Kapitel 1 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 Der Herr und Seine Widersacher. (Ev. Joh. Kap. 9) 1. — Verkleidete Pharisäer kommen zu Lazarus 1. Als Ich noch kaum die letzten Worte ausgesprochen hatte, da kam schon ein Diener des Lazarus in den Speisesaal, in dem wir noch gar wohlgemut beisammensaßen, und sagte zu ihm, daß mehrere Fremde angekommen seien und mit dem Herrn der Herberge zu sprechen wünschen. 2. Da fragte mich alsbald Lazarus, was er nun machen solle. 3. Sagte Ich: „Du bleibst gleich uns vorderhand hier! Nur Raphael und die sieben Ägypter werden hinausgehen und mit den verschmitzten Pharisäern und Schriftgelehrten eine kleine Abhandlung halten. Was sie zu tun und zu reden haben, das wissen sie!“ 4. Hierauf begaben sich Raphael und die sieben Oberägypter sogleich hinaus, und Raphael fragte sie mit ernsten Worten, was sie hier suchten und wollten. 5. Da sprach ein höchst heuchlerischer Pharisäer: „Junger Mensch, der du von guter Abkunft zu sein scheinst, bist du ein Abgeordneter des Lazarus, den wir kennen, und mit dem allein nur wir reden wollen? Es ist das eine sonderbare Sitte nun hier geworden, daß der Gerufene an seiner Stelle denen, die nur den Herrn sprechen wollen, einen unbärtigen Knaben entgegensendet! Gehe du hin zu Lazarus, den wir sprechen wollen, und sage ihm, daß wir, die ihn sprechen wollen, wohl in Jerusalem und in allen Landen der Juden einen viel höheren Rang einnehmen als er!“ 6. Sagte Raphael: „Wenn ihr denn schon gar so große Herren seid, so wundert es mich wahrlich, daß ihr, verkleidet, im schon ziemlichen Dunkel des Abends euch hier herauf auf diesen von euch in den Bann gelegten Berg und Ort begeben habt! Heißt es nicht also in eurem Fluche: ,Wer von den Juden diesen Berg betritt zur Tages- oder Nachtzeit, der sei verflucht an Leib und Seele!‘? Wenn aber also, wie mochtet ihr selbst euch heraufbegeben, um mit dem Ketzer Lazarus zu sprechen?“ 7. Sagte der Pharisäer: „Was verstehst du unbärtiger Knabe von dem? So wir die Macht von Gott haben, einen Ort aus guten Gründen in den Bann zu tun, so haben wir auch die Macht, ihn zum wenigsten für uns aufzuheben, wann wir wollen; denn wir stehen nicht unter dem Gesetz, sondern über demselben, so wir das sind, was du meinst. – Hast du das verstanden?“ 8. Sagte Raphael: „Höret! Wenn ihr euch dünket, über dem Gesetze Gottes zu stehen, da seid ihr dann ja doch offenbar mehr als Gott Selbst! Denn Gott Selbst fügt Sich ewig in Seine ewigen Ordnungsgesetze und handelt niemals wider dieselben und hebt darum auch ewig nie ein Gesetz auf – etwa aus dem Grunde, um zeitweilig Selbst, so es Ihn gelüstete, wider das Gesetz zu handeln. 9. So ihr euch aber dazu zur Genüge machthabig dünket, da steht ihr ja weit über Gott; denn Gott Selbst, als das Urgesetz, besteht und handelt stets in Seinem Gesetz und steht sonach in und unter Seinem Gesetz. Wenn aber Gott Selbst das ewig auf das allerstrengste beachtet, wer gab demnach euch das Recht, euch übers Gesetz zu stellen, euch zu verkleiden, damit man euch nicht erkennen möchte, wie und wann ihr selbst euer Gesetz übertretet? So ihr Herren über das Gesetz seid, wozu dann eure Furcht, vom Volke erkannt zu werden, so ihr wider eure Gesetze handelt?“ 10. Sagte ganz unwillig der Pharisäer: „Was verstehst du unbärtiger Knabe von diesen höheren Dingen, über die allein die Priester des Tempels zu urteilen von Gott das Recht haben?“ 11. Sagte Raphael: „So, – warum hatte denn Samuel schon als Knabe das Recht, mit Gott zu reden und über göttliche Dinge zu urteilen?“ 12. Sagte der Pharisäer: „Wie magst du dich erkühnen, dich mit Samuel zu vergleichen?“ 13. Sagte Raphael: „Wie erkühnet denn ihr euch, euch über Gott und Seine Gesetze zu stellen? Wer gab euch das Recht dazu! Wahrlich, ich habe ein tausendfach größeres Recht, mich mit Samuel zu vergleichen, als ihr, euch über Gott und Seine Gesetze zu stellen! 14. Aber nun habe ich eure Dummheit satt! Gebet mir Antwort auf meine erste Frage, warum ihr nun hier herauf gekommen seid, und was ihr hier wollet, sonst sollet ihr mich bald näher kennenlernen und daraus ersehen, was mich berechtigt, mich aus gar guten und wahren Gründen mit Samuel zu vergleichen!“ 15. Sagte der Pharisäer: „Das ist ein Geheimnis, welches wir niemand anderem als nur dem Lazarus anvertrauen können; darum hole uns den Lazarus heraus, sonst sind wir genötigt, mit Gewalt ins Haus zu dringen! Dich aber geht unser Anliegen an den Lazarus gar nichts an, und wärest du auch ein zehnfacher Samuel!“ 16. Sagte Raphael: „Was? Ihr habt ein Geheimnis? Wie aber kann das ein Geheimnis sein, was die Sperlinge von den Dächern schon jedermann verkünden! Ich werde euch aber euer Geheimnis hier kundgeben, damit ihr daraus entnehmen könnet, daß euer vermeintes Geheimnis schon seit lange her kein Geheimnis mehr ist. 17. Seht, ihr habt in eurem Rate beschlossen – weil die von euch gestern Ausgesandten euch keine Nachricht über den Aufenthalt des euch so sehr verhaßten Propheten aus Galiläa haben bringen können, und das aus dem höchst einfachen Grunde, weil sie selbst nicht wieder zurückgekehrt sind –, erstens euch hier auf eine schlaue Weise zu erkundigen, ob etwa Lazarus hier anwesend sei, und ob er nicht wüßte, wohin etwa der Prophet gezogen ist, und zweitens, wenn Lazarus etwa nicht mehr anwesend sein sollte, den Wirt oder einen anderen Diener zu bestechen, daß er euch möglicherweise eine erwünschte Auskunft gäbe! Erhieltet ihr diese, so würdet ihr dann sogleich alle eure euch noch treu gebliebenen Häscher aussenden, um den euch so sehr verhaßten Propheten fangen und auch alsogleich töten zu lassen. 18. Sehet, das ist euer gar sehr löbliches Geheimnis, das uns, und besonders mir, der ich ein größter Freund des erhabensten Propheten bin, schon seit lange her nur zu gut bekannt ist! Und nun redet wahr und treu, ob sich die Sache irgend anders verhält!“ 19. Hierauf sah der Pharisäer den Raphael groß an und sagte nach einer Weile: „Wer gibt dir, du unbärtiger Junge, das Recht, uns also zu verdächtigen? Erstens weißt du noch nicht, ob wir wohl im Ernste dem Tempel angehören, und ob wir Juden sind, und zweitens sagen wir, daß wir von deinem großen Propheten kaum etwas wissen! Wir haben auf unserer Reise hierher wohl hie und da etwas vernommen, daß im Judenlande ein großer Magier sich bemerkbar mache durch seine Künste oder Zaubereien, ob er aber ein Freund oder Feind der Judenpriester ist, oder ob diese ihn verfolgen, das ist uns wahrlich sicher ganz gleichgültig! Wir sind Handelsleute und kümmern uns sicher um derlei Kleinigkeiten niemals! Wenn aber also, wie kannst du uns Dinge vorhalten, die uns noch nie gekümmert haben?“ 20. Sagte Raphael: „So, weil euch nun das Wasser zum Munde hineinzurinnen anfängt, so möchtet ihr nun sogar euren Stand verleugnen; aber es geht das vor mir und diesen meinen sieben Gefährten mit dem Verleugnen sogar eures Charakters und Standes durchaus nicht! Damit ihr aber das einsehet und noch besser begreifet, daß ihr euch vor uns unmöglich verstellen könnet, so werde ich mir nun die Freiheit nehmen und werde euch eurer griechischen Überröcke berauben, auf daß ihr dann in euren Tempelkleidern vor uns steht; dann werdet ihr sicher nicht mehr zu leugnen imstande sein, daß ihr das seid, als was ich euch bezeichnet habe!“ 21. Hier griffen die Pharisäer nach ihren Überröcken und hielten sie fest, – aber es nützte das nichts; denn Raphael gebot in seinem Willen, und die Templer standen sogleich in ihren nur zu wohlbekannten Priesterkleidern da und machten Miene, die Flucht zu ergreifen. Aber die sieben Oberägypter waren schnell bei der Hand, verstellten ihnen den Weg und bedeuteten ihnen, stehenzubleiben und keinen Schritt irgend zum Entfliehen zu versuchen; wenn sie dem Verlangen nicht gehorchten, würde es ihnen gar übel ergehen. 22. Um diesem Mandate mehr Gewicht zu verschaffen, zeigten sie den nun schon sehr geängstigten Pharisäern drei große Löwen, die etwas tiefer unten am Wege lagerten und sich gar grimmig gebärdeten. Dieses Mittel wirkte, und die Pharisäer – zehn an der Zahl – fingen an, Raphael um Vergebung zu bitten, und gestanden nun auch gleich alles ein, warum sie auf den Ölberg gekommen seien, und sagten auch, daß er die Wahrheit geredet habe. 23. Als sie nun also dastanden in großer Angst, da sagte Raphael zu ihnen: „Saget mir nun: Wer von allen Menschen ist wohl schlechter noch als ihr? Ihr wollt Diener Gottes sein, seid aber Diener der Hölle! Welcher Teufel hat euch wohl gezeugt? Der große Meister aus Nazareth hat euch durch Worte und Taten mehr als sonnenklar gezeigt und bewiesen, daß Er der verheißene Messias ist und als solcher auch der alleinige Herr Himmels und der Erde – wie das von Ihm auch geweissagt ist durch den Mund aller Propheten –, und ihr glaubet nicht nur nicht daran, sondern verfolget noch mit aller Wut und Gier den Herrn Himmels und der Erde! O ihr ohnmächtigen Toren! Was wollet ihr denn ausrichten gegen die Gewalt des Allmächtigen, der euch mit dem leisesten Gedanken vernichten oder eure argen Seelen in die Hölle werfen kann, die ihr schon lange verdient habt? Was wollet ihr Elenden nun tun?“ 24. Sagte ein anderer Pharisäer: „Höre, du junger weiser Redner, wir bitten dich nun um nichts Weiteres, als daß du uns wieder unversehrt hinab in die Stadt kommen lässest, und wir geben dir die vollste Versicherung, daß wir als nun Hierseiende uns nimmerdar an der Verfolgung des wundersamen Propheten aus Galiläa irgend im geringsten beteiligen werden! Ja, wir wollen und werden sogar den andern nach Möglichkeit davon abraten! Ob wir aber unsere Amtsgenossen gegen den Wundermann werden geneigter machen können, dafür können wir dir freilich nicht gutstehen; aber daß wir unser möglichstes aufbieten werden, um die Verfolgungswut unserer Genossen zu dämpfen, dafür stehen wir euch gut! Denn wir haben es jetzt erfahren und uns selbst überzeugt, daß unsere blinde Verfolgung des Galiläers eine der größten Torheiten ist, die zu gar nichts anderem als nur zu unserem Untergange führt. Und so wollen und werden wir auch das tun, was wir dir hier gelobt haben; aber nur laß du uns, wie wir dich schon gebeten haben, unversehrt die Stadt wieder erreichen!“ 25. Sagte darauf Raphael: „Wohl denn! – Ihr könnet wieder abziehen, und es soll euch kein Leides geschehen; aber wehe jedem von euch, der sein hier mir gegebenes Wort brechen wird! Denn das merket euch, daß Gottes Macht, Weisheit, Allwissenheit und Ernst unendlich ist und der schwache sterbliche Mensch gegen Gott und Seine Wege ewig nichts ausrichten kann und wird! 26. So ihr aber alle leicht sehet und auch wohl begreifen könnet, daß Werke, die der Gesalbte Gottes vor den Menschen verrichtet, stets derart sind, daß sie nur Gott allein bewirken kann, so werdet ihr auch einsehen, daß eben Gott Selbst innigst vereint mit dem euch so verhaßten Propheten aus Galiläa waltet und wirkt, und daß es übertöricht ist, sich den Anordnungen Gottes zu widersetzen! 27. Saget das auch euren argen und blinden Genossen! Sie können ihre Wut gegen Ihn auch so weit steigern, daß sie – durch Seine Zulassung – Hand legen an Seines Leibes Leben und es töten, so werden sie damit dennoch nichts anderes erreichen als die Beschleunigung des Gerichtes über sich und ganz Jerusalem. Er aber wird nicht getötet werden können, weil Er das Leben Selbst ist, sondern Er wird fortleben und richten alle Geschlechter der Erde. Wohl dem, der an Ihn glaubt und nur Sein Wohlgefallen und Seine Freundschaft sucht! 28. Nun wisset ihr, was ihr zu tun habt, und könnet nun abziehen, so ihr wollet; wollet ihr aber zuvor jetzt noch mit Lazarus ein weises Wort reden, so soll euch das nun auch gestattet sein.“ 29. Sagte ein Pharisäer: „So er hier ist, möchte ich mit ihm wohl reden, doch von etwas ganz anderem, als was wir ihn eigentlich haben fragen wollen. Denn warum wir heraufgekommen sind, das hast du uns nur zu klar vorgehalten; von dem aber soll bei uns nun keine Rede mehr sein, sondern von etwas ganz anderem! Wenn wir demnach mit Lazarus ein Wort reden könnten, so wäre uns das wohl sehr lieb!“ 30. Hierauf sagte Ich zu Lazarus im Saale: „Nun erst kannst du hinausgehen und etliche gute Worte wechseln mit den sehr geängstigten Pharisäern; doch von Meinem Aufenthalte rede nichts!“ Kapitel 2 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 2. — Die Bitte der Pharisäer um sicheres Geleit 1. Hierauf ging Lazarus hinaus, begrüßte nach der Sitte die Templer und fragte sie dann, was ihr Anliegen an ihn sei. 2. Sagte der eine Pharisäer: „Es hatte uns zwar anfangs ein böser Geist heraufgeführt, und so war auch das, um was wir dich so ganz eigentlich haben fragen wollen, durchaus nichts Gutes. Wir sind durch die Worte dieses überklugen und weisen Jünglings und durch die sonderbare Macht dieser sieben Männer, die uns noch umstehen, eines Besseren belehrt worden und haben bald eingesehen, wie eitel töricht unsere böse Mühe war, und so sind wir denn auch von ihrem losen Grunde ganz abgestanden. 3. Nun aber bitten wir dich freundschaftlichst, daß du uns gestatten möchtest, dich als deine Freunde wieder in Bethanien besuchen zu dürfen, allwo wir über gar manches mit dir unter vier Augen sprechen möchten. Dann bitten wir dich nun aber auch, daß du uns ein sicheres Geleit über den Berg bis in die Stadt möchtest angedeihen lassen; denn da, etwas weiter unten am Wege, liegen drei Löwen, die sicher den sieben Männern angehören, weil sie sich auf ihren Ruf sogleich eingefunden haben. Diese bösen Tiere werden – was schon öfter der Fall gewesen sein soll – wahrscheinlich wohlgezähmt den sieben anstatt der Hunde zum Schutze auf ihren Reisen dienen, aber trotz ihrer Zahmheit ist ihnen dennoch nicht zu trauen! Ein noch so böser Hund kennt auch zur Nachtzeit seinen Hausherrn; aber einen Fremden packt er an und reißt ihn, und das wäre von den drei Löwen um so mehr zu erwarten! Darum bitten wir dich, daß du den sieben andeuten möchtest, daß sie die drei Bestien wieder zur Seite schaffen möchten.“ 4. Hierauf sagte Lazarus: „Wenn euer innerer Sinn gleichlautend ist euren Worten, und wenn ihr den Schaden, den ihr an gar vielen Armen, Witwen und Waisen verübt habt, nach Möglichkeit wieder gutmachen wollet, so könnet ihr ganz ruhig an diesen Löwen vorüberziehen, und es wird sich keiner nach euch umsehen; aber so ihr in eurem Herzen dennoch eines andern Sinnes seid, als wie gelautet haben eure Worte, da wäre es für euch eben nicht geheuer, sich den Löwen zu nahen! Darum prüfet selbst euer Herz, und saget es offen heraus, wie dessen Sinn lautet! 5. Auch nach Bethanien, und zwar in mein Wohnhaus, werdet ihr so lange schwerlich einen Eingang finden, solange ihr im Herzen nicht eines andern Sinnes seid, als wie da lauten eure Worte; denn auch mein Haus bewachen ähnliche Hüter, wie diese drei da unten sind. Wer zu mir redlichen Sinnes kommt, der hat nichts zu befürchten; wer aber unredlichen und bösen Sinnes sich meinem Hause naht, dem ergeht es übel!“ 6. Sagte der redeführende Pharisäer: „Du kannst es mir glauben, daß wir alle nun auch also denken, wie ich rede, und wir werden auch, wo wir irgend jemanden bedrückt haben, den Schaden nach aller Möglichkeit gutzumachen auf das eifrigste bemüht sein; aber an den drei Bestien getrauen wir uns dennoch nicht allein vorüberzuziehen! Darum gib uns dennoch ein sicheres Geleit!“ 7. Sagte Lazarus: „Die sieben werden euch das sicherste Geleit geben, so ihr redlichen Sinnes seid. Aber nun noch eine Frage an euch! Saget es mir, aus welchem Grunde glaubet ihr denn an Jesus aus Nazareth nicht, daß Er allein der vollwahre Messias ist? Ihr habt doch gelesen die Schrift, habt auch vernommen Seine Lehre und gesehen die Zeichen, die Er wirkt! Wie möglich könnet ihr über alles das noch so verstockten Sinnes sein? Tausende von Juden und Heiden glauben an Ihn, und viele Heiden kommen von allen Enden der Erde, verneigen sich vor Ihm, nehmen Sein Wort an und glauben, daß Er der Herr ist; nur ihr, die ihr allem Volke mit einem besten Beispiele vorangehen sollet, sträubet euch dagegen, ärger denn die harten Berge den Stürmen. 8. Der Herr kam im Fleische als Mensch auf diese Erde, wie Er es durch den Mund der Propheten Selbst geoffenbart hat, und tut nun auch die Werke, die ebenfalls die Seher schon vor Jahrhunderten besungen haben – was ihr als Schriftgelehrte am ehesten erkennen müßtet –, und dennoch glaubet ihr, wie gesagt, nicht an Ihn! Worin liegt denn davon wohl der Grund?“ 9. Sagte der Pharisäer: „Das, liebster Freund, wollen wir in Bethanien bei dir jüngst einmal ganz klar besprechen; hier aber kann ich dir nun so viel sagen, daß es nun im Tempel eine höchst schwere Sache ist, ein Mensch zu sein. Man ist zwar ein Priester, aber darum ein Mensch nicht. Ein jeder ist ein Feind des andern und sucht ihm zu schaden, um daraus für sich einen Nutzen zu ziehen, und so muß man darinnen und dort, wo man als Mensch lieber weinen möchte, mit den Wölfen heulen, damit man von ihnen nicht zerrissen wird. Aber laß nun das nur noch eine kurze Zeit gut sein, und dieses Tempelgetriebe wird einen großen Umsturz erleiden; denn für die Länge der Zeit gibt es darin kein Bleiben mehr! 10. Nun kennst du auch unsere eigentliche innere Gesinnung; habe darum die Güte, den sieben zu sagen, daß sie uns wohlbehalten von diesem Berge hinab bis zur Stadt geleiten möchten!“ 11. Hierauf erst sagte nun wieder Raphael zu den Pharisäern: „Warum beeilt ihr euch denn nun so sehr, wieder in die Stadt zu kommen? Wenn ihr wahrhaft gut und ehrlichen Sinnes seid und auch schon saget, daß ihr an den Messias glauben wollt, so seid ihr ja auch hier bei uns sicherer als in der Stadt! Ihr seid doch mit dem Sinne heraufgekommen, um als des Messias Feinde hier auszukundschaften, wo Er Sich etwa aufhalte? So ihr aber nun gegen Ihn anders gesinnt worden seid, warum wollet ihr euch nun als Seine Freunde nicht nach Ihm erkundigen, wo Er Sich aufhält, damit ihr Ihn aufsucht und euch Ihm zeiget als solche, die an Ihn glauben?“ 12. Sagte der Pharisäer: „Lieber junger Weiser, so wir das täten, da könnte uns das übel angerechnet und etwa so gedeutet werden, als wollten wir, zum bösen Spiele eine gute Miene machend, nun dennoch aus euch herausbringen, wo sich nun der Messias aufhält. Es liegt uns aber nun wahrlich nichts mehr daran, wo er sich aufhalten mag! Denn seine Feinde sind wir fürwahr nicht mehr; sich ihm aber nun als bekehrte Freunde vorzustellen, fühlen wir uns noch viel zu schlecht und seiner unwürdig, und so ist es denn ja doch begreiflich, daß wir uns nun gar nicht nach seinem irgendwoigen Aufenthalt näher erkundigen können und wollen und darum auch schon in unseren Wohnungen sein möchten, um uns selbst treu zu beraten, was wir in der Folge zu tun haben werden, um uns in uns vollends ihm anzuschließen. Zudem müssen wir vor allem aber auch das Fruchtlose unseres Unternehmens dem Tempel anzeigen, auf daß er nicht, bevor er noch von uns eine Nachricht bekommt, schon andere Kundschafter aussende und so die ganze Stadt und die ganze Umgegend beunruhige. Wir glauben, euch nun alle unsere Gründe genügend dargetan zu haben, die uns nötigen, sobald als möglich wieder in den Tempel und in unsere Wohnungen zu kommen, und so gewähret uns den sicheren Abzug!“ 13. Sagte nun Raphael: „Ich kann euch aber versichern, daß der Tempel bis morgen auf eure Nachrichterstattung warten wird, und er wird darum keine neuen Kundschafter aussenden. Hier aber hat Lazarus auch der Gemächer zur Genüge, in denen ihr euch beraten könnet, und hat auch der Speisen und des besten Weines in Hülle und Fülle, damit ihr euch stärken könnt. Mein Rat an euch, weil ihr schon einmal da seid, wäre, daß ihr mindestens bis zur Mitte der Nacht hier verbliebet und euch dann erst unter sicherem Geleite in die Stadt hinabbegäbet. Aber so ihr nun schon durchaus hinab wollet, so sollet ihr von uns auch nicht mehr aufgehalten werden! Die Löwen – wie ihr das noch gut sehen könnet – sind bereits weg, und dort im nächsten Zelte liegen eure griechischen Mäntel! Tut nun, was ihr wollt!“ Kapitel 3 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 3. — Die Glaubensansichten eines Pharisäers 1. Auf diese Worte Raphaels wußten die Pharisäer nicht so recht, was sie nun tun sollten. 2. Aber einer von ihnen sagte nach einer Weile: „Wißt ihr was? Der Junge wird recht und wahr gesprochen haben, und ich bin darum der Meinung, daß wir bis Mitte der Nacht gerade hier verbleiben sollten, wenn uns Lazarus ein Zimmer anweisen kann, in dem wir unbeirrt allein sein könnten, um die Sache des Messias unter uns genau und gut besprechen zu können und danebst noch so manches andere mit unserem Freunde Lazarus.“ 3. Damit waren alle einverstanden, und Lazarus führte sie durch ein anderes Tor ins Haus, wies ihnen da ein geräumiges Zimmer an und ließ auch sogleich den Tisch darin decken und Brot, Wein, wie auch andere Speisen in großer Menge auftragen und wohlleuchtende Lampen aufstellen, was alles den Pharisäern so ganz wohlgefiel, daß einer von ihnen sogleich die Bemerkung machte: „Ja, wenn also, da können wir es auch bis zum Morgen hier aushalten und lassen unsere Amtsgenossen im Tempel gute Männer sein! Die sollen auf eine Nachricht von uns nur ganz fein bis zum Morgen warten!“ 4. Damit waren alle einverstanden, und ein Ältester, der soviel wie ein Oberster war, wohl bewandert in allerlei Weltweisheit, sagte, als der Wein seine Zunge gelöst hatte: „Wo es dem Menschen wohl geht, da soll er auch bleiben, und so bleiben wir auch bis zum Morgen hier, und ich möchte mit euch, meine lieben Amtsgenossen, etliche freie Worte reden! Denn im Tempel geht das nicht; aber hier, wo wir ganz unbeirrt beisammensitzen und von niemandem behorcht werden, der uns schaden könnte, kann man schon auch ein freies Wort reden! 