, o Herr und Meister, für Deine allerweiseste Belehrung!“ 9. Sagte Ich: „Du hast nun ganz wohl geredet, und Ich sage es dir, daß du eher noch, als du denkst, in den Zustand, den Ich dir als den vollkommenen und Gott ähnlichen gezeigt habe, gelangen wirst; denn du hast schon die rechte Liebe zu Mir und so auch eine rechte Liebe zum Nächsten. Diese Liebe ist das einzige und sicherst wirkende Vereinigungsmittel des Geistes mit der Seele, weil solche Liebe in der Seele schon der eigentliche Geist Gottes ist; laß ihn durch gute Taten stark werden, und du wirst dich dann bald von seiner wunderbaren Macht und Kraft in dir und auch außer dir gar wohl überzeugen. 10. Wer Gott mit seinem Verstande zu suchen und zu ergründen strebt, der hat eine mühevolle Arbeit und kommt schwer auch nur um einen Schritt weiter; wer aber Gott sucht mit der Liebe im Herzen, der findet Ihn bald und erreicht leicht das wahre Lebensziel. – Verstehst du das?“ 11. Sagte das Mägdlein: „O Du großer Herr und Meister, das habe ich nun wohl verstanden; denn es ist in mir nun auf einmal helle geworden, und ich begreife nun auch schon Deine mir gegebene Antwort auf meine Frage um vieles heller denn ehedem. Also begreife ich nun meinen Traum und sehe es ein, daß solchen nur Dein Geist in meiner Seele geschaffen hat, ansonst sie aus sich sicher nicht imstande gewesen wäre, in die ewig nie ermeßbaren Tiefen Deiner Schöpfungen einen so hellen Blick zu tun!“ 12. Sagte Ich nun zu den Eltern des Mägdleins: „Dieses Kind wird euch noch zu einer Leuchte werden! Aber so sie euch aus Meinem Geiste in ihr so manches kundtun wird, da machet es nicht ebenso, wie vor drei Tagen in der Nähe von Damaskus! Nun aber sollen eure Becher noch einmal gefüllt sein, und ihr sollet sie auch zum zweiten Male leeren!“ 13. Sagte hierauf das Weib: „O Herr, laß das; denn wir sind nun gesättigt und gestärkt zur Übergenüge!“ 14. Sagte Ich: „Weib, was geht das dich an, was Ich euch tue! In dem Weine ja, den die Rebe euch bringt, ruht auch ein betäubender und den Menschen verunreinigender Geist, der die Seele nicht erleuchtet, wohl aber verfinstert. Aber in dem Weine, den Ich hier euch aus den Himmeln gebe, liegt der Geist der wahren und lebendigen Liebe und Weisheit; denn er ist eigentlich Mein Wort und Mein Wille. Darum sollet ihr ihn denn auch trinken ohne Furcht und Scheu, auf daß ihr kräftig werdet, in eurem Lande den andern Menschen in Meinem Namen kundzumachen Mein Wort und Meinen Willen!“ 15. Als Ich dieses gesagt hatte, da baten Mich alle vier, daß Ich die Becher doch noch einmal mit dem Wunderweine füllen möchte. Und Ich besah die Becher, gleichwie ehedem, und sie wurden alsbald voll des besten und reinsten Weines. Darauf behieß Ich die vier, daß sie die Becher leeren sollten; und sie taten das mit aller Lust und Freude. 16. Als sie auch diesmal den Wein ausgetrunken hatten, da fingen sie im Herzen an, stets heller und offener zu werden, und der Verheiratete fing an, ganz weise zu reden, so daß sich auch Meine Jünger darob hoch zu wundern anfingen und auch einige (Jünger) unter sich die Bemerkung machten, sagend: „Siehe, diese Indier machte Er mit einem paarmaligen Trunke vom Wunderweine weise und in die ganze Lehre eingeweiht; warum tut Er das nicht auch den andern Menschen?“ 17. Sagte Ich: „Was kümmert euch das, so Ich tue, was Ich will? Weiß Ich doch für jede Pflanze die geeignete Kost zu verschaffen und jedem Tier die ihm zusagende Nahrung zu geben, so werde Ich wohl auch verstehen, wie Ich einem und dem andern Menschen die geistige Nahrung zu verschaffen und darzureichen habe. Ihr seid stets um Mich und höret und sehet alles; merket es euch aber auch, wie Ich die Menschen behandle, und wie Ich sie je nach der Art ihrer Seele belehre, und tut desgleichen, und ihr werdet gute Wirkung machen! Diese vier aber sind nur bis morgen mittag bei Mir, und sie sollen Mir dennoch zu einem Rüstzeuge werden; darum befähige Ich sie, weil ihre Seelen also tauglich sind, denn auch schneller für solch ein Amt, wie Ich auch die zweiundsiebzig Jünger in Emmaus dazu befähigt habe. – So ihr das nun verstehet, da gebt euch zufrieden!“ 18. Auf das wurden alle Jünger wieder ruhig. Ich aber belehrte die vier noch weiter vom Reiche Gottes. 19. Nachdem Ich die vier vom Reiche Gottes im Menschen auf dieser Erde wohl belehrt und ihnen auch die Wirkungen desselben gezeigt hatte, wie auch, daß Mein Königtum und Reich nicht von dieser Welt ist, dann sagte Ich dem Wirte, daß er den vieren eine Ruhestätte anweisen solle, da es bereits eine Stunde über die Mitte der Nacht geworden war. Der Wirt tat das sogleich, und die vier begaben sich zur Ruhe. Wir aber blieben, wie zu öfteren Malen, an unserem Tische und ruhten allda bis zum Aufgange der Sonne; auch der Wirt ruhte neben uns an einem kleinen Tische. 20. Am Morgen war der Wirt nach seiner Gewohnheit schon um eine Stunde vor dem Aufgange auf den Beinen und besorgte alles in seiner Wirtschaft vor dem Aufgange der Sonne; denn es war der Sabbat, an dem mit dem Aufgange der Sonne alle knechtliche Arbeit bis zum Untergange ein Ende hatte. Also ließ er auch das Morgenmahl vor dem Aufgange bereiten, damit es auch vor demselben verzehrt werden solle; denn in dieser Hinsicht war er ein strenger Jude. Kapitel 109 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 109. — Wahre Sabbatheiligung 1. Da Ich aber solche seine Schwäche wohl kannte, so stellte Ich ihn dadurch auf eine Probe, daß Ich bis zum vollen Aufgange der Sonne samt Meinen Jüngern schlief, was dem Wirte sein Sabbatsgewissen zu beunruhigen anfing. 2. Nachdem die Sonne vollends aufgegangen war, erhob Ich Mich samt den Jüngern vom Tische und ging ins Freie, wie auch sonst allerorts zumeist. 3. Der Wirt aber kam Mir alsogleich nach, grüßte Mich und auch die Jünger ehrerbietigst und fragte Mich, sagend: „O Herr und Meister, was soll nun geschehen? Es ist heute Sabbat! Das Morgenmahl aber ist schon vor dem Aufgange bereitet worden. Wirst Du es wohl auch nun nach dem Aufgange zu Dir nehmen wollen, und soll ich auch den vieren aus Indien am Tage ein Essen darreichen?“ 4. Sagte Ich: „O du Mein lieber Freund, siehe, du bist sonst in allen Stücken ein recht weiser Mann, aber was da betrifft die Feier des Sabbats, da bist du noch gleich den blinden Pharisäern, die da sich nach dem Buchstaben des Gesetzes richten, aber den Geist desselben noch niemals erkannt haben. So du am Sabbat deine Schafe, Ochsen, Kühe, Kälber, Esel und Ziegen gleich wie an einem Werktage fütterst – was doch auch eine knechtliche Arbeit ist –, warum sollen denn die Menschen fasten? Sind denn die Menschen vor Gott minder denn deine Haustiere? Zudem bin Ich ja heute also wie vor Ewigkeiten auch ein Herr des Sabbats, wie eines jeden andern Tages, der, gleich wie der Sabbat, auch ein Tag des Herrn ist. Sollte Ich denn an einem Sabbat nicht tun gleich wie an jedem andern Tage? 5. Wer läßt denn die Sonne aufgehen, wer das Gras wachsen, wer die Winde wehen und die Wolken ziehen? Wer treibt das Wasser in den Quellen, Bächen, Flüssen und Strömen, wer bewegt das Meer von einem Ende der Erde bis zum andern? Wer treibt dein Blut in den Adern und das Herz in der Brust – wohl gemerkt – auch am Sabbat? 6. So Ich ruhete an einem Sabbat auch nur einen Augenblick, ginge da nicht die ganze Schöpfung zugrunde? 7. Siehe, Werke der wahren Nächstenliebe verrichten, heißt bei Mir wahrhaft Gott und den Menschen dienen, – was sicher höher steht, als mit der Trägheit den Sabbat feiern! Verrichte demnach gute Werke auch am Sabbat, und du wirst dadurch den Sabbat Mir, dem Herrn, am wohlgefälligsten feiern! 8. Und nun gehen wir wieder in den Speisesaal und nehmen das Morgenmahl zu uns, und dasselbe sollen auch die vier Indojuden tun, die erst übermorgen ihren Sabbat haben!“ 9. Als der Wirt diese Meine Worte vernommen hatte, sah er auch sogleich die große Torheit der äußerlichen Sabbatfeier ein und ging und ließ das Morgenmahl auf den Tisch bringen, und wir gingen denn auch in den Speisesaal, setzten uns zu Tische und nahmen ganz wohlgemut das Morgenmahl zu uns. 10. Es kamen aber auch die vier Indojuden, und Ich behieß sie, an unserem Tische Platz zu nehmen und mit uns das Morgenmahl zu verzehren, was sie denn auch sogleich mit aller Freude taten; denn sie wußten es nicht, daß in Galiläa, wie auch im ganzen Judenlande, an diesem Tage der Sabbat gefeiert wurde. 11. Als wir das Morgenmahl zu uns genommen hatten, da ging der Sabbatrufer durch die Straßen des Städtchens Kana und behieß die Menschen, in die Synagoge zu gehen, groß und klein und jung und alt. Hier erschraken die vier, weil sie nun erfahren hatten, daß dieser Tag der wahre, alte Judensabbat sei und sie nach dem Aufgange ein Morgenmahl zu sich genommen hatten. 12. Ich aber sagte: „Ich bin der Herr auch des Sabbats! So Ich euch das wahrlich zu keiner Sünde rechne, warum sollet ihr dann euer Gewissen belästigen (belasten)?“ 13. Sagte der Mann: „Wir danken Dir, o Herr, für dies Dein unsere Herzen mächtig tröstendes Gnadenwort; denn hätten wir gesündigt nun vor Dir, so hättest Du uns das sicher gesagt und uns zurechtgewiesen. Aber wie ist das vor Dir nun keine Sünde, was nach dem Gesetze Mosis als eine Sünde bezeichnet wurde? Warum hat denn Moses hernach dem Volke solche Gesetze, als von Gott ausgehend, gegeben?“ 14. Sagte Ich: „Du bist sonst ein recht weiser und in der Schrift Mosis wohlerfahrener Mann, den Buchstaben kennst du wohl, und das Wort ist dir nicht fremd; aber der wahre, alles lebendig machende Geist, der im Worte verborgen ist, ist dir noch fremd, gleichwie er allen Juden schon lange vor der Babylonischen Gefangenschaft fremd geworden ist. Darum hältst du dich auch noch an die tote Baumrinde; aber das lebendige Mark im Innern des Baumes ist dir fremd in seiner Wesenheit und Tätigkeit. Wenn du die alte Rinde eines Baumes irgend verletzest, so wird das dem Leben des Baumes keinen irgend nur im geringsten merklichen Schaden bringen; wenn du aber das Mark eines Baumes verletzest, so wird das eine Sünde gegen des Baumes Leben sein, weil der Baum darauf verdorren und also sterben wird. 15. Siehe, die Israeliten sind in Ägypten unter den Pharaonen träge und gleich den Tieren gefräßig geworden und haben den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs sehr zu vergessen angefangen und hielten schon große Stücke auf die Götzen der Ägypter; nur wenige noch blieben dem einen, wahren Gott getreu, und diese baten Gott, daß Er Sein Volk aus der harten Knechtschaft und gewissenlosesten Tyrannei der Ägypter erretten möchte. Und Gott tat das durch Moses, wie es dir wohlbekannt ist. 16. Moses aber hatte dann durch vierzig Jahre in der Wüste mit der täglich sichtbaren Hilfe Jehovas vollauf zu tun, um das entartete Volk durch weise Lehren, wie durch geeignete Gesetze in den Stand zu erheben, in welchem sich ein Mensch nach der Ordnung Gottes befinden soll. Dazu waren denn für ein entartetes Volk auch Gesetze notwendig, die dem Menschen vorschrieben, wann, was, wieviel und wie oft er an einem Tage essen und trinken solle, und wie sich bekleiden und am Leibe reinigen. 17. Ebenso ward durch Moses dem zur Trägheit sehr geneigten Volke, das an jedem Tage nichts tun wollte, nur der siebente Tag zur Feier und Ruhe gegeben, an dem es von den Führern über Gott, Seine Ordnung, über Seinen Willen und Seine Führungen belehrt und vor der Widerspenstigkeit gegen die Gesetze auf das ernstlichste gewarnt worden ist. 18. So aber ein Mensch sich die Ordnung Gottes zu eigen gemacht hat und in allem, was da gut, wahr und recht ist, aus seinem freien Willen tätig geworden ist, so kann das für ihn ja keine Sünde sein, wenn er als ein völlig gesunder Mensch sich nicht mehr der Arzneien bedient, deren sich ein Kranker zu bedienen hat. Darum wirst auch du als ein gottesfürchtiger und gerechter Mann dich nicht wider die Sabbatfeier versündigen, wenn du allzeit mäßig auch nach dem Aufgange, zu Mittag und auch, so es dich hungert, vor dem Untergange Speise und Trank zu dir nimmst und deinem Nächsten, wie an einem Werktage, Gutes erweisest. Wie Ich tue, so tue auch du, und du wirst recht tun und leben! 19. Was gewinnt denn die Sabbatfeier dadurch, so die Juden oft schon bei drei Stunden vor dem Aufgange der Sonne übermäßig sich vollfressen und vollsaufen, derart, daß sie den ganzen Sabbat über kaum gehen und stehen können und nach dem Untergange wieder zu prassen und zu schwelgen anfangen bis zur Mitte der Nacht, daß sie darauf auch am nächsten Werktage zu keiner Arbeit fähig sind? Wisse! Solch eine Sabbatfeierhaltung ist vor Mir wohl ein Greuel; aber den Sabbat so zu halten, wie Ich es dir nun gezeigt habe, ist Mein Wille und daher Mir denn auch sicher wohlgefällig. Darum denke dir allzeit: Der Buchstabe des Gesetzes tötet; nur der innere Geist der Liebe und Wahrheit macht lebendig.“ 20. Als der Mann solches von Mir vernommen hatte, dankte er Mir mit den andern dreien für diese Belehrung, und alle wurden vollends heiteren Mutes. 21. Es fragte Mich aber darauf der Wirt, ob er mit den Seinen in die Synagoge gehen solle, oder ob er auch daheim bleiben könne. 22. Sagte Ich: „Wer ist denn mehr, Ich oder die Synagoge? Laß dein Gesinde hingehen und schicke dem Rabbi ein Opfer, das ihm um vieles lieber ist denn deine Gegenwart, – du aber bleibe daheim; denn es wird bald eine Karawane von Persien hier anlangen und dir viel zu schaffen geben!“ 23. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, diese kommt mir heute als an einem Neumondssabbat sehr ungelegen; denn wir Wirte haben ein strenges Gesetz, auf solch einen Sabbat nicht einmal einen Juden, geschweige erst einen Fremden in die Herberge aufzunehmen!“ 24. Sagte Ich: „Gutes tun auch an einem Sabbat ist recht vor Mir, wie Ich das dir und soeben auch den Indiern gesagt habe, wenn du aber eine eitle Furcht vor dem Obersten der Synagoge hast, so sende durch deinen Oberdiener ein Dispensopfer dem Obersten, und er wird dir die Erlaubnis gern erteilen!“ 25. Der Wirt tat das, und der Oberdiener brachte ihm sogleich eine Dispenskarte, gültig für drei Sabbate, worüber der Wirt sehr froh war; denn die Karawane brachte ihm den hundertfachen Gewinn von dem, was ihn die Karte gekostet hatte. 26. Darauf aber fragte Mich der Wirt, sagend: „Herr und Meister! Ist es aber auch recht von seiten des Obersten der Synagoge, mir gegen ein Dispensopfer zur Schändung des Sabbats – was vor ihm als eine übergroße und strafbarste Sünde gilt, zu gestatten, solche mit meinem ganzen Hause zu begehen, und das ohne irgendeine Besorgnis, als hätte ich dafür je eine Strafe zu befürchten?“ 27. Sagte Ich: „Freund, so der Oberste die Sabbatschändung im Ernste für eine Sünde hält nach seinem Gewissen aus seinem Glauben, so fällt die Sünde auf seine Rechnung, da er sie ums Geld von andern begehen läßt; hat er aber keinen Glauben und tut vor dem Volke aber dennoch also, als glaubte er fest und ungezweifelt daran, was er nach der Schrift als eine höchst strafbare Sünde zum Scheine zu halten vorgibt und darüber scharfe Strafpredigten hält, so ist er durch die um Geld gegebene Erlaubnis zur Begehung einer Sünde nicht nur ein so oftmaliger Sabbatschänder, als wie vielen er um Geld die Erlaubnis zur Sabbatschändung erteilt hatte, sondern er begeht dadurch noch die viel größere Sünde der Lüge, der Heuchelei und des Geizes, weil er seinen Glauben seiner Habsucht wegen aufgegeben hat. 28. Wer aber, wie du nun, eine Erlaubnis zu der sogenannten Entheiligung des Sabbats erhalten hat, der kann um so getroster am Sabbat gute Werke verrichten, weil also den Sabbat zu feiern eben Mein Wille ist!“ 29. Als der Wirt solches von Mir vernommen hatte, da sagte er alsogleich zu seinen Hausleuten, daß sie nun alles herrichten sollten, was zur Bewirtung einer großen Karawane erforderlich ist. 30. Und alles verteilte sich zur Arbeit und mit einem desto größeren Eifer, weil der Vortrab der Karawane bereits vor der Herberge ankam. Kapitel 110 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 110. — Die Karawane aus Persien in der Herberge 1. Es merkten aber das einige sehr sabbathalterische Nachbarn, wie des Wirtes Leute so tätig wurden wie an einem Werktage, und kamen darum zum Wirte und sagten: „Du scheinst nicht zu wissen, daß heute ein Neumondssabbat ist?“ 2. Der Wirt aber sagte: „Kehret ihr vor euren Haustüren; ich habe vor der meinigen schon gekehrt! Da ist vom Obersten der um ein Opfer gelöste Erlaubnisschein, und ihr habt euch um mich weiter nicht zu kümmern!“ 3. Auf diese Worte gingen die Nachbarn wieder von dannen, und die Hausleute erwarteten die schon durch die Stadt daherziehende Karawane. Als diese mit ihren Kamelen und allerlei Waren vollends in dem großen Hofraum angekommen war und des Wirtes Knechte für die Lasttiere das hinreichende Futter herbeigeschafft hatten, da kam ein Dolmetscher und sagte dem Wirte, welche Speisen er für die angekommenen Handelsleute aus Persien bereiten solle. 4. Der Wirt aber sagte: „Was in meiner Macht steht, werde ich euch sicher dienen! Aber du hast etwelche Getränke und etwelche besonderen Speisen verlangt, die mir als einem Juden bisher fremd waren, und ich besitze solche Dinge nicht; aber Fleisch nach unserer Sitte, sehr rein und schmackhaft zubereitet, könnet ihr haben, ein feines Weizenbrot, Honig, Milch und Käse, wie auch sehr edle Fische aus dem nicht ferne von hier liegenden Meere Galiläas.“ 5. Auf diese Worte entfernte sich der Dolmetscher, ging hinaus zu seinen Herren und gab ihnen kund, womit sie in dieser Herberge bedient werden könnten; und diese stellten sich zufrieden. 6. Bald darauf traten sie in einen zweiten, größeren Speisesaal, in dem die Tische und die hinreichende Anzahl Stühle und Bänke schon in der besten Ordnung hergestellt waren. Alle nahmen sogleich Platz und ließen sich sogleich Brot, Wein und Salz geben, was denn auch eiligst herbeigeschafft wurde; und alle lobten den Wein und das Brot und gestanden, noch nie ein so gutes Brot gegessen und einen so feinen und köstlichen Wein getrunken zu haben. 7. Der Wirt aber begriff anfangs solches einmündige Lob der vielen persischen Handelsleute selbst nicht und sagte zu Mir: „Herr und Meister, es kamen schon zu gar öfteren Malen derlei Karawanen aus dem fernen Morgenlande hier an und haben wohl alles für gut und billig befunden; aber daß sie meinem Brote und Weine ein gar so außerordentliches Lob erteilt hätten wie diesmal, dessen kann ich mich wahrlich nicht erinnern! Hast Du, o Herr und Meister, denn da schon wieder ein neues Zeichen gewirkt?“ 8. Sagte Ich, der Ich Mich unter der Zeit mit den vier Indiern, sie über manches belehrend, abgegeben hatte: „Gehe in deine Brotkammer und in deinen Weinkeller, und sieh nach!“ 9. Da ging der Wirt nachzusehen und fand in der Brotkammer sowie in dem Weinkeller einen großen Vorrat, und sein Weib ebenso daneben auch in der Speisekammer und in den großen Fischbehältern, kam wieder, dankte Mir aus vollem Herzen und sagte darauf: „Aber Herr und Meister, was habe ich denn je so viel Verdienstliches vor Dir getan, daß Du mich nun schon zum zweiten Male einer so großen Gnade für würdig befunden hast?“ 10. Sagte Ich: „Wer allzeit, dir gleich, gegen Fremde gut, gerecht, billig und erbarmungsvoll handelt und die Armen aufnimmt und vor keinem sein Herz und die Tür seines Hauses verschließt, vor dem verschließe auch Ich Mein Herz nicht, das da ist die wahre Eingangstür ins Himmelreich, das da ist das ewige und seligste Leben der Seele. Und Ich weiß es, daß du allzeit also gehandelt hast. Und so wisse denn auch, daß Ich auch dir gegenüber stets also handeln werde, wie du in Meinem Namen gegen deine Mitbrüder handeln wirst! Und was dir gilt als wohl verheißen aus Meinem Munde und Herzen, das gilt auch jedem zu allen Zeiten der Erde, der dir in allem gleich sein wird. 11. Oh, Ich weiß es gar wohl, wie es dir, als einem Wirte einer Herberge, oft sehr knapp mit allen deinen Vorräten ging und dein sonst recht braves Weib dir bittere Vorwürfe darum machte, weil du nach ihrer Ansicht zu billig gegen die Fremden und zu gut und barmherzig gegen die Armen warst! Aber du sagtest: Wer gerecht und billig gegen seine Mitmenschen denkt und handelt, den verläßt Gott niemals; und wer den wahrhaft Armen Barmherzigkeit erweist, der wird auch bei Gott allzeit Erhörung seiner Bitten und also auch Barmherzigkeit finden. 12. Und siehe, weil du eben also in deinem Herzen lange zuvor dachtest und nach deinen Kräften auch also handeltest, als du Mich in Meiner Person erkannt hast, so kam Ich denn auch nun schon zum zweiten Male zu dir und erweise dir, was du Mir an den vielen Mitmenschen erwiesen hast; denn was jemand den Armen in Meinem Namen tut und auch gerecht und billig gegen die Fremden ist, das hat er Mir getan, und Ich werde es ihm vergelten hier schon und gar vielfach im andern Leben. Und so wirst du jetzt denn auch leicht begreifen, Wer, und warum, deine Vorräte nun so reichlich gesegnet hat!“ 13. Als der Wirt das nun aus Meinem Munde erfahren hatte, dankte er Mir abermals und ging hinaus in die Küche und sagte das alles auch seinem geschäftigen Weibe, das denn auch alsbald zu Mir in den Saal kam und Mir dankte für die erwiesenen vielen Gnaden und Erbarmungen. 14. Ich aber sagte zum Weibe: „Habe auch du stets das Herz deines Mannes, und du wirst fortan gesund bleiben am Leibe und an der Seele! In der Zukunft soll euch keine Not mehr drücken! Nun aber gehe du wieder an dein Geschäft!“ 15. Das Weib dankte mir nochmals und begab sich darauf eiligst in die Küche, wo sie viel zu tun hatte. Kapitel 111 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 111. — Der Herr heilt den erkrankten Geschäftsleiter der Kaufleute 1. Darauf kamen ein paar Perser mit dem Dolmetscher zu uns und verlangten, mit dem Wirte zu sprechen. 2. Der Wirt fragte sie sehr freundlich, was sie für ein Anliegen hätten. 3. Und der Dolmetscher sagte: „Lieber Freund, wir sind schon etliche Male hier eingekehrt und haben an dir stets einen gerechten und billigen und sonach auch einen seltenen Menschenfreund gefunden, darum wir dich denn auch diesmal bei unserer Handelsreise nach Tyrus besucht haben. Wir waren mit dir stets zufrieden, und du wirst dich auch nie über uns zu beklagen eine Ursache gehabt haben. Diesmal aber hat uns auf der Reise hierher ein Ungemach irgend nach einem nie erforschbaren Ratschlusse eines Gottes heimgesucht, was uns im Geschäft zum Wohle der Unsrigen daheim recht sehr beirrlich (hinderlich) ist. 4. Wir haben zwar an unseren mitgenommenen Schätzen und Waren nichts verloren, aber was im Grunde beinahe schlimmer ist denn irgendein vorerwähnter Verlust, das ist die Erkrankung unseres ersten und besten Geschäftsleiters. Er hat schon ein paar Tage hindurch geklagt, daß er von ungewöhnlichen Schmerzen im Magen und auch im Kopfe von Zeit zu Zeit befallen werde. Als wir uns nun mit deinem Brote und Weine gelabt haben, da haben ihn seine Schmerzen wieder, und zwar diesmal gar bedenklich heftig, ergriffen. Gibt es denn hier keinen Arzt, der unserem Geschäftsleiter helfen könnte? Wahrlich, er soll von uns königlich belohnt werden! Sollte dem guten Manne aber – wie es bei solchen Krankheiten wohl oft der Fall ist – nicht alsbald geholfen werden können, so würden wir dich bitten, unseren leidenden Freund in deiner Pflege hier zu behalten; und so wir in etlichen Tagen wieder hierher kämen – was du als sicherst und wahrst annehmen kannst –, da werden wir dir alles zehnfach erstatten, was du zur Pflege unseres Freundes gebraucht hast.“ 5. Sagte der Wirt: „Liebe Freunde, dazu hättet ihr wahrlich nicht so viele Worte vonnöten gehabt; denn es soll von mir aus sogleich für alles gesorgt werden. Es befände sich nun wohl ein allererster und bester Arzt in Meinem Hause, der dem kranken Manne plötzlich für immerdar helfen könnte; aber Er verlangt von denen, die bei Ihm Hilfe suchen, einen vollen und zweifellosen Glauben nach unserer alten Judenweise. Ihr aber glaubet nur an gewisse von den Menschen erdichtete Götter, die nie jemandem helfen können, und nicht an den einen, wahren und lebendigen Gott der Juden, der allein allmächtig ist und auch jedermann helfen kann und will, der Ihn darum bittet, und so weiß ich denn auch nicht, ob der erwähnte Arzt in meinem Hause eurem kranken Freunde wohl wird helfen wollen.“ 6. Sagte der Dolmetscher: „Freund, du irrst dich an uns sehr, wenn du meinst, daß wir noch ebenso Götzendiener sind, wie es die alten Vorfahren unter der babylonischen Herrschaft waren! Den einen und allein wahren Gott der Juden kennen auch wir und verehren Ihn in unseren Herzen still; zum Scheine nur für die blinde Welt betreten wir dann und wann auch noch einen alten Götzentempel und bewundern in ihm die kaum denkbar mögliche Dumm- und Blindheit der Menschen. Und wir baten auch schon oft still in unseren Herzen, daß der eine, allein wahre Gott denn einmal unter uns Morgenländern auch ein wahres Lebenslicht möchte erstehen lassen, da wir ja doch schon lange genug in der dicksten Lebensnacht geschmachtet haben, – was aber freilich nur wir wissen, die wir durch den Handel mit gar vielen Völkern verkehren und uns auf diese Art gar manche und tröstliche Wahrheit zu eigen gemacht haben; aber es war unser Bitten ein vergebliches. 7. Einen Blindgeborenen belästigt die eigene ewige Nacht sicher nicht, und er sehnt sich nicht nach dem Lichte, dessen Wert er nicht kennt; aber wer gesehen hat und erblindet ist, dem wird das Licht sicher schmerzlich abgehen, und also auch uns, die wir schon lange sehend geworden sind, so wir daheim wie mit verbundenen Augen einhergehen müssen. 8. Aus dem wirst du wohl entnehmen können, daß euer Licht uns nicht fremd ist. Und da du nun das wohl berechnen kannst, daß auch wir Perser eures Glaubens fähig sind, und dein nur auf dem Wege des Glaubens unserem kranken Freunde sicher helfen könnender Arzt daher an uns keinen Anstand zu nehmen hätte, so könntest du ihn wohl an unserer Stelle bitten, daß er sich unseres Freundes erbarmen möchte!“ 9. Sagte der Wirt: „Es wird schon also sein, wie du es mir nun gesagt hast! Aber der von mir dir angeratene Arzt ist ein gar wundersam scharfsehender Mann; Er sieht in das Innerste der Menschen und erkennt sogar ihre geheimsten Gedanken und weiß es genau, wie jemandes Herz und Gemüt beschaffen ist. Er ist in Seinem Willen aber auch so mächtig, daß demselben sogar alle Elemente und alle Kräfte der Natur gehorchen müssen. Wenn Er euch unter solchen Seinen Eigenschaften anständig ist, so will ich Ihn euch wohl vorstellen!“ 10. Sagte der Dolmetscher: „Unter solchen Eigenschaften ist er uns allen sicher am alleranständigsten und zugleich am wünschenswertesten, und du kannst ihn uns mit der Versicherung nun getroster vorstellen, daß wir infolge unseres Handels und Wandels keine Furcht vor ihm haben, und daß wir auch alles tun werden, was er von uns verlangen wird!“ 11. Sagte nun Ich Selbst zum Dolmetscher: „Freunde, es werde dem Wirte die Mühe erspart, euch den alles vermögenden Arzt vorzustellen! Ich Selbst bin es und habe Mich euretwegen hier noch verweilt; denn Ich wußte es schon lange zum voraus, daß ihr Meiner benötigen werdet. Ich habe eure Ankunft dem Wirte auch schon vor einer Stunde darum angezeigt, auf daß ihr heute, als an einem Neumondssabbat sogar, an dem ohne priesterliche Erlaubnis kein Jude etwas tun darf, dennoch die erwünschte Versorgung finden solltet. 12. Und so weiß Ich denn auch, daß euer getreuer und wohlerfahrener Geschäftsleiter schon vor drei Tagen in einer schlecht bestellten Herberge in der Nähe des Euphrat sich mit einem schlechten Fisch und mit einem noch schlechteren Wein seinen Magen gar sehr verdorben hat; und hätte Ich nicht darum gewußt, so wie Ich es jetzt weiß, so wäre er darauf auch in Kürze gestorben. Nur Meine euch bis jetzt noch völlig unbekannte Kraft und Macht hat ihn euch bis zur Stunde erhalten und wird ihn, so ihr an Mich und an die Kraft und Macht des einen, allein wahren Gottes der Juden glaubet, ganz wohl und gesund erhalten.“ 13. Sagte der Dolmetscher: „O du wundersamer Meister der höchsten und ersten Kunst und Wissenschaft auf Erden! Aus deinen Worten haben wir nun in uns die vollste Überzeugung überkommen, daß dir nicht leichtlich etwas unmöglich sein dürfte, – und so glauben wir denn auch fest und ungezweifelt, daß du unserem Freunde sicher und unfehlbar helfen wirst, wenn du das nur willst. Darum bitten wir dich aber auch in unserer trostvollen Überzeugung dahin, daß du unserem Freunde helfen wirst, zum voraus uns gütigst zu bestimmen, welch ein Opfer wir dir dafür zu entrichten haben werden.“ 14. Sagte Ich: „Das sei ferne von Mir; denn Ich bedarf zu Meinem und Meiner Jünger Lebensunterhalt der menschlichen Opfer nicht und niemals! Gehen wir aber nun zum kranken Freunde von euch, und wir wollen sehen, ob und wie ihm zu helfen ist!“ 15. Das war den drei Persern wohl das Allererwünschteste, und sie führten Mich hin zu dem Kranken, der sich vor Schmerzen gleich einem halbzertretenen Wurme krümmte und bäumte und um Hilfe oder um den Tod bat. 16. Als Ich zu ihm hintrat, legte Ich ihm sogleich die rechte Hand auf die Magengrube, und der arge Krampf verließ ihn auf immer. Er ward denn auch im selben Augenblick so völlig gesund, wie er es zuvor noch niemals war, da er schon von Geburt an an einem schwächlichen Magen litt; aber nun wurde sein Magen auch von seiner alten Schwäche geheilt, und so denn wurde der kranke Mann vollkommen geheilt. Kapitel 112 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 112. — Der Auftrag des Herrn an die Perser 1. Als er nun so vollkommen gesund sich von seinem Lehnstuhle erhob, da trat er voll Freundlichkeit zu Mir hin und sagte (der Geheilte): „O du wundersamster Arzt auf der ganzen Erde, vorerst meinen allergrößten Dank dir und eurem Gott, der dir solch eine wunderbarste Heilkraft in deine Hände gelegt hat, mit der du mich so plötzlich von meinem allerverzweiflungsvollsten Schmerze befreit hast! Und nun verlange von mir all mein vieles Gold und noch andere Kostbarkeiten zum Lohne für deine Kunst und Mühe, und es soll dein sein!“ 2. Sagte Ich: „Alles dessen benötige Ich nicht und nimmer; denn so Ich das Gold achtete, da hätte Ich dir auch nicht helfen können! Ich sehe nur auf ein treues, Gott über alles und seine Nebenmenschen wie sich selbst liebendes Herz; wo Ich das auch in einem Heiden finde, da helfe Ich denn auch einem jeden, der Meiner Hilfe benötigt. Und so kannst du dein Gold schon zu andern guten und Gott wohlgefälligen Zwecken verwenden, und zwar namentlich zu denen der wahren Nächstenliebe. 3. So du aber auf einer Reise bist, da hüte dich dennoch vor den faulen Fischen, und laß dir nur solche zur Speise bereiten, die du zuvor noch frisch und lebendig im reinen Wasser hast herumschwimmen sehen; denn alles faule Fleisch, und ganz besonders das der Fische, ist der leiblichen Gesundheit des Menschen nachteilig. Das merke dir zum Wohle deines Leibes! 4. Aber nun sage Ich euch allen noch etwas, das um vieles wichtiger ist denn die volle Gesundheit eures Leibes, und das ist die volle Gesundheit eurer Seelen. Diese aber könnet ihr erhalten und sie zum ewigen Leben behalten, so ihr die euch mehreren wohlbekannten Gesetze, trotzdem ihr auch keine Beschneidung habt, genau befolget. Dadurch werden eure Herzen geistig beschnitten, was vor Gott um gar endlos vieles mehr gilt denn die euch bekannte Beschneidung der Juden, die dabei aber zum größten Teile völlig unbeschnittenen Herzens sind. 5. In etwa drei Jahren, von nun an gerechnet, werden Jünger von Mir auch zu euch in euer Land kommen und werden euch verkünden die Ankunft des Reiches Gottes und seiner Gerechtigkeit zu allen Menschen auf dieser Erde. Diese nehmet wohl an Meiner Statt auf und glaubet ihren Worten, und ihr werdet dadurch das von euch Besseren schon so lange ersehnte Licht von dem einen, allein wahren Gott und Vater aller Juden und also auch aller Menschen auf dieser Erde überkommen und dadurch auch das ewige Leben eurer Seelen. Dies einzige verlange Ich nun für Mich als Lohn für die eurem treuen Geschäftsleiter erwiesene Liebe. 6. So ihr aber in etlichen Tagen nach Tyrus und Sidon kommen werdet, da suchet mit dem alten Oberstatthalter Cyrenius, den ihr auch schon wohl kennet, zusammenzukommen! Dem erzählet, was euch hier begegnet ist, und entrichtet ihm einen Gruß von Mir! Er wird euch dann gar manches über Mich eröffnen; denn er kennt Mich schon von Meiner Kindheit an und liebt Mich mehr denn sein Leben. 7. Dort werdet ihr auch einen wundersamen Jüngling antreffen; der wird euch in viele Weisheit erheben, so ihr auf ihn merken werdet! (Es ist das nämlich Raphael, der von Zeit zu Zeit am Hofe des Cyrenius sichtbar weilte.) 8. Und nun seid heiteren und frohen Mutes, und gedenket im Herzen im Namen Jehovas der Juden Meiner, und ihr sollet bewahrt werden vor jeglichem Ungemach am Leibe und an der Seele!“ 9. Hierauf verließ Ich die Perser, nachdem sie Mir zuvor noch mit aller Treue versprochen hatten, daß sie allem dem nachkommen würden, was Ich offenbar nur zu ihrem eigenen größten Lebensvorteile von ihnen mit liebreichen Worten verlangt habe. 10. Der Dolmetscher und der Geheilte aber begleiteten Mich und den Wirt noch in unseren kleineren Speisesaal und dankten Mir noch einmal für die ihnen erwiesene Liebe und Gnade, wie sie sich denn auch also ausdrückten. 11. Ich aber erwiderte ihnen: „Wie redet ihr denn hier von einer euch erwiesenen Gnade? Wisset ihr denn nicht, daß solche nur die Könige der Erde austeilen nach ihrem Belieben?“ 12. Sagte der Dolmetscher: „O du lieber Freund, rede nicht von der Gnade eines Königs! Die größte Gnade eines Königs, die er in seinem Übermut dann und wann einem blinden Throngünstling erteilt, ist nicht ein Tautropfen gegen das ganze Meer deiner Gnade, die du uns erwiesen hast. Du, Freund, bist mit deiner gottähnlichen Eigenschaft mehr denn alle noch so stolzen und sich mächtig dünkenden Könige der Erde! Denn du kannst mit deinem Willen und Worte den Kranken die volle Gesundheit wiedergeben; die Könige aber, wenn sie krank werden, können weder sich und noch weniger einem andern Kranken helfen. Verwunden und töten können sie wohl, aber die Verwundeten wieder heilen und gar die Getöteten wiederbeleben, – das können sie nicht! Darum ist auch die größte von einem Könige einem Menschen erwiesene Gnade nicht des Erwähnens wert gegen diese allein wahre Gnade, die du uns erwiesen hast. Denn deiner Gnade wohnte deine Liebe und wahre Erbarmung bei; der Gnade eines Königs der Erde aber geht gewöhnlich der größte Hochmut und die innere Verachtung der armen Menschheit voran. Wehe dem, dem eine große Gnade von einem Könige zuteil wurde! Denn kriecht er darauf nicht beständig wie ein gehorsamster Wurm vor des Königs Majestät, so wird ihm seine Gnade wohl zum größten Unheil. Darum haben wir uns auch noch niemals von der Gnade eines Königs etwas gewünscht; aber dich bitten wir, daß du uns mit deiner wahrsten Gnade niemals verlassen möchtest!“ 13. Sagte Ich: „So ihr das also betrachtet in eurem Herzen, so wird auch solche Meine von euch erkannte Gnade nimmerdar von euch scheiden. Wer in Meiner Liebe durch seine Liebe bleibt, in dem bleibt auch Meine Liebe durch seine Liebe zu Mir, und somit auch Meine Gnade, die pur in Meiner Liebe besteht.“ 14. Für diese Meine Zusicherung dankten Mir die beiden noch einmal, verneigten sich tief vor Mir und gingen dann voll des besten Mutes zu ihren Gefährten, die sich unterdessen über Meine Heilart nicht genug verwundern konnten. Kapitel 113 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 113. — Des Herrn Abreise von Kana 1. Als die beiden sich wieder unter ihnen befanden, da ward vieles über Mich geredet und geurteilt; am meisten aber fiel einem von ihnen Meine Uneigennützigkeit auf. 2. Aber der Dolmetscher sagte: „Freunde, wem so alles möglich ist wie diesem Wunderarzte, der bedarf wahrlich der Schätze dieser Welt nicht, da er die endlos edleren in seinen gottähnlichen Eigenschaften besitzt! Es ist ja eine bekannte Eigentümlichkeit aller wahrhaft großen und weisen Menschen auf der Erde diese gewesen, daß sie die vergänglichen Güter dieser Welt verachteten. So kann es uns hier auch gar nicht wundernehmen, wenn dieser Mann auch keine Liebe zu den Schätzen dieser Welt hat; ich hätte sie auch nicht im Besitze seiner völlig gottähnlichen Eigenschaften. Aber unser sonst allzeit sehr guter und billiger Wirt, dem wir zunächst diese Bekanntschaft mit dem Wunderarzte zu verdanken haben, soll denn anstatt des höchst uneigennützigen Arztes von uns entschädigt werden!“ 3. Damit waren alle einverstanden und bestimmten für den Wirt eine Summe von zehn Pfund Goldes und hundert Pfund Silbers über das, was die gewöhnliche Verpflegung – nämlich für den Mann zwei Groschen samt Dienerschaft und Lasttieren – ausmachte. 4. Die Karawane blieb aber nur über den Mittag und setzte dann die Reise voll heiteren Mutes und voll der besten Erwartungen nach den Orten ihrer handelsmännischen Bestimmung fort. 5. Ich aber sagte zum Wirte: „Ich verweilte nun bei dir eine rechte Zeit, die für Mich und so auch für dich fruchtbar war. Du wirst von den Persern an Meiner Statt wohl bedacht werden; gedenke du dann aber auch in Meinem Namen der wahrhaft Armen, wie du das auch ohne besondere irdische Mittel stets getan hast, und Mein Segen wird nicht von dir weichen! 6. So aber die hiesige Priesterschaft dich am Abend nach dem Untergange fragen wird, was für Menschen du beherbergt hast, so kannst du Meinen Namen wohl nennen; und wirst du gefragt, was ich geredet und getan habe, so sage ihnen: ,Nichts als nur Gutes!‘ Werden sie dich weiter fragen, da gib ihnen keinen Aufschluß; denn diese ehebrecherische Art verdient keinen Teil am Reiche Gottes! Das behalte du für dich, für dein Haus und für die Armen im Geiste; denen kannst du bei guter Gelegenheit Mein dir anvertrautes Evangelium predigen, und du wirst so vollkommen in Meinem Namen die Hungrigen speisen, die Dürstenden tränken, die Nackten bekleiden und die Gefangenen erlösen, wofür du in Meinem Reiche dereinst im andern Leben einen großen Lohn finden wirst. 7. Ich aber werde nun mit Meinen Jüngern alsogleich abreisen; daher lasse du für uns kein Mittagsmahl bereiten! Sage den Persern aber nicht sogleich, daß Ich abgereist bin, sondern wenn sie sich bei dir nach Mir erkundigen werden, da sage ihnen, daß Ich anderwärts hin zu kranken Menschen gegangen sei! Wohin aber, das kannst du nicht sagen, weil auch Ich dir das nicht sage, weil Ich Meinen Grund dafür habe. Was Ich dir nun gesagt habe, das tue! Im Geiste aber werde Ich bei dir also wie bei jedem segnungsvoll wirkend verbleiben, der nach Meiner Lehre handelt, an Mich glaubt und den Vater in Mir über alles liebt.“ 8. Als Ich solches zum Wirte geredet hatte, da wollte er seine ganze Familie zusammenberufen, auf daß sie von Mir den Segen nähme und Mir für die Heilung danke. 9. Ich aber ließ das nicht zu und sagte: „Wie dereinst im Abraham das ganze israelitische Volk gesegnet wurde, so auch durch dich deine Familie, – und so laß das, was nun nur ein unnötiges Aufsehen erregen würde!“ 10. Als der Wirt solches von Mir vernommen hatte, gab er sich völlig zufrieden, dankte Mir für alles nochmals, und Ich gab den Jüngern den Wink zum Aufbruch. 11. Wir begaben uns denn auch sogleich durch eine Hintertür – um kein Aufsehen zu erregen –, so ganz in aller Stille ins Freie und zogen schnell nach einem Fußsteige in der Richtung gen Kis vorwärts. Kapitel 114 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 Der Herr in Kis am Galiläischen Meer. 114. — Die Begegnung des Herrn mit Philopold 1. Als wir Kana verließen, da fehlte noch eine und eine halbe Stunde Zeit vom Mittage, und wir gelangten mittels unserer dann- und wannigen Schnellreise gerade bis zum Mittag an das Galiläische Meer, und zwar unfern von der großen Maut, bei der unser Matthäus ehedem als ein Schreiber im Dienste der Römer stand. Von da aus war es denn auch nicht mehr fern bis nach Kis, wo, wie bekannt, auch eine Großmaut sich befand. 2. Als wir an das Meer kamen, da ließen wir uns nieder, ruhten eine Zeit von einer Stunde aus und betrachteten die starkgehenden Wellen und Wogen, und es wandelte die Jünger die Lust zu fischen an. 3. Und Petrus sagte: „Schade, daß wir nun keine Netze bei uns haben! Da könnten wir bald einen guten Fang machen!“ 4. Sagte Ich: „Gedenkst du denn heute des Sabbats nicht? Wen es hungert, der mag auch an einem Sabbat fischen, so er sich an dem Vorsabbat keinen Vorrat hat verschaffen können; doch ohne Not soll ein jeder Jude beim alten Gesetze bleiben, auf daß an ihm die Kleinen sich nicht ärgern! 5. Gutes tun auch an einem Sabbat ist Meine Lehre und Mein Wille; aber ohne Not an einem Sabbat aus dem Meere Fische fangen, ist weder recht nach dem Gesetz noch nach Meiner Lehre; darum lasset euch die Lust zum Fischen vergehen! Ich aber habe euch zu Menschenfischern gemacht, und so eure Zeit bald kommen wird, da werdet ihr schon auch an den Sabbaten arbeiten können.“ 6. Als Ich also redete, da kamen etliche Griechen und betrachteten uns von einiger Ferne. Unter sich aber rieten sie, wer wir wären. 7. Einige sagten: „Das sind Fischerjuden, die heute ihren Sabbat feiern!“ 8. Einige aber sagten: „Es können das auch Griechen sein; denn wir sehen ja auch Griechen unter ihnen, die den Sabbat der Juden nicht zu feiern nötig haben, so sie das nicht frei wollen.“ 9. Auf das faßten sie Mut und gingen auf uns zu. 10. Als sie vollends zu uns kamen, fragte uns sogleich einer von ihnen, sagend: „Was machet ihr denn hier an einem Sabbat, an welchem Tage doch die meisten Juden in irgendeiner Synagoge sich zu versammeln pflegen? Oder seid ihr denn Griechen? Warum tragen denn mehrere von euch Judenkleider?“ 11. Sagte Ich: „Alles das geht euch nichts an; denn ihr seid noch nicht reif, von Mir Worte des Lebens zu vernehmen, und so werde Ich auch nicht vieles mit euch reden! 12. Ihr aber seid Diener des Kisjona zu Kis; daher gehet vor uns hin nach Kis, und saget es dem Kisjona, daß der Herr mit Seinen Jüngern zu ihm kommen werde! Kisjona wird es euch dann schon sagen, wer wir sind. Und nun gehet und störet uns nicht fürder in unserer Ruhe und Betrachtung!“ 13. Auf das wandelte diese Griechen eine Furcht an, und sie verließen uns schnell und eilten ihres Weges vorwärts. 14. Als sie uns aus dem Gesichte kamen, da erhoben wir uns denn auch und zogen längs des Ufers vorwärts. In etwa zwei Stunden kamen wir dem Orte Kis in die Nähe. Wir betraten nun, das Ufer verlassend, den breiten Fahrweg, auf dem in einiger Ferne vor uns ein Mann, wie in tiefe Gedanken versunken, langsamen Schrittes wandelte. Er merkte gar nicht, daß wir uns ihm genaht hatten und ging seines Weges vorwärts. Als Ich ganz in seine volle Nähe kam, da erst sah er sich um und erschrak ordentlich, als er uns viele in seiner Nähe bemerkte. 15. Ich aber redete ihn an und sagte: „Philopold! Erkennst du Mich denn nun nicht, – und hast doch schon von heute frühmorgens an nichts denn nur an Mich gedacht in deinem Herzen!“ 16. Hier sah Mich unser Philopold ganz erstaunt an und fiel Mir vor Freuden um den Hals. Anfangs konnte er kaum reden; aber Meine Liebe und Freundlichkeit gab ihm bald den rechten Mut, und wir redeten über vieles bei einer Stunde lang miteinander, worüber auch Meine Jünger eine große Freude hatten und Mir auf Befragen des nun ganz seligen Philopold über manches von Mir dem Philopold Erzählte ein treues Zeugnis gaben. 17. Wir blieben an der Stelle, wo Ich den Philopold aus seinem Traume weckte, wohl über eine Stunde Zeit stehen, und unser Philopold kam Mir stets mit neuen Fragen, die Ich ihm gern beantwortete; und wir wären noch länger an der erwähnten Stelle auf dem Wege stehengeblieben, so da nicht der Freund Kisjona, durch die gewissen Griechen von Meiner Ankunft Kunde erhaltend, Mir mit ein paar seiner Freunde mit offenen Armen entgegengeeilt wäre. 18. Es versteht sich aber von selbst, welch eine übergroße Freude Ich durch diesen unerwarteten Besuch dem Kisjona gemacht habe, und es ist daher denn nun auch gar nicht nötig, darüber eine weitläufige Beschreibung zu machen. Kurz, wir verließen nun die Stelle und zogen gar guten und seligen Mutes in das große Wohnhaus des Freundes noch gut eine Stunde vor dem Untergange, und Kisjona gab seinen Leuten sogleich die Weisung, für ein allerbestes Abendmahl zu sorgen. 19. Es wohnte aber in dieser Zeit auch Meines Leibes Mutter Maria mit dem Joel, einem Sohne Josephs, in Kis, aber in einem ihr von Kisjona eingeräumten Hause; und es fragte Mich Kisjona, ob er sie von Meiner Gegenwart benachrichtigen solle. 20. Ich aber sagte zu ihm: „Laß das nun noch; denn Ich Selbst werde mit dir, mit Johannes und Jakobus am Abend zu ihr gehen und sie hierher zum Abendmahle bringen samt ihren Freundinnen. Jetzt aber laß uns vorderhand etwas Brot und Wein geben, da Meine Jünger schon hungrig und durstig sind!“ 21. Dies geschah denn auch sogleich, und wir labten uns, und Ich erzählte manches von Meinen Reisen und von deren Wirkungen. 22. Kisjona und seine Freunde und auch seine Kinder konnten sich nicht genug verwundern über die Wirkungen Meiner Reisen. 23. Und unser Philopold sagte immer: „Ja, groß ist der Herr, der Löwe von Juda, und voll Herrlichkeit ist Sein Name! Solches zu bewirken ist nur dem Herrn allein möglich! Die Wahrheit der Himmel, gepredigt den Menschen aus Deinem Munde und bezeugt durch Taten, die nur Gott allein möglich sind, muß ja Steine bekehren und sehend machen!“ 24. Alle lobten das Wort des Philopold, und Kisjona sagte zu Meinen Jüngern, die das Wort des Philopold auch sehr lobten: „Ja, liebe Freunde, Philopold ist unser aller Lehrer! Er hat uns so manches aufgeklärt, was uns bei all dem, was wir selbst gehört und gesehen haben, wie ein Rätsel vorkam; darum ist er aber auch unser aller geliebter und hochgeachteter Freund und wird als solcher auch verbleiben für immerdar.“ 25. Sagte Ich: „Darum habe Ich ihn euch denn auch gegeben und erleuchtet, und ihr tut wohl daran, den Weisen aus Kane in Samaria zu behalten in Meinem Namen; in der Folge wird er noch Größeres zu wirken imstande sein, als er bisher gewirkt hat.“ 26. Im Verlaufe solcher Gespräche sagte zu Mir Petrus: „Herr, als wir heute Kana verließen, da hast Du zuvor die Perser gesegnet und so auch mit Wort und Tat den Wirt und sein ganzes Haus; aber die vier Indojuden scheinst Du wenigstens dem Äußern nach denn doch vergessen zu haben! Sie sind Dir zuliebe doch so weit hergereist!“ 27. Sagte Ich: „Was geht dich das an? Als wir abzogen, da waren sie nicht gegenwärtig, indem sie sich die Synagoge ansehen gegangen waren. Ich aber habe dennoch bestens für sie gesorgt. Sie sind aber nach dem Mittagsmahl heute dennoch von Kana wieder abgereist und werden in einer Stunde Zeit hier eintreffen, und da wird sich das von dir vermeintlich Versäumte etwa wohl auch noch einbringen lassen, und du kannst darum nun ganz ruhig sein. Zudem sind sie vom Wirte und von den Persern für ihre Heimreise zur Übergenüge reichlich ausgestattet worden, und das alles durch Meine geheime Fürsorge, und das ist mehr wert als ein äußerer Abschiedsgruß!“ 28. Mit dem war Petrus zufrieden, und es freuten sich alle darauf, diese Familie auch in Kis zu sehen, zu sprechen und bestens zu bewirten. 29. Kisjona hatte ihnen sogar sogleich Boten entgegengesandt und bat Mich um die Beschreibung ihres Aussehens. Und Ich gab sie ihm auch mit dem Bemerken, daß sie auf vier Saumrossen daherkommen würden, die ihnen von dem Wirte für die bequemere Heimreise geschenkt wurden. 30. Mit dieser Beschreibung sandte nun Kisjona ihnen auf der Straße, die Ich ihm auch anzeigte, zwei Boten entgegen mit der Weisung, sich von dieser Familie keinen Zollpfennig bezahlen zu lassen. Und die Boten gingen sogleich den vieren auf der angezeigten Straße entgegen, die nach einer Stunde Zeit auch ganz wohlbehalten in Kis bei uns anlangten, worüber Kisjona, Philopold, Meine Jünger und auch alle andern Freunde des Kisjona eine große Freude hatten. Kapitel 115 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 115. — Die Heimat der Indojuden 1. Als die vier zu uns in den großen Saal kamen und Mich ersahen, da fielen sie sogleich vor Freuden und vor Liebe Mir zu Füßen und dankten Mir mit Tränen in ihren Augen für alle die großen Segnungen und Wohltaten, die ihnen Meine Liebe hatte zuteil werden lassen. Ich aber behieß sie aufzustehen und Platz zu nehmen an unserem Tische und sich zu laben mit Brot und Wein, was sie denn auch taten. 