5. Es ist doch ein sonderbares Ding um den Menschen! Was ist eigentlich der Mensch, der sterbliche Gott der Erde, der ihren Boden bebaut und große Werke mit seinem Verstand und mit der Kraft seiner Hände in ein harmonisches Dasein schafft? Ich sage es euch: Der Mensch ist nichts als ein elendestes Tier; denn er weiß es, daß er sterben muß und wird, während kein Tier davon eine Ahnung zu haben scheint, daher es bis zu dem Zeitpunkt seines Verendens ganz ruhigen Gemütes fortleben kann, ohne jemals einen Gedanken zu haben, daß es dereinst sterben werde. Es tut der Mensch darum wohl daran, wenn er sein elendes Leben manchmal ein wenig erheitert und den schwarzen Gedanken an den Tod auf Augenblicke verscheucht. 6. Die Macht, die den Menschen ins Dasein rief, kann nach meinem Urteil nie eine weise und gute gewesen sein, gleichwie auch ein Mensch nie gut und weise genannt werden könnte, der die kunstvollsten Werke schaffte, um sie dann, wenn sie durch seine Sorge und Mühewaltung ihre höchste Vollendung erreicht haben, wieder zu zerstören und die abscheuvollen Trümmer und Reste gänzlich alles Daseins zu berauben und darauf gleich wieder dieselben Werke von neuem für den gleichen Zweck zu schaffen. 7. Wer das so recht beim Lichte betrachtet, der kann sich in (unter) Gott als der alles erschaffenden Macht unmöglich etwas höchst Weises und Gutes vorstellen. Denn wäre sie ganz gut und weise, so müßte sie ja auch für den Fortbestand ihrer allerkunstvollsten Werke, wie wir Menschen es sind, gesorgt haben! Aber nichts von dem! Wenn ein Mensch erst in seinem rechten Alter eine größere Vollendung im Wissen, Denken und Handeln erreicht hat, dann fängt er aber auch schon zu sterben an; er wird schwächer und schwächer, seine Lebenskräfte nehmen von Tag zu Tag ab, und das so lange fort, bis er das Leben ausgehaucht hat. Was dann mit ihm geschieht, wißt ihr alle, und es ist nicht nötig, die Sache näher zu beschreiben. 8. Freilich haben wir wohl in unserer Gotteslehre die Versicherung, daß es im materiellen Menschen noch einen geistigen gibt, der nach dem Abfalle des Leibes fortlebt, – aber was nützt dem Menschen eine Lehre und nach ihr der Glaube, so dafür niemandem ein unumstößlicher Beweis gegeben ist?! 9. Welche erhabenen Väter, Weise und Propheten haben vor uns gelebt nach den besten und weisesten Gesetzen, glaubten ungezweifelt an einen Gott, beteten Ihn an und liebten und ehrten Ihn über alle Maßen und glaubten auch ungezweifelt fest an ein ewiges Leben nach dem Tode des Leibes! Aber endlich mußten diese großen und weisen Glaubenshelden denn doch sterben, und es ist von ihnen bis zu uns nichts übriggeblieben als ihre Namen und ihre in der Schrift aufgezeichneten Taten und Lehren! Wohin sind denn aber ihre Seelen gekommen? 10. Wer von uns allen hat denn je im Ernste und der vollsten Wahrheit nach eine nach dem Tode irgendwo fortlebende Seele gesehen und gesprochen?! In einem Traume höchstens oder in einer bösen Fieberhitze! Es gibt wohl Menschen, die da behaupten, daß sie mit den Seelen verstorbener Menschen geredet haben; aber das sind Menschen, denen zumeist alle Wissenschaft und alle Beurteilungsfähigkeit mangelt, und sie gefallen sich oft und zumeist selbst darin, den anderen Menschen aus ihrer natürlichen Phantasie und lebhaften Einbildung übernatürliche Dinge zu erzählen, um sich dadurch ein gewisses mystisches Ansehen zu verschaffen, an dem ihnen oft mehr liegt als einem Magier an seinem baren Gewinne. 11. Man muß auch das eingestehen, daß es mitunter Menschen gibt, die zur Bekräftigung ihrer Aussagen und Lehren gewisse wundervolle Taten verrichten und damit ihren Lehren das Wahrheitszeugnis aufprägen wollen, wie wir das nun an dem wirklich merkwürdigen Propheten aus Nazareth erleben. Er lehrt dabei das Volk auch ganz gut und verheißt allen, die an ihn glauben, das ewige Leben der Seele. 12. Ja, das ist alles recht schön und sogar gut, weil das gar vielen Menschen eine gewisse Beruhigung verschafft und ihnen die Furcht vor dem Tode benimmt; aber das haben auch die alten Propheten getan, und Tausende von Menschen haben fest geglaubt und haben ihren Glauben sogar mit dem Martertode besiegelt. Die Zeit aber hat die großen Propheten samt ihren Gläubigen hinweggerafft, und es ist von ihnen bis auf uns, wie schon gesagt, nichts übriggeblieben als ihre in den Schriften verzeichneten Namen und Taten, die wir aber auch ohne alle weitere Überzeugung bloß nur glauben müssen! 13. Warum kommt denn nicht einmal eine irgend jenseitig fortlebende Seele zu uns und sagt es uns: Ich bin zum Beispiel der jenseits glücklichst fortlebende Elias, Daniel, David oder Jesajas? Ich sage es euch: Wie die alten Propheten samt Moses vergangen sind, so werden wir samt dem nun so berühmten Propheten, der sogar Tote erwecken soll, vergehen, und die späteren Nachkommen werden von uns und ihm gerade das überkommen, was wir von den alten Propheten überkommen haben. Wenn sich auch der Glaube vielleicht viele Jahrhunderte mit manchen Zusätzen und Entstellungen erhalten wird, so wird die lebendig wahre Überzeugung aber doch auf ein Haar ganz dieselbe sein, die wir nun von dem Fortleben der Seele nach dem Tode des Leibes haben. 14. Es wäre ein solches Fortleben der Seele nach dem Leibestode freilich etwas unschätzbar erhaben Großes, und ein Mensch würde gewiß alles tun, wodurch er sich eines solchen Lebens völlig versichern könnte, wenn er für dasselbe irgendwelche haltbaren Beweise hätte; aber diese haben allzeit gemangelt, und es ist darum nicht zu verwundern, daß der einst bei den Alten noch so kernfeste Glaube bei uns erkaltete. 15. Wer von dem mehr gebildeten und erfahreneren Teil der Menschen besucht denn nun noch vollgläubig den Tempel? Die Hohen und Weisen gehen nur des gemeinen Volkes wegen in den Tempel und tun, als wäre ihr Glaube noch so kernfest, damit dann das Volk etwa doch bei sich denkt und sagt: ,Es muß denn doch etwas daran sein, weil die Hohen, Gelehrten und Weisen, die alles wissen können, so viel darauf halten!‘ 16. Ich bin darum wahrlich kein Feind des berühmten Galiläers, weil er die armen Menschen von neuem wieder für ein Leben der Seele nach dem Tode des Leibes begeistert und ihnen einen guten Trost gibt; aber es ist mir nur das nicht recht, daß er uns bei jeder Gelegenheit als die größten Volksbetrüger darstellt und als ein weise sein wollender Mann nicht bedenkt, daß er im Grunde doch dasselbe am Volke tut, dessen er uns beschuldigt. Er rede nur, wie ich nun, die Wahrheit, wie sie die alte Erfahrung lehrt, zum Volke, und er wird schwerlich so viele Anhänger haben, wie er sie nun hat. 17. Das ist so mein wahrer Glaube und mein treues Bekenntnis vor euch, meine Amtsgenossen, das ich aber nur unter uns ausgesprochen habe, weil ich es wohl weiß, daß ihr alle in euch geradeso denkt wie ich; im Tempel vor dem Volke und vor unseren vielen und sehr blinden Amtsgenossen aber heißt es freilich wohl anders reden! Was saget ihr alle zu dieser meiner Ansicht?“ Kapitel 4 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 4. — Ein Schriftgelehrter weist auf die Ordnung Gottes hin 1. Sagte ein anderer Schriftgelehrter: „Ich kann dir nicht unrecht geben und bin vielfach auch deiner Ansicht; aber als eine völlig ausgemachte Wahrheit kann ich deine Meinung und Ansicht denn doch auch nicht annehmen! Denn ich kann denn doch nicht glauben, daß Gott als sicher ein allerweisester Schöpfer Himmels und der Erde, der doch Sonne, Mond, Sterne und diese Erde gleichfort erhält, uns Menschen als ganz sicher die vollendetsten Werke Seiner Weisheit und Macht pur zu Seinen vergänglichen Spielpuppen geschaffen hat! 2. Daß der Mensch nur ein kurzes diesirdisches Leben hat, davon scheint der Grund denn doch mehr darin zu liegen, daß seine Seele sich in ihrem Leibe gewisserart ausbilde, eine gewisse und haltbare Gediegenheit erhalte, auf daß sie dann in einer andern, ihrem Wesen ähnlichen Welt, die unbegrenzt sein muß, fortbestehen kann. 3. Denn wenn der Mensch mit Leib und Seele nur für diese materielle Welt bestimmt wäre, die sicher ihre Grenzen hat, wenn sie auch noch so groß ist, so würde infolge der täglichen Vermehrung der Menschen, so sie auch dem Leibe nach unsterblich wären, diese Erde, die dazu noch aus viel mehr Wasser als aus festem, bewohnbaren Boden besteht, eben für die Menschen bald zu klein und enge werden; es müßte Gott nach einer bestimmten Zeit die Menschen nur unfruchtbar machen und sie auch nimmer älter werden lassen, damit sie dann in einer gewissen normalen Kraft und Stärke gleich ewig fortleben und den Boden der Erde zu ihrem Unterhalte bearbeiten könnten. 4. Daß die Menschen aber mit der Zeit eines solchen notwendig einförmigen Lebens auch satt würden, das können wir mit aller Bestimmtheit annehmen; denn es lehrt uns ja die tägliche Erfahrung, daß jeder in ein und demselben stets gleichen Lebensverhältnisse sich sehr zu langweilen und nach irgendeiner Veränderung zu sehnen anfängt, und so würde selbst der allererfinderischste Mensch nach vielen tausend Jahren mit den ihn ergötzenden Veränderungen zu Ende kommen und endlich in eine größte Langeweile geraten, die er mit nichts mehr verscheuchen könnte. 5. Aus diesen sicher inhaltsschweren Betrachtungen aber ist es wohl ersichtlich, daß Gottes Weisheit die Menschen für ein anderes, höheres und freieres Leben erschaffen hat und nicht für eine in allem höchst beschränkte Welt, die wohl gut genug ist, um dem Menschen als eine erste Bildungsstufe zu dienen, aber nie dazu bestimmt sein kann, ihm einen seligen ewigen Unterhalt zu geben. 6. Aus diesen und noch manchen andern Gründen aber glaube ich an die Unsterblichkeit unserer Seelen, weil ihre Sterblichkeit uns Gott, dessen Macht und höchste Weisheit aus allen Seinen Werken hervorleuchtet, so wie auch Seine Güte und Gerechtigkeit, entweder als ohnmächtig und unweise oder auch als gar nicht daseiend vorstellen würde. 7. Das kann aber doch kein nur einigermaßen heller denkender Mensch behaupten, daß irgendeine blinde und stumme Kraft Werke, wie da wir Menschen es sind, in ein geordnetes Dasein rufen könnte. Denn was man selbst nicht hat, davon kann man auch unmöglich jemand anderem etwas geben. Oder stellt einen sehr dummen Menschen, der kaum seine Muttersprache lallen kann, als Lehrer einer fremden Sprache in eine Schule! Was wird der wirken? Nichts mehr als eine Bildsäule! Darum muß es ja einen höchst weisen und allmächtigen Gott geben, was ein jeder hellere Denker als höchst wahr bekennen muß. 8. Ist aber der allmächtige Gott höchst weise, so ist Er auch höchst gut und gerecht und hat mit uns Menschen sicher höchst wahre und gute Absichten und hat durch den Mund der Propheten und anderer weiser Menschen auch allen anderen Menschen kundgetan, was Er mit uns Menschen für Absichten hat, und was aber auch die Menschen zu tun haben, um hier auf Erden schon ein gutes und recht seliges Vorleben zu genießen und sich durch dieses Vorleben für das nachfolgende ewige Leben so tüchtig und empfänglich wie möglich zu machen. 9. Ein Gott aber, der das getan hat und noch gleichfort tut, hat uns Menschen, ja sicher nicht einmal eine Mücke, zu keinem leidigen Spielzeug Seiner Launen erschaffen! Oder kann man sich einen weisen und somit auch guten Menschen denken, der daran sein größtes Vergnügen hätte, seine armen Nebenmenschen in einem fort auf das grausamste quälen zu sehen? Soviel aber ich die Menschen in allen Verhältnissen und Richtungen betrachtet habe, habe ich auch stets bemerkt, daß Gott den Menschen durchaus kein Leid zufügt; sondern das tun sich die Menschen gegenseitig und auch ein jeder nur zu oft und am allermeisten sich selbst. Denn erstens treibt die Menschen ihre nie zu sättigende Selbstsucht und Habgier dazu an, daß sie sich nach aller Möglichkeit verfolgen und sich gegenseitig dadurch Übel und Qualen aller Art und Gattung bereiten und zuziehen; und weil sie dabei auf den geoffenbarten Willen Gottes nicht mehr achten, so gelangen sie durch die ungeordnetsten Lebensweisen auch in allerlei böse Leibeskrankheiten, die ihnen dieses Vorleben höchst verbittern. 10. Frage: Ist da auch etwa Gottes Weisheit und Güte daran schuld? Wenn das der Fall wäre, so müßten jene hoch zu ehrenden Menschen, die stets streng nach den Gesetzen Gottes gelebt haben, vor ihrem Abscheiden von dieser Welt auch mit solchen bösen Krankheiten zu Tode gemartert werden wie diejenigen, die von ihrer Jugend an schon ein gottloses Leben geführt haben und dadurch die Natur ihres Wesens in die größte Unordnung brachten. O nein, ich selbst habe mich schon gar oft überzeugt, daß der nach der Ordnung Gottes lebende Mensch zumeist ein hohes Alter erreicht und am Ende eines sichtlich ganz sanften Todes stirbt. 11. Es gibt hie und da freilich wohl auch Beispiele, daß recht fromme und gerechte Menschen am Ende auch mit irgendeiner eben nicht sehr sanften Todesart von dieser Welt scheiden; aber da können wir immer zwei Fälle annehmen, und diese können wohl darin bestehen, daß Gott so einem Menschen eine größere Geduldsprobe zukommen läßt, damit seine Seele fürs Jenseits eine desto größere Gediegenheit erlange. Warum? Das wird Gott sicher höchst klar wissen! 12. Im zweiten Fall aber kann der im gesetzten Alter fromm und gerecht gewordene Mensch durch so manche Jugendsünden doch seines Leibes Natur leicht in irgendeine Unordnung gebracht haben, und diese kann ihm dann am Ende seines Lebens auch so manche bitteren Folgen zum Verkosten bringen, die ihm die letzten Stunden eben nicht zu den angenehmsten machen dürften. Aber das können wir als völlig sicher und gewiß annehmen, daß von der Wurzel an ganz nach der Ordnung Gottes lebende Menschen stets höchst sanft dahinsterben. 13. Das ist nun so mein wahres Bekenntnis, bei dem ich für mich bis an den Rand dieses meines Erdenlebens treu verbleiben werde; von euch aber glaube und tue ein jeder, was er will!“ Kapitel 5 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 5. — Die Pharisäer besprechen sich über den frühen Tod von Kindern und über den Messias 1. Hierauf sagte der erste Redner: „Ja, da kann ich dir wahrlich nichts anderes einwenden, als daß du uns bei allen deinen überaus guten Ansichten nicht auch darüber einen Aufschluß gegeben hast, wie sich der frühe Tod der Kinder mit der Weisheit, Güte und Gerechtigkeit Gottes vereinen läßt. 2. Der Mensch ist nach deiner Ansicht von Gott berufen, sich durch ein wohlgeordnetes Vorleben auf dieser Erde eine wahre und der Absicht Gottes gemäße Gediegenheit und Solidität seiner Seele zu verschaffen – denn daß das in der Absicht Gottes liege, davon zeige sich der Grund ja klar in aller Offenbarung durch den Mund der Urväter und Propheten –; aber was wird dann jenseits mit und aus den Kindern, die wegen ihres frühen Todes eigentlich weder ein ungeordnetes und noch weniger ein geordnetes Vorprobeleben aufzuweisen haben? Wenn des Menschen Seele nur durch ein wohlgeordnetes Vorprobeleben zum gediegenen, wahren, ewigen Leben gelangen kann, durch was gelangt dazu dann die Seele eines Kindes? Oder stirbt die Kindesseele mit dem Leibe?“ 3. Sagte darauf der zweite, gute Redner: „In der Urzeit der Menschen weiß kein Mensch etwas davon, daß damals auch Kinder gestorben wären; den frühen Tod der Kinder haben nur die Sünden der Eltern bewirkt, und sie sind darum wissentlich oder unwissentlich schuld am frühen Tode ihrer Kinder. Aber Gott wird in Seiner höchsten Weisheit auch für die unschuldigen Seelen der Kinder zu sorgen wissen; sie werden sicher im großen Jenseits das hier nicht durch ihre Schuld Versäumte nachzuholen bekommen! 4. Ist denn diese Erde etwa die einzige Welt? Sehen wir den gestirnten Himmel an! Große Weise der Vorzeit und selbst Moses in seinen Beibüchern, die wir zwar noch haben, aber ihnen keinen Glauben schenken, haben gezeigt, daß Sonne, Mond und alle Sterne Welten seien, und oft um gar vieles größer, als die unsrige da ist; wenn aber so, da wird es für Gottes Weisheit und Macht wohl auch ein leichtes sein, für die Seelen der Kinder eine andere und vielleicht auch um manches bessere Vorlebensprobewelt zu bestimmen, auf der sie dann ihre Lebensvollendung erreichen werden. 5. Daß Gott im ewig großen Schöpfungsraume noch andere Schulerden für Menschen haben wird, daran ist wahrlich nicht zu zweifeln, – haben ja doch auch wir kleinen und schwachen Menschen für unsere Kinder mehr als nur ein einziges Schulhaus! Was aber schon bei uns noch ohnmächtigen Menschen möglich ist, warum sollte das dem allmächtigen und höchst weisen Gott etwas Unmögliches sein? 6. Die Urväter, die sicher mehr denn wir nun mit dem Himmel Gottes im Verbande standen, wußten gar wohl darum, daß es also ist; wir aber haben durch unseren materiellen Weltsinn alles, was des Geistes ist, verloren und wissen kaum mehr etwas Näheres davon. Ich bin zwar auch nur ein Materiemensch, aber ich habe viel gelernt und erfahren und rede darum nun also, wie ich rede. Freilich kann ich im Tempel vor allen nicht auch also reden!“ 7. Sagte der erste Redner: „Nun kann ich dir nichts mehr einwenden und bin recht froh, daß du mich auf eine andere Meinung gebracht hast. Aber es ist nun auch an der Zeit, auf unser Hauptthema, nämlich auf den sonderbaren Propheten aus Galiläa, zurückzukommen. Ich habe gleich anfangs dahin meine Bemerkung gemacht, daß es auf der Erde immer gewisse und sonderbare Menschen gibt, aus deren Worten und Taten sich unleugbar eine höhere, gottähnliche Begabung leicht erkennen läßt, wie das eben bei unserem Galiläer der Fall zu sein scheint. 8. Aber auch bei andern Menschen fehlt es an ähnlichen Begabungen nicht. Nehmen wir nur heute das plötzliche Verschwinden unserer Mäntel und die Herbeizauberung der drei Löwen! Das ist ein offenbares Wunder, das ein gewöhnlicher Mensch nicht begreifen kann. Nun könnten aber diese auch sagen: ,Ich oder der da ist euer Messias, weil er Wunder zu wirken imstande ist!‘, – was wir denn doch nicht annehmen können! Denn würden wir das, so würde es bald vor lauter Messiassen wimmeln. Die Essäer wirken auch Wunder, aber darum sind sie noch lange keine Messiasse. Der Galiläer aber offeriert sich uns als ein solcher. Was sollen wir dazu sagen?“ 9. Sagte der zweite, gute Redner: „Meine Meinung wäre diese, die ich aber aus begreiflichen Gründen nicht habe aussprechen können: Seine Lehren und Taten sind mir wohlbekannt. Er ist ganz mit Leben und Tat der reinste Jude, ganz im Sinne Mosis. Wie es aber nun bei uns im Tempel mit dem lieben Moses aussieht, das wissen wir alle nur zu gut, und auch er scheint es ganz perfekt zu wissen, ansonst er uns heute vormittag nicht so derbste Brocken vorgeworfen hätte. Zudem aber hat er auch an dem Blindgeborenen ein wahres Gotteswunder bloß durch seinen Willen gewirkt, was vorher wohl niemandem möglich war, und so bin ich nun der Meinung, wir sollten als scharfe Beurteiler die Sache auf sich beruhen lassen. Kommt Zeit, kommt auch der Rat. Ist er am Ende denn doch das, als was er sich offen allen Menschen ankündet, so werden wir gegen ihn schon ewig nichts ausrichten; ist er aber am Ende dennoch nicht das, so wird er auch gegen uns nichts ausrichten – trotz allen seinen Wundern! 10. Das beste ist, so wir im geheimen alle seine Lehren und Taten prüfen. Finden wir sie ganz rein und seine Taten ganz göttlicher Art, dann werden auch wir an ihn glauben; ist aber für uns von ihm aus diese Bedingung nicht erfüllt, dann bleiben wir, was wir sind, und überlassen alles andere Gott!“ 11. Mit dem waren nun alle einverstanden und aßen und tranken darauf wieder. 12. Nach dieser Rede aber kam auf Mein Geheiß Lazarus wieder zu ihnen. Er wußte um alles, was sie geredet hatten, denn Ich hatte das allen gesagt. Kapitel 6 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 6. — Lazarus erzählt seine Erfahrungen mit dem Herrn 1. Als die jetzt wohlgesättigten Pharisäer des Lazarus bei ihnen ansichtig wurden, drückten sie alle ihre Freude aus, daß er nun ungerufen zu ihnen gekommen sei. 2. Er aber grüßte sie auch, sagend (Lazarus): „Es freut mich sehr, daß ihr euch auf diesem von euch in den Bann gelegten Orte doch so wohl befindet! Aber ich meine nun, da mir alles bekannt ist zu meiner rechten Herzensfreude, was ihr hier ganz allein miteinander verhandelt habt, so werdet ihr wahrlich recht weisen Männer von eurem Bannfluche gegen diese meine Besitzung eben keinen besonderen Gebrauch machen?“ 3. Sagte der erste Redner: „Das sicher nicht; aber wie – bei Moses! – hast du bei verschlossenen Türen und Fenstern denn vernehmen können, was wir so leise wie möglich unter uns gesprochen haben? Sage uns den Inhalt unserer Reden, sonst müssen wir glauben, daß du uns hier zum besten haben willst!“ 4. Hier beteuerte ihnen Lazarus, daß so etwas höchst ferne von ihm sei, und trug ihnen darauf alles Wort für Wort vor, was sie ehedem miteinander verhandelt hatten. 5. Als die Pharisäer das vernahmen, da sagte der erste wieder: „Aber wie – um alle Sterne am Himmel! – bist du dahintergekommen?“ 6. Sagte Lazarus: „Hast doch du selbst in deinen Worten bekannt, daß es in der Welt Menschen gäbe, die mit gar seltenen Fähigkeiten begabt sind! Warum sollte zum Beispiel ich nicht auch mit so mancher seltenen Fähigkeit von Gott aus begabt sein? Aber ich kann euch noch etwas viel Wichtigeres sagen, und das besteht darin, daß ihr infolge eures Wissens und Redens dem Reiche Gottes recht nahe wäret, wenn euch die böse Luft des Tempels nicht daran hinderte. Besonders aber bezeichne ich dafür deinen Gegenredner, dem du am Ende selbst in allem beistimmtest, sowie auch alle die andern, darum ihr alle nun mit dem gar sehr werten Gegenredner auf ein und demselben Punkte stehet zu meiner wahrlich großen Freude; denn Männer euresgleichen werden sich nun nicht gar viele mehr im ganzen Tempel vorfinden. Darum sage ich euch, als nun euer alter und wahrer Freund, daß ihr dem Reiche Gottes nun näher stehet, als ihr es ahnet!“ 7. Sagte nun der zweite Redner: „Lieber Freund, erkläre du dich deutlicher! Was willst du uns damit denn sagen? Wie sollen und können wir nun hier dem Reiche Gottes näher sein, als wir es zu ahnen imstande sind? Sollen wir hier etwa sterben? Hast du uns etwa – Gift in den Wein getan?“ 8. Sagte Lazarus: „Wie könnet ihr als wahrlich gescheite Leute euch so etwas nur denken! Ich will ja gleich aus euren Bechern trinken, um euch zu beweisen, wie irrig ihr da denket; ihr werdet noch lange genug auf dieser Erde zu leben haben! Nur mit eurem Wissen seid ihr dem Reiche Gottes nahe gekommen und mit eurem geheimgehaltenen Glauben, aber nicht mit eurem irdischen Leben!“ 9. Sagte der erste Pharisäer: „Was verstehst du denn hernach unter dem Reiche Gottes?“ 10. Sagte Lazarus: „Nichts anderes als nur die rechte Erkenntnis Gottes in eurem Gemüte! Würdet ihr dazu aber auch noch Den als das annehmen, was Er wahrhaft ist, den ihr bis jetzt verfolgt habt, so wäret ihr schon auch völlig im lichtvollsten Reiche Gottes! Verstehet ihr mich nun, was ich euch damit habe sagen wollen, als ich sagte: ,Ihr seid dem Reiche Gottes näher gekommen, als ihr es ahnen möget!‘?“ 11. Sagte nun wieder der erste Redner: „Nun gerade recht, daß du uns auf dieses Thema gebracht hast! Daß du auf den sonderbaren Galiläer alles hältst, das wissen wir schon eine ziemliche Zeit lang, und wir haben dir das, ob recht oder unrecht, auch tatsächlich zu erkennen gegeben. Das ist uns nichts Neues. Aber da du den Mann sicher besser kennst denn wir und wir nun hoffentlich wieder wahrhaftige Freunde geworden sind, weil du durch deine uns früher unbekannte Fähigkeit dich selbst überzeugt hast, wie wir eigentlich bei uns denken, so wäre es nun bestens an der Zeit, daß eben du uns den Mann möchtest näher kennen lehren. Du brauchst uns darum seinen irgendwoigen und etwa nunmaligen Aufenthalt gar nicht anzugeben, weil wir von dem lächerlichen Beschlusse des Tempels ja ohnehin nimmer Gebrauch machen wollen und werden; ja, wir brauchen den Galiläer auch nicht etwa der verschlagenen Tempelpriester wegen näher kennenzulernen, sondern nur allein unsertwegen, und kannst du nun schon ganz offen von ihm zu uns reden!“ 12. Sagte darauf Lazarus: „Wie und wo Er geboren ist, und was sich bei Seiner Geburt schon alles zugetragen hat, als der alte, böse Herodes vor dreißig Jahren zu Bethlehem Seinetwegen die schwere Menge der unschuldigen Knäblein von ein bis zwei Jahren Alters hat ermorden lassen, weil ihm die drei Weisen aus dem fernen Morgenlande, die ein Stern hierhergeführt hatte, die Kunde gebracht hatten, daß den Juden ein neuer König zu Bethlehem geboren worden sei, das alles wisset ihr so gut wie ich; aber ihr wisset es nicht, daß jener neugeborene König der Juden durch göttliche Vorsehung und Waltung nicht in die Hände des grausamen Herodes geraten ist, sondern durch Gottes Hilfe und durch die Vermittlung des damaligen noch jungen römischen Hauptmanns Kornelius glücklich nach Ägypten und – ich glaube – in die alte Stadt Ostrazine entflohen ist und erst, als der alte Herodes nach drei Jahren, von Läusen gefressen, gestorben ist, in die Gegend von Nazareth ganz wohlbehalten zurückgekehrt und dort in ganz stiller Zurückgezogenheit ohne irgendwelchen besonderen Unterricht zu einem Manne herangewachsen ist. 13. Als er zwölf Jahre alt war, kam er mit Seinen irdischen Eltern zu der vorgeschriebenen Knabenprüfung nach Jerusalem, blieb drei volle Tage im Tempel und setzte durch Seine Antworten und Fragen alle Ältesten, Schriftgelehrten und Pharisäer ins größte Erstaunen, was mir mein Vater, der für Ihn wegen der Armut Seiner Eltern sogar die höhere Prüfungstaxe bezahlt hatte, erzählte. 14. Auch das wird den älteren von euch noch sicher erinnerlich sein, wenn gerade schon das nicht, daß er der Wut des alten Herodes entflohen und nach drei Jahren aus Ägypten wieder nach Nazareth zurückgekehrt ist. 15. Und sehet nun, der Mann, der nun so große Werke verrichtet bloß durch die rein göttliche Macht Seines Willens und Seines Wortes, ist ebenderselbe vor dreißig Jahren zu Bethlehem neugeborene König der Juden und ebenderselbe weise Knabe, der vor zwanzig Jahren den ganzen Tempel ins größte Erstaunen gesetzt hat! 16. Nun wisset ihr einmal genealogiter [Die Abstammung betreffend], mit wem ihr es in dem nun so außerordentlichen Galiläer zu tun habt, und das gehört auch sehr dazu, um über Ihn ein günstiges Urteil fällen zu können. 17. Was Er aber nun tut, das wisset ihr teilweise, haltet aber davon das meiste, was euch von Ihm, Seinen Lehren und Taten hinterbracht wurde, mehr denn zur Hälfte für Fabeln und Übertreibungen des Volkes, das an Ihm hängt und an Ihn glaubt, – und da eben irret ihr euch groß! 18. Ich bin wahrlich, wie ihr mich auch wohl kennet, der Mensch nicht, der die Katze im Sacke kauft! Ich habe mich darum auch bei Ihm sehr genau selbst mehrorts und längere Zeit hindurch überzeugen wollen, was denn eigentlich an diesem Manne sei. Und seht, ich, der ich doch auch in der Schrift bewandert bin, fand an Ihm nie etwas Verdächtiges, wie gar so oft schon an den marktschreierischen Magiern und Zauberern! 19. Seine Lehren sind vollkommen die des Moses und der Propheten, und Seine Wunder wirkt Er nur, wo es not ist, und läßt sich von niemandem dafür je etwas bezahlen. Kurz und gut, Sein kräftiges Wort ist reinstes Gotteswort, Seine Weisheit Gottes Weisheit, und Seine Taten sind ebenso nur Gottes Taten, weil es keinem Menschen möglich ist, daß er sie bewerkstellige! 20. Als ich vor mehr als einem halben Jahre mit Ihm und Seinen damals vielen Jüngern nach Bethlehem zog, da fanden wir daselbst vor den Toren der alten Stadt Davids eine große Menge Bettler, weil alldort ein Fest abgehalten wurde. Diese Armen beiderlei Geschlechts baten uns unter großem Gejammer um ein Almosen. Am allermeisten schrien ganz Verstümmelte ohne Hände und manche auch ohne Füße, und ich wollte sie auch nach meinen Kräften beteilen. 21. Er aber gab mir zu verstehen, daß es dazu noch Zeit sei, und fragte die Armen dann, ob sie sich, so sie völlig gesund wären und ihre geraden Glieder hätten, nicht lieber mit der Arbeit ihrer Hände das nötige Brot verdienen möchten. Alle beteuerten, wenn das möglich wäre, so würden sie lieber Tag und Nacht arbeiten als nur einen Augenblick mehr jemanden um ein Almosen bitten. Er aber sagte darauf: ,So stehet auf und wandelt, und suchet euch Arbeit!‘ Auf dieses Wort hin waren alle augenblicklich von ihren allerartigen Übeln geheilt. Die Blinden sahen, die Tauben und Stummen hörten und redeten, die Lahmen sprangen auf wie junge Hirsche, und die Verstümmelten ohne Hände und Füße bekamen – sage – ganz offenbar neue Glieder, und das war alles das Werk eines Augenblicks! Ich aber nahm dann gleich alle diese so wunderbar Geheilten in meine Dienste, beschenkte sie sogleich und wies ihnen an, wohin sie zu gehen hatten. 22. Wenn man selbst Zeuge einer solchen Tat und noch von hundert anderen war, von denen man nicht einmal mehr sagen kann: ,Siehe, diese waren größer und denkwürdiger denn die anderen!‘, wenn man auch gesehen hat, daß Seinem Willen auch alle Tiere, alle Elemente, die ganze Natur, selbst Sonne, Mond und Sterne und die Meere der Erde wie auch ihre Berge gehorchen, und Er Selbst sagt: ,Ich und der Vater im Himmel sind Eins! Wer Mich sieht, der sieht auch den Vater. Wer da an Mich glaubt, der wird das ewige Leben haben; denn Ich Selbst bin die Wahrheit, der Weg und das Leben!‘, so kann man bei gesunden Sinnen und bei gesunder Vernunft denn doch nimmer zweifeln, daß es also ist, wie Er es lehrt, und wie das von Ihm schon von – sage – Adam an alle Väter, Patriarchen und Propheten geweissagt und gelehrt haben. 23. Ich glaube nun vollkommen fest und ungezweifelt an Ihn und getraue mir das auch vor aller Welt laut zu bekennen, weil ich meine unumstößlichen Gründe dafür habe; ein anderer aber kann tun, was er will! Nun wisset ihr in Kürze das Wichtigste, was den großen Galiläer betrifft, in vollster Wahrheit und möget nun selbst urteilen, was ihr von Ihm zu halten und zu glauben habt!“ Kapitel 7 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 7. — Lazarus rügt die Lauheit der Pharisäer 1. Sagte der zweite, gute Redner: „Ja, Freund Lazarus, da kann ich dir durchaus nicht unrecht geben; denn wäre ich an deiner Stelle, so würde ich auch das tun, was du tust! Aber so kann ich das, wie jede andere bessere Überzeugung, nur geheim bei mir behalten, weil ich in meiner Stellung nicht offen gegen den argen Weltstrom schwimmen kann. Du aber bist ein überreicher und nun durch dein römisches Bürgerrecht ein ganz freier Mann und kannst des Guten so viel tun, als du nur immer willst. Niemand kann dir in die Quere treten! Wie wir Templer aber nun stehen, das weißt du ohnehin! Darum können wir nur im stillen der Wahrheit zugetan sein; offen aber sind wir genötigt, der Lüge das Wort zu reden. Daß es sich aber mit uns, die wir noch den älteren und besseren Tagen angehören und die Wahrheit für uns wohl begreifen, leider nun in dieser neueren Lügenzeit also verhält, weißt du so gut wie wir. 2. Ich glaube nun das, was du glaubst, und es ist also und wird nie anders werden, da zu große und unleugbarste Beweise aller Art und Gattung nur zu sehr dafür sprechen und zeugen; aber wir können offen dennoch nichts dafür tun, außer daß wir uns im Rate jeder Stimmung weder dafür noch dawider ganz kategorisch enthalten und bei guter Gelegenheit dartun, daß bei dieser Gelegenheit ein jeder Verfolgungsversuch ein rein vergeblicher ist. Und ich meine, daß wir dadurch der guten Sache, wennschon nicht gerade förderlich, so aber doch nicht als hinderlich erscheinen, und das kann denn am Ende doch auch nicht als etwas völlig Schlechtes angesehen werden! – Was ist da deine Meinung, Freund Lazarus?“ 3. Sagte Lazarus: „Freund, offen gesagt: Wenn man von einer so großen und alles Sonnenlicht übertreffenden Wahrheit in sich völlig überzeugt ist, sich aber offen vor der Welt dennoch nicht getraut, sich zu ihren Gunsten auszusprechen – abgesehen von jeder wie immer gearteten Stellung in dieser Welt –, so ist man da immer mit einem Menschen zu vergleichen, der da nicht kalt und auch nicht warm ist. Wenn ich mir nun denken und laut der größten und unwiderlegbarsten Beweise gläubigst sagen muß: ,Das ist der Herr Selbst, durch dessen Liebe, Gnade und Willen ich lebe!‘ – wie das auch alle Propheten von Ihm vorausgesagt haben –, so ist Er allein mir alles und alle Welt und der ganze Tempel nichts mehr! Er hat nun erfüllt, was Er verheißen hat; Er, der auf Sinai dem Moses und unseren Vätern die Gebote gegeben hat, ist nun leibhaftig unter uns und zeigt uns durch Worte und Taten, daß Er es ist, der ewig getreue, wahrhaftige Jehova. Wie ist es da einem wahren Menschen noch möglich, sich bei einer so endlos hochwichtigsten Lebenssache lau zu verhalten?! 4. Ich an eurer Stelle, indem ihr es ohnehin einsehet, daß es mit dem Tempel, wie er nun bestellt ist, keinen langen Halt mehr haben wird, würde mein Vermögen nehmen und sehen, ein wahrer Lebensjünger des Herrn zu werden. Ihr könnt von nun an im Tempel nicht für euer irdisches Leben viel mehr irgend gewinnen, weil die Opferungen von Jahr zu Jahr aus sehr begreiflichen und euch wohlbekannten Gründen um ein sehr bedeutendes magerer werden. Dazu seid ihr aber auch schon so ziemlich an der Neige eurer irdischen Lebensjahre und müsset euch selbst sagen: Mit uns wird es auf dieser Welt wahrscheinlich nicht gar zu lange mehr dauern! Was dann? 5. Über das Jenseits habt ihr meines guten Wissens wohl Vermutungen, aber durchaus noch lange keine Gewißheit. Der Herr, der nun wunderbarstermaßen unter uns Menschen als Selbst Mensch wandelt, könnte euch das Jenseits zeigen und euch des künftigen Lebens versichern, und das wäre für euch doch sicher der größte Lebensgewinn! Was dünket euch?“ 6. Sagte der erste Redner: „Ja, ja, Freund, da hast du ganz wohl gesprochen, und es wird sich mit dem Galiläer die Sache auch also verhalten; aber man muß auch das bedenken, wie man sich auf eine gute Art vom Tempel frei machen kann, damit es den andern Amtsgenossen nicht auffalle. Wären wir nicht die Ältesten des Tempels, so könnten wir uns unter irgendeinem Vorwande aus dem Tempel entfernen, etwa als Judenapostel, um irgend Heiden zum Judentum zu bekehren; aber wir sind dazu schon zu alt und bekleiden die ersten Stellen im Tempel, und so ist das eine schwere Sache. 7. Wir könnten uns wohl in den Ruhestand setzen lassen gegen Rücklassung des zehnten Teiles unseres Vermögens, aber wir würden dadurch der guten Sache des erhabenen Galiläers offenbar mehr schaden als nützen; denn so wir unsere Stellen im Tempel verlassen, so werden sie ehest von anderen besetzt, die ohnehin schon darauf lauern. Diese unsere Stellvertreter würden als gewisserart neue Kehrbesen der guten Sache des Galiläers sicher um noch gar viele Male wütender entgegentreten als wir, die wir nun durch dich wissen, was wir zum wenigsten für uns von ihm zu halten haben. 8. Wir können nun im Hohen Rate beschwichtigend für den Galiläer wirken und ihm so manche Hindernisse bei seinem erhabenen Lehramte aus dem Wege räumen, weil wir als Älteste des Tempels denn doch auf den Hohepriester, der in seiner Sphäre ein wahrer Tyrann ist, einen bedeutenden Einfluß haben, und können ihm auch bei guter Gelegenheit so manches Außerordentliche mitteilen und ihm zeigen, wer der ihm so überaus verhaßte Galiläer ist, und daß es ein Wahnsinn ist, sich als ein schwacher Mensch einem Menschen entgegenzustellen, dessen Wille eine ganze Welt im Augenblick zu vernichten imstande ist. 9. Wenn wir dem Hohenpriester das so recht kernfest darstellen, so wird er in seinem wilden Eifer sicher kühler werden und nicht oft Tag und Nacht Rat halten, wie der Galiläer mit seinem ganzen Anhange zu ergreifen und zu verderben wäre. Wir für uns aber werden dann geheim schon wohl eine Gelegenheit finden, als nunmehr wahre Freunde und Anhänger des Galiläers mit ihm irgend persönlich zusammenzukommen und uns von ihm belehren zu lassen. Ich meine, daß diese meine Ansicht sich auch hören läßt?“ 10. Sagte Lazarus: „Oh, allerdings; aber es sieht dabei für euch selbst der Wahrheit nach noch wenig Heil heraus! Was ihr von nun an zu Seines Amtes Gunsten im Tempel tun wollet, hat ein gutes, menschliches Ansehen; aber so ihr bedenket, daß Er, den ihr noch immer den berühmten Galiläer nennet, wahrhaft der Herr Selbst ist, dem alle Weisheit und Macht zu Gebote steht, so muß es euch dabei ja doch klar sein, wie albern und eitel der Gedanke ist und wie dumm des Menschen Einbildung, in seiner sterblichen Schwäche und Blindheit irgend durch einen Rat oder durch eine Tat Gott helfen zu wollen. Er bedarf unserer Hilfe ewig nicht, sondern wir nur der Seinigen! 11. Wenn Er uns Menschen Gutes in Seinem Namen tun und wirken läßt, so geschieht das nur unseres eigenen Heiles wegen; denn dadurch üben wir uns in der wahren und lebendigen Liebe zu Gott und aus dieser zum Nächsten. Je mehr aber jemand in der Liebe zu Gott und zum Nächsten in seinem Herzen zugenommen hat, desto mehr Fähigkeiten wird er von Gott erhalten, Ihn und den Nächsten noch immer mehr und mehr lebendigst lieben zu können! 12. Aber darum benötigt Gott unserer Tätigkeit nicht, wie etwa wir Menschen der Tätigkeit unserer Knechte und Mägde benötigen, sondern so wir nach Seinem Rate und nach Seiner Lehre tätig sind, so sind wir das nur zu unserem Heile, aber ewig nie etwa zum Heile des Herrn, der Selbst das ewige Heil aller Kreatur ist. 13. Daß sich hier die Sache also und nicht anders verhält, werdet ihr nun wohl leicht selbst einsehen, das heißt, so ihr in eurem berühmten Galiläer das sehet und erkennet, was ich schon lange gesehen und erkannt habe, nämlich, daß Er der Herr Selbst ist. 14. Haltet ihr Ihn aber noch immer für einen bloß außerordentlichen Menschen, der bei allen seinen wunderbaren Fähigkeiten denn zuweilen doch auch noch der Mithilfe der Menschen bedarf, dann ist das, was ihr für Ihn tun wollet, allerdings löblich; denn die Nächstenliebe gebietet uns das, daß wir Menschen uns gegenseitig mit Rat und Tat behilflich sein sollen.“ Kapitel 8 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 8. — Die Bedenken der Pharisäer über den Herrn 1. Sagte nun wieder der erste Redner: „Lieber Freund Lazarus, du hast da ganz richtig geurteilt, so sich die Sache mit dem wundersamen Galiläer im vollsten Ernste also verhält, wie du sie uns aus deiner wohlerwiesenen Überzeugung mitgeteilt und getreu dargestellt hast, laut der wir auch der vorwiegenden Meinung sind, daß sich diese Sache auch also verhalten wird. Aber bei einer so endlos hochwichtigen Sache ist von unserer Seite als Juden – dem Volke Gottes – sehr notwendig, eine starke Prüfung anzustellen und zuvor gar vieles wohl zu bedenken und zu überlegen, ob möglicherweise doch etwa irgend etwas in einem sehr verborgenen Hintergrunde stecken könnte, das am Ende der Sache doch ein anderes Gesicht geben könnte, als für was sie ein von den Wundereffekten gewisserart berauschter und im Gemüt und Verstande gefangengenommener Mensch von ihr sich vorstellte. 2. Siehe, so ist mir, wie auch uns allen, ehedem draußen sehr aufgefallen, wie zuerst der junge, wohlberedte Mensch uns unsere Mäntel bloß durch sein Wort und durch seinen Willen abnahm in einem so schnellen Augenblick, daß wir uns dawider gar nicht versehen konnten und auch gar nicht wußten, wohin unsere Mäntel verschwunden waren. Weiter kamen die sieben, dem Aussehen nach Ägypter oder Araber; es kostete sie nur einen Wink, und drei grimmige Löwen waren zu unserem Entsetzen da! Siehe, das sind von Menschen hervorgebrachte Wunder, was sich nicht leugnen läßt. Wenn nun der junge Mensch, dem es an der Weisheit auch nicht gebricht, von sich aussagte: ,Ich bin Christus; meine Wundertat beweist euch das!‘, – würdest du ihn dann wohl auch gleich als das annehmen, was er aussagt, daß er sei? Oder so einer jener sieben Männer ein gleiches von sich vorgäbe, würdest du ihm wohl auch den Glauben schenken? Haben, wie wir aus der Schrift lesen, nicht auch Moses wie die andern Propheten nach ihm große Wunder gewirkt und waren darum doch nicht Christus?! 3. Nun wirkt der wundersame Galiläer auch große und jedermann höchst auffallende Wunder, hat dazu auch eine wahrlich höchst weise Rede und sagt, daß er Christus sei! Nun, daß er von sich das aussagt, was kein anderer Wundertäter von sich ausgesagt hat, das genügt noch nicht vollkommen als ein Beweis, daß er darum auch schon das wirklich ist, als was er sich vor den Menschen ausgibt! Wir nehmen es nun nach deinem Zeugnisse wohl an und glauben, daß sich die Sache also verhalten wird; aber darum kann es uns noch nicht benommen sein, die Sache nebstbei noch immer nach allen Richtungen hin zu prüfen. Finden wir dabei nirgends einen auch nur scheinbaren Widerspruch, so werden wir auch alsogleich das tun, was du uns wahrlich sehr weise und freundlich angeraten hast. 4. Siehe, du kannst noch ganz andere und sonderheitliche Beweise haben, die wir nun noch nicht kennen, diese können dich zu einer tieferen und inneren Überzeugung geführt haben! Nun, solches mangelt uns offenbar aus leicht begreiflichen Gründen; denn wir selbst haben persönlich ihn, den berühmten Galiläer, nur etliche Male im Tempel gesehen und gehört und hörten nur von seinen Wundertaten aus anderer Menschen Munde vieles; aber selbst Augenzeugen waren wir eigentlich von nur sehr wenigem, das in der Heilung eines Gichtbrüchigen und jüngst in der eines Blindgeborenen bestand. Und das, Freund, genügt uns nun wahrlich um so weniger, als wir eben heute abend den jungen Menschen, der auch ein Galiläer zu sein scheint, und die sieben andern Männer auch Wunder wirken sahen und daraus wohl entnommen haben, daß andere Menschen auch Wunder zu wirken imstande sind. 5. Was die weise Rede anbelangt, so sprach auch der junge Mensch höchst weise wie ein wahrer Prophet, und unsere Mäntel schützten uns nicht vor seinem Scharfblick; und so können wir bis jetzt noch immer sagen: Weder Wundertaten noch weise Reden und Lehren sind für uns genügende Beweise, daß darum der Galiläer schon im vollsten Wahrheitsernste der verheißene Messias sei, von dem es geschrieben steht, daß Er sei Jehova, der Herr Selbst. 6. Auch du selbst gabst uns ehedem einen gar sonderbaren Beweis, wie ein Mensch auch durch seinen sehr geweckten Scharfsinn sogar die innersten Gedanken und geheimen Reden Wort für Wort wissen kann und vielleicht noch manches andere, was er aber einem Freunde, um niemand anderm ein Ärgernis zu geben, nur unter vier Augen sagen würde. Da aber sogar dir schon, als nur einem Menschen unseresgleichen, eine solche Fähigkeit innewohnt, die etwas sehr Wunderbares ist, warum sollen dem Galiläer nicht auch solche besonderen Fähigkeiten innewohnen, die jedem andern Menschen als ein offenbares Wunder vorkommen müssen, weil ihm die Wege zur Erlangung solcher besonderen Fähigkeiten gänzlich unbekannt sind und selbst die Menschen, die solche besonderen Eigenschaften und Fähigkeiten besitzen, einem andern darin gar keinen Unterricht entweder geben oder geben wollen. 7. Es gab einst Prophetenschulen, in die aber nur solche Menschen, und das schon als Jünglinge, aufgenommen wurden, die sich schon von der Geburt an durch gewisse besondere Eigenschaften bemerkbar gemacht hatten; vor allem soll dazu ein höchst sittlicher und, was die Fleischnatur des Menschen betrifft, auch höchst keuscher Charakter erforderlich gewesen sein. 8. Nun, das sehen wir wohl ein, daß in einer sittlich ganz unverdorbenen Menschennatur sich ganz andere Fähigkeiten entwickeln können als in der kranken eines ganz gewöhnlichen, sinnlich unsittlichen Menschen; aber ein solcher hernach mit außerordentlichen Fähigkeiten begabter Mensch kann darum doch noch lange und eigentlich gar nie sagen, daß er vor anderen natürlich schwachen Menschen ein Gott sei. 9. Ich selbst habe in meiner Jugendzeit einmal einen ganz einfachen Hirten gesehen, den seine Gefährten ihren König genannt haben. Dieser Mensch war sehr sittlich und fromm. Er hatte keinen Hirtenstab und brauchte nur zu wollen, und seine Herde folgte seinen Winken und seinem Worte und Willen. Ob er noch andere Dinge zu bewirken imstande war, weiß ich nicht; aber warum konnte er solche seine besondere Eigenschaft nicht zu einem Gemeingut auch der anderen Hirten machen? 