2. Kisjona und unser Philopold fingen gleich an, sich um ihr Wohnland zu erkundigen, und wie man in dasselbe gelangen könnte. 3. Und der Mann sagte voll Freundlichkeit: „Unser Land ist wohl sehr ferne von hier, und du würdest es vergeblich suchen; denn bevor man zu jenen überhohen Bergen gelangt, muß man gar viele andere hohe Berge überschreiten der vier großen Ströme wegen, die man hinter sich haben muß, um zu jenen Bergen zu gelangen, von denen unser wahrlich großes Land nach allen Seiten derart umfangen ist, daß es nicht einmal einem Adler möglich ist, sich über ihre noch hoch über alle Wolken hinausragenden Spitzen zu erheben. Man könnte wohl mehr in den Niederungen etwa auch in die Nähe unserer nun heimatlichen Berge gelangen, wenn die Ströme nicht wären, über welche die Menschen noch keine Brücken erbaut haben, und namentlich über die drei letzteren. Nur der Euphrat hat dort, wo er noch schmäler ist, eine Art Brücke, die andern Ströme werden sie schwerlich haben. Wir wenigstens wissen um keine, da wir auch noch niemals ihrem Laufe zu weit nachgeforscht haben. Sowie man denn an einen solchen Strom kommt, so muß man lange denselben beinahe bis zu seinem Ursprunge verfolgen, um da über ihn setzen zu können, und, Freunde, das macht den Weg in unser Land beschwerlich und gestreckt und lange dauernd. 4. Und kommt man endlich nach vielen Mühen und Beschwerden in die Nähe unseres Landes, so kannst du ein volles Jahr und noch um vieles länger auch noch umherirren, und du wirst dennoch keinen Eingang finden. Um den weiß nur Jehova allein, und dann derjenige, dem es der Geist Jehovas offenbaren will. Und so sind wir denn auch bis jetzt von keinem Menschen, so viele es deren auf der großen Erde geben mag, aufgefunden worden, – was wir dem Schutze Jehovas zu verdanken haben. Wir selbst aber können – so wir wollen – wohl zu den Menschen, die in den Niederungen hausen, kommen, wann wir wollen, und mit ihnen dann und wann auch einen Tauschhandel treiben; aber sie können nicht zu uns kommen, außer wir selbst würden sie zu uns führen, was wir aber nicht tun und auch niemals tun werden. 5. Unser Land ist denn sonach auch ein Geheimnis auf der Erde; und Du, o Herr und Meister, wirst es gnädigst auch fortan also beschützen, daß es von all den gottlosen Feinden niemals aufgefunden wird, und wir werden in unserer alten Treue niemals wankend werden.“ 6. Und Ich sagte: „Bewahret Meine Liebe, und diese wird bewahren euch und euer Land! Damit ihr aber auch wisset, welch ein Land ihr bewohnet, so will Ich es euch sagen, – und so vernehmet Mich! 7. Seht, euer Land ist das alte Eden, in dem Adam und Eva erschaffen worden sind, es aber nach der Sünde verlassen mußten, und es ward bis auf euch auch nie von einem Menschen aufgefunden und bewohnt! Und so wird es auch noch fürderhin von niemand aufgefunden werden, so ihr verharren werdet in Meiner Liebe!“ 8. Über diese Meine Erklärung entstand ein ordentlicher Jubel, und die vier fingen vor lauter Freude an zu weinen. 9. Ich aber beruhigte sie und sagte: „Bildet euch darauf nichts ein; denn Erde bleibt Erde, und Land bleibt Land! Von nun an wird es kein irdisches Eden mehr geben, sondern nur ein Eden im Herzen des Menschen. Nach dem strebet alle, und bewahret es vor dem Feinde, der da heißt Weltsinn; denn der ist die Quelle aller Laster und der Untergang aller menschlichen Glückseligkeit!“ 10. Alle gaben Mir recht und lobten die Weisheit Gottes in Mir. Kapitel 116 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 116. — Das Freudenmahl bei Kisjona 1. Darauf sagte Ich zu Kisjona: „Freund, nun erst wollen wir zu der Maria gehen! Die Ich früher benannt habe, gehen mit!“ 2. Auf das erhoben wir uns und gingen zur Maria. 3. Als wir bei ihr ankamen, da hatte sie eine große Freude; nur konnte sie nicht umhin, Mir ihr vieles Leid und ihre oft übergroße Sorge zu klagen, die sie um Meinetwillen zu bestehen hatte. 4. Ich aber tröstete sie und sagte zu ihr: „So du von Meiner Empfängnis an weißt, warum Ich in diese Welt gekommen bin im Fleische durch deinen Leib, wie kannst du dich dann ängstigen, so Ich den Willen des Vaters, der im Himmel ist, tue? Gehe aber nun mit uns samt allen, die um dich sind; im Hause des Freundes sollst du vieles erfahren, was Ich unter den Menschen gewirkt habe!“ 5. Da erhob sich Maria mit ihren Freundinnen und dem Joel und folgte Mir, begleitet von Jakobus und Johannes, die sie unterwegs um allerlei befragte, und die ihr die tröstlichsten Auskünfte erteilten. 6. Wir kamen nun im Hause Kisjonas an, in dem unterdessen der große Speisesaal und in ihm ein großer Tisch ganz königlich geschmückt ward, und wir erstaunten vollends, wie des Kisjona Leute in einer so kurzen Zeit alles das zu bewerkstelligen vermocht hatten. 7. Der Maria gefiel das besonders wohl, und sie fragte Mich, sagend: „Sohn, wie gefällt wohl Dir solch eine Aufmerksamkeit von seiten des lieben Freundes Kisjona?“ 8. Sagte Ich: „Ich habe nur eine große Freude an seinem Herzen, das rein, gut und edel ist, – aber der Glanz des Goldes, Silbers und der Edelsteine hat keinen Wert vor Mir; weil es aber schon dem Freunde eine Freude macht, Mich auch also zu ehren, so soll ihm seine Freude auch nicht benommen werden!“ 9. Mit diesen Meinen Worten war Maria denn auch einverstanden, und da die Speisen und der Wein schon auf dem Tische unser harrten, so setzten wir uns in guter Ordnung an den Tisch und fingen an zu essen und zu trinken. 10. Maria saß an Meiner Rechten und Joel an Meiner Linken. Gleich an der rechten Seite Marias saßen Kisjona, Philopold, Jakobus und Johannes, und an der linken Seite saßen die vier Indojuden, nach ihnen die Freunde des Kisjona und die Freundinnen Marias; dann kamen Meine Jünger alle, und so war, wie schon gesagt, der große Tisch in bester Ordnung besetzt. 11. Wohlbereitete Edelfische aus dem Galiläischen Meere machten den Anfang, von denen Ich etliche verzehrte, und so auch Maria, die sich als eine selbst wohlerfahrene Fischbereiterin nicht genug lobend über die gute Bereitung der Fische aussprechen konnte. Es waren aber noch gebratene Hühner, zwei fette Lämmer und ein ganzes Kalb wohlzubereitet auf dem Tische, und Obst der allerbesten Art und Gattung, an dem allen sich die Jünger und auch die andern Gäste recht viel zugute taten. Ich aber blieb bei den Fischen, obschon Maria meinte, daß Ich denn doch von allem etwas kosten solle. 12. Ich aber sagte: „Ein jeglicher esse nach dem Bedürfnisse seines Magens; Ich habe Mich gesättigt an den Fischen, und eines Weiteren bedarf Mein Leib nicht auf dieser Welt. Du aber sieh nicht auf Mich, sondern iß, was dir schmeckt!“ 13. Darauf nahm die Maria denn auch samt Mir noch einen Fisch und verzehrte ihn mit Brot und etwas Wein. Die vier Fremden aber ließen es sich von allem wohlschmecken, wie auch Meine Jünger; nur die etlichen mit Mir ziehenden Jünger des Johannes taten Mir gleich. 14. Kisjona sagte endlich selbst zu Mir: „Herr und Meister, aber warum nimmst Du denn nicht auch von den anderen Speisen etwas Weniges zu Dir? Du weißt es ja, daß bei mir alles frisch, rein und bestens bereitet ist!“ 15. Sagte Ich: „Mein lieber Freund, kümmere du dich nur um Mich nicht; es ist ja genug, daß Ich für euch alle sorge und wache! Seid denn nun voll frohen Mutes, dieweil Ich unter euch noch sichtbar wandle; es wird aber bald die Zeit kommen, in der Ich nur im Geiste des Glaubens und der Liebe unter euch sein werde, – da werdet ihr dann auch nicht mehr so heiter und froh auf dieser Erde sein und werdet vieles zu erdulden bekommen um Meines Namens willen. Jetzt ist das ganze Gottesreich in Mir bei euch; dann aber werdet ihr es in euch suchen, finden und bewahren müssen. Darum seid denn nun fröhlich und heiter! Ich esse jetzt nur Fische, weil diese am meisten der gegenwärtigen Menschheit in ihrer Erkenntnis gleichen; diese sollen in Mir zum Leben, zum Geistesleben und zu dessen Lichte gelangen!“ 16. Sagte einer der Freunde Kisjonas: „Aber Herr und Meister, wie kann man Fische mit Menschen vergleichen? Ein Fisch ist und bleibt ja doch das dümmste aller Tiere; ein Wurm, der auf der Erde herumkriecht, scheint schon mehr Verstand zu haben denn der edelste Fisch!“ 17. Sagte Ich: „Da hast du wohl nicht ganz unrecht; aber dennoch sind die Menschen zum allergrößten Teil nun noch dümmer als die Fische im Wasser. 18. Willst du einen reichen Fischfang machen, so fische in der Nacht beim Lichte der Fackeln; daraus wirst du – wenigstens in der natürlichen Hinsicht – entnehmen, daß die Fische sicher nicht lichtscheu sind, da sie sich an der Stelle in großer Anzahl sammeln, wo sie ein Licht gewahr werden. 19. Ich aber bin das Licht alles Lichtes und bin das Leben alles Lebens! Sieh aber dir nun die Menschen an, und du wirst erstaunen über die kleine Zahl derer, die Mir in ihrem Herzen gläubig und liebend in ihrem Weltsinnswasser zuschwimmen und sich von Mir ins Reich Gottes fangen lassen! Daher vergleiche Ich nur jene wenigen Menschen mit den Fischen – die Meine liebste Speise sind –, die Mich als das wahre Licht der Welt und als die Sonne der Himmel erkennen und Mir zuschwimmen und sich von Mir zum ewigen Leben fangen lassen. – Verstehest du dieses Bild?“ 20. Sagte der Freund: „Ja, Herr und Meister, nun verstehe ich das wohl, und Du tust alles nach Deiner unwandelbaren Ordnung, die für jedermann, der Dich mehr denn wir zu beobachten die Gelegenheit hat, auch ein Evangelium ist; aber es gehört da schon ein sehr geweckter Geist dazu, um solch ein Evangelium zu begreifen!“ 21. Sagte Ich: „Es ist aber alles leicht und sicher zu bewirken, so man nur das rechte Mittel dazu hat und es auch recht anwendet. Ebenso kann ein Mensch denn auch den Geist in sich bald und leicht vollends erwecken, so er das rechte Mittel dazu besitzt und es aber dann auch recht anwendet. Das rechte Mittel aber ist die wahre, reine und tätige Liebe zu Gott und also auch zum Nächsten. 22. Wer aber Gott lieben will, der muß ja zuerst glauben, daß es einen Gott gibt, der, als Selbst ganz Liebe, der ewige Urgrund aller Dinge in der ganzen Unendlichkeit ist. 23. Wie aber kann ein Mensch zu solch einem Glauben gelangen? Am sichersten durch die Offenbarung, durch das Anhören des Wortes Gottes und durch die Erkenntnis des Willens der ewigen Liebe. 24. Hat der Mensch solchen Willen erkannt, so unterordne er seinen Willen ganz dem Willen der ewigen Liebe und höchsten Weisheit in Gott und lasse sich von dem Willen Gottes gleich diesen Fischen als ein wohlzubereitetes Gericht verzehren, so wird er dadurch vom Geiste Gottes ganz durchdrungen werden und aus ihm als eine neue Kreatur hervorgehen zum ewigen Leben. 25. Wer das an sich bewerkstelligt, der hat auf dem rechten Wege und durch das rechte Mittel den Geist des Lebens und der Weisheit in sich erweckt und wird dann auch in der Natur der Erde und aller Wesen auf ihr, sowie in Mond, Sonne und Sternen ein wohlverständliches Evangelium finden. 26. Willst du, Freund, vollauf geweckten Geistes werden, so befolge Meinen Rat, und es wird dir dann bald alles klar werden, was dir jetzt noch bedenklich und hie und da zweiflig (zweifelhaft) vorkommt!“ 27. Sagt darauf Maria: „Mein Sohn, welch herrliche Lehren hast Du schon den Menschen gegeben in der Fremde, – uns Heimische aber hast Du noch wenig bedacht!“ 28. Sagte Ich: „Maria, war Ich nicht von der Kindheit an bis zu Meinem dreißigsten Jahre unter euch Heimischen? Habe Ich nicht gar oft euch über Mich belehrt und Meine Worte auch mit allerlei Zeichen bestätigt? Bin Ich nicht auch nachher nach Nazareth gekommen, habe gelehrt und Zeichen gewirkt? Was aber haben die blinden Heimischen in und um Nazareth gesagt? 29. Siehe, ihre Rede war: ,Woher kommt denn dem die Weisheit? Ist er ja doch des Zimmermanns Sohn, den wir kennen; wie konnte aus ihm ein Prophet erstehen?‘ 30. Und siehe, da die Heimischen also über Mich dachten, urteilten und Mir auch nicht glaubten, so blieb Ich denn auch nicht bei den Heimischen und ging zu den Fremden. Denn Ich sagte es damals und sage es nun abermals: Ein Prophet gilt nirgends weniger denn in seinem Vaterlande und am wenigsten in dem Orte, der ihm, von den Kinderjahren angefangen, zur Wohnstätte gedient hat. 31. Die aus den Heimischen aber an Mich geglaubt haben, die sind noch bei Mir und werden auch allenthalben bei Mir verbleiben. Doch in Nazareth werde Ich Selbst nicht mehr lehren und Zeichen wirken; das werden später schon Meine Jünger in Meinem Namen tun. 32. Für dich aber habe Ich schon gesorgt für die Zeit und für die Ewigkeit. So Ich wieder dahin zurückkehren werde, von wannen Ich gekommen bin, so werde Ich auch für euch alle eine Wohnung bereiten, in der euch ewig kein Kummer und keine eitle Sorge mehr plagen werden; denn wo Ich sein werde, da werdet auch ihr bei Mir sein, so ihr euch von dieser Welt nicht irgend habt fangen lassen.“ 33. Auf diese Meine Worte sagte Maria nichts mehr, sondern behielt sie in ihrem Herzen. Kapitel 117 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 117. — Templer aus Jerusalem suchen den Herrn 1. Hierauf kam ein Diener in den Saal und sagte zu Kisjona: „Es sind etliche Templer aus Jerusalem hier angekommen und verlangen Unterkunft. Was sollen wir tun?“ 2. Als unser Kisjona dieses vernommen hatte, da ward er ganz unwillig und sagte: „Ei, so hat man vor diesen mir überlästigen Menschen doch Tag und Nacht keine Ruhe! Diese Menschen haben nichts zu tun als in einem fort zu reisen von einem Ort zum andern, um den Menschen durch ihren Hochmut, Übermut und durch ihre nie zu sättigende Habgier zur oft unerträglichen Last zu fallen. Herr und Meister, hast denn Du keinen gewaltigen Sturmwind, der diese lästigen Gäste irgend an einen andern Ort hintrüge?“ 3. Sagte Ich: „Mache du dir aus den fünf Templern nichts, und nimm sie nur auf! Wollen sie zu uns herein, so verwehre ihnen auch das nicht; denn Ich und wir alle haben keine Furcht vor ihnen. Gib ihnen, was sie verlangen, auf daß sie keinen Grund haben sollen, uns zu schmähen! Sie kennen Mich nicht, und wir werden bald so manches von Mir mit ihnen zu reden bekommen. Sie sollen die Wahrheit hören!“ 4. Als Kisjona solches von Mir vernommen hatte, da ward er williger und sagte zum Diener, daß er sie aufnehmen solle und sie im Hause beherbergen und bewirten nach ihrem Wunsche. 5. Da ging der Diener hinaus und sagte ihnen, was ihm sein Herr gesagt hatte. 6. Als die Templer das vernahmen, da wurden sie mürrisch und fragten den Diener, was der Wirt denn im Hause gar so Wichtiges zu tun habe, daß er darob vergessen könne, was er den Priestern Gottes schuldig sei. 7. Der Diener aber sagte: „Es sind ohnehin schon eine bedeutende Anzahl der fremden Gäste, darunter Griechen in der Herberge, und der Wirt muß ja doch den zuerst angekommenen Gästen die Ehre geben und kann nicht auf die warten, von denen er nicht weiß, ob sie ankommen werden. Kurz, der Wirt, seit er ein römischer Bürger ist, macht unter den Gästen keinen Unterschied mehr. Wem das nicht recht ist, der kann sich eine andere Herberge aufsuchen. Wollt ihr aber hier bleiben, so werdet ihr nach Bedarf auch redlich bedient werden!“ 8. Nach dem sagte ganz mürrisch ein Pharisäer: „Nun, nun, so führe, du römisch gesinnter Diener deines römischen Maut- Herbergsherrn, uns in das Hauptgastzimmer!“ 9. Hierauf führte sie der Diener zu uns ins Hauptgastgemach, in welchem an der entgegengesetzten Seite ein Tisch für sie gedeckt wurde. 10. Als sie in das Gastzimmer traten, da stand unser Kisjona wohl auf, grüßte sie und führte sie an den für sie gedeckten Tisch. 11. Als sie da Platz genommen hatten, fragten sie (die Pharisäer) unseren Freund, wer denn wir wären. 12. Sagte Kisjona: „Die römische Polizei übe ich hier aus; es genügt, daß ich die Gäste kenne und für ihre Ehrlichkeit den Römern Bürgschaft zu leisten habe. Wollt ihr diese meine lieben Gäste aber näher kennenlernen, so wendet euch selbst an sie!“ 13. Als die Templer solche Antwort von Kisjona erhielten, sagten sie darauf nichts Weiteres und ließen sich Brot, Wein und Fische geben; denn sie hatten schon Hunger und Durst, weil sie als an einem Sabbat Reisende seit dem Aufgange weder Speise noch einen Trank zu sich genommen hatten des Volkes wegen; daheim aber hätten sie sich aus dem Neumondssabbat nichts gemacht. 14. Maria sagte hier mit einer gewissen Ängstlichkeit zu Mir: „Mein geliebtester Sohn Jesus, wenn diese Deine größten Feinde doch nur Dich nicht erkennen möchten; denn ich habe in Nazareth vom dortigen Obersten um Deinetwillen viele böse Reden und Urteile zu erdulden gehabt und habe mich hauptsächlich hierher in diese Einsamkeit begeben, um vor dem Obersten und seinem Anhange Ruhe zu haben. Diese da ziehen sicher auch darum in unser Land, um über Dich und Dein Wirken von neuem wieder Erkundigungen zu machen. Zwei kommen mir sehr bekannt vor, und ich habe sie schon etliche Male Deinetwegen in Nazareth gesehen.“ 15. Sagte Ich: „Sei darob völlig unbekümmert, ob sie Mich in der Person erkennen oder nicht; im Geiste wird Mich diese Art erst dann erkennen, wenn Ich über sie Gericht halten werde. Aber dann wird ihr Erkennen ein zu spätes sein und wird ihnen den vollen Untergang bereiten. Jetzt aber essen und trinken auch wir noch; denn wir haben auch noch Fische, Brot und Wein!“ 16. Mit dem beruhigte sich Maria und nahm noch etwas Speise und Trank zu sich. 17. Als die Templer ihre dicken Bäuche gefüllt hatten, da standen die zwei Pharisäer von ihrem Tische auf und begaben sich ganz dreist zu uns hin. 18. Und einer, der ein Oberster und auch Schriftgelehrter war, sagte zu uns: „Ihr werdet es uns Gottesdienern schon zugute halten, so wir uns nach unserer alten Sitte zu euch her begeben haben, um von euch sicher so manches Neue zu erfahren. Wer und was wir sind, das erkennt leicht ein jeder von euch; aber auch wir möchten dafür von euch erfahren, von woher ihr gekommen seid, und was ihr da zu tun und zu schaffen habt!“ 19. Sagte nun Ich: „Obwohl euer Verlangen an uns ein überaus anmaßendes und jede bessere Lebensart hintansetzendes ist, so wollen wir eurem Verlangen dennoch nachkommen, so ihr uns zuvor saget, was denn euch dazu vermocht hat, sogar an einem Neumondssabbat eine Reise zu unternehmen, – da ihr das zu tun jedem andern Juden, der sich bei euch dazu keine Erlaubnis um eine große Summe Geldes erkauft hätte, zu einer großen, kaum vergebbaren Sünde angerechnet haben würdet. Welch ein großwichtiger Grund hat denn euch dazu bestimmen können, den Sabbat zu brechen? Saget ihr uns das zuvor, dann wollen auch wir uns euch näher zu erkennen geben!“ 20. Sagte etwas betroffen der Schriftgelehrte: „Freund, wir sind Priester und haben nach dem Gottesrate auch an einem Sabbat das volle Recht, im Namen des Tempels zu Jerusalem zu handeln, da wir eigentlich das lebendige Gesetz Mosis selbst sind. Zudem wird es euch nicht fremd sein, wie schon seit einer geraumen Zeit der gewisse Nazaräer, der sich für den verheißenen Messias ausgibt, dabei den Tempel verfolgt, eine neue Sekte stiftet und durch seine Zeichen das Volk groß und klein verführt und von uns abwendig macht. Wir haben davon neue Kunde erhalten, daß er nun wieder bald hier und bald dort auftritt und lehrt, etwa gar außergewöhnliche Zeichen wirkt und allenthalben das Volk gegen den Tempel hetzt; und so denn mußten wir nach dem Gottesrate im Tempel auch den Sabbat benutzen, um zu erfahren, wo sich der Volksverführer befindet, und was er tut. Nun wisset ihr, warum wir auch an einem Sabbat eine Reise unternommen haben, – und so könnet ihr es uns nun auch sagen, woher ihr seid, und welcher Grund euch zur Reise bestimmt hat. Denn ihr seid offenbar auch Reisende, was wir an euren gebräunten Gesichtern und Händen wohl erkennen.“ 21. Sagte Ich: „Und was sollet ihr dann mit dem Nazaräer machen, so ihr Ihn irgendwo treffen würdet?“ 22. Sagte der Schriftgelehrte: „Was machen? Erstens ihn beobachten, dann ihn ergreifen und dem Gerichte überliefern!“ 23. Sagte nun Kisjona: „So! Und sonst weiter nichts? Wißt ihr aber wohl, daß der Nazaräer ein Freund auch der Römer ist, und daß auch die Heiden an Ihn glauben? Wißt ihr, daß Er alle Kranken bloß durch die Macht Seines Willens heilt, den Elementen gebietet und Tote erweckt? Wenn alles Volk in Ihm den verheißenen Messias erkennt und Ihn liebt und ehrt, warum denn ihr nicht? Seid ihr denn weiser denn Er und mächtiger denn Sein Wille?“ 24. Sagte der Schriftgelehrte: „Bist denn auch du schon von dem Nazaräer betöret worden?“ 25. Sagte Kisjona: „Ich wahrlich nicht; denn ich bin durch Ihn nur weise geworden, da ich erst durch Ihn die Wahrheit und das Leben erkannt habe! Aber ihr seid betört von eurer unersättlichen Habgier und Herrschsucht und seid blind und taub; darum erkennet ihr den Nazaräer nicht und verfolget in eurer Ohnmacht Den, der allmächtig ist. 26. Er ist wohl voll der höchsten Geduld und Langmut und läßt Sich von euch gar sehr vieles gefallen; aber bis zum Ende Seiner Geduld mit euch ist nur eine ganz kurze Zeitfrist mehr übrig. Wird diese ehest verronnen sein, dann wehe euch, ihr hartnäckigen Verfolger des größten Freundes der Menschen! Dann wird über euch das Gericht losbrechen, von dem ihr vor einiger Zeit die untrüglichsten Zeichen zur Nachtzeit am Firmament gesehen habt! Ich, Kisjona, nun ein Römer, der keine Furcht vor euch hat, sage euch das ganz unverhohlen.“ 27. Hierauf wurden die beiden Pharisäer ganz stutzig, und der Schriftgelehrte sagte: „Nun gut, du sollst auch recht haben! Du hast leicht reden über den Wert, über Würde und Charakter des Nazaräers; denn du kennst ihn sicher persönlich und hast mit ihm sicher auch schon zu öfteren Malen zu tun gehabt. Wir aber kennen ihn gar nicht und haben bis jetzt noch nichts mit ihm zu tun gehabt; was wir von ihm wissen, das wissen wir nur durch die nach ihm ausgesandten Kundschafter, und die Nachrichten von allen Orten her stimmen darin vollkommen überein, daß er sich dem Tempel gegenüber stets feindlichst benimmt. Mache uns aber zu wissen, wo wir ihn finden, und wir werden dann selbst mit ihm sprechen, ihm auf den Zahn fühlen und sehen, was an ihm ist!“ 28. Sagte Kisjona: „Ihr lügt, so ihr saget, daß ihr Ihn persönlich nicht kennet; denn ich selbst weiß es nur zu bestimmt, daß Er schon zu öfteren Malen zu Jerusalem im Tempel das Volk offen gelehrt und Seine Lehre auch durch Zeichen als eine rein göttliche bestätigt hat. Da wurden Heiden bekehrt, – aber ihr Templer habt Steine aufgehoben und wolltet Ihn steinigen! Wenn also – wie könnet ihr da sagen, daß ihr Ihn persönlich nicht kennet?“ 29. Sagten die beiden: „Davon haben wir wohl reden hören, als wir von Damaskus, wo wir zu tun hatten, nach Hause kamen; aber darum haben wir dennoch nie Gelegenheit gehabt, den so sehr berühmten, aber im Tempel auch über alle die Maßen arg berüchtigten Nazaräer persönlich kennenzulernen. Da wir aber durch unsere Reisen sicher weltläufiger und klüger geworden sind als alle, die da beständig im Tempel sitzen, so hat der große Rat im Tempel uns bald als die tauglichsten Kundschafter gegen guten Lohn dazu erwählt, den Nazaräer irgend auszukundschaften und dem Tempel von seinem Aufenthalt und von seinem Treiben unverzügliche Nachricht zukommen zu lassen. Wir sind zwar in dieser immerhin lästigen Angelegenheit schon mehrere Male vom Tempel ausgesandt worden, waren einige Male sogar in Nazareth und haben dort seine Mutter und Brüder kennengelernt, – aber den, den wir suchten, haben wir bis jetzt noch nicht gesehen! Und so haben wir dir keine Unwahrheit gesagt, so wir dir bekannten, daß wir ihn persönlich nicht kennen und mit ihm noch nie verkehrt haben. 30. Mache du uns daher bekannt, wo wir ihn treffen, ihn hören und beobachten können, so werden wir dann schon nach unserer eigenen Erfahrung selbst urteilen können, inwiefern die großen Anschuldigungen von seiten des Tempels gegen ihn wahr oder falsch und böswillig erdichtet sind. Wir sind Schriftgelehrte und wissen alles, was in den Propheten über den kommen sollenden Messias geschrieben steht; daher nehmen wir eine neue Lehre freilich wohl so leichten Kaufes nicht an wie das in der Schrift zumeist unerfahrene und durch die Heiden schon sehr verdorbene Volk.“ 31. Sagte nun Ich wieder: „Wer schuldet aber daran, daß das Volk in der Schrift nun so schlecht unterwiesen ist? Seht, ihr selbst! Ihr enthaltet dem Volke das Wort Gottes vor und quält es dafür mit euren Satzungen, die das Volk für Gottes Wort annehmen muß. Ist es dann ein Wunder, daß das Volk wider euch Schutz bei den Heiden sucht und ihn auch findet? 32. Wenn nun Gott Seine Verheißung erfüllt hat und Sein Gesalbter nun den Menschen wieder das reine Wort lehrt und durch dessen Kraft Wunder wirkt, wie sie auch die Propheten gewirkt haben, – ist das dann wider den Tempel, so der Tempel wäre, wie er nach der Anordnung sein sollte? So ihr Schriftgelehrte seid, da urteilet selbst, wie weit sich der Tempel in seinem Wirken von dem reinen Worte Gottes entfernt hat! 33. Ich sage es euch: Die Heiden stehen nun dem Throne Gottes um gar vieles näher denn der Tempel mit seinen überselbst- und herrschsüchtigen Satzungen! Wo ist nun die alte Bundeslade, wo der immergrünende Aaronsstab, wo das Manna, und wo die schon lange von den Motten zernagten Schaubrote? 34. Ihr zeiget dem Volke wohl derlei Dinge noch und machet lange Reden darüber, aber euer Inneres sagt es euch laut: ,Wir betrügen das Volk und sind genötigt, es zu betrügen, auf daß es nicht aufstehe, über uns herfalle und uns verderbe!‘ 35. Und seht, darin liegt denn auch der Hauptgrund, aus dem ihr den von Gott in diese Welt Gesandten mit dem glühendsten Eifer verfolget und Ihn auch ärger fürchtet und hasset als den Tod, der euch nicht verschonen wird!“ Kapitel 118 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 118. — Das Gespräch zwischen den Templern und dem Herrn 1. Sagte der Schriftgelehrte: „Freund, wie weißt du um alles das?“ 2. Sagte Ich: „Du sagtest zuvor, daß ihr sehr erfahrene und weltläufige Menschen seid. Wo steht es denn geschrieben, daß nicht auch unsereiner sehr erfahren und weltläufig sein sollte? Wie oft habt ihr schon den Fremden um Geld alle Einrichtungen des Tempels gezeigt, – wie hätten sie verschwiegen bleiben sollen? 3. Einst durfte in das Allerheiligste nur im äußersten Notfall der Hohepriester treten, und für gewöhnlich nur zwei- bis höchstens viermal im Jahre, – und nun ist das Allerheiligste eine Schaubude für die Fremden um Geld geworden, und im Tempel wird allerlei Handel und großer Betrug getrieben, was nun schon alle Welt weiß. Wie kann es euch denn wundernehmen, so auch unsereiner davon in Kenntnis ist, und daß von allen solchen gotteslästerlichen Dingen und Betrügereien auch der Gesalbte Gottes in der vollsten und hellsten Kenntnis sein wird? 4. Ist da der Tempel, gegen den nun geeifert wird aus dem wahren Gottesmunde, wohl noch das, was er zu den Zeiten Salomos war? O mitnichten! Das alte, gottgeweihte Bethaus ist zu einer Räuberhöhle und Mördergrube geworden! 5. Seht, also stehen nun schon zu jedermanns Wissenschaft die Dinge des Tempels, und es hat der Gesalbte Gottes nun gar nicht mehr nötig, von ihrer Ruchlosigkeit zum Volke zu reden, um dadurch den Tempel zu verdächtigen und zu entwerten, sondern alles bessere Volk weiß schon lange darum und beklaget sich deshalb bitter bei dem Gesalbten Gottes! Meinet ihr denn, daß Er bei solch bewandten Umständen den Tempel loben und das klagende und weinende Volk verstoßen sollte? Nein, wahrlich nein, das wird Er als der Gerechteste der Gerechten ewig nimmer tun! 6. Wenn ihr mit dem euch so sehr verhaßten Nazaräer zusammenkommen würdet und Er genauso zu euch redete, wie Ich nun zu euch geredet habe, – was würdet ihr Ihm wohl erwidern?“ 7. Sagte der Schriftgelehrte: „Ja, Freund, da ließe sich, so man bei der Wahrheit zu bleiben genötigt wäre, zugunsten des Tempels wenig erwidern; nur das einzige ist da zu bedenken, daß da nicht wir und gar viele unseresgleichen es sind, die die alten guten und wahren Einrichtungen des Tempels so verkehrt und entstellt haben, wie sie nun verkehrt und entstellt sind, sondern nur die Ersten, Obersten und Mächtigsten im Tempel schon vor langer Zeit. Was können wir Untergeordnete nun wohl anders tun, als uns selbst in das fügen, was uns der Tempel, von dem wir leben, vorschreibt? Wir müssen als gemachte junge Wölfe mit den alten Wölfen heulen, so wir von ihnen nicht wollen zerrissen und aufgefressen werden! 8. Die reine Wahrheit predigen und auch nach derselben handeln, wäre das Beste, Schönste und Herrlichste unter den Menschen auf der Erde. Was kann man aber nun machen, wo man sich der Wahrheit willen alle erdenklichen Verfolgungen, Strafen und sogar den Tod am Kreuze bereiten kann? Man muß bei so arg bewandten Umständen selbst zum Verfolger der Wahrheit werden, um leben zu können, da man schon einmal in dieser Welt – ohne es jemals gewollt zu haben – leben muß. 9. Gott aber ist allmächtig und ebenso auch höchst weise; Er hat vom Urbeginn an alles gut und weise eingerichtet. Warum ließ Er es denn nach dem Verlaufe der Zeiten zu, daß eben die Menschen, als sicher Seine vorzüglichsten Geschöpfe, nun gar so tief von ihrer ursprünglichen Reinheit und Würde hinabgesunken sind? 10. Wenn der Gesalbte Gottes so mächtig ist im Worte, Willen und in der Tat und Ihm alle Elemente gehorchen, so kann Er ja auch mit aller Ihm innewohnenden Macht und Kraft gegen die gegenwärtigen Unfuge des Tempels auftreten und sie völlig vernichten!“ 11. Sagte Ich: „Du bist ein Schriftgelehrter und urteilst über göttliche Dinge und Einrichtungen noch um vieles finsterer denn ein Blinder von den Farben, die durch das Licht dem Auge ersichtlich werden! 12. Der Mensch ist freilich nicht durch seinen eigenen, sondern nur durch den allmächtigen Willen Gottes in diese Welt gesetzt worden; Gott aber als die ewige und reinste Liebe Selbst ist höchst gut und weise und weiß es, warum Er den Menschen erschaffen und zur Probung und Stärkung des ihm gegebenen freien Willens nur auf eine kurze Zeit in diese Welt gestellt hat. 13. Damit aber auch der Mensch wohl inne werde, warum er erschaffen und in diese Welt gestellt worden ist, so hat ihm Gott das alles zu allen Zeiten treu geoffenbart und ihm auch solche Lebensgesetze gegeben, durch deren gar leicht mögliche Beachtung er unfehlbar das ihm vorgestellte Ziel erreichen muß. 14. Wann aber hat Gott dem Menschen je geboten, von seinem freien Willen den größtmöglichen Mißbrauch zu machen und dadurch sich selbst zu beschädigen?! 15. So Gott mit dem Menschen die vollkommenst besten Absichten hat, um ihm den ewig freiesten und somit Ihm gleich seligsten Lebensgenuß zu bereiten, – warum sträubt sich denn der ohnmächtige Mensch, der Gott, dem ewigen Herrn, das Erschaffen nicht verbieten kann, wider solch edelste Absichten Gottes also, als wäre er ein Herr über den weisesten und besten Willen Jehovas? Wenn du in dir fühlst, daß du in dieser Welt leben mußt, – warum fühlst du denn nicht auch mit dankbarem Herzen, warum dich Gott in diese Welt gesetzt hat, da Er dir doch Seinen Willen treuest geoffenbart hat?! 16. Wenn der Mensch nun fühlt, welches Übel er sich selbst durch seine hochmutsvolle Widerspenstigkeit gegen den geoffenbarten und wohlerkannten Willen Gottes zugezogen hat und Gott nun Selbst im Menschensohne nach Seiner Voraussage zu der entarteten Menschheit der vollsten Wahrheit nach gekommen ist, um sie mit aller Liebe und größter Geduld auf die alte Bahn des Lebens zu führen und zu bringen – was Er durch Lehre und Taten beweist –, warum verabscheuet ihr Ihn denn und wollet euch von Ihm nicht helfen lassen? 17. Daran schuldet sicher nicht Gott, sondern nur ihr selbst durch eure unersättliche Habgier und durch eure wahrhaft satanische Herrschsucht sogar über Gott! Ja, wäre Gott ebenso hart, lieblos und voll Ungeduld, wie ihr es seid, so hätte Er nicht nur mit dem Tempel und seinen bösen Dienern, sondern auch mit dieser ganzen Erde einen völligen Garaus gemacht; aber Er duldet eure Blindheit und eure daraus hervorgehende Bosheit und ermahnt euch alle zur Umkehr auf die lichtvolle Bahn des Lebens. 18. Ihr aber wollet das nicht und verharret nicht nur in euren alten Lastern aller Art und Gattung, sondern häufet solche noch von Tag zu Tag dazu und verfolget Gott Selbst, der euch nun helfen will, wohl ersichtlich und erkennbar für jedermann. Ist da etwa wieder Gott daran der Schuldträger, so euch Seine ewige Liebe und Wahrheit zu einem durch eure Blind- und Bosheit strafbaren Ekel geworden ist?! 19. Ja, ja, ihr werdet die ewige Wahrheit wohl noch durch eure Gesetze der Lüge an das Kreuz heften; aber dann wird das Maß eurer Bos- und Verstocktheit auch voll werden, und das Gericht wird dann über euch kommen und euch den Lohn geben, den ihr selbst von Gott eurer Bosheit wegen verlanget, und den Er euch infolge Seiner Liebe, Geduld und Erbarmung noch immer vorenthält, weil Er keine Seele, auch die des argen Hohenpriesters nicht, des Verderbens wegen in diese Welt gesetzt hat. 20. Seht, also denken wir alle hier! Warum denket denn nicht auch ihr also völlig in der wahren Lebensordnung aus Gott?“ 21. Auf diese Meine Rede wußte nun der Schriftgelehrte nicht mehr, was er dagegen einwenden könnte. Nach einer Weile sagte er: „Ja, ja, Freund, der du, als sicher von Geburt aus ein Galiläer, von dem berühmten Nazaräer ganz durchdrungen zu sein scheinst, du hast freilich wohl ganz recht; aber was können wir von aller Art Weltgesetzen Abhängige da tun? 22. Verlassen wir den Tempel, so werden wir uns den Vögeln gleich den nötigen Lebensunterhalt in aller Welt suchen können; und bleiben wir im Tempel, so müssen wir uns seine Satzungen und Bestimmungen gefallen lassen und müssen wenigstens zum Scheine das tun, was uns zu tun befohlen wird. Die Propheten haben gewiß den ihnen wohlbekannten Willen Gottes allzeit erfüllt, aber ihr Leben in dieser Welt war wahrlich kein beneidenswertes; und dazu haben sie zumeist unter allerlei harten Verfolgungen ihr Leben auf dieser Erde beendet. 23. So aber ein Mensch selbst unter den glücklichsten Lebensverhältnissen um gar viele Male übler daran ist als ein Vogel in der Luft, – wie sieht es dann erst mit dem diesirdischen Lebensglück jener Menschen aus, die von den Menschen der Welt verachtet und verfolgt werden?“ 24. Sagte Ich: „Mit dem Lebensglück der von Gott begeisterten Menschen sieht es immer am allerbesten aus; denn diese wissen es in sich, warum sie in diese Welt gestellt worden sind, und so sie leiden, da wissen sie es klarst, warum. Dann haben sie keine Furcht vor dem Leibestode, weil sie das ewige Leben der Seele schon in aller Klarheit in sich haben, fühlen und sehen und in diesem Leben aber auch die Kraft und Macht des Geistes Gottes in ihnen, durch den sie das ewige Leben und die göttliche Weisheit innehaben. 25. Was hat aber dagegen ein in allen Weltwohlgenüssen schwelgender Mensch in sich, wessen wird er am Ende inne? Des Todes, hinter dem sich ihm kein Leben zeigen will, – und Verzweiflung ist am Ende sein Los. Was ist am Ende des Gottbegeisterten diesirdisches Leiden gegen sein seligstes Abscheiden von dieser Welt, und was ist all das kurzzeitige Wohlleben eines Weltmenschen gegen sein unglückseligstes Abscheiden von dieser Welt? Urteile nun selbst, wer von den zwei Menschen in dieser Welt der Glücklichere ist! 26. Was verliert der aus Gott weise Mensch denn wohl, so er von den blinden Weltnarren verachtet und irgend verfolgt und am Ende gar getötet wird? Er verliert nicht nur nichts, sondern gewinnt dabei nur, weil er durch seine Geduld mit dem Geiste Gottes nur stets inniger verbunden und somit auch in sich des seligsten, ewigen Lebens aller Wahrheit nach bewußter wird! 27. Was gewinnen aber die den aus Gott Weisen verachtenden und verfolgenden Weltlinge? Den ewigen Tod und dessen Gericht! Wenn denn euch der Tempel nichts Besseres bieten kann, so ihr ihm für seine argen Zwecke dienet, als eures Leibes Befriedigung, dann seid ihr wahrlich höchst bedauerliche Menschen, und ein blinder Bettler auf der Straße ist besser daran denn ihr!“ 28. Als die beiden das von Mir vernommen hatten, wurden sie noch stutziger, und keiner wußte nun mehr, was er Mir hätte erwidern können. 29. Der Schriftgelehrte belobte sehr Meinen Verstand, gab Mir in allem recht und sagte am Ende zu Mir: „Freund, ich werde in dieser Nacht mit den andern einen Rat halten, demzufolge wir von dem Verfolgen des Nazaräers sicher gänzlich abstehen werden; aber wir werden dennoch trachten, mit ihm eine persönliche Bekanntschaft zu machen, und was er uns raten wird, das werden wir tun! Denn wir haben nun von euch seine wahrhaft göttliche Weisheit verkostet und sind schon jetzt ganz andere Menschen geworden; welchen Eindruck wird dann erst er selbst auf uns machen! Morgen ein Weiteres davon!“ 30. Mit dem empfahlen sich die beiden, begaben sich wieder an ihren Tisch und bald darauf zur Ruhe. Wir aber blieben noch eine gute Stunde wach und besprachen uns über diese Meine Verfolger, und Kisjona und die Maria waren überaus froh darob, daß Mich diese Templer nicht erkannt hatten, und daß sie andern Sinnes geworden waren. 31. Als die Pharisäer in ihr Schlafgemach kamen, da fingen sie an, sich ganz ernstlich zu beraten, was sie in der Folge tun sollten. Und sie wurden alle einig, mit Mir irgendwo zusammenzukommen und sich von Mir raten zu lassen, welche Lebensrichtung sie in Zukunft einschlagen sollen. 32. Wir aber begaben uns auch zur Ruhe, doch nicht in ein eigenes Schlafgemach – mit Ausnahme der Maria, für die Kisjona eigens gesorgt hatte –, sondern blieben, wie zu öfteren Malen, an unserem Tische, der natürlich zuvor abgeräumt wurde. Kapitel 119 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 119. — Der Herr beruft die drei Erzengel Michael, Gabriel und Raphael 1. Am frühen Morgen, der ganz rein war, erhoben wir uns von den guten Ruhestühlen und begaben uns ins Freie, und zwar an das sehr nahe Meeresufer. Kisjona, Philopold und auch die vier Indojuden waren bei uns. Maria aber blieb noch ruhend im Hause und kam erst nahe dem vollen Aufgange der Sonne zu uns heraus, begleitet von Joel. 2. Bei dieser Gelegenheit sagte Ich: „Indem Ich diesmal also leiblich, wie jetzt, diese Stelle nicht mehr betreten werde, so sollet ihr mit euren Augen in Erfüllung gehen sehen, wie es von Mir geschrieben steht: ,Und ihr werdet Engel zwischen Himmel und Erde auf- und absteigen sehen, und diese werden Ihm dienen!‘“ 3. Es hatten solches Meine Jünger wohl schon zu öfteren Malen gesehen; hier aber ließ Ich das geschehen zumeist der vier Indojuden wegen. 4. Zuerst berief Ich im Geiste den Michael, der wie ein hellster Blitz vom sichtbaren Himmel zur Erde herabfuhr, daß darob alle gar mächtig erschraken. Michael aber stand in aller Majestät vor Mir, leuchtend mehr denn die Sonne, und es konnte außer Mir niemand seinen Lichtglanz ertragen. 5. Ich aber sagte zu ihm: „Johannes, umschatte dich, auf daß dich Meine Freunde anschauen, erkennen und sprechen mögen!“ 6. Da umschattete er sich und stand voll Liebe und Ehrfurcht vor Mir und sagte (Michael): „Sehet Brüder! Dies ist das Lamm, das die Sünden der Welt von euch hinwegnimmt und euch den Weg bahnt zum ewigen Leben! Glaubet an Ihn und liebet Ihn über alles; denn Er ist der urewige Anfang und das urewige Ende, das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, – außer Ihm gibt es keinen Gott!“ 7. Als der Engel diese Worte mit gar lieblicher Stimme ausgesprochen hatte, da verneigte er sich tief vor Mir und pries hoch Meinen Namen. 8. Da fielen auch alle andern vor Mir nieder und lobten und priesen Mich gleich dem Engel. 9. Ich hieß sie alle aufstehen und sagte zu ihnen: „Bleibet in eurer Natürlichkeit; denn Ich bin nun ein Mensch wie ihr und bin durch euren Glauben an Mich und durch eure Liebe zu Mir in euch, wie ihr in Mir! Daher bleibet in eurer Natürlichkeit!“ 10. Da erhoben sich alle wieder, und Johannes ging zu seinen ehemaligen Jüngern und besprach sich mit ihnen über Dinge, die nach Mir über die Juden und über die Menschen der Erde kommen werden ihres Unglaubens wegen, und er blieb in sichtbarer Menschengestalt als der allen wohlerkennbare Johannes den ganzen Tag unter uns. 11. Nach ihm berief Ich den Erzengel Gabriel. Dieser kam gleich wie Michael- Johannes, umschattete sich aber sogleich, gab Mir die Ehre und trat dann zu Maria und besprach sich über seine Sendung mit ihr, und sie ward dabei voll der demutsvollsten Wonne und Seligkeit. Nach dem trat Gabriel, der in der Gestalt und Person des Urvaters Jared erschienen war, auch unter Meine Jünger und besprach sich über die Adamitische Urzeit und über die damaligen Offenbarungen an die Kinder der Höhe und auch an die Kinder der Welt; und er blieb auch bis zum Abend sichtbar unter uns. 12. Auf ihn berief Ich den Raphael. Und dieser erschien auch gleich also wie die zwei ersten, umschattete sich, gab Mir die Ehre und trat darauf zu den vier Indojuden in der Gestalt und Person Henochs und besprach sich mit ihnen gar freundlich über Mich, und wie er es war, der sie aus der babylonischen Gefangenschaft auf Mein Geheiß befreite und sie in das Land brachte, das zuvor außer Adam und Eva von keinem Menschen bewohnt worden war. 13. Und das Töchterchen war ganz erstaunt über des Raphaels Gestalt und sagte: „O du lieblichster Bote aus den lichtvollen Höhen Gottes! Dich habe ich in meinen hellen Träumen schon gar oft gesehen und auch gesprochen; aber so ich davon zu meinen Eltern reden wollte, da wollten sie es mir nicht gelten lassen und hießen mich eine Traumschwärmerin. Aber jetzt sehen sie dich selbst mit ihren Augen und werden nun wohl glauben, daß ich in den Träumen die volle und lichte Wahrheit geschaut habe!“ 14. Und die Eltern lobten Mich, daß Ich ihnen eine so fromme Tochter gegeben habe. 15. Diese Szene der Ankunft der drei Engel dauerte bei einer Stunde lang. 16. Und es fragte Mich Kisjona, beinahe ganz verwirrt vor Freude, sagend: „O Herr und Meister, wie viele solcher Geister mögen wohl in Deinen Himmeln wohnen?“ 17. Und Ich sagte zu ihm: „O du Mein lieber Freund, die Zahl solcher Geister in Meinem Reiche ist endlos; denn was wäre eine endliche Zahl für einen ewigen und in Seinem Geiste der Liebe und Weisheit unendlichen Gott?! Sieh dir an die für dich zahllos vielen Sterne in einer hellen Nacht – du weißt es schon, was sie sind –; auch auf ihnen werden Menschen gezeugt und geboren! Aus ihnen aber werden auch Geister erweckt zum ewigen Leben und Wirken. Wenn du dich als selbst ein vollendeter Geist in Meinem Reiche befinden wirst, dann wirst du alles selbst sehen, und deiner Seligkeit darob wird nimmerdar ein Ende sein! 18. Ich sage es dir: Kein Auge hat es je gesehen, kein Ohr gehört und kein Sinn empfunden, was die im Himmel erwartet, die Gott über alles lieben und Seine Gebote halten! 19. Es ist wohl wahr, daß des Menschen Leben von der Geburt an bis zum Abfalle des Leibes von gar vielen Drangsalen und Leiden aller Art behaftet ist; aber so er nach der erkannten Ordnung Gottes lebt und dadurch in sich schon auf dieser Erde das lebenshelle Bewußtsein überkommt, was ihn im andern, wahren Leben erwartet, so wird er alle die oft noch so bitteren Prüfungen, die alle nur zur Erweckung des Geistes Gottes in seiner Seele ihm zugelassen werden, mit aller Geduld und Standhaftigkeit ertragen und dabei vollauf frohen Mutes sein. 20. Nimm dir an Mir Selbst ein Beispiel! Ich weiß, welche Leiden Mich auf dieser Erde in kurzer Zeit erwarten; aber Meine übergroße Liebe zu euch Menschen, ja zu euch Meinen Kindern, versüßt sie Mir. So lasset euch denn, ihr Kinder, so manches Leid und so manchen Schmerz, den ihr in diesem Leben zu erdulden bekommet, auch durch die Liebe zu Dem, der in Mir wohnt, versüßen, und ihr werdet dadurch auch, Mir gleich, guten und frohen Mutes und heitern Sinnes sein können! 21. Siehe, diese drei Engelsgeister, die heute bis zum Untergange unter uns verweilen werden, haben auf dieser Erde viel zu erdulden gehabt; nun aber sind sie darum überselig und werden ewig nichts mehr zu erleiden überkommen. Ihre größte Seligkeit aber besteht dennoch darin, so sie in Meinem Namen den Menschen auf dieser Erde einen rechten Liebesdienst erweisen können, obschon sie daneben über zahllos viele Sonnen und Erden im endlosen Raume zu gebieten haben. 22. Erweiset denn auch ihr schon jetzt auf dieser Erde den Menschen um Meines Namens willen Liebe, und ihr werdet darob auch schon viele Seligkeiten zum Genusse bekommen; denn es ist das Geben um gar vieles seliger als das Nehmen!“ 23. Als Kisjona solches aus Meinem Munde vernommen hatte, da dankte er Mir für diese Lehre und versprach Mir auf das wärmste, daß er solche Meine Worte in aller Tat über alles beherzigen werde. 24. Da aber kam auch ein Diener vom Hause zu uns ans Ufer des Meeres und zeigte uns an, daß das Morgenmahl bereitet sei. Kapitel 120 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 120. — Die Ansichten der Templer über die drei Erzengel 1. Kisjona aber fragte den Diener, was die gestern spät angekommenen Templer machten. 2. Und der Diener antwortete: „Sie warten schon im Saale auf dich und auf den Herrn und Meister, um dessen Aufenthalt sie sich bei dir näher erkundigen wollen und also auch bei dem Herrn und Meister Selbst, den sie nicht kennen; sie haben sich auch schon bei uns erkundigt, bekamen aber keine Antwort, und sie fragten uns dann um nichts Weiteres mehr.“ 3. Kisjona belobte darob den Diener, und wir begaben uns zum Morgenmahle und mit uns auch die drei Geister. 4. Als wir in den Saal kamen, da gingen uns sogleich die Templer entgegen, grüßten Mich und den Kisjona und wollten sich alsogleich nach des Nazaräers Aufenthalt zu erkundigen anfangen. 5. Kisjona aber sagte: „Nun ist die Zeit des Morgenmahles; nach demselben wollen wir davon reden! So ihr aber nicht zu blind und zu taub seid, so werdet ihr wohl aus unseren Reden entnehmen können, wo sich irgend der große Herr und Meister befindet!“ 6. Mit dem stellten sich die Templer zufrieden, und wir setzten uns in guter Ordnung an den Tisch, und nun also, daß Gabriel-Jared an der Seite Marias, Michael-Johannes in der Mitte seiner Jünger und Raphael-Henoch in der Mitte der vier Indojuden zu sitzen kamen. Wir fingen an zu essen und auch zu trinken, und es fiel wieder den Fremden sehr auf, daß die drei Geister um das Zehnfache so viel verzehrten, als ein anderer Gast am Tische; am meisten aber fiel das den Templern auf, die uns aufmerksamst von ihrem Tische aus beobachteten, daß die drei scheinbaren Jünglinge gar so viel von den Fischen zu verzehren vermochten. 7. Einer von ihnen konnte nicht umhin, an unseren Tisch zu kommen und den Kisjona zu fragen, was denn das für Jünglinge wären, die gar so vieles mit ersichtlicher Hast verzehren können. 8. Sagte Kisjona: „Gehet hin, und fraget sie selbst! Mir aber macht ihre große Eßlust nur eine besondere Freude; denn sie dient mir zum Beweis, daß die Fische wohl zubereitet sind, und daß auch mein Wein rein und gut ist, wie auch mein Hausbrot. Fraget, wie gesagt, um ein Weiteres nur die lieben Jünglinge selbst!“ 9. Da ging der Schriftgelehrte zu Raphael und fragte, was er für ein Landeskind sei, und ob in seinem Geburtslande alle Menschen auch so starke Esser seien. 10. Sagte Raphael: „Unser Essen fällt euch wohl auf, – warum ist euch denn unsere Ankunft nicht aufgefallen?“ 11. Sagte der Schriftgelehrte: „Wie hätte uns diese auffallen sollen? Denn ihr seid doch ebenso wie die andern in den Saal hereingekommen?“ 12. Sagte Raphael: „Ihr waret, als wir angekommen sind, auf dem Söller und hattet eure Augen nach dem Meere gerichtet, als ein hellster Blitz aus den Himmeln zur Erde niederfuhr unter die Menschen, die am Ufer standen, und ihr dachtet: ,Oh, das müssen große Sünder vor Gott sein, daß Gott sogar einen Blitz aus dem reinsten Himmel zur ungewöhnlichen Jahreszeit unter sie fahren läßt!‘ Seht, mit dem ersten Blitz, der euch gar in ein gewaltiges Erstaunen und Bedenken gestellt hatte, kam jener Jüngling an, der nun dort gar liebfreundlich an der Seite eines würdigsten Weibes sitzt. Bald fuhr ein zweiter Blitz aus dem Himmel auch unter die Schar jener von euch vermeinten großen Sünder, hatte abermals niemanden beschädigt, und ihr sagtet: ,Gott ermahnt die Sünder!‘ Und sehet, mit dem zweiten Blitz kam jener Jüngling an, der nun dort unter den sieben Männern sitzt, die vor noch gar nicht langer Zeit seine Jünger waren. Und mit dem dritten Blitz bin ich angekommen. 