10. Darum bleibt es bei mir solange ein fester Satz, daß es auf der Welt immerhin einige besonders befähigte Menschen geben kann; aber man muß darum sehr auf der Hut sein, solch einen irgend besonders befähigten Menschen als einen in diese Welt aus den Himmeln gekommenen Gott anzusehen und anzuerkennen. 11. Es hat ja unter den alten Propheten auch große und kleine gegeben, aber Gott war weder Moses noch Elias. Ich habe dir nun meine Meinung ganz klar ausgesprochen, und du kannst nun darüber nach deinem Gutdünken urteilen, wie du nur immer magst und kannst!“ 12. Sagte nun Lazarus in einem ganz freundlichen Ton: „Nach dem irdisch- menschlichen Verstande hast du ganz wahr und richtig gesprochen und konntest auch wohl füglich nicht anders urteilen und sprechen, weil dir, wie auch deinen Amtsgenossen, noch gar vieles mangelt, um den erhabensten Galiläer vollends als das anzuerkennen, was Er trotz deiner Zweifel und allervernünftigst scheinenden Einwendungen und Einwürfe dennoch ist. 13. Glaubet es mir, daß ich mich auch nicht durch eine gewisse Wunderberauschtheit habe hinreißen lassen, den erhabensten Galiläer als den Messias anzuerkennen! Oh, da haben ganz andere Dinge mich dazu bestimmt! 14. Ihr bewundert nun wohl auch den jungen Menschen, die sieben Ägypter und daneben sogar nun auch mich; aber ich sage es euch, daß ihr weder den jungen Menschen noch die sieben Ägypter, die noch ganz einfache und unverdorbene Menschen sind, wie es einst die Urväter auf der Erde waren, kennet und also auch nicht wisset, wie es mir möglich war, auf ein Haar genau zu wissen, was ihr allein untereinander geredet habt!“ 15. Sagte der erste Redner: „Nun, so erkläre uns das näher, und wir werden dann sehen, ob wir dir vollends im Glauben folgen können!“ Kapitel 9 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 9. — Das Zeugnis des Lazarus über den Herrn 1. Sagte Lazarus: „Hast du denn in der Schrift nicht gelesen: Wenn der Herr als ein Menschensohn auf diese Erde kommen wird, so werden die wenigen Gerechten sehen die Engel aus den Himmeln herniederkommen und Ihm dienen!? Was werdet ihr aber sagen, so ich euch sage: Das habe ich und viele an meiner Seite gesehen, und es war das weder ein Traum, noch weniger irgendeine andere Täuschung, sondern eine volle, mit Händen zu greifende Wahrheit! Und der junge Mensch ist eben auch ein Engel, und das ein Erzengel auch noch dazu! 2. Den sieben Männern im tiefsten Hinterägypten aber hat es ihr innerer Geist angezeigt, daß bei uns Juden die große Verheißung in die volle Erfüllung gegangen ist, und sie machten sich auf und kamen, vom Geiste geführt, zu uns, um selbst zu sehen den Herrn aller Herrlichkeit als Menschen wandeln und lehren unter uns Menschen, die wir so blind sind, daß wir das noch nicht erkennen mögen, was jene überweit von hier entfernt wohnenden Menschen schon im hellsten Lichte schauen. 3. Was aber meine Fähigkeit anbelangt, durch die ich wissen konnte, was ihr allein untereinander geredet habt, so habe ich sie zuvor nie besessen, sondern der große, erhabenste Galiläer, der Herr, hat sie mir gegeben infolge meines Glaubens an Ihn und meiner Liebe zu Ihm und Seinetwegen zu den vielen armen Nebenmenschen. 4. Was ich euch hier gesagt habe, ist eine heilige Wahrheit; aber ich kann sie euch nicht anders bezeugen, als daß ich euch ein für alle Male sage: Also ist es und nicht anders, und ich glaube darum, daß der erhabenste Galiläer lebendigst wahr der verheißene Messias, Jehova Zebaoth ist. Wer an Ihn glaubt und Ihn auch über alles liebt und seine Nächsten wie sich selbst, der wird das wahre, ewige Leben in sich haben! 5. Und nun könnet ihr aber deswegen tun, was ihr wollet; denn dies ist auch des Herrn heiliger Ausspruch: Der Wille muß sogar dem Teufel frei gelassen bleiben; denn ohnedem wäre der Mensch kein Mensch und kein Ebenmaß Gottes. Er wäre ein Tier, dessen Seele keine Freiheit hat und darum also tun muß, wie es von der Allmacht Gottes getrieben wird. 6. Alles, was ihr sehet auf der Erde und am Firmament, ist gerichtet und steht unter dem unwandelbaren Gesetze des Muß. Der Mensch muß sich dieses starre und unwandelbare Gesetz auf eine kurze Zeit hin nur für seinen Leib gefallen lassen; denn den Leib des Menschen leitet, was dessen Form, Wachstum und kunstvollste organische Einrichtung wie auch die normale Dauer des Fleischlebens betrifft, nur die Allmacht Gottes, und Gott kann darum auch jeden kranken Leib augenblicklich heilen mittels der Macht Seines göttlichen Willens. Aber mit der freien Seele des Menschen hat die Allmacht Gottes nichts zu tun! Darum sind auch die Verhaltensregeln, die Gott für die Seelen der Menschen den Menschen gegeben hat, nicht unter Muß, sondern unter ,Du sollst‘ gegeben. 7. Wir haben die Gesetze von Gott demnach ohne Muß erhalten und können sie beachten, wenn wir sie beachten wollen; darum wird auch nun vom Herrn aus gar niemand gezwungen, sich im Glauben an Ihn zu wenden, sondern wer das aus sich frei will. Aber man bedenke die Folgen für die Seele im Jenseits, wo sie ebenso frei bleiben wird, wie sie jetzt ist, nur mit dem Unterschied, daß sie dort alles aus sich wird schöpfen müssen, was sie zu ihrem ewigen Lebensunterhalte benötigen wird. Aber wie wird es ihr da dann ergehen, so sie sich nach dem Rate Gottes hier keine geistigen Schätze und Materialien in sich selbst angesammelt hat? 8. Wie Gott Sich hier wegen der vollsten Lebensfreiheit der Seele mit Seiner Allmacht ferne hält, so wird Er Sich vermöge Seiner ewigen Ordnung auch ewig ferne halten. Hier auf dieser Erde aber hat jeder Mensch für seine Seele den Vorteil, daß ihm die Allmacht Gottes allerlei Schätze zu seinem Gebrauche hinzugegeben hat, mit denen er sich bei rechtem Gebrauche nach dem Rate Gottes übergroße geistige Schätze für seine Seele für ewighin erwerben kann. Jenseits aber fällt eine irgend von Gott erschaffene Schätze- und Nährwelt ganz weg; da wird eine jede Seele, als ein Ebenmaß Gottes, sich alles selbst erschaffen müssen aus sich, das heißt, aus ihrer eigenen Weisheit und aus ihrem eigenen freiesten Willen. Wie wird es ihr aber ergehen, wenn sie nicht im Verbande mit dem Willen Gottes, mit Seiner Weisheit und Liebe je gestanden ist? 9. Was wird da eine blinde, finstere und sonach gänzlich ohnmächtige und an allen inneren, geistigen Schätzen völlig arme Seele – sage – jenseits anfangen und machen? Wenn ihr das nur einigermaßen bedenket, so müsset ihr es doch einsehen, wie höchst dumm es ist, sich jetzt der größten Zeit der Gnade Gottes des Herrn nicht teilhaftig machen zu wollen, wo man sie vor sich hat, wie man vielleicht ewig nie wieder im solch allerhöchsten Grade die wundervollste Gelegenheit vor sich haben wird! 10. Ich habe euch nun alles gesagt, was ein wahrheitsliebender Freund euch sagen kann, und ich sage euch nun noch einmal das, was ich euch schon etliche Male gesagt habe: Ihr seid von mir aus aber darum durchaus nicht gebunden und könnet tun, was ihr wollet; denn eure Seelen sind ebenso vollkommen frei, wie da ist die meinige.“ 11. Als die Pharisäer den Lazarus also reden hörten, da sagte der zweite Redner, der, wie schon bekannt, ein tüchtiger Schriftgelehrter war: „Daß der Freund Lazarus, der sicher als ein Privatmann beinahe so wohlhabend ist wie kaum ein zweiter im Lande, durchaus kein Interesse haben kann, so wir seinem Rate folgen, das ist mehr als mit beiden Händen zu greifen! Denn was sollte ihm an unserem Golde und Silber, Perlen und Edelsteinen wohl gelegen sein? Er hat dessen so viel, daß er sich damit ganz leicht ein Königreich kaufen könnte! Er beredet uns also nicht, darum an den Galiläer zu glauben, daß wir etwa aus dem Tempel träten und dann unsere Schätze gegen Zinsen in seine Wechselbank legten; das sei ferne von uns, so etwas von ihm zu glauben, da er ohnehin schon vor ein paar Jahren seine Wechselbank für immer gesperrt hat! Aber er als ein bekannt gar tüchtiger Beurteiler aller möglichen Begebnisse in dieser Welt hat die Sache des großen Galiläers durchaus nicht irgend einseitig betrachtet und hat mit seinem bekannt scharfen Geiste den rechten Kern in dieser sonderbaren Sache gefunden; darum täten wir wahrlich wohl am besten, so wir ohne weiteres das täten, was er uns als Freund angeraten hat! 12. In unserem Tempel gibt es nun wahrlich sehr wenig irgend mehr zu gewinnen! Der materielle Gewinn ist so gut wie zum größten Teil dahin, für unsere Seelen aber gibt es im Tempel nur stets größere Verluste, aber nie mehr einen Gewinn; darum würden wir ganz klug tun, so wir uns denn auch endlich in diesen unseren alten Tagen umsähen, wie es nach unserem Leibestode, der bei uns sicher eben nicht gar zu lange auf sich wird warten lassen, mit unseren Seelen aussehen wird. Ich wäre sogleich dabei, mich vollends vom Tempel frei zu machen, so auch ihr alle dasselbe tätet! 13. Aber nur eines möchte ich vorher noch zu einer leicht erfüllbaren Bedingung stellen, und das bestünde darin: Ich möchte nun noch einmal mit dem Jungmenschen reden, den der Freund Lazarus uns soeben zuvor als einen Erzengel bezeichnet hat. Sage mir, Freund Lazarus, wäre das nun wohl etwa möglich?“ 14. Sagte Lazarus: „Oh, nichts so leicht möglich als das! Ich darf ihn nur rufen, und er wird im Augenblick sich hier befinden!“ 15. Sagte der zweite Redner: „Ich bitte dich, Freund, tue das; denn ich brenne vor Begierde, nun diesen Erzengelmenschen zu sehen und zu sprechen!“ Kapitel 10 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 10. — Raphael gibt sich zuerkennen 1. Hierauf berief Lazarus nach Meiner ihm schon im großen Speisesaale gegebenen Instruktion sogleich den Raphael, und dieser war auch im Augenblick in dem kleinen Speisesaale, in welchem sich eben die Pharisäer nun mit Lazarus befanden. 2. Als Raphael gar so plötzlich vor den Pharisäern stand, da erstaunten sie überaus darüber, wie er gar so schnell auf den Ruf des Lazarus hatte dasein können. 3. Als Raphael zum hohen Erstaunen aller nun da vor den Pharisäern stand und sie ihn mit sehr bedeutungsvollen Blicken musterten, da sagte, von einer geheimen, tiefsten Ehrfurcht durchschauert, der zweite Redner: „Sage uns, du geheimnisvoller Jüngling, ist die Sache sicher also, wie sie uns unser Freund Lazarus ehedem berichtet hat?“ 4. Sagte Raphael: „Warum zweifelt ihr daran? Habt ihr es zuvor denn nicht selbst erfahren, daß ein Mensch meines Alters unmöglich meine Fähigkeiten besitzen kann? Ja, ich sage es euch: Wie es euch Lazarus nur etwas zu früh enthüllt hat, gerade also verhält sich auch alles! Ich bin nicht wie ihr ein irdischer Mensch, sondern ich bin wahrlich ein Bote des Herrn! Mein Name ist Henoch, Raphael bin ich aber nun genannt, weil ich auf dieser Welt, als ich in der Urzeit auch als ein irdischer Mensch das Fleisch trug, keinen Tod des Leibes auf dieser Erde genossen habe, gleich dem Propheten Elias. Denn Gott der Herr hat mich in einem Augenblick verwandelt. Doch solche Gnade hat der Herr etwa nicht mir allein erwiesen, sondern auch andern, die Ihn über alles liebten. 5. Aber ihr seid allzeit voll Unglauben gewesen und seid es auch jetzt um so mehr! Doch zu eurem Heile gereicht euch solche eure Zweifelsucht nimmer! Wenn ihr das alles nicht frei glaubet, so wird euch auch keine äußere oder innere Macht dazu zwingen; denn euer Wille muß völlig frei sein, weil ihr ohne den freien Willen, wie euch das schon Freund Lazarus erklärt hat, nicht Menschen, sondern pur stumpfsinnige Tiere wäret, ähnlich den Affen der Wälder Afrikas. 6. Ich sage es euch nun: Wer nun noch die Vergänglichkeit dieser Welt und ihre nichtssagenden bösen Ämter mit ihrem beklagenswerten Ansehen mehr schätzen und lieben kann als den Herrn, der nun leibhaftig unter euch Menschen wandelt und wir, Seine Himmelsdiener, mit Ihm, der ist ein großer Narr bei allem seinem Weltverstande, ist des Herrn nicht wert, und Seine Hilfe wird ihm nicht zuteil werden. Wer den Herrn erkannt hat und Ihn nicht sucht, den wird auch der Herr nicht suchen mit Seiner Gnade!“ 7. Sagte der zweite Redner, der sich an der endlos schönen Gestalt Raphaels nicht genug weiden konnte: „Ja, ja, du bist wahrlich ein Erzengel! Ich glaube nun alles, und es ist nun die größte Sehnsucht in mir wach geworden, mit dem erhabensten Galiläer irgend zusammenzukommen, vor Ihm niederzuknien und Ihn um Vergebung zu bitten für alle die großen Sünden, die ich auf dieser Welt schon begangen habe!“ 8. Das sagten darauf auch die andern neun Pharisäer und Schriftgelehrten. 9. Darauf sagte Raphael: „Nun wohl denn, so möget ihr am Morgen wieder in den Tempel euch begeben! Werden euch eure nun beinahe durchgehends argen und finsteren Gefährten fragen, was ihr in Erfahrung gebracht habt, da antwortet ihr: ,Wir haben mit Eifer geforscht und haben Ersprießliches erfahren. Aber es tut uns sehr not, die Forschung zu unserm Heile noch weiter fortzusetzen, um alles, was da not tut, in volle Erfahrung und beste Kenntnis zu bringen. Darum werden wir auch heute die Forschung fortsetzen und erst dann im Rate wieder erscheinen, wenn wir alles erfahren haben werden!‘ 10. Auf solche eure Äußerung wird man euch gerne gehen lassen. Dann kommet aber nach Bethanien, und sorget euch um nichts Weiteres mehr! Denn für alles andere wird dann schon von mir aus nach dem allmächtigen Willen des Herrn gesorgt werden. Von allem andern aber, das ihr hier erfahren habt, redet nichts! Wie ich es euch nun gesagt habe, so tuet!“ 11. Darauf verschwand Raphael, und auch Lazarus empfahl sich bei den Templern. 12. Die Templer besprachen sich nun noch bis über die Mitternacht über das Erlebte und Vernommene und schliefen dabei auf den guten Ruhestühlen ein. Kapitel 11 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 11. — Des Herrn Lob an Lazarus 1. Ich aber sagte zum nun wieder zu uns zurückgekehrten Lazarus: „Mein Sohn, Mein Freund und Mein Bruder! Du hast deine heutige Aufgabe zu Meiner vollsten Zufriedenheit gelöst; denn es ist nun der letzte Rest der noch klarer denkenden Templer gewonnen, und das ist gut für Meine Sache. Denn auf diese nun Gewonnenen fußte zumeist der Hohe Rat; denn sie haben Kenntnisse und Erfahrungen und haben einen guten Mund. Was nun, wenn auch noch in einer großen Anzahl, im Tempel haust und regiert, ist vollends blind, dumm und böse. 2. Es sollen aber die nun Gewonnenen dennoch also beim Tempel verbleiben, wie da verbleiben unser Nikodemus und Joseph von Arimathia. Denn würden sie den Tempel ganz verlassen, so würden die andern, voll des bittersten Unmutes, zu wüten und derart zu toben anfangen, daß die Römer noch vor der Zeit zu den Waffen greifen müßten und verderben Volk und Land. So aber diese Ältesten bleiben, da können sie zu unseren Gunsten noch so manches hintanhalten und auf den Grimm der vielen andern beschwichtigend einwirken. Aber es ist dennoch gut, daß sie morgen unter einem klugen Vorwande nach Bethanien kommen, und daß auch ihre sehr bedeutenden irdischen Schätze in die Verwaltungskammer des Lazarus kommen; denn dadurch sind die zehn nicht mehr an den Tempel gebunden und können sich frei von ihm entfernen, wann sie wollen und auf wie lange sie wollen, und dabei dennoch Mitglieder des Tempels verbleiben, auf daß ihre Stellen nicht von argen Heuchlern alsbald besetzt werden. 3. Der Grund, den sie angeben werden, warum sie längere Zeit vom Rat und Tempel entfernt bleiben werden, ist ganz gut; denn die Templer werden, in die zehn all ihr böses Vertrauen setzend, meinen, sie gehen darauf aus, um Mich ganz bestimmt irgend zu fangen. Aber da werden sie im großen Irrtume sein! Die zehn werden wohl ausgehen, um größere Forschungen nach Mir und über Mich vorzunehmen, aber nicht zugunsten des Tempels, sondern zugunsten ihrer Seelen. 4. Darum ist das heute ein letzter und guter Fang aus dem Tempel; denn die zehn waren noch die letzten grünen Zweiglein am alten, schon gänzlich verdorrten und totmorschen Baume des Tempels. So sie als noch brauchbare Pfropfreiser auf einen jungen und frischen Stock gesetzt werden, können sie in Kürze noch gar viele und gute Früchte zum Vorschein bringen. 5. Eines aber will Ich ihnen heute noch tun, und das bestehe darin, daß alle zehn einen ganz für sie höchst denkwürdigen Traum haben sollen. Der wird ihnen morgen und noch lange hin vielen Stoff zum Denken und zum Reden geben. Worin er bestehen wird, das werden sie euch morgen in Bethanien schon kundgeben mit aller ihrer Beredsamkeit. 6. Nun aber wollen wir uns erst an unser Nachtmahl machen; denn zuvor mußte Ich euch ja alles von Wort zu Wort kundgeben, was draußen mit den Templern vorgenommen und verhandelt worden ist. Und so, mein Freund Lazarus, kannst du nun die gutbereiteten Fische, gutes Brot und noch mehr guten Wein auf die Tische setzen lassen! Denn diese Nacht hindurch, die für euch alle eine sehr denkwürdige sein muß, werden wir uns nicht dem Schlafe weihen, sondern wachen und dabei noch gar manches erfahren. Darum tue du, Freund, nun das, was Ich dir gesagt habe!“ 7. Darauf ging Lazarus mit Raphael sogleich hinaus, und es war alles in wenigen Augenblicken bestens besorgt. Wir aßen und tranken nun ganz wohlgemut und besprachen dabei so manches, was zum Nutzen der Menschen dient, wie auch, was die Pharisäer unter sich besprochen und abgemacht haben. 8. Es hatten aber besonders die Römer, Nikodemus und Joseph von Arimathia eine große Freude daran, daß die zehn ärgsten Pharisäer, die im Hohen Rat stets unbeugsam gegen Mich zu Felde gezogen waren, sich nun doch hatten umstimmen lassen. 9. Sagte Ich: „Es ist dadurch ein großer Sieg für die gute Sache des Lebens wohl erkämpft worden, aber die Hölle ist darum noch gleichfort überaus tätig, und der Fürst der Lüge und Finsternis ist nun tätiger, daß er verderbe die Aussaat des neuen Lebens aus Mir, als er es je zuvor war, und ihr werdet, bevor von nun an ein Jahr um sein wird, die argen Früchte seiner Tätigkeit schon gar wohl wahrnehmen!“ Kapitel 12 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 12. — Von der Materie und ihrer Gefahr 1. Sagte nun etwas aufgeregt Agrikola: „Aber, Herr und Meister, Du bist doch endlos weise und bist voll des allmächtigsten Willens; auch stehen Dir zahllos viele Legionen der mächtigsten Engel, wie da Raphael einer ist, zu Gebote; auch wir Römer wollen in diesweltlicher Beziehung für das Gedeihen der guten Sache gegen die Macht aller Teufel in den Kampf gehen und wollen den Spruch im Herzen und im Munde führen: ,Eher soll die ganze Erde in eitle Trümmer zerfallen, als daß zerstört werde nur ein Häkchen an der Wahrheit und Gerechtigkeit dessen, was uns Deine Lehre verkündet hat!‘ 2. Du aber bist allein allmächtig zur Übergenüge und bedarfst weder der Hilfe Deiner zahllos vielen Engel und noch weniger unserer römischen Kriegsheere; da ist es Dir ja doch ein leichtestes, dem irgendwo im geheimen gegen dich wirkenden Fürsten der Lüge und der Finsternis für ewig sein arges Handwerk zu legen! Was tun denn wir Menschen mit einem völlig unverbesserlichen Verbrecher? Wir werfen ihn entweder in ein sogenanntes ewiges Gefängnis, oder wir geben ihm nach dem Gesetz den Tod als eine gerechte Strafe! Denn ein Mensch, der einmal zu einem vollendeten Teufel geworden ist, ist ja um gar viele Male besser von der Erde vertilgt, als daß er fortlebe zum größten Unheile der andern, besseren Nebenmenschen. Tue Du, o Herr und Meister, desgleichen auch mit dem Fürsten der Lüge und der argen Lebensfinsternis, und es wird dann Ruhe und Ordnung und Wahrheit, Liebe und Gerechtigkeit auf der Erde herrschen unter den Menschen!“ 3. Sagte Ich: „Du hast da gut reden, weil du jetzt noch nicht verstehst und einsiehst, worin eigentlich die Hölle und worin der Fürst der Lüge und der Finsternis besteht! 4. Du hast recht, daß du sagst, daß Ich sicher die Macht habe, die Hölle samt ihrem Fürsten und allen seinen Teufeln zu vernichten; aber so Ich das tue, dann hast du keine Erde mehr unter deinen Füßen, keine Sonne, keinen Mond und ebenso auch keine Sterne mehr! Denn alle materielle Schöpfung ist ja ein fortwährendes Gericht nach der nie verrückbaren Ordnung Meines Willens und Meiner Weisheit. Dieses muß sein und bestehen, damit die Seelen der Menschen auf dem harten Boden des Gerichts die Freiheit und die volle Selbständigkeit des ewigen, unverwüstbaren Lebens sich erkämpfen können. 5. So Ich nach deinem Rate nun alle materielle Schöpfung auflöste, da müßte Ich ja auch unter einem jeden Leib der Menschen vertilgen, der denn doch ein notwendiges Werkzeug der Seele ist, weil sie nach Meiner höchsten Weisheit und tiefsten Erkenntnis sich nur einzig und allein mit diesem Werkzeuge das ewige Leben erkämpfen und erwerben kann. 6. Obwohl aber der Leib der Seele zur Erreichung des ewigen Lebens unumgänglich notwendig ist, so ist er aber leicht auch das größte Unheil für die Seele; denn wenn sie sich von den notwendigen Reizungen ihres Fleisches betören läßt, ihnen nachgibt und sich ganz in dieselben mit aller ihrer Liebe und mit allem ihrem Denken und Wollen versenkt, so ist sie in das Gericht ihres eigenen Fürsten der Lüge und Finsternis eingegangen, aus dem sie höchst schwer zu erlösen sein wird. 7. Und siehe, was dein Leib für deine Seele ist, das ist die Erde für das ganze Menschengeschlecht! Wer sich zu sehr von dem Glanze ihrer Schätze blenden und gefangennehmen läßt, der kommt auch selbst- und freiwillig in ihr Gericht und in ihren materiellen Gerichtstod, aus dem er ebenfalls noch schwerer sich befreien wird. 8. Weil nun aber die Menschen der Erde stets mehr und mehr der glänzendsten Schätze zu entlocken verstehen, um damit ihrem Fleische die größtmögliche Wohlfahrt, Behaglichkeit und Wollust zu verschaffen, so ist eben das die besonders erhöhte Tätigkeit des Fürsten der Hölle, welche in sich ist das ewige Gericht und somit der Tod der Materie und der Mittod jener Seelen, die sich aus oberwähnten Gründen von ihr haben gefangennehmen lassen. 9. Mit welcher Allmacht und Weisheit willst du dagegen als für ewig wirksam kämpfen? Ich sage es dir und euch allen: Mit keiner andern als mit der Wahrheit, die Ich euch gelehrt habe, und mit der Macht der möglichsten Selbstverleugnung und der wahren und vollen Demut des Herzens! 10. Wolle du nur das, was du als wahr erkennst, und handle danach auch der Wahrheit gemäß und nicht irgend aus weltlichen Gründen zum Schein wie also tun da unten die Templer und auch gar viele Heiden, so hast du dadurch die ganze Hölle und ihren Fürsten in dir besiegt! Alle bösen Geister, die in aller Materie vorhanden sind, werden dir nichts mehr anhaben können, und kämen sie dir auch im endlos großen Vereine aus der Materie des gesamten, großen Schöpfungsmenschen entgegen, so würden sie vor dir dennoch also fliehen müssen, wie lockere Spreu und der Sand der Wüsten vor dem mächtigen Sturmwind. 11. Aber wenn dich die Schätze der Erde gefangenhalten, so daß du, um in ihren vollen Besitz zu gelangen, auch die erkannte Wahrheit verleugnen würdest, dann bist du in deiner Seele schon ein Besiegter von der Macht der Hölle und ihres Fürsten, der da heißt Lüge und Finsternis, das Gericht, das Verderben und der Tod. 12. Sieh an unsere sieben Ägypter! Sie kennen alle inneren, verborgenen großen Schätze der Erde und könnten dieselben auch in großen Massen ausbeuten; aber sie verachten das, leben lieber höchst einfach und suchen nur die Schätze des Geistes, und so haben sie aber auch noch unverrückt jene wahren, urmenschlichen Eigenschaften, durch die sie als wahre Herren und Gebieter über die gesamte Natur dastehen, was sicher nicht der Fall wäre, wenn sie sich von den Reizen der Natur je hätten irgend gefangennehmen lassen. 13. Wenn ein Hausvater und Hausherr die rechte und gute Ordnung in seinem Hause erhalten will, so muß er mit seinem Gesinde nicht gemein werden und sich bald fügen in dessen allerartige Schwächen. Denn tut er das, so wird er ein Gefangener seines losen Hausgesindes, und wenn er dann zu einem oder zum andern sagen wird: ,Tue dies!‘ oder ,Tue jenes!‘, – werden ihm da seine über ihn mächtig gewordenen Diener wohl noch gehorchen? O nein, sie werden ihn nur verhöhnen und verlachen! 14. Also auch wäre es der Fall mit einem Feldherrn, so er sich unterordnete seinen Kriegern, die ihre Kraft und ihren Mut nur dem Feldherrn verdanken. Es käme der Feind, und er geböte dann den Kriegern, den mächtig drohenden Feind anzugreifen und zu besiegen, würden die Krieger dem schwach gewordenen Feldherrn wohl gehorchen? O nein, sie würden sich sträuben und sagen: ,Wie magst du, Schwacher, uns gebieten? Hast du nicht den Mut und den Willen je gehabt, uns ernstlich den Gebrauch der Waffen einüben zu lassen und tändeltest nur mit uns wie ein Spielgefährte, wie kannst du uns nun gegen den Feind führen? Du warst nie unser Meister, sondern wir die deinen! Wie wirst du es nun auf einmal anstellen, uns alten Meistern über dich ein Meister zu werden?‘ 15. Sehet, so auch ergeht es einem jeden Menschen, der nicht schon von der frühesten Zeit an von seinen Eltern und Lehrern streng angehalten wird, sich in allen möglichen fleischlichen Leidenschaften selbst zu verleugnen, damit diese nicht die Herren und Meister über seine Seele werden! Denn sind sie einmal der Seele über den Kopf gewachsen, so hat diese dann einen schweren Stand, über alle die Begehrungen und Reizungen ihres Fleisches zu gebieten, weil sie eben in ihrem Fleische schwach und nachgiebig und hinfällig geworden ist. 16. Wird aber eine Seele schon von Jugend an nach der Wahrheit des klaren Verstandes vernünftig also geleitet und geübt, daß sie stets mehr Herr ihres Fleisches wird und demselben ja nicht mehr gewährt, als was ihm von der Natur aus nach Meiner Ordnung gebührt, so wird solch einer Seele auch von selbst verständlich alle Welt mit ihren Schätzen und ihren andern Lustreizen gleichgültig, und die also nun rein im Geiste starke Seele ist dadurch denn auch nicht nur Herr über ihres Leibes Leidenschaften, sondern auch ein Herr über die gesamte Natur der Welt und somit auch ein Herr über die gesamte Hölle und ihren Fürsten der Lüge und der Finsternis. 17. Nun wisset ihr, wer und was eigentlich die Hölle und der Fürst der Lüge und der Finsternis ist, und wie er zu bekämpfen und sicher zu besiegen ist. Tut es denn auch also, so werdet ihr Menschen auf dieser Erde sein Reich bald und leicht vollends zerstört haben, und ihr werdet wahre Herren der ganzen Erde und eurer und ihrer Natur sein!“ Kapitel 13 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 13. — Agrikolas Ansichten über die Zukunft der Lehre des Herrn 1. Sagte nun Agrikola: „Herr und Meister, Du hast mir nun wieder eine neue und übergroß-wichtige Wahrheit enthüllt, und ich sehe nun klar ein, daß es so sein soll. Aber wo steckt da nun nahezu in aller Welt die Erziehung des Menschen schon von Kindesbeinen an? Man weiß ja nicht einmal, wie und wo man bei der Erziehung der Kinder anfangen und wo enden soll! 2. Da wird den reichen Eltern ein Kind geboren. Sie haben eine wahre Affenliebe zu ihm und gewähren ihm alles, was sie ihm nur in den Augen ansehen, und verzärteln es oft auf eine unausstehliche Weise. Sie selbst getrauen sich nicht, ein solches Kind nur mit einem ernsteren Worte ob seiner vielen Unartigkeiten zu strafen, und tut das dann später etwa ein Lehrer, so hat er sich das Kind und die Eltern zu Feinden und Verfolgern gemacht; schon die alten Römer sagten: ,Wen die Götter haßten, aus dem haben sie einen Schulmeister gemacht!‘ Nun, die Eltern sind blinde Toren, und der Schulmeister muß es sein, wenn er leben will. Woher sollen dann solche Kinder eine rechte Menschenerziehung bekommen? 3. Bei solcher Erziehung aber, wie sie nun in der besonders großen Herrenwelt nahezu allgemein gang und gäbe ist, muß ja der Mensch und die gesamte Menschheit derart entmannt (degeneriert) werden, daß er gar nie mehr von irgendwoher erfahren kann, wie der eigentliche, wahre Mensch aussehen und beschaffen sein soll! Und ich muß es hier offen gestehen, daß auf dieser Erde noch gar viele Stürme über ihre Gefilde und Meere dahinbrausen werden, bis die Menschheit wieder auf den großen und wahren Standpunkt zurückkommen wird, von dem sie im Urbeginne ausgegangen ist. 4. Es müßten nun gute Schulen nicht nur für Kinder, sondern auch für die blinden Eltern ernstlich errichtet werden, in denen sie alle die großen Wahrheiten erlernen müßten, die ein jeder kennen und wissen muß, um, als nach ihnen tätig, ein wahrer Mensch werden zu können. 5. Aber woher wird man für so zahllos viele Menschen die rechten Lehrer nehmen? Du, o Herr und Meister, hast wohl schon eine Menge Jünger gebildet, die da wissen, was dazu gehört, um ein wahrer Mensch nach Deiner Ordnung zu werden und zu sein; aber was ist ihre Zahl gegen die nahe endlos große Zahl der Menschen auf der ganzen Erde? Dazu kommt noch die große Roheit und gänzliche Verwilderung der Menschen und Völker auf der Erde und die starre Begründung in ihren Sitten und Gebräuchen und auch ihre verschiedenen Sprachen! 6. Wie möglich kann ein Mensch gegen alle diese kolossalsten Hindernisse kämpfen und wie sie besiegen? Du bist doch der Herr Selbst, und alles gehorcht Deinem Willen, und dennoch stößt Du Selbst hier in den Ländern der Bildung auf unübersteigbare Hindernisse. Auf welche Hindernisse werden dann erst die wenigen Jünger stoßen? 7. Ja, gut wäre es, wenn man Deine göttliche Lehre so über eine Nacht hin in aller Menschen Herzen legen könnte samt dem Eifer, danach zu handeln! Aber das liegt nicht in Deiner Absicht, weil ein jeder Mensch sich alles das nur durch den Unterricht von außen her zu eigen machen muß und dann den ernsten Willen fassen, danach zu handeln. Aber es wird auf diese Weise mit der Menschheit wohl nur sehr langsam vorwärtsgehen, und es ist da gar keine Zeit zu ermessen, in der alle Menschen auf der ganzen Erde Deine Lehre überkommen werden, und so wird Deiner Lehre reinstes Lebenslicht nur stets ein Eigentum weniger Menschen bleiben, und es fragt sich selbst da, wie langehin ganz rein! 8. Denn solange die Menschen nicht von der Wahrheit Deiner Lehre lebendigst durchdrungen sein werden, werden sie in ihren Weltgelüsten nebenbei dennoch stets verharren, mehr oder weniger, was am Ende gleich ist, und werden sich aus Deiner Lehre bald mit manchen Zusätzen eine irdische Erwerbsquelle schaffen, und es wird dann mit Deinen späteren Jüngern um nichts besser stehen, als wie es nun steht mit den vielen Juden und Heiden, und der wahre Segen und die lebendige Frucht Deiner Lehre wird ferne sein den Menschen. Ich bin zwar kein Prophet; aber es sagt mir das so mein ziemlich klarer Verstand, der mir durch meine vielen Erfahrungen zuteil geworden ist, und ich glaube, daß ich in dieser Sache ein ganz wahres Urteil ausgesprochen habe.“ Kapitel 14 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 14. — Des Herrn Rede über die Zukunft Seiner Lehre 1. Sagte darauf Ich: „Das hast du zwar wohl, und Ich weiß es wohl auch, daß es zum größten Teil also gehen wird, aber es macht das im ganzen dennoch nichts aus, denn in Meiner Schöpfung gibt es für die Seelen noch eine Menge Schulhäuser. Wer es in Jerusalem nicht lernt, dem wird es andernorts verkündet werden! 2. Ja, Ich weiß und sehe es, wie nach Mir eine Menge falscher Lehrer aufstehen und zu den Menschen sagen werden: ,Sehet, hier ist Christus!‘ oder ,Dort ist er!‘! Aber Ich sage es nun euch, und ihr saget es euren Nächsten und euren Kindern, daß man solchen falschen Lehrern nicht glaube, denn sie werden aus ihren Werken leicht zu erkennen sein! 3. Wie aber ein rechter Jünger nach Meinem Worte beschaffen sein soll, das hast du gestern zu Emmaus auf dem Berge des Nikodemus bei der Gelegenheit erfahren, als Ich die etlichen siebzig aussandte, daß sie ausbreiteten Meine Lehre. 4. Wo du demnach Lehrer antreffen wirst, die also nach Meinem Willen die Lehre von der Ankunft des Reiches Gottes unter den Menschen ausbreiten werden, diese halte du und jedermann für echte und vollends wahre Lehrer; wo aber Lehrer zwar auch unter Meinem Namen aus Meiner Lehre ein Geschäft machen werden um Geld und andere Schätze, die halte du für falsche und von Mir niemals berufene Ausbreiter Meiner Lehre! Denn Meine wahren Jünger und Ausbreiter Meiner reinen Lehre werden stets irdisch arm, gleich Mir, aber darum geistig überreich sein; denn sie werden nicht nötig haben, Meine Lehre und Meine Worte von einem Vorgänger gewisserart durch ein langweiliges Erlernen sich zu eigen zu machen, sondern Ich werde ihnen Meine Lehre und Meinen Willen in ihr Herz und in ihren Mund legen. 5. Aber die falschen werden durch ein langes Lernen von ihren ebenfalls falschen Lehren sich allerlei Lehren, Worte und Sprüche zu eigen machen müssen und werden dann erst, wenn sie alles mühsam werden erlernt haben, von ihren großtuenden und prahlerischen Lehrern und Vorstehern unter allerlei leerer und blinder Zeremonie zu Jüngern geweiht werden, wie solches nun auch geschieht im Tempel bei den Pharisäern, Schriftgelehrten und Ältesten und auch bei euch Heiden, wo der Priesterstand eine ordentliche Kaste bildet, die sich vom Vater auf den Sohn vererbt, und ein Mensch aus dem Volke nur dann aufgenommen wird, wenn irgendein Priester keine Kinder hat, und selbst da nur als ein Kind, das hernach erst zu einem Priester erzogen wird. 6. Wie sonach ein wahrer von Mir berufener Lehrer und Ausbreiter Meiner reinen Lehre von einem falschen zu unterscheiden sein wird, das habe Ich euch allen nun klar dargetan, und es wird sich da leicht ein jeder vor den falschen Lehrern und Propheten hüten können; wer ihnen aber zugetan sein wird und wird ihnen Glauben schenken, sie ehren und ihnen noch in allem behilflich sein, der wird es nur sich selbst zuzuschreiben haben, so er von ihnen dann verschlungen wird. 7. Ja es wird sogar geschehen, daß die falschen Propheten sich auf goldene Throne emporschwingen werden und die wahren von Mir Erwählten und Berufenen mit aller Hast verfolgen werden. Wenn aber das eintreffen wird, dann wird auch ihr Gericht und ihr Ende über sie kommen, und Meine Lehre wird dennoch fortbestehen unter gar vielen Menschen auf der Erde; aber sie wird stets nur als ein freies Gut unter den Menschen im stillen glänzen, leuchten und trösten, nie aber als eine Herrscherin über ganze Völker auf einem Herrscherthrone mit Krone, Stab und Zepter gebieten. 8. Wo das in Meinem Namen der Fall sein wird, da werde Ich Selbst ferne sein, und anstatt Meiner Liebe wird die Habsucht, der Geiz, Neid und Verfolgung aller Art und Gattung unter den Menschen zu Hause sein, und ein Betrug wird dem andern die Hände reichen. Wenn ihr aber solche Früchte Meiner sein sollenden Lehre unter den Menschen sehen werdet, so werdet ihr es ja wohl merken, welches Geistes Kinder die auf den Thronen herrschenden Propheten sind und von wem ihre falschen Lehren stammen! 9. Wenn du aber allzeit das Rechte und Wahre wirst haben können, wenn du nur ein Verlangen danach haben wirst, so wirst du dein Herz doch wohl nicht dem Falschen zuwenden? Und so wisset ihr nun, daß trotz all der späterhin auftauchenden falschen Propheten und Lehrer im stillen und Prunklosen Meine reine Lehre bis ans Ende der Zeiten unter den Menschen fortbestehen wird. 10. Daß aber diese Meine Lehre erst nach und nach unter alle Völker der Erde ausgebreitet wird, davon habe Ich euch die Gründe schon mehrfach klar gezeigt; denn wann ein Volk zur Aufnahme Meiner Lehre reif ist, das weiß Ich sicher wohl am besten! 11. Was aber zur möglich schnellen Ausbreitung Meiner Lehre in alle nur etwas reifen Punkte der Erde geschehen konnte, das ist auch geschehen und wird bald ein viel mehreres noch geschehen; und so können wir dieses Thema nun schon ohne weitere Bemerkungen auf sich beruhen lassen, da wir noch um vieles wichtigere Dinge zu besprechen haben.“ 12. Sagte nun wieder Agrikola: „Das wird schon allerdings also sein, denn Du allein weißt es am besten, was auf dieser leidigen Erde noch alles zu geschehen hat; aber unsereiner, der keinen Blick in die Zukunft machen kann und sehen, wie sich die Sachen noch gestalten werden, dem von Dir aus nur vergönnt ist, sein diesirdisches Freiheitsprobeleben nach Deiner Lehre möglichst glücklich durchzumachen, und der aber dabei noch gar viele Hindernisse auf dem Wege des Lichtes aufgestellt findet, wird dennoch selbst beim besten Wissen und Willen von der Sorge ergriffen und fragt notgedrungen: Was wird mit der Zeit aus allem dem werden? 13. Wird Deine nun so heilig reine Lehre zu allen Menschen kommen, und wann? Oder wird sie stets nur ein besonderes Gut weniger Erwählter bleiben? Nach Deinen nun erflossenen Worten scheint wohl nur das letzte der Fall zu sein! Nun, auch recht; denn was Dir, o Herr und Meister, recht ist, das muß wohl auch uns Menschen recht sein, da wir die Sache ohne Dich nicht ändern können; aber weil es Dir wohlgefallen hat, uns Menschen, Deinen Geschöpfen, nebst dem freien Willen auch einen ebenso freien Verstand zu geben, so hast Du uns dadurch auch ein freies Urteil eingeräumt, und demzufolge habe ich denn auch also geredet, wie ich geredet habe! 14. Aber ich habe Deiner Gegenrede entnommen, daß Du denn doch mit den Menschen ganz außerordentliche Pläne und Absichten hast, ansonst Du es nicht zuließest, daß neben Deiner nun einmal gegebenen reinsten Lehre und neben Deinen wohlunterrichteten Jüngern noch andere, falsche aufstehen und die Menschen von neuem wieder in die gottloseste Finsternis verleitet werden; so kann ich freilich für weiterhin nicht mehr reden und werde mich nun wieder ganz aufs Zuhören verlegen.“ 15. Sagte Ich: „Freund, daran wirst du sehr wohl tun! Besser ist das Hören als das Predigen, solange man den rechten Grund dazu noch viel zu wenig kennt. 16. Glaube es Mir: Welten erschaffen ist ein leichtes; aber freie Menschen also ins Dasein zu rufen und sie aus sich selbst vollenden zu lassen, wobei die göttliche Allmacht vermöge der Ordnung ihrer Liebe und Weisheit schweigen und untätig sein muß, das bleibt am Ende auch für Mich eine Sache, die nicht leicht zu nennen ist! Da hilft Mir nichts als Meine unbegrenzte Geduld und übergroße Sanftmut. 17. Darum müssen die Menschen durch ihr höchsteigenes Glauben und Tun in allerlei gute und böse Zustände versetzt werden, damit sie erst aus den Folgen ihres Glaubens und ihrer Handlung klug werden und am Ende selbstwillig das rechte Licht zu suchen anfangen. 18. Wie aber alle Kreatur auf dieser Erde zwischen Tag und Nacht und zwischen Sommer und Winter gedeiht materiell, so auch der Mensch geistig. 19. Als die Urmenschen dieser Erde geistig am hellen Tage wandelten, da war ihnen am Ende das Licht ordentlich lästig geworden, als aber bei ihnen dann später die geistige Nacht eingetreten war, da erst fingen sie an, den Wert des geistigen Tages zu begreifen und zu schätzen, und die Besseren suchten ängstlich das verlorene Paradies. 20. Es ward dann wenigen wieder gegeben, zu finden den geistigen Tag, und viele rannten zu den glücklichen Wiederfindern des geistigen Tages und ließen sich leiten zu dessen Lichte hin. Aber auch viele von der Welt Geblendete begriffen nimmer, was da ist ein geistiger Tag, und blieben in ihrer Nacht, durch ihre eigene Trägheit dazu genötigt. Diese genossen dann freilich wohl nichts von dem Glück eines geistigen Tages und befanden sich in einer großen Not; aber diese Not war dennoch ein guter Wächter für die Glücklichen, weil sie wohl sahen, welche Früchte dem Menschen aus seiner geistigen Nacht erwachsen. 21. Siehe, so denn geschieht es, daß neben den Erleuchteten sich auch stets Unerleuchtete aufhalten und fortpflanzen werden! Aber darum wird es auf dieser Erde an wahrhaft erleuchteten Menschen nie einen Mangel haben, und diesen wird stets die Gelegenheit geboten sein, die Unerleuchteten mit ihrem wahren Lebenslichte zu erleuchten; und welche Erleuchteten das tun werden in Meinem Namen, deren Lohn wird groß sein in Meinem Reiche dereinst! 22. Selbst erleuchtet sein durch Meine Gnade ist ein großes und unschätzbares Glück für den Menschen; aber noch tausend Male schätzbarer ist es, mit seinem wahren Lebenslichte auch andere, die in der Finsternis wandeln, zu erleuchten, das heißt, wenn sie das Licht annehmen wollen. Aber das sei euch auch zu wiederholten Malen gesagt, daß ihr die Perlen Meiner Lehre nicht den Schweinen von Menschen vorwerfen sollet! – Denn welcher Mensch einmal eine rechte Sau geworden, der bleibt auch eine Sau! Denn wenn so ein Mensch in einer gewissen guten Stunde auch ein wahres und gutes Wort recht wohlgefällig anhört und es auch aufnimmt, so geht er aber dennoch bei der nächsten Gelegenheit seiner alten Pfütze zu und wirft sich mit aller Behaglichkeit in dieselbe und bleibt gleichfort die alte Sau. – Also, solchen Menschen ist kein Evangelium zu predigen, und Ich habe für solche dann schon ein anderes, das ihnen ihre eigene Natur predigen wird unter vielen Schmerzen, Heulen und Zähneknirschen! 23. Und nun haben wir wieder einen wichtigen Punkt verhandelt und können auf etwas ganz anderes ganz getrost übergehen. Wer von euch noch in irgend etwas einen Zweifel hat, der trete auf und rede; denn Ich will es, daß ihr morgen mit Mir wohlerleuchtet diesen Ölberg verlassen sollet! Darum steht es nun einem jeden von euch frei, zu reden, wie es ihm sein Sinn gibt.“ 24. Sagten darauf die meisten: „Herr, wir fühlen gar keinen Zweifel mehr in uns und sind ganz glücklich darob!“ Kapitel 15 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 15. — Die zukünftige Bevölkerungsdichte der Erde. Die Beschwerden des Alters 1. Aber einer der indischen Magier, die auch noch bei uns waren, sagte: „Großer Herr und Meister, ich hätte noch so manches, worüber mir ein helleres Licht nicht schaden könnte! Wenn ich Dich sonach um etwas fragen würde, würdest Du mich dann wohl einer Antwort aus Deinem Munde würdigen?“ 2. Sagte Ich: „Du bist nicht minder ein Mensch als irgendein anderer, und das ist genug! Und so frage denn, um was du nur immer willst, und Ich werde dir antworten!“ 3. Hierauf besann sich der Magier ein wenig, ob die Frage wohl etwa nicht eine zu alberne und gemeine wäre; aber er ermannte sich dennoch bald und sagte: „Herr, etwas finde ich nach meinen gemachten Erfahrungen auf dieser Erde denn doch eben nicht besonders zum Behufe des Fortbestandes der Menschen eingerichtet! Wenn diese Sache von Dir aus nicht in etwas abgeändert und gewisserart verbessert wird, so wird es mit dem Fortbestande der Menschen mit der Länge der Zeit seine entschiedene Not haben. 4. Siehe, Menschen und Tiere vermehren sich von Tag zu Tag und benötigen auch stets mehr Nahrung; aber der Boden der Erde bekommt nirgends einen Zuwachs und irgendeine Vergrößerung! Wenn die Sache noch ein paar Tausende von Jahren also zugehen wird, so wird es mit dem Fortbestande der Menschen seine entschiedene Not haben müssen. – Was sagst Du, o Herr, zu dieser meiner Meinung und Ansicht?“ 5. Sagte Ich: „Mein lieber Freund, diese Sorge hättest du dir aus mehrfachen Gründen ganz und gar ersparen können; denn wie viele Menschen der nun bewohnbare Teil der Erde gar wohl fassen kann, das ist schon seit ewigen Zeiten von Mir wohlst berechnet gewesen. Wenn die Erde – was bis jetzt nur von ihr zur Beherbergung der Menschen trockengelegt ist – also noch zehntausend Jahre fortbesteht und das Menschengeschlecht alle Jahre sich verdoppeln oder auch verdreifachen wird, so werden auf dieser Erde noch zehnmal so viele Menschen, wie sie nun bestehen, recht wohl fortbestehen können. Und sollten denn mit der Zeit im Ernste so viele Menschen auf dieser Erde zum wirklichen Vorschein kommen, daß der jetzige große und trockengelegte Boden der Erde sie nimmer ernähren könnte, nun, so haben wir noch eine Menge Mittel im Vorrat, um in einem Augenblick noch für hunderttausendmal so viele Menschen, als deren jetzt auf der Erde wohnen, aus dem Meere ganze Weltteile herauszuheben! Was sonach diesen dir so bedenklichen Punkt betrifft, da kannst du völlig außer aller Sorge sein! 6. Es wohnen jetzt auf der Erde eine so große Anzahl von Menschen, daß du nun gar keine so große Ziffer kennst, mit der du die Zahl bezeichnen könntest, und dennoch gibt es auf der Erde noch so große Strecken völlig unbewohnten Bodens, daß ein Mensch, der sie bereisen und besichtigen wollte, in tausend Jahren noch kaum alle durchgemacht hätte. Und doch besitzen gewisse reiche Menschen für sich ganze große Landteile, die für ihr Nährbedürfnis wahrlich mehr als hundertfach zu groß ausgemessen sind! Nimm du mit der Zeit eine etwas gleichere Verteilung des Erdbodens an, und alle Menschen – wären ihrer noch hundertfach so viele wie jetzt – werden noch eine hinreichende Nahrung und Unterkunft für ihren Leib finden, und dann schon ganz besonders leicht, wenn sie nach Meiner Lehre leben werden! – Bist du mit dieser Meiner Erklärung nun wohl zufrieden?“ 7. Sagte der Magier: „Herr und Meister, ganz vollkommen, und es ist mir nun um ein großes leichter ums Herz! Aber ich hätte nun noch eines, worüber ich von Dir noch um ein kleines mehr Licht haben möchte, als ich es mir bis jetzt in Deiner erhabensten Gesellschaft habe zu eigen machen können. Es ist zwar davon schon die Rede geführt worden, und es sind aus Deinem Munde auch Erklärungen erflossen, die mir viel Licht gegeben haben; aber einiges ist mir dabei dennoch dunkel geblieben. Weil ich mit meinen Gefährten nun schon einmal an der Urquelle des Lichtes stehe, so möchte ich denn auch in allem, was mir noch dunkel ist, ein wenig nur noch mehr erleuchtet sein, als das bis jetzt hat geschehen können. 8. Siehe, Herr und Meister, es ist wahrlich ein großes und überherrliches Ding um das Sein und Leben eines Menschen! Er wird gezeugt, geboren und von da an von seinen Alten erzogen zu einem Menschen, der denken, reden und handeln kann nach den Begriffen, die ihm durch die Erziehung beigebracht worden sind, wie auch nach denen, die er als ein denkender Mann durch seine Vernunft und durch seinen auf dem Wege der Erfahrungen gebildeten Verstand selbst gefunden hat. 9. Wenn dann ein Mensch von gutem Willen seine geistigen Kräfte unter mancher großen Mühe und oftmals bitteren Erfahrungen auf eine für ihn möglichst höchste Stufe gebracht hat, so fangen seine physischen und auch geistigen Kräfte zu schwinden an, der Leib wird mühselig, alt und gebrechlich, wird krank und stirbt dann auch unter zumeist großen Schmerzen und unter großer Angst und Furcht vor dem Tode. 10. Nun weiß ich wohl aus Deinem Munde, daß für die Menschen der Tod gar nichts Schreckliches hätte und auch völlig schmerzlos wäre, wenn sie in der ihnen geoffenbarten Ordnung geblieben wären und fortgelebt und -gehandelt hätten; nun ist aber das ein Umstand, der für die Menschen von einer höchst bedauerlichen Art ist, daß so viele ohne ihr Verschulden von einer in den Urzeiten geoffenbarten Menschenlebensordnung unmöglich etwas wissen können, daher auch in einer vollsten Widerordnung zu leben genötigt sind. Sie sind sonach durchaus nicht schuld an ihrer Lebensunordnung; aber sie müssen dennoch die argen Folgen davon so gut tragen, als ob sie dieselben durch ihre Schuld verdient hätten. Nun, das finde ich, aufrichtig gesprochen, von Dir aus für eine sehr sonderbare Einrichtung im Mechanismus des menschlichen Leibes! 11. Es ist das Gesetz ganz gut, daß der, der einen Menschen tötet, auch mit dem Tode soll bestraft werden zum warnenden Beispiel für andere, denen vielleicht auch irgendein Mensch für ihre argen Gelüste im Wege steht. Aber ein Gesetz, daß zum Beispiel auch ein Mensch, der vom Dache fiel und durch seinen Fall einem gerade unten stehenden Menschen das Leben nahm, auch mit dem Tode bestraft werden soll, wäre doch so ungerecht, wie es schon nichts Ungerechteres in der Welt geben könnte! Und siehe, geradeso kommt mir auch die soeben angeregte göttliche Verfügung hinsichtlich der Krankheiten und des qualvollsten Leibestodes der meisten Menschen vor; sie erleiden damit eine Strafe, die sie im Grunde nie als verschuldet verdient haben! Das könntest Du für die Folge etwa doch anders einrichten! 12. Es sind zwar eben die Indier, die oft die größten Schmerzen viele Jahre lang mit der größten Standhaftigkeit erdulden, weil unsere Gotteslehre ihnen sagt, daß Gott an denen sein größtes Wohlgefallen habe, die die größten Schmerzen langehin mit der größten Geduld und Standhaftigkeit ertragen. Aber bei dem Anblick solcher oft gräßlichsten Leiden und Schmerzen sträubt sich das Gemüt eines Menschenfreundes von unbefangenem und vorurteilsfreiem Gemüte und fragt den Schöpfer der Erde und der Menschen: ,Allmächtiger und sicher höchst weiser Gott! Kannst Du an den unsäglichen Qualen und Schmerzen Deiner Geschöpfe denn wohl im Ernste ein Wohlgefallen haben? Sind die Menschen verrückt in ihrer Vernunft und in ihrem Verstande, so hast Du ja doch der Mittel zur Genüge, sie allzeit von neuem wieder also zu erleuchten, wie Du die erstgeschaffenen Menschen dieser Erde erleuchtet hast! 13. Warum lässest Du aber zu, daß sich Tausende von Geschlechtern zuvor auch Tausende von Jahren blutigst durchquälen müssen, bevor nur ein Fünklein Deines Lichtes unter sie ausgestreut wird?‘ 14. Sieh, Herr, das ist eine gar gewichtige Frage von unserer höchst geplagten menschlichen Seite an Dich, den Herrn und Schöpfer der Erde und der Menschen! Gib uns darüber ein wahres Licht!“ Kapitel 16 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 16. — Über die Inkarnierung der Sternbewohner 1. Sagte Ich: „Freund, darüber habe Ich euch vor ein paar Tagen ein klares Licht gegeben. Wenn du es nicht völlig begriffen hast, so kann Ich wahrlich nicht dafür! Sieh hinauf zu den Sternen! Ich sage dir, daß sie alle weltengroße Erden sind, auf denen auch Menschen wie hier wohnen. 2. Viele jener zahllos vielen Menschen auf den Sternenerden wissen es durch ihre Engel, daß eine Seele nur hier auf dieser Erde zur wahren Kindschaft Gottes gelangen kann, aber nur durch ein höchst beschwerliches und mühevolles Fleischleben. Wenn sie es wünschen, so wird es zugelassen, daß ihre Seelen auch auf diese Erde ins Fleisch gezeugt werden. Sind sie aber einmal da, so müssen sie sich auch das durchzumachen gefallen lassen auf eine kurze Zeit, weil sie dadurch auch für ewig den Triumph der vollen Gottähnlichkeit ernten, und dafür können sie sich schon auch etwas gefallen lassen, da doch Ich Selbst aus Liebe zu Meinen Kindern Mir auch freiwillig gar vieles gefallen lasse und Mir noch ein Größtes und Bitterstes werde müssen gefallen lassen, zum Heile aber für Meine Kinder. 3. Das Reich Gottes kann nur mit Gewalt und großen Opfern gewonnen werden! Das bedenke wohl, wie auch das, was Ich darüber schon gesagt habe! – Hast du nun das wohl verstanden?“ 4. Sagte darauf der Magier: „Ja, Herr und Meister, ich habe das nun wohl verstanden und habe mich an das auch wohl zurückerinnert, was Du vor ein paar Tagen eben über diesen Gegenstand geredet hast, und ich danke Dir für alles, was wir nun an Deiner heiligen Seite zum ewigen Wohl unserer Seelen gewonnen haben. Wenn denn auch unseren Leib Leiden und Schmerzen heimsuchen werden, so werden wir sie aus Liebe zu Dir auch mit aller Geduld ertragen; denn auch wir können nun nicht wissen, unter welchen anderen Bedingungen wir auf diese Erde ins Fleisch gesetzt worden sind, als daß wir Gott suchen, erkennen und Ihn dann unter allen noch so bitteren Umständen über alles lieben sollen, wollen und auch werden. 5. Denn mir scheint es, daß Du gerade denen, die Deinem Herzen am nächsten stehen, stets größere Lebensproben zukommen läßt als jenen, die sich durch ihr Tun und Treiben Deinem Herzen entfernter befinden. Denn ich habe schon oft bei unseren Reisen in allen Teilen der Erde Menschen getroffen, die nahe an gar keinen Gott glaubten und ihre Nebenmenschen oft ärger als wilde Tiere behandelten, aber dabei selbst eine unverwüstliche Leibesgesundheit besaßen und im größten Wohlleben schwelgten. Am Ende starben sie noch dazu eines schmerzlosen, blitzschnellen Todes! 6. Während ich wieder andernorts gar fromme und in ihrem Glauben sehr gottergebene und gute Menschen mit aller Geduld oft im größten Elende antraf, was mir die Fürsorge eines guten und höchst weisen Gottes und selbst das Dasein eines solchen in ein sehr zweifelhaftes Licht stellte. 7. Nun haben sich solche Zweifel bei uns freilich wohl gänzlich gelegt, und wir wissen und erkennen nun, woran wir sind, und in welchen mannigfachen Verhältnissen die verschiedenen Menschen auf dieser Erde ihr Freiheitsprobeleben durchzumachen haben; aber dabei muß ich doch nach meinem Gefühle sagen und bekennen, daß eben dieses Freiheitsprobeleben eine schwere Aufgabe für die Menschen ist, wenn sie auch durch ihre Lösung den größten und ewigen Lebensvorteil erreichen. 8. Wir Menschen konnten vor unserem Dasein nie gewollt haben, dazusein, sondern nur Du allein konntest das wollen, und wir sind demnach Deine Werke, für die Du sorgst, damit sie vollends das werden können, wozu Du sie erschaffen und bestimmt hast. 9. Weil es denn aber einmal so und nicht anders ist und Du uns nun Selbst die Wege lichtvoll gezeigt hast, die wir zu wandeln haben, so wollen wir denn auch treu und dankbarst auf denselben dem Ziele zuwandern, das Du uns gestellt hast, und die Dornen, die sich hie und da uns in den Weg stellen, standhaft und mit möglichster Geduld und Ergebung in Deinen Willen überschreiten. Das ist nun mein wie auch meiner Gefährten fester und ernster Entschluß. Du aber als nun unser wohlerkannter Herr des Lebens lasse nicht zu harte Proben und Prüfungen über uns kommen zur Zeit unseres Scheidens von dieser Erde, und sei also auch allen andern Menschen nach ihrem Lebensverdienste gnädig und barmherzig!“ 10. Sagte Ich: „Um was ihr den Vater bitten werdet in Meinem Namen, das wird euch auch gegeben werden. Denn der Vater allein ist gut und hat kein Wohlgefallen an den Leiden der Menschen; aber Er hindert auch nicht, daß solche über die Menschen kommen, so sie aus lauter Weltsinn des Vaters vergessen, keinen Glauben haben und sich selbst in alles das begeben, was ihnen alles mögliche Ungemach bereiten und bringen muß. 11. Wandelt gleichfort auf den Wegen, die Ich euch nun treulich gezeigt habe, so werdet ihr wenig zu leiden haben, und euer Abgang von dieser Welt wird ein leichter sein! 12. Nur über jene kommen am Ende zumeist bittere Leiden, die aus allerlei Welttümlichkeiten ihre Seele zu sehr in ihr Fleisch vergraben haben; denn eine solche Seele muß, damit sie nicht völlig verderbe in ihrem Fleische, mit großer Gewalt von ihm losgetrennt werden, und dies muß dann auch im Leibe große Schmerzen erzeugen. Und das ist noch gut für die Seele, weil sie durch die Schmerzen und Leiden von ihren fleischlichen Gelüsten gereinigt wird und dadurch im Jenseits einen leichteren Fortgang und ein sichereres Vorwärtsschreiten auf der Bahn des geistigen Lebens findet. 13. Ganz welttümliche Menschen aber, die an keinen Gott glauben und dabei doch ein gesundes Leben bis in ihr hohes Alter genießen und am Ende auch eines schnellen und schmerzlosen Todes sterben, haben ihren Lebenslohn auch schon auf dieser Welt empfangen und werden im Jenseits sehr schwer je mehr einen zu gewärtigen haben. In der Gesellschaft solcher wird die äußerste Finsternis walten, und es wird sein viel Heulen und Zähneknirschen unter ihnen.“ 14. Sagte der Magier: „Herr und Meister, wenn aber solche Menschen, die nun denn doch zumeist Heiden sind, nicht dafür können, daß sie von einem wahren Gott nie etwas vernommen haben und darum auch an keinen glauben konnten, so ist dann ein gar fürchterliches Fortbestehen ihrer Seelen im Jenseits doch eine zu arge Strafe! Ja, Menschen wie nun wir, die Gott wohlerkannt haben und an Ihn glauben müssen, weil Er vor ihnen sichtbar da ist und sie Selbst lehrt die Wege des Lebens, – wenn sie dennoch abfielen und Böses täten, verdienten dann wohl ein solches von Dir nun sehr erschrecklich ausgesprochenes Los im Jenseits; aber Menschen, die da nicht dafür können, daß sie nahezu mehr Tiere als Menschen auf der Welt waren, erscheinen vor meinem Verstande als unzurechnungsfähig, und eine jenseitige Strafe für ihre hier verübten bösen Taten scheint mit der göttlichen Ordnung und mit der der Liebe Gottes entstammenden Gerechtigkeit in keiner besonderen Harmonie zu stehen; denn wo jemand auf dieser Erde keinen Gott und somit auch Dessen Willen nicht kennt und kein anderes Gesetz hat als das nur, das ihm seine Natur und seine Leidenschaften vorschreiben, der kann ja dem ungekannten Willen Gottes gegenüber auch keine Sünde begehen und für dieselbe gestraft werden. Herr und Meister, siehe, da ist nun wieder ein noch finsterer Winkel in Meiner Seele, den Du mir noch gnädigst ein wenig heller erleuchten möchtest!“ Kapitel 17 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 17. — Die Behandlung der Menschen diesseits und jenseits 1. Sagte Ich: „Auch über diesen Punkt ist hier schon das Rechte und völlig Geeignete gesagt worden, und ihr habt das auch von Meinen Jüngern teilweise wohl erfahren; aber es geht euch mit dem Merken eben nicht am besten, und es ist darum in euch wieder so mancher Lebenswinkel ein wenig dunkel geworden. Aber so ihr leben werdet nach Meinem Worte, so werdet ihr in euch die Taufe des Geistes überkommen, welche da ist die wahre, innere Wiedergeburt des Geistes in eurer Seele. Dieser lebendigste Geist alles Lichtes und aller Wahrheit wird euch dann schon in alle Wahrheit leiten, und es wird dann auch alles helle werden in euch, was nun dunkel und finster ist. 2. Das aber, was dir schon dein mehr geklärter Verstand sagt, daß es als von Gott also verordnet sicher ungerecht und unbillig wäre, kennt Gottes Liebe und Weisheit auch also und sicher noch um gar vieles heller: daß man den nicht strafen kann, dem man kein Gesetz zur Befolgung gegeben hat. 3. Aber es besteht nun kein Volk irgend auf der ganzen Erde, das da ganz ohne alle Gesetze wäre. Denn Gott hat unter allen Völkern nach dem Bedürfnisse derselben weise Männer erweckt und berufen, und diese haben ihnen Gesetze gegeben und ihnen auch gesagt und gezeigt, daß es einen Gott gibt, der alles erschaffen hat und auch alles forterhält, leitet und regiert. Also lehrten die benannten weisen Männer die Menschen auch, daß Gott diejenigen, die die Gesetze befolgen, belohnen werde hier und jenseits, die Widersacher aber auch züchtigen und unnachsichtlich strengst bestrafen werde auch hier schon und gar sicher jenseits, weil die Seele des Menschen nach dem Tode des Leibes in einer anderen Welt der Geister fortlebe und nach ihrem Tun gerichtet werde. 4. Siehe, solche Kunde hat jedes Volk erhalten, und wenn es diese zu vergessen beginnt, so wird es gleich von neuem wieder daran erinnert, teils durch abermals neuerweckte weise Männer und teils und stets aber durch das eigene Gewissen, und so kann sich da niemand, der einen Verstand und seine gesunden Sinne hat, so ganz entschuldigen, so er wider seine ihm bekannten Gesetze handelt. Wenn er aber jenseits ohnehin in den Zustand seiner Liebe und seines freien Willens kommen wird, so wird auch niemand Gott gegenüber sagen können, daß Er an diesem oder jenem irgend ungerecht gehandelt habe; denn einem Selbstwollenden geschieht kein Unrecht. 5. Jeder Seele wird drüben das werden, was sie will. Ist es Böses, so wird sie zuvor darauf wohl aufmerksam gemacht, welche Folgen es notwendig haben wird. Wird sie sich daran kehren, so kann ihr bald und leicht geholfen werden; kehrt sie sich aber nicht daran, so wird ihr unbehindert belassen werden, also alles zu haben und zu genießen, wie sie es aus ihrer Liebe heraus will. 6. Die Liebe aber, ob guter oder böser Art, ist das eigenste Leben der Seele eines jeden Menschen, Engels und des Teufels; nehmen wir der Seele die Liebe, so nehmen wir ihr auch das Leben und das Dasein. Das aber kann ewig nicht in der reinen Ordnung Gottes bestehen; denn könnte nur das kleinste Atom in der Schöpfung vernichtet werden und gänzlich das Dasein für ewig verlieren, so würde Gott Selbst dadurch an Seinem Dasein ein Atom verlieren, was aber unmöglich ist. 7. Und so kann eine Menschenseele um so weniger je ihr Dasein völlig verlieren; aber sie kann höchst unglücklich und unselig werden durch ihren höchst eigenen Willen und kann, so sie es nur ernstlich will, auch wieder durch ihren eigenen freien Willen glücklich und vollends selig werden. 8. Wenn aber die Lebensverhältnisse und Zustände für die Seele also gestaltet und geordnet sind, wie möglich anders und besser und gerechter könnten sie gestaltet und geordnet sein? – Verstehest du nun das, und ist dein noch dunkler Winkel nun auch schon um etwas heller?“ 9. Sagte der Magier: „Herr und Meister alles Lebens, ich bin nun schon wieder um ein bedeutendes heller geworden! Ja, weil die Sache sich also verhält und auch also verhalten muß, so läßt sich von unserer menschlichen Seite Dir gegenüber auch nicht die allergeringste Einwendung mehr machen, und ich habe mit dem mein Fragen beendet.“ 10. Sagte Ich: „Da wirst du nun vorderhand sehr wohl daran tun! Aber es wird sich schon wieder geben, wo du noch um gar manches fragen wirst. Doch nun ist es an der Zeit, daß wir zu etwas anderem übergehen. Wer von euch nun noch irgend etwas wissen möchte, der trete hervor und rede und frage; denn heute stehet euch allen die Pforte der Himmel weit geöffnet!“ Kapitel 18 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 18. — Die Pforte des Himmels und das Reich Gottes 1. Als Ich dieses ausgesprochen hatte, da trat schnell der gewonnenen Pharisäer einer hervor und sagte: „Herr und Meister, da Du nun ausgesprochen hast, daß uns allen die Pforte des Himmels weit offen steht, – könnte es denn nicht geschehen, daß wir nun alle die geöffnete Pforte des Himmels mit unseren Augen besehen könnten, um uns doch nur so einen kleinen Begriff von der inneren Gestalt des Himmels machen zu können, von dem man durch die geöffnete Pforte sicher einen kleinen Teil wird erschauen können?“ 2. Sagte Ich: „Wie lange werde Ich noch müssen um euch sein und wie lange euch in eurem materiellen Sinne ertragen?! Wer ist denn die Pforte ins wahre Himmelreich? Ich bin die Pforte, der Weg und der Himmel Selbst! Wer Mich hört, an Mich glaubt und den Vater in Mir über alles liebt, der wandelt durch die rechte Pforte alles Lebens und Seins den lichten Weg in das Reich der Himmel, das geistig geschaffen ist aus Meiner puren Liebe in der lichtesten und lebendigsten Form aus Meiner Weisheit. 3. Sehet weder hinauf noch hinab mit euren Fleischesaugen, wollt ihr die wahre Gestalt und das Wesen des Himmels, welcher ist das Reich Gottes, ergründen, sondern richtet die Augen eures Gemütes in euer innerstes Liebelebensbewußtsein, da werdet ihr den Himmel erschauen, und das überall, auf welchem Punkte Meiner Schöpfungen ihr euch auch immer befinden möget, ob auf dieser Erde oder auf einer andern, das wird stets gleich sein; denn die Gestalt des Himmels wird sich nach dem formen aus eurem Lebensgrunde, wie dieser nach Meinem Worte und durch eure guten Werke beschaffen sein wird. Erst durch solchen euren Himmel werdet ihr dann auch in Meinen ewigen und endlos großen Himmel gelangen. 4. Das merket euch alle wohl: Das Reich Gottes ist nirgends ein äußeres Schaugepränge und kommt auch nicht in einer äußeren Zeichnung und Form zu euch, sondern es ist inwendigst in euch und besteht im Geiste der reinen Liebe zu Gott und zum Nächsten und in der Wahrheit des Lebens der Seele daraus; denn wer keine Liebe weder zu Gott noch zum Nächsten in sich hat und gewahrt, der hat auch kein Leben in sich und keine Auferstehung, welche da ist der Himmel im Menschen, und sonach auch kein Leben im selben, sondern nur das Gericht und den alsogestaltig sicher ewigen Tod gegenüber dem allein wahren und vollkommenen Leben im Himmel. 5. Es leben gewisserart die Seelen der Bösen nach dem Tode auch fort; aber es ist das nur ein Scheinleben gleich dem aller Materie und gleich dem, das gewisse Tiere haben, die den ganzen langen Winter in irgendeiner Erdhöhle schlafen und vollkommen untätig sind. 6. So ihr das nun ein wenig tiefer betrachtet, so werdet ihr doch hoffentlich zu Mir nicht mehr sagen: Herr, zeige uns die Pforte des Himmels und so etwas Weniges vom Himmel selbst, oder zeige uns etwa auch die Hölle, auf daß wir, durch ihren Anblick gewarnt, uns desto leichter von allen Sünden enthalten! Wer also fragte, den müßte Ich einen Toren nennen; ein jeder Mensch hat entweder den Himmel oder im schlimmsten Falle auch die Hölle vollkommen in sich und kann alles in sich beschauen. 7. Aber wer die Hölle in sich birgt, der ist taub und blind in seinem Gemüte; nur dann und wann mahnt ihn sein Gewissen daran, ansonst er der Hölle in sich nicht gewahr werden könnte, – denn eine höllisch gewordene Seele ist schon so gut wie vollends im Tode durch das Gericht aller ihrer Materie. 8. Aber eine Seele, die durch ihre guten Werke nach Meinem Willen den Himmel in sich hat, die kann in sich auch am hellen Tage den Himmel wohl gewahren und von Zeit zu Zeit in nächtlichen hellen Traumgesichten in sich erschauen. Denn es sind darum dem Menschen Traumgesichte gegeben, damit er durch sie in einem Verkehr mit der Welt der Geister minderer oder höherer Art während seines diesirdischen Lebens verbleiben kann, je nachdem sie in sich mehr oder weniger des wahren Himmels durch ihre guten Werke nach dem Willen Gottes erbaut und eigentlich erschaffen hat. 9. Wandelt also nach Meinen Geboten, und ihr werdet leicht und bald in euch gewahren die Gestalt und die Wesenheit des Himmels! – Habt ihr das nun wohl auch verstanden?“ 10. Sagten die Juden, Römer, Ägypter und Indier: „Ja, Herr und Meister, und wir danken Dir herzinniglichst für solche Deine Belehrung an uns, die wir trotz all dem vielen und großen Lichte, das Du uns hattest zukommen lassen, noch immer stark blind und taub sind! Daher aber bitten wir Dich denn auch, daß Du Geduld habest mit unseren noch immer großen Schwächen; aber wir werden uns fürder schon also zusammennehmen, daß Dein heiliges uns gespendetes Licht in uns stets heller und heller soll zu leuchten beginnen.