13. Unsere Natur ist sonach pur Feuer aus den Himmeln; das Feuer aber verzehrt mehr denn ein Mensch, – und so kann es euch nicht gar zu sehr wundernehmen, daß wir drei Gäste aus den Himmeln mehr verzehren können als ein schwacher Mensch dieser Welt.“ 14. Als der Schriftgelehrte solches aus dem Munde Raphaels vernommen hatte, da wußte er nicht, was er darauf hätte erwidern sollen, – denn er meinte, daß der Junge ihn zum besten halten wolle; denn er konnte das nicht glauben, was ihm Raphael angegeben hatte. Er besah sich aber die drei darauf genauer, ging wieder zu den Seinigen und erzählte ihnen, was er von einem der drei Jünglinge vernommen hatte. 15. Einer von ihnen aber sagte: „Wir wollen abwarten, bis die Kisjona freundliche Gesellschaft das Morgenmahl wird beendet haben; dann wollen wir sie ernstlich um den Aufenthalt des berühmten Nazaräers befragen. Wollen sie uns das kundgeben, so werden wir unverweilt dorthin ziehen, wo er zu treffen sein wird, und werden dann diesen Halbrömern, denen wir zu einem Dorn im Auge geworden sind, den Rücken zuwenden!“ 16. Ein anderer aber sagte: „Ihr seid zwar schriftgelehrter denn unsereiner, – aber ich glaube durch meinen Scharfblick mehr entdeckt zu haben denn ihr. Mir kommt es nun so vor, als befände sich der berühmte Nazaräer unter dieser Gesellschaft! 17. Und einer der drei Jungen hat eine große Ähnlichkeit mit dem Prediger in der Wüste, der ungefähr vor zwei Jahren im Gefängnis des Herodes soll enthauptet worden sein, was wir freilich wohl nicht gar so genau weder der Zeit noch der Tat nach wissen können, weil wir uns damals in Damaskus befanden; aber bevor wir nach der benannten Stadt gekommen sind, habe ich ihn in der kleinen Wüste am Jordan gesehen, wo er lehrte und die zu ihm Bekehrten mit dem Wasser des Flusses taufte und den von ihm Getauften einen neuen Namen gab. 18. Er sah damals freilich wohl älter aus und war sehr mager; aber er kann auch nicht enthauptet worden sein – wie man sich die Sache also erzählt –, und Herodes habe, um den Willen der Herodias zu erfüllen, etwa einen jenem Täufer ähnlichen Sklaven enthaupten lassen und habe ihn mit der Weisung freigelassen, sich in einer fremden Kleidung zu den Heiden zu begeben samt seinen Jüngern. Dort wird er sein strenges Leben abgelegt haben, hat sich besser genährt und sieht nun hier ganz jugendlich aus. 19. Ist er aber da, so wird der Nazaräer auch nicht ferne von ihm sein; denn er predigte ja in einem fort von der vollen Ankunft des Messias. Bei seiner wahrhaft heidnischen Eßlust aber kann er nun schon um einige Jahre jünger aussehen, als er in der Wüste ausgesehen hat, wo er etwa nichts anderes als Heuschrecken mit wildem Honig aß!“ 20. Sagte der Schriftgelehrte zum Redner: „Deine Bemerkung ist wahrlich sehr beachtenswert; aber was sagst du denn von den drei Blitzen, die wir alle vom Söller aus gerade in diese Gesellschaft vom Himmel herab haben fahren sehen, die sich damals am Ufer befand und nun um gerade drei Jünglinge zahlreicher sich beim Morgenmahle gütlich tut? Wir haben aber niemanden zur Gesellschaft hinzukommen sehen – außer zuletzt einen einzigen Hausdiener, der die Gesellschaft zum Morgenmahle rief; auch gestern abend haben wir keinen von diesen drei Jungen gesehen. Woher kamen sie zu der Gesellschaft?“ 21. Sagte der Redner: „Sie können ja schon am frühen Morgen zu ihnen gekommen sein!“ 22. Sagte der Schriftgelehrte: „Wenn das der Fall wäre, so hätten uns unsere wachhabenden Diener das sicher angezeigt, weil nach unserer Weisung sie schärfst darauf zu achten hatten, wer da ankommt, und von welcher Seite, und wer aus dem Hause geht, mit wem, und wohin er sich wendet. Es haben aber unsere Diener uns nichts zu sagen gewußt, daß da jemand am frühen Morgen angekommen wäre. Und so sahen sie auch namentlich von den drei Jungen heute frühmorgens keinen aus dem Hause treten und mit der Gesellschaft ans Meeresufer hinausziehen; wohl sahen sie das Weib mit einem Manne beinahe eine Stunde später und, wie schon bemerkt, zuletzt den Hausdiener zu der Gesellschaft hinausziehen. Und es ist somit die sehr bedenkliche Frage, woher diese drei Jünglinge gekommen sind!“ 23. Sagte der Redner, der die drei Jünglinge vernatürlichen wollte: „Ist es denn nicht möglich, daß diese drei Jungen etwa schon am Ufer die Nacht über verweilten und am Morgen erst von der Gesellschaft alldort angetroffen und aufgenommen worden sind?“ 24. Sagte darauf abermals der Schriftgelehrte: „Da würden auch unsere Diener etwas bemerkt und uns davon Anzeige gemacht haben; denn drei unserer Diener haben auch das Ufer eures guten Wissens bis dahin bewacht, als diese Gesellschaft sich am frühen Morgen aus dem Hause ans Ufer zu begeben anfing, wo unsere Diener ihr noch begegneten, was wir vom Söller aus mit eigenen Augen sahen. Und so können wir nun denken und reden, was wir wollen, so sind die drei viel verzehren könnenden Jünglinge in jedem Fall eine außerordentliche und geradewegs wunderbare Erscheinung! Denn ich bin sicher auch kein leichtfertig wundergläubiger Mensch; aber die drei nun in jener uns auch etwas rätselhaften Gesellschaft anwesenden Jungen scheinen mir offenbar ein Wunder zu sein. Wer und was nun hinter ihnen steckt, das ist freilich eine ganz andere Frage. Nach dem Mahle werden wir wohl darauf kommen!“ 25. Auf diese Rede des Schriftgelehrten waren auch die andern mit ihm einverstanden und warteten mit großer Sehnsucht auf das Ende unseres Morgenmahles, das denn auch bald erfolgte. Kapitel 121 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 121. — Die Erklärung des 13. Kapitels Hesekiel durch den Herrn 1. Als wir uns vom Tische erhoben, da kam auch alsogleich der Schriftgelehrte zu uns und sagte zu Mir: „Weiser Freund, gedenke nun deines gestern abend mir gemachten Versprechens!“ 2. Sagte Ich: „Du bist auf dem rechten Wege wohl, – aber es ist auch das ein Wunder, daß du bei schon so viel empfangenem Lichte noch immer blind bist. Du hast dich gestern abend zwar so halbwegs von der Wahrheit dessen überzeugt, was Ich dir von dem Nazaräer gesagt habe, aber du und deine Gefährten denket bei euch im Herzen dennoch: ,Wir wollen einmal mit dem Nazaräer um jeden Preis persönlich zusammenkommen und wollen ihm da scharf auf den Zahn fühlen. Finden wir an ihm, was wir in Kis über ihn vernommen haben, so wollen wir uns zu ihm halten; finden wir aber das nicht völlig also, so werden wir ungesäumt nach unserem Auftrag an ihn die Hände legen und ihn den Gerichten überantworten.‘ 3. Ihr gehöret sonach samt dem Hohenpriester und samt allen euren falschen Propheten, als da sind die Ältesten, Schriftgelehrten, Pharisäer und Leviten zu Jerusalem und also auch in den Synagogen allerorten des ganzen Judenlandes, zu eben jenen falschen Propheten, von denen der Herr im Propheten Hesekiel also spricht: 4. ,Du Menschenkind, weissage wider die Propheten Israels, und sprich zu denen, die aus ihrem eigenen Herzen und Sinne weissagen: Höret des Herrn Wort! Also aber spricht der Herr Herr: Wehe den tollen Propheten, die ihrem eigenen Geiste folgen, da sie doch niemals ein Gesicht hatten und einen Ruf vernommen haben! (Hes.13,1-3) 5. O Israel, deine Propheten, an denen du hängst, sind gleich den Füchsen in der Wüste! Sie treten nicht vor ihre Löcher (aus Furcht, gefangen zu werden) und machen sich also auch nicht zu Hürden um das (bedrängte) Haus Israel und stehen nicht im Streite am Tage des Herrn (Probezeit für den wahren Glauben). Ihre vorgeblichen Gesichte sind nichts, und ihre Weissagungen sind eitel Lügen! Sie sprechen wohl ganz dreist: ,Der Herr hat es gesagt!‘ und wissen es doch klar in sich, daß Er sie niemals berufen und gesandt hat, und mühen sich nur darum in wildem Eifer, auf daß sie erhalten ihre Dinge (zu ihrem Weltlebensbesten). (Hes.13,4-6) 6. (Saget, ihr falschen Propheten, alle:) Ist es etwa nicht also, daß eure vorgeblichen Gesichte nichts und eure Weissagungen eitel Lügen sind? Und doch sprechet ihr zum Volke: Der Herr hat es gesagt!, – so Ich mit euch nach eurem guten Wissen doch niemals geredet habe! (Hes.13,7) 7. Darum spricht der Herr weiter also: Weil ihr dem Volke das prediget, daraus nichts wird, und dem Volke Lügen weissagt, so will Ich Selbst an euch (dem Volke eure List enthüllen), spricht der Herr. Und Meine Hand soll über jene Propheten kommen, die das predigen, daraus nichts wird, und Lügen weissagen! Sie sollen in der Versammlung Meines Volkes nicht sein, in die Zahl des Hauses Israel nicht geschrieben werden, noch in das Land Israel kommen; und ihr sollet erfahren, daß Ich der Herr Herr bin! (Und Meine Hand soll darum über sie kommen,) dieweil sie Mein Volk verführen und zu ihm sagen: ,Der Friede (sei mit dir)!‘ und dennoch kein Friede da ist. (Hes.13,8-10a) 8. So das Volk (in Meinem Namen) noch die Wand baut, so kommen sie und übertünchen dieselbe mit ihrem losen Kalk (äußere Scheinfrömmigkeit des irdischen Gewinnes wegen). Sprich zu den Tünchern, die mit ihrem losen Kalke tünchen: Ihre Tünche wird von der Wand bald abfallen; denn es wird ein Platzregen kommen und werden große Hagel fallen, die die Tünche abfallen machen werden, und ein mächtiger Wirbelwind wird sie zerreißen. (Unter ,Platzregen‘ ist zu verstehen das reine Gotteswort, unter ,großem Hagel‘ dessen feste Wahrheit und unter dem ,mächtigen Wirbelwind‘ die Macht der Wahrheit.) Sieh, also wird mit der Tünche auch die verdorbene Wand einfallen! Was gilt es, daß man dann zu euch sagen wird: ,Wo ist nun das, was ihr getüncht habt?‘ (Hes.13,10b-12) 9. Also spricht der Herr Herr: Ich werde in einem Wirbelwind alles (Falsche) niederreißen lassen in Meinem Grimme, einen Platzregen senden in Meinem Zorne und große Hagelsteine in Meinem Grimme; die sollen alles umstoßen! Also will Ich die Wand umstoßen und zu Boden werfen, die ihr mit losem Kalk übertüncht habt, und man soll, so sie zertrümmert am Boden liegt, ihren falschen Grund sehen, und ihr falschen Propheten sollet dabei auch umkommen und erfahren, daß Ich der Herr bin! Also will Ich Meinen Grimm an der Wand und an denen auslassen, die sie mit losem Kalk tünchen, und will zu euch sagen: Hier ist weder Wand noch ein Tüncher mehr! Das sind die Propheten Israels, die zu Jerusalem weissagen und predigen vom Frieden, so doch (unter ihnen selbst) kein Friede ist, spricht der Herr Herr. (Hes.13,13-16) 10. Und du, Menschenkind (Hesekiel), richte dein Angesicht auch wider die Töchter in deinem Volk, welche auch weissagen in ihrem Herzen, und weissage wider sie und sprich: Also spricht der Herr Herr: Wehe euch, die ihr Kissen machet den Leuten unter die Arme und Pfühle (Polster) unter die Häupter, beides für jung und alt, um ihre Seelen zu fangen, und, so ihr die Seelen gefangen habt unter Meinem Volk, denselben das ewige Leben verheißet! Und also entheiliget ihr Mich im Volke um einer Hand voll Gerste und eines Bissen Brotes willen dadurch, daß ihr die Seelen, statt zum Leben, zum Tode verurteilet, die doch nicht sterben sollen, und verurteilet die zum Leben, die (nach ihrem gottlosen Wandel) doch nicht leben sollten, durch eure Lügen unter Meinem Volke, das gerne Lügen hört. (Hes.13,17-19) 11. Darum spricht der Herr Herr: Siehe, Ich will über eure Kissen herfallen (wie ein Löwe), mit denen ihr die Seelen fanget und fälschlich vertröstet! Ich will sie von euren Armen wegreißen und die Seelen, die ihr fälschlich vertröstet und für den Tod gefangen habt, losmachen. Also will Ich auch eure Pfühle (Polster) zerreißen und Mein Volk aus eurer Hand erretten also, daß ihr es nicht mehr fangen sollet, – und also sollet ihr erfahren, daß Ich der Herr bin! Ich will und werde darum das tun, weil ihr die Herzen der Gerechten fälschlich betrübet, die Ich Selbst doch niemals betrübt habe, und stärket aber dafür die Hände der Gottlosen, auf daß sie sich von ihrem bösen Wesen ja nicht bekehren und dadurch zum Leben gelangen mögen. Darum sollet ihr nimmerdar unnütze Lehre predigen noch weissagen! Ich will demnach Mein Volk aus euren Händen reißen, und ihr sollet es erfahren, daß Ich ganz allein nur der Herr bin!‘ (Hes.13,20-23) 12. Siehe, Mein Freund, also hat der Herr durch den Mund des Propheten geredet zu den falschen Propheten; und was Er geredet hat, das geht nun vor euren Augen völlig in Erfüllung! Wer in dieser Zeit aber ärger denn jemals zuvor die falschen Propheten sind, das brauche Ich euch nicht noch einmal zu sagen, da Ich sie euch ohnehin schon zur Übergenüge beschrieben habe. 13. ,Wer aber‘, fraget ihr in euch, ,sind denn dann die gewissen Töchter Israels, die auch fälschlich weissagen und für die Menschen Kissen unter die Arme und Pfühle unter den Kopf machen?‘ Das sind die von euch gezeigten Satzungen, die euch nun nicht mehr allein mit Gerste und Brot, sondern mit allen denkbaren Schätzen reichlichst versehen. 14. Auf daß die Menschen ja nicht selbst unter sich die Gesetze des Lebens zu beachten haben, habt ihr es ihnen durch eure Satzungen bequemer gemacht, indem ihr ihnen vorgelogen habt, daß ihr Gesichte gehabt und der Herr Herr es euch geoffenbart habe, daß die Menschen euch lieber größere Opfer darbringen sollen, was Gott um vieles wohlgefälliger wäre denn das eigene, unbequeme Halten der Gesetze, – was euch das von euch blind gemachte und zur Selbsttätigkeit ohnehin stets träge Volk gerne glaubte. 15. Dadurch aber habt ihr das Volk von Gott und so auch vom Leben der Seelen aus Ihm abgewendet und die Türen zum Reiche Gottes versperrt, auf daß ja kein Mensch mehr zum ewigen Leben seiner Seele gelange. 16. Oder bestehen bei euch nun nicht Satzungen, denen nach sich ein Mensch durch reiche Opfer, dem Tempel natürlich und namentlich dargebracht, für eine bestimmte Anzahl von Jahren für die Zukunft von aller Haltung der Gottesgebote loskaufen kann? Er kann dann lügen, stehlen, rauben, morden, Hurerei treiben, ehebrechen und den Sabbat schänden, wie er nur mag und kann, und er begehe keine Sünde! 17. Ist das dann nicht eine elendeste und allerloseste Kalktünche über die von Gott erbaute Wand zum Schutze Seines Volkes, durch welche Tünche am Ende die Wand selbst unnütze geworden ist und mit der Tünche nun niedergerissen und von neuem aufgebaut werden muß?! 18. Sind solche eure Lehren und falschen Weissagungen nicht zu vergleichen jenen aus ihren bösen Herzen weissagenden Töchtern, die da sagen: ,Da hast du weiche Kissen zur bequemen Stütze deiner Arme, mit denen du nun wohl ruhen kannst, und dazu sanfte Pfühle für deinen Kopf, auf daß du, statt nach den lästigen Gesetzen mühsam zu denken und zu forschen, was vor Gott und den Menschen recht ist, ohne Sorge schlafen kannst!‘ 19. Meinst du wohl, Gott hätte es je über Sein Volk kommen lassen, daß es von den Heiden beherrscht würde, wenn es nicht durch die grundfalschen Weissagungen und Lehren und Satzungen derart gottlos geworden wäre, daß es sich schon lange bis auf den letzten Menschen aufgerieben hätte, so das die Heiden durch ihre strengen und klugen Staatsgesetze nicht verhindert hätten? 20. Gott aber sah das große Elend des armen und Seiner hie und da doch noch nicht völlig vergessenden Volkes und führte zu seinem Schutze die Heiden in das Gelobte Land, ansonst es zum vollen Opfer eurer selbstsüchtigsten, argen Willkür geworden wäre. 21. Wie möget ihr zum Volke sagen, Gott sei viel zu heilig und erhaben, daß Er Sich um das Tun und Treiben der Menschen kümmern möchte. Er gebe darum Seinen Willen nur den höchsten Erzengeln kund, und diese dann auf dem Wege von allerlei Gesichten und inneren Weissagungen nur euch, – und das Volk kann also nur von euch, als den von Gott bestellten Propheten, Seinen Willen vernehmen. 22. Ich sage es euch: Ihr seid als Zedern auf Zion faul geworden; darum ist euch nun die Axt an die Wurzel gelegt. Ihr werdet gefällt und im Feuer Meines Grimmes und Zornes zu Asche verbrannt werden, spricht der Herr Herr, der nun Sein Volk erretten will und wird! 23. Was aber der Herr aus Seiner höchsteigenen Macht nun tut, das wird Er allzeit tun, wo sich ein Pharisäertum irgend auf dieselbe Weise entfalten wird, wie es sich in Jerusalem entfaltet hat! 24. Wie oftmals sind an Jerusalem von Gott aus dem Munde der wahren Propheten Mahnungen gekommen! Was haben aber die Templer getan? Statt sich an die Mahnungen zu kehren, haben sie die Propheten gesteinigt und erwürgt und erklärten dem Volke, daß solche Propheten, die wider den Tempel predigen, Abgesandte des Teufels der Teufel sind und daher von der Erde vertilgt werden müssen. 25. Und so habt ihr gar viele Propheten getötet bis auf Zacharias und zuletzt auch durch eure Vermittlung den Johannes, und ihr unschuldig vergossenes Blut wird strafend kommen über euch und eure Kinder bis ans Ende der Zeiten. 26. Wie Spreu werdet ihr verweht werden in alle Teile der Welt! Ihr werdet kein Volk mehr sein und als niedrige Sklaven werdet ihr den Heiden, denen das von euch genommene Licht gegeben wird, dienen müssen; und wie die Juden einst das erste Volk der Erde waren, also werden sie bald das letzte und allenthalben verachtetste werden! Denn sie haben an den vielen Propheten, deren Gräber sie nun des Volkes wegen auch mit ihrem losen Kalk übertünchen, noch nicht sattsam gemordet, – sie wollen sich nun auch an den Herrn Selbst machen, Ihn fangen und töten! Aber es wird der Herr auch noch das zulassen, aber nicht zum Heile der falschen Propheten, sondern zu ihrem Gerichte; und also wird Er Selbst sein der mächtige Wirbelwind, der sie alle zerreißen und in alle Pfützen der Erde zerschmeißen wird! 27. Und was der Herr mit den Pharisäern tun wird, das wird Er auch tun mit allem euch ähnlich sich irgend entfaltenden Pharisäertum auf der ganzen Erde. 28. Ich habe nun sattsam geredet, und nun möget ihr reden und sagen, wie euch die Wahrheit gemundet hat!“ 29. Sagte darauf der Schriftgelehrte: „Du mein sehr wahrhaftiger und weiser Freund, ich und auch alle meine Gefährten und Diener können dir nicht im geringsten unrecht geben; denn es steht mit dem Tempel nun buchstäblich also, wie du ihn nun vor uns dargestellt hast. Aber was können wir dagegen tun? Es komme über ihn nur das, was der Prophet Hesekiel über ihn geweissagt hat! Aber wir werden, obschon wir darum vom Tempel ausgesandt sind, unsere Hände nimmerdar an den Gesalbten Gottes legen; denn wir haben Ihn nun aus deinem Munde wohl kennengelernt, wollen unserer Weltwürde völlig entsagen und Seiner Lehre folgen, dessen wir dich und alle deine Gefährten wahrheitsgetreust versichern können. 30. Aber nun erlaube mir armem Sünder vor dir noch eine ganz schlichte, aber für uns doch höchst bedeutungsvolle Bemerkung zu machen, – und diese besteht darin: Siehe, im Verlaufe deiner wahren Bußpredigt an uns habe ich aus deinem Eifer stets mehr und mehr wahrzunehmen angefangen, daß du entweder ein erster Jünger Dessen, der als Herr Herr zu Hesekiel gesprochen hat, seist, oder du selbst bist es, den zu suchen wir ausgesandt worden sind; und bist du es selbst, da lasse (gestatte) uns, daß wir uns umkleiden, dann bei dir verbleiben und dir nachfolgen!“ 31. Sagte Ich: „Wenn ihr glaubet, da möget ihr auch bleiben; die Folge aber wird es euch schon zeigen, ob ihr in Mir wohl den Rechten gefunden habt! Am äußeren Menschen aber hängt das Heil nicht, sondern das kommt von dem Geiste der ewigen Liebe und Wahrheit, der im Menschen wohnt. 32. Der äußere Mensch wird auch gleich jedem andern Menschen diese Erde verlassen und nicht unter den Menschen verbleiben; aber sein Geist wird verbleiben bis ans Ende der Zeiten. 33. Wollet ihr euch an Meinen Geist halten, da bleibet; wollet ihr euch aber an Meine Person halten, da könnet ihr so, wie ihr hierhergekommen seid, wieder von hinnen ziehen!“ 34. Sagte der Schriftgelehrte: „Herr Herr und Meister in Deinem Geiste, nicht an Deine Person, sondern nur an Deinen Geist wollen wir uns halten; denn Deine Person dient nur Dir zunächst, so wie jedermann die seinige, – aber Dein Geist kann dienen einem jeden Menschen, der sich richtet nach Ihm!“ 35. Sagte Ich: „So bleibet, und glaubet! Denn selig ist, der da glaubt und nach der erkannten Wahrheit lebt und handelt.“ Kapitel 122 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 122. — Die Beschaffung griechischer Kleidung für die Templer 1. Auf diese Meine Worte waren die vollends bekehrten Templer über die Maßen froh und heiter geworden und wandten sich nun an den Kisjona mit der Bitte, ob er ihnen wohl irgend griechische Kleider verschaffen könne. 2. Kisjona aber sagte: „Dies, liebe Freunde, wird nun etwas hart gehen, da wir im Orte keinen Kleidermacher haben; zu Kana gibt es deren wohl, aber dahin werdet ihr nun nicht ziehen wollen?“ 3. Sagte Ich zu Raphael: „Verschaffe du diesen sieben Templern und ebenso auch ihren Dienern ein griechisches Gewand; denn sie sollen zur Bekehrung der Griechen in Afrika gestärkt werden!“ 4. Als Ich solches laut zu Raphael gesagt hatte, da trat er zu den Templern und sagte: „Was Der will, der mir befohlen hat, euch ein neues Gewand nach der Art der Griechen in Afrika zu verschaffen, das werde euch! Ich will denn in eine Stadt in Ägypten mich begeben, in der es fertige Gewänder in Übergenüge zu kaufen gibt, und ihr möget euch dann damit bekleiden.“ 5. Sagten die Templer: „O du holdester und über alles dienstfertiger Jüngling! Da werden wir wohl lange hier zu warten haben, bis du uns die neue Kleidung gar von Ägypten herbringen wirst!“ 6. Sagte Raphael: „Nach der diesirdisch menschlichen Weise ginge es wohl also; aber da ich kein diesirdischer Mensch mehr bin, so ist mein Gedanke hier und dort, und da ich mein Gedanke selbst bin, so bin ich selbst auch ebenso schnell wie mein Gedanke! Und sieh, ich habe also mein mir vom Herrn für euch anbefohlenes Geschäft denn auch schon beendet, war schon dort und bin auch schon wieder hier! Gehet nun in euer Gemach, und überkleidet euch!“ 7. Sagte der Schriftgelehrte: „Wie möglich konntest du in Ägypten gewesen sein, da wir dich ja doch nicht einen Augenblick vermißt haben? Das wäre ja doch ein Wunder über alle Wunder!“ 8. Sagte Raphael: „Für euch sicher, aber nicht also auch für mich! Gehet aber hin, und überzeuget euch; dann erst mögen wir einiges darüber reden!“ 9. Darauf gingen sie in ihr Gemach und fanden alles, was ihnen unser Raphael angesagt hatte, worüber sie sich über alle die Maßen zu verwundern anfingen. 10. Sie kamen darauf bald als Ägypter der Tracht nach wieder zu uns, und so auch ihre Diener, lobten und priesen Mich, und der Schriftgelehrte sagte zu Mir: „Daß Du, o Herr und Meister, eben Derjenige bist, auf den alle Juden warten und hoffen, das brauchen wir nicht mehr zu glauben; denn wir sind davon nun auf das lebendigste überzeugt! Aber nun möchten wir denn auch über die drei Jungen, von denen der eine auf eine so überwunderbare Art uns nun mit Ägyptens Kleidern versah, eine Aufhellung haben! Denn sind sie selige Geister, wie haben sie dann einen uns sicht- und fühlbaren Leib, – und ist ihr Leib gleich dem unsrigen, wie kann er eine so unbegreifbar schnelle Bewegung machen und aus dem fernen Lande Hams (einem Sohne Noahs) die vielen Kleidungsstücke für uns und unsere Diener beschaffen?“ 11. Sagte Ich: „Meine lieben Freunde, habt ihr denn nicht gelesen, wie es also geschrieben steht in der Schrift, daß zu jener Zeit Engel auf- und niedersteigen werden und Mir und den Menschen sichtbar dienen werden? Und sehet, also ist die Schrift nun denn auch in diesem Stücke erfüllt vor euren Augen! 12. Aber so auch das sähe des Tempels hoher Rat, so würde er es doch nicht glauben, auf daß er selig werden möchte; darum wird über ihn auch das kommen, was Hesekiel geweissagt hat. 13. Nun aber besprechet euch mit dem Engel, der euch mit neuen Kleidern versah; Ich aber werde nun mit dem Wirte und dessen Freunde Philopold auf eine kurze Zeit Mich ins Freie begeben und also in Meinem Geschäfte eine kleine Ruhe Mir gönnen!“ 14. Mit dem waren die Templer vollends zufrieden und gesellten sich alsbald zu Raphael, der ihnen, so wie früher einmal auf dem Ölberge, viele Dinge zeigte und auch erklärte. 15. Bevor Ich aber mit den zwei Obbenannten den Saal verließ, trat noch die Maria zu Mir und fragte Mich, ob auch sie mit uns gehen solle. 16. Ich aber sagte, daß sie nun im Saale bei den Brüdern verweilen möge, wo sie vieles hören und sehen werde. 17. Und sie blieb und unterhielt sich mit dem Engel Gabriel über die Lebensgeheimnisse der Himmel. 18. Darauf aber trat noch Judas Ischariot zu Mir und fragte Mich, wie lange Ich Mich im ganzen in Kis aufhalten werde. 19. Und Ich sagte: „Volle sieben Tage, und da du Mich deshalb darum fragtest, um in der Zeit deine Familie zu besuchen, so kannst du dich schon auf den Weg machen!“ 20. Als Judas Ischariot das von Mir vernahm, da machte er sich auch sogleich auf den Weg. 21. Als dieser Jünger fort war, da sagten die andern Jünger: „Das war ein kluger Geist, der solches ihm eingehaucht hat; und wir sind froh, seiner nur auf etliche Tage los zu sein!“ 22. Ich fragte aber auch die andern Jünger, ob auch etwa sie ihre Weiber und Kinder besuchen wollten. 23. Diese aber sagten (die andern Jünger): „Herr, unsere Weiber und Kinder sind schon von Dir aus bestens versorgt, und so bleiben wir hier, wo wir in jedem Augenblick vieles für Seele und Geist gewinnen können!“ 24. Sagte Ich: „Also bleibet denn, und so da jemand kommen und nach Mir fragen wird, so belehret ihn, und heißet ihn verharren, bis Ich mit Meinen Freunden wiederkomme!“ 25. Darauf aber fragten Mich auch noch die vier Indojuden, ob sie um Meinetwillen auch noch länger in Kis verweilen dürften. 26. Und Ich sagte: „Solange ihr wollt; wenn das euer Herz verlangt, da tuet ihr wohl daran, so ihr hier verweilet!“ 27. Auf das erst begab Ich Mich mit den beiden Freunden ins Freie, und wir besprachen uns auf einem kleinen Hügel ganz nahe am Meere Galiläas über verschiedene Dinge auf der Erde und auch in den Gestirnen, und auch über die innere Einrichtung der Erde und ebenso auch der andern Gestirne, woran die beiden Freunde ein großes Wohlgefallen hatten. Kapitel 123 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 123. — Samariter suchen den Herrn 1. Als wir aber bei einer Stunde lang uns auf unserem Hügel unterhalten hatten, da kamen etliche Samariter in den Ort Kis und erkundigten sich bei mehreren Menschen, ob sie nichts von Mir wüßten, wo Ich Mich irgend aufhielte. 2. Und einer von den Dienern des Kisjona sagte, daß Ich Mich samt den Jüngern seit gestern abend eben in diesem Orte befände und wahrscheinlich im großen Herrenhause Mich aufhalten dürfte. 3. Da wurden die Samariter überfroh und heiter, denn sie hatten schon gar vieles über Mich reden hören, wie auch, daß Ich erst vor wenigen Tagen durch Samaria gezogen sei. Aber sie hatten dennoch nicht das Glück gehabt, Mich irgendwo gesehen und gesprochen zu haben. Sie ließen sich von dem Diener alsogleich ins Haus führen und brannten vor Begierde, Mich endlich einmal zu sehen, zu sprechen und zu hören. 4. Als sie in den großen Saal kamen, grüßten sie alle Anwesenden und fragten gleich den Nächstbesten, wo Ich wäre, oder welcher unter ihnen der große Meister in aller Fülle der göttlichen Macht und Kraft wäre. 5. Thomas aber, der gefragt wurde, sagte: „Freunde, körperlich befindet Sich in diesem Augenblick der Herr und Meister nicht unter uns, wohl aber im Geiste! Was wollet ihr denn, das Er euch tun soll?“ 6. Sagten die Samariter: „Freunde, wir haben Seine Lehre und leben und handeln streng nach ihr, und es haben auch schon mehrere unter uns die alles belebende Kraft dieser Lehre in sich gefunden und loben und preisen darum Gott, daß Er Sich nun Seiner Völker gar so augenscheinlich erbarmt habe! Aber es gibt unter uns viele, die da, uns gleich, den großen Meister, dieweil Er noch auf dieser Erde umherwandelt, persönlich sehen und hören möchten; aber sie haben die Gelegenheit und auch die Mittel nicht, Ihm nachzureisen. Daher haben sie uns abgeordnet, Ihn im Namen aller aufzusuchen und Ihm den gebührenden Dank zu überbringen und die Ihm allein gebührende Ehre zu geben. Darum sind wir denn auch hierhergekommen und werden diesen Ort nicht eher verlassen, als bis wir in Ihm Selbst den Herrn und Meister aller Meister werden begrüßt haben!“ 7. Sagte Thomas: „So geduldet euch denn; es wird so lange nicht dauern, bis Er kommen wird!“ 8. Darauf setzten sie sich an den Tisch, ließen sich etwas Brot und Wein geben und behorchten die Reden, die unser Raphael mit den sieben Templern und auch mit den vier Indojuden führte, und staunten über die große Weisheit des vermeinten Jünglings. 9. Gabriel und Johannes aber besprachen sich mehr still mit den Jüngern. Den Samaritern schmeckte das Brot und der Wein trotz ihrer stets sehr mäßigen Lebensweise gar gut, und sie ließen sich darum mehr Brot und Wein geben, aßen und tranken und wurden dabei voll heiteren Mutes. 10. Dabei aber sahen sie, wie Raphael bei Gelegenheit seiner den sieben Templern und den vier Indojuden gegebenen Erklärungen über Verschiedenes auch so manches Wunder wirkte, wie ehedem einmal zu Jerusalem auf dem Ölberge vor Heiden und Juden, wennschon nicht in dem großen Maße, und sie fingen an, sich gegenseitig zu befragen, wer denn doch der Jüngling sei, der da so weise rede wie ein Salomo und Wunder wirke wie ein Moses. Einige meinten, daß er ein Anverwandter, die andern aber, daß er ein bester Jünger von Mir sein werde. Mit dieser geteilten Meinung begnügten sie sich denn auch einstweilen. 11. Raphael aber fing an, seiner vorbezeichneten Zuhörerschaft die ganze Erde, den Mond, die Sonne, die andern Planeten, und daneben auch die Kometen, die Fixsterne mit ihren Planeten, das Wesen der Zentralsonnen und am Ende auch der Hülsengloben, deren Unzahl im endlosen Schöpfungsraume, und des Großen Schöpfungsmenschen leichtfaßlich und mit wenigen Worten zu erklären, und versinnlichte seine Erklärungen mit sogleich im Luftraume des Saales geschaffenen Bildern, was natürlich am meisten dazu beitrug, daß die Zuhörer das Erklärte um so leichter und schneller begreifen konnten. 12. Aber das war unseren Samaritern für einen puren, vermeintlich besten Jünger von Mir denn doch zu viel, und es stand einer von ihnen vom Tische auf, ging zu Thomas hin und fragte ihn, sagend: „Freund, vergib es mir, daß ich so frei bin, dich zu fragen, was es mit diesem Jünglinge für eine Bewandtnis habe! Wer, was und woher ist er denn? Seines Mundes Rede ist weiser denn die eines Salomo, und er wirkt dabei Wunder wie dereinst Moses in Ägypten und in der Wüste!“ 13. Sagte darauf Thomas: „Freund, geduldet euch nur, bis der Herr Selbst kommen wird, dann werdet ihr nicht nur über diesen Jüngling ins klare kommen, sondern noch viel Größeres erfahren! Das aber könnet ihr euch wohl vorstellen, daß um den Herrn sich allerlei himmlische erste Mächte und Kräfte sammeln und auf uns Menschen belehrend und belebend einwirken. Denn der Herr ist ja der Mittelpunkt alles Seins, Lebens, aller Macht und Kraft, wie aller Liebe, Wahrheit und Weisheit! 14. So ihr an den Herrn glaubet, da werdet ihr es auch einsehen, daß derlei Wesen fort und fort entweder von Zeit zu Zeit sichtbar, für sinnliche Menschen aber, wenn auch nicht allzeit sichtbar, doch fühlbar immer um Ihn sind und auf Seinen Willen horchen; denn sie selbst sind Sein allzeit und ewig wirkender Wille. 15. Zudem aber steht es geschrieben: ,In jener Zeit aber werdet ihr die Mächte der Himmel zur Erde herabkommen sehen; die werden Ihm und den Menschen, die eines guten Willens sind, dienen. Sonne, Mond und alle Sterne werden sich beugen vor Seiner Herrlichkeit!‘ Ja, Freund, so uns blinden Menschen nicht diese himmlischen Wesen die Augen öffneten über die zahllosen Wunder der Himmel Gottes, – wer sonst wohl könnte uns da die Augen auftun? 16. Wer Gott wahrhaft lieben will, der muß Ihn auch erkennen, wie Er wunderbar ist auch in Seinen Werken. Wir Menschen stehen wohl inmitten von lauter Wundern Gottes, und wir selbst sind dazu noch das größte Wunder; so wir uns aber von der Geburt an betrachten, da finden wir uns schwach, unbehilflich, sprachlos und ohne welche Gedanken. Wenn ein Kind nicht langehin sorgsam gepflegt würde, so würde es um vieles schlimmer mit ihm stehen als selbst mit dem elendsten Tier. Erst durch die Liebsorge der Eltern wird aus dem Kinde ein Mensch. 17. Gehe du nun aber auf einen ersten Menschen zurück! Wie möglich wohl wäre er je verständig und voll Vernunft und auch voll anderer und höherer Erkenntnisse geworden, so Gott nicht durch höhere, himmlische Wesen ihn erzogen und Sich ihm geoffenbart hätte? Wenn Gott der Herr nun uns nicht in allen Dingen Selbst belehren und uns zeigen möchte, wie weit wir uns schon von der Wahrheit entfernt haben, so würden die Menschen derart verwildern, daß sie tief unter die Tiere zu stehen kämen. 18. Siehe an die gewissen Tempeljuden, die Pharisäer und Schriftgelehrten! Wie waren sie zur Zeit der ersten Richter und auch noch zur Zeit der ersten Könige, – und wie sind sie in dieser Zeit? Sie sind in allen Dingen blind, dumm und dabei voll Hochmutes und jeglicher Bosheit und hassen die, welche aus den Himmeln das Licht des wahren Lebens wiederbringen, und keiner von ihnen glaubt an den Herrn, sondern haßt und verfolgt Ihn nur, wo und wie er es nur immer mag und kann. 19. Und siehe, das ist ja schon ein hoher Grad der bösen Entartung und Verwilderung der Menschen! Stehen aber nun die Lehrer des Volkes auf einer so tiefen Stufe der Verwilderung, woher soll dann das Volk eine höhere Weisheit nehmen, so nicht der Herr Selbst Sich seiner erbarmte und es nun erleuchtete in allen Dingen durch Lehren und Zeichen? 20. Und so siehst du denn nun diesen Jüngling auch den blinden Menschen durch Worte und wunderbare Zeichen, die zu bewirken ihm im Namen des Herrn wohl gar leicht möglich sind, den gestirnten Himmel erklären, auf daß aus ihren Herzen der finstere und böse Aberglaube verschwinde und der Wahrheit Licht sie erleuchte! Und so du das nun so recht überdenkst, so wirst du über die Wesenheit dieses Jünglings auch bald im klaren stehen!“ Kapitel 124 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 124. — Die Schwierigkeit der Aufklärung des Volkes 1. Als der Samariter solches von Thomas vernommen hatte, dankte er ihm für diese Belehrung, ging wieder an seinen Tisch zu seinen Gefährten, die unterdessen ganz Aug und Ohr für das waren, was unser Raphael sprach und wirkte, und sich nicht genug wundern konnten über den finsteren Aberglauben der Menschen, mit und aus welchem sie den Mond, die Sonne und die andern Sterne betrachten und ihren Unsinn auch an andere Menschen übertragen. 2. Und der eine von Thomas Unterwiesene sagte: „O ihr meine lieben Freunde! Wir sind doch noch bei der alten Lehre Mosis geblieben und haben des Tempels zu arg gewordene Torheiten mit vollem Grunde verachtet und uns darum von ihm gänzlich losgemacht; aber in diesen Dingen, die nun der Jüngling den Gästen mit leichtfaßlicher Rede erklärt, waren auch wir bis jetzt nicht minder blind als die Templer zu Jerusalem, und wir können darum dem Herrn nicht genug dankbar sein, daß Er es sicher also zugelassen hat, daß wir noch zur rechten Zeit hierher gelangt sind, um diesem wahren Himmelsunterricht beiwohnen zu können und zu dürfen. 3. Es soll auch Moses ein eigenes Buch in der Wüste geschrieben haben in wohlverständlicher Rede; aber das soll schon bei Gelegenheit der Babylonischen Gefangenschaft verlorengegangen sein. Und als später die Griechen und die Römer den babylonischen Staat eroberten und verheerten, sollen jene denkwürdigen Bücher auch in die Hände der Sieger geraten sein. Und so besitzen auch wir nichts als nur Bruchstücke der alten Mosaischen Weisheit. 4. Aber doch habe ich mehrere Male mit unserem Rabbi über die Gestirne des Himmels gesprochen, und der hat mir so manches gesagt, was er auf dem Wege der mündlichen Überlieferung sich zu eigen gemacht hatte. Und ich habe ihn denn auch mehrere Male dazu gewisserart aufgefordert, daß er über derlei Dinge auch zum Volke reden solle. Aber da meinte er, daß das Volk noch zu tief im Aberglauben stecke, den es ehedem unter den Juden sich zu eigen gemacht habe, und da müßten kräftigere und mächtigere Lehrer kommen, die bei dem Volke den alten Aberglauben vertilgen würden. Wir aber sehen nun den kräftigeren Lehrer auch in diesen Dingen und begreifen nun auch schon ganz gut, was die leuchtenden Körper des endlos weiten Schöpfungsraumes sind, und wozu sie erschaffen wurden. So wir wieder nach Hause kommen werden, da werden wir denn auch ohne Furcht und Scheu zu unseren Nachbarn davon zu reden anfangen, und es soll auf diese Art der alte Aberglaube zugrunde gerichtet werden.“ 5. Sagte ein anderer darauf: „Bruder, dein Vorsatz ist allerdings gut, und es wäre ein paradiesisches Leben mit den Menschen, so sie alle fern von allem Aberglauben in allen Dingen in der Wahrheit stünden; aber es läßt sich nichts schwerer aus dem Gemüte des Menschen hinwegfegen als eben sein schon in der Kindheit eingesogener Aberglaube, aus dem seine Phantasie mit leichter Mühe allerlei fabelhaft klingende und ergötzliche Trugbilder schafft, und wir werden darum mit unseren Nachbarn auch nicht gar zu leichten Kaufs fertig werden. Wir wollen uns denn nicht eher etwas Ernstliches vornehmen, als bis wir darüber mit dem Herrn Selbst geredet haben werden. Er wird es uns schon sagen, was wir zu tun haben werden. Für jetzt aber geben wir noch auf alles unsere größte Aufmerksamkeit, was der wundersame Junge spricht und tut; denn es ist wahrlich ein seltsames Ding, wie auf des Jungen Wink allerlei leuchtende Kügelchen in des Saales Luftraum entstehen und sich nach allen Richtungen drehen und bewegen!“ 6. Nach diesen klugen Worten ließ Raphael es geschehen, daß das plastische Abbild der Erde mit dem wohlerkennbaren Mond ganz in die Nähe unserer Samariter kam; und sie betrachteten alles mit der größten Aufmerksamkeit. 7. Und der Hauptwortführer sagte: „Also – das ist die wahre Gestalt unserer Erde und die kleinere des Mondes! Nun, die des Mondes ist begreiflicher als die der Erde; denn so die Erde auch ringsum bewohnt ist – also unterhalb wie oberhalb –, wie kann sich das Gewässer an die Feste der Erde halten, und wie Tiere und Menschen unterhalb der Erde, ohne von ihr weg in den ewig tiefen Raum hinabzufallen? Dazu dreht sich die Erde in etwa 25 Stunden um sich, wodurch Tag und Nacht erzeugt werden; da wechselt das Oben und das Unten ja fort und fort miteinander, und es ist da um so schwerer begreiflich, wie das Gewässer und all die andern freien Körper nicht von der Erde hinwegfallen. 8. Du, Freund, der du ehedem schon von der Schwierigkeit, den alten Aberglauben im Volke zu vertilgen, geredet hast, hast eben nicht unrecht; denn bis das Volk das begreifen wird, daß unsere Erde also ist und besteht, wie wir sie nun vor uns sehen, da wird es noch gar viele Kämpfe absetzen. Und ich sehe nun den Grund auch recht wohl ein, aus dem unser alter Rabbi – obschon er so manche geheimen Kenntnisse in bezug auf die wahre Gestalt und Wesenheit der Erde hatte, von solchen Dingen mit dem Volke nichts verkehren wollte und stets sagte, über dem Grabe erst werde den würdigen Seelen ein wahres Licht über alles gegeben werden. 9. Ich aber möchte nun doch von dem Jungen selbst vernehmen, wie sich das Gewässer und alle die freien Körper nach unten der Erde hin an ihre Feste halten können, ohne von ihr hinwegfallen zu müssen!“ Kapitel 125 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 125. — Die Wichtigkeit der rechten Naturerkenntnis 1. Hierauf trat Raphael mit den Pharisäern und den vier Indojuden zu unseren wißbegierigen Samaritern hin und sagte: „Ihr seid lüstern zu begreifen, wie das Gewässer und die freien Körper von der Erde nach unten hin nach eurem Verständnisse nicht von der Erde hinwegfallen können, sondern an ihrer Feste hängen bleiben? 2. Sehet euch einmal nur einen Apfel an, der am Baume hängt, und betrachtet, wie ihn oft allerlei Insekten nach unten und oben umkriechen, und er am Morgen nach allen Seiten mit vielen Tausenden von kleinen Tautröpflein umgeben ist! Wer hält denn alles an dem Apfel also, daß weder ein Tierlein noch ein Tautröpflein von ihm wegfällt, außer die Tierlein entfernen sich selbst und die Tröpflein werden am Tage von der warmen Luft verzehrt? 3. Oder nimm du einen Apfel und bestäube ihn, und der Staub, der aus lauter für dein Auge sehr verkleinerten freien Körpern besteht, wird nach oben und unten hin ebenso vom Apfel gehalten werden und von selbst sich vom Apfel nicht entfernen! Wirst du den Apfel genießen wollen, so wirst du zuvor mit einiger Mühe ihn vom Staube reinigen müssen. 4. Siehe, der Apfel, als ein verhältnismäßig größerer und gediegenerer Körper, hat in sich eine Kraft, die die um vieles kleineren und leichteren Körper also anzieht, daß sie sich nicht von ihm entfernen können, – außer sie werden durch eine verhältnismäßige äußere Kraft von ihm entfernt. 5. Was aber ist ein Apfel als Körper gegen den großen Erdkörper? Siehe, dieser hat in sich denn auch eine solche Kraft, infolge deren er das Gewässer, wie auch alle andern freien Körper derart an sich zu ziehen und festzuhalten imstande ist, daß sich auch nicht ein Sonnenstäubchen von ihm entfernen kann! Und diese Kraft wächst mit der Größe und Schwere der Körper und wirkt noch gar weit über deren Oberfläche hinaus, also, daß auch der Mond noch von dieser Erde also festgehalten wird, daß er auf sie herabfallen würde, so er von seiner verhältnismäßigen Schwungkraft, die ihn um die Erde führt, nicht daran gehindert würde. 6. Verstehe wohl, was ich euch über die Erde nun erklärt habe; denn wer Gott wahrhaft erkennen will, der muß Ihn auch in der höchst weisen Einrichtung Seiner Werke erkennen. 7. Wer aber in der Einrichtung der Werke Gottes lauter falsche und grundfalsche und unwahre Ansichten und Begriffe hat, der kann dabei ja unmöglich je zu einer klaren, richtigen und wahren Erkenntnis Gottes gelangen; wer aber Gott nicht der Wahrheit nach erkennt, der kann Ihn auch nicht wahrhaft lieben, ehren und Seinen Willen ganz erfüllen, und es wird finster in seiner Seele, die sich dann und darum an die Materie zu hängen und zu halten anfängt, weil sie des inneren Wahrheitslichtes bar geworden ist. Und also ist die Unkenntnis in der wahrheitsvollen Einrichtung der Werke Gottes auch allzeit der Grund zur Abgötterei, zum Götzen- und Heidentume gewesen und am Ende zur völligen Gottlosigkeit, wie sie nun unter den meisten Juden, Pharisäern und unter den Heiden besteht. 8. Das arme Volk wird mit Gewalt einerseits und allerlei Betrug anderseits in allerlei blindestem Aberglauben erhalten und lebt und handelt nach allerlei falschen Lehren und Satzungen, auf daß sich die trägen und bei sich völlig glaubenslosen Machthaber auf seine Kosten desto mehr ergötzen und mästen können. 9. Aber Gott der Herr sieht solchem Unfuge nur eine Zeitlang zu und läßt dabei an die Menschen aber dennoch stets Mahnungen durch eigens geweckte Seher und Weissager ergehen; kehrt sich aber das Volk samt seinen Vorstehern nicht daran, so kommt Er mit Seinem Gerichte und fegt den Unflat von der Erde. Und das geschieht allzeit, wenn sich mit der dicksten Dummheit auch die alle Nächstenliebe hintansetzende selbstsüchtigste Bosheit vollends und nahe allgemein vereinigt hat. Denn solange noch die Dummheit allein waltet, da läßt sie sich durch weise Lehren noch leicht, wenn auch nicht völlig allgemein, ins Licht umgestalten, und Gott hat Geduld mit der puren Dummheit. 10. Aber so einmal die volle, ehedem bezeichnete Bosheit sich an die Spitze der dicksten Dummheit gestellt hat und dem Eindringen des ewigen Wahrheits- und Lebenslichtes sich mit allem Trotz und aller Gewalt entgegenstellt, dann hat es mit der Geduld Gottes denn auch ein Ende, und Er kommt mit Seinem Gerichte, – und dann wehe dem Abtrünnigen! 11. Darum lernet denn auch allzeit Gott der vollen Wahrheit gemäß erkennen in Seinen Werken also, wie sie sind, und in ihren überweisen Einrichtungen, dann wird unter euch keine Dummheit und noch weniger ihre Bosheit Platz greifen können! Und ich erkläre euch darum nun denn auch die für euch sichtbaren Werke Gottes, auf daß ihr allenthalben ein volles Licht haben sollet. Behaltet und bewahret es getreu, und lasset es vor euren traurigen Brüdern und Schwestern leuchten! Denn so einmal dieses Licht wieder irgend unter den Menschen gemindert wird, da wird das alte Heidentum auch wieder noch ärger erstehen als jemals zuvor. Dieses merket euch alle wohl!“ 12. Hierauf dankten alle dem Raphael für seine Belehrung; er aber begab sich wieder an seinen früheren Platz und erklärte da allerlei Dinge und Erscheinungen in, auf und über der Erde. 13. Die Samariter aber hörten auch mit der größten Aufmerksamkeit seinen Belehrungen zu und hatten eine übergroße Freude daran, daß sie nun Dinge zu verstehen und wohlzubegreifen angefangen haben, die ihnen zuvor so unbegreiflich waren wie der Grund ihres eigenen Lebens. 14. Auch Maria hörte die Belehrungen Raphaels mit aller Aufmerksamkeit an und war überaus erbaut über dessen Weisheit; Gabriel und Johannes-Michael aber erklärten ihr und den Jüngern alles noch tiefer und geistiger, als es Raphael seinen Zuhörern tat und auch tun konnte, weil diese in den Dingen des Geistes noch nicht erleuchtet waren. 15. Als Raphael bis gen Mittag hin seine Belehrungen beendet hatte, da kamen auch Ich, Kisjona und Philopold wieder ins Haus, und die sieben Pharisäer samt ihren Dienern, die vier Indojuden und auch Meine Jünger jubelten Mir Dank zu, daß Ich es zugelassen hatte, daß sie von den drei Engeln über so große und wichtige Dinge belehrt wurden. Kapitel 126 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 126. — Die Samariter bewundern die Erscheinung des Herrn 1. Als die Samariter an ihrem Tische das alles mit großer Aufmerksamkeit vernommen hatten, da sagte der Hauptredner: „Freunde, das ist also der Herr Selbst, als ein sichtbarer Mensch unter uns Menschen! Welch eine herrliche Gestalt! Welch ein himmlisch-sanftes Liebefeuer leuchtet aus Seinem Auge, welch eine Weisheit strahlt aus Seiner hohen Stirn, und welcher Worte muß Sein herrlicher Mund fähig sein! 2. Wenn man nur Seine durchgehends erhabenst herrliche Menschengestalt mit einer rechten Aufmerksamkeit betrachtet, so kann man keinen Augenblick mehr darüber im Zweifel sein, daß in solch einer noch nie dagewesenen edelsten Menschenform ein Geist wohnen müsse, dem alles möglich sein muß, was Er nur immer will. Wer von uns hat wohl den Mut, sich Ihm zu nahen und Ihn anzureden? Ich als ein sündiger Mensch habe ihn nicht – und ihr andern sicher noch weniger!“ 3. Sagte ein anderer: „Da hast du wohl vollkommen recht geurteilt! So ich auch nicht wüßte, daß Er der Herr ist, so würde mich schon Seine zu erhaben edle Gestalt mit einer so großen Ehrfurcht erfüllen, daß sie meinen Mut lähmte und meine Zunge unbeweglich machte. Darum bleiben wir nun denn auch ganz ruhig an unserem Tische und horchen in der Stille, was Er irgend zu jemandem sagen wird! Ihm allein alle unsere Liebe, alle Ehre und alles Lob! 4. Wir wollten Ihn ja auch nur sehen und – so möglich – auch hören; darum sind wir ja auch hierher gewandert! Die von uns allen so sehnlichst erwünschte Gnade ist offenbar durch Seine Zulassung uns zuteil geworden, – was mehr sollten wir nun noch wollen? So wir Ihn auch noch werden reden gehört haben, dann werden wir ganz still an einen Diener unsere Zeche bezahlen und uns darauf sogleich frohen und dankbarsten Herzens und Mutes auf die Rückreise begeben; denn hier wird es mir wenigstens vor lauter Erhabenheit und Heiligkeit ordentlich unheimlich. Ich begreife es nur nicht, wie die andern Menschen sich so ganz in aller Furchtlosigkeit Ihm zu nahen und mit Ihm sogar wie mit einem andern Menschen zu reden getrauen. Da gehört auch mehr als ein menschlicher Mut dazu! Und, soviel ich vernehme, reden sie mit Ihm auch noch über ganz gleichgültige Dinge und Verhältnisse dieser Welt.“ 5. Sagte wieder der erste: „Freund, das ist aber auch zum Verwundern wahr! Was werden Ihn die Fische und die Lämmer wohl kümmern, wie sie fürs Mittagsmahl zubereitet werden? Und doch reden sie alle davon. Sonderbar! Der Junge hat ehedem uns alle über so wichtige und große Dinge belehrt; da nun aber der Herr Selbst gegenwärtig ist, reden alle von der Zubereitung des Mittagsmahles also, als gäbe es nun nichts Größeres und Wichtigeres mehr, und der Herr bespricht Sich mit dem uns nur zu wohlbekannten Wirte und seiner Gemahlin und mit dem andern Weibe, das ehedem unter den Jüngern saß, sichtlich mit Wohlgefallen darüber. Nun, nun, es muß aber ja auch nicht immer von lauter göttlich erhabenen Dingen geredet sein. Werden sie mit der Mahlbestellung in der Ordnung sein, dann werden schon sicher auch andere Dinge und Sachen zur Sprache kommen.“ 6. Als wir aber über die qualitative und auch quantitative Bereitung des Mittagsmahles zu Ende waren, da wurde Ich von Kisjona befragt, wie und wann man mit wahrem Vorteile fischen solle. 7. Wir setzten uns an den Tisch, ließen uns unterdessen etwas Brot und Wein geben, und Ich belehrte den Kisjona, wann und wie man in einer oder der andern Zeit am vorteilhaftesten diese oder die andere Gattung der verschiedenen Fischarten fangen kann, wie sie aufzubewahren und wie sie für des Leibes Gesundheit am zuträglichsten zuzubereiten und sodann auch zu genießen sind, worüber unser Kisjona eine große Freude hatte. 8. Aber unsere Samariter an ihrem in einem Winkel des Saales befindlichen Tische waren darüber unter sich auf Kisjona ordentlich ärgerlich, und einer von ihnen sagte: „Hat aber dieser schon ohnehin über alle die denkbaren Maßen reiche Zöllner und Wirt denn von nichts anderem zu reden, als wie er etwa auf eine noch leichtere und sicherere Weise eben auch noch reicher werden könnte? Und der Herr erklärt ihm das dazu noch auf sehr freundliche und ganz umständliche Weise! Was können wir aber darum? Was dem Herrn wohlgefällig ist, das darf auch uns nicht zuwider werden. Es ist das doch noch ums unbeschreibbare besser, als so es Ihm irgend wohlgefällig ist, einen und den andern Menschen nicht selten mit allerlei bösen Krankheiten zu plagen, über die ein wahrer Jude auch niemals murren, sondern sie in aller möglichen Geduld und in der vollen Ergebung in den Willen Gottes ertragen soll. Kurz, der Herr ist und bleibt einmal der Herr, und alle Menschen sind nichts gegen Ihn!“ 9. Alle seine Gefährten gaben ihm recht und verhielten sich wieder ganz ruhig und voll Ehrfurcht in ihrem Winkel. Kapitel 127 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 127. — Über den Genuß von allerlei Fleisch und Früchten 1. Darauf befragten Mich die Indojuden, ob es, wie es in ihrem Lande steht, im Notfall nicht auch einem Juden gestattet wäre, das Fleisch auch anderer, auch eben nicht unreiner Tiere, die im Buche Mosis nicht als für Menschen genießbar bezeichnet erscheinen, gut zubereitet zu genießen. 2. Und Ich erklärte ihnen das und sagte, daß man im Notfall nahezu aller Tiere Fleisch essen könne, aber ohne Blut und so und so jegliches in seiner Art zubereitet, wie Ich das auch schon bei anderen Gelegenheiten ausführlich gezeigt habe. 3. Und Kisjona und die Indojuden waren darüber sehr erfreut, daß Ich in bezug des Fleischessens die alte Satzung Mosis gewisserart aufgehoben habe. 4. Den sieben Pharisäern aber kam das doch etwas sonderbar vor, und der Schriftgelehrte sagte: „Herr und Meister, Du allein hast sicher wohl das unbestreitbare Recht, die Gesetze den Menschen zu geben, sie aber nach Deinem Wohlgefallen auch wieder aufzuheben! Aber es steht dennoch auch geschrieben, daß derjenige, der an einem Gesetze rüttle, sich am ganzen Gesetze vergreife; denn ein Gesetz sei die Grundlage des andern Gesetzes und sonach auch aller Gesetze. – Wie soll man hernach das verstehen?“ 5. Sagte Ich: „So es euch kein Gewissen machte, nahezu alle Satzungen Mosis aufzuheben und an ihre Stelle eure welt- und selbstsüchtigen Gesetze zu stellen – da ihr doch niemals Herr und Meister waret, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden innewohnt –, wie fraget ihr Mich nun darum, ob dadurch am Gesetze nicht gerüttelt werde, so Ich euch anrate und erlaube, im Notfall unter gewissen Zubereitungsbedingungen das Fleisch auch anderer Tiere zu essen, die Moses zu essen den Juden vorenthalten hat?! 6. Was durch den Mund unter gerechter und zweckdienlicher Zubereitung in den Menschen zur Stillung seines Hungers kommt, das verunreinigt ihn niemals; aber was zum Munde aus dem Herzen, in Worte oder Gedanken verkleidet, herauskommt – wie Lüge, böser Leumund, Meineid, schmutzige und unzüchtige Reden, Flüche, Lästerungen, Ehrabschneidung, Verleitung zur Hurerei und zum Ehebruch und verführerische Reden zu allerlei Sünden und Lastern –, das verunreinigt wahrhaft den ganzen Menschen. Aber was unter guter und zweckdienlicher Zubereitung als Leibesspeise in den Menschen kommt und auf dem natürlichen Wege auch wieder aus dem Leibe hinausgeschafft wird, das, wie schon gesagt, verunreinigt den Menschen nicht. 7. Ich aber habe ja nicht gesagt, daß ihr das tun sollet, sondern nur, daß ihr das im Notfall so und so tun könnet, und habe dadurch keine Satzung Mosis aufgehoben. 8. Hat nicht David, der Mann nach dem Herzen Gottes, als es ihn hungerte, die Schaubrote, die außer dem Hohenpriester niemand essen durfte, genommen und sich damit gesättigt? Hatte er dadurch Moses aufgehoben? 9. Wollt ihr Meine Jünger sein, so lasset eure Herzen in der Folge nicht mehr von solch aberwitzigen Gedanken beschleichen und am Ende gar vollends gefangennehmen!“ 10. Als die sieben das von Mir vernommen hatten, sahen sie ihre Blindheit ein, dankten Mir für diese Aufklärung und fragten Mich hinfort um derlei nicht wieder. 11. Unsere Samariter, die alles das auch mit der größten Aufmerksamkeit angehört hatten, waren als strenge Mosaisten anfangs unter sich damit auch nicht einverstanden, daß Ich den vier Indojuden das Fleisch auch anderer Tiere, so und so zubereitet, zu essen gestattete; als sie aber Meine Antwort auf die blinde Frage der sieben verkleideten Templer vernahmen, da gaben sie Mir recht und lobten Meine Weisheit unter sich. 12. Der Hauptredner sagte darauf: „Nun haben wir es aus Seinem Munde vernommen, was man im Notfall tun kann, ohne dadurch eine Sünde zu begehen; was Er aber zu diesen und jenen Menschen sagt, das gilt auch für uns gleich also wie die Gesetze Mosis, die eigentlich auch nicht nur pur für die Israeliten, sondern für alle Menschen der Erde gegeben worden sind, und nach denen sich auch ein jeder Mensch richten soll, so er davon irgendeine wahre Kunde erhalten hat. Wir aber haben nun aus Seinem Munde vernommen, was ein Mensch in bezug auf seines Leibes Nahrung im Notfall tun kann und darf, und so werden denn auch wir uns danach in der Not zu richten verstehen. 13. Freilich wird das unseren Rabbis nicht besonders munden, und sie werden dabei ihre Köpfe schütteln, weil sie lehren, daß ein wahrer Altjude eher vor Hunger verschmachten solle als sich sättigen mit einer unreinen Speise, die nach Moses von Gott nicht gesegnet sei. Aber auf diese Rede des Herrn wird der alte Unsinn der reinsten Vernunft weichen müssen, die eben aus dieser Rede wie eine Morgensonne hervorleuchtet, und ein jeder vernünftige Samariter wird deshalb die Liebe und Weisheit des Herrn preisen sein Leben lang. 14. Wenn nun aber nur jemand den Herrn noch fragte, ob man zur Zeit der Not nicht auch die verschiedenen Früchte und Kräuter und Wurzeln, die der Erdboden oft im reichlichsten Maße hervorbringt, unter gewisser Zubereitung essen darf, um damit seinen Hunger zu stillen?“ 15. Als der Samariter also seinen Wunsch ausgesprochen hatte, da kam es auch dem Kisjona in den Sinn, Mich hinsichtlich der verschiedenen Kräuter und Baum- und Erdfrüchte zu fragen, welche Arten von ihnen, außer den bisher üblichen, im Notfall zur Nahrung der Menschen, und wie zubereitet, verwendet werden könnten. 16. Und Ich bestimmte die Kräuter, die Wurzeln und ebenso auch die Früchte der Bäume und so mancher Gesträuche und ebenso auch noch mehrere Hülsenfrüchte und zeigte dazu noch mit klaren Worten, wie alles das anzupflanzen, wie zu sammeln und aufzubewahren ist, und schließlich, wie alles das zubereitet und von den Menschen genossen werden kann, – wofür Mir alle nicht genug danken konnten. Kapitel 128 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 128. — Das Mahl bei Kisjona 1. Da diese Erklärung und Belehrung aber beinahe eine Stunde lang gedauert hatte, so war unterdessen auch das Mittagsmahl bereitet und auf den Tisch gebracht worden, und wir nahmen es frohen Mutes zu uns. 2. Es wurden aber auch zur selben Zeit die gleichen wohl zubereiteten Speisen auf den Tisch der Samariter gebracht, und dazu Brot und Wein im rechten Maße. 3. Als die Samariter das sahen, da fragten sie die Tischdiener, wer solches angeschafft habe, ohne sie zuvor befragt zu haben, ob sie ein Mittagsmahl, worin bestehend und um welchen Preis, haben wollen; denn sie dürften kaum so viel Geldes bei sich haben, um solch ein köstliches Mahl bezahlen zu können. 4. Sagten die Diener: „Wir haben das im Auftrag unseres Dienstherrn getan, und ihr könnet das Mahl ohne alle weitere Sorge verzehren; denn auch ihr werdet hier als freie Gäste gastfreundlich behandelt.“ 5. Auf das dankten die Samariter laut Mir und dem Kisjona. 6. Und er erwiderte ihnen mit aller Freundlichkeit (Kisjona): „Stärket und labet euch frohen Mutes, meine lieben Gastfreunde, ohne alle Sorge!“ 7. Darauf dankten alle Mir und dem Kisjona noch einmal für eine so große Freundlichkeit, fingen dann an zu essen und zu trinken und wurden bald voll guten und frohen Sinnes und Mutes. 8. Während des Mahles ward wenig geredet; als aber das Mahl zu Ende ging und die Samariter an unserem Tische die drei Jungen auch nicht zur Genüge bewundern konnten, wie diese um ein bedeutendes mehr von den Speisen verzehrten denn wir, da sagte ihr Wortmann: „Ihr seid samt mir sehr erstaunt über die große Eßlust der drei Jungen am Tische des Herrn; aber ich habe dabei doch etwas bemerkt, was euch allen vielleicht nicht also auffiel, wie es mir aufgefallen ist. Und seht, das mir sehr Auffallende bestand darin: Ich sah, wie eine jede Speise, welche von den dreien zum Munde geführt wurde, sich schon vor dem Munde derart auflöste und verflüchtigte, daß von ihr auch nicht um einen kleinsten Brosamen groß in den Mund der drei Jungen kam. 9. Ich sah das klar und deutlich und vermute, daß die drei Jungen als ganz außerordentliche Geistwesen durch ihre ihnen innewohnende Macht die materielle Leibesspeise eher in ihr geistiges Element verkehren und solches dann erst in sich aufnehmen und es irgend auf eine ihnen eigentümliche Weise mit ihrer Wesenheit vereinen. Denn seht nur hin, wie vor den andern Gästen die abgenagten Lamms- und Kalbsknochen unverzehrt in ihren Speiseschüsselchen liegen; bei den dreien aber merket ihr nichts von derlei, obschon sie mehrere Male große, mit Knochen versehene Stücke sowohl von den Lämmern als auch von den drei wohlgebratenen Kälbern zu ihrem Munde gebracht haben. 10. Diese Wahrnehmung an den dreien aber bürgt mir, daß sie keine leiblichen, sondern rein geistige Wesen sein müssen und ihre sichtbaren Leiber nur unseren Augen gegenüber so lange halten, als wie lange das der Herr sicher der Menschen wegen zuläßt und es also haben will. – Habe ich recht oder nicht?“ 11. Sagte ein anderer: „Ja, ja, da hast du wahrlich eine ganz richtige Bemerkung gemacht, und deine Beurteilung ist denn auch der Sache völlig angemessen. Weil aber diese Sache sich sicher also und nicht anders verhält, so ist es denn auch klar, daß der eine Junge, der uns ehedem den gestirnten Himmel und unsere Erde, sie samt den Sternen wie aus der Luft erschaffend, erklärt und ihre äußere und innere Form und Beschaffenheit gezeigt hat, von der Geisteskraft des Herrn erfüllt, keiner materiellen Kost zur Erhaltung seines unsterblichen Lebens benötigt; wenn er aber schon scheinbar welche vor unseren Augen zu sich nimmt, so verkehrt er solche sofort in sein Geistiges, welches ihm allenfalls dazu dienen kann, um sich uns wie in einem materiellen Leibe zeigen zu können. 12. Denn ich bin bei mir schon lange der Meinung, daß alle Materie in sich auch ganz geistig ist und durch die Weisheit und Allmacht Gottes unter allerlei Form ersichtlich und für unsere Außensinne fühlbar wird, und die reinen und aus Gott mächtigen Geister werden die Materie auch sicher nur also der vollen innersten Wahrheit nach sehen, wie und was sie ist, und nicht, wie sie der Blödheit unserer Sinne erscheint. 13. Ja, ja, wir leben nun unter lauter Wundern über Wundern, und doch will die Seelenblindheit die Menschen nicht verlassen; neben den größten und lebendigsten Lichtern aus den Himmeln schreitet der finsterste Aber- und auch vollste Unglaube einher, und der Himmel Mächte vermögen ihn nicht zu vernichten! So es aber nun bei den Menschen nicht licht werden will, wo sie die höchsten Wahrheiten und deren Wunder an der Urquelle schauen und prüfen können, wie finster wird es erst dann wieder unter den Menschen werden, so sie von diesen Dingen, die nun vor unseren Augen geschehen, bloß nur von Mund zu Mund Kunde erhalten werden? Werden sie den puren Überlieferungen wohl den festen Glauben schenken, da sie nun dem nicht glauben, was vor ihren Augen ist und geschieht? Darauf setze ich einen schlechten und sehr schwachen Glauben. 14. Ja, es wird wohl zu jeder Zeit von Gott erleuchtete Menschen geben, die als Leuchten vor den anderen Menschen einhergehen werden, – werden die vielen Blinden und die Weltweisen ihrer achten? Narren werden sie sie schelten und wo möglich mit aller Hast verfolgen. 15. Oh, die Ausbreiter dieser Lehre, die nun wahrlich körperlich aus den Himmeln an uns ergeht, werden keine gute Arbeit haben, auch dann nicht, so sie mit der Macht dieser drei Jungen begabt wären! Denn man wird sie für überspannte Schwindler, dabei für Magier aus der Schule der Essäer und somit auch für Lügner und Betrüger und Volksaufwiegler erklären und sie verfolgen und martern. 16. Das ist so meine Ansicht; denn je heller oft an einem Tage die Sonne scheint, desto empfindlich finsterer wird die darauf folgende Nacht, in der finstere Gewitterwolken die Sterne des Himmels dicht überdecken. Doch dem Herrn alles Lob, daß wir würdig waren, den hellsten Tag zu erleben und am selben zu wandeln vor des Herrn Augen!“ 17. Sagten alle: „Ja, dem Herrn allein alles Lob und alle Ehre darum, und Seine Liebe und Gnade bleibe fortan bei allen Menschen, die eines guten Herzens und Willens sind!“ Kapitel 129 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 129. — Gottesfurcht und Gottesliebe 1. Hierauf erhob Ich Mich von Meinem Stuhle und begab Mich an den Tisch der Samariter, die sich auch von ihren Sitzen eiligst erhoben und in tiefster Ehrfurcht zu Mir sagten (die Samariter): „O Herr, Herr! Wir sind Sünder und nicht würdig, daß Du Selbst an unseren Tisch kommest, sprich aber auch nur ein Wort über uns, auf daß wir stark in Deinem Lichte werden!“ 2. Sagte Ich: „Lasset ab von der zu großen Ehrfurcht vor Mir, und nehmet dafür zu in der rechten und wahren Liebe zu Mir! Denn Gott den Herrn über alles lieben, ist und gilt um ein gar Großes mehr denn Gott über alles fürchten. Eine übertriebene Furcht vor Gott entfernt den Menschen von Gott stets mehr und mehr und ist am Ende das böse Samenkorn, aus dem mit den Zeiten das Heidentum erwächst mit all seinem Götzentum, Aberglauben und am Ende mit dem vollen Unglauben. 3. Mit der vollen Liebe aber nähert sich der ganze Mensch Gott stets mehr und mehr, wird vertraulich mit Ihm und sehnt sich nach Ihm und wird somit stets erfüllter mit dem Geiste Gottes; denn die stets zunehmende und zutraulicher werdende Liebe zu Gott ist ja eben der wahre und lebendige Geist Gottes im Menschen und der Geist des ewigen Lebens in der Seele. Darum ist denn auch ein Sünder, der sich aus Liebe zu Gott bekehrt, Gott näher und angenehmer denn neunundneunzig sehr gottesfürchtige Menschen, die sich noch nie an einem Gesetze versündigt und somit als Gerechte der Buße niemals bedurft haben. 4. Seht euch ein Kind an, das eine zu große Furcht etwa darum vor seinen Eltern hat, weil sie es seiner kindlichen Ungezogenheit wegen ein paarmal abgestraft haben! Solch ein Kind wird dann seinen Eltern wohl gehorchen, aber nicht so sehr aus Liebe als vielmehr aus Furcht vor einer Strafe, die es zu gewärtigen hätte, so es sich wieder einmal gegen der Eltern Willen versündigte. Die Nähe der Eltern wird solch einem Kinde mit der Zeit auch widrig, und es sucht sich aus solch einer für es unangenehmen Lage dadurch zu befreien, daß es das elterliche Haus verläßt und in der weiten Fremde sein Glück und seine Ruhe und Behaglichkeit sucht, – und es kehrt von da unter Furcht und Zittern reuig erst dann zu den Eltern zurück, so es in der Fremde das Gegenteil von dem gefunden hat, was es zu finden wähnte. 5. Dieselben Eltern aber haben noch ein Kind, das sie weniger fürchtet, aber dafür stets mehr und mehr liebt, sich aus einigen Zurechtweisungen wenig macht und seine Fehler demnach nicht aus der stets steigenden Furcht vor der Strenge der Eltern, sondern aus der eigenen stets wachsenden Liebe zu ihnen ablegt und ihren Willen tut. 6. Was meinet ihr wohl, welches der beiden Kinder der größere Liebling der Eltern sein wird?“ 7. Sagte der Wortführer: „Offenbar das, welches weniger Furcht vor den Eltern, aber dafür mehr Liebe und kindliches Vertrauen zu ihnen hat!“ 8. Sagte Ich: „Du hast da gut geurteilt und Mir eine rechte Antwort gebracht; seid aber darum auch ihr gleich dem Kinde, das seine Eltern mehr liebt denn fürchtet, und liebet demnach Gott als den ewigen Vater aller Menschen mehr, als ihr Ihn als irgendeinen unerbittlichen Richter fürchtet, und ihr werdet dann auch vor Meiner Gegenwart bei euch keine solche Furcht und Scheu mehr haben, wie das bis jetzt bei euch der Fall war! 9. Glaubet es Mir, daß Gott auch die sehr furchtsamen Kinder liebt; aber mit dem kindlich furchtlosen Zutrauen zu Ihm hat es da oft seine sehr krummen Wege, ohne welches Zutrauen aber eine Seele nie völlig gottähnlich und selbständig frei in Gott selig werden und auf den besagten krummen Wegen auch schwer dahin gelangen kann. Nur eine große Not kann solche Kinder auf den rechten Rückweg ins Haus der Liebe seiner Eltern bringen. 10. Weil aber die Kinder durch die von oben kommenden Züchtigungen anstatt gebessert nur verschlimmert werden, so kommen diese auch nur selten und nur dann, wenn alle Liebeversuche an dem blinden Eigensinn der Menschen gescheitert sind; und Gott hat eben darum allzeit eine so große Geduld mit dem Übermute der Menschen, um sie durch ein beständiges Strafen Sich nicht noch mehr zu entfremden, als sie sich selbst von Ihm entfernen. 11. Hat aber Gott einmal die Menschen mit der Zuchtrute in Seiner Hand heimsuchen müssen, so trägt Er ihnen dabei in der andern Hand, wennschon etwas verhüllt, auch Sein Herz entgegen, auf daß sie erkennen mögen, daß Gott der Vater auch mit der Zuchtrute in der Hand ihnen dennoch mit aller Liebe entgegenkommt, gleichwie das nun vor euren Augen der Fall ist. 12. Ich sage euch aber noch eines hinzu, und das merket euch alle wohl! Wer bei einer Arbeit zu furchtsam ist wegen einer leicht möglichen Begehung eines Fehlers, durch die der Arbeit in bezug auf ihren Zweck ein Nachteil erwachsen kann, der wird auch nicht selten recht grobe Fehler begehen. Wer aber da arbeitet mit Lust und Liebe ohne eine zu ängstliche Furcht vor der möglichen Begehung eines Fehlers, dem wird die Arbeit auch gut vonstatten gehen, und man wird schwerlich an ihr irgendeinen Fehler von einer Bedeutung entdecken; denn die rechte Liebe mit dem lebendigen Vertrauen ist nicht blind, wie das die heidnischen Weltweisen meinen, sondern sie ist um gar vieles schärfer sehend als der schärfste Weltverstand mit seinem zu ängstlichen Gewissen. 13. Hat die Liebe auch hie und da einen Fehler begangen, so macht sie ihn durch sich bald und leicht wieder gut; hat aber der Verstand mit seiner Ängstlichkeit einen Fehler begangen, so verliert er alles Vertrauen zu sich und findet oftmals gar lange hin kein Mittel, durch das sich der Fehler völlig wieder gutmachen ließe. 14. Ich will euch aber darum nicht sagen, als solle darob ein Mensch seinen Verstand und sein Gewissen völlig auf die Seite stellen, – das sei ferne; aber sich ganz von dem Verstande und von der zu ängstlichen Furcht vor der Begehung eines Fehlers beherrschen zu lassen und an der viel besseren Wirkung der Liebe und ihres Vertrauens ordentlich verzweifeln, ist doch sicher im hohen Grade blind und albern. 15. So ihr nun das richtig begriffen habt, so wird euch Meine Gegenwart auch leicht erträglich sein, und ihr werdet in euch nicht mehr den Wunsch haben, aus lauter Furcht und Scheu vor Mir euch sobald als möglich von hier wieder zu entfernen!“ 16. Auf diese Meine freundliche Belehrung wurden diese Samariter ganz umgestaltet, dankten Mir für diesen Unterricht und wurden sehr zutraulich. 17. Und der Hauptredner sagte: „O Herr und Meister aller Dinge und alles Lebens! Es hat uns wohl nur eine große Liebe zu Dir hierher geführt, da wir vernommen haben, daß man hier oder in Nazareth von Deinem irgendwoigen Aufenthalte am ehesten eine sichere Kunde erhalten könnte, und so sind wir denn in gutem Vertrauen hierher gereist. Nun, statt der erwarteten sicheren Kunde, wo Du Dich irgend aufhalten würdest, trafen wir zu unserer größten Überraschung gleich Dich Selbst, und diese Überraschung hat uns denn auch mit einer übergroßen Furcht vor Deiner endlosesten Herrlichkeit erfüllt. Doch diese unsere sicher nicht unbillige und auch nicht ungerechte Furcht hast Du nun auf einmal in eine zutraulichste Liebe umgestaltet, und somit werden wir auch hier verweilen, solange Du hier verweilen wirst, und auch Dir folgen – so Du es willst –, wohin Du nur immer ziehen wirst; denn auch wir möchten ganz Deine Jünger und Austräger Deines lebendigen Wortes werden.“ 18. Sagte Ich: „Darum habe Ich es auch also gewollt, daß ihr Mich habt müssen suchen gehen; denn Ich kenne euch gar wohl und also auch euren Geist. Doch nun esset und trinket noch, und dann werden wir ein Weiteres besprechen!“ 19. Damit waren alle zufrieden, aßen und tranken nun ohne Scheu weiter, und Ich begab Mich wieder auf Meinen Platz. Kapitel 130 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 130. — Gabriels Zeugnis über Maria 1. Als Ich Mich nun wieder auf Meinem Platze unter Meinen Jüngern befand, da lobten diese die Samariter und ihren Eifer. 2. Auch die Maria, die gleich dem Joseph eine strenge Jüdin war und noch auf den Tempel hielt – wenn auch in Meiner Zeit nicht mehr so viel wie ehedem –, verwunderte sich über den treuen Altjudensinn und über die Stärke des Glaubens der Samariter und sagte am Ende: „So diese den Tempel bewachten und leiteten – was leider nicht ist –, da würde die alte Lade wieder vom Geiste des Herrn zum Heile Jerusalems und aller Juden erfüllt sein, und die Engel würden die Jungfrauen im Tempel speisen mit himmlischer Kost, wie solches noch geschah vor etlichen dreißig Jahren unter dem frommen Simeon und der greisen Anna, die des Tempels Jungfrauen zu versorgen hatte. Aber seit der Neid der Pharisäer den frommen Zacharias im Tempel, als er kam, Gott die Opfer zu weihen mit Gebet und Rauchwerk, erwürgte, zerfiel die alte Lade, und des Herrn Geist entwich. Wohl hat man eine neue Lade angefertigt, aber des Herrn Geist kehrt nimmer in sie zurück; wohl aber wohnt in ihr der Geist der Lüge, des Betrugs, des Neides, der Scheel- und Schmähsucht, der Hoffart und schnöden Herrschsucht. 3. Aber bei den Samaritern, die vom Tempel aus mit vielen Tausenden der gräßlichsten Bannflüche belegt sind, wohnt der Geist des Herrn, wie sich das nun deutlich erwiesen hat, und wird sie, solange sie bleiben werden, wie sie nun sind, nicht verlassen. Ich selbst habe mich ehedem mit ihnen nicht zufriedenstellen können, weil sie sich vom Tempel losgemacht haben; aber von nun an will ich sie zu meinen Freunden zählen, und ihr Garizim steht hoch über dem Tempel Salomos.“ 4. Alle belobten diese Worte Marias, und es kam ein Samariter zu uns herüber und sagte: „Höret, ihr Freunde des Herrn, wer wohl ist dies liebliche Weib, das nun im hohen Geistessinne geweissagt hat?“ 5. Und der an Marias Seite sich befindende Gabriel sagte: „Dies ist das Weib, von dem es geschrieben steht: ,Siehe, eine Jungfrau wird uns einen Sohn gebären! Des Name wird Immanuel heißen, und in Ihm wird Gott wahrhaftig mit uns sein!‘ 6. Siehe nun an den Herrn unter uns – Er ist der Immanuel, also der eine und allein wahre Gott mit uns! Und nun weißt du auch, wer dies Weib ist, gehe hin, und sage es auch deinen Freunden!“ 7. Da verneigte sich der Samariter, ging zu seinen Gefährten und hinterbrachte ihnen das. Und sie erhoben sich alle, kamen zu uns herüber und begrüßten mit salbungsvoller Rede Maria. 8. Maria aber sagte zu ihnen: „Ich war und bin nur eine erwählte Magd des Herrn; und daß ich das ward, was ich bin, das war Sein Wille. Darum preiset nicht mich, sondern gebet allzeit Gott allein die Ehre! Was der Sohn des Allerhöchsten, der Eins ist mit Ihm, sagen wird, das tuet! 9. Darauf begrüßten sie Maria noch einmal und dankten Mir und dem Kisjona für das gute Mittagsmahl. Nach der Danksagung erst fragten sie Mich, was sie nun tun sollten. 10. Und Ich sagte: „Ruhet nun noch eine kurze Zeit gleich uns, dann werdet ihr es schon vernehmen, was bis an den Abend hin zu tun sein wird!“ 11. Darauf begaben sie sich wieder an ihren Tisch und besprachen sich über manche Stellen aus den Propheten, in denen des Weibes Erwähnung geschieht, das einen Sohn gebären werde, vor dessen Namen und Macht sich alle Knie beugen werden. 12. Nach einer Weile unserer Tischruhe erhob Ich Mich und sagte: „Es ist nicht fein, so ein Mensch einen Tag untätig durchfeiert; darum wollen nun auch wir unsere Ruhe bis zum Abend hin in eine rechte Tätigkeit umgestalten! 13. Seht, unseres Freundes Kisjona Fischbehälter sind nun stark gelichtet worden, und so wollen wir uns ans Fischen machen und seine Behälter alle mit den Fischen füllen! Wir wollen uns alle an dieser Arbeit beteiligen!“ Kapitel 131 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 131. — Der reiche Fischfang 1. Dem Kisjona war dieser Antrag sehr angenehm, da er wirklich schon einen Mangel, besonders an den edlen Fischen, hatte. 2. Aber etliche seiner anwesenden Diener und Knechte sagten: „Es wird sich heute am Tage mit dem Fischen schlecht machen; denn erstens sind die meisten noch im brauchbaren Zustande sich befindenden Fischerbarken und Boote schon vor drei Tagen der Fische wegen irgendwohin übers Meer hinausgefahren, haben beinahe alle zum Fischfange notwendigen Geräte mitgenommen und sind bis zur Stunde noch nicht zurückgekehrt, was wohl begreiflich ist, da es in dieser Zeit stets schlecht zu fischen ist, und zweitens geht nun das Meer stark, und die Fische versenken sich da in die Tiefe und meiden die seichten Uferstellen. Woher werden wir nun brauchbare Schiffe nehmen, mit denen wir uns auf des stark wogenden Wassers Höhe hinauswagen könnten?“ 3. Sagte Ich: „Was Ich euch sage, das tuet, und wir werden keine vergebliche Arbeit unternommen haben!“ 4. Auf das erhoben sich alle, auch die Samariter, und wir begaben uns hinaus ans nahe Ufer des Meeres. 5. Als wir uns am Ufer befanden, an das starke Wellen schlugen, da sagte zu Mir Kisjona und auch Philopold: „Herr und Meister! Meine Knechte haben in natürlicher Hinsicht doch eine ganz wahre Bemerkung gemacht, – ohne gute Schiffe und ohne taugliche und starke Netze wird sich da auf eine natürliche Weise nichts machen lassen. Dir, o Herr, ist freilich wohl nichts unmöglich, aber uns Menschen ist mit vieler Mühe nur dann etwas zu bewirken möglich, wenn die Gelegenheit und die Umstände dazu günstig und vorhanden sind.“ 6. Sagte Ich: „Eben darum habe Ich euch bei den zum Fischen ungünstigsten Umständen herausgeführt, um euch die Macht des lebendigen Glaubens zu zeigen. Nehmet die alten Netze, die dort an den Uferzäunen hängen, und besteiget die zwei alten Boote, die sich hier am Ufer befinden, werfet die Netze ins Wasser, und seid gläubig, und wir werden in kurzer Zeit der besten Fische in großer Menge bekommen!“ 7. Es waren aber die alten Boote bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt, und die Knechte und auch Meine Jünger machten sich ans Ausschöpfen des eingedrungenen Wassers und verstopften mit Lappen einige lecke Stellen, damit die Boote zur Not brauchbar wurden; die Samariter aber machten sich in der Eile über die schadhaften Netze her und besserten sie, so gut es möglich war, aus, und es war auf diese Art zur Not ein Fischgerät hergestellt. Ein Teil der Knechte aber schaffte eine rechte Anzahl von Lägeln [kleines Faß oder Gefäß mit ovalen Boden] herbei, in die die gefangenen Fische hineinzulegen und dann darin in die großen Behälter zu überbringen waren. 8. Als sich so alles in der nötigen Ordnung befand, da bestiegen etliche Meiner Jünger mit den Knechten die sonst ziemlich geräumigen Boote, stießen sie ein wenig vom Ufer und senkten das zwischen den beiden Fahrzeugen ausgebreitete Netz ins Wasser, das schon nach wenigen Augenblicken mit den edelsten Fischen derart angefüllt war, daß die Knechte darob erschraken; denn sie konnten das Netz vor lauter Schwere nicht ans Ufer bringen und fingen an, um Hilfe zu rufen. Da stiegen die Samariter ins Wasser, das an der Stelle, wo die Boote standen, kaum etwas über einen halben Mann Tiefe hatte, und halfen den Jüngern und den Knechten, die Fische ans Ufer zu schaffen. Bei hundert Menschen hatten über eine Stunde zu tun, bis alle Fische in die für sie bestimmten Behälter geschafft wurden. 9. Als die Fische untergebracht waren, da sagte Ich zu Kisjona, der sich samt Philopold über diesen so überreichen Fang nicht genug verwundern konnte: „Willst du noch einmal das alte Netz mit Fischen aller Art und Gattung, die in dieses Sees Wasser leben, gefüllt haben, so laß das Netz, wie dies erstemal, ins Wasser senken, denn es ist nun die beste Zeit zu fischen! Denn so die Sonne sich dem Untergange zu nahen anfängt, da nahen sich die Fische den Ufern in dieser Zeit und in dieses Sees Wasser.“ 10. Sagte Kisjona: „O Herr und Meister, ich bin schon mit dem einen Zuge mehr als überaus zufrieden; aber so Du es willst und mit Deiner Gnade den Menschen die Arbeit nicht zu beschwerlich wird, so kann das Netz ja schon noch einmal ausgeworfen werden!“ 11. Sagten die Knechte, die Jünger und auch die Samariter zu Kisjona: „O du lieber Freund, nicht nur einmal, sondern noch mehrere Male, so es dem Herrn und dir genehm ist, wollen wir das Netz ins Wasser legen; denn mit solchem Gewinn ist die Arbeit wohl der kleinen Mühe wert!“ 12. Sagte Ich: „Nun denn, so tuet noch einmal, was ihr schon getan habt! So ihr aber werdet den Zug gemacht haben, da sondert die Gattungen also, daß ihr die Raubfische, die ihr diesmal auch ins Netz bekommen werdet, von den edlen Fischen sondert und sie dann in einen eigenen Behälter leget; denn die Raubfische sind ein Schaden der Edelfische, gleichwie die Wölfe ein Schaden sind den Schafen!“ 13. Sagte Kisjona: „Herr, ich danke Dir für diesen Rat! Bisher hatten meine Knechte und Fischer da keine Sonderung vorgenommen und sagten: ,Was im Meere beisammen lebt, das kann auch im Behälter beisammen leben!‘ Ich habe mich aber davon schon mehrere Male selbst überzeugt, daß die Raubfische mit den sanfteren Edelfischen sich schlecht vertragen, aber meine Leute wollten mir das nicht gelten lassen; da sie es nun aber aus Deinem Munde vernommen haben, so werden sie in der Folge auch das Klügere tun, zu ihrem und zu meinem Nutzen!“ 14. Sagten alle: „Ja, was der Herr sagt, das wollen wir auch tun; denn nur Er allein kennt und weiß alles aus dem Fundamente!“ 15. Auf das bestiegen die Jünger und die Knechte abermals die beiden Boote und warfen, wie zuvor, das Netz ins Wasser. In wenigen Augenblicken war es wieder, doch mit verschiedenen Gattungen der Fische, so überfüllt, daß abermals unsere Samariter ins Wasser steigen und das überfüllte Netz den Fischern ans Ufer fördern helfen mußten. 16. Als das Netz wieder ans Ufer gebracht ward, da ging es ans Ausheben und Sondern der Fische, deren größerer Teil nun aus Raubfischen bestand, und es wurde ein großer Behälter mit ihnen gefüllt; aber auch die verschiedenen Edelfischgattungen wurden gesondert und jede Gattung in einen eigenen Behälter gebracht. 17. Darauf ward das Netz wieder aus dem Wasser genommen und zum Trocknen an den Zaun gehängt, und die beiden Boote wurden am Ufer befestigt. Die Sonne hatte bei dieser Gelegenheit unserer Fischerei den Horizont erreicht, und Kisjona meinte, daß man nun etwa wieder ins Haus sich begeben könnte, da es in dieser Herbstzeit am Wasser infolge der starkwehenden Winde nach dem Untergange der Sonne oft ganz empfindlich kühl werde. 18. Sagte Ich: „Freund, sorge du dich darum nicht; denn auch die Wärme und Kühle liegen, wie alles, in Meiner Hand! Wir wollen hier die Rückkunft deiner Schiffe abwarten und sehen, welchen Gewinn sie dir bringen werden.“ 19. Sagte Kisjona: „Herr und Meister, da erwarte ich wenig; denn am Vorsabbat fuhren sie in der Richtung gen Jesaira ab. Da werden sie wenig gearbeitet haben. Gestern war Sabbat, also ein voller Ruhetag; heute ist der Nachsabbat, auch ein Tag, an dem nicht viel gearbeitet wird. Es müßte daher ein Wunder geschehen sein, so mir meine vierzehn Schiffe irgendeinen Gewinn brächten; zudem sehe ich noch von keiner Seite her ein mir bekanntes Schiff auf dieses Ufer zusteuern.“ 20. Sagte Ich: „Freund, du denkst zwar ganz folgerichtig; aber es ist dein Denken von Zeit zu Zeit noch stärker denn dein Glaube! Siehe dahin, wo während unseres Fischens die drei Engel sich befanden in der Gesellschaft der Gebärerin Meines Leibes. Siehe, sie wurden unsichtbar mit dem vollen Untergange der Sonne und halfen deine Schiffe mit allerlei guten Fischen füllen. Und ehe du dich sieben Male umsehen wirst, werden deine vierzehn Schiffe sichtbar werden! Ein jedes Schiff wird hundert Fische überbringen.“ 21. Als Ich dem Kisjona dieses sagte, da kamen in der ersten Dämmerung die Schiffe auch in Sicht, und es dauerte kaum eine halbe Stunde Zeit, so waren die Schiffe auch schon am Ufer. 22. Und der Hauptschiffmeister trat sogleich aus dem Schiffe, begrüßte uns und ward über alle die Maßen froh, als er auch Mich in der Gesellschaft ersah; denn er kannte Mich von früher her, und sagte: „Ja, nun ist mir alles klar geworden! Als wir vorgestern die Buchten über Jesaira hinaus als stets die fischreichsten durchsuchten, fanden wir auch nicht einen Fisch, denn ein heftiger Südwind trieb sie in die Tiefe. Kurz, wir haben bis in die späte Nacht mit Hilfe der Fackeln gearbeitet, aber es war alles eine völlig vergebliche Mühe. Gestern war Sabbat, da durften wir nicht arbeiten; aber heute waren wir schon mit dem frühesten Morgen bei der Arbeit und fischten ununterbrochen bei neun Stunden lang, aber auch ganz ohne Erfolg. Als ich sah, daß alle unsere Arbeit und Mühe eine vergebliche war, da gab ich das Zeichen zur Heimfahrt. 23. Als wir uns aber auf mein gegebenes Zeichen zur Heimfahrt anzuschicken begannen, da kamen drei herrliche Jünglinge ans Ufer und verlangten von mir, daß ich sie in mein Schiff aufnehme. Ich nahm sie denn auch ohne den geringsten Anstand auf. Als ich sie befragte, wohin sie fahren möchten, da sagten sie: ,Wir sind nicht gekommen, um mit dir irgendwohin über diesen See zu fahren, sondern um euch fischen zu helfen; denn ihr habt nahezu zwei Tage lang gefischt und habt keinen Fang gemacht. Senket daher noch einmal eure Netze ins Wasser, und ihr werdet einen guten Fang machen!‘ Wir taten das, die Arbeit ging gut vonstatten, und in wenigen Augenblicken waren unsere Netze mit den schönsten Fischen aller Art gefüllt! 24. Aber wie nun so viele Fische in kurzer Zeit in die Lägel schaffen? Die drei Jungen halfen uns, und ehe wir uns versahen, waren alle Fische in die Lägel gebracht. Darauf aber verschwanden die drei plötzlich, und es kam ein starker Wind und schob unsere Schiffe in der Richtung nach hierher. 25. Als ich dies mir wohlbekannte Ufer ersah und auch schon ausnehmen konnte, daß sich eine ziemliche Menge Menschen am selben befanden, da sagte ich zu meinen Schiffern: ,Es muß der große Heiland aus Nazareth sich in Kis befinden, denn die drei Jungen, die uns auf eine so wundersame Art zu den Fischen verhalfen, waren offenbar drei mächtige Geister, die stets zu Seinen Diensten bereit sind. Der große Heiland und Meister aber hat unsern Herrn lieb und wirkte durch Seine dienstbaren Geister ein Zeichen auf seinen Schiffen zu seinem Nutzen!‘ 26. Als ich nun ans Ufer trat, da ersah ich bald, daß meine Mutmaßung zur Wahrheit geworden ist. Und nun erst danke ich Dir, o Du großer Sohn Gottes und Meister aller Meister, für die uns erwiesene unschätzbare Wohltat. Dir sei unsere und alle Ehre Gott in der Höhe der Höhen! 27. Aber nun heißt es, dieweil es noch ziemlich hell ist, die Fische versorgen!“ 28. Sagte Ich: „Tuet das, bringet sie in die Behälter nach der Gattung und Art: Die etlichen Raubfische lasset nicht unter den Edelfischen, sondern gebet sie in den Behälter, der für sie hergerichtet ist! Dann möget ihr euch zur Ruhe begeben!“ 29. Als darauf die Diener die Lägel mit den Fischen aus den Schiffen gehoben hatten, da besah sie Kisjona, und er erstaunte überaus über die Anzahl und über die edle Art der Fische, darunter keiner unter fünf Pfund wog. 30. Darauf sagte Ich: „Da wir auch diesen Tag zu Nutz und Frommen der Menschen wohl zugebracht haben, so begeben wir uns auch wieder ins Haus, und du, Freund Kisjona, laß uns ein mäßiges Abendmahl bereiten!“ 31. Darauf begaben wir uns denn auch alsbald ins Haus, und es ward viel über die Begebenheiten des Tages gesprochen. Kapitel 132 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 132. — Der Herr gibt Missionswinke 1. Ich aber redete noch über so manches mit den vier Indojuden, gab ihnen Weisungen, wie sie das, was sie bei Mir gesehen und gehört hatten, auch ihren Landesgefährten fruchtbringend zur Erlangung des ewigen Lebens der Seele mitteilen sollen. Dann legte Ich den beiden Männern die Hände auf und erteilte ihnen die Kraft, in Meinem Namen mittels der Auflegung der Hände die Kranken zu heilen und die Besessenen von den bösen Geistern zu befreien. Die vier dankten mir mit aller Inbrunst für diese Gnade und lobten Meine Güte. 2. Es baten Mich aber auch die sieben Templer, daß Ich auch ihnen eine solche Gnade erteilen möchte, auf daß sie im Lande Hams mit Meiner Hilfe die Menschen leichter zur Erkenntnis des einen, allein wahren Gottes und zum Glauben an Mich und Mein Wort fördern könnten. 3. Und Ich sagte: „Für euch hat es damit noch Zeit; diese vier aber reisen schon morgen frühest von hier ab, und so erteilte Ich ihnen die Kraft, Kranke zu heilen, denn auch schon heute abend. Zudem sind sie auch schon länger um Mich denn ihr und sind in allem wohl unterrichtet worden, daß sie nun genau wissen, was sie zu tun haben werden, und ihre Seelen sind rein und ohne Sünde, und die ihnen erteilte Kraft bleibt in ihnen; eure Seelen aber sind noch mit so gar manchen Schwächen behaftet, deren ihr durch die wahre Selbstverleugnung erst los werden müsset, ansonst die von Mir euch erteilte Kraft nicht in euch verbleiben würde, – denn ein Gefäß, in dem Meine Gnade verbleiben soll, muß haltbar, fest, gut und rein sein. Ihr aber werdet dazu schon noch in Bälde gelangen, so es in euch und für euch auch an der rechten Zeit sein wird!“ 4. Mit dem begnügten sich die sieben und dankten Mir für diese Belehrung und Verheißung. Darauf begaben sie sich auf ihre Plätze und nahmen etwas Brot und Wein zu sich. Es kamen aber nun auch die Samariter zu Mir und fragten Mich, ob es geraten wäre, in dieser höchst abergläubischen Zeit den Menschen neben dem Evangelium für Seele und Geist auch das von dem Jünglinge vernommene und wohlbegriffene Evangelium über alle die Dinge und Erscheinungen in der großen Naturwelt ihren Brüdern zu predigen und ihnen ein rechtes Licht zu geben über alle Torheiten, in die sich die Menschen von Zeit zu Zeit immer mehr und mehr versetzt hätten, und zwar namentlich durch das selbst- und habsüchtige Priestertum, das das blinde Volk durch allerlei neu erfundene Trugkünste und durch leere phantastische Reden und Lehren von aller Wahrheit wohl abzubringen verstanden habe. 5. Sagte Ich: „Meine lieben Freunde, so ihr in Meinem Namen die Menschen zu lehren und zu bilden anfanget, da saget zuerst: ,Der wahre Friede sei mit euch! Denn das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen!‘ 6. Dann lehret sie, worin das Reich Gottes besteht, und was ein Mensch zu tun hat, um des Reiches Gottes teilhaftig zu werden schon diesseits und um so mehr jenseits, was ihr alles wohl innehabt, da erstens Ich Selbst und dann auch mehrere von Mir ausgesandte Jünger bei euch Meine Lehre mit klaren Worten schon verkündet haben. 7. Habt ihr auf diese Weise die Herzen und Seelen der Menschen geläutert und gereinigt, dann möget ihr ihnen auch die Dinge in der Naturwelt erklären, um ihren Verstand auf den Stand der Urwahrheit zurückzuführen und ihr Gemüt von allem Aberglauben zu reinigen. Denn es ist das um so notwendiger, weil ein Mensch, der die von Gott geschaffenen Werke irrwähnig erkennt, auch Gott niemals richtig erkennen kann, also auch nicht sich selbst und ebensowenig seinen Nächsten. 8. Wo es aber an dieser Erkenntnis gebricht, da wird es dann auch an der verlangten wahren Liebe zu Gott und desgleichen an der Liebe zum Nächsten gebrechen. Denn wer da seinen Nächsten nicht liebt, den er doch als ein Wesen seinesgleichen sieht, wie wird der Gott lieben, den er mit den Augen seines Leibes nicht sehen kann? 9. Gott kann der Mensch also nur auf dem reinen und wahrheitsvollen Wege der Erkenntnis der geschaffenen Dinge und Seiner liebevollen und weisesten Ordnung in ihnen mit den Augen seines Geistes schauen und dann aber auch über alles lieben; und wer Gott über alles liebt, der erkennt aus solcher Liebe auch sich und seinen Nächsten und wird in ihm ebenso das Ebenmaß Gottes lieben und achten wie in sich selbst. 10. Das aber ist eine richtige und wahre Annahme von euch, daß man sorglichst dahin arbeiten solle, daß am Ende aller Aberglaube von den Menschen weiche; denn solange noch irgendein Fünklein Wahnglauben das menschliche Gemüt belastet, ist der Mensch nicht frei und kann aus diesem Fünklein in viele und grobe Irrtümer verfallen. Darum kann nur die vollends reinste Wahrheit den Menschen auch vollends frei und also auch hier und jenseits vollkommen glücklich und selig machen. 11. Das Reich Gottes aber, das in Mir in diese Welt gekommen ist, ist eben also die reinste und vollkommenste Wahrheit, wie auch Ich der Weg, die Wahrheit und das Leben Selbst bin, wovon Ich euch doch sicher schon allorts die genügendsten Beweise gegeben habe, und was nun auch schon gar viele Tausende von Menschen, Juden und Heiden, aus allen Weltgegenden wissen und auch fest daran glauben. 12. Das merket euch aber auch, daß es stets ein leichteres ist, dem Menschen von irgendeiner Sache eine Kunde im Bereich seines Wissens zu verschaffen denn sein Gemüt zu einem festen und zweifellosen Glauben zu bewegen! Darum sollet ihr auch auf die Gründung des lebendigen Glaubens ein viel größeres Augenmerk haben denn auf ein pures Wissen; denn im Wissen allein ist das Leben nicht, wohl aber im reinen und durch die Werke der Liebe lebendigen Glauben. 13. Das noch so reine Wissen ist ein Ablicht der Dinge und ihrer Ordnung aus dieser Welt, die also, wie sie nun ist, vergänglich ist wie alle Dinge in, auf und über ihr; aber die Dinge des Glaubens sind ein wahres Licht aus den Himmeln, sind ein lebendiges Angehör des Gemüts, der Seele und ihres Geistes, sind unsterblich und unvergänglich. 14. Ich sage es euch allen: Dieser für euch sichtbare Himmel, bestehend aus Mond, Sonne und all den Sternen, wird dereinst auch vergehen; aber Meine Worte und der an sie glaubt, werden nicht vergehen, sondern ewig bestehen! 15. Ich will aber damit nicht sagen, als solltet ihr des lebendigen Glaubens wegen bei den Menschen das, was man reine Wissenschaft nennt, unbeachtet lassen; denn der Mensch kann an etwas nicht eher glauben, als bis er vom selben eine Kunde oder Wissenschaft erhalten hat. Hat der Mensch einmal von einer guten und wahren Sache auch eine reine und verläßlich wahre Kunde und wohldurchprüfte Wissenschaft erhalten, so soll er sich dann nicht mit der puren Wissenschaft begnügen, sondern sie in den lebendigen Glauben aufnehmen und nach ihren Grundsätzen handeln; tut er das, so wird ihm die reine Wissenschaft auch den wahren, lebendigen und unvergänglichen Nutzen bereiten. Darum werdet ihr, die ihr nun Meine Worte mit aller Aufmerksamkeit anhöret, auch erst dann in der Fülle erkennen, daß sie Gottes Worte sind, so ihr vollends danach leben und handeln werdet. 16. Ich kenne die Samariter wohl, und Mir sind ihre mannigfachen Vorzüge nicht unbekannt, aber es gibt unter ihnen auch gar manche Irrtümer, in denen sie oft hartnäckiger verharren denn die Heiden bei den ihrigen; darum werdet ihr um Meines Namens und um Meiner Lehre willen auch manchen harten Kampf zu bestehen bekommen. Denn der Menschen Weltverstand begreift die inneren Dinge des Geistes und der lebendigen Wahrheit nicht und hält die für Narren, die ihm davon Kunde bringen, und verfolgt sie denn auch, wo er das nur immer kann. Aber ihr sollet euch nichts daraus machen und die Wahrheit also lehren, wie sie euch von Mir ins Herz und in den Mund gelegt wird, so werdet ihr am Ende für Mein Reich viele und gute Früchte sammeln, und euer Lohn wird dereinst in Meinem Reiche kein kleiner sein! 17. Höret ihr selbst aber nicht auf die Drohungen und finsteren Worte eurer Rabbis, die sich auf ihre verborgene Weisheit, an der wenig Vollwahres hängt, überaus viel einbilden, sondern haltet an dem fest, was ihr von Mir vernommen habt, und ihr werdet so manchen Rabbi zu Mir wenden! 18. So ihr euch aber nur in irgend etwas von ihnen werdet einschüchtern lassen, da werdet ihr mit eurem besten Willen wenig erheblich Gutes stiften. Mit dem habe Ich euch nun auch alles gesagt, was ihr in Meinem Namen zu tun habt, um Mein Reich auch unter euch segensvoll auszubreiten. 19. Ihr werdet aber von der Welt bald so manche Dinge vernehmen. Es wird der Hirte geschlagen werden, und die Schafe werden sich aus Furcht zerstreuen. Dann aber ärgert euch ja nicht an Mir, und werdet nicht kleinmütig und wankenden Glaubens; denn so Ich auch diese Welt leiblich verlassen werde, da werde Ich im Geiste aber dennoch bei den Meinen verbleiben bis ans Ende der Welt und werde Mich denen, die Mich lieben und Meine Gebote halten werden, allzeit treulich Selbst offenbaren. 20. Ich werde euch nicht als Waisen in dieser Welt lassen, sondern wo sich auch nur zwei oder drei irgend in Meinem Namen versammeln werden, da werde Ich auch mitten unter ihnen sein; und um was ihr dann den Vater, der in Mir ist, wie Ich auch in Ihm, in Meinem Namen bitten werdet, das wird euch auch gegeben werden. 21. Und so denn werde nicht traurig und ängstlich euer Gemüt, so ihr hören werdet, daß Ich als der Herr Selbst Mich von der Welt habe demütigen lassen und auf dem schmalsten und dornigsten Wege aus dieser Welt in Meine Himmel übergegangen bin; denn seht, es muß das ja alles also geschehen, auf daß der argen Welt Maß voll werde und das Gericht, das ihr geweissagt ist, über sie komme. 22. Ich aber sage euch nun auch das darum zum voraus, auf daß ihr, wenn ihr davon Kunde erhalten werdet, euch darob nicht entsetzet oder gar über Mich ärgert. Denn so ihr wahrhaft Meine Jünger und Ausbreiter Meines Reiches auf Erden sein wollet, da müsset ihr auch in allem fest und niemals wankend werden.“ Kapitel 133 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 133. — Der Herr entläßt die Indojuden in ihre Heimat 1. Als Ich diese Rede an die Samariter beendet hatte, da ward auch das Abendmahl, schon bereitet, in den Schüsseln auf die Tische gesetzt. Da setzten sich die sieben Templer an einen Tisch, der für sie bereitet war, und die Samariter an den in dem einen Winkel des Saales für sie gedeckten, und wir alle nahmen darauf das zumeist in bestens bereiteten Fischen bestehende Mahl zu uns und tranken den Wein. 2. Als nach einer Stunde das Mahl verzehrt war und der Wein die Zungen wieder regsamer machte, da kamen auch ein paar Samariter zu Mir und statteten Mir erst mit lauter und gewählter Rede im Namen aller den Dank für die ihnen erteilte Lehre ab. Und der eine fragte Mich darauf, ob sie als Meine Jünger im Notfall in Meinem Namen auch würden etwelche Zeichen wirken können. 3. Und Ich sagte zu ihnen: „Das wird erstens von der Stärke eures Glaubens abhängen, und als ein zweites habe Ich euch ja ohnehin schon mehr als handgreiflich klar die vollwahrste Versicherung gegeben, daß euch alles gegeben wird, um was ihr den Vater in Meinem Namen bitten werdet. Was soll Ich euch nun noch für eine andere Versicherung geben?“ 4. Als die beiden das vernahmen, verneigten sie sich vor Mir und gingen wieder zu ihren Gefährten. 5. Bald auf diese Verhandlung, nach der nichts von irgendeiner Bedeutung vorgefallen ist, begaben wir uns zur Ruhe und schliefen bis zum Morgen, diesmal auf guten Ruhebetten. 6. Von da an blieb Ich noch sieben Tage in Kis samt Meinen Jüngern. Auch die sieben Pharisäer samt ihren Dienern blieben, und neben ihnen auch die Samariter, und sie wurden von Meinen Jüngern in Meiner Lehre vollkommen unterrichtet; nur die vier Indojuden zogen am frühen Morgen auf einem andern Wege, der um vieles näher war, wieder in ihr Land. 7. Auf daß sie aber den Weg nicht verfehlen konnten, so erweckte Ich des Mägdleins weit vorgediehene innere Sehe und sagte, daß sie den dreien zum Führer dienen solle, womit sie auch völlig einverstanden waren, und sie reisten nach eingenommenem Morgenmahle noch vor dem Aufgange der Sonne ab, nachdem sie Mir zuvor für die Lehre und für die erteilte Gnade allerwärmst gedankt hatten und von Kisjona und auch von den sieben Templern, die sehr goldreich waren, reichlich beschenkt worden waren. 8. Was aber Ich dann die sieben Tage hindurch in Kis machte, will Ich nur ganz kurz berühren, auf daß in der Erzählung über Mein Tun auf Erden keine Lücke werde. 9. Sechs Tage brachte Ich mit Kisjona und Philopold abwechselnd bald in Kane in Samaria (ein Grenzort) und bald in Kis zu, bei welcher Gelegenheit Ich auch die Menschen, die zu uns kamen, belehrte und mehrere Kranke heilte und Mich mit den beiden Begleitern auch über gar manche natürlichen Dinge, sie belehrend, besprach. 10. Am siebenten Tage aber stärkte Ich zuerst die sieben Pharisäer samt ihren Dienern, deren ein jeder Pharisäer sieben hatte, und entsandte sie nach Oberägypten über Tyrus, wo sie sich in Meinem Namen bei Cyrenius zu melden hatten, der ihnen einen Geleitbrief gab und ihnen eine Reisegelegenheit zu Wasser nach Ägypten verschaffte. 11. Nachdem die Pharisäer also leicht abgefertigt waren, wandte Ich Mich zu den Samaritern, deren Zahl dreißig betrug, stärkte sie und entsandte sie in ihr Land, auf daß sie allen noch Blinden und Tauben die Augen und die Ohren öffnen sollten. Und sie zogen darauf ab. 12. Als Ich Mich gen Mittag hin zur Weiterreise anzuschicken begann, da baten Mich Kisjona, unser Philopold und auch die Maria, daß Ich noch bis zum nächsten Morgen verweilen möchte. 13. Und Ich sagte: „Der Liebe soll man niemals widerstreben; und so werde Ich zwar nicht bis morgen bei euch verweilen – da Ich vor allem den Willen Dessen, der Mich in diese Welt gesandt hat, erfüllen muß –, aber über den Mittag hin will Ich denn doch noch bei euch verharren, und so denn kannst du, Freund Kisjona, uns noch ein Mittagsmahl bereiten lassen!“ 14. Das tat Kisjona wohl mit dem größten Vergnügen von der Welt. 15. Wir aber setzten uns an den Tisch, nahmen Brot und Wein und stärkten uns. Kapitel 134 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 134. — Der Herr erzählt Seine Versuchung in der Wüste (Matth.4,1-11) 1. Hier fragt Mich der weise Philopold, sagend: „Herr und Meister voll Liebe und Weisheit und Kraft! Wir haben aus Deinem wahrhaftigst göttlichen Munde so vieles von Deinem Wirken vernommen, aber vom ersten Wirken, als Du das irdische Elternhaus verlassen hast, wissen wir gar nichts. Ich habe mich mit Maria, Deines Leibes Mutter, und ebenso mit Joel und auch mit Deinen andern irdischen Leibesbrüdern über Deine ganze Jugendzeit getreulichst besprochen, und was ich vernommen hatte, von Deiner wundersamen Darniederkunft ins Fleisch der Maria angefangen bis zu Deinem dreißigsten Erdenlebensjahre, habe ich getreust ohne allen Zusatz und ohne eine Weglassung in ein Gedenkbuch zusammengeschrieben in griechischer Zunge und Schrift. 2. Und so habe ich auch in freilich lauter Bruchsätzen als Nachtrag alles, was ich einmal hier selbst an Deiner Seite erfahren, und was ich von verläßlichen Augen- und Ohrenzeugen auch von vielen anderen Seiten und Orten her erfahren habe, in ein eigenes Buch niedergeschrieben. Aber von Deinem dreißigsten Jahre und vom Tage Deines Abganges aus Nazareth an bis über beinahe drei Monde Zeit hinaus konnte ich von niemand etwas erfahren, wo Du Dich in jener ganz ersten Zeit aufgehalten und was Du gewirkt hast. 3. Von jenem Momente an, wo Du von Johannes Dich im Flusse Jordan hast mit Wasser taufen lassen, weiß ich wohl so manches, wie auch von der Berufung Deiner ersten Jünger; aber, wie gesagt, von der vorerwähnten allerersten Zeit konnte ich über Deinen Aufenthalt und über Dein Wirken trotz aller Meiner Bemühungen nicht eine Silbe in Meine Erfahrung bekommen. 4. Mir als stillem Aufzeichner Deines gesamten Erdenlebens und Wirkens liegt aber höchst viel daran, daß mir auch aus jener Deiner ersten Lehramtszeit, von der auch Deine alten Jünger nichts zu sagen wissen, über Dein Sein und Wirken etwas bekanntgegeben würde; und das ist wohl niemand anderm möglich denn nur Dir, o Herr und Meister, allein. So es Dir genehm wäre, mir davon so manches zu eröffnen, so wäre mir das eine große und überaus schätzbare Gnade von Dir!“ 5. Sagte Ich: „Ich kenne deinen guten Eifer um Mich und lobe dich als einen rechten Freund Meines Herzens; doch von jener ersten Zeit, in der Ich vom Geiste des Vaters in Mir in eine Wüste am Jordan geführt worden bin, vierzig Tage hindurch fastete und Mich nur zur Not mit Wurzeln und wildem Honig ernährte, und, als es Mich nach vierzig Tagen solchen Fastens im Leibe sehr zu hungern begann, darum von einem bösen Geiste, einem Teufel ersten Ranges, dreimal versucht worden bin, rede Ich wahrlich nicht gerne näher, als Ich nun schon geredet habe. Und so die Menschen darüber auch Näheres wüßten, so gereichte ihnen solch eine Wissenschaft zu ihrem Seelenheile nicht um ein Haarbreit mehr, als so sie davon auch nichts Näheres wissen.“ 6. Sagte Philopold: „Aber, o Herr und Meister, wie mochtest Du Dich von einem Erzteufel versuchen lassen, und wie konnte er sich je Dir nur im geringsten nahen? Denn zwischen Dich und einen Teufel ist ja durch Deine Weisheit und Macht eine solche Kluft gestellt, über die kein böser Geist ewig je sollte gelangen können? Wer war denn dieser überkecke böse Geist? O Herr und Meister, weil Du mir nun schon so viel gesagt hast, so sage mir noch etwas mehr und etwas Näheres darüber!“ 7. Sagte Ich: „Es gibt zwar keine urgeschaffenen Erzteufel in der Art, wie ihr euch dieselben vorstellet, – aber dennoch ist alles der Materiewelt in seinem Urelement ebensoviel wie ein urgeschaffener Erzteufel, und es ist darum eines, ob man da sagt, man werde von der Welt oder von den materiellen Gelüsten des Fleisches versucht, oder man werde von dem und jenem Erzteufel versucht; und wer sich von der Welt und seinem Fleische zu sehr gefangennehmen läßt, dessen Seele ist dann auch ein persönlicher Teufel und lebt im steten Vereine mit den argen, noch ungegorenen Materiegeistern nach dem Tode des Leibes fort, und ihr Streben ist fortan gleich wie ihre Liebe ein böses, und sie sucht denn auch fortan ihre arge Liebe zu befriedigen. 8. Diese Art Teufel können freilich wohl über die unermeßliche Kluft zwischen Mir und sich nicht kommen; aber da Ich nun Selbst in diese Welt, die in sich voll Gericht und somit auch voller Teufel ist, gekommen bin, so habe Ich auf eine Zeitlang aus der tiefsten Tiefe Meiner Erbarmungen durch die Annahme des Fleisches eine Brücke über die vorbenannte Kluft erbaut, ohne welche Brücke kein Mensch dieser Erde je zur wahren und vollen Seligkeit gelangen könnte, und es versteht sich von selbst, daß sich auf dieser Brücke Mir ein Teufel gleich wie ein Mensch, wenn er auch noch so böse ist, nahen und in seiner gänzlichen Blindheit Mich auch versuchen und auch auf das grimmigste verfolgen kann, wennschon ohne Wirkung gegen Meine Macht, sondern nur zur steten Vermehrung seines eigenen Verderbens. Das wirst du wohl einsehen? 9. Und siehe, Freund, also war es denn auch in jener von dir angeregten Zeit einem Teufel möglich, Mich zu versuchen! 10. Damit du aber ein Näheres noch über diesen dir freilich wohl etwas sonderbar klingenden Akt in deine Erfahrung bringst, so will Ich dir denn auch noch in Kürze die Art und Weise der Versuchung anzeigen, – und so höre denn! 11. Als Ich einmal bei drei Wochen lang in der Wüste gefastet hatte, um Mich von aller Welt vollends abzuwenden und Meinen Leib mit Mir in allem einstimmiger zu machen, als das in der Zeit sein konnte, in der Ich mit Meinem Nährvater Joseph und seinen Söhnen aus seiner ersten Ehe viel als ein Zimmermann zu verkehren hatte, und es Mich bei Meiner Wüstenwurzelkost und wildem Honig sehr zu hungern begann und Ich wahrlich in Meinem Leibe eine starke Lust, Brot zu essen, gar sehr gewahrte, da trat der Versucher in der Gestalt eines ernsten und weltweisen Magiers vor Mich hin und sagte: ,Herr und Meister, ich kenne Dich, daß Du dem Leibe nach Gottes Sohn bist! Warum quälst Du Dich mit dem Hunger in dieser elenden Wüste, wo Dir doch alle Schätze aller Welten und Himmel zu Gebote stehen?! Willst Du sie aber nicht benutzen, weil Du der elenden Menschen wegen auch ein Mensch werden wolltest, um ihnen als ein Beispiel der höchsten Enthaltsamkeit und Nüchternheit vorzuleuchten, um sie dadurch Dir ähnlicher zu zeihen, so mache, weil Dich hier wohl niemand beobachten kann, aus den vielen Steinen Brot – was Dir wohl möglich ist – und iß Dich einmal ordentlich satt!‘ 12. Ich aber sagte ganz ernsten Angesichtes: ,Höre, der du es wagst, Mich, deinen Herrn von Ewigkeit, zu versuchen! Mein Leib ist nun auch ein Mensch, versehen mit den Bedürfnissen eines jeden Menschen in dieser Welt; aber wisse und begreife, der Mensch lebt nicht so sehr vom Brote dieser Erde, sondern vielmehr von einem jeglichen Worte, das aus dem Munde Gottes kommt! Auch für euch wäre nun die Übergangsbrücke zum ewigen Leben hergestellt; aber ihr solltet euch lieber nun selbst demütigen und Mich um Vergebung eurer Sünden bitten, und es würde euch geholfen sein!‘ 13. Auf diese Meine Worte entfernte sich der Versucher auf einige Tage von Mir, als wollte er diese Mahnung beherzigen und sich am Ende danach richten. Aber dem war nicht so; er kam bald abermals zu Mir und sagte: ,Herr und Meister, Du weißt es, daß ich voll Hochmutes und voll Herrschsucht bin; ich will aber von Dir, der Du nun in dieser Wüste Dich Selbst demütigst, die rechte Demut erlernen. Laß Dich darum nun – was uns ein leichtes ist, – auf des Tempels höchste Zinne stellen, und dort will ich mit Dir weiter reden!‘ 14. Ich aber sagte: ,Von deiner Ohnmacht werde Ich Mich nicht dahin stellen lassen; aber Ich Selbst will es nun so, – und wir befinden uns schon an Ort und Stelle! Und nun kannst du denn auch weiterreden!‘ 15. Als Ich das zum Versucher sagte, da sprach er zu Mir: ,Herr und Meister! So du dem Leibe nach wahrhaft Gottes Sohn bist, so laß Dich von dieser Höhe hinab in die Tiefe, und Gott wird dann ohnehin Seinen Engeln gebieten, daß sie Dich auf ihren mächtigen Händen tragen werden, auf daß Du mit keinem Gliede an einen Stein stoßest!‘ 16. Da sagte Ich zum Versucher: ,Du sollst dich wohl vor Mir, deinem Gott und Herrn, demütigen, aber nicht Ich Mich vor dir durch einen Sprung in diese Tiefe hinab! Dadurch kommst du ewig zu keiner Demut und Besserung. Dieser dein Versuch hat dir wahrlich nichts genützt, darum entferne dich!‘ 17. Darauf verließ Mich der Versucher, und Ich befand Mich, durch Meine Macht getragen, im Augenblick wieder in Meiner Wüste, in der es freilich wohl nicht angenehm zu wohnen war. 18. Nach wenigen Tagen aber erschien der Versucher abermals vor Mir, und Ich fragte ihn: ,Was willst du unverbesserlicher Teufel nun zum dritten Male von Mir?‘ 19. Sagte der Versucher: ,Herr und Meister! Gehe nun mit mir auf einen hohen Berg! Dort will ich die Demut von Dir lernen und mich bessern!‘ 20. Und Ich ging mit ihm auf einen hohen Berg und sagte: ,Was willst du nun hier von Mir?‘ 21. Und der Versucher sagte: ,Herr und Meister, demütige Du Dich vorerst vor Mir, und ich will mich dann vor Dir demütigen! Siehe, alle die schönen und reichen Lande will ich Dir geben, so Du vorerst Dich vor mir auf die Knie niederbeugst und mich anbetest!‘ 22. Da sagte Ich: ,Nun habe Ich von dir genug! Weiche nun von Mir, Satan! Denn es steht geschrieben: ,Du sollst Gott, deinen Herrn, allein anbeten und Ihm dienen und Ihn nicht versuchen!‘‘ 23. Darauf wich der Versucher für immer von Mir; aber dafür traten viele Legionen Engel aus den Himmeln zu Mir und bedienten Mich. 24. Mit dem nahm Ich denn auch Abschied von der Wüste, nahm zuvor schon etwelche Jünger zu Mir und ließ Mich darauf denn auch von Johannes im Flusse Jordan taufen. Von da an nahm Ich dann die andern Jünger, die zumeist Fischer waren, auf und reiste mit ihnen von Ort zu Ort. 25. Und mit dem hast du, Freund Philopold, nun denn auch das, was dir abgegangen ist. So Meine alten Jünger sich das auch aufzeichnen wollen, da können sie das auch tun.“ – 26. Mein Matthäus hatte sich das auch noch in Kis aufgezeichnet, weil er im Schreiben fertiger war als die andern Jünger, die des Schreibens kundig waren. Kapitel 135 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 Der Herr in Jesaira 135. — Die Abreise von Kis nach Jesaira 1. Als das alles bald und leicht beendet war, war das Mittagsmahl auch bereitet. Wir nahmen es zu uns und schickten uns darauf gleich zur Abreise an. Kisjona, Maria, Joel und Philopold aber wollten Mich begleiten bis an den Ort, den Ich zunächst zu besuchen willens wäre. 2. Und Ich sagte: „So wollen wir zu Schiff nach Jesaira hinsteuern! Was dort zu geschehen hat, das werden wir aus dem freien Willen der dortigen Menschen ersehen. Und nun machen wir uns auf die Abreise!“ 3. Darauf gingen wir, begleitet von allen Hausleuten Kisjonas, ans Ufer, bestiegen zwei Schiffe und fuhren mit gutem Wind, der den Schiffern das ermüdende Rudern sehr erleichterte, nach Jesaira hin, welchen Ort wir nach ein paar Stunden erreichten. 4. Als wir ans Ufer gestiegen waren, da sagte Kisjona zu Mir: „O Herr und Meister, wie es mir vorkommt, so hast Du bei dieser Gelegenheit doch den einen, noch immer sehr weltlich gesinnten Jünger Judas Ischariot verloren! Denn als er fortging, fragte er Dich, wie lange Du bei mir verweilen werdest, auf daß er rechtzeitig wieder zurückkäme; aber er kam nicht, weil er vielleicht irgendein vorteilhaftes Geldgeschäft Dir vorzog?“ 5. Sagte Ich: „Letzteres ist wohl der Fall, aber er wird uns bald nachkommen. Denn er kam nahezu um eine Stunde später nach Kis, als wir abgefahren sind, und erfuhr, wohin wir gezogen sind, mietete sogleich ein Schiff und wird uns, ehe eine Stunde verrinnen wird, hier einholen. So er aber kommen wird, da machet nicht viel Aufhebens mit ihm, obschon er euch eine Menge wird erzählen wollen. Saget ihm: ,Erspare dir ein unnötiges Reden; denn der Herr weiß um alles!‘ Und er wird dann bald verstummen.“ 6. Als Ich solches dem Kisjona angesagt hatte, da wurden alle Meine Jünger beinahe unwillig und sagten: „Aber so können wir den lästigen Menschen doch nimmer loswerden!“ 7. Sagte Ich: „Was Ich ertrage, das ertraget auch ihr! In dieser Welt geht es einmal nicht anders! Der Leib ist der Seele auch eine große und sie oft sehr drückende Bürde; aber sie muß ihn doch ertragen, wenn er, besonders im höheren Alter, noch so gebrechlich wird. 8. Sehet an einen noch so sorgfältig gepflegten Weizenacker, ob ihr unter dem Weizen durchaus kein Unkraut finden werdet. Mußte Ich den ersten Versucher in der Wüste ertragen – und erst, als er von Mir völlig wich, traten Engel zu Mir und stärkten Meinen Leib –, also müssen wir nun am Ende Meiner Erdenzeit den zweiten Versucher ertragen. 9. Ich habe es euch ja schon einmal bei einer Gelegenheit klar gesagt, wie einer von euch ein Teufel ist, und ihr habt es in euch wohl begriffen, welchen Ich gemeint habe. Aber deshalb sagte Ich zu ihm doch niemals, daß er gehen solle; denn auch der Teufel hat seinen freien Willen, der ihm nicht genommen wird. Will er mit uns ziehen, so ziehe er mit uns; will er aber wegbleiben, so bleibe er auch weg. Wir aber wollen ihn, ob er geht oder bleibt, nicht mit scheelen Augen ansehen.“ 10. Die Jünger alle beherzigten diese Meine Worte, und wir begaben uns in das Dorf, und zwar zu jenem Wirte, bei dem Ich schon einmal eingekehrt war. 11. Als wir uns dem Hause nahten, ersahen und erkannten uns alsbald der Wirt, sein Weib und seine Kinder, und eilten uns entgegen mit großer Freude. 12. Als der Wirt vollends zu Mir kam, verneigte er sich tief vor Mir und sagte: „O Du lieber Herr und Meister, wie oft doch habe ich schon nach Dir gefragt und geseufzt und wie oft den sehnlichsten Wunsch gehabt, Dich in meinem Leben als das größte Heil aller biederen Menschen nur noch einmal zu sehen, zu sprechen und in Meinem Hause zu beherbergen; aber es wollte mir solch eine höchste Gnade von Dir nicht zuteil werden. Wie groß nun meine Freude ist darob, daß Du Mich dieser Gnade doch endlich einmal gewürdigt hast, das kann ich mit Worten nicht dartun! Aber da Du, o liebster Herr und Meister, zu mir gekommen, so wirst Du doch auch etliche Tage bei mir verweilen wollen? Ich will ja gerne alles aufbieten, um Dir und allen Deinen sicher überseligen Freunden den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen!“ 13. Sagte Ich: „Freund, wo Ich Herzen finde wie bei dir, da verweile Ich gern, – dessen kannst du völlig versichert sein; kann Ich aber schon nicht mit Meinem Leibe stets an einem Orte verweilen, so bleibe Ich aber dennoch mit Meinem Geiste stets bei solchen Menschen, die Mich also lieben, wie du Mich liebst! Aber heute und morgen werde Ich dennoch auch mit dem Leibe bei dir bleiben. Aber übermorgen früh muß Ich dennoch weiterziehen; denn es gibt noch viele, die auf Mich harren, daß Ich ihnen helfe. Aber nun lasse für uns alle ein ganz mäßiges Nachtmahl richten, – wozu es aber noch keine Eile hat, da die Sonne noch ziemlich hoch über dem Horizonte steht!“ 14. Auf diese Meine Worte sagte der Wirt sogleich dem Weibe, was sie zu tun habe. 15. Und das Weib dankte Mir für diesen Auftrag, bat Mich aber, ob sie Maria, die das Weib schon lange wohl kannte, sogleich mit ins Haus führen dürfe, weil sie sich gerne über verschiedenes mit ihr besprechen möchte, indem sie schon lange nicht mehr das Glück gehabt habe, die würdigste der Mütter zu sehen und zu sprechen. 16. Und Ich sagte: „Liebes Weib, auch die Mutter hat ihren freien Willen, und Ich kann zu ihr nicht sagen: ,Tue das, oder tue jenes!‘ – So sie will, kann sie dir schon die Freude machen; denn was sie tut, ist stets wohlgetan, und Ich habe stets eine größte Freude an dem, was sie will, und was sie tut.“ 17. Darauf trat das Weib zu Maria und bat sie, ihr diese Freude zu machen, und Maria ging alsbald mit dem Weibe ins Haus und half ihr sorgen für die Bereitung eines besten Nachtmahles. 18. Wir aber lagerten uns noch nahe dem Ufer im Grase und sahen einigen Fischern zu, wie sie sich abmühten, Fische zu fangen, aber beinahe keine in ihr Netz bekamen. 19. Kisjona bemerkte das auch und sagte zu Mir: „O Herr und Meister, geradeso mag es vorvorgestern, oder eigentlich am Vorsabbat, und gestern als am Nachsabbat unsern Fischern ergangen sein, bis endlich Deine Gnade zu ihnen kam und ihre Netze mit Fischen füllte!“ 20. Sagte der Wirt: „Ich habe deinen Fischern, lieber, alter Freund, zugesehen und sie auch recht von Herzen bedauert. Aber es kamen endlich drei wunderliebe Jünglinge ans Ufer, und zwar gerade an der Stelle, und verlangten in ein Schiff zu steigen. Da fuhr ein dem Ufer nächststehendes Schiff ans Ufer, nahm die Jünglinge auf und fuhr wieder zu den andern Schiffen. Da aber hießen die drei Jünglinge die Fischer ihre Netze noch einmal ins Wasser senken, und der Erfolg davon war vollends wunderbar. Nun wären für diese Fischer wieder derlei sonderbare Jünglinge eine wünschenswerte Erscheinung! Aber ob die Jünglinge mit deinen Fischern, Freund Kisjona, nach Kis gefahren sind, oder ob sie wie ein Traum verschwunden sind, das weiß ich dir nicht zu sagen. Ich wenigstens habe nach dem Fischfange keinen auf einem oder dem andern Schiffe mehr gesehen. Wer etwa doch die drei Jungen mögen gewesen sein?“ 21. Sagte Kisjona: „Mein Freund, wo der Herr persönlich gegenwärtig ist, da sind auch Seine himmlischen, mit aller Macht ausgerüsteten Diener nicht ferne! Die drei Jungen waren auch gestern von frühmorgens bis zum Untergange der Sonne bei mir im Hause und haben die Jünger des Herrn und auch andere Menschen, die zu mir gekommen sind und eines guten Willens waren, in allerlei Dingen belehrt. Als sie am Abend sich aber plötzlich bei uns entfernten, da hast du sie sicher auch schon im selben Augenblick hier gesehen, wie sie meinen Fischern zu dem reichen Fange behilflich waren. Und das alles wollte der Herr also! Denn ohne Seinen Willen kann dir kein Haar gekrümmt werden und kein Sperling vom Dache sich erheben und hinwegfliegen.“ 22. Sagte der Wirt: „Du hast mir nun aus der Seele geredet! Als Ich gestern daheim von den drei Jungen meinen Leuten erzählte, da sagten beinahe alle einstimmig: ,Wenn hie und da seltene Dinge sich zu ereignen und zuzutragen anfangen, dann steht uns eine baldige Heimsuchung des Herrn bevor. Gebe Er uns die Gnade, daß Er uns Seiner Heimsuchung auch für würdig erachten möchte!‘ Und ich sagte am Ende: ,Amen, des Herrn Wille geschehe! Er komme, Er komme bald und erlöse uns von allem Übel!‘ Und siehe, da ist Er nun unter uns!“ 23. Hier fing der Wirt vor Freude an zu weinen und konnte eine Weile nicht reden. Ich aber stärkte ihn, worauf er wieder zu der natürlichen Gemütsruhe kam und wieder reden konnte. Kapitel 136 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 136. — Der Herr und der arme Fischer 1. Es bemerkten uns aber auch die armseligen Fischer, von denen einer in ein Boot stieg, zu uns herüberfuhr und uns besah, um zu erfahren, wer wir etwa wären. Als er den Wirt unter uns entdeckte, da dachte er sich, daß es seine Bekannten sein würden, forschte nicht weiter nach und wollte zu den Fischern wieder zurückfahren. 2. Ich aber sagte zu ihm: „Freund, komme du nur vollends zu uns herauf ans Land, und Ich werde dir etwas ganz Besonderes sagen!“ 3. Da kehrte der Bootsmann wieder um, stieß ans feste Ufer, band das Boot mit einem Strick an einen Uferstock, begab sich festen Mutes zu Mir und fragte Mich, sagend: „Guter Mann, da bin ich! Was ist es denn, das du mir als etwas Besonderes künden willst? Rede, denn lange zu warten habe ich nicht Zeit, da der Tag schon auf die Neige geht und wir den ganzen Tag hindurch noch wenig Fische gefangen haben!“ 4. Sagte Ich: „So du an Mich glaubtest, da könnte Ich dir und deinen Gefährten zu einem reichen Fange verhelfen! Aber dann solltest du am Morgen zu Mir kommen und Mir nachfolgen!“ 5. Sagte der Fischer: „Guter Mann, wie sollte ich nun an dich und was von dir glauben? Kann ich mich doch nicht entsinnen, dich jemals irgendwo gesehen zu haben, weiß daher auch nicht, wer du bist. Gib du dich mir zuvor bekannt, und ich werde dir glauben. Ob ich aber am Morgen zu dir kommen und dir dann nachfolgen werde, wohin du ziehen wirst, das steht nicht bei mir, sondern bei denen, für deren Lebensunterhalt ich zu sorgen habe. Also, was ist es nun, was soll ich von dir glauben?“ 6. Sagte Ich: „Hast du von dem Manne noch nichts reden hören, der in Nazareth aufgestanden ist und nun allen Menschen das ewige Gottesreich überbringt und aus eigener Macht auch allen jenen gibt, die an Ihn glauben und Seine Lehre als ein reinstes und lebendigstes Gotteswort annehmen wollen?“ 7. Sagte der Bootsmann: „Guter Mann, von dem großen Heilande Jesus aus Nazareth habe ich wohl schon gar vieles gehört und glaube auch an Ihn, obschon ich Ihn noch niemals irgendwo gesehen habe! Bist du es etwa, da sage es mir, und ich will vor dir niederfallen und dich anbeten; denn mit jenem Heilande ist Gott der Herr wie in einer Person sichtbar vereint, wie ich solches also vernommen habe von solchen Menschen, die mit Ihm zu tun hatten und auch Seine Jünger geworden sind.“ 8. Sagte Ich: „So du also an den Jesus aus Nazareth glaubest, daß in Ihm wohne die Fülle des Geistes Gottes körperlich, da kehre du nun zu deinen Fischern getrost zurück, und werfet noch einmal euer Netz ins Wasser; und so ihr einen reichsten Fang werdet gemacht haben, dann wird dir schon ein Licht in dir aufgehen, aus dem du leicht erkennen wirst, wer Ich bin, und du wirst noch heute zu Mir kommen und dich von Mir mit dem Geiste der Wahrheit und des Lebens taufen lassen. Doch nun forsche nicht weiter, sondern tue, was Ich dir angeraten habe!“ 9. Auf das verneigte sich der Fischer vor Mir, bestieg schnell sein Boot, fuhr behende zu seinen Gefährten, die sich schon dazu anzuschicken anfingen, ihre Netze einzuziehen, zurück und sagte ihnen, was Ich ihm angeraten habe. 10. Da schrien alle laut, so daß wir es am Ufer wohl vernehmen konnten: „Heil Dem, der dir den Rat erteilt hat! Er ist es Selbst, an den wir glauben! Was Er dir riet, das wollen wir tun! Hosianna dem hohen Sohne Davids, der zu unserer Rettung gekommen ist im Namen des Herrn! Und nun Glück auf in Seinem Namen, – werfen wir die Netze aus!“ 11. Da warfen sie die Netze aus, und diese füllten sich in wenigen Augenblicken mit so vielen Fischen, daß die Netze dieselben kaum fassen konnten, und es hatten die Fischer, bei zwanzig an der Zahl, über eine Stunde zu tun, bis sie alle Fische aus den Netzen in die Lägel überheben konnten. 12. Als sie mit der Arbeit fertig waren, da fingen sie an zu jubeln und priesen Gott, der Seinen Namen in dem Sohne Davids so sehr verherrlicht hatte, und fuhren mit dem reichen Fange ihrem dem Orte Jesaira nahe gelegenen kleinen Dorfe zu. 13. Als sie mit ihrer reichen Beute daheim anlangten und ihre Angehörigen ersahen, mit welch einer großen Menge von Fischen sie nach Hause gekommen waren, da gab es des Verwunderns kein Ende. Und die Angehörigen sagten: „Höret, so viele und zumeist lauter edle Fische habt ihr selbst in der allergünstigsten Zeit noch niemals gefangen! Da muß an euch von irgendeinem frommen, Gott überaus wohlgefälligen Menschen, wie es deren nun mehrere geben soll, seit der große Heiland aus Nazareth umherzieht und mit göttlicher Kraft und Stimme den Menschen die Wahrheit lehrt, ein Wunder ausgeübt worden sein!“ 14. Und die Fischer gaben da ihren Angehörigen recht und erzählten ihnen, wie es zugegangen sei; und die Angehörigen fingen darauf auch an, Gott zu loben und zu preisen, daß Er einem Menschen solche Macht gegeben hatte. 15. Der Fischer aber, der zuvor in einem Boot zu uns ans Land gekommen war, sagte: „Höret, dieser Mensch Jesus aus Nazareth ist aber nicht wie irgendein Prophet, der nur das reden und tun kann, was ihm von Gottes Geiste gegeben und zugelassen wird, sondern Er ist einer, in dem die Fülle des Geistes und der Kraft und Macht Gottes wohnt körperlich; denn Er spricht nicht den Propheten gleich: ,Der Herr hat zu mir geredet: ,Tue deinen Mund auf und verkünde dem Volke Meinen Willen und rede also zu denen, die Meiner vergessen haben, – und da tue dies und jenes!‘‘ Denn unser Jesus spricht: ,Ich bin der Herr, und ihr alle seid Brüder, und es soll sich keiner über den andern erheben!‘ Und zu den Kranken sagt Er: ,Ich will es, – sei geheilt!‘, und der Kranke wird geheilt in einem Augenblick. Der blind war, sieht klarer denn ein Aar, und der lahm war, springt wie ein Hirsch. Und spricht Er zu einem Toten: ,Stehe auf und wandle!‘, so richtet sich der Tote auf voll neuen Lebens und wandelt voll Heiterkeit und frohen Mutes. 16. Und seht, das und vieles mehr noch bezeugen nun Tausende, die das mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört haben, und ich glaube darum, daß in dem Menschen Jesus aus Nazareth die Fülle des Geistes Gottes wohnt körperlich; aber viele Tausende und abermals Tausende stoßen sich an Seiner sichtbaren Menschheit und heißen Ihn einen großen Propheten aus dem Stamme Davids, der Ihn im Geiste doch selbst seinen Herrn nannte! 17. So es aber in der Schrift heißt, daß Gott den Menschen nach Seinem Ebenbilde erschaffen hat und Abraham Gott in der Gestalt eines Mannes sah, wie auch Jakob-Israel, wie sollte sich denn nun ein Mensch an der vollen Mannesgestalt des Herrn Jesus aus Nazareth stoßen und nicht völlig glauben, daß in Ihm ganz derselbe Herr wohnt, der auf Sinai Moses berief und ihm für Israel die Gesetze gab?! 18. Da ich aber vollends ungezweifelt glaube, daß es sich mit Jesus aus Nazareth also verhält, so werde ich nun ungesäumt mich aufmachen und eiligen Schrittes nach Jesaira wandeln, wo Er Sich nun persönlich aufhält bei dem Wirte, der euch allen wegen seiner Rechtschaffenheit nur zu wohl bekannt ist. Da will ich zum ersten Male persönlich Ihn noch näher kennenlernen; und so ich wiederkommen werde, da werde ich euch nichts verheimlichen.“ 19. Sagten noch einige Fischer: „Auch wir wollen Ihn persönlich kennenlernen, – und da wir vom Schiffe aus Ihm mit lautem Rufen das Wort gegeben haben, noch heute abend, statt morgen in der Frühe, auch zu Ihm zu kommen, so gehen auch wir mit dir nach Jesaira hin! Nehmen wir aber etliche der schönsten und besten Edelfische mit, die der Wirt für den Herrn bereiten soll!“ 20. Dies gefiel allen, und zwölf Fischer, ein jeder mit drei Fischen beschwert, machten sich gleich nach dem vollen Untergange der Sonne in der ersten Dämmerung auf und kamen denn auch leicht und bald nach Jesaira zu uns. Kapitel 137 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 137. — Die Betrachtungen am Abend 1. Als sie bei uns ankamen, waren wir noch im Freien, wo wir uns unterdessen über verschiedene Dinge besprochen hatten. 2. Der Bootsmann trat zuerst vor Mich hin, verneigte sich tief und sagte: „O Herr und Meister, vergib es meiner großen Blindheit, daß ich Dich, als Du mich gnädigst ans Ufer zu kommen beriefst, als ich umkehren wollte, nicht alsogleich erkannt habe! Dann vergib mir es auch, daß ich mit etlichen meiner Gefährten schon heute abend und nicht erst morgen in der Frühe, wie Du mich berufen hattest, gekommen bin! Und endlich nimm es uns armen Fischern nicht ungütig auf, daß wir uns nach dem Drange unserer Herzen die Freiheit genommen, für Dich von Deinem großen Segen, den Du uns in dem reichen Fischfange sichtbar erteilt hast, ein freilich nur ganz kleines Opfer darzubringen. Siehe hier die kostbarsten Fische dieses Meeres!“ 3. Sagte Ich: „Ich habe wohl ein viel größeres Wohlgefallen an euren Herzen denn an den Fischen, die ihr Mir hier zum Opfer gebracht habt; aber wo das Herz mit dem Opfer vereint ist, da ist Mir auch das Opfer angenehm, – und so wollen wir diese Fische an diesem Abende miteinander verzehren. Gebet sie dem Wirte, und er wird schon wissen, wie sie zu bereiten sind!“ 4. Hierauf berief der Wirt sogleich einige seiner Diener und ließ die Fische in die Küche bringen, über die sich des Wirtes Weib nicht genugsam verwundern konnte. Es sind ihr diese sechsunddreißig Fische auch darum sehr willkommen zugekommen, weil sie in ihren Behältern keine so großen und edlen Fische besaß. Auch die in der Küche mitbeschäftigte Maria hatte eine große Freude an dieser ganz unerwarteten Spende. 5. Wir aber hatten uns denn auch vom Rasen aufgerichtet und begaben uns auf einen schönen und geräumigen Söller, der sich auf einem kleinen Hügel am See befand, von dem man eine recht herrliche Aussicht über das Meer und auch über die umliegenden Landschaften genoß. 6. Es war nun freilich schon etwas spät am Abend, aber es tat das nichts zur Sache; denn da der Mond sich schon zu drei Vierteilen im Volllichte befand und die Spätdämmerung doch auch noch wirkte, so war die mehr ruhevolle Aussicht noch immer recht wundersam schön zu nennen, und alle lobten den guten Sinn des Wirtes, der auf unserem kleinen Hügel solch einen schönen und geräumigen Söller hatte erbauen lassen. 7. Auf diesem Söller betrachteten alle eine Weile die stets ruhiger werdende Natur, und der Bootsmann machte die ganz gute Bemerkung hinzu, sagend: „Wenn der Seelenabend beim Menschen, der einmal in die Lebensjahre geraten ist, von denen er sagt, daß sie ihm nicht gefallen, auch diesem Naturabende gliche, so würde er auch sicher ein Wohlgefallen an ihm haben. Aber das ist beinahe schon gar nie der Fall; denn entweder verlebt der Mensch seine alten Tage in allerlei Kummer, Sorgen, Schwächen, Krankheiten und in der stets zunehmenden Furcht vor dem sicheren Tode des Leibes – für welche Furcht ihm sein schwacher Glaube und die noch schwächere Hoffnung auf ein Fortleben der Seele in irgendeinem Jenseits, das bis jetzt noch niemand der vollen Wahrheit nach kennt, eine höchst matte Bürgschaft bieten –, oder ein Mensch, dem es sein Vermögen erlaubt, stürzt sich in seinen alten Tagen erst so recht mit aller Gier auf allerlei weltliche Vergnügungen, um sich nur die ihm über alles lästige Furcht und Angst vor dem Tode zu verscheuchen. Und haben ihn aber dann dennoch Krankheiten, gegen die kein heilend Kräutlein gewachsen ist, ergriffen, und hat er sein nahes Ende mit Händen zu greifen klar vor sich, so stürmt es in seiner Seele um so gewaltiger, und so ist der Seelenabend des alten Menschen wohl höchst selten, und in unseren Zeiten beinahe schon gar nicht, mit diesem wahrlich wunderherrlichen Naturabend zu vergleichen. O Du lieber Herr und Meister, sage es uns doch, ob es bei den Menschen stets also verbleiben wird!“ 8. Sagte Ich: „Um den Menschen einen ruhigen Seelenabend zu verschaffen, bin Ich Selbst als der Herr über Leben und Tod in diese Welt gekommen. Wer an Mich glaubt und nach Meiner Lehre allzeit lebt und handelt und dadurch das wahre Reich Gottes in sich sucht, wo er es auch ungezweifelt sicher finden wird, dessen Seelenabend auf dieser Erde wird auch ein noch um vieles ruhigerer und herrlicherer werden, als da vor uns zu sehen und zu fühlen ist dieser heutige Naturabend. 9. Warum ist denn bei den Menschen ihr Seelenabend so oft ein höchst stürmischer und elender geworden? Weil sich die Menschen von Gott, dem Urquell alles Seins und Lebens und alles Lichtes und aller Wahrheit beinahe völlig entfernt und dafür ihr ganzes Sinnen und Trachten der Welt und ihrer im Gerichte und Tode gehaltenen Materie zugewandt haben. 10. So sich die Menschen gleich euch von der Welt völlig wieder abwenden und zu Mir im vollen Glauben und in aller Liebe wieder zurückkehren werden, dann werden sie in Mir den ruhe- und seligkeitsvollen Seelenabend finden; ohne dieses aber wird in der Folge der Seelenabend bei den Menschen noch stürmischer und erschrecklicher werden, als er bisher von jemand ist erlebt und empfunden worden. Denn von nun an werden die Menschen nicht mehr sagen können: ,Wer hat Gott je gesehen und mit Ihm geredet, und wer bürgt uns für die volle Wahrheit dessen, was in der Schrift geschrieben steht?‘; denn Ich Selbst als der Herr rede nun für jedermann wohl erkennbar und sichtbar zu den Menschen und zeige ihnen als die ewige Grundwahrheit aller Wahrheit die Wahrheit des Lebens. Wer diese in sich aufgenommen hat, der wird vor des Leibes Tode wahrlich keine Furcht mehr haben; denn er wird den Tod weder sehen noch fühlen, und müßte er hundert Male dem Leibe nach sterben.“ 11. Sagte der recht weise Bootsmann: „O Du lieber Herr und Meister, wir danken Dir aus unserem tiefsten Lebensgrunde für diese Deine unsere Herzen gar überaus tröstende Belehrung! An Dich glauben wir, auf Dich hoffen wir, und Dich wollen und werden wir auch über alles lieben. Aber da ich nun einmal schon im Reden bin, so erlaube Du, o Herr und Meister, es mir gnädigst, Dich noch mit einer Frage zu belästigen!“ 12. Sagte Ich: „Freund, Ich weiß es wohl, was es ist, darum du Mich nun noch fragen willst; aber stelle du an Mich deine Frage dessenungeachtet, der andern wegen, nur laut, offen und frei, auf daß auch sie es vernehmen und auch erkennen mögen, um was es sich handelt!“ Kapitel 138 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 138. — Vom Verkehr mit guten Geistern 1. Sagte darauf der Bootsmann: „O lieber Herr und Meister, warum wird es denn nicht zugelassen, daß die Seelen der Verstorbenen wenigstens zu ihren Verwandten – besonders dann, so diese in der Gefahr stehen, von der Welt verschlungen zu werden – in sichtbarer Gestalt kämen und sie vor der Welt warnten und ihnen das Jenseits zeigten, wodurch dann doch der Glaube an das Fortleben der Seele nach des Leibes Tode bei den Menschen ein wahrer, fester und auf Selbsterfahrung begründeter verbliebe und durch ihn dann auch leichter und sicherer an einen Gott, den denn doch nicht, so wie wir nun, ein jeder Mensch zu jeder Zeit sehen und sprechen kann? 2. Was nützt es am Ende, dem Menschen von einem künftigen Leben der Seele nach des Leibes Tode zu predigen, so man ihm davon keine wirkliche Überzeugung verschaffen kann? 3. Die Priester, die selbst gar wenig oder auch wohl zumeist gar nichts glauben, haben darum schon seit langem zu allerlei Trugkünsten ihre Zuflucht genommen, um das gemeine, blinde Volk darum in einem wahren Aberglauben zu erhalten, damit es nur für sie arbeite und ihnen allerlei Opfer bringe, auf daß sie sich ohne alle irgend beschwerliche Mühe mästen können. Erschiene dem Volke stets ein schon Hinübergegangener und belehrte es über den wahren Sachverhalt, so würde das Priestervolk mit seinen Betrügereien sicher keinen Aberglauben im Volke gründen und ihn erhalten können!“ 4. Sagte Ich: „Freund, das, was du in deiner Meinung als bestehen sollend wünschest, das ist bei jedem Volke, solange es nach dem allzeit treu geoffenbarten Willen Gottes lebte, immer der Fall gewesen! Aber als die Menschen sich nach und nach von den Gelüsten der Welt und ihres Fleisches zu sehr gefangennehmen ließen, da verfinsterte sich auch ihre geistige Sehe, und die Menschen fingen an, die Ermahnungen aus dem Jenseits zu verachten, zu fürchten und zu fliehen, und verloren denn auch die Fähigkeit, im Wachzustande mit den im großen Jenseits fortlebenden und -wirkenden Seelen zu verkehren; nur in einem hellen Traume wurden bessere Menschen von seligeren Bewohnern des Jenseits besucht und belehrt, und das zum Teil für ihre eigene Person und zum Teil auch für andere Menschen, die sich irgend am Rande eines zu tiefen Verderbensabgrundes befanden und dadurch auch zumeist gerettet wurden. 5. Gehe du aber hin zu einem rechten Weltmenschen, und sage ihm, daß dir dieser und jener Geist erschienen ist und zu dir dies und jenes gesprochen hat, – meinst du wohl, der Weltmensch wird dir das glauben? Oh, mitnichten, – verlachen wird er dich und für einen Narren und dummen Schwärmer erklären. 6. Als auf dem Sinai dem Moses die Gesetze unter allen Zeichen Meiner vollen Gegenwart gegeben wurden, da tanzte das Volk im Tale um ein goldenes Kalb. Warum achtete es denn Meiner nicht? Siehe, das bewirkte der Weltsinn! Nun bin Ich sichtbar handelnd Selbst in dieser Welt, – warum glaubt das Weltvolk denn nicht an Mich? Siehe, das bewirkt wieder dessen Weltsinn! Und dieser böse Sinn treibt die Priester sogar also an, daß sie Mich verfolgen, ja Mich wie einen gemeinsten Verbrecher sogar ergreifen und töten wollen, wie sie das schon mehrere Male versucht haben! 7. Ist dem Zacharias nicht wie allen, die im Tempel waren, sicht- und vernehmbar ein Engel erschienen, als eben Zacharias im Tempel opferte und betete? Und er ward darum erwürgt von den weltsüchtigen Pharisäern! Und so ging es gar vielen Weisen und Propheten, die dem Weltsinne der Menschen entgegentraten mit der lichtvollsten Wahrheit. 8. Was du in deiner Frage als einen lobenswerten Wunsch ausgedrückt hast, das ist auch allzeit zugelassen worden, und die einfachen und in ihren Sitten noch reinen und unverdorbenen Menschen der Urzeit sind in allen Dingen ja nur von den reinen Geistern belehrt worden, da sie im beständigen Verkehre mit ihnen standen. Die Geister zeigten den Menschen, die Metalle aus der Erde zu graben und aus ihnen mit Hilfe des Feuers, das zu erzeugen die Geister sie auch lehrten, allerlei nützliche Werkzeuge und Gerätschaften zu machen. Denn von wem anders hätten die an Verständnis den Kindern völlig gleichenden ersten Menschen alles das erlernen sollen als von jenen weisheitsvollen Wesen, denen alles klar ist aus dem Lichte Gottes in ihnen? 9. Wem das nicht klar ist, der stelle sich nur ein neugeborenes Kind vor, das von seinen Eltern nur des Leibes Pflege, aber nicht irgendeinen geringsten Anschein von einer Erziehung bekäme, weder von den Eltern noch von irgendeinem andern Menschen. Es wird so wohl aufwachsen, aber im Gebrauche seiner Glieder sogar um vieles dümmer sein als ein von Natur blödestes Tier. 10. Denke dir nun aber irgendein abseitiges Land auf dieser Erde, das da bevölkert wäre mit derlei unterrichts- und erziehungslosen Menschen! Sie werden in tausend Jahren aus sich selbst zu beinahe gar keinem Verstande gelangen und nicht einmal irgend eine andere Sprache haben als die Tiere der Wälder und Wüsten, wie es derlei Menschen in dieser Zeit auf der Erde auch gibt und noch lange hin geben wird zu einem Beweise dessen, daß ein Mensch ohne Erziehung und Belehrung aus sich nichts erkennen und erfinden kann. 11. So aber die Menschen nun mit allerlei Kenntnissen und Künsten versehen sind – die sie nun freilich voneinander lernen –, da muß es ja doch auch, nach der Vernunft geschlossen, wahr sein, daß sie zum wenigsten in den Anfangsgründen von höheren und in allem verständigen Geistern unterrichtet worden sein müssen. 12. Ja, die ersten Menschen, die auch ,die Kinder Gottes‘ genannt wurden, sind denn im Anfange in allem aus den Himmeln unterrichtet worden. Aber die Menschen wurden gewahr, daß sie weise und verständig geworden, und wurden darum eitel, einbilderisch (eingebildet) und hochmütig und dadurch auch stets mehr weltsinnig und selbstsüchtig. Sie benötigten des Unterrichtes aus den Himmeln nicht mehr und fingen an, sich dessen sogar zu schämen, und wurden dem feind, der sie daran erinnerte. 13. Sie errichteten selbst Schulen und bestellten sie mit allerlei Lehrern und Priestern, die nach und nach stets mehr und mehr nur auf ihren Weltvorteil bedacht zu werden begannen denn auf den des Volkes, das in seiner Verblendung sie für eine Art Götter zu halten und zu verehren anfing und sie nun noch allerhäufigst also verehrt. 14. So das vor aller Welt Augen nun geschieht und der Weltmensch an nichts Reingeistiges mehr glaubt, ist es dann zu verwundern, daß die reinen Geister sich stets seltener bei den weltsinnigen Menschen einfinden? O Freund, die Zulassung ist noch immer die alte, – nur die Menschen sind nicht jene alten, die mit den reinen Geistern der Himmel im steten Verkehr gestanden sind! 15. Werden die Menschen nach Meiner Lehre wieder rein und geistig, so werden sie auch wieder in einen näheren Verband und Verkehr mit den Geistern oder Seelen von dieser Erde abgeschiedener Menschen treten; den weltsinnigen Menschen aber kann ein solcher Verkehr ja ohnehin nichts nützen, da sie an ihn nicht glauben und ihn für die Torheit eines Menschen erklären, der es wagt, sie an die Möglichkeit desselben zu erinnern. 16. Du selbst aber hast derlei Gesichte und Erscheinungen schon zu mehreren Malen gehabt; haben sie dir aber etwas genützt? Du sagst es in dir: ,Sehr wenig; denn ich selbst glaubte nicht, daß daran etwas Wirkliches und Wahres gewesen wäre, und hielt, den andern Weltmenschen gleich, derlei für die Wirkung einer lebhaften Einbildung und für eine Ausgeburt meiner Phantasie.‘ 17. So du selbst aber über derlei Vorkommnisse also urteiltest, der du doch ein reinerer Mensch bist, wie sollen darüber dann erst ganz verkehrte und durch und durch weltsinnige Menschen urteilen? 18. Es ist demnach von solchen Menschen höchst unsinnig, zu sagen: ,Ja, so zum Beispiel mein verstorbener Vater als ein sichtbarer Geist zurückkäme und mir sagte: ,Siehe, so und so ist es!‘, so würde ich das glauben!‘ Nun kommt aber der Geist des Vaters entweder am Tage oder in der Nacht in einem hellen Traume und belehrt den Sohn. Der Sohn aber hält dann sein Gesicht für ein Produkt seiner eigenen Phantasie und glaubt danach oft noch weniger denn zuvor. Wozu war dann die verlangte Erscheinung des Vaters vom Jenseits herüber gut und dienlich? 19. So denn nun die Menschen zum allergrößten Teil beim Abscheiden von dieser Welt einen sehr stürmischen und mit allen Zweifeln durchmengten Seelenabend zu bestehen haben, so schuldet niemand daran als nur sie selbst. – Wenn du, Freund, dieses verstanden hast, so wirst du Mir auch sicher mit keiner solchen Frage mehr kommen!“ 20. Nach dieser Meiner Rede dankten Mir alle für diese wahre und für jedermann leichtfaßliche Aufklärung über diesen Sachverhalt. Kapitel 139 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 139. — Erklärungen des Herrn über den Planeten Mars 1. Wir betrachteten darauf noch eine Weile die Gegend, und unser Bootsmann, der besonders scharfe Augen hatte, ersah in einiger Ferne ein Schiff unserem Orte zusteuern und fragte mich, sagend: „O Herr und Meister, wen mag dieses Schiff am späten Abend wohl nach diesem Orte bringen?“ 2. Sagte Ich: „Es bringt einen Meiner Jünger. Aber redet nicht viel mit ihm, so er zu uns kommen wird; denn er ist auch einer, dem ein Pfund gelber Erde, das man Gold nennt, lieber ist denn der ganze Himmel mit den Schätzen des Geistes und des ewigen Lebens!“ 3. Die Jünger verstanden Mich, und auch unser Kisjona und Philopold; doch der Wirt und die zwölf Fischer verstanden das nicht völlig, was Ich damit hatte andeuten wollen. Aber es fragte Mich niemand um etwas Weiteres, da nun auch ein Diener kam und uns die Nachricht brachte, daß das Abendmahl bereitet sei. 4. Wir erhoben uns denn auch sogleich von unseren Sitzen, die im Söller angebracht waren, und begaben uns ins Haus, allwo in einem sehr geräumigen Saale die Speisetische mit Brot, Wein und mit den bestbereiteten Fischen unser harrten. Wir setzten uns denn auch alsbald zu den Tischen und nahmen das Mahl zu uns. 5. Als wir uns gestärkt hatten mit Speise und Trank und uns über allerlei nützliche Dinge gegenseitig besprachen, daran auch Maria sehr lebhaft teilnahm, da kam denn auch unser Judas Ischariot zu uns in den Saal und fing an, sich vor Mir zu entschuldigen, daß er nicht eher hätte nachkommen können. 6. Sagte Ich: „Was kümmern Mich denn deine Weltgeschäfte! Weißt du denn noch immer nicht, warum Ich in diese Welt gekommen bin? Wer mit der Welt hält und sie liebt, der findet früher oder auch oft um etwas später, doch allzeit sicher den Lohn, den die Welt für ihre Freunde stets in Bereitschaft hat, und dieser Lohn heißt – Tod! 7. Mein Reich aber ist nicht von dieser Welt, und wer mit Mir es hält, dem wird nicht der Tod, sondern das ewige Leben in Meinem Reiche zum Lohne werden. Haben nicht die andern Meiner Jünger bis auf etliche wenige auch Weib und Kinder daheim, – und sie blieben dennoch bei Mir des Reiches Gottes wegen! Warum bist denn du zu deiner Familie gegangen, als wäre deine Sorge um sie mehr denn die Meine? Schreibe dir das in dein Weltherz!“ 8. Diese Meine Worte mundeten dem weltsinnigen Jünger zwar nicht am besten, aber er ermahnte sich dennoch und dankte Mir für die Zurechtweisung; und Ich bedeutete dem Wirte, daß er ihm an einem andern Tische etwas zu essen und zu trinken geben solle. Und der Wirt tat das alsbald, und der Jünger setzte sich und nahm Brot und Wein zu sich; Fische aber bekam er keine mehr, weil keine mehr vorrätig waren und der Jünger sich in Kis mit den Fischen vollgegessen hatte. 9. Wir saßen darauf ganz wohlgemut an unserem Tische, und Ich Selbst unterwies die zwölf Fischer in Meiner Lehre vom Reiche Gottes im Menschen und machte ihnen das alles aus der Schrift klar und wohlbegreiflich. 10. Als Ich Mich so bei zwei Stunden lang mit den zwölf Fischern beschäftigt hatte und Meine Belehrungen für diesen Tag und Abend schloß, da kam nahe außer Atem ein Diener des Hauses zu uns in den Saal und sagte: „Liebe Herren, ich hatte im Söller zu tun und sah nach der Gegend des Aufganges hin. Da entdeckte ich einen übergroßen Stern, der sich ganz nahe dem Horizont befindet. Sein Licht ist rot wie Blut, dabei aber so stark, daß man es nicht viele Augenblicke lang betrachten kann. Ich habe noch nie einen solchen Stern gesehen. Was wird dieser Stern wohl zu bedeuten haben? Der Herr Heiland aus Nazareth, dessen Weisheit die des Salomo übertreffen soll, wird die Bedeutung des Sternes sicher am besten zu erkennen vermögen.“ 11. Sagte Ich: „Mein lieber Freund, du bist noch nicht lange Diener in diesem Hause, da du den Herrn Heiland aus Nazareth noch nicht tiefer erkannt hast; aber weil du vorher längere Zeit Diener bei einem Pharisäer zu Kapernaum warst, so ist es auch begreiflich, daß du deinen Herrn Heiland aus Nazareth noch nicht tiefer kennest. Wo ist denn hernach dein Stern, der dich in eine so große Angst versetzt hat?“ 12. Sagte der Diener, nun etwas verlegen: „Ja, da müßten sich die Herren schon ein wenig hinaus ins Freie bemühen; denn von diesem Saale aus kann man ihn nicht sehen, da seine Fenster sich dem Aufgange gerade entgegengesetzt befinden.“ 13. Sagte Ich: „So gehen wir denn noch ein wenig ins Freie und wollen da sehen, welch ein Stern dich gar so sehr in Angst versetzt hat!“ 14. Darauf gingen wir ins Freie und ersahen auch sogleich den roten und großen Stern im Osten, der aber nun, weil er schon höher über dem Horizont sich befand, seine rote Farbe um ein bedeutendes geändert hatte, obwohl sein Licht recht ausnehmend stark war. 15. Ich fragte nun alle Anwesenden, die den Stern auch mit etwas scheuen Augen betrachteten: „Nun, was haltet denn ihr von diesem Stern? Kennet ihr ihn, oder kennet ihr ihn nicht? Dir, du Mein Jünger Andreas, sollte dieser Stern doch wahrlich nicht fremd sein, da du doch ein Sternkundiger bist.“ 16. Sagte Andreas: „Wahrlich, Herr und Meister, das Sternbild, in dem er steht, kenne ich wohl – es ist der Löwe, wie dieses Sternbild schon von alters her also benannt wird –, aber den Stern kenne ich nicht. Die Farbe wohl wäre ähnlich mit der des Planeten Mars, wie er von den Heiden benannt wird; aber die Größe stimmt mit dem benannten Planeten nicht überein. 17. Sagte Ich: „Und dennoch ist es eben jener Planet, den du soeben benannt hast. Daß er in diesem Jahre bei weitem größer erscheint als sonst gewöhnlich, rührt daher, weil er sich nun in der möglich größten Nähe der Erde befindet. Es ist euch aber die veränderbare Stellung der sämtlichen Planeten zur Sonne und auch unter sich viele Male bei tauglichen Gelegenheiten genau gezeigt und erklärt worden, und es ward euch gezeigt, wie sich die Planeten, je nachdem sie sich in einer oder der andern Stellung befinden, vermöge ihres Umschwungs um die Sonne gegenseitig um ein bedeutendes nähern und ebenso sich auch voneinander entfernen können, und noch begreift ihr derlei ganz natürliche Erscheinungen nicht und werdet dabei selbst ängstlichen Gemütes, das so in seiner Ängstlichkeit gar leicht für allerlei Aberglauben der Heiden aufnahmefähig wird. 18. Seht, dieser Planet befindet sich aus den euch bekanntgegebenen Gründen eben nun, wie schon bemerkt wurde, in der größten Erd- und auch Sonnennähe und sieht aus eben dem Grunde um ein bedeutendes größer aus als in seiner Erdferne, wie denn ein jeder Gegenstand sich in einer größeren Nähe auch sicher größer darstellt und zeigt denn in einer größeren Ferne. – Verstehet ihr nun das?“ 19. Sagte nun Andreas: „Herr und Meister, nun ist mir und sicher auch allen andern diese Sache schon wieder ganz klar, und wir werden uns künftighin bei ähnlichen Vorkommnissen nicht mehr ängstlichen Gemütes die Köpfe zerbrechen. 20. Aber weil uns schon gerade dieses Gestirn ins Freie herausgelockt hat, so möchte ich denn doch auch aus Deinem Munde nur ganz kurz angedeutet vernehmen, wie denn bei diesem Sterne die meisten uns bekannten Völker auf den Glauben gekommen sind, daß er, besonders so er sich, wie nun, wegen seiner Nähe dem Menschenauge größer zeigt, den Krieg unter den Völkern erwecke, darum er auch mit dem Namen des heidnischen Kriegsgottes belegt ist und viele Heiden ihn auch für den Kriegsgott selbst halten und ihn darum auch fürchten.“ 21. Sagte Ich: „Weißt du denn noch nicht, wie alle die über alle Maßen verschmitzten Priester jedes Volkes, das sie in seiner Blindheit, die auch ein Werk solcher Priester ist, für Diener und Freunde der Götter ansieht, alle außergewöhnlichen Erscheinungen – besonders am Himmel – dazu zu benutzen verstehen, um die Menschen in eine große Furcht und Angst zu versetzen, teils durch ihre Reden und teils durch andere Trugkünste, um sie dadurch zu großen Opfern und anderen Bußwerken zu zwingen? Siehe, auch das ist ein Werk der Priester, aus denen mit der Zeit zumeist auch die Könige der Erde hervorgegangen sind! 22. Dies Gestirn hat vermöge seiner starken Atmosphäre als Erdkörper eine etwas rötlichere Färbung als sonst ein Planet mit einer minder starken Atmosphäre, und seine bald größere, bald mindere Lichtstärke bei stets rötlichem Lichte brachte die Priester nur zu bald auf die Idee, ihn vor dem Volke als den Kriegsstern zu bestimmen. Wenn er größer zu sehen war, so wurde dem Volke von kommenden Kriegen gepredigt, und dieses fing an zu opfern. 23. Gab es aber unter dem Volke auch hie und da einen Menschen, der dem Volke sagte, daß die Priester es bei dieser Gelegenheit nur ausbeuten wollen und der Stern für sich ein ganz harmloser Planet sei, und das Volk glaubte dem weisen Manne und brachte den Priestern wenig oder gar keine Opfer, so verstanden sich die Priester ganz gut darauf, unter den Völkern Feindschaften zu stiften und sie zum Kriege zu entflammen. Es wurden dann diese auch mit der größten Erbitterung und Grausamkeit geführt. Da lief das Volk dann in Massen zu den Priestern in ihre Tempel und opferte den Göttern, um sie zu besänftigen. Hatten die Priester bei solchen argen Gelegenheiten einen großen Gewinn gemacht, dann suchten sie die Regenten wieder zu besänftigen, und der Krieg hatte dann bald wieder sein Ende erreicht. 24. Wenn du das nun verstanden hast, so wirst du nun wohl auch einsehen, wie unser Planet zu der Ehre des Gottes der Kriege gelangt ist. – Lassen wir nun dieses Gestirn und begeben uns wieder ins Haus und darin zur Ruhe!“ Kapitel 140 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 140. — Der mutige Bootsmann 1. Als wir uns wieder in unserem Saale befanden, da fragte Mich der Wirt, wo er für Mich ein gutes Ruhebett richten solle. 2. Ich aber sagte: „Sieh, Freund, wer da ein Bett haben will, dem gib auch eins; Ich aber werde auf Meinem Stuhle die Nacht hindurch ruhen. Deine Stühle taugen Mir zur Ruhe besser denn ein Bett.“ 3. Da Ich aber gleich auf Meinem Stuhle die Nachtruhe nahm, da wollten auch Meine Jünger keine Betten, sondern blieben, wie sonst zumeist, neben Mir auf den Stühlen sitzen. Nur Maria und Joel nahmen in einem Nebenzimmer zwei Betten. 4. Die zwölf Fischer aber gingen wieder in ihr nahes Dörfchen heim mit der Vornahme, am Morgen für Mich und Meine Jünger wieder – aber eine größere Menge – Fische herbeizuschaffen; denn sie wurden von Meinen Reden und Belehrungen über alle die Maßen erbaut und konnten sich vor lauter Dankgefühl beinahe gar nicht helfen. Den ganzen Weg bis in ihr Dörfchen jubelten sie laut über Mich und konnten daheim ihren Gefährten nicht genug erzählen, welche tiefen und reinst göttlichen Wahrheiten sie aus Meinem Munde vernommen hätten. Ihre Gefährten und Angehörigen aber fragten sie, ob Ich etwa auch noch welche Zeichen und Wunder gewirkt hätte. 5. Der Bootsmann aber sagte: „Was Zeichen, was Wunder! Des Herrn Wort und Lehre, als die ewige, lichtvollste und lebendigste Wahrheit aus Seinen ewigen Himmeln, ist schon an und für sich das größte Zeichen und Wunder; denn so wie Er spricht und lehrt, hat noch nie ein Mensch vor Ihm geredet und gesprochen und gelehrt. Ich werde von Ihm morgen noch gar vieles, was mir bis jetzt noch völlig unbekannt ist, kennenlernen; denn wer an Seiner Seite nicht weise und voll des ewigen Seelenlebens wird, der bleibt toter denn ein Mauerstein in Ewigkeit. 6. Ich aber werde es mir nun zu einer Hauptaufgabe meines Lebens machen, Seine Ehre, Seine Göttlichkeit und Seinen wahrhaft heiligsten Namen vor aller Welt laut zu bekennen; denn mich hat nun alle Furcht vor der Dummheit und Bosheit aller Weltmenschen gänzlich verlassen. Wer wird vor mir bestehen mit der Lüge, so ich ihm die Wahrheit wie einen brennenden Dornstrauch ins Gesicht schleudere also, wie einst der Hirte David dem Riesen Goliath den Stein in seine stolze Stirne schleuderte und ihn zu Boden warf? 7. Wehe dem heuchlerischen Pharisäer, der sich vornehmen sollte, mich eines andern zu belehren; ich werde es ihm sagen und zeigen, auf der wievielten Stufe zur Hölle hinab er steht, und welch ein Lohn dort seiner harrt!“ 8. Alle seine Gefährten staunten über den Mut des Bootsmannes, sagten aber doch, daß es klüger sein dürfte, im Anfange nicht gleich so viel zu lauten Aufhebens zu machen, um die argen Pharisäer dem Heilande und Seinen Jüngern nicht noch feindlicher zu machen, als sie es ohnehin schon seien. 9. Aber der Bootsmann sagte: „Wenn man gegen diese größten Menschen- und Wahrheitsfeinde noch fortan alle Rücksichten aus lauter Furcht vor ihrer Bosheit beachten wird, dann wird es nie licht unter den Menschen auf dieser Erde werden! Darum werde ihnen die Wahrheit mit wahrem Mute offen ins Gesicht geschleudert, und man zeige diesen verschmitzten Feiglingen nur ordentlich, einem Löwen gleich, Zähne und Krallen, und sie werden sich bald in ihre finsteren Löcher zu verkriechen anfangen!“ 10. Und so in diesem Sinne hatte unser Bootsmann noch eine Weile fort geredet, bis ihn der Schlaf übermannte und er sich dann auch eine kurze Ruhe gönnte. Er war aber am Morgen dennoch als der erste ganz gestärkt auf den Beinen, und sein erster Gedanke war Ich, dem er aus seinem Herzen sein Lob darbrachte und Ihn pries. 11. Da er aber sah, daß seine Gefährten noch schliefen, da weckte er sie und sagte zu ihnen (der Bootsmann): „Freunde, beeilen wir uns, damit wir noch vor dem Aufgange mit unseren Fischen eintreffen; denn an diesem Tage gilt es die Gewinnung des ewigen Lebens für unsere Seelen und auch für die Seelen noch vieler anderer Menschen!“ 12. Alle erhoben sich denn schnell von ihren Ruhestätten, gingen zu den Fischbehältern, hoben bei hundert der schönsten und besten Fische heraus und trugen sie nach Jesaira. 13. Diesmal gingen auch die gestern abend zu Hause gebliebenen acht Fischer mit und halfen die Fische nach Jesaira schaffen in Lägeln, die sie auf einen Karren legten, den sie selbst zogen und schoben. 14. Als sie leicht und bald in Jesaira ankamen, da schliefen noch die meisten Jünger, nur Ich, Petrus, Andreas, Jakobus, Johannes, Kisjona, Philopold und der Wirt nebst mehreren seiner Dienstleute waren schon auf den Beinen und besahen im Freien die munteren Szenen des frühen Morgens. 15. Als die Fischer Mich ersahen, fingen sie alsogleich an zu jubeln und dankten Mir schon von einiger Ferne, daß Ich sie gewürdigt habe, daß sie Mich sehen und sprechen können auch an diesem Tage. 16. Als sie mit ihrem Karren vollends zu uns kamen, baten sie Mich abermals, daß Ich ihr kleines Opfer gnädig und wohlgefällig annehmen möchte. 17. Und Ich sagte zu ihnen: „Mein schon gestern bei der gleichen Gelegenheit zu euch gesprochenes Wort gilt auch für heute und fortan in alle Ewigkeit. Übergebet die Fische dem Wirte; er wird schon wissen, wie er sie verwenden wird.“ 18. Da übergaben sie dem Wirte die Fische, und der Bootsmann bedeutete dem Wirte, daß er mit den Fischen nicht kargen solle; denn ihre Behälter seien noch so überfüllt mit den besten Arten, daß sie hundert Tage lang auf keinen neuen Fang auszugehen nötig haben würden. 19. Da übernahmen die Diener des Wirtes die Fische und schafften sie in die große Gastküche, in der sich ein ziemlich großer, aus Zedernholz gezimmerter Fischbehälter befand, den Mein Nährvater Joseph gemacht hatte, schon eher, als Ich geboren ward, welchen Behälter der Wirt darum in großen Ehren hielt, weil ihn sein Vater in dem Jahre anfertigen ließ, als er bald darauf verstarb. 20. Des Wirtes Vater aber war ein frommer und überaus biederer Mann und war darum denn auch ein intimer Freund Josephs, und dieser hatte oft eine gute Arbeit bei dem Vater unseres Wirtes und blieb auch des Sohnes Freund, solange er lebte. Darum war Meine Familie dem Wirte auch gleichfort eine sehr liebwerte. 21. Nur Ich Selbst war zuvor diesem Hause weniger bekannt und hatte wenig Ansehen, weil Ich stets sehr wortkarg war und nichts aus Mir machte.- 22. Dies wenige zur näheren Bekanntschaft mit diesem Hause zu Jesaira, von dem aber, nota bene wie von vielen andern Orten am Galiläischen Meere, schon seit über tausend Jahren keine Spur mehr zu finden ist; denn die vielen Kriege und Völkerzüge, mit denen diese Länder oft heimgesucht wurden, haben alles zerstört und verwüstet. – Und nun wieder zu uns zurück! Kapitel 141 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 141. — Das Wesen des Jenseits 1. Als die Fische untergebracht waren, begab Ich Mich mit den früher benannten Freunden und mit den zwanzig Fischern wieder in unseren schon bekannten Söller, in dem wir den Aufgang der Sonne erwarteten. Der Morgen war vollkommen rein und heiter, weil ein aus dem Süden wehender Wind die Dünste vom Meere und auch von den dasselbe umlagernden Bergen hinwegfegte, und es war darum nach allen Seiten hin eine herrliche Aussicht, welche besonders unsere Fischer nicht genug rühmen konnten. 2. Als unser Bootsmann ganz entzückt ward über den herrlichen Anblick der Gegend, sagte er: „O Herr und Meister, wie herrlich und wunderbar sind doch alle Deine Werke! Wer ihrer achtet im reinen Sinne, der hat sicher eine große Lust und Freude an ihnen, und das um so mehr erst dann, so er in sich fühlt, daß sie für seine Seele, die ewig zu leben hat, auch nimmerdar verlorengehen werden. Was sagst denn Du, o lieber Herr und Meister, zu dieser meiner vielleicht noch sehr unreifen Ansicht?“ 3. Sagte Ich: „Deine Ansicht ist ganz gut und auch wahr; denn eine vollkommene, in Meinem Geiste der Liebe und Wahrheit wiedergeborene Seele wird durch den Abfall ihres Leibes nicht nur nichts verlieren – als ihre Last und Bürde, die sie an diese materielle Welt fesselt –, sondern nur unaussprechbar vieles noch hinzugewinnen. Denn wahrlich sage Ich dir: Kein Fleischesauge hat es je geschaut, kein Ohr gehört, und keines Menschen Sinn je empfunden, was die im großen Jenseits alles für Seligkeiten zu erwarten haben, die Mich lieben und nach Meiner Lehre leben und handeln! Ein mehreres brauche Ich dir nicht zu sagen.“ 4. Sagte abermals der Bootsmann: „O Du lieber Herr und Meister! Wo wohl befindet sich das große, so überherrliche Jenseits, in das nach des Leibes Tode eine vollkommene Seele aufgenommen wird? Ist es über all den Sternen, oder mitten unter den Sternen, oder in den freien Lufträumen, in denen die lichten Wolken schweben?“ 5. Sagte Ich: „Mein Freund, du fragst da noch sehr in einer diesseitig menschlichen Weise, was bei dir aber auch noch nicht anders sein kann! Siehe, das große allerseligste Jenseits ist vor allem, als das wahre Gottesreich, inwendig im Menschen, und zwar im Innersten seiner Seele. Von da aus aber ist es dann auch überall über den Sternen den ganzen endlosesten Raum nach allen Richtungen hin, also auch in und unter den Sternen, im freien Luftraume, auf und in dieser Erde, und also auch überall, wo du dir es nur immer denken magst. Denn alles, was du schaust und fühlst auf dieser Welt, das ist entsprechend auch in der Geisterwelt vorhanden, ohnedem nichts Materielles bestehen könnte und würde. 6. Denn siehe, diese Erde, der Mond, die Sonne und alle die zahllos vielen Sterne, die auch lauter große Weltkörper sind, auf denen, so wie auf dieser Erde, allerlei Wesen und Geschöpfe leben, sind im Grunde ja auch nur pur Geistiges, weil sie nur der durch den Willen Gottes festgehaltene Ausdruck Seiner Gedanken, Ideen und Anschauungen in Ihm Selbst sind. Würde Gott eine solche Seine Idee aus dem Bereiche Seines Willens stoßen und sie nicht mehr in Seiner Anschauung halten wollen, so wäre sie auch nicht mehr da, was Gott wohl könnte, so Er das in Seiner ewigen Ordnung wollte; aber Gott will, daß alles, wie Er Selbst, ewig fortbestehe, wennschon unter so manchen Veränderungen, die aber von Gott verordnet sind, daß alles aus dem ersten, durch den Willen Gottes hart gehaltenen Zustande, in dem sich alle Materie befindet, in einen freien und wie für sich bestehenden übergehe, der eben der geistige und gottähnliche ist. 7. Wenn du im Geiste Gottes in deiner Seele vollendet sein wirst, dann wirst du auch alles das in einem verjüngten Maße in dir selbst zur Beschauung und zum Gebrauche haben, was Gott von Ewigkeit her im endlosest größten Maße in Sich hat. Und so wirst du auch diese Erde, wie sie nun ist, wie sie in allen den früheren Bestandsperioden war und in den künftigen bis an ihr materielles Ende sein wird und darüber ewig hinaus in ihrem unveränderbaren geistigen und reinsten Zustande fortbestehen wird, und ebenso auch den Mond, die Sonne und alle die endlos vielen andern Weltkörper unbeschreibbar klarer schauen und sie auch vom kleinsten bis zum größten verstehen denn nun mit deinen trüben und unvollkommenen Sinnen, die dem Menschen eben darum leiblich trüb und unvollkommen gegeben sind, damit sie ihn zur inneren Denk- und Suchtätigkeit in einem fort nötigen, weil der Seele, die dem Urlichte Gottes verwandt ist, nichts lästiger und unerträglicher ist als die Trübheit und Unbestimmtheit in allem, was sie eben nur durch des Leibes trübe und unvollkommene Sinne wahrnimmt und kaum der Außenrinde nach erkennt. 8. Die Seele sehnt sich also in einem fort nach der vollen Wahrheit und denkt und fragt und sucht denn auch ebenso ununterbrochen; und in dieser Seelentätigkeit besteht denn auch das fortwährend wachsende Zunehmen der Erweckung und Stärkung des inneren geistigen Sinnes, sowohl in bezug des Schauens, Hörens und Wahrnehmens, als des Fühlens und Empfindens. 9. Würde aber eine Seele sogleich mit dem vollgeweckten inneren Sinne in diese Welt treten, so würde sie denn auch sogleich in eine vollste Trägheit und Untätigkeit versinken, was dann ebensoviel wäre, als hätte sie kein Leben. 10. Die Seligkeit des Lebens aber besteht hauptsächlich ja nur in der Tätigkeit, und so ist es der Seele nützlicher, daß sie sich in aller Tätigkeit übe, als daß sie sich gleichfort in aller Klarheit des inneren Wahrnehmens nach allen Richtungen des Lebens hin befände. 11. Wenn du dieses alles wohl überdenkst, so wirst du dadurch schon zu einer großen Klarheit in dir gelangen und wirst vieles begreifen, was dir bis jetzt unbegreiflich war.“ Kapitel 142 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 142. — Die Tätigkeit der Seele 1. Sagte darauf ein anderer aus der Zahl der Fischer: „O Herr und Meister, Du sagtest, daß es da keiner Seele etwas nütze, so sie gleich bei ihrem Eintritt in diese Welt sich in aller inneren Klarheit befände, weil sie für uns nun wohlbegreiflichermaßen in alle Trägheit und vollste Untätigkeit verfiele; denn so jemand etwas Kostbares verloren hat, da wird er es sicher so lange suchen, bis er es möglicherweise wiederfindet, – und so sucht die Seele denn das durch ihre trüben Außensinne verlorene innere Klarlicht. So sie aber diesen höchsten Lebensschatz wird gefunden haben, wie wird es dann mit ihrer ferneren Tätigkeit aussehen? Denn so ein Mensch das, was er verloren hatte, glücklicherweise wiedergefunden hat, so hat dann sein Suchen und somit seine Tätigkeit doch sicher ein Ende! Und so dürfte dann eine Seele, so sie durch ihre Suchtätigkeit das im Vollmaße gefunden hat, was sie gesucht hatte, dann ja wieder in alle Trägheit und Untätigkeit versinken; wenn aber das, da wäre sie als ein völlig untätiges Wesen ja von neuem wieder wie tot, und das könnte ihr wahrlich zu keiner besonderen Seligkeit dienlich sein. In diesem Stücke, o Herr und Meister, bin ich noch etwas im unklaren.“ 2. Sagte Ich: „Freund, weil eben im klarsten Schauen und Erkennen die wahre Lebensseligkeit nicht besteht, sondern nur in der stets zu steigernden Liebtätigkeit, darum muß denn auch eine jede Seele sich diese zuvor zum einzigen Lebenselemente machen, ohnedem sie niemals zur inneren Lebensklarheit gelangen kann; denn die Liebtätigkeit ist ein inneres Lebensfeuer, das durch seine stets zunehmende Regewerdung zu einer hell leuchtenden Flamme werden muß. 3. Ist aber dieses Lebenselement in der Seele vollwach geworden, so daß die Seele also selbst ganz zu diesem Lebenselement wird – was soviel sagen will als: der ganze Mensch ist im Geiste neu- und also wiedergeboren –, dann bleibt die Seele trotz ihrer inneren Klarheit, die eine Folge der bis auf die möglich höchste Stufe gesteigerten Liebtätigkeit ist, auch stets im möglich höchsten Grade tätig, und ihre Seligkeit und ihre Klarheit steigert sich nach den Graden ihrer Liebtätigkeit und nicht nach den Graden ihrer Klarheit, zu der sie ohne die Liebtätigkeit ohnehin nie und niemals gelangen kann; denn es ist das schon von Ewigkeit her von Gott also verordnet, daß kein Geist und keine Menschenseele ohne eine entsprechende Tätigkeit je zum Lichte gelangen kann. 4. Wie erzeugen die Menschen aber auf dieser Materiewelt das Licht? Siehe, sie reiben entweder Holz mit Holz oder Stein mit Stein so lange, bis es Feuerfunken von sich zu geben anfängt! Die Feuerfunken fallen auf leicht entzündbare Gegenstände, die zu bleibender Glut werden. Ist die Glut einmal in einem hinreichenden Maße vorhanden, und kommen mit ihr brennbare Gegenstände – wie Holz, Stroh oder das gewisse schnell entzündbare Harz, mit Schwefel und Naphtha gemengt – in Berührung, so wird alsbald eine helle Flamme emporlodern, und es wird licht werden in ihr selbst und um sie nach allen Richtungen. 5. Wäre ohne eine vorangehende Tätigkeit wohl je eine Glut und aus dieser eine leuchtende Flamme, die durch ihre sichtbar regste Bewegung selbst den höchsten Grad der Tätigkeit an den Tag legt, entstanden? 6. Siehe, also zeigt es sich schon in der toten Materiewelt, daß zum Feuer- und Lichtmachen eine gewisse Tätigkeit vorangehen muß! Und so muß denn zum Lichte des Lebens der Seele um so mehr eine gewisse Tätigkeit vorangehen; durch diese wird die Liebe erweckt, die da ist das Lebenselement, und aus ihrer gesteigerten Tätigkeit entsteht dann erst das Licht in der Seele, das ist die Weisheit, die sich und alle Dinge aus sich erkennt, beurteilt und ordnet. 7. Siehe, Freund, also stehen die Dinge des Lebens der Seele und ihrer inneren Erkennungsklarheit, und du hast demnach nicht zu befürchten, daß je eine selige Seele ihrer gottähnlichen Weisheit zufolge jemals träge und untätig werde, weil eben die Weisheit einer Seele hier und noch mehr jenseits stets die Folge ihrer Tätigkeit ist; würde oder könnte diese je aufhören, so würde bei der Seele auch die Weisheit und die innere Lebensklarheit aufhören. – Hast du dieses nun verstanden?“ Kapitel 143 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 143. — Die Tätigkeit der Geister 1. Sagte der Fischer: „Ja, Herr und Meister, nun bin ich darin schon ganz im klaren; aber nun möchte ich denn auch noch hierzu wissen, worin die Tätigkeit einer vollkommenen Seele im großen Jenseits denn wohl hauptsächlich besteht. Auf dieser harten Erde gibt es für die Menschen freilich wohl vieltausenderlei zu tun, so er leben will, – was ist dann aber im großen geistigen Jenseits zu tun? Wird auch dort gepflügt, gesät und geerntet des Lebensunterhaltes wegen?“ 2. Sagte Ich: „Jawohl, Freund, pflügen, säen und ernten, – aber freilich auf eine andere Art und in einem andern Sinne, als das auf dieser materiellen Welt geschieht. 3. Siehe, ohne die große Tätigkeit der Geister, und ganz besonders der vollkommenen, würde auf keiner Erde etwas entstehen! Es würde nicht nur nichts wachsen und kein lebendes Wesen auf dem Boden umherwandeln, sondern es würde auch keine Sonne und keine Erde je entstanden sein und sicher noch weniger fortbestehen. 4. Die Menschen pflügen wohl die Erde und streuen den Samen in ihre Furchen; aber den Geistern liegt es ob, das Keimen, das Wachsen und das Reifwerden der Frucht zu bewerkstelligen. Und du wirst aus dem nun wohl erkennen, daß es besonders den vollkommenen Geistern auch für die euch sichtbare Welt, hier auf dieser Erde sowohl als auch auf all den andern Weltkörpern, viel zu schaffen und zu machen gibt, noch mehr aber für die rechte Seelenbildung und Vervollkommnung der Menschen schon diesseits, und um gar vieles mehr erst dann jenseits. Denn es kommen ja ums unvergleichbare stets mehr oft höchst unvollkommene Seelen ins große Jenseits denn der vollkommenen, besonders von dieser Erde. Die unvollkommenen und argen Seelen aber würden diese ganze Erde mit Hilfe der ungegorenen Naturgeister bald derart verderben, daß auf ihr kein Gras, kein Strauch, kein Baum mehr wachsen und kein Tier und kein Mensch mehr bestehen könnte. 5. Nur durch die Liebe, Weisheit und Macht der vollkommenen Geister werden die argen und unvollkommenen Seelen im Jenseits daran gehindert, nach und nach fortgebildet und möglicherweise auch von Stufe zu Stufe dem Reiche Gottes nähergebracht. 6. Wie die vollkommenen Geister aber das alles bewirken, das läßt sich mit Worten nicht darstellen; wenn ihr aber im Geiste selbst neu- und wiedergeboren sein werdet, dann wird es euch schon klar und wohlverständlich werden, wie die Geister arbeiten und wirken. – Hast du auch das verstanden?“ 7. Sagte abermals derselbe Fischer: „Ja, Du lieber Herr und Meister, und ich danke Dir für Deine übergroße Geduld mit uns schwachen und noch sehr blöden Menschen! Oh, es wird sicher noch lange hergehen, bis wir, mitten unter lauter Wundern lebend, die Wunder verstehen werden! Wir sehen und genießen das Wasser und wissen nicht im geringsten, was es ist. Ebenso sehen wir auch das Feuer und sein Licht und empfinden dessen Glut und Wärme, wissen aber auch nicht im geringsten, was es ist, und was sein eigentlicher Entstehungsgrund ist. Aber es sei ihm nun, wie da wolle, wir sind nun schon darum über die Maßen froh und heiter, daß wir durch Deine übergroße Gnade und Liebe nun den untrüglichen Weg zur vollen und lebendigen Wahrheit überkommen haben. O Du lieber Herr und Meister, sei uns aber auch mit Deiner Gnade behilflich, daß wir diesen Weg bis ans lichtvolle Ziel zu wandeln niemals müde, schwach und träge werden!“ 8. Sagte Ich: „Wer da glaubt und den rechten Willen hat, der wird auch das erreichen, nach dem er ernstlich strebt; und so werdet auch ihr das Ziel bald und leicht erreichen, da ihr nun an Meiner Seite schon mehr als den halben Weg eifrigst durchgemacht (zurückgelegt) habt!“ 9. Als Ich die Fischer mit den Belehrungen vollends zufriedengestellt hatte, da dankten sie Mir abermals, traten zurück und besprachen sich unter sich über das Vernommene und prägten es ihrem Gedächtnisse fest ein. Kapitel 144 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 144. — Die Bedeutung der Zukunftsweissagungen des Herrn 1. Ich aber besprach Mich mit unserem Wirte, mit Philopold und mit Kisjona über so manches, und auch über die Zukunft des ganzen Judenlandes. 2. Die Jünger aber, als sie Mich über die sehr düster aussehende Zukunft des Landes reden hörten, sagten unter sich: „So manchmal kennt man sich bei Ihm denn wahrlich doch nicht aus! Wir wollen von Seinen Gleichnissen, denen stets ein tiefer Geistsinn zugrunde liegt und Er sie auch allzeit erklärte, so wir sie nicht verstanden hatten, nichts sagen; aber so Er bei Seiner Lehre, die doch schon im Verlaufe von nur zehn Jahren ein Gemeingut der Menschen werden muß, und die die Menschen zu Lämmern umgestalten kann und wird, immer von einer noch elenderen Zukunft spricht, als wie elend da nun ist die Gegenwart, da weiß man denn doch oft im Ernste nicht, was man sich dabei denken soll. 3. Zudem sagte Er auch schon zu öfteren Malen, wie ohne den Willen Gottes niemandem auch nur ein Haar gekrümmt werden und kein Sperling vom Dache fallen könne. Wenn denn ohne Seinen Willen nichts geschehen kann, so kann es ja auch keine böse Zukunft geben ohne Seinen Willen, und das um so weniger, als – wie schon gesagt – die Menschen zu Lämmern umgestaltet werden sollen durch Seine Lehre, die ein lebendiges Gotteswort ist, und die von nichts so sehr und eindringlich spricht als von der Liebe zu Gott und zum Nächsten, also auch von der Demut, Versöhnlichkeit, Selbstverleugnung und von der Barmherzigkeit. 4. Wenn die Menschen durch Seine Lehre aber das in der Tat werden müssen, wie das auch in der kurzen Zeit unseres guten Wissens mehrere Tausende geworden sind, wie mag Er da denn immer von einer, wie gesagt, noch um vieles elenderen Zukunft in einem fort weissagen, als je eine vergangene Zeit samt dieser sicher schon ohnehin über alle Maßen elenden Gegenwart war und nun ist? Das begreife, wer es mag und kann; wir begreifen das durchaus nicht! 5. Er müßte es nur aus irgendeinem nur Ihm allein bekannten geheimen Grunde Selbst also haben wollen, ansonst ist uns solche Seine Weissagung von einer allerelendesten Zukunft als eine Folge Seiner Lehre, die jetzt in ihrem Entstehen im weiten Asien, im tiefen Ägypten sogar unter den Mohren und auch schon in Europa unter den Römern und Griechen unter vielen Tausenden von Menschen ausgebreitet ist, die an Ihn lebendig glauben und ihre lichtvollste Wahrheit auch stets mit Zeichen zu bestätigen vermögen, unbegreiflich. 6. Ja, wenn die von Ihm geweissagten überargen Zukunftszustände die Folge von dieser rein göttlichen Lehre sein sollen und das Reich Gottes unter den Menschen eine solche bedauerlichste Gestalt annehmen wird, dann wäre es ja doch um vieles besser, solche Lehre den Menschen gar nicht zu verkünden, auf daß sie nicht zu noch ärgeren Teufeln werden, als sie es nun ohnehin in der größten Mehrzahl sind!“ 7. Ich aber hatte solche Reden Meiner Jünger wohl vernommen und sagte zu ihnen: „Wie mögen denn euch Meine Weissagungen über die Zukunft noch ärgern? Habe Ich sie ja doch schon zu öfteren Malen vor euch enthüllt und euch auch getreuest wahr gezeigt, was infolge des freien Willens der Menschen die Ursache der überaus argen Zukunft sein wird, und ihr habt das wohl begriffen, eingesehen und verstanden und habt euch nicht geärgert. Wie seid denn ihr nun darob ärgerlich geworden, und wie möget ihr sagen, daß die Zukunft beim Bekanntwerden Meines Evangeliums nur dann so arg werden könne, wenn Ich sie so arg aus einem nur Mir bekannten Grunde werde haben wollen? 8. Oh, oh, wie gar sehr kurzsichtig seid ihr alle noch! Ohne Meinen Willen kann sich wohl freilich kein Haar krümmen auf eines Menschen Haupte, kein Sperling vom Dache fallen und kein Mensch seines Leibes Größe und Gestalt ändern und den Tag nicht länger oder kürzer machen, – denn alle diese Dinge stehen in der unmittelbaren Macht Meines Willens, der auch in allen den zahllos vielen Engeln Meiner ewigen und unendlichen Himmel einer und derselbe ist. Aber hier auf dieser Erde, wo ein jeder Mensch erst die Willensfreiheitsprobe durchzumachen hat, steht es mit der Allmacht Meines Willens in der sittlichen und seelischen Lebenssphäre des Menschen ganz anders, – wie Ich euch solches gar oft schon gezeigt habe! 9. Habe Ich denn nicht gesagt: In einer Welt, wo ein Mensch nicht zu einem ärgsten aller Teufel werden kann, da kann er auch zu keinem wahren Kinde Gottes werden?! Denn darum offenbare Ich nun ja Selbst Meinen Willen unmittelbar an euch Menschen, daß ihr ihn zu dem eurigen machen und Mir dadurch in allem vollkommen ähnlich werden könnet. 10. Wenn aber also und unmöglich anders – was ihr nun doch schon grundursächlich klar einsehen solltet –, wie mag es euch denn ärgern, so Ich auch für diese unsere Freunde kundgebe, wie es infolge der Verstockt- und Blindheit der Menschen, die sich gleich den vielen Pharisäern nicht zum Lichte des Lebens wenden wollen, sondern dasselbe allenthalben mit aller Wut der Hölle verfolgen, in der Zukunft aussehen wird?! 11. Wir haben nun die Lehre vom Reiche Gottes wahrlich unter gar viele Menschen nach weit und breit vom Aufgange bis zum Niedergange und vom Mittag bis gen Mitternacht hin ausgebreitet, und viele sonnen sich schon im Lichte aus den Himmeln, – aber es ist diese erste Ausbreitung dennoch eine sehr vereinzelte und ist ein Eigentum nur kleiner Familien und Gemeinden; sie macht darum auch noch nicht ein zu großes Aufsehen bei all den vielen weltmächtigen und über alles herrschsüchtigen Feinden des Lichtes, und sie haben bis jetzt noch wenig Erhebliches gegen dasselbe unternommen. 12. Lasset aber dieses Licht nur allgemeiner werden, daß es die Priester wohl merken mögen, wie ihre Tempel an den gewissen Fest- und großen Opfertagen sich nicht mehr mit Menschen füllen, sondern stets leerer und leerer werden, und ihr werdet es dann schon sehen, mit welcher namenlosen Wut sie sich gegen Meine Lehre und gegen ihre Bekenner erheben werden! 13. Meine Lehre in sich ist wohl der wahre Friede einer Seele, die nach ihr lebt und handelt, – ja sie ist der selige Friede des Himmels im ganzen Menschen; aber für die Teufel der Hölle, die in Menschengestalt auf dieser Erde unter den Menschen schalten und walten durch Lüge und Trug, ist sie ein zweischneidiges und flammendes Schwert, ein Krieg und eine größte Verheerung. Darum wird das wahre Reich Gottes auf Erden eine große Gewalt zu erleiden haben, wie es sie auch teilweise schon jetzt erleidet, und die es werden haben wollen, werden es auch mit Gewalt an sich reißen müssen! 14. Und sehet, weil solche von Mir vorausgesehenen Kämpfe infolge der Erhaltung des freien Willens der Menschen, der der Arm ihrer Liebe und somit ihres Lebens ist, unvermeidbar sind – weil Wir die nun im Falschen und Bösen sich befindenden Menschen, deren Zahl übergroß ist, der Lehre aus den Himmeln wegen nicht zuvor durch eine Sündflut wollen vom Boden der Erde vertilgen lassen, da eben diese Lehre der Kranken, Tauben und Blinden und mit allerlei Übeln Behafteten und nicht der Gesunden wegen gegeben wird –, so wird es ja auch wohl und leicht begreiflich sein, daß sich mit der Zeit große Kämpfe und Kriege über den Boden der Erde und vor allem und zuerst über das alte Reich der Juden, von dem die Lehre ausgeht, mit so großen Verheerungen ausbreiten werden, daß man nicht mehr wird zu erkennen vermögen, wo eine und die andere Stadt gestanden ist, wo die Weinberge, wo die fruchtbaren Äcker und reichen Obstgärten, Wiesen und Weiden waren. Es wird zu einer Wüste verwandelt werden und wird sich hinfort nimmerdar in ein gelobtes Land umgestalten, in dem dereinst Honig und Milch floß. 15. Daß Ich es euch aber zum voraus sage, hat den Grund, daß ihr euch zeitlich genug dagegen rüsten und wohl bewaffnen könnet. Denn so man weiß, wann der Dieb kommt, und was er im Sinne hat, dann ist es ein leichtes, sich ihm zur Wehr zu stellen; aber so man nicht weiß, daß er kommt, und wann und wie, ob am Tage oder ob in der Nacht, da alles in einen tiefen Schlaf versunken ist, dann ist es dem Diebe ein leichtes, ins Haus zu dringen und sich seine Beute zu nehmen. Darum wandelt stets im Lichte des inneren Tages, und bleibet wach in Meiner euch geoffenbarten Wahrheit, so werdet ihr mit dem Feinde den Kampf wohl bestehen können! 16. Seid ihr nun auch noch voll Ärgers, daß Ich euch dieses nun sonnenhell gezeigt habe?“ Kapitel 145 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 145. — Die Demut der Arbeiter im Weinberg des Herrn 1. Sagte nun Petrus: „O Herr und Meister, wir waren ja auch ehedem nicht ärgerlich, und wir werden um so weniger ärgerlich sein, da wir nun völlig klar einsehen, daß wir das nimmer hintanhalten können, was Du mit aller Deiner Allmacht nicht hintanhalten magst und willst. Was sich aber dennoch wird tun lassen mit Deiner steten Mithilfe, das wird auch geschehen; denn wir wollen für die Wahrheit allzeit mit unserem Leben gegen alle Feinde der Wahrheit einstehen, und bevor ich falle, werden im Notfall tausend Feinde der Wahrheit und des Lebens fallen. Denn wir wollen nicht nur Lehrer in Deinem Namen, sondern auch Helden sein und kämpfen mit Wort und Schwert gegen die Widersacher und Feinde der Wahrheit. Mit Deinem Namen im Herzen und im Schilde besiegen wir die ganze Welt! Verlasse nur Du uns mit Deiner Gnade niemals!“ 2. Sagte Ich: „So ihr werdet bleiben in Mir, da werde Ich auch bleiben in euch. Ohne Mich aber werdet ihr nichts zu tun imstande sein. 3. So ihr aber mit Mir und in Meinem Namen alles werdet getan haben, da saget es in euch: ,Siehe, o Herr, wie wir doch stets als faule und unnütze Knechte in der Bearbeitung Deines Weinbergs vor Dir dastehen!‘ Denn wahrlich: wer sich selbst erhöhen wird, der wird erniedrigt werden; wer sich aber selbst erniedrigen wird, der wird erhöht werden! 4. Aber dabei sollet ihr doch zu niemandem ,Herr‘ sagen; denn nur einer ist euer Herr und Meister, und Der bin Ich! Also sollet ihr zu niemandem ,Vater‘ sagen; denn nur einer ist euer Vater, – Der im Himmel nämlich! Also sollet ihr auch niemanden gut und heilig nennen; denn nur Gott allein ist gut und heilig! 5. Ihr alle aber seid Brüder und Schwestern untereinander. Wer aber unter euch der Erste und meiste sein will, der sei aller Knecht und Diener! Denn in Meinem Reiche ist der Demütigste und Geringste und anscheinend der Letzte eben der Erste und Größte in aller Weisheit und Macht. 6. Nun wisset ihr, was ihr zu tun und stets zu beachten habt, um Mich und Meine Kraft und Macht in euch zu erhalten und mit ihr zu wirken; tut denn auch allzeit also, da werdet ihr auch verbleiben in Mir und Ich in euch!“ 7. Hier trat noch unser Bootsmann zu Mir und sagte: „O Du lieber Herr und Meister, Du sagtest, daß man zu keinem Menschen ,Vater‘ sagen solle, da nur Gott allein der Vater aller Menschen ist! Ich sehe wohl ein, daß Du auch völlig recht hast; nur weiß ich mir nun das im Gesetze Mosis nicht zu deuten, wie man sich das erklären soll, wenn da Moses sagt: ,Ehre Vater und Mutter, auf daß du lange lebest und es dir wohlergehe auf Erden!‘ Hier nennt Moses, der große und mächtige Prophet Jehovas, den Zeuger der Kinder doch Vater, und so heißt es auch: ,unser Vater Abraham, Isaak und Jakob!‘ Wenn wir als Kinder unseren Zeuger nun Vater nennen, begehen wir nach Deinem hier ausgesprochenen Worte irgend eine Sünde vor Dir, o Herr?“ 8. Sagte Ich: „Am Worte selbst liegt nichts, sondern nur am inneren Sinn desselben! Darum mögen die Kinder immerhin ihren Zeuger ,Vater‘ und ihre Gebärerin ,Mutter‘ nennen; denn die Kinder können ja nicht fassen des Wortes Geist. Ihr aber fasset nun schon des Wortes inneren Geist und wisset es, daß die ewig allerhöchste und reinste Liebe in Meinem Herzen zu euch Menschen, die Ich zu Meinen Kindern erziehe und erhebe für ewig, der einzig und allein wahre Vater ist. Also, wohl verstanden, Freund, nur unter diesem Geistsinne im Worte sollet ihr zu niemandem ,Vater‘ sagen! 9. Merke es dir noch hinzu, daß da ein jedes pur äußere Wort, so wie auch ein Buchstabe für sich, tot ist und niemanden zum Leben erweckt; nur der innere Geist im Worte – ob ausgesprochen oder mit Buchstaben geschrieben – ist es, der da lebendig macht jeden, der nach seinem inneren, lebendigen Sinne denkt, handelt und lebt. Wer aber nur nach dem äußeren Sinne des Wortes glaubt, handelt und lebt, gleich den Pharisäern, der bleibt tot auch gleich also, wie der pure Buchstabe des Wortes an und für sich tot ist. – Das also zu eurer Beruhigung!“ 10. Die Fischer und alle dankten Mir für diese nachgetragene Erklärung und dachten sehr über alles wohl nach, was Ich ihnen hier am Morgen noch vor dem Aufgange der Sonne mitgeteilt und erklärt habe. 11. Da aber nun die Sonne sich in stark rötlicher Färbung über den Horizont zu erheben begann, umlagert von rosig schimmernden Wölkchen – was einen herrlichen Anblick gewährte –, da sagte der Wirt: „Schön und herrlich ist wohl solch ein Morgen anzuschauen; nur schade, daß derlei rosige Morgen beinahe nie auch einen ebenso rosigen Abend zur Folge haben! Man sagt schon von alters her: ,Morgens Rosen, und abends Kot!‘ Herr und Meister, werden uns auch dieses Morgens Rosen für den Abend einen Kot bereiten?“ 12. Sagte Ich: „Laß du nun, solange Ich bei euch und unter euch weile, der alten Astrologen Sprüche, die dann und wann sich wohl hie und da in der Tat bestätigen; denn Der, der ein Herr des Morgens ist, ist auch ein Herr des Abends! Wenn du dieses verstanden hast, so brauchst du dich vor dem Kote des Abends nicht zu fürchten.“ 13. Als Ich das dem Wirte gesagt hatte, da ward er froh; denn er war nie ein Freund von einem kotigen Abend. Kapitel 146 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 146. — Der Herr besucht die armen Fischer der Bucht 1. Es kam aber nun auch ein Bote aus dem Hause und zeigte uns an, daß das Morgenmahl unser harre. Da verließen wir den Söller und begaben uns sogleich ins Haus. Allda setzten wir uns in der schon bekannten Ordnung an unseren Tisch, und die zwanzig Fischer an den für sie gedeckten, und wir nahmen da, von dem schönen Morgen gestärkt, gar frohen Mutes das überaus wohlbereitete Morgenmahl zu uns. 2. Als wir mit dem Mahle nach einer halben Stunde zu Ende waren, da fragte Mich der Wirt, was Ich von nun an bis zum Mittage hin etwa unternehmen werde. 3. Sagte Ich: „Fragen ist frei, aber das Antworten auch! Es liegt zwar nicht immer in Meiner Ordnung, im voraus zu bestimmen, was Ich tun werde; denn das kommt alles auf Den an, der in Mir wohnt, und Ich, als nun auch nur ein Mensch mit Fleisch und Blut und einer unsterblichen Seele, muß horchen auf diesen Geist in Mir. So Er zu Mir sagt: ,Gehe dort und da hin, und tue dies und dies!‘, dann erst weiß es auch Mein Fleisch und Mein Blut. Aber diesmal hat der Vater in Mir schon geredet, und Ich weiß es, was Ich zu tun habe, und kann es euch denn auch wohl mitteilen. 4. Siehe, nicht ferne von hier, in der Richtung gen Cäsarea Philippi hin, hat dies Galiläische Meer eine seiner größten Einbuchtungen, welche Einbuchtung aber mit einem größeren Schiffe beinahe gar nicht zu befahren ist; mit kleineren Booten aber kann man bis zu ihren dir noch nicht bekannten ziemlich weit gedehnten Ufern gelangen. Auf diesen Ufern befindet sich, knapp an ein schroffes Gebirge angelehnt, ein kleines Fischerdörfchen, dessen griechische Bewohner sich zumeist von Fischen ernähren und von der Milch einiger Ziegen. Den allfälligen Überfluß ihrer Fische verkaufen sie immer nach Cäsarea Philippi und nehmen dafür Salz, Brot und einige wenige ihnen notwendige Gerätschaften, deren sie zu ihrem kleinen Haushalte und Gewerbe benötigen. 5. Ich habe diese Fischer schon einmal besucht, als sie sich noch geistig und physisch in einem gar sehr ärmlichen Zustande befanden; denn geistig gehörten sie zur Schule der griechischen sogenannten Hundsweltweisen, und in physischer Hinsicht bewohnten sie die allerdürftigsten Hütten, die sie sich auf dem wüstesten Steingeröll erbaut haben. Ich aber habe sie bei Gelegenheit Meines Besuches sowohl in der physischen Lage und ganz besonders aber in ihrer geistigen Sphäre sehr emporgerichtet. 6. Und siehe, diese dir nun bezeichneten Fischer wollen wir besuchen! Daher verschaffe uns eine rechte Anzahl kleinerer und leichterer Fahrzeuge, mit denen wir dann die Bucht befahren können. In einer Stunde und etwas darüber können wir das besagte Dörfchen leicht erreichen. So es euch genehm ist, da sorget, daß wir bald zur Abfahrt kommen! Ihr werdet mit jenen euch bis jetzt noch unbekannten Fischern eine große Freude haben. Ein paar Stunden nach dem Mittage werden wir uns dann wieder hier in Jesaira befinden.“ 7. Als Ich dieses zum Wirte gesagt hatte, sagte zu Mir Kisjona: „Herr und Meister, von mir stehen nun ja drei gute Schiffe im Hafen; können denn wir uns nicht derselben bedienen und unserem Wirte, der mit Seefahrzeugen nicht reichlich genug versehen ist, die Mühe ersparen, bei seinen Nachbarn die gehörige Anzahl von kleineren Fahrzeugen aufzubringen?“ 8. Sagte Ich: „Freund, da, wo das Meer tief ist, werden wir uns ohnehin deiner Schiffe bedienen; aber so dann die seichte und mit vielem Schilf und Röhricht stark bewachsene Bucht kommt, dann werden uns deine Schiffe etwa den erwünschten Dienst nicht mehr zu leisten imstande sein!“ 9. Sagte Kisjona: „Auch bei jedem meiner Schiffe sind vier kleine Boote angehängt und können im Notfall benutzt werden. Übrigens aber ist mein Glaube an Dich und Deine Macht so stark, daß ich auch nicht im geringsten zweifeln kann, daß wir in Deiner Gegenwart mit meinen Schiffen die seichte Bucht nicht sollten befahren können!“ 10. Sagte Ich: „Ja, so ihr alle also glaubet, da können wir die kleine Seefahrt mit deinen Schiffen ja versuchen!“ 11. Als Ich das sagte, da erhoben wir uns und eilten zu den Schiffen Kisjonas, und er befahl seinen anwesenden Schiffern, was sie zu tun hätten. Als diese von dem Befahren der Schilfbucht vernahmen, da zuckten sie mit den Achseln und gaben dadurch zu verstehen, daß es sich da nicht tun werde. 12. Wir aber bestiegen dennoch die drei Schiffe und fuhren schnell ab. Maria aber blieb in Jesaira, weil sie vernommen hatte, daß wir ein paar Stunden nach dem Mittage wieder zurückkommen würden, und besprach sich da über vieles mit dem Weibe des Wirtes, das mit dem ersten Weibe Josephs nahe verwandt war. 13. Wir aber gelangten nach einer halben Stunde Zeit schon zu der fatalen Bucht, und die Schiffer sagten: „Da heißt es nun die Ruder einziehen und zu den Schubstangen greifen!“ 14. Sagte Kisjona: „Höret, der Herr ist bei uns, und Er ist mit uns! Was Er euch sagen wird, das tut; denn Seine Macht vermag mehr denn eure Schubstangen!“ 15. Als die Schiffer solches von Kisjona vernommen hatten, da wandten sie sich an Mich und fragten Mich, was sie nun tun sollten. 16. Und Ich sagte: „So wendet denn die Ruder nach rückwärts, und wir wollen sehen, ob ein rechter Wind uns durch das Schilf treiben wird!“ 17. Da taten die Schiffer, was Ich ihnen geboten hatte, und es kam urplötzlich von Osten her ein sehr starker Wind, trieb große Wogen in die Bucht und trieb mit solchen Wogen auch unsere Schiffe überaus schnell über und durch das Schilf in die Bucht, und wir erreichten so denn auch bald und leicht den Ort unserer Bestimmung, und alle bewunderten die nunmalige Anmut dieses kleinen Dörfchens, das nur Mir und Meinen Altjüngern bekannt war. Wir stiegen da alsbald ans Land und suchten die Bewohner auf. 18. Als wir zum ersten Hause kamen, da war niemand zu Hause, und ebenso ging es uns auch bei den andern Häusern; sie waren verschlossen, und es war keine Seele in einem Hause oder in einer Ziegenhütte. 19. Da sagten mehrere Jünger unter sich: „Er weiß sonst doch um die geheimsten Gedanken eines Menschen und hat schon zu öfteren Malen die fernste Zukunft vor uns und vielen andern Menschen genau enthüllt; wie wußte Er denn diesmal nicht, daß die Bewohner dieses kleinen Örtchens nicht zu Hause sein würden? Sonderbar, und recht sonderbar! Wußte Er um das wirklich nicht, so hätte Er uns und Sich Selbst diese Seefahrt ersparen können; wußte Er es aber und hatte diese Fahrt nur zu einer Probung unseres Glaubens unternommen, so weiß Er es ja ohnehin, daß wir alle ungezweifelt an Ihn glauben und halten, ansonst wir nicht beinahe dritthalb Jahre lang Ihm allenthalben nachgefolgt wären! Wozu dann eine solche neue Glaubensprobung?“ 20. Auch unser Kisjona fragte Mich, sagend: „Herr und Meister! Was tun wir nun hier in diesem von seinen Bewohnern vielleicht schon lange verlassenen Örtchen? Besteigen wir wieder unsere Schiffe und fahren nach Jesaira zurück! Denn was sollen wir hier machen?“ 21. Sagte Ich: „Etwas kleingläubig ist noch ein jeder von euch! Hätte Ich nicht gewußt, daß die Bewohner dieses Örtchens eben nur heute alle daheim sind, weil sie gestern einen guten Fischfang gemacht haben unter Meinem ihnen freilich unbekannten Willen, und einen Teil der Fische morgen auf den Markt nach Cäsarea Philippi, welche Stadt sich wieder so ziemlich erholt hat, bringen wollen, so hätte Ich sie auch nicht irgend vergeblich heimgesucht. Sie sind aber daheim, und wir hätten sie auch in ihren Häusern angetroffen; sie aber haben sich aus Furcht, da sie unsere Schiffe gewahr wurden, in aller Eile in jenen Wald dort gen Mitternacht hin ordentlich verkrochen, weil sie der festen Meinung waren, daß sie von irgend jemandem entdeckt und verraten worden seien und nun Herodische Schiffe ankämen, um sie zu verderben. 22. Aber sie haben dort hinter einem Felsen eine Wache mit scharfen Augen aufgestellt, und diese hat nun schon bemerkt, daß wir weder Herodianer noch irgendwelche Pharisäer seien. Und diese Wache verläßt nun schon ihren Platz und wird uns bald so nahe kommen, daß sie sich bestimmter wird überzeugen können, wer wir sind. Darauf wird sie den sich vor uns versteckt habenden Bewohnern dieses Örtchens kundtun, daß wir keine Feinde sind, und die Bewohner werden darauf bald bei uns sein und eine übergroße Freude an den Tag legen, daß Ich sie besucht habe.“ Kapitel 147 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 147. — Die Begrüßung des Herrn durch die Fischer 1. Es geschah denn auch bald also, wie Ich es gesagt habe. Es dauerte gar nicht lange, da kamen alle aus ihrem Versteck ins Freie hervor, und Ich berief sie mit lauter Stimme zu Mir. 2. Sie erkannten alle sogleich Meine Stimme und schrien: „Das ist ja der große Heiland aus Nazareth, erfüllt mit aller Macht Jehovas! Laßt uns zu Ihm eilen!“ 3. Sie kamen eiligen Schrittes zu uns und grüßten Mich mit salbungsvollen Reden, mit denen auch ihr Herz vereint war, und dankten Mir für alle Wohltaten, die sie seit Meinem ersten Besuche im reichlichsten Maße genossen haben und noch immer fort genießen. Darauf baten sie Mich, daß Ich auch ferner ihrer und ihrer Kinder gedenken möchte, was Ich ihnen auch zusagte auf so lange hin, als sie in Meiner Lehre gläubig und tätig verharren würden. 4. Darauf führten sie uns in ihre Wohnungen und zeigten uns ihre sehr zweckmäßigen Einrichtungen, ihr Fischergerät, ihre Fischbehälter und so auch ihre Herden, bestehend aus Ziegen und Schafen. Auch Hühner hatten sie sich gezüchtet und Enten und Gänse, welche beiden letztgenannten Geflügelgattungen bei ihnen als urstämmlichen Griechen sehr beliebt waren. Ebenso zeigten sie uns auch ihre sehr bedeutenden Bienenhütten, die ihnen vielen überaus guten Honig gaben, den sie in Cäsarea Philippi um ein teures Geld leicht verkaufen konnten. Kurz und gut, dieses ehedem geistig und physisch gar überaus arme Völklein hatte in der Zeit von etwa anderthalb Jahren sich derart erholt, daß es sich nun in einem rechten Wohlstande befand. 5. Einer dieser Bewohner war ein Schmied und verstand sich wohl darauf, aus Eisen und auch andern Metallen allerlei nützliche und brauchbare Werkzeuge zu machen. Dieser hatte denn auch bis auf ein paar Spieße und Lanzen, die diesem Völklein bei Meinem ersten Besuche geblieben waren, bei der schon bekannten Gelegenheit diese Werkzeuge zum Verkaufe angeboten. Und diese Waffen kaufte ihnen nun unser Kisjona um ein Pfund Goldes ab nebst noch mehreren andern Werkzeugstücken, die er bei seiner großen Wirtschaft gut verwenden konnte. 6. Kisjona bat den Vorsteher dieser kleinen Gemeinde, ihn in Kis zu besuchen, wo sie miteinander verschiedenes zum Vorteile dieses Örtchens besprechen und abmachen würden. Der Vorsteher versprach, das zu tun, und hat es auch bald darauf getan nach seiner Rückkunft von Jesaira, das er diesmal, da ihn der Wirt mit uns dahinzufahren einlud, zum ersten Male hatte kennengelernt. Auch unser Wirt hat nun hier dem Schmied mehrere Werkzeuge abgekauft. 7. Nachdem der Vorsteher dem Kisjona, dem Philopold und dem Wirte in Kürze eine Beschreibung gemacht hatte, wie diese Gegend vor Meiner ersten Ankunft ausgesehen hatte, und wie sie durch Mein Wort auf einmal blühend geworden war, da verwunderte sich besonders der Wirt, dem das noch ungewöhnlicher vorkam als den beiden ersteren, die schon größere Zeichen von Mir gesehen hatten. 8. Darauf wollten uns die Bewohner mit allerlei bewirten; Ich aber sagte zu ihnen: „Meine lieben Freunde, darum sind wir nicht hierhergekommen, und wir werden uns auch bald wieder auf den Rückweg machen, da Ich so manches in Jesaira noch zu schlichten habe; aber darum bin Ich mit Meinen Jüngern und Freunden nun zu euch gekommen, weil ihr Meine Lehre treust bewahrt habt und zu wahren Edelsteinen Meines Willens geworden seid. 9. Weil ihr aber das geworden seid, so ist es auch an der Zeit, euch auch mit andern Menschen bekanntzumachen, die von euch die wahre Festigkeit im Glauben erlernen und erwerben sollen. Da ihr aber auch gute Redner seid, so möget ihr von nun an bei Gelegenheiten von Mir und von Meinem Reiche auf Erden zu andern Menschen reden und ihnen den Weg des Lebens zeigen. 10. Wer also nach Meiner Lehre lebt und handelt wie ihr und nicht sagt und bei sich denkt: ,Siehe, diesmal hat der Herr wieder ganz wie ein gewöhnlicher Mensch geredet, darin nicht viel vom Reiche Gottes zu entdecken war!‘, der wird auch das erreichen, was ihr schon erreicht habt und wird auch euch gleich sagen können: ,Nun lebe nicht mehr ich, sondern der Herr lebt in mir!‘ 11. Darum bleibet denn auch gleichfort, auch in euren Nachkommen, in Meiner Treue, und Ich werde bleiben in euch! Tut denn auch in Meinem Namen, was Ich euch nun angeraten habe, bei einer rechten Gelegenheit, die ihr schon gar leicht und bald erkennen werdet; doch den Schweinen von puren Weltmenschen sollet ihr Meine Perlen nicht vorwerfen! 12. Nun aber sage Mir, du Vorsteher dieser kleinen, aber bei Mir doch großen Gemeinde, warum ihr euch denn in des Waldes Dickicht versteckt habt, als ihr des Einlaufens unserer drei Schiffe in diese Bucht gewahr wurdet! Gedachtet ihr denn nicht der Kraft, die euch infolge eures unbeugsam festen Glaubens von Mir gegeben ist?“ 13. Sagte der Vorsteher: „O Herr und Meister voll der allerhöchsten Gottesmacht und -kraft, siehe, es hat das nun seine ganz eigentümliche Bewandtnis gehabt! Es hatten schon mehrere Male seit Deinem ersten Hiersein größere und kleinere Schiffe versucht, diese stets fischreiche Schilf- und Rohrbucht zu befahren; aber es gelang keinem, auch nur eine Handspanne weit über die Schilfgrenze hereinzudringen, denn mit der Macht Deines lebendigen Wortes und Willens in uns trieben wir alle sogleich weit ins Meer hinaus. Aber diesmal half uns aus einem mir nun sehr wohl begreiflichen Grunde Dein Wort und Wille in unseren Herzen nichts. 14. Als wir dieser drei Schiffe ansichtig wurden, verboten wir ihnen auch alsogleich in Deinem Namen das Einlaufen in diese Bucht; aber die Schiffe hielten nicht an, sondern drangen unaufhaltbar tiefer und tiefer in unsere Bucht herein. Da wurde uns allen ernstlich bange, und es blieb uns nichts anderes übrig, als die Flucht zu ergreifen und uns im Dickicht des Waldes zu verbergen und in der großen Höhle, die hinter dem Walde ihren unscheinbaren Eingang hat, sich aber im Innern derart ausbreitet, daß darin viele Tausende von Menschen einen überaus bequemen Raum finden würden. 15. Wir stellten aber dennoch eine Wache aus, die uns anzuzeigen hatte, wer aus den drei Schiffen, die der Macht Deines Wortes und Willens in uns nicht gehorchen wollten, ans Land steigen und was er dann machen werde. Die Wache benachrichtigte uns aber sogleich, daß die ans Land Gestiegenen weder Römer noch Herodianer, sondern ganz freundlich aussehende Menschen, bestehend aus Juden und Griechen, seien und keine Miene machten, in unsere Wohnhäuser zu dringen. 16. Auf diese Nachricht wurde uns leichter ums Herz, und wir rieten der Wache, sich noch näher zu überzeugen, wer die ans Land Gestiegenen seien. Wir bekamen eine noch bessere Nachricht. Darauf erst wagten wir selbst, ans Licht zu treten, vernahmen da Deinen uns wohlbekannten Ruf und eilten zu Dir, dem Vater und Herrn alles Seins und Lebens. 17. Nun wurde es uns freilich klar, warum die drei Schiffe uns nicht gehorchten; denn obwohl Dein Wort und Wille in uns wahrlich wundersamst mächtig ist, so wird er aber die Urmacht Deines höchsteigenen Willens doch ewig nicht erreichen und ihm irgend entgegenwirken können. Und das ist es auch, was wir diesmal sicher wohl zu wenig überdacht haben, und wir haben uns auch zuvor bei Deinem Geiste in uns nicht Rates zur Genüge erholt, ob wir den Schiffen in Deinem Namen hätten gebieten sollen oder nicht. Hätten wir uns diesmal auch also wie bei andern Gelegenheiten des Rates erholt, so wären wir denn auch ins klare gekommen, wen uns die Schiffe bringen; da wir aber das nicht getan haben, so mußten wir das durch unsere Angst und Flucht büßen. – Ist es nicht also, Herr und Meister?“ 18. Sagte Ich: „Ja, wohl ist es also, und ihr seid durch diese Erfahrung nun wieder um vieles klüger geworden; doch nun mache du, Vorsteher, dich auf, und fahre mit uns nach Jesaira!“ Kapitel 148 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 148. — Liebe, Sanftmut und Geduld sind besser als gerechter Eifer 1. Auf diese Worte machte sich der Vorsteher auf, bestieg das Schiff, in dem Ich mit Meinen alten Jüngern und den andern drei Freunden Mich befand, und fuhr dann mit uns nach Jesaira. Wir kamen bald und leicht in den genannten Ort, wo schon ein wohlbereitetes Mittagsmahl auf uns wartete. Es waren nur zwei Stunden Zeit über den Mittag hinaus verstrichen, und so war es noch um die gewöhnliche Zeit, in der wir zu Mittag zu speisen pflegten. 2. Unser Vorsteher war ganz erstaunt über das schöne Weizenbrot, und noch mehr über den guten Wein und über die bestbereiteten Edelfische. Nachdem wir das Mahl zu uns genommen hatten, begaben wir uns wieder in unseren schon bekannten Söller, von dem aus unser Vorsteher die sehr schöne Aussicht nicht genugsam loben konnte. 3. Als er sich alles nach allen Seiten angesehen hatte, sagte er (der Vorsteher): „Es ist doch sonderbar! Kaum zwei Stunden ist unser kleines Dorf von hier entfernt und liegt am selben Meere, und welch ein Unterschied zwischen hier und dort! Hier strotzt die Gegend von Anmut und reizendster Schönheit, und bei mir sieht es eher schrecklich als irgend anmutig aus. Um unser Dörflein sieht es nun durch Deine Gnade, o Herr, freilich wohl ganz erträglich aus, – aber mit einer das Gemüt so erquickenden Fernsicht hat es seine Not! Unsere wahrlich nicht unbedeutende Bucht ist am Eingange zu beiden Seiten mit einem ziemlich hohen und äußerst schroffen Vorgebirge derart eingeschlossen, daß wir von der Höhe unserer Wohnungen und auch von unserem Hintergebirge, soweit es wegen seiner Schroffheit nur höchst mühsam ersteigbar ist, nicht einmal das hohe Meer, geschweige etwas anderes ersehen können, weil sich das rechte Vorgebirge halbkreisförmig weiter ins große Meer hinaus dehnt und uns die Fernsicht vollends benimmt. 4. Aber dafür hat unsere Gegend wieder einen andern Vorzug vor dieser hier. Hier wird man sicher eher zur Weltliebe gewendet als in unserer wahren Wüste; und die Weltliebe taugt schlecht zur Erweckung des göttlichen Geistes im Menschen. Ist dieser einmal erweckt, dann freilich schadet dem Menschen auch der Anblick einer solchen Gegend, wie diese da ist, sicher nicht mehr!“ 5. Als unser Vorsteher der Bucht sich über diese Gegend wahrlich sehr sinnvoll ausgesprochen hatte, da erkundigte er sich, wer die zwanzig schlichten Männer seien, die auch die Bucht mit uns besucht, aber weder unter sich, noch mit jemand andern bis jetzt ein Wort gesprochen haben. Und Ich beschrieb sie ihm, worüber er eine große Freude hatte. 6. Ich berief darauf den Bootsmann, er besprach sich mit ihm und erstaunte über dessen Redekraft und über seinen Ernst und großen Mut. 7. Darauf erhob er sich, reichte dem Bootsmanne, wie auch allen seinen Gefährten freundlichst die Hand und sagte (der Vorsteher): „Mit solchen Männern im Bunde lassen sich große Dinge zum Heile der Menschen ausführen. Wahrlich, wer die Menschen dieser Welt noch fürchtet, der ist zur Ausbreitung des Reiches Gottes besonders in dieser Zeit nicht geeignet, wo Gewalt gegen Gewalt gebraucht werden muß, um der Wahrheit die Tore zu öffnen und ihr Eingang zu verschaffen! 8. Da heißt es nicht mehr im verborgenen wirken, sondern mit dem Lichte aus den ewigen Himmeln Gottes mutvoll auch den Königen und Fürsten dieser Welt entgegentreten und ihnen zeigen, daß auch sie Menschen sind, die so, wie sie sind, nicht ewig leben werden, sondern im großen Jenseits das Gericht und den ewigen Tod zu erwarten haben. Ja, ja, du hast recht: Wie Feuerbrände muß man den Weltlingen die Wahrheit ins Angesicht schleudern und mit flammendem Schwerte gegen die Priester der Lüge, des finsteren Aberglaubens und Betrugs kämpfen, sonst bleibt die Erde ein stetes Jammertal und Totengrab nicht nur ihres Fleisches, sondern auch ihrer Seelen.“ 9. Sagte nun Ich: „Ihr habet recht, und Ich lobe euren Eifer; doch merket euch das zu eurem gerechten Eifer noch hinzu: In der Klugheit des menschlichen Geistes liegt stets eine größere Kraft denn in seiner Faust; und wo der gewisse Ernst für sich wenig oder nichts ausrichtet, da wirkt die Liebe und ihre Geduld und Sanftmut Wunder. Der volle Ernst im eigenen Herzen und dessen Mut beherrsche euch selbst; eure Waffe gegenüber den Menschen aber bestehe stets nur in der Liebe, Sanftmut und Geduld, und ihr werdet auf diesem Wege, den Ich Selbst vor den Menschen wandle, mehr ausrichten als mit dem puren Feuereifer und seinem diamantenen Ernste! 10. Furcht sollet ihr wahrlich vor den Weltmenschen nicht haben, die in ihrem Grimme wohl euren Leib töten, aber eurer Seele nichts Weiteres mehr anhaben können; fürchten sollet ihr allein nur Den, der ein wahrer Herr über Leben und Tod von Ewigkeit her ist! 11. Doch wo ihr sehen werdet, daß ihr mit der Liebe und der rechten Weisheit mit den zu verfinsterten Menschen nichts ausrichten möget, denen kehret den Rücken und ziehet von dannen, und ihr werdet schon wieder Menschen finden, mit denen ihr in Meinem Namen gute Geschäfte machen werdet. 12. Bekennen sollet ihr Mich vor allen Menschen, da auch Ich euch bekenne vor Meinem Vater; aber aufdringen sollet ihr Mich den Weltfinsterlingen nicht und ihnen, als den Weltschweinen, auch nicht vorwerfen Meine Perlen! Denn Ich sage es euch: Mein Wort ist nur ein rechter Lebensdünger für den Weizen und Meine Lehre ein wahrer Dünger für des Weinberges edle Reben; aber für das Unkraut der Erde habe Ich keinen Lebensdünger, – denn dieses ist nur da, auf daß es zertreten und verbrannt werde und mit seiner Asche dünge den gemeinen Boden der Erde. 13. Wer zum Leben da ist auf der Erde, der soll durch Mein Wort zum Leben erweckt werden; wer aber da ist durch seinen eigenen Willen und Starrsinn für den Tod, der soll auch in den Tod übergehen. Wer auferstehen will zum Leben aus dem Grabe seiner Materie, der erstehe; wer aber fallen will, der falle! 14. Den Teufeln das Evangelium predigen, hieße Öl ins Feuer gießen; darum seid denn auch ihr allzeit wohl klug gleich den Schlangen, aber dabei dennoch so sanft wie die Tauben, und ihr werdet so gar sehr tüchtige Arbeiter in Meinem Weinberge des Lebens werden!“ 15. Als Ich solches zu den Feuereiferern geredet hatte, da wurden sie in ihrem Gemüte ganz umgestimmt und dankten Mir aus ihrem Innersten für diese Belehrung. Kapitel 149 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 149. — Die Voraussage des Herrn über Sein Ende 1. Darauf wurde bis zum Abend hin noch vieles gesprochen über die Erde, ihre Gestalt, über Sonne, Mond und Sterne und über die anderen Erscheinungen in der Naturwelt, worüber alle eine große Freude hatten. 2. Und unser Vorstand aus der Bucht sagte: „Dir, o Herr und Meister, alles Lob, alle Ehre, alle Liebe und allen Dank, daß Du auch solches vor uns enthüllt hast und wir nun wissen, wie das große Haus – Erde genannt –, das wir zeitweilig bewohnen, aussieht und beschaffen ist! Denn die Unkenntnis in diesen Dingen war zumeist die Quelle des bösen Aberglaubens und dieser eine nahezu unversiegbare Nährquelle für die faulen und trägen Götzenpriester. Aber es soll nun bald anders werden mit Deiner Hilfe!“ 3. Hier kam ein Diener und lud uns zum Nachtmahle; denn die Sonne war schon vor ein paar Stunden untergegangen. Wir erhoben uns denn auch sogleich von unseren Plätzen im Söller, begaben uns ins Haus und nahmen das Nachtmahl zu uns. 4. Nach dem Nachtmahle blieben wir noch bis gen Mitternacht wach, in welcher Zeit diesmal Mein Johannes auf Mein Geheiß vieles den zwanzig Fischern und dem Buchtvorsteher erklärte. Um die Mitte der Nacht begaben wir uns zur Ruhe und waren vor dem Aufgange dennoch auf den Beinen. 5. Die Fischer aber begaben sich nach Hause, kamen jedoch am frühesten Morgen schon wieder mit einer Ladung der besten Fische nach Jesaira, die auch sogleich fürs Morgenmahl zubereitet wurden. 6. Ich begab Mich aber, wie gewöhnlich, vor dem Aufgange ins Freie, begleitet von allen, die in diesem Orte bei Mir waren. Im schönen Söller legte Ich den zwanzig Fischern, dem Buchtvorstande, dem Wirte, dem Kisjona und dem Philopold die Hände auf und erfüllte sie mit der Kraft, in Meinem Namen allerlei Kranke zu heilen, und gab ihnen das Recht, Meine Lehre unter den Menschen auszubreiten, und das unter den blinden Juden und Heiden. 7. Alle dankten Mir aus dem Innersten ihres Herzens für diese Berufung und begaben sich dann mit Mir zum Morgenmahle. 8. Beim Morgenmahle sagte die Maria zu Mir: „Mein allerliebster Sohn, Du hast doch allenthalben so viele Zeichen gewirkt, hier aber hast Du nichts von Deiner wahrsten Gottesmacht merken lassen. Wirke doch auch hier ein Zeichen, bevor Du weiterziehst!“ 9. Sagte Ich: „Weib, rede mit den Fischern, und sie werden es dir sagen, ob Ich hier kein Zeichen gewirkt habe! Ich bin aber in diese Welt nicht der Zeichen wegen, sondern der Wahrheit und des Lebens der Seele wegen gekommen, auf daß ein jeder, der an den Menschensohn glaubt, das ewige Leben in sich habe. 10. Meiner Zeichen wegen wird kein Mensch selig werden, wohl aber ein jeder, der an Mich glaubt und nach Meiner Lehre lebt und handelt. Zudem habe Ich nun Meinen Freunden die Macht erteilt, den armen und leidenden Menschen Gutes zu erweisen in Meinem Namen, und das ist sicher ein größeres Zeichen, als so Ich nun vor euren Augen eine Welt erschaffen würde! 11. Ich werde aber am Ende Meiner Zeit auf dieser Erde, die in der kommenden Osterzeit in Jerusalem sein wird, ein größtes Zeichen für alle Menschen wirken, durch das viele zum ewigen Leben und gar viele aber zum Gerichte und ewigen Tode gelangen werden. Wer sich da an Mir nicht ärgern wird, der wird das Leben der Seele erhalten.“ 12. Sagte Maria: „Worin wird denn das letzte große Zeichen bestehen, auf daß auch ich nach Jerusalem komme und Dein größtes Zeichen, von Dir gewirkt, anschaue?“ 13. Sagte Ich: „Weib, du wirst wohl nach Jerusalem kommen und Mein letztes und größtes Zeichen, das Ich wirken werde, anschauen, aber du wirst darob keine Freude, sondern eine große Trauer in deinem reinsten Herzen haben! Ich werde verraten, von den Pharisäern ergriffen und dem Gerichte überantwortet und am Kreuze dem Leibe nach wie ein gemeinster Verbrecher getötet werden; aber am dritten Tage werde Ich aus Meiner eigenen Kraft und Macht wieder auferstehen und kommen zu allen Meinen Freunden und Brüdern und werde ihnen die Macht erteilen, die Sünden den Menschen in Meinem Namen zu vergeben und die Toten zum Leben zu erwecken. Siehe, Weib, darin wird Mein letztes und größtes in Meinem Fleische gewirktes Zeichen bestehen!“ 14. Sagte die Maria und die andern Freunde mit ihr: „Aber, Herr und Meister, das wirst doch Du nicht über Dich kommen lassen?!“ 15. Sagte Ich: „Des Vaters Willen in Mir kenne nur Ich, und Meine Seele weiß es, was Ich zu wirken habe! Wer sich an Mir nicht ärgern wird, der wird Mir gleich den Tod überwinden und zum ewigen Leben durchdringen. 16. Wer dieses Leibes Leben liebt der Welt wegen, der wird das Leben der Seele verlieren; wer es aber nicht liebt um Meinetwillen, der wird es erhalten für ewig in Meinem Reiche.“ 17. Auf diese Meine Worte wurden alle Anwesenden betrübt und dachten bei sich, was daraus werden solle. 18. Und Ich sagte: „Was betrübet ihr euch darob? Meinet ihr denn, daß Ich euch nach Meines Leibes Tode etwa verlassen werde? Oh, mitnichten! Ich werde dann erst recht bei den Meinen verbleiben bis ans Ende der Zeiten dieser Erde und für jeden, der an Mich glauben wird, offen halten die Tore zum ewigen Leben in Meinen Himmeln. Es werden sich zwar Meine Schafe zerstreuen, so Ich als ihr Hirte geschlagen werde, – aber Ich Selbst werde sie dann wieder sammeln, und es wird dann nur eine Herde und ein Hirte sein für immerdar; die Böcke und die Wölfe in Schafspelzen aber werden ausgeschieden und dem Gerichte und Tode der Materie überliefert werden.“ 19. Als Ich diese kleine Rede beendet hatte, da ertönte eine Stimme in der Luft des Saales, und die Worte lauteten: „Dieser Jesus mit Fleisch und Blut ist Mein geliebter Sohn, den sollen loben alle Geschlechter der Erde! Er ist der verkörperte Ausdruck Meiner Liebe, Meiner Weisheit und Meines Willens. Ich bin in Ihm und Er in Mir; Wir sind vollends Eins. Wer Ihn sieht und hört, der sieht und hört auch Mich; und wer Meinen Willen tut, der hat in sich das ewige Leben.“ 20. Auf diese Worte fielen alle vor Mir nieder und wollten Mich anbeten. 21. Ich aber sagte zu allen: „Erhebet euch vom Boden; denn an derlei Ehrenbezeigungen habe Ich kein Wohlgefallen, wohl aber an eurer Liebe, und daß ihr treu und tätig verharret in Meiner Lehre! 22. Der Friede sei denn mit euch, – doch kein Friede, wie ihn die Welt hat und gibt, sondern der innere Friede des Herzens, der Seele in Meiner Liebe, die da ist das ewige Leben! Amen.“ 23. Auf diese Meine Worte erhoben sich alle und dankten Mir für diese Tröstung und wurden wieder heiteren Mutes. Kapitel 150 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 Der Herr in der Gegend von Cäsarea Philippi. 150. — Die Reise von Kis zu Markus bei Cäsarea Philippi 1. Darauf sagte Ich zu Kisjona: „Freund, nun laß deine drei Schiffe abermals zu einer Weiterfahrt sich fertig halten; denn Ich will zum alten Markus, der da in der Nähe der Stadt Cäsarea Philippi wohnt, ziehen und ihn stärken, denn er leidet schon ein halbes Jahr an einem Fieber.“ 2. Kisjona ließ denn auch sogleich seinen Schiffern sagen, was sie zu tun haben sollen. Und es wurden die Schiffe sofort zur Weiterreise hergerichtet. 3. Es fragten Mich auch die zwanzig Fischer, ob einer oder der andere Mich an den angegebenen Ort begleiten dürfte, ebenso auch Maria und Joel und der Vorstand aus der Bucht. 4. Und Ich sagte zu den Fischern: „Tut, wie es euch freuet; aber es genügt, so der Bootsmann und noch ein Gefährte als Zeugen mitfahren in die wenigen Orte, die Ich am Meere Galiläas besuchen werde. Also mögen Mich auch Maria und Joel und der Vorstand aus der Bucht begleiten; und so denn machen wir uns auf die Abreise!“ 5. Es fragte Mich aber auch der Wirt, ob auch er mit seinem ältesten Sohne Mich begleiten solle. 6. Sagte Ich: „Auch du hast einen völlig freien Willen; tue demnach, wie es dich verlangt in deinem Herzen!“ 7. Auf diese Meine Worte machte sich auch der Wirt in aller Eile zur Abreise bereit. 8. Wir bestiegen darauf die Schiffe und fuhren in der Richtung gen Cäsarea Philippi ab. 9. Als wir schon beinahe eine Stunde Weges auf dem Wasser weitergekommen waren, da kamen uns ein paar Schiffe aus der Gegend Tiberias entgegen und waren stark belastet mit Salz und Getreide; und da ihnen unser für uns gute Wind entgegenwehte, so litten sie Not und fürchteten, daß sie untergehen könnten. 10. Sie (die Schiffer) baten uns denn flehentlichst, ob wir ihnen nicht helfen möchten. 11. Und Ich sagte: „Warum habt ihr eure beiden Schiffe so stark belastet? Ein anderes Mal lasset euch von der Gewinnsucht nicht so stark betören, und lasset auch euren Nachbarn einen Verdienst zukommen, so werdet ihr mit euren Schiffen keine solche Gefahr und Not zu bestehen bekommen! Dort kommen aber nun ein paar leere Schiffe hierher, auf die überladet die Hälfte eurer Ware, und teilet dann in Kapernaum mit ihnen euren Gewinn, und ihr sollet unbeschädigt daselbst ankommen. Werdet ihr aber in Kapernaum geizig sein, dann möget ihr sehen, wie ihr wieder nach Tiberias zurückkommen werdet!“ 12. Die Schiffer versprachen Mir das, und die zwei leeren Schiffe kamen herbei, und Ich sagte ihnen, was sie tun sollten gegen den halben Gewinn in Kapernaum; und es geschah alsbald, wie Ich es angeordnet hatte. 13. Darauf dankten Mir alle Schiffer auf den vier Schiffen und fuhren dann trotz des Gegenwindes in der Richtung nach Kapernaum weiter. 14. Wir aber fuhren auch mit gutem Wind, der unseren Schiffern das Rudern sehr erleichterte, auf den Ort unserer Bestimmung zu, den wir denn bald erreichten. 15. Als wir im Orte des Markus ankamen, da fanden wir viele Gäste daselbst, die hier die Heilquellen mit guten Erfolgen benutzten. 16. Des Markus Diener kamen denn auch eiligst ans Ufer und bedeuteten uns, daß wir, so wir etwa auch die Heilquellen benutzen möchten, schwer eine Unterkunft finden würden, da alle Räumlichkeiten mit Gästen aus allen Ländern überfüllt seien; zudem liege der Herr krank, und es sei nun schwer, mit ihm zu reden, da gerade heute sein Fiebertag sei. 17. Sagte Ich: „Ihr seid neue Diener in diesem Hause und kennet Mich nicht; aber der Besitzer Markus und sein ganzes Haus kennen Mich. Daher gehet hin zu eurem Herrn und saget ihm: Der Herr und Meister ist angekommen mit Seinen Jüngern und mit Seinen Freunden! Er solle sich aus dem Bette machen und zu Mir herauskommen, und er wird von seinem Fieber alsbald geheilt werden. Gehet und hinterbringet ihm das!“ 18. Da gingen die Diener und sagten das dem Markus und auch dessen Weib und Kindern. Als die das vernahmen, da entstand ein großer Jubel unter ihnen, und alle beeilten sich, um ja so schnell als möglich zu Mir hinauszukommen. 19. Als der alte Markus Meiner ansichtig ward, da streckte er seine Arme aus und sprach mit lauter Stimme: „O Herr und Meister voll göttlicher Liebe und Erbarmung, mit welch großer Sehnsucht haben wir alle Dich erwartet, daß Du in unserer Not uns sicher einmal besuchen wirst, wie Du uns das denn auch, als Du hier warst, zu unserem und gar vieler andern Menschen Heil und Wohle versprochen hast. Und da nun meine wahre Not nahe den höchsten Punkt erreicht hat, bist Du denn auch gekommen, um mir und auch meinem schon alten und samt mir schwach und mühselig gewordenen Weibe zu helfen und mein ganzes Haus von neuem zu stärken im Glauben an Dich und an Deine Lehre. Oh, wir alle danken Dir im voraus für die übergroße Gnade, daß Du uns Deines Besuches gewürdigt hast!“ 20. Sagte Ich: „Ereifere dich, lieber Freund, nicht so sehr; denn du weißt es, daß Ich auch die innere Sprache des Herzens wohl vernehme und auch bestens verstehe! Aber vor allem seid ihr, du und dein Weib, nun völlig gesunden Leibes! 21. In der Folge aber esset keinen Fisch mehr, der im Wasser tot geworden ist; einen geschlachteten Fisch aber lasset keine halbe Stunde Zeit ohne Salz und Thymian und Kümmel! Bereitet ihn dann auf die euch bekannte jüdische Art, und ihr werdet von Fiebern aller Art und Gattung verschont bleiben! Dasselbe beachtet auch beim Fleische der Tiere, und esset kein faul werdendes Obst und kein verschimmeltes Brot!“ 22. Auf diese Meine Worte wurden der alte Markus und dessen Weib und Kinder vollkommen gesund und kräftig, und alle dankten mit vielen Freudentränen in ihren Augen für die Heilung ihres Leibes und für den ihnen erteilten Rat. Kapitel 151 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 151. — Des Markus Bericht über die Heilerfolge in seinem Bade 1. Darauf sagte Ich zu Markus: „Freund, deine neuen, Mich noch nicht kennenden Diener hatten Mir bei Meiner Ankunft bedeutet, daß wir ob deiner vielen Badegäste hier schwer eine Unterkunft finden würden! Was sagst denn da du dazu?“ 2. Sagte Markus: „O Herr und Meister! Du bei mir keine Unterkunft finden?! Mit Dir dürften noch hundert Male so viele Jünger und Freunde hier anlangen, als das nun der Fall ist, so wollte und könnte ich sie jahrelang bestens beherbergen. Meinen neuen Dienern, deren ich in einer großen Anzahl besitze, schmeckt nur die Arbeit nicht, und so machen sie den neu ankommenden Gästen hinsichtlich der Aufnahme immer Schwierigkeiten; aber wenn die Gäste sie dann mit Geld zum voraus schon beteilen, dann gibt es denn auch bald keinen besondern Unterkunftsmangel mehr. Und das scheint mir auch bei Dir und mit euch der Fall gewesen zu sein. 3. Ich werde aber den faulen Dienern darob schon eine ganz gehörige Predigt machen, auf daß sie wissen sollen, was sie für die Folge mit den Gästen zu tun haben, die hier in dieser Anstalt, die nur Du, o Herr und Meister, allein zum Heile der Menschen geschaffen hast, eben vielfach erprobt ihr Leibesheil suchen und daneben auch sehr oft schon ihr Seelenheil gefunden haben; denn ich und Meine Kinder und alten Diener haben es niemals ermangeln lassen, Dich als den wundervollsten Meister dieser Anstalt allen Gästen derart bekanntzugeben, daß sie nur durch den lebendigen Glauben an Dich in dieser Anstalt das wahre Heil ihres Leibes und ihrer Seele finden können. 4. Und Heiden und Juden glaubten unseren Worten; die aber nicht glaubten, die gingen auch ebenso aus der Anstalt, wie sie gekommen waren. Und das waren zumeist Pharisäer von Jerusalem und auch aus vielen andern Orten und Gegenden. Sie glaubten nicht, was wir ihnen doch so treu bekanntgaben, schimpften über unsere Predigten, ärgerten sich, weil sie uns, die wir Römer sind, nichts anhaben konnten, und verließen die Anstalt denn auch ebenso, wie sie gekommen waren. 5. Es ist aber wahrlich merkwürdig mit diesen Menschen! Sie sahen Hunderte, die hier den vollen Glauben an Dich angenommen haben und darum von allen ihren Übeln und Gebrechen vollkommen geheilt worden sind, und doch sagten sie, das sei ein purer Betrug und eine mehrfache Gotteslästerung, so man nur durch den Glauben an Dich in dieser Anstalt eine Heilung zu erwarten hätte. Wenn da die Heilquellen durch ihre Naturkraft nicht zu heilen vermöchten, die ihnen von Gott verliehen sei, so sei die Heilung durch den Glauben an Dich ein pures Satanswerk; und wer da also geheilt worden sei, der habe seine Seele auch vielfach dem Teufel verschrieben. 6. Ich habe mit diesen Menschen aber besonders in diesem Jahre wenig Umstände gemacht. Wenn sie gekommen sind, so nahm ich sie gar nicht mehr auf; und fragten sie um den Grund, da sagte ich zu ihnen das, was meine neuen Diener Dir bei Deiner Ankunft gesagt haben, und sie mußten abziehen. 7. Es kam von Kapernaum vor ein paar Monden sogar eine Untersuchung deshalb, weil sich höchstwahrscheinlich die dortigen Pharisäer, Schriftgelehrten und Rabbis samt ihrem Obersten beim römischen Hauptmann beschwert hatten. Aber ich kam dabei – sicher nur mit Deiner Hilfe – ganz gut aus; denn in derselben Zeit hatte sich die Anstalt so sehr mit Römern und Griechen angefüllt, daß es mir wahrlich schwer gekommen wäre, noch einen Menschen in die Anstalt aufzunehmen. 8. Die die Untersuchung führenden Römer mußten oben auf dem Dir wohlbekannten Hügel, und zwar im neuen, Dir zur Ehre erbauten großen Söller acht Tage lang die Nachtruhe nehmen. Weil auf diese Art die benannten Judenpriester gegen mich nichts auszurichten vermochten – nach dem römischen Richterspruch ULTRA POSSE NEMO TENETUR [Man verlangte von niemandem mehr, als er vermag.] –, so besuchten sie diese Anstalt gar nicht mehr, und es ist darum denn nun auch kein solches Individuum in dieser Anstalt anwesend, was Dir, o Herr und Meister, sicher nicht unangenehm sein wird. 9. Und mit dem habe ich Dir nun alles, was mir das Wichtigste zu sein dünkte, offen Deiner Jünger und Freunde wegen, weil sie nicht Dir gleich allwissend sind, mitgeteilt, und nun wolle Du, o Herr und Meister, meinem Wohnhause mit Deinem Eintritt die segensvollste Gnade erweisen, und es wird sogleich für ein reichliches und gutes Mahl gesorgt werden; an Wein und Brot aber hat es in Meinem Hause ohnehin keinen Mangel.“ 10. Sagte Ich: „Ich kam darum denn ja auch zu dir, weil Ich ein paar Tage in deinem Hause verweilen will. Doch heute und morgen machet Mich nicht ruchbar bei den hier anwesenden Gästen; sollte Mich ohne euer Zutun jemand erkennen, so werde dann schon Ich mit ihm reden! 11. Hier aber siehst du auch die Mutter Meines Leibes. Dein Weib und deine Kinder sollen von ihr gesunde Speisen bereiten lernen. Und nun wollen wir in dein Haus, das du erweitert hast, ziehen und etwas Brot und Wein zu uns nehmen!“ 12. Darauf gingen wir ins Haus, setzten uns zu den Tischen und nahmen etwas Brot und Wein zu uns. Maria unterhielt sich gleich mit der Familie des Markus, Ich aber machte ihn mit allen, die nun bei Mir waren, und die unser Markus noch nicht kannte, bekannt, und er befragte sie um verschiedenes und erkannte aus ihren Antworten, daß sie von Meinem Geiste durchdrungen waren, und er hatte darob eine große Freude an ihnen und erzählte ihnen vieles von den Zeichen und Begebnissen, die sich bei Meinem ersten Hiersein zugetragen hatten. 13. Und es vergingen so ein paar Stunden wie ein paar selige Augenblicke. In dieser Zeit ward denn auch das Mahl bereitet, in den ganz geräumigen Speisesaal gebracht und auf die Tische gesetzt. Wir nahmen es auch sogleich zu uns und begaben uns darauf auf den schon bekannten Hügel und bezogen den neuen Söller, den der Wirt von Jesaira nicht genug bewundern und loben konnte. Es war für alle ein hinreichender Raum und für noch zehnmal so viele, als wie groß da war unsere Anzahl, auch noch darüber. 14. Hier fragte Kisjona den Markus, ob dieser Söller sicher auch häufig von Kurgästen besucht werde, und um welche Zeit. 15. Sagte Markus: „Du möchtest etwa wohl mit den Fremden hier nicht zusammenkommen? Habe darob keine Sorge! Da sieh nur in den sicher sehr großen Prachtgarten hinab, wie es im selben von Kurgästen wimmelt! Gegen das Meer siehst du mehrere große herrliche Aussichtssöller und in ihnen überall eine Menge Menschen. Die Gäste erheitern sich demnach stets im Garten, und nur selten wirst du jemanden außerhalb des Gartens ersehen. Und dieser Söller auf diesem eben nicht gar niederen Berge wird trotz der herrlichen Aussicht, die man von hier nach allen Richtungen hin genießt, von den Gästen noch seltener besucht; denn so sie als Kranke ankommen, da haben sie keine Lust, auf diesen Berg zu steigen, und sind sie geheilt, so ziehen sie lieber sogleich in ihre Heimat. Und so wird dieser Punkt von den Fremden stets nur sehr selten besucht und dient daher nur mir und den Meinigen zur Erheiterung. Wir sind demnach hier ganz sicher und werden von den Fremden nicht belästigt werden.“ 16. Damit waren unser Kisjona und auch alle andern zufrieden. 17. Alle bewunderten nun die herrliche Aussicht, und Markus beschrieb ihnen alle Orte, Gegenden und Berge und erheiterte sogestaltig über eine Stunde lang die Gesellschaft. 18. Auch Ich erklärte mitunter einiges aus der Vorzeit, das sich in dieser Gegend zutrug, und so wurde hier die ganz weit ausgedehnte Gegend topographisch und historisch zergliedert. 19. Als sich die Sonne dem Untergange zu nahen anfing, da bemerkten wir ein wohlerkennbar römisches Schiff auf unseren Ort lossteuern, und alle fragten Mich, wen etwa dieses Schiff wohl bringen werde. 20. Sagte Ich: „Um das zu bestimmen, braucht man eben nicht allwissend zu sein. Wo ein bekannter Heilort ist, da ziehen auch die Kranken hin. Es sind etliche Griechen und Römer; lasset sie kommen! Denn wer da gläubig ein Heil sucht, der soll es auch finden. 21. Nach einer Weile kam das Schiff auch ans Ufer und brachte zehn Römer und sieben Griechen in den Ort, die von den Dienern, die uns ehedem beinahe nicht aufnehmen wollten, dennoch ohne Anstand aufgenommen und sogleich in der Heilanstalt untergebracht wurden. 22. Wir aber blieben noch eine volle Stunde der Zeit nach dem Untergange auf dem Berge, und Meine Jünger erzählten dem Markus vieles von Meinen Reisen, Lehren und Taten, an welchen Erzählungen unser Markus und auch alle die andern eine große Freude hatten. Nach der beendeten Erzählung begaben wir uns wieder hinab ins Haus, nahmen ein kleines Abendmahl zu uns und begaben uns dann zur Ruhe. Kapitel 152 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 152. — Die Frage der Jünger an den Herrn über den Grund Seiner Naturfreude 1. Am Morgen vor dem Aufgange befanden wir uns schon wieder im Freien, und zwar am Meeresufer, wo sich auch einige schon mehr geheilte Kurgäste befanden und sich an dem Wogenspiel der weitgedehnten reinen Wasserfläche vergnügten. 2. Es fragten Mich aber einige Jünger, sagend: „Herr und Meister, wir bemerken das, seit wir um Dich sind, daß Du stets gut eine Stunde Zeit vor dem Aufgange auch zur Winterszeit Dich ins Freie begibst und Dich gleich uns Menschen an den Erscheinungen der Naturwelt erheiterst. Da Dir aber ohnehin alles erschaulich bekannt ist, was nicht nur auf und in dieser Erde, sondern auch in der ganzen Unendlichkeit ist und geschieht, war und geschehen ist und sein und geschehen wird, so haben wir schon oftmals darüber nachgedacht, wie Du an den Dingen und Erscheinungen auf einem nur kleinen Flecke dieser Erde doch noch irgendein Wohlgefallen haben kannst und magst!“ 3. Sagte Ich: „Das war einmal wieder eine so recht menschlich blinde Frage von euch! So Ich an den Dingen und Erscheinungen auch in dieser materiellen Natur kein größeres und innigeres Wohlgefallen hätte denn ihr, da würde von dieser ganzen Erde mit allem, was auf ihr, in und über ihr sich befindet, gar sehr bald auch nicht ein Pünktlein mehr irgend sich vorfinden. 4. Es ist ja doch alles, was da ist, Meine ewige Liebe verkörpert vor euren Augen; wie sollte Ich dann kein Wohlgefallen an Meiner Liebe haben, die doch von Ewigkeit her Alles in Allem ist? 5. Daß Ich Mich aber stets schon am frühen Morgen, wie oft auch bis in den späten Abend, gerne im Freien befinde, das hat seinen doppelten Grund: Denn erstens sollet ihr daraus lernen, wie auch in des Menschen Seele der geistige Morgen ähnlich dem dieser Erde frühzeitig erwachen soll und dann, daß Ich an solch einem frühzeitigen Morgen im Menschen eben auch schon eher, als es in ihm zum vollen Aufgange kommen wird, gegenwärtig sein und Mich an dem stets heller werdenden Lebensmorgen ebenso erfreuen werde, wie Ich Mich vor euch sichtbar und euch zu einem wahren Beispiele an jeglichem Naturmorgen erfreut habe. 6. Und zweitens aber sollet ihr aus Meinem steten und frühen Morgenbesuche die Tätigkeit und den rechten Eifer kennenlernen und sollet Mir auch darin gleichen und die Menschen, denen ihr Mein Evangelium predigen werdet, dessen wohl erinnern; denn nur durch den rechten Eifer und durch eine frühe Tätigkeit kann der Mensch zum wahren Reiche Gottes in sich gelangen und es dann auch für ewig behalten. 7. Daß Ich aber auch die Abende gerne im Freien zubringe, dadurch zeige Ich euch an, erstens, daß der Mensch auch am Abende seines Erdenlebens tätig sein soll, um zu kräftigen das innere Lebenslicht. Denn wer sich zu früh zur trägen Ruhe begibt und sich in seinem Hause dem sorglosen Schlafe ergibt, der wird es leicht erleben, daß Diebe bei ihm einbrechen und ihn seiner Schätze berauben werden; wer aber lange wach bleibt, dem wird solch ein Unheil so leicht nicht begegnen. 8. Der andere und zweite Grund, warum Ich auch die Abende gerne im Freien zubringe, aber besteht in dem: Ihr möget daraus ersehen, daß dann erst am Abend eine freie Ruhe zu einer wahren Seligkeit wird, so man schon vom frühen Morgen an den Tag über bis zum Abend hin vollauf tätig gewesen ist. 9. So ihr nun das von Mir euch Gesagte wohl begriffen habt, da bleibet in diesem Lichte, und fraget hinfort nicht so leicht wieder um Dinge, die euch nun doch schon von selbst einleuchtend sein sollten. Habt ihr das wohl verstanden, so tuet auch danach; denn aus dem Verständnisse allein könnet ihr in euch das wahre Reich Gottes nicht wachrufen!“ 10. Als die Jünger und auch alle die andern das vernommen hatten, da dankten sie Mir für Meine Geduld mit ihnen und baten Mich auch für fernerhin um Geduld. 11. Und Ich sagte: „Ein jeder Mensch, der viel Liebe hat, der hat auch viel Geduld; Ich aber habe die meiste, höchste und reinste Liebe zu euch, und so habe Ich mit euch denn auch sicher die größte Geduld. Wer da in Mir verbleibt durch seine Liebe zu Mir, in dem bleibe auch Ich; denn Ich Selbst bin da ja seine Liebe und seine Geduld.“ 12. Hier nahten sich Mir zwei Kurgäste und fragten den neben Mir stehenden Wirt Markus, wer Ich wäre; denn sie hätten Mich weise reden hören und hielten Mich für einen Weltweisen. – Es waren dies zwei Griechen nach der Lehre des Pythagoras. – 13. Markus aber sagte zu ihnen: „Da ist unaussprechbar mehr denn der griechische Weise Pythagoras! Pythagoras konnte keinen Blinden sehend und keinen Tauben hörend machen; Der aber kann das aus Seiner höchsteigenen Macht, und selbst einen Toten kann Er zum Leben erwecken! Und das ist sicher endlos mehr denn Pythagoras.“ 14. Da wollten die beiden mit Mir zu reden anfangen; aber es kam ein Diener und lud uns zum Morgenmahle. Die beiden aber folgten uns bis zum Hause und harrten, bis Ich wieder aus dem Hause käme; denn sie wollten um jeden Preis Mich näher kennenlernen. 15. Diesmal hielten wir uns beim Morgenmahle über eine Stunde Zeit auf, und unseren zwei Griechen wurde die Zeit lang. Ins Haus getrauten sie sich aber doch nicht zu treten, da sie das als welthöfliche Menschen für unschicksam hielten; aber sie befragten bald den einen und bald wieder den andern Diener, ob er Mich nicht näher kenne. 16. Die Diener aber hatten von Markus das Gebot erhalten, Mich nicht ruchbar zu machen vor der Zeit, die Ich, so es nötig würde, Selbst bestimmen würde; und so konnten die beiden Griechen sogar um ein den Dienern angebotenes reichliches Trinkgeld über Mich nichts Weiteres erfahren, als was ihnen zuvor Markus gesagt hatte. 17. Endlich aber wurde unser Mahl beendet, das diesmal darum etwas länger angedauert hatte, weil unsere Maria mehrere Begebenheiten aus ihrer und auch aus Meiner Jugendzeit erzählt hatte, welche von Matthäus auch in einem besonderen Buch getreu aufgezeichnet wurden. Kapitel 153 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 153. — Der Herr und die beiden Griechen 1. Wir begaben uns denn nun wieder ins Freie, und als Ich noch kaum den einen Fuß über die Türschwelle gesetzt hatte, da verneigten sich die beiden Griechen sogleich tief vor Mir und baten Mich, daß Ich ihnen doch nur etwas wenig Näheres über Mich Selbst kundgeben möchte. 2. Ich aber sagte zu ihnen: „Was soll Ich zu euch über Mich Selbst wohl reden? Denn fürs Wort allein habt ihr als kernfeste Anhänger des Pythagoras und zum Teil auch des Aristoteles keinen Glauben; und wirke Ich ein Zeichen vor euren Augen, so werdet ihr sagen: ,Ah, er ist einer aus der Schule der Essäer!‘ Und so möget ihr das nun wohl von selbst einsehen, daß ein Zeugnis von Mir Selbst über Mich keinen großen und für euch nutzbaren Wert hätte, und es wird darum vorderhand schier klüger sein, vor euch zu schweigen denn etwas zu reden.“ 3. Sagten die beiden Griechen: „Meister, du hast recht und wahr geredet, und wir haben nun schon aus dem, wie du uns mit wenigen Worten haarscharf charakterisiert hast, nur zu klar ersehen, daß du in des Menschen Inneres überaus helle Blicke richten kannst, und es dürfte selbst einem weltklügsten Weisen sehr schwer werden, sich vor dir nur im geringsten verstellen zu können. Da wir aber dieses schon aus deinen wenigen Worten entnommen haben und darum keinen Grund haben, deinen Worten nicht zu trauen, so kannst du, so es dein Wille ist, uns schon ein mehreres über dich selbst kundtun; denn ein Wort aus dem Munde eines wahrhaft großen Weisen wiegt mehr fürs Leben von vielen tausendmal tausend Menschen denn alle Schätze der Erde, die sie am Ende ihrer Tage nicht zu stärken und zu trösten vermögen. 4. Das Wort des Weisen aber wird ein bleibend Angehör des Menschenherzens, und so es in ihm zu dämmern und sehr lebensabendlich zu werden beginnt und er in die Tage kommt, die ihm nicht mehr gefallen, da wird das Wort zu einer Leuchte voll Trostes und der wahren, inneren Lebenskraft und somit eines jeden Menschen wahrster und innigster Freund. Und darum möchten wir von dir denn auch einige Worte über dich selbst aus deinem Munde vernehmen; denn wir sind schon im voraus der vollsten Überzeugung, daß unsere Herzen in deinen Worten einen großen Trost und eine rechte und wahre Stärkung finden werden.“ 5. Sagte Ich: „So ihr solchen Glaubens seid, da kommet mit uns auf den Berg in den Söller, und wir wollen uns alldort näher besprechen!“ 6. Sagten die beiden Griechen: „Meister, dieser Felsberg ist zwar nicht hoch, aber er ist sehr steil, und es gehören eine gute Lunge und ziemlich gesunde Füße dazu, um ohne eine erhebliche Anstrengung in den Söller auf dem Berge zu gelangen. Wir sind – dem Gott der Juden alles Lob! – in dieser Anstalt wohl schon auf dem Wege der Besserung, doch mit unserer Brust und mit unseren Füßen will es sich noch nicht so recht machen, und es dürfte uns denn am Ende doch etwas schwer werden, den Söller auf dem Berge oben zu gewinnen. Möchtest du uns denn nicht hier in der Ebene nur eine kurze Zeit widmen, für die wir dir sicher nach unseren Kräften dankbar sein würden?“ 7. Sagte Ich: „Liebe Freunde, warum Ich nur auf dem Berge mit euch reden will, das weiß Ich allein am besten, und ihr werdet es dann auch wissen. Fürchtet euch darum nicht vor diesem Hügel; denn eure kleine Mühe wird in eine rechte Tröstung verwandelt werden!“ 8. Auf diese Meine Worte entschlossen sich die beiden Griechen, doch mit uns den Berg zu besteigen, und als wir oben im Söller angekommen waren, verwunderten sich die beiden, daß sie die Höhe mit beinahe gar keiner fühlbaren Mühe und Anstrengung ganz leichten Atems erreicht hatten, und meinten, daß auch dieser Berg, so wie die sicher aus seinem Innern entstammenden Heilquellen, in seiner Ausdünstung sehr heilsam auf den Leib der Menschen wirken werde. Bei ihnen werde solchen Bergen eine Art göttlicher Verehrung erwiesen, und ihre Spitzen würden mit einem oder oft auch mehreren den Göttern geweihten Tempeln geziert; denn die Menschen meinten und glaubten auch, daß solche Berge mit ihren Heilquellen zu öfteren Malen von den unsterblichen Göttern eigens darum besucht und gesegnet worden seien, damit sie der leidenden, sterblichen Menschheit in ihrer Not zum Heile dienten. 9. Der eine sagte weiter: „Es wird sich mit der Sache schier anders verhalten; aber der größte Teil der Menschen, die in die Welt hinausgestoßen sind, ohne je von jemandem darin einen Unterricht bekommen zu haben, warum sie da sind, urteilt anders. Der Anblick des Himmels mit der Sonne, dem Monde, mit der Unzahl von Sternen und der Anblick der gesamten Natur der Erde haben sie auf dem Wege der eigenen, stets regen Phantasie auf allerlei übersinnliche Vermutungen gebracht, wozu auch so manche sehr lebhafte Träume, die gewisse Menschen hatten, entschieden mitgewirkt haben, die freilich auch nur eine Folge einer sehr lebhaften Phantasie sein können; und so sind aus den Vermutungen und Träumen Lehren von höheren, übersinnlichen Wesen entstanden, die später von geistreichen Dichtern in allerlei Persönlichkeiten umgestaltet und von geschickten Bildnern den Menschen beschaulich dargestellt wurden. 10. Dann gesellten sich geschickte Redner und Magier hinzu, aus denen das gegenwärtige, nahezu unbesiegbare Priestertum mit seinen Tempeln und Orakeln hervorging, das nun nicht mehr der Götter wegen, an die kein Priester mehr glaubt, sondern nur der Könige und Fürsten wegen das gemeine Volk in dem blinden Glauben an die mächtigen Götter erhält, damit sich dieses nicht gegen seine Peiniger erhebe und sie verderbe. 11. Aber sei nun an der Göttersache, was da immer wolle, so dünkt mir irgendein noch so blinder Glaube an irgend ein oder auch mehrere höhere Wesen doch immer besser als gar keiner, und es erbaut so ein mit einem Tempel gezierter Berg oder Hügel das menschliche Gemüt immer mehr als irgendeine wüste Flachgegend, an der des Menschen Phantasie sicher wenig Nahrung findet. 12. Ich will aber damit das Göttertum vor einem höchst weisen Manne, wie du, hoher Meister, einer bist, zu keiner Realität erheben; aber ich verachte es darum nicht, weil es einer zahllosen Menschenmenge im bittern Leben auf dieser Erde in allen Leiden und endlich sogar im stets qualvollen Moment des Sterbens den erwünschten Trost bietet. Und darin bin ich mit dem weisen Aristoteles ganz einverstanden, ohne dadurch der viel erhabeneren Gotteslehre nur im geringsten nahetreten zu wollen. 13. Und so haben ich und mein Freund nun vor euch uns völlig enthüllt, und ich glaube nun, daß auch du, hoher Meister, dich vor uns ein wenig näher enthüllen könntest. Doch nur dein Wille leite dich, so wie auch der unsere uns leitet! 14. Siehe, ich will dir aus unserer alten griechischen Weisheit noch eines zu dem bereits Gesagten hinzufügen: Wir sind in unserer Art wahrhafte Weise, weil wir dessen stets eingedenk sind, daß wir bald sterben werden. Wir suchen auf dieser Erde nur noch das einzige Glück zu erreichen, daß uns der Tod kein Erschrecknis, sondern eine wahre Herzenslabung voll Trostes werden solle. Und darum ist uns ein Wort aus dem Munde eines großen Weisen mehr denn alle Schätze der Erde; denn das kann uns auch dann zu einer tröstenden Leuchte in unserem Herzen werden, wenn unser Auge fürs Licht dieser Welt erloschen sein wird. 15. Wolle du, hochweiser Meister, demnach uns beiden ein solches Wort zukommen lassen, und du selbst wirst glücklicher sein durch das Bewußtsein, zwei Unglückliche glücklich gemacht zu haben!“ Kapitel 154 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 154. — Das geistige Suchen der Griechen 1. Sagte Ich: „Höret, Meine lieben Freunde, euer Wunsch ist ein sehr löblicher wohl, aber dabei dennoch etwas eigennützig; denn als ihr noch junge, gesunde und rüstige Leute waret und nicht, so wie nun in eurem Alter, an einen bitteren Tod dachtet, da war die Welt mit ihren Schätzen euch alles, und ihr trachtetet denn auch nur nach diesen vergänglichen Erdengütern, die ihr denn durch allerlei Handel und Wandel euch in großer Menge gesammelt habt. Daneben habt ihr denn auch allerlei Weltlustbarkeiten nicht verachtet und habt alles mitgemacht und genossen, was die Welt nur immer als vergnüglich und lustreizlich aufzubieten vermochte. In jener Zeit dachtet ihr wenig an irgendeinen Gott oder an irgendeinen Weltweisen und ebensowenig an ein tröstendes und euer Herz stärkendes und erleuchtendes Wort. 2. Als ihr aber nahe die fünfzig Jahre Alters zu zählen begannet und eures Leibes Lebenskräfte matter zu werden begannen und ihr gar manchen eurer guten Freunde und Bekannten aus diesem Leben verschwinden sahet, und manchen unter vielen und bitteren Schmerzen und Qualen, da ward es euch ernster im Gemüte, und ihr fragtet euch: ,Wie lange kann es denn mit uns noch dauern? Gibt es nach diesem Leben nach unserer Priester Lehre wohl ein anderes, entweder besseres oder auch noch schlechteres Leben, oder gibt es keines? Wer in der Welt kann uns darüber einen haltbar sicheren Beweis liefern?‘ 3. Andere, die das Leben nicht von einer so ernsten Seite betrachteten und sich um das leidige Sterben auch weniger kümmerten als ihr, sagten euch: ,Leset den Plato, den Aristoteles, den Pythagoras, da werdet ihr schon ins klare kommen, wie es mit dem jenseitigen Leben aussieht!‘ 4. Ihr tatet das mit vielem Eifer, aber es wollte in euch dennoch zu keiner Klarheit kommen. Ihr wandtet euch an die Orakel, die euch noch weniger befriedigten. Ihr erfuhret dabei, daß in dieser Hinsicht die wahre Weisheit bei den Essäern und in den Schriften und Büchern der Altjuden daheim sei. Ihr reistet darum nach Essäa und fandet das Gesuchte auch nicht also, wie ihr es zu finden hofftet. Ihr verschafftet euch darauf der Juden Schriften, laset sie durch und durch, konntet aber daraus auch nicht klug werden, weil ihr sie nicht verstehen konntet; nur das habt ihr dabei gewonnen, daß ihr von euren Vielgöttern abkamet und an das mögliche Dasein nur eines Gottes zu halten anfinget. 5. Bei solchem eurem Suchen, das nun schon beinahe an die zwanzig Jahre dauert, da ihr schon bei siebzig Lebensjahre zählt, wurdet ihr schwach, mühselig und von allerlei Seelen- und Leibeskrankheiten befallen, habt allerlei Heilanstalten und nun auch diese hier, von der ihr viel Rühmliches vernommen habt, besucht, um da des Leibes Gesundheit insoweit nur wieder zu erreichen, um mit einem heitereren Sinn dem Wesen des Lebens nachforschen zu können. 6. Ihr bestieget mit uns auf Mein Anraten nun diesen Berg und fühlet jetzt nach eurem eigenen Geständnisse, daß es euch um vieles wohler ist als ehedem unten in der Ebene. Und weil es euch wohler geworden ist, so möchtet ihr aus Meinem Munde jenes vernehmen, das ihr in eurer stets wachsenden Bedrängnis volle zwanzig Jahre hindurch trotz aller eurer Mühe nicht habt in der vollen Klarheit vernehmen können. 7. Ja, wer da sucht mit allem Ernste in seinem Alter, was er in seiner Jugend mit einer viel geringeren Mühe leicht hätte finden können, so ihn die lustvolle Welt und sein Leichtsinn daran nicht gehindert hätten, der soll es auch noch finden, – aber erst dann, wenn er seine Seele von allen materiellen Schlacken und Flecken gereinigt hat! 8. Ginge es dem Menschen auch bis in sein möglich höchstes Alter gleichfort so recht jugendlich frisch, munter und heiter, so würde das, was ihr schon vor zwanzig Jahren zu suchen begonnen habt, ihm auch so gleichgültig sein und verbleiben, wie es euch in euren jungen Jahren war; aber das stets mühseliger werdende Alter und damit das stete Näherrücken dem Ende des Leibeslebens nötigt die das Leben liebende Seele, sich um das weitere Wesen eben des Lebens zu kümmern anzufangen und zu fragen hie und da, was es mit dem blinden Volksglauben für eine Bewandtnis habe. 9. Die dunklen und zweifelhaften Antworten, die ihr bei ihrem Suchen und Forschen zuteil werden, reinigen sie durch die in ihr erweckte Angst vor dem Leibestode von der sie gefangenhaltenden und blind und taub machenden Weltliebe; sie fängt an, die ihr einst so wohlschmeckenden Güter dieser Welt zu verachten und zu fliehen und reinigt sich eben dadurch von dem, was sie im Gefühle des Gerichtes und des Todes der Materie gefangenhielt. 10. Aber würde die Seele ihres Leibes vergängliche Materie durch irgendein Arkanum auch im Alter wieder verjüngen können, so bliebe sie abermals in ihrem wandelnden Grabe ganz vergnügt ruhen und würde sich nicht um ihr eigenes Leben kümmern. Darum aber hat Gott dieses irdische Willensfreiheitsprobeleben aus Seiner ewigen Liebe schon gerade also eingerichtet, daß der Mensch älter, schwächer und mühseliger werden muß, und das besonders jener, der in seiner Jugendzeit zu sehr an der Materie dieser Zeitwelt hing, auf daß sich endlich auch seine so lange vom Tode gefangengehaltene Seele zum sicheren ewigen Leben emporrichten kann. 11. Hat sich die Seele so mit der Hilfe ihres ihr verborgenen Schöpfers und Herrn von dem Gerichte der Materie losgemacht und sich durch ihr reges Streben in dem inneren Lebenslichte selbst gefunden, dann ist sie auch ein Herr über ihre Materie und über deren Tod, den sie nicht mehr so fürchtet wie ehedem, geworden und kümmert sich wenig mehr um des Leibes Alter und Schwäche; denn sie selbst ist ja gesund, kräftig und in sich voll Trostes geworden. 12. Darin aber besteht auch das, was ihr gesucht und hier denn auch gefunden habt! Denn wer da ernstlich sucht, der soll das Gesuchte auch finden. Wer an die Tür pocht, dem wird sie auch rechtzeitig aufgetan, und dem, der da bittet, wird das Erbetene auch gegeben werden. 13. Wie ihr aber das so lange und bange Gesuchte eben nun hier endlich einmal gefunden habt, das wird euch die Folge erst hell und klar machen. Doch nun kommt es abermals an euch, hier offen euch vor uns zu äußern, wie ihr das von Mir euch Gesagte verstanden habt. Denn man kann ein Haus, das man neu aufbaut, nicht eher vollenden, bis der Grund, der das Haus zu tragen hat, seine vollste Festigkeit erreicht hat. So ihr nun wollet, so könnet ihr reden!“ 14. Hierüber waren die beiden alten Griechen so sehr erstaunt, daß sie gar nicht wußten, womit sie eine Rede hätten beginnen mögen. Kapitel 155 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 155. — Der Griechen Frage über die Allwissenheit des Herrn 1. Nach einer kleinen Weile erst fing der eine also zu reden an und sagte: „O du höchst weiser Meister! Wir haben doch, wie du es uns höchst wahr und richtig dargestellt hast, die leidigen zwanzig Jahre hindurch gar vieles erfahren, – aber selbst die bewährtesten Orakel wußten nichts von unserer Jugend und ebensowenig von unserem Handel und Wandel; du aber, den wir hier zum ersten Male in unserem Leben ganz unvermutet zu Gesichte bekamen, hast unser ganzes Tun und Lassen so ganz der Wahrheit getreu dargestellt, als wärest du von Jugend an schon bei uns gewesen. Wie ist dir denn das doch möglich? Hast du das aus unseren Gesichtern gelesen? Wie, wie war dir das möglich?“ 2. Sagte Ich: „Bekümmert euch darum jetzt noch nicht; denn sagte Ich es euch auch gerade heraus, so würdet ihr das nicht fassen! So aber in euch euer Geist wacher werden wird, da werdet ihr das schon eben in euch selbst zu begreifen anfangen, wie Mir das gar leicht möglich ist, jedem Menschen offen darzutun, was er von der Geburt an in jedem Augenblick gedacht, gesprochen, gewollt und getan hat; denn vor Mir kann sich niemand verbergen. Aber nun vorderhand nichts Weiteres mehr davon, und ihr möget weiter reden!“ 3. Sagte darauf der eine Grieche: „Höchst weiser Meister! Wir haben gar manche Schule besucht, wir waren in ganz Ägypten und haben daselbst in den Städten uns um unser Geld alles zeigen lassen und ließen uns auch einweihen in gar manche alte Weisheitsgeheimnisse; aber wir haben in keiner Schule einen Meister gefunden, der da der vollen Wahrheit gemäß hätte von sich sagen können, was du soeben von dir gesagt hast, – und doch bist du dem Ansehen nach auch nur ein Mensch, der einmal auch nur in einer Schule seine Weisheit und geheime Kunst erlernt hat! 4. Wo in dieser Welt aber ist diese Schule? Und gibt es auf der ganzen Erde aber eine solche Schule nicht, da müßtest du ja offenbar ein Gott sein, dem allein – was wir nach den verschiedenen Götterlehren von den Fähigkeiten und Eigenschaften der seienden Götter wissen – solche von dir ausgesprochenen Dinge möglich sind. 5. Einem Menschen, den man zuvor nie gesehen hat und von dem man auch nicht wissen kann, welchen Namen er führt und in welcher Stadt oder auf welcher Insel oder in welchem Teile eines Festlandes er geboren ist, zu sagen, was er ist, was er hat, wie er gelebt und gehandelt hat, das ist endlos mehr denn alle noch so verborgen gehaltene Magie. Weißt du etwa auch um unsere Namen, um unsere Geburtsstätten und um unsere Weiber und Kinder?“ 6. Sagte Ich: „So Ich um das eine weiß, da weiß Ich sicher auch um das andere! Aber so Ich eure Namen und eure Geburtsstätten und auch eure Weiber und Kinder euch vorgesagt hätte, da hättet ihr euch dabei gedacht: ,Ja, das kann er leicht wissen aus unseren Reiseschriften, die wir bei unserer Ankunft haben aufweisen müssen, um in dieser Anstalt angenommen zu werden, weil da alles streng nach den Gesetzen Roms behandelt wird!‘ 7. Aber das, was Ich euch gesagt habe, steht in euren Reiseschriften nicht aufgezeichnet und ist darum sicher um vieles denkwürdiger, als so Ich euch gleich als Meliteer bei euren Namen Polykarp und Eolit begrüßt und euch auch noch hinzugesagt hätte, daß eure noch lebenden Weiber Athenerinnen sind, und daß du, Polykarp, acht Kinder – drei Knaben und fünf Mägdlein – hast und Eolit zwölf – fünf Männlein und sieben Mägdlein. Solches aber steht in euren Reiseschriften, die Ich allenfalls hätte können gelesen haben; aber was Ich euch gesagt habe, das steht nicht in euren Reiseschriften, und so habe Ich es auch nicht wissen können aus euren Schriften, – und dennoch weiß Ich um noch viel anderes, das Ich euch aber jetzt noch nicht sagen will. 8. Die Schule aber, in der Ich, nach eurer Denkweise, solches erlernt haben mag, besteht in der ganzen Welt nirgends; denn da bin Ich Selbst der Meister und die Schule. 9. Wer es von Mir erlernt und zu Mir in die Schule des Lebens durch den Glauben an den nur einen, allein wahren Gott, durch die Liebe zu Ihm und aus der durch die Liebe zum Nebenmenschen kommt und nach dieser Meiner Lehre dann lebt und handelt, der ist ein rechter Jünger Meiner Schule. Und es ist das eine allein rechte und wahre Schule des Lebens für jeden Menschen, der in diese Schule eintreten und in ihr unwandelbar bis ans Ende seines diesirdischen Lebens verharren will. In dieser Schule allein wird er das jenseitige ewige Leben seiner Seele finden, und der Tod und das Gericht der Materie werden von ihm weichen. 10. Wer in diese Meine Schule eintritt und nach ihrer Lehre tut, der wird es denn auch in sich erfahren, wie und warum eben nur Ich der Meister und die Schule Selbst bin. 11. Aber in dieser Schule heißt es nicht, halb hin und halb her sein, sondern da heißt es: Trachtet vor allem nur nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, das alles inwendig im Menschen ist und nirgends anderswo außerhalb des Menschen mit einem Schaugepränge, und kümmert und sorget euch nicht um die Dinge und Schätze dieser Welt, die für das Leben der Seele des Menschen keinen Wert haben, weil sie vergänglich sind so wie ein noch so schön strahlender Tautropfen, den schon ein schwacher Wind verweht; denn was ein rechter Jünger Meiner Schule für den zeitlichen Unterhalt seines Leibes benötigt, wird ihm schon als eine freie Hinzugabe beschert werden. 12. Sehet an die Vögel in der Luft, die Tiere des Waldes und die der Gewässer! Sie säen nicht und ernten auch nicht, und doch sind sie alle versorgt mit allem, was sie nötig haben. Sorget aber Gott für die Tiere, so wird Er sicher noch um vieles mehr sorgen für die Menschen, die an Ihn glauben und Ihn über alles lieben. 13. Also möget ihr auch, euch zu einem Beispiele nehmend, das Gras und die vielen Blumen des Feldes betrachten! Wahrlich, sie sind herrlicher geziert und bekleidet, als es der König Salomo in seiner größten Pracht je war! 14. Sorgt aber Gott als der allein wahre Vater aller Menschen schon also für die Gewächse des Feldes, die heute wohl noch stehen, aber am nächsten Tage abgemäht, getrocknet und dann zum Teil in den Öfen verbrannt und zum Teil den Haustieren verfüttert werden, so wird Er wohl um so mehr für Seine Kinder sorgen, daß sie nicht nackt auf der Erde umhergehen müssen; denn ein Mensch, der ein rechter Jünger Meiner Schule ist, wird doch besser sein denn all das Gras und alle die andern Gewächse auf der ganzen Erde?! 15. Darum soll sich denn auch ein rechter Jünger Meiner Schule nicht sorgen um den kommenden Tag, was er essen und trinken werde und womit bekleiden seinen Leib; denn das tun wohl die Heiden, die keine Jünger Meiner Schule sind –, für Meine rechten Jünger wird, dessen sie nötigs bedürfen, schon gesorgt werden. 16. Und so wisset ihr es nun denn auch, aus welcher Schule Ich Meine Weisheit geschöpft habe. Da um Mich aber ersehet ihr schon eine ziemliche Anzahl Meiner Jünger; sie können es euch auch sagen, daß es sich mit Meiner Meisterschaft und Schule nur so und nicht anders verhält, wie Ich euch das nun gezeigt habe.“ 17. Hierauf machten die beiden Griechen große Augen, wandten sich an einen Meiner Jünger, und zwar an den Johannes, der ihnen der freundlichste zu sein schien, und fragten ihn, ob sich die Sache, die ihnen nicht völlig klar sei, wohl also verhalte. Kapitel 156 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 156. — Die Gedanken der Griechen über den allein wahren Gott 1. Und Johannes sagte: „Ja, liebe Freunde, die Sache verhält sich genau also, ob sie euch auch nicht völlig klar ist; sie wird euch aber schon noch klarer werden, so ihr selbst in diese Schule in euch durch den Glauben an den einen, allein wahren Gott und durch die reine Liebe zu Ihm und zum Nebenmenschen treten werdet. 2. Für diese Schule aber besteht auf der ganzen Erde kein Haus, kein Tempel und keine ägyptische Pyramide; denn sie besteht allein nur im Erkennen der inneren Wahrheit aus Gott und danebst im getreuen Handeln nach der erkannten Wahrheit. 3. Ihr aber habt die Wahrheit lange gesucht und habt sie nun denn auch gefunden. Ihr wisset nun, was ein Mensch zu tun hat, um ein rechter Jünger der Schule des inneren Lebens zu werden, zu sein und zu verbleiben; aber das Wissen und Erkennen allein genügt noch lange nicht, um ein Jünger dieser inneren Lebensschule aus Gott im Menschen selbst zu sein, sondern das offene und freiwillige Handeln nach der erkannten Wahrheit macht den Menschen erst zum wahren und rechten Jünger in der eigenen inneren Schule des Lebens.“ 4. Als die beiden von Johannes dies vernommen hatten, da dachten sie bei sich: „Sonderbar! Der Jünger spricht wie der Meister und sagt auch, daß wir hier die lange gesuchte Wahrheit endlich einmal gefunden hätten. Das ist wahrlich sehr löblich, nur – wir verspüren von dieser Wahrheit noch sehr wenig in uns! Wir sollen aber auch nach ihr handeln, aber wie möglich das, so uns die Wahrheit selbst noch sehr dunkel ist? 5. Wir sollen nur an einen und allein wahren Gott glauben, Ihn über alles ganz rein lieben und unsere Nebenmenschen auch. Ja, das wäre eine der schwersten Lebensaufgaben eben nicht, – aber wer und wo ist dieser allein wahre eine Gott? 6. Sich so zufällig nur irgend einen, allein wahren Gott denken und an dieses als Einen Gott gedachte Wesen dann aber auch schon ungezweifelt fest glauben, es zugleich über alles lieben und daraus auch seinen Nebenmenschen, das ist ein etwas sonderbares Verlangen. So ein jeder Mensch das tut, da hat dann ja auch ein jeder Mensch seinen eigenen Gott, was dann ebenso viele allein wahre Götter geben müßte, als wie viele Menschen auf der lieben Erde leben, gelebt haben und noch leben werden. Und das wäre ja dann noch ärger denn unser Vielgöttertum; denn wir wissen doch, an was wir uns zu halten haben, und es kann keiner zum andern sagen: ,Siehe, der Zeus oder der Apollo, an den ich glaube und halte, ist besser als der deine!‘ 7. Bei dieser Lehre aber muß das mit der Zeit zu einem unvermeidlich derartigen Übel unter den Menschen führen, und ein jeder von Natur aus weisere Mensch wird seinem Gott auch offenbar den Vorzug vor dem Gott eines andern, von Natur aus minder begabten Menschen einräumen, und die alten Götterkriege werden wieder zum Vorschein kommen. 8. Es muß demnach der eine und allein wahre Gott dem Menschen wie irgend außer ihm seiend mit der größten Bestimmtheit und Klarheit gezeigt werden, und daß nur an diesen Gott alle Menschen zu glauben und Ihn auch über alles rein zu lieben haben, – ansonst ist mit dieser Lehre keinem Menschen für die Dauer gedient. 9. Es solle das unsertwegen auch der Gott der Juden sein, an den aber die erfahreneren Juden selbst nicht gar zu fest zu glauben scheinen; aber da heißt es: Licht geben über diesen Gott, sonst ist es auch mit dem Gott der Juden nicht um ein Haar besser als mit unserem Zeus, den wir auch noch nie zu Gesichte bekommen haben!“ Kapitel 157 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 157. — Des Herrn Belehrung über den einen, allein wahren Gott 1. Als die beiden Griechen sich noch mit solchen Gedanken beschäftigten, unterbrach Ich sie und sprach also zu ihnen: „Meine Freunde, ihr habt nun auf die Rede Meines Jüngers Johannes ganz sonderbare Gedanken in euch aufkommen lassen! Wenn es also wäre, wie ihr es euch denket, da hättet ihr am Ende auch recht; aber es verhält sich die Sache des Glaubens an nur einen, allein wahren Gott ganz anders, als ihr es euch gedacht habt, und so habet ihr über eben diese Sache sehr unrichtig geurteilt. 2. Ihr wollet Licht und volle Klarheit über den Gott der Juden, und das ist ein ganz billiges Verlangen von euch. Ihr aber habt ja die Bücher Mosis gelesen, in denen über das Wesen des einen, allein wahren Gottes alles mit aller Bestimmtheit und großem Lichte geschrieben steht, wer der eine, allein wahre Gott ist, an den allein die Menschen glauben und keine fremden Götter neben Ihm haben sollen. 3. Dieser eine und allein wahre Gott hat aber durch Moses am Berge Sinai Sich als Solcher daseiend nicht nur unter großen, allen anwesenden Israeliten sichtbaren Zeichen geoffenbart, sondern Er hat ihnen auch höchst weise Gebote und Vorschriften gegeben, mit deren genauer Beachtung sie ein ganz glückliches Volk sein konnten, da sie dadurch Gott nicht nur als völlig sichtbar vor sich gehabt hätten, zu dem sie als rechte Kinder zu ihrem Vater in allen ihren Anliegen und Nöten frei und offen reden konnten und durften, sondern der ihnen auch den Weg zum ewigen Leben der Seele stets hellst erleuchtete und das große Jenseits mit seinen seligsten Bewohnern beschaulich offen hielt, wofür Tausende von Zeugen reden können noch in dieser sehr verfinsterten Zeit, und wovon gar viele alte Propheten und Seher gesprochen und geschrieben haben. 4. Wenn aber also und nicht anders, warum sind sie denn bei so glücklichen Lebensumständen, die sie durch gar viele alleruntrüglichste Erfahrungen als bestbewährt oft selbst erlebt haben, nicht in dem Glauben und in der besten und lebensvollsten Ordnung, Gott über alles als den besten Vater zu lieben, geblieben? 5. Seht, das machte die bei gar vielen Menschen stets mehr und mehr überhandnehmende Eigen- und Weltliebe, von der sie sich am Ende durch alle Ermahnungen und auch häufig vorkommende scharfe Züchtigungen nimmer völlig haben abwendig machen lassen. 6. Sie versanken aber dadurch denn auch in das alte Gericht der Materie der Welt und ihres geilen Fleisches, verloren das alte, innere Lebenslicht ihrer Seelen so sehr, daß sie nun ihre Seelen nicht mehr von ihrem Fleische unterscheiden können, nicht mehr wissen, was eine Seele ist, und so auch darin ganz im unklaren sind, daß sie eine Seele haben, die ewig leben soll. 7. Wer sich aber selbst in seinem edelsten Lebensteile so sehr verloren hat, daß er, als noch lebend und daseiend, nicht mehr wahrzunehmen imstande ist, daß er da ist, wie sollte der das Wesen Gottes erkennen und lebendig an dasselbe glauben, so er selbst in seinem lebendig sein sollenden Teile durch die übermäßigste Liebe zur Welt nahezu völlig tot geworden ist? 8. Wie es aber euch ergangen ist, bevor ihr die verlorene alte Wahrheit habt zu suchen angefangen, und wie es euch zum Teile noch ergeht, um noch tausend Male ärger ergeht es nun beinahe zahllos vielen Menschen; und wahrlich, so Ich nicht in diese Welt gekommen wäre, den Menschen von neuem den Weg zum ewigen Leben der Seele zu zeigen, so hätte diesen Weg auch kein Mensch mehr auffinden und selig werden können hier und jenseits! 9. Ich Selbst bin darum der Weg, die Wahrheit und das ewige Leben; wer an Mich glaubt und nach Meinen Worten lebt und handelt, der wird seine Seele vom ewigen Tode und Gerichte der Welt und ihrer Materie erretten. 10. Den Willen des einen, allein wahren und ewig aus Seiner Macht lebendigen Gottes und Vaters der Menschen aber könnet ihr aus den Büchern Mosis und der Propheten kennenlernen. So ihr nach den – sage – nur zehn Geboten Mosis genau leben werdet, so wird der Geist Gottes euch durchdringen und euch selbst erleuchten. In solchem Lichte werdet ihr dann den einen und allein wahren Gott nicht nur vollkommen erkennen und Ihn dann auch über alles lieben können, sondern Er wird Sich euch dann auch Selbst offenbaren und euch in alle Weisheit und ihre Macht erheben. 11. Dann werdet ihr nicht denken, daß ein jeder Mensch nach Meiner Lehre am Ende seinen eigenen Gott haben würde, so er sich selbst einen denken solle, an den er ungezweifelt glauben und den er auch über alles lieben müsse, so er das ewige Leben seiner Seele erreichen will, sondern da werdet ihr in euch lichtvollst innewerden, daß der Gott, der Sich euch geoffenbart hat, Einer und unwandelbar Derselbe ist, der Sich noch zu allen Zeiten allen jenen Menschen stets treulichst geoffenbart hat, welche völlig nach Seinem Willen gelebt und gehandelt haben. 12. So ihr Mich nun besser denn anfangs verstanden habt, so tuet danach; und so es in euch dann licht und helle wird, dann werdet ihr es erst vollkommen einsehen, wie ihr hier bei Mir eben das gefunden habt, was ihr vergeblich mit noch mehreren eurer Gefährten zwanzig Jahre hindurch suchtet und nun hier erst fandet.“ Kapitel 158 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 158. — Die Griechen erkennen den Herrn. Krankheiten, ihr Zweck und ihre Ursachen 1. Sagte darauf Polykarp: „Wir sind dir, du überaus weiser Meister, für diese Belehrung überaus dankbar und werden deinen Rat nach allen unsern Kräften auch möglichst genau befolgen, obschon uns Moses in vielen Stücken seiner Schriften schwer verständlich ist. Wir hoffen aber nach deiner uns gemachten Verheißung, dadurch auch in den ganzen Geist der Schriften Mosis und dadurch der andern Propheten einzudringen, so wir nach deinem Rate die einfachen zehn Gebote möglichst genau befolgen werden. 2. Doch nun habe du, weisester Meister, nur noch die geduldvolle Güte, uns zu sagen, ob denn auch du auf diesem geistigen Wege zu solcher deiner wahrhaft göttlichen Weisheit und Macht gelangt bist!“ 3. Sagte Ich: „Als Mensch mit Fleisch und Blut sicher auf keinem andern, weil es ewig nach der göttlichen Ordnung keinen andern gibt und geben kann. Aber Ich, den ihr hier sehet und sprechet, bin es nicht, der euch solchen Rat gegeben hat, sondern es wohnt ein Höherer in aller Fülle der göttlichen Liebe, Weisheit und Macht in Mir, und Der ist es, der nun zu euch eben also geredet hat wie dereinst zu Moses und vielen andern Propheten und Weisen; und das ist auch eben Der, an den allein ihr ungezweifelt glauben und durch euer Handeln nach Seinem euch treu geoffenbarten Willen über alles lieben sollet. 4. In Mir ist demnach auch eben Der in diese Welt sichtbar gekommen, den ihr suchtet und dennoch in keiner Schule und in keinem Tempel finden konntet. 5. Wie Ich nun aber in Mir Selbst da bin und wirke durch die ganze Unendlichkeit, also werde Ich im Geiste auch in allen sein und wirken, die Meine leichten Gebote halten, an Mich glauben und Mich in der Tat über alles lieben werden. 6. Die aber an Mich wohl glauben werden und Herr, Herr! sagen, aber im Tun lau sein werden und nachlässig in der Liebe zum Nächsten, in denen werde Ich nicht wohnen und werde Mich ihnen nicht Selbst offenbaren, und Meine Kraft und Weisheit wird ihre Seele nicht erfüllen. Denn Ich will, daß ein jeder Mensch, dieweil er einen vollkommen freien Willen hat, nach Meinem ihm treu geoffenbarten Willen vorerst in aller Tat danach ganz frei zu Mir kommen soll, und Ich werde sodann auch zu ihm kommen, Mich ihm Selbst offenbaren und ihn dann durch den Heiligen Geist Meiner ewigen und allwaltenden Liebe mit aller Meiner Weisheit und Macht erfüllen. – Also sprach dereinst und spricht auch nun der Herr!“ 7. Als die beiden diese Worte aus Meinem Munde vernommen hatten, da machten sie ganz verwunderlich große Augen und sagten nach einer Weile tiefen Nachdenkens: „So ganz leise haben wir es uns immer schon gedacht, daß hinter Dir etwas ganz anderes verborgen ist als nur ein überaus weiser Mensch; denn Du hast uns das Selbst dadurch nur zu klar merken lassen, als Du uns unsern ganzen Lebenswandel enthülltest. Nun aber ist uns das durch Deine letzten Worte mehr denn sonnenhell geworden, daß Du trotz Deines Leibes in Dir Selbst völlig ein Gott bist, und zwar eben Derselbe, den wir so lange suchten und bis jetzt nicht finden konnten. 8. Da wir Dich aber nun gefunden haben, so wird uns auch keine Macht in aller Welt nicht nur von diesem unserem Glauben, sondern von dieser unserer vollen Überzeugung je mehr abwendig zu machen imstande sein. 9. Da Du, Herr, Herr, aber in Dir Selbst eben Derselbe allein wahre, eine Gott bist, an den alle Menschen vollauf glauben und Seinen ihnen treust geoffenbarten Willen in lebendigster Tat erfüllen sollen, so wagen wir denn in unserem vollsten Glauben die alleruntertänigste Bitte an Dich zu richten, daß Du unsere Leiber, solange wir deren zu unserer wahren Seelenvollendung noch bedürfen werden, möglichst gesund machen möchtest! Denn wir glauben nun, daß Dir nichts unmöglich ist. 10. Wir verlangen das aber nun nicht etwa als ein Zeichen für die Wahrheit dessen, was wir von Dir glauben, sondern nur darum, weil wir mit einem gesunden Werkzeuge für unsere und auch unserer Gefährten Seelenvollendung sicher tätiger sein könnten als mit einem kranken und schwachen. Denn mit einem kranken Leibe leidet auch die Seele und hat eine geringe Lust zu irgendeiner erhöhteren Tätigkeit.“ 11. Sagte Ich: „Euch geschehe nach eurem Glauben; aber das merket euch auch zu eurem Glauben hinzu, daß es dem Menschen um seiner Seele willen eben nicht allzeit zuträglich ist, so er völlig gesunden Leibes einherwandelt; denn ist sein Fleisch zu gesund, da wird es auch leicht erregt für allerlei sinnliche Lustreize, in die die Seele dann auch eher mitbegierlich wird, als so ihr Fleisch kränklich und schwach ist, – und so ist eine Leibeskrankheit gewisserart eine Wache vor der Tür des inneren Lebens der Seele. 12. Aber nun sollet ihr dennoch völlig gesunden Leibes werden; aber hütet euch, daß ihr bei Gelegenheiten, die bei Griechen sehr häufig vorkommen, nicht wieder in eure alten Sünden und mit ihnen auch in noch ärgere Krankheiten verfallet! Habet darum stets die Gebote Mosis vor Augen, in eurem Herzen und in eurem Willen! Verleugnet euch selbst, und folget dem Geiste Meiner Lehre nach! 13. Ich will nicht, daß da jemand mit einem kranken Leibe dies irdische Willensfreiheitsprobeleben durchmachen soll; so aber die Menschen den alten Rat Meiner Liebe und Meiner Ordnung nicht beachten, sondern tun, was sie nicht tun sollen, so sind sie denn auch selbst die Schöpfer aller Übel ihres Leibes und ihrer Seelen. 14. Ich aber kann des Leichtsinnes und der selbstverschuldeten Blindheit der Menschen wegen Meine Ordnung, durch die allein der Bestand aller Dinge möglich ist, nicht umkehren. Wer da weiß, daß sein Leib, so er geschlagen oder gestochen wird, einen Schmerz empfindet, sich aber dennoch schlägt und sticht, so ist ja er selbst schuld daran, so sein Leib dabei große Schmerzen empfindet; denn der aberwitzigen Torheit der Menschen wegen werde Ich keine Seele mit einem unempfindlichen Leibe versehen und nicht machen, daß man vom Dache der Schwere wegen nicht auf den Boden herabfallen dürfte. – Das also auch noch zu eurer Danachachtung!“ Kapitel 159 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 159. — Die Ausübung der Nächstenliebe 1. Sagten die beiden Griechen: „O Herr Herr, wir danken Dir aus dem innersten Grunde unseres Herzens und Lebens für die so wunderbar plötzliche Heilung unseres Leibes und bitten Dich aber auch, daß Du uns, so wir je infolge unserer leiblichen Gesundheit in was immer für einer Weise könnten schwach werden und uns von einer oder der andern Anreizung der Welt und unseres Fleisches sollten betören lassen, – daß Du uns stets die nötige Kraft erteilen wollest, auf daß wir allen Versuchungen, die über uns kommen könnten, ganz heldenmütig widerstehen mögen; denn das sehen wir nun schon von selbst, daß kein Mensch ohne Deine Hilfe alle auf ihn lauernden Gefahren und Feinde aller Art und Gattung besiegen kann. 2. Es ist wohl ein leichtes, einem Feinde, den man sieht, entweder auszuweichen oder ihm mit Waffen in der Hand kräftig und voll Mutes entgegenzutreten und ihn unschädlich zu machen; aber der Mensch hat eine unzählige Menge unsichtbarer Feinde, mit denen nur Du, o Herr, Herr, allein es stets siegreichst aufnehmen kannst. Und wir bitten Dich denn auch darum um Deine Hilfe, wenn irgend ein unsichtbarer Feind sich uns nahen sollte, um uns schädlich zu werden; denn solcher Feinde kann der Mensch nur mit Deiner alles vermögenden Kraft Meister werden.“ 3. Sagte Ich: „Da habt ihr ganz wahr und richtig geurteilt: Ohne Mich kann niemand etwas wirken zum Heile seiner Seele; und hat er auch alles nach den ihm geoffenbarten Gesetzen wie aus eigener Willenskraft getan, so soll er aber dennoch in sich bekennen, daß er ein fauler und träger Diener war, und soll in allem Guten, das er gewirkt hat, Gott allein die Ehre geben, und Gott wird ihn also denn auch allzeit stärken und kräftigen. 4. Wer Gott in allem Guten die Ehre gibt, der ist Ihm wohlgefällig und ein rechter Knecht und Diener nach Seinem Herzen. Den wird Gott nicht verlassen, sondern schirmen mit Seiner Hand, der Gott in seinem Herzen nicht verläßt; wer aber in seinem Herzen Gott verläßt und Seiner wenig oder oft gar nicht achtet, sich selbst ein Herr zu sein dünkt und nach seinem Weltverstande handelt, und so ihm etwas gelungen ist, sich nur dafür ehren läßt und von seiner Klugheit und von seinen edlen Taten spricht, der belohnt sich auch selbst und hat von Gott keinen Lohn zu erwarten. Was ihr denn immer tut, das gut und wahr ist, das tuet in Meinem Namen, und Ich werde mit euch sein und euch stärken und kräftigen!“ 5. Hierauf dankten Mir die beiden Griechen abermals, auch unser Kisjona, Philopold, der Wirt von Jesaira, der Bootsmann und der Vorsteher aus dem bekannten Fischerdörfchen, und alle Jünger priesen Mich, daß Ich solches den beiden Griechen eröffnet habe. 6. Hierauf fragten Mich die beiden, ob sie das, was sie hier allerwunderbarst erlebt hätten, auch ihren Gefährten mitteilen dürften, die mit ihnen in diese Kuranstalt gekommen seien. 7. Sagte Ich: „Solange Ich in diesem Orte verweilen werde, sollet ihr von Mir nicht reden und Mich nicht ruchbar machen; aber was ihr von Moses wisset und von den Propheten, besonders von Jesajas und Hesekiel und aus den Psalmen Davids, davon könnet ihr reden mit einem rechten Eifer! 8. Ich werde aber vor Meiner Abreise schon Selbst noch die Gäste der Anstalt besuchen und werde an sie eine Einladung machen, ob auch sie ins Gottesreich eingehen wollen. Darauf erst möget ihr weiter mit ihnen reden. Denen ihr in Meinem Namen die Hände auflegen werdet, die werden gesund werden; aber das sollet ihr auch erst dann tun, so Ich zuvor werde die Anstalt besucht haben. Heute aber werde Ich die Anstalt noch nicht besuchen.“ 9. Darauf erhoben sich die beiden Griechen, dankten Mir nochmals und begaben sich hinab zu ihren Gefährten, die sie schon zu suchen angefangen hatten. Wir aber blieben bis zum vollen Mittag auf dem Berge und besprachen uns über die Wirkungen des Glaubens und der wahren, reinen Liebe zu Gott und zum Nächsten. 10. Es fragte Mich aber im Punkte der Nächstenliebe unser Markus, sagend: „Herr und Meister, soll man auch gewissen bekannten Lumpen und Verschwendern, die ihr Vermögen zumeist auf eine ärgerlich sündige Weise vergeudet und verpraßt haben, die Nächstenliebe erweisen, und auch unsern offenbaren Feinden?“ 11. Sagte Ich: „Ihr sollet in der Erweisung der Nächstenliebe keine Ausnahme machen, sondern jedem Gutes erweisen; denn wer da eine Ausnahme macht, bei dem werde auch Ich allerlei Ausnahmen machen. 12. Wenn jemand in einer Not steckt und zu euch kommt, so erweiset ihm die Nächstenliebe entweder geistig oder auch materiell; die geistige Nächstenliebe aber soll der materiellen vorangehen! 13. Habt ihr einen Sünder bekehrt, und er steckt in einer irdischen Not, so helfet ihm auch aus dieser. Hat er darauf abermals gesündigt, so ermahnet ihn in Liebe und werdet ihm nicht feind! Denn mit welchem Maße ihr in Meinem Namen ausmessen werdet, mit demselben Maße wird es euch wieder zurückgemessen werden! 14. Richtet niemanden, so werdet auch ihr dereinst nicht gerichtet werden. Also verdammet und verfluchet auch niemanden, auf daß dereinst auch ihr nicht verdammt und verflucht werdet! 15. Denen, die euch Arges tun, erweiset Gutes und ihr werdet eben dadurch glühende Kohlen über ihre Häupter streuen und sie zu euren Freunden machen. Also segnet auch die, welche euch hassen und fluchen, und sie werden zur Reue gelangen. Vergebet euren Feinden siebenmal siebenundsiebzig Male; werden sie dadurch nicht besser, so könnet ihr die Sache bei einem Weltrichter anzeigen, und der unverbesserliche Feind soll aus der Gemeinde gestoßen werden. Denn wer da unverbesserlich Arges tut, der soll auch gezüchtigt werden, auf daß durch ihn die Nebenmenschen nicht länger geärgert werden. 16. Darum seid auch der weltlichen Obrigkeit stets untertan, ob sie mild oder strenge ist; denn sie hätte keine Macht, so sie ihr nicht der vielen unverbesserlichen Sünder wegen von oben verliehen wäre! 17. Aber ihr sollet darum nicht klagsüchtig sein und ohne eine dringende Not nicht zu den Weltrichtern laufen; denn was ihr nicht wollet und wünschet, daß es euch begegne, damit verschonet auch eure Nebenmenschen, solange es möglich ist. Nur offenbare Diebe und Räuber und zu arge Hurer und Ehebrecher möget ihr den Gerichten überliefern und imgleichen den, der einen Mord begangen hat. Aber ihr sollet dabei nicht erbost werden, sondern nur tun, was da not tut, alles andere überlasset Mir und den Richtern! 18. Siehe, Mein Freund Markus, so ist in diesem Punkte Mein Wille; wer danach tun wird, der wird auch nie einen Mangel Meines Segens haben.“ 19. Markus und alle dankten Mir für diesen Rat. 20. Es kam aber nun ein Diener und zeigte uns an, daß das Mittagsmahl fertig sei, und wir erhoben uns und gingen hinab ins Haus. Kapitel 160 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 160. — Des griechischen Arztes Erfahrungen und Zeugnis über den Herrn 1. Während wir bei Markus das Mittagsmahl einnahmen, besprachen sich die beiden Griechen mit ihren Gefährten; denn als diese nur zu bald ersahen, daß ihre beiden Gefährten ganz vollkommen gesund in die Anstalt kamen, da wurden sie von ihnen befragt, was da mit ihnen vorgegangen sei, daß sie so vollkommen gesund geworden seien. 2. Die beiden aber konnten nun selbst beim besten Willen nicht völlig verschweigen, was mit ihnen am Vormittage sich alles zugetragen hatte. Sie machten Mich daher bei ihren Gefährten ruchbar, aber doch so ganz bescheiden und zurückhaltend; denn sie gedachten dessen, was Ich zu ihnen gesagt hatte. 3. Sie beschrieben Mich als einen sehr großen Weisen der Juden, der dazu eine außerordentliche Kraft besitze, bloß durch seinen Willen alle Krankheiten so vollkommen zu heilen, daß ein Kranker urplötzlich so gesund werde, wie er zuvor sogar in seiner Jugend es schwerlich je war. 4. Als die Gefährten solches und noch einiges über Meine Weisheit vernommen hatten, da wollten auch sie zu Mir gehen und Mich um Heilung ihres Leibes bitten. Aber die beiden Griechen hielten sie davon ab, da sie ihnen kundgaben, daß Ich die Kuranstalt ohnehin vielleicht noch an diesem Nachmittage besuchen würde. Damit stellten sich einstweilen die Gefährten unserer zwei Griechen zufrieden, wollten dabei aber doch von nichts anderem denn nur von Mir reden. 5. Einer von ihnen, der selbst in seinem Orte ein sehr geschätzter Arzt war, machte, als er von den beiden Gefährten doch ein etwas Näheres über Mich vernommen hatte, folgende Bemerkung und sagte: „Es fängt mir nun an, über den seltsamen Heiland und Weisen der Juden ein Licht aufzugehen! Er wird sicher derselbe sein, von dem ich in Tyrus und Sidon schon vieles habe reden hören. Auch mehreren von euch wird davon schon mehreres zu Ohren gekommen sein. 6. Er sei ein Galiläer aus Nazareth und der Sohn eines Zimmermanns, habe etwa in seinem dreißigsten Lebensjahre die Zimmerei völlig aufgegeben, Jünger an sich gezogen und dann sein Lehr- und Heilamt begonnen. Der Juden Priester aber verfolgen ihn, weil alles Volk zu ihm geht und an ihn glaubt, weil er seine Lehre mit großen Wundertaten und andern großen Zeichen bestätige. 7. Einige halten ihn für einen großen Propheten, andere für einen neuen König der Juden, der die Römer aus dem Judenlande treiben werde, – was aber etwa sein Plan nicht sei, da er ein viel größerer Freund der Heiden als der ihres Gottes wenig achtenden Juden sein soll. Noch andere halten ihn etwa für einen reinen Gottessohn und einige für den alten Jehova Selbst, der da aus Seiner Macht Sich mit dem Fleische der Menschen dieser Welt umkleidet habe, um sie über alles zu belehren und aus der langen Nacht aller ihrer Irrtümer zu heben. 8. Sei die Sache nun aber, wie sie wolle, so er zu uns kommen wird, da werden wir ihn sicher auch selbst näher kennenlernen, vorausgesetzt, daß er eben derjenige ist, über den ich wahrlich, wie gesagt, schon sehr vieles habe reden hören!“ 9. Sagten nun auch die andern: „Ja, da hast du wahr und recht gesprochen! Von dem gewissen Galiläer haben auch wir schon zu öfteren Malen die sonderbarsten Dinge erzählen hören, die freilich noch unglaublicher klangen als unsere Göttermythen, weshalb wir denn auch sagten: Wenn es sich mit ihm also verhält, dann ist er offenbar der vollsten Wahrheit nach ein Gott, an den auch wir Griechen und Römer glauben werden!“ 10. Sagten die beiden schon geheilten Griechen: „Da habt ihr recht und habet uns auf das aufmerksam gemacht, was wir in der letzten Zeit unseres euch bekannten Wahrheitssuchens auch schon ein paar Male vernommen haben, was uns aber in Seiner Gegenwart nicht eingefallen ist, obschon Er uns Selbst darauf hingeleitet hatte; vielleicht wollte Er das Selbst nicht, und so vermochten wir uns des schon ein paar Male Vernommenen denn auch nicht zu erinnern. So Er nun in die Anstalt kommen wird, da soll auch das besprochen werden, obschon nicht unsert-, sondern vielmehr euretwegen!“ 11. Sagten die Gefährten: „Das, liebe Freunde, wird sich erst bei seiner Gegenwart zeigen, ob sich dazu eine schickliche Gelegenheit bieten wird, und ob er es uns zulassen wird, ihn darum zu befragen. Wir werden froh und ihm im höchsten Grade dankbar sein, so er unsere Leiber heilen wird und besonders unsere Eingeweide, die schon altersschwach und zum Lebensdienste unserer Glieder völlig untauglich geworden sind. 12. Ich bin wohl ein Arzt und habe schon gar manchem Leidenden seine Schmerzen gelindert; aber die freilich zumeist selbst verschuldeten Schwächen des Alters heilen unsere Kräuter, Wurzeln, Öle und Heilbäder nimmer so völlig, wie ihr beide von dem Wundermanne geheilt worden seid. 13. Ein Mensch aber, der das bloß durch seinen Willen vermag, ist offenbar mehr denn eine zahllose Menschenmenge, die mit ihrem Willen allein nicht einmal den schwächsten Faden einer Spinne zu zerreißen vermag, geschweige zu heilen eines alten und schwachen Menschen Blut und Eingeweide. Ein das vermögender Mensch ist daher den andern Menschen gegenüber ein Gott, und das aus dem sicher höchst vernünftigen Grunde, weil er Dinge zu bewirken vermag, die man sonst nur von den hohen, aber von einem Sterblichen nie geschauten Göttern zu erwarten hätte. 14. Man sagt wohl, daß die Götter für uns Menschen stets nur unsichtbar wirken und ihnen eine unzählige Menge von allerlei Naturkräften und dienstbaren Geistern zu Gebote stehen, – aber das müssen die Menschen pur glauben, und noch nie hat jemand hinter den dichten Schleier der ominösen Isis geschaut. Unser Mann aber wirket Göttliches vor unsern Augen und spricht, lehrt und nimmt sogar Jünger an, die von ihm die Kunst, den Göttern gleich zu werden, erlernen, wie auch vielleicht, gleich ihnen unsterblich zu werden. Ein solcher Mann ist dann ja offenbar allen Göttern vorzuziehen, die nie vor eines Menschen Auge da waren und ihm von ihrem Dasein und Wirken ein nur halbwahres Zeugnis gaben. 15. Dieser aber ist da und gibt vor aller Menschen Augen Zeugnis der vollsten Wahrheit gemäß, daß Er ein wahrster, lebendiger und wirklich daseiender Gott ist, was wir nicht einmal blind zu glauben nötig haben, weil wir uns davon mit allen unseren Sinnen überzeugen können; und somit erkläre ich Ihn schon bloß darum für einen allein wahren Gott und verwerfe alles andere, sicher nur in der Phantasie und Einbildungskraft der Menschen entstandene Göttertum in das Reich vager und eitler Fabeln, weil Er euch beide nur durch Seinen Willen also gesund gemacht hat, wie ihr zuvor meines langen Wissens wohl niemals waret. Daher sei Ihm schon im voraus von mir alle einem Gott gebührende Ehre erwiesen! Ich freue mich, trotz meines auch schon alten Magen- und Leberleidens, Ihn zu sehen und Ihm mit aller Liebe und tiefster Ehrfurcht entgegenzukommen. Vielleicht wird Er mich auch einer vollen, Ihm gar leicht möglichen Heilung würdigen.“ Kapitel 161 Großes Evangelium Johannes, Buch 9 161. — Das Bekenntnis des Arztes 1. Als der Arzt also von Mir geredet hatte zu den andern Gefährten, die mit Ausnahme der beiden schon geheilten Griechen bei einer oder der andern Behauptung des mit einer ganz reinen Vernunft begabten Arztes denn doch mit den Achseln zuckten, darum Ich sicher wohl wußte, da heilte Ich durch Meinen Willen den Arzt so vollkommen von allen seinen alten Übeln, wie die beiden Griechen zuvor auf dem Berge, was er denn auch augenblicklich wahrnahm und also mit der heitersten Miene von der Welt zu reden begann: „Höret, Freunde, der Mann, den ich vor euch trotz eures manchmaligen Achselzuckens zu einem allein wahren Gott nach meiner Vernunft und vollen Überzeugung erhob, hat – ohne Sich uns gezeigt zu haben – an mir schon das gewünschte Wunder gewirkt! Denn ich fühle mich nun auf einmal so gesund und in allen meinen Leibesteilen so heiter und gestärkt wie nie je zuvor in meinem schon ziemlich langen Leben. 2. Das hat mir nun der Mann, der für mich als der völlig allein wahre Gott gilt, und gegen den alles andere ins finstere Reich der Fabeln gehört, getan und hat mir damit mehr als mit tausend neu geschaffenen Sonnen am Firmament bewiesen, daß meine Behauptung eine völlig wahrheitsvolle ist; denn ein Mensch, selbst mit aller Kunst der orakelsprüchigen Magier ausgestattet, hat der Wahrheit nach noch nie in der Ferne jemandes geheime Wünsche erkannt und noch weniger ohne irgendein Medium nach seinem bloßen Willen einem Leidenden so gänzlich geholfen, wie mir nun geholfen worden ist. 3. Wollet ihr nun auch noch mit den Achseln zucken, so ich als ein in gar vielen Dingen wohlerfahrener Arzt den großen Mann, ob Er auch dem uns sichtbaren Leibe nach aus Galiläa stammt, als den einen, allein wahren Gott, der uns in allem helfen kann, will und wird, so wir Ihm die Ehre geben, anerkenne und mit vollster Überzeugung für das erkläre, was Er unbestreitbar ist? 4. Die kindischen Metamorphosen (Verwandlungen) unserer erdichteten und in Stein, Holz und Erz geformten Götter und Halbgötter könnet ihr wohl glauben – obschon sie noch nie jemandes Bitte erhört und ihm irgend geholfen haben –, aber bei dem Wundermanne machet ihr eine bedenkliche Miene! Warum denn, frage ich?“ 5. Sagte einer von den Gefährten: „Lieber und uns allen sehr achtbarer Freund, wir kennen dich, daß du ein äußerst biederer Mann bist und für alles Gute, Wahre und Außerordentliche stets den wärmsten Sinn an den Tag gelegt hast, aber wir wissen von dir auch, daß du die Extreme entweder nach unten oder nach oben gern berührst und von der sogenannten goldenen Mittelstraße nur selten Gebrauch machst; bei uns aber heißt es immer: FESTINA LENTE! (Eile mit Weile) 6. Wir sind deiner Behauptung gar nicht abgeneigt und sind nun auch der Meinung, daß du in dieser deiner Ansicht dich nicht geirrt haben wirst; aber es ist uns alles das gleich einem Blitze zu schnell gekommen, und wir konnten das mit unserem auch sehr verdorbenen Magen und geschwächten Gedächtnisse auch nicht so schnell verdauen wie du nun mit deiner vollen Gesundheit. Zudem werden wir hier von mehreren Griechen und Römern und von noch viel mehr Juden behorcht; und so wir über das Erlebte, über das wir uns unterdessen auch im stillen sehr freuen können, gleich einen zu lauten Jubel schlagen, so können wir der in sich völlig guten und wahrhaft göttlich wunderbaren Sache leicht mehr schaden als nützen. 7. Darum haben wir denn auch über deine vor uns aufgestellte Behauptung eigentlich mit unsern Achseln nicht so sehr bedenklich gezuckt, als vielmehr über deine volleifrige, dann und wann ein wenig zu laut gewordene Stimme, die uns bald zu viele Zuhörer in die Nähe gelockt hätte. Lassen wir zuvor den großen Gottmann erst Selbst zu uns kommen und reden, dann werden schon auch wir lauter reden! Haben wir da nicht auch recht, so wir die stillere Klugheit einem gleich anfänglich etwas zu lauten Lärm vorziehen?“ 8. Sagte der Arzt mit einer etwas gemäßigteren Stimme: „Freunde, wer einmal, wie ich nun, den einen wahren Gott gefunden und erkannt hat, der soll seine stille Klugheit fein beiseitesetzen und aller Welt offen zeigen den unermeßbar großen Schatz, den er gefunden hat, auf daß auch die Blinden nach dem Lichte des Lebens lüstern werden mögen! 9. Weil ich nun von der großen Wahrheit meiner Behauptung mehr als bis in die innerste Faser meines Leibes und Lebens überzeugt bin, so fürchte ich auch keine Welt, keinen Griechen, keinen Römer und noch weniger einen falsch frömmelnden Juden mehr! Hätten sie mir allesamt, die sich hier in dieser neuen Heilanstalt ihrer Krankheiten wegen uns gleich befinden, auf eine so wunderbare Art helfen können, wie mir mein lau