“ Kapitel 19 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 19. — Die Ohnmacht des Menschen 1. Sagte Ich: „Was ihr aber immer tut, das tuet stets in Meinem Namen; denn ohne Mich vermöget ihr nichts Wirksames zum Heile eurer Seelen zu tun! Und wenn ihr am Ende schon alles getan habt, was euch zur Erlangung des wahren, ewigen Lebens zu tun geboten und angeraten ist, da saget und bekennet in euch wie auch vor der Welt, daß ihr faule und unnütze Knechte gewesen seid! Denn nur Gott allein ist Alles in Allem und wirket auch in dem Menschen alles Gute. 2. Wo ein Mensch den erkannten Willen Gottes tut, da tut er nicht nach seinem eigenen Willen, sondern nach dem Willen Gottes; was aber der Wille Gottes tut im Menschen oder im schon reinen Engel, das ist dann sicher nicht ein Werk pur des Menschen oder eines Engels, sondern ein Werk dessen, wessen der Wille ist, nach dem ein Werk vollbracht ward. 3. Des Menschen Werk zu seinem Heile ist dabei nur das, daß er aus Liebe zu und aus wahrer Ehrfurcht vor Gott den erkannten Willen Gottes mit seinem freien Willen vollends zu seinem Willen gemacht hat und dann nach demselben handelt. Aber von da an wirkt nicht mehr des Menschen Wille, sondern der Wille Gottes alles Gute im Menschen, und so ist denn das Gute im Menschen auch nur ein Werk Gottes, was der rechte und wahre Mensch anzuerkennen hat in seiner rechten Demut. Schreibt sich aber ein Mensch ein gutes Werk als sein eigenes Verdienst zu, so zeigt er dadurch schon, daß er weder sich und noch weniger Gott je wahrhaft erkannt hat, und er ist darum noch ferne vom Reiche Gottes. 4. Darum gebet allzeit Gott in allem die Ehre, und handelt stets in Seinem Namen, so werdet ihr die Liebe Gottes in euch haben! Wer aber die Liebe Gottes in sich hat, der hat alles für Ewigkeiten in sich. 5. Daneben aber merket euch nun auch das: Wenn der Mensch wider den erkannten Willen Gottes Böses tut, so ist die Tat nicht ein Werk Gottes, sondern des Menschen völlig eigene Tat; denn da hat der Mensch seinen eigenen freien Willen nicht dem erkannten Willen Gottes untergeordnet, sondern demselben nur allzeit widerstrebt, und es kann von ihm füglich gesagt werden, daß seine bösen Taten völlig sein eigen sind. Aber eben darum hat der Mensch durch den großen Mißbrauch seines freien Willens sich selbst gerichtet und in seiner Blindheit sich dadurch unglücklich gemacht. 6. Sehet, es ist da mit diesen geistigen Dingen nahe also wie mit einem weisen Feldherrn und mit seinen ihm untergebenen Kriegern! Die Krieger müssen wohl zu vielen Tausenden in den heißen und blutigen Kampf; aber keiner von ihnen darf anders als nur nach dem Plan und Willen des Feldherrn kämpfen. Wer das tut, der führt auch einen glücklichen Kampf; wer von den vielen Kriegern aber etwa bei sich dächte: ,Ah, ich habe selbst Mut, Kraft und auch rechte Kenntnisse, und ich werde auf meine eigene Faust mich in den Kampf begeben und mir für mein Haupt eine Krone erkämpfen!‘ und träte aus der Kampfesplanlinie seines kriegserfahrenen Feldherrn, der wäre schon so gut wie verloren; denn er würde von den Feinden bald gefangen und arg zugerichtet werden. Und wer schuldet daran? Niemand als er selbst! Warum hat er den Willen seines weisen Feldherrn nicht für immer zu dem seinigen gemacht? Er hätte da ein leichtes gehabt, über die Feinde mitzusiegen. Da er für sich selbst einen Feldherrn und einen Krieger zugleich machen wollte, so ward er auch bald und leicht eine Beute der Feinde. 7. Ich aber bin auch, und das einzig und allein, ein Feldherr des Lebens gegen alles, was dem Leben ein Feind ist. Wer da unter Meinen Geboten und nach Meinen Plänen kämpft, der wird auch gegen die vielen Lebensfeinde leicht zu kämpfen haben und sie auch leicht besiegen; wer sich aber ohne Mich und nach seinem eigenen Verstande und Willen in den Kampf mit den vielen Feinden des Lebens einlassen wird, der wird gefangen und dann arg zugerichtet werden. Ist er aber einmal in der harten Gefangenschaft, wer wird ihn dann aus derselben erlösen, wo er seine ärgsten Lebensfeinde nur in sich selbst zu suchen und zu bekämpfen hat?! 8. So aber jemand an Meiner Seite leicht den Sieg über gar viele Feinde erkämpft, so ist dann der Sieg ja doch nur Mein Werk; denn er konnte den Sieg ja doch nicht anders als nur durch die genaue Befolgung Meines Willens, Planes und Rates erkämpfen. Ist der erkämpfte Sieg aber Mein Werk, so ist er auch Mein Ruhm und Mein Verdienst! 9. Ihr werdet nun hoffentlich zur Genüge einsehen, wie und warum ihr ohne Mich nichts Verdienstliches zum ewigen Heile eurer Seele wirken könnet, und warum ihr dann noch, so ihr alles getan habt, was euch weisest zu tun geboten war, frei vor Mir zu bekennen habt, daß ihr faule und unnütze Knechte an Meiner Seite waret. 10. Wenn ein Landmann seinen Acker bebaut, so düngt er ihn, ackert dann das Erdreich mit dem Pfluge auf, streut das Weizenkorn in die Furchen und eggt es darauf ein, und er hat dann bis zur Ernte nichts mehr zu tun. Ist darauf die Ernte des Landmanns pures Verdienst und Werk, oder ist sie nicht vielmehr in allem Mein Werk und Verdienst? Wer schuf ihm das kräftige Ochsenpaar für seinen Pflug? Wer gab ihm Holz und Eisen, wer das Samenkorn mit dem lebendigen Keime? Wer legte in diesen schon zahllos viele neue Keime und Körner? Wessen war das alles erwärmende und alles belebende Licht der Sonne? Wer sandte den fruchtbaren Tau und Regen? Wer gab den wachsenden und reifenden Halmen das Gedeihen und wer am Ende dem Landmanne selbst das Leben, die Kraft, die Sinne, die Vernunft und den Verstand? 11. Wenn ihr nun dieses Bild so ein wenig tiefer überdenket, so wird es euch doch klar werden, wie höchst wenig als Werk und Verdienst bei der Bestellung des Ackers auf den Landmann entfällt? Ganz bei klarem Lichte betrachtet wohl beinahe gar nichts, – und doch mag dieser sagen: ,Sehet, das habe ich alles meinem Fleiße zu verdanken!‘ Aber daran denkt er kaum, wer der alleinige Hauptbearbeiter des Weizenackers war! Sollte er nicht vielmehr in seinem Herzen sagen und bekennen: ,Herr, Du großer, guter und heiliger Vater im Himmel, ich danke Dir für solche Deine Sorge! Denn alles das war, ist und wird sein allzeit nur Dein Werk; ich war dabei ein fauler und völlig unnützer Knecht!‘? 12. Wenn sich aber das schon bei einer materiellen Arbeit wohl geziemte, – um wieviel mehr geziemt sich das dann erst zu sagen und zu bekennen von seiten eines Menschen, dem Ich seinen geistigen Lebensacker mit allem und jedem bearbeiten helfe, wobei er schon eigentlich nichts anderes zu tun hat, als an Mich zu glauben und dann Meinen göttlichen Willen als ein purstes Geschenk aus Mir sich also anzueignen, als wäre er so ganz sein, obwohl er im Grunde des Grundes dennoch pur Mein ist! Wenn solch ein Mensch mit dem Vollbesitze Meines Willens dann alles vermag und große Dinge und Werke verrichten kann, wessen ist dann das Hauptverdienst?“ Kapitel 20 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 20. — Über die Gesetze des Herrn 1. Hier sagten wieder alle: „Herr und Meister! Alles, alles ist von Ewigkeit her nur Dein alleiniges Werk und Dein alleiniges Verdienst! Wir Menschen sind ja allzeit in allem gar nichts gegen Dich! Nur Deine Liebe und Gnade hat uns das Dasein gegeben und will uns nun gar noch zu ihren ihr ähnlichen Kindern erheben, und so sind wir ja selbst in allem Dein Werk, und unsere Vortrefflichkeit ist Dein alleiniges Verdienst! Verlasse, o Herr und Meister, nur Du uns nie und niemals; denn ohne Dich sind wir vollends nichts! Was wüßten wir nun aus uns von allen den geistigen Dingen, von Dir und Deinem allmächtigen Willen? Und so wie wir nun Dir allein alles zu verdanken haben, so auch werden unsere späten Nachkommen auch nur Dir alles zu verdanken haben, so sie sich möglicherweise auch noch in unserer Einsicht und in unserm reinen Glauben befinden werden. Aber Du, o Herr und Meister, wirst wohl dafür sorgen, daß sie nicht zu ferne von dem Lichte kommen werden, das uns nun gar so helle leuchtet!“ 2. Sagte Ich: „Das wird so wie bis jetzt den Bearbeitern Meiner Äcker und Weinberge auch für die Folge überlassen werden; und da wird es wohl sehr darauf ankommen, wie von ihnen Mein nun wohl erkannter Wille gehandhabt wird, ob recht oder möglicherweise auch verkehrt. Habt darum wohl acht darauf, daß nach Meinem leiblichen Scheiden von euch nicht Zänkereien und Streitigkeiten vorkommen; denn diese würden dann vollwahr die Mutter des Gegenchristen auf dieser Erde werden! Ich sage euch dieses nun zum voraus, auf daß ihr das verhütet. Zwar werdet ihr es wohl verhüten, – ob aber eure Nachjünger das auch also tun werden, das ist darum nun eine noch andere Frage, weil denn auch ihr freier Wille so gut wie der eurige geachtet werden muß. 3. Meine Lehre gibt euch die höchste Freiheit und kann darum nicht mit dem Schwerte und mit den Ketten der finsteren Sklaverei verkündet werden; denn was dem Menschen die höchste Lebensfreiheit verschaffen kann und wird, das muß er auch in seiner vollen Freiheit anerkennen und annehmen. Wie Ich aber alles das euch umsonst gegeben habe, also sollet ihr es denen, die es von euch haben möchten, auch wieder umsonst geben! 4. Also habe Ich auch niemandem von euch einen Zwang angetan, sondern in der vollsten Freiheit habe Ich euch nur zugerufen: Wer da will, der komme, höre, sehe und folge Mir nach! Und ihr tatet das aus eurem freien Willen heraus. Und also tuet auch fürder in Meinem Namen, und ihr werdet guten Weges zu wandeln haben! 5. Wer aber daraus ein Muß machen wird, der wird Mein Jünger nicht sein, und auf seinem Wege wird er Felsen, Klippen und Dornen finden. Nehmet euch alle an Mir ein rechtes und wahres Beispiel! Was kostete es Mich denn, nun in einem Augenblick alle Menschen auf der ganzen Erde durch Meine Allmacht geradeso zur Annahme Meiner Lehre und zur vollsten Befolgung Meines Willens zu zwingen, als wie es Mir möglich ist, in einem Augenblick aller anderen Kreatur den Weg mit Muß vorzuzeichnen, den sie streng nach Meinem Willen zu gehen hat? Aber welche als selbständig sich selbst wahrhaft beglückende, sittliche Lebensfreiheit hat sie wohl dabei? Ich sage es euch: gar keine! 6. Denn eine stumpfe und höchst beschränkte Intelligenz mit einem Fünklein Meines Mußwillens, nach dem sie tätig sein muß, ist doch sicher ein ganz anderes Ding als eine nach allen möglichen Richtungen hin unbeschränkteste Innewerdung, verbunden mit einer lichtvollen Vernunft, hellem Verstande und dazu mit dem allerunumschränktest freien Willen, dem Ich nie durch ein ,Du mußt!‘, sondern allzeit nur mit dem freien ,Du sollst!‘ Meine Gebote und Meinen väterlichen Rat gab! Denn alle die Gebote, die Ich den Menschen gab, waren eigentlich niemals Gesetze, sondern nur Ratschläge, die Meine ewige Liebe und Weisheit den freien Menschen erteilte. Aus diesen Meinen den Menschen erteilten Ratschlägen haben dann erst die Menschen in der Meinung, Mir dadurch eine desto größere Ehre zu erweisen, strengst zu haltende Gesetze gemacht, deren Nichthaltung sie mit zeitlichen und ewigen Strafen sanktionierten. 7. Moses selbst tat viele dazu, um den Juden eine desto größere Achtung vor dem geoffenbarten Willen Gottes zu verschaffen, und andere taten dasselbe. Und die gegenwärtigen Pharisäer haben den höchsten Kulminationspunkt nicht nur der Dummheit, sondern auch der notwendig daraus hervorgehenden Bosheit erreicht. Daß die Sache des Judentums nun auf so unbeschreibbar schlechten Füßen steht, ist eine notwendige Folge davon, daß die Menschen aus Meinen freiest gegebenen Ratschlägen Mußgesetze gemacht haben. Wie verträgt sich aber ein Mußgesetz mit dem freiesten Willen und mit dem ebenso freien und durch nichts beschränkten Verstande der Menschen? 8. Der freie Wille des Menschen wird eine helle Erleuchtung seines Verstandes sicher gern und stets mit dem größten Dank als eine Gnade von oben annehmen; aber ein strenges Mußgesetz wird er in seinem Willen und Gemüte verfluchen. Darum ist ein jeder Mensch, der unter einem Gesetze mit Muß steht, so gut wie gleichfort gerichtet und somit auch wie verflucht. 9. Wer sonach den Menschen Mußgesetze in Meinem Namen geben wird, der wird ihnen anstatt Meines Segens nur das harte Joch und die schwere Bürde des Fluches geben und sie zu neuen Sklaven der Sünde und des Gerichts machen. 10. Darum gehe eure Sorge bei der Weiterverbreitung Meiner Gebote vor allem darauf hin, daß ihr ihnen damit kein neues und schwer zu tragendes Joch auf den Nacken bürdet, sondern daß ihr sie dadurch von dem alten frei machet! 11. Wenn der Mensch mit freiem Gemüte die lichte Wahrheit Meiner Lehre und Meines besten väterlichen Willens erkennen und einsehen wird, so wird er sich dann schon selbst mit seinem freien Willen ein auch freies Mußgesetz daraus machen und wird frei danach handeln, und das auch allein nur wird ihm zur wahren Wohlfahrt der Seele gereichen, aber ein ihm gegebenes Mußgesetz schwerlich je oder auch gar niemals, und das darum, weil erstens ein Mußgesetz für den freien Willen eines Menschen ganz wider Meine göttliche Ordnung ist und den Menschen nur verfinstert und nie erleuchtet, und zweitens, weil mit dem Mußgesetz sich die Gesetzverkünder sogleich eine höhere, nur ihnen zukommende Gewalt anmaßen, darum bald stolz, hochmütig und herrschsüchtig werden und zu den als rein göttlich pronunzierten (ausgesprochenen) Satzungen auch aus einer angemaßten göttlichen Gewaltsinnehabung, vor der ihre Gläubigen oft mehr als vor Gott Selbst zittern und beben müssen, eigene arge Satzungen als göttlichen und ihnen neu geoffenbarten Willen hinzufügen und auf deren Beachtung stets ein viel größeres Gewicht legen als auf die Beachtung der rein göttlichen Gebote. 12. Daraus aber geht dann hervor finsterer Aberglaube, Abgötterei, Haß gegen Andersgläubige, Verfolgung, Mord und die verheerendsten Kriege. Die Menschen begründen sich dabei mit allerlei finsterem Unsinn, daß sie am Ende der Meinung und des Glaubens werden, Gott einen angenehmen Dienst zu erweisen, wenn sie an ihren andersgläubigen Nebenmenschen die größten Frevel und Missetaten begehen. Und daran schulden allein die Mußgesetzgeber! 13. Darum aber werden sie auch jenseits in der Hölle, deren eifrige Diener sie hier waren, sicher die ersten Plätze unter den allerunerbittlichsten Mußgesetzen einnehmen; denn in Meinen Himmeln herrscht nur die höchste Freiheit, aber dadurch auch die höchste Eintracht, durch die reine Liebe und größte Weisheit bewerkstelligt. 14. Ich habe euch das nun treu und offen dargestellt und lichtvoll erklärt, und ihr wisset nun denn auch frei ohne einen geringsten inneren Zwang, was ihr als Ausbreiter Meines Evangeliums zu beachten habt. Aber so da jemand von euch oder euren Jüngern anders wird handeln wollen, so wird er wohl gewarnt, aber es wird ihm von Mir darum kein innerer Zwang aufgebürdet werden. Doch an den faulen und schlechten Früchten werden es die besseren Menschen wohl bald merken, wessen Geistes Kind so ein Nachjünger ist. 15. Da Ich euch aber nun solches kundtue, sollet ihr aber dennoch nicht des Glaubens sein, als höbe Ich damit das durch Moses gegebene Gesetz auf; denn es ist ja ganz dasselbe, das Ich euch in seiner ursprünglichen Reinheit wiedergebe. Nur das alte verrostete ,Muß‘ hebe Ich auf und gebe euch die alte volle Freiheit wieder; und darin besteht eben hauptsächlich das Werk der Erlösung eurer Seelen aus dem harten Joche des Gerichts und des eigentlichen Satans, des euch schon bekannten Fürsten der Nacht und der Finsternis, daß ihr von nun an unter keinem Mußgesetz in Meinem Namen mehr stehen sollet. 16. Wie aber Ich nun euch allen die volle Freiheit aus Mir Selbst wiedergebe, so tut ihr in Meinem Namen auch euren Brüdern dasselbe! Taufet sie im Namen Meiner ewigen Liebe, welche da ist der Vater, des Wortes, das da ist des Vaters fleischgewordener Sohn, und dessen Geistes aller Wahrheit, und löschet in ihnen dadurch das alte Erbübel aus, das da ist das euch nun wohlbekannte und verdammliche Muß des Gesetzes! – Und nun frage Ich euch, ob ihr alle das verstanden habt.“ Kapitel 21 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 21. — Agrikola bittet um Richtlinien zur Jugenderziehung 1. Es bejahen das wohl alle; aber Agrikola tritt zu Mir hin und sagt: „O Herr und Meister, ich selbst begreife und erkenne nun tief die reinste, göttliche Wahrheit dieses Deines lichtvollsten Ausspruches und sehe es nun auch ein, daß eben das ewig zu verwünschende Muß des Gesetzes, ein Werk der menschlichen Blindheit, den Menschen notwendig alles höheren Lichtes berauben muß, weil es ihm alle jene Quellen verstopft, durch die das rein geistige Licht aus den Himmeln in ihn einfließen könnte und eben dadurch auch seine Seele mit der eisernsten Gewalt in die finstere Materie zieht und erdrückt. Aber dies größte Übel ist in unserer Zeit zu einer solchen Macht und Größe herangewachsen, daß es schwerlich je völlig vom materiellen Boden der Erde zu verbannen sein wird. 2. Nehmen wir nur unseren römischen Gesetzeskram an, zu dessen strenger Aufrechthaltung mindestens 800000 blindeste und roheste Krieger und eine nicht minder große Zahl der allerfinstersten Heidenpriester mit ihren Plenipotenzen [unumgeschränkten Vollmachten] als treue Wachen dastehen. Diesen seelenmörderischen Damm zu durchbrechen und zu vernichten, ist menschlichen Kräften auch beim besten Willen und der größten und allerenergischsten Klugheit so gut wie völlig unmöglich. 3. Ich rede hier nur von unserem Staate, in dem bekanntlich noch bis jetzt die meiste Zivilisation anzutreffen ist, und will von anderen Reichen der Erde nicht reden, in denen die Menschheit sich von den wilden Tieren der Erde um nicht vieles unterscheidet. Aber wenn ich schon bei uns Römern auf Schwierigkeiten stoße, die vorderhand sicher unüberwindbar sind, – wie wird sich dann diese Sache erst bei den ganz wilden Völkern dieser Erde machen? 4. Ja, einzelne, wie ich und sicher noch mehrere es sind, werden alles das mit größter Freude annehmen; aber wie sich in diesem reinen Geisteslichte werden Gesellschaften und Gemeinden zu bilden anfangen, so werden sich die Priester hinter den Kaiser stecken und ihn so lange torquieren (plagen), bis er selbst gegen solche Gemeinden das Schwert wird ziehen müssen. Da wird das alte Mußgesetz dann erst recht mit ehernen Klammern und Ketten um die armen Völker geschlungen werden. Wehe darauf dem, der es dann noch wagen wird, irgendwo diese Deine Lehre unter den Menschen auszubreiten! 5. Und nun muß ich zu dem noch eines Punktes Erwähnung tun, der mir auch von großer Wichtigkeit zu sein scheint, und das ist die Erziehung der Jugend von der Wiege an. Viele tausendmal tausend Kinder sind schon entweder durch die wahre Affenliebe der Eltern zu ihren Kindern oder oft auch durch ihre tyrannische Strenge und sonstige Blindheit total verzogen. Dazu kommen dann noch – sage – für den sogenannten besseren Teil der Menschen in den Städten die Schulen, die alle unter dem Zepter der Priester stehen, in denen die Kinder wohl lesen, schreiben und rechnen lernen, aber von etwas rein Geistigem nie etwas anderes vernehmen als allerlei Dinge des finsteren Aberglaubens. 6. Frage: Wie wird man da zu wirken haben, um erstens den Eltern der Kinder zu zeigen und begreiflich zu machen, wie sie von Hause aus ihre Kinder erziehen sollen? Und sollte es möglich sein, daß man in diesem ersten zu einem günstigeren Resultate gelangt ist, – wie soll man dann zu wirken anfangen, um den öffentlichen Volksschulen jene Einrichtung zu verschaffen, aus der für die Menschen ein wahres Seelenheil nach Deiner Lehre erwachsen soll? Herr und Meister, so unbeschreibbar gut und wahr Deine Ratschläge an und für sich schon sind und noch mehr durch ihre lebendige und möglich allgemeine Praxis wären, so nahezu unmöglich erscheint die Bekehrung der Menschen im nur einigermaßen allgemeinen dazu auf einem ganz natürlichen Wege. Da wird Deine Allmacht denn doch so in recht dicken und großen Portionen ziemlich augenscheinlich mitwirken müssen, ansonst mit der Menschheit, wie sie jetzt beschaffen ist, bis ans Ende der Zeiten nicht viel auszurichten sein wird. 7. Ich bin wohl kein Prophet, aber ich habe als nun schon ein ziemlich alter Staatsmann gar viele Erfahrungen gemacht, kenne die Staatsmaschine und kenne die Völker und kann somit auch ein sicheres Prognostikon (Voraussage) stellen, wie diese Sache auf dem natürlich-menschlichen Mitteilungswege aufgenommen und welche Wirkung es machen wird. 8. Darum zeige Du uns neben der höchst rein göttlich wahren Lehre, von der ich nun für mich und in der Folge auch sicher für mein ganzes Haus erfüllt bin, auch die sicheren Wege und Mittel, wie wir schwachen Menschen sie unseren gar vielen Mitmenschen wirkungsvoll werden mitteilen können! Denn sonst werden die Menschen mit seltenen Ausnahmen bis ans Ende der Zeiten dieser Erde das verbleiben, was sie nun sind: nichts als mit einiger Vernunft und etwas materiellem Verstande, gepaart mit einem sinnlich freien und bösen Willen, begabte Tiere.“ Kapitel 22 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 22. — Die Ordnung der geistigen Entwicklung 1. Sagte Ich: „Du hast nun als ein ehrlicher Staatsmann recht weise gesprochen, und es verhalten sich die Dinge auch also, wie du sie Mir recht hell und ohne irgendeinen Vorhalt dargestellt hast; und Ich sage es dir, daß wir sie nun in diesem Momente auch nicht ändern wollen, wenn wir das auch sicherlich wohl imstande wären. 2. Denn wie selbst der irdische Tag nicht auf einmal anbricht, sondern vom ersten, kaum merkbaren Grauen bis zum vollen Sonnenaufgange nur durch gar viele Lichtzunahmestufen nach und nach, ebenso geht es auch mit dem werdenden geistigen Tage bei den Menschen auf dieser Erde. Denn ließe Ich den vollen geistigen Tag allen Menschen auf einmal plötzlich werden, so würden die Menschen, solange sie ihren schweren Leib noch zu tragen haben, dann träge und würden sich nicht mehr viel mit dem Suchen und Forschen abgeben. Sie würden wohl die Gebote halten und handeln nach der in ihnen helleuchtenden Wahrheit, aber das sicher mehr auf eine mechanische, als auf eine vollends lebendige Art; und so ist es sicher besser, daß die Menschen erst so von Stufe zu Stufe durch ihr eigenes Suchen, Forschen und Handeln den geistigen Tag in sich entstehend gewahren und, dabei eine große Freude habend, auch ihre noch in der eigenen Nacht wandelnden Brüder belehren und sie auch zum Suchen des eigenen inneren Geistestages anregen und aneifern, als daß ein jeder Mensch ohne eigenes Tun und Handeln gleich in alle Fülle des inneren Geistestages durch Meine Allmacht versetzt würde. 3. Es werden besonders in dieser gar finsteren Zeit Meine diese Lehre ausbreitenden Jünger auch mit all dem ausgestattet sein, was nun allein in Meiner Macht steht, und werden in Meinem Namen große Zeichen zu wirken imstande sein, wo und wann selbige zum wahren Wohle der Menschen nötig sein werden; aber es wird dennoch das stets einen um gar vieles größeren Wert haben, wo die Bekehrungen zum Glauben an Mich und Handeln nach Meiner Lehre geschehen werden. 4. Denn durch das reine Wort erleidet die Seele keinen Zwang, sondern bleibt völlig frei im Erkennen und Handeln, während vor der Lehre gewirkte Zeichen der Seele offenbar einen Glaubenszwang auferlegen und dann eben um nichts besser sind als das Muß des Gesetzes. 5. Was aber eure äußeren Staatsgesetze betrifft, so sollen sie bestehen fürs Fleisch der Menschen; denn solange der Mensch nicht vollends im Geiste wiedergeboren ist, sind ihm äußere Staatsgesetze notwendig, weil sie ihn in der Demut und Geduld üben, die zur Erreichung der vollen Wiedergeburt höchst notwendig sind, andernteils aber den gar finsteren und bösen Menschen abhalten, seinen Nebenmenschen Böses in zu großem Maße zuzufügen, indem sie mit scharfgezogenen Linien jedem das Seinige zuweisen und den mutwillig dawider Handelnden züchtigen. 6. Ich sage euch darum auch, daß ihr der weltlichen Macht untertan bleibet, ob sie euch minder gut oder auch gar böse dünkte; denn ihre Gewalt ist ihr von oben verliehen. Wer aber einmal im Geiste wiedergeboren ist, den wird so wenig wie Mich Selbst ein weltliches Gesetz mehr beirren. 7. Die Kinder aber sollen mit wahrer und ernster Liebe behandelt und erzogen werden. Jede Verzärtelung und Nachgiebigkeit von seiten der Eltern ist ein großer Seelenschaden für die Kinder, der den Eltern als Schuld gerechnet werden wird. 8. Weise Eltern werden auch mit weisen Kindern gesegnet werden. 9. Bei der Erziehung der Kinder aber ist ein Muß so lange nötig, bis das Gute der Gesetze zu einem freiwilligen und freudigen Gehorsam geworden ist. Ist der Fall eingetreten, so hat das Kind des Gesetzes Muß in sich selbst aufgehoben und ist zum freien Menschen geworden. 10. Tuet demnach das, was ihr nun gehört habt, so wird alles gut und recht werden! – Wer noch etwas hat, der frage, und Ich werde ihm Licht geben, damit er wandle und handle am hellen Tage!“ Kapitel 23 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 23. — Die Wege zur Beseitigung des heidnischen Priestertums 1. Hier trat der zu Emmaus wohnende Römer Agrippa mit seinem Gefährten Laius zu Mir und sagte: „Herr und Meister! Du hast uns nun wahrlich übergroße und herrliche Dinge kundgetan, und uns sind dabei wie schwere Steine von unserer Brust hinweggetan worden; aber etwas, das unser Freund Agrikola auch als eine große Gegensache bei der Ausbreitung Deiner Lehre dargestellt hat, hast Du nun doch noch nicht besonders berührt, und das ist die schwer mögliche Besiegung des über alle Maßen hartnäckigen heidnischen Priestertums. 2. Es geht schon hier mit den Judenpriestern, die doch einen Begriff von dem einen, wahren Gott haben, schwer; um wie vieles schwerer wird sich das dann erst bei den materiellst verknöcherten Heidenpriestern machen, die von einem wahren Gott gar keine Ahnung haben und ihre Götter, die sie vor dem Volke anbeten, und denen das Volk opfern muß, aus der oft gröbsten Materie, wie Stein, Erz und Holz, bei den Bildnern anfertigen lassen. Da wäre es demnach wohl auch gut, so Du uns darüber etwas sagen würdest.“ 3. Sagte Ich: „Auch darum sollet ihr euch keine leere und eitle Sorge machen! Denn fürs erste sage Ich euch, daß ihr eher hundert heidnische Priester für Meine Lehre gewinnen werdet denn einen Pharisäer, denn es haben die heidnischen Priester durch die griechischen und auch nach ihnen gebildeten römischen Weltweisen ungeheuer viel an ihrem alten Ansehen verloren; und zweitens ist durch die vielen umherziehenden Magier, die von allen Orten der Erde nach Rom kamen, auch ihr Wunderwirken in einen großen Mißkredit beim Volke gekommen. Es macht des gewissen Anstandes und Ansehens wegen wohl noch so manches mit und schaut des Zeitvertreibes wegen die Spektakel an; aber es hat keinen besonderen Glauben mehr daran. Und es wird sonach auch geschehen, daß im Volke bald gar kein heidnischer Priester mehr bestehen, während das Pharisäertum der Juden sich noch gar lange fort erhalten wird. Und was aber noch ärger als das alte Pharisäertum sein wird, das wird leider darin bestehen, daß sich unter Meinem Namen ein neues Pharisäertum bilden wird, das viel ärger denn das gegenwärtige sein wird! 4. Als Ich euch die zwei Kapitel des Propheten Jesajas erklärt habe, da habe Ich euch auch das neue Pharisäertum gezeigt und brauche es euch nun nicht noch einmal zu zeigen und zu enthüllen. 5. Was aber nun die heidnischen Priester betrifft, so fängt sie ihre eigene Finsternis bereits schon selbst sehr zu drücken an, und es sehnen sich viele nach einem möglich besseren und wahren Lichte. Viele ziehen darum von Zeit zu Zeit nach Ägypten, um dort von irgendeinem Weisen über die Bestimmung des Menschen ein höheres Licht zu bekommen, und es steht darum im geheimen mit dem heidnischen Priestertum eben nicht so sehr schlecht, wie ihr es euch vorstellt, und Ich habe darum dieses Umstandes wegen keine besondere Erwähnung tun wollen; weil ihr euch aber darunter eine gar so unübersteigbare Klippe vorgestellt habt, so war es denn auch nötig, euch eines Bessern zu belehren. 6. Ich sage euch allen nur ganz besonders das und lege es euch lebendig ans Herz, daß ihr aus Meiner Lehre ja unter gar keiner Bedingung ein Mußgesetz für die Menschen machet, damit sie doch wenigstens unter wenigen in ihrer freien Reinheit verbleibe bis ans Ende der Zeiten dieser Erde und Ich darum auch im Geiste stets gleichwirkend unter euch. 7. Es werden mit der Zeit wohl sicher eine Menge halb- und ganz falscher Propheten in Meinem Namen vorgeblich aufstehen, und es werden die einen dies und die andern jenes behaupten; die Sehenden in der reinen Lehre werden ihnen aber sicher in aller Sanftmut und Geduld entgegenarbeiten und am Ende den Sieg auf ihrer Seite haben. 8. Aber es wird der ganz Reinen Zahl gegen die der Unreinen stets nur eine geringe sein; und sehet, das kann Ich nicht verhüten – außer Ich mache alle freien Menschen durch Mein Machtwort zu Tiermaschinen –, und ihr werdet das im allgemeinen um so weniger imstande sein! 9. Hätte Ich aber das bei den Menschen durch Meinen allmächtigen Willen verhüten wollen, so hätte Ich wahrlich nicht nötig gehabt, je ins Fleisch dieser Erde zu treten; denn alle andere Kreatur hätte Ich auch ewig fort von Meinen Himmeln aus pur durch Meinen allmächtigen Willen lenken und regieren können, wie Ich das auch jetzt tue und ihr darum an aller Kreatur sicher keine noch so geringe Veränderung zu merken vermöget. Denn der Steine, der Pflanzen und der Tiere wegen bin Ich wahrlich nicht als nun Selbst ein leibhaftiger Mensch auf diese Erde gekommen, sondern nur des in seinem Willen und Erkennen völlig freien Menschen wegen! Und da kann Ich Selbst ihm kein göttliches Muß, sondern nur die vollste göttliche Freiheit als ein wahres Evangelium aus den Himmeln geben und danach den Menschen frei wählen und handeln lassen. 10. Daß aber auch dafür gesorgt ist, daß nach Meiner Ordnung die Nichtbeachtung Meiner Lehre auch stets die alten bösen Folgen nach sich ziehen wird, dessen könnet ihr völlig versichert sein, und das ist genug zur Bändigung jener Menschen, die von Meiner reinen Lehre eine gute Kunde erhielten, sich aber dann doch wieder zur Welt kehrten. 11. Zu einer gewissen Zeit aber werde Ich, wenn die Trübsal zu groß wird, die Erde vom alten Unflate schon zu reinigen verstehen! Solches aber habe Ich euch schon gezeigt, was da sind die bösen Folgen der Sünde leiblich und moralisch für die Seele; der Körper wird verfallen in allerlei böse Krankheiten, und die Seele in allerlei Zweifel durch den Unglauben oder falschen Glauben und in aus diesem hervorgehende dumme und böse Handlungen. 12. An allem dem aber wird der, der im reinen Lichte des Lebens steht, bald und leicht erkennen, in welchem Geisteslichte die physisch und moralisch geplagten Menschen sich befinden. Wo ihr solche sehen werdet, da gehet hin und saget zu ihnen: ,Der Friede sei mit euch! Ihr wandelt auf Irrwegen, und wir sind zu euch gekommen, vom Geiste des Herrn geführt, um euch zu verkünden das wahre Evangelium, die Wege zum Lichte des Lebens, welches ist das wahre Heil der Seele in Gott!‘ 13. So man euch dann aufnehmen wird, so bleibet, lehret sie erkennen die Wahrheit und handeln nach ihren leicht zu fassenden Grundsätzen! Haben sie diese freudig angenommen und haben auch alsbald danach zu handeln bereitwillig angefangen, so betet über sie, leget den Kranken die Hände auf, damit sie geheilt werden von ihren Übeln, und taufet sie dann auf die Weise wahrhaft, wie Ich sie euch zuvor gezeigt habe, und ihr werdet dadurch nach Meinem Willen ein Mir wohlgefälliges Werk ausgerichtet haben, und euer Lohn im Himmel wird dadurch um vieles vergrößert werden. 14. Wo und wann ihr irgendeine solche Gemeinde bekehrt, sie geheilt und in Meinem Namen gefestet habt, so stellet dann aus ihrer Mitte den kundigsten und getreuesten Mitbürger zu einem freundlichen Hüter und Aufseher über die Gemeinde. Erteilet ihm besonders die Gaben des Heiligen Geistes, auf daß er ein wahrer Wohltäter der ihm anvertrauten Gemeinde werden und sein kann. Aber bindet ihn auch nicht mit einem Mußgesetz, was auch er gegen die Glieder der Gemeinde zu beachten haben soll, mit Ausnahme der Kinder, wie Ich euch dafür schon eine Weisung gegeben habe. 15. Aber obwohl ein solcher Hüter von euch bestellt wird in Meinem Namen, so soll er aber dennoch darum keinen irdischen Rang haben, sondern er soll sein gleich euch ein demütigster und wie ein geringster Diener der ihm anvertrauten Brüder und Schwestern und soll sich von ihnen nicht ehren oder von ihnen für seine ihnen geleisteten Dienste gar belohnen lassen; denn was er umsonst erhalten hat, das soll er umsonst wieder geben in aller Liebe zu seinen irgend schwächer begabten Brüdern und Schwestern. 16. Was ihm aber die freie Liebe seiner Gemeinde bieten wird, das soll er auch annehmen gleich also, wie Ich solches auch euch gestattet habe; denn wer einem von Mir Gesandten etwas Gutes tun wird, der wird auch den Lohn eines Gesandten ernten. Und somit wisset ihr nun alles, was euch vor allem zu wissen nötig war; vieles andere werdet ihr zur rechten Zeit überkommen.“ Kapitel 24 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 24. — Die Dreieinigkeit in Gott und Mensch 1. Hier trat ein Pharisäer zu Mir und sagte: „Herr und Meister! Du hast in Deiner Rede zu uns gesagt, daß Deine Jünger, die Deine wahre Lebenslehre ausbreiten werden, jene, die vollends Deine Lehre tatsächlich angenommen haben, durch die Auflegung ihrer Hände taufen, das heißt stärken sollen im Namen des Vaters, welcher die Liebe ist, im Namen des Wortes, das da ist der Sohn oder die Weisheit des Vaters, und im Namen des Heiligen Geistes, welcher da ist der alles vermögende Wille des Vaters und des Sohnes. 2. Ich aber denke mir da: Wenn Deine Jünger alle die gläubig Gewordenen nur in Deinem Namen oder allein im Namen des Vaters tauften, so würde das für viele leicht daraus hervorgehende Streitfragen ein Hinderungsmittel sein; denn mit den drei wennschon allerhöchsten und hochheiligsten Begriffsnamen können in der Folge die begriffsschwächeren Menschen ganz leicht auf den Glauben von drei besonderen Göttern als drei göttlichen Persönlichkeiten gebracht werden, gleichwie der uralte reine Glaube an nur einen, wahren Gott mit der Zeit bei den alten Ägyptern sich aus den vielen Eigenschaften Jehovas eine zahllose Menge von Göttern schuf, die dann die blinde Phantasie der Menschen in allerlei für sich bestehende und besonders wirkende göttliche Wesen umwandelte, ihnen Tempel erbaute und sie dann auch besonders verehrte, aber dabei auch in den krassesten Materialismus derart versank, daß sie den also sich vorstellenden göttlichen Persönlichkeiten oft die gemeinsten menschlichen Schwachheiten und lasterhaften Leidenschaften zuschrieb. 3. Das könnte mit der Zeit, als etwa nach mehreren Jahrhunderten, auch wieder der Fall werden, daß die mehr dummen und blinden Menschen bloß infolge der bei der Taufe vernommenen allerhöchsten Begriffsnamen anfingen, sich drei Götter vorzustellen, und es würde dann auch sicher das nicht auf sich warten lassen, daß man die drei sich also vorgestellten Götter auch besonders zu verehren anfinge in ihren eigens erbauten Tempeln. Geschieht aber das, so wird es dann auch nicht lange währen, daß die Menschen auch Deine ihnen dem Namen nach bekannt gewordenen Jünger und auch ihre Nachfolger Dir gleich zu verehren und in ihnen erbauten Tempeln anzubeten anfangen werden. Dem wäre nach meiner Meinung dadurch am leichtesten und dauerndsten vorgebeugt, wenn man Gott den Menschen nur unter einem Begriffsnamen bekannt machte. – Was sagst Du dazu?“ 4. Sagte Ich: „Da hast du ganz wohl und recht gesprochen; aber Ich kann da dennoch nicht umhin, euch allen ans Herz zu legen, das zu tun; denn unter den drei Begriffsnamen ist das Wesen Gottes wie ganz erklärt den Menschen vollständig dargestellt. 5. Es ist wahr, daß dabei gewisserart für einen schwachbegriffsfähigen Menschen eine Art göttlicher Dreipersönlichkeit zum Vorschein kommt; aber man kann das, um der tiefsten und innersten Wahrheit in allem völlig getreu zu bleiben, ja doch nicht anders geben, als wie es eben ist. 6. Siehe, der Mensch ist ganz nach dem Ebenmaße Gottes erschaffen, und wer sich selbst vollkommen kennen will, der muß wissen und in sich erkennen, daß er als ein und derselbe Mensch eigentlich auch aus drei Persönlichkeiten besteht! Du hast einmal einen Leib, versehen mit allen notwendigen Sinnen und anderen für ein freies und selbständiges Leben nötigen Gliedern und Bestandteilen vom größten bis zum kaum denkbar kleinsten. Dieser Leib hat zum Bedarf der Ausbildung der geistigen Seele in ihm ein ganz eigenes Naturleben, das sich von dem geistigen Seelenleben in allem streng unterscheidet. Der Leib lebt von der materiellen Nahrung, aus der das Blut und die andern Nährsäfte für die verschiedenen Bestandteile desselben gebildet werden. 7. Das Herz hat in sich einen eigens belebten und derartigen Mechanismus, daß es sich in einem fort ausdehnen und darauf wieder zusammenziehen muß und dadurch das den Leib belebende Blut mit den andern aus demselben entstehenden Säften in alle seine Teile treibt und durch das Sichzusammenziehen auch wieder in sich zurück aufnimmt, um es mit neuen Nährteilen zu sättigen und dann wieder zur Ernährung der verschiedenartigsten Leibesbestandteile von neuem hinauszutreiben, in welchen zahllos vielen und allerverschiedenartigsten Bestandteilen auch ebenso viele und verschiedene Naturgeister wohnen, die die ihnen zusagenden und zur Ernährung und Erhaltung eben der von einem solchen Geiste beherrschten Teile notwendigen Nähr- und Erhaltungsstoffe aus dem Blute nehmen und sie dann eben den von ihnen, das heißt den von eigenen Geistern beherrschten Teilen assimilieren und so den ganzen Leib kräftigen und stärken, ohne welche fortwährende eigene Tätigkeit des Herzens der Mensch keine Stunde lang dem Leibe nach leben würde. 8. Siehe, mit dieser Lebenstätigkeit hat die Seele gar nichts zu tun; denn sie liegt mit dem freien Willen der Seele in gar keiner Verbindung und ebenso auch die eigene Tätigkeit der Lunge, der Leber, der Milz, des Magens, der Gedärme, der Nieren und so noch von zahllos vielen andern Bestandteilen ihres Leibes, die sie gar nicht kennen und für die sie denn auch nicht Sorge tragen kann, und dennoch ist der Leib als eine für sich ganz abgeschlossene Persönlichkeit ein und derselbe eine Mensch und tut und handelt also, als wären beide eine und ganz dieselbe Persönlichkeit! Wer von euch aber kann da sagen, daß Leib und Seele völlig ein Ding seien! 9. Betrachten wir aber nun die Seele für sich, und wir werden finden, daß sie auch für sich ein ganz vollkommener Mensch ist, der substantiell geistig auch in sich und für sich die ganz gleichen Bestandteile enthält wie der Leib und in höherer geistiger Entsprechung sich derselben auch also bedient wie der Leib seiner materiellen. 10. Obschon aber einesteils der Leib und andernteils die Seele für sich zwei ganz verschiedene Menschen oder Personen darstellen, von denen eine jede für sich eine ihr ganz eigentümliche Tätigkeit innehat, von der sie sich am Ende nicht einmal eine Rechenschaft über das Wie und Warum geben können, so machen sie aber im Grunde des eigentlichen Lebenszweckes dennoch so ganz nur einen Menschen aus, daß da niemand weder von sich noch von jemand anderm sagen und behaupten kann, daß er nicht ein Einmensch, sondern nur ein Zweimensch sei. Denn es muß der Leib der Seele dienen und diese mit ihrem Verstande und Willen dem Leibe, weshalb diese auch für die Handlungen, zu denen sie den Leib benutzt hatte, ebenso verantwortlich ist wie für ihre höchst eigenen, die in allerlei Gedanken, Wünschen, Begehrungen und Begierden bestehen. 11. Wenn wir aber das Leben und Sein der Seele für sich noch näher betrachten, so werden wir auch bald und leicht finden, daß sie als auch noch ein substantielles Leibmenschwesen für sich um nichts höher stünde als allenfalls die Seele zum Beispiel eines Affen. Sie würde wohl eine instinktmäßige Vernunft in einem etwas höheren Grade innehaben denn ein gemeines Tier, aber von einem Verstande und einer höheren freien Beurteilung der Dinge und ihrer Verhältnisse könnte da nie eine Rede sein. 12. Dieses höhere und eigentlich höchste und Gott völlig ähnliche Vermögen in der Seele bewirkt ein rein essentiell geistiger dritter Mensch, eben in der Seele wohnend. Durch ihn kann sie Wahres vom Falschen und Gutes vom Bösen unterscheiden und kann frei nach allen erdenklichen Richtungen hin denken und völlig frei wollen, wodurch sie sich selbst dem in ihr wohnenden Geiste, je nachdem sie sich mit ihrem von ihm unterstützten freien Willen für das reine Wahre und Gute bestimmt, nach und nach völlig ähnlich, also stark, mächtig, weise und als in ihm wiedergeboren, identisch macht. 13. Ist das der Fall, dann ist die Seele so gut wie ein Wesen mit ihrem Geiste, so wie auch die edleren Leibesteile einer vollkommenen Seele – welche Leibesteile eigentlich in den gar sehr verschiedenen Leibesnaturgeistern bestehen – ganz in den geistig substantiellen Leib, den ihr das Fleisch der Seele nennen könnet, übergehen und am Ende dadurch auch in den essentiellen des Geistes, darunter auch zu verstehen ist die wahre Auferstehung des Fleisches an dem jüngsten und wahrsten Lebenstage der Seele, der dann erfolgt, wenn ein Mensch vollkommen im Geiste wiedergeboren wird, entweder schon hier in diesem Leben oder etwas mühevoller und langwieriger jenseits. 14. Obschon aber ein im Geiste vollends wiedergeborener Mensch ganz nur ein vollkommener Mensch ist, so besteht seine Wesenheit aber dennoch ewigfort in einer in sich wohl unterscheidbaren Dreiheit. 15. Wie aber das, das will Ich euch allen nun ganz klar dartun, und so habt denn auch alle wohl acht darauf!“ Kapitel 25 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 25. — Die Tätigkeiten der drei Körper des Menschen 1. (Der Herr:) „Ihr merket an jedem Dinge, so ihr nur ein wenig aufmerksam sein wollet, und an jeder Sache ein unterscheidbares Dreifaches: Das erste, das euch in die Augen fällt, ist doch sicher die Außenform; denn ohne diese wäre kein Ding und keine Sache denkbar und hätte auch kein Dasein. Das zweite aber, so das erste einmal da ist, ist offenbar der Inhalt der Dinge und der Sachen; denn ohne den wären sie auch gar nicht da und hätten auch keine Form oder Außengestalt. Was ist denn nun das dritte zum Dasein eines Dinges oder einer Sache ebenso Notwendige wie das erste und zweite? Sehet, das ist eine innere, jedem Ding und einer jeden Sache innewohnende Kraft, die den Inhalt der Dinge und Sachen gewisserart zusammenhält und das eigentliche Wesen desselben ausmacht. Und weil eben diese Kraft den Inhalt und somit auch die Außenform der Dinge und Sachen ausmacht, so ist sie auch das Grundwesen von allem wie immer gearteten Dasein, und ohne sie wäre ebensowenig ein Wesen, ein Ding oder eine Sache denkbar wie ohne einen Inhalt und ohne eine äußere Form. 2. Ihr sehet nun, daß die benannten drei Stücke an und für sich sicher wohl unterscheidbar sind, da die Außenform nicht ihr Inhalt und der Inhalt nicht die ihn bedingende Kraft selbst ist. Und doch sind die benannten drei Stücke völlig eins; denn wäre keine Kraft da, so gäbe es auch keinen Inhalt und sicher auch keine Form desselben. 3. Gehen wir nun zu unserer Seele zurück! Die Seele muß des sicheren und bestimmten Daseins wegen einmal eine Außenform, die eines Menschen nämlich, haben. Die Außenform ist demnach das, was wir den Leib oder auch das Fleisch nennen, ob noch materiell oder vergeistigt substantiell, das ist da ganz einerlei. 4. Ist aber die Seele als ein Mensch der Form nach da, so wird sie auch einen der Außenform entsprechenden Inhalt haben. Dieser Inhalt oder innere Körper der Seele ist ihr eigenes Lebenswesen selbst, also die Seele. 5. Ist das alles aber da, so ist auch die Kraft da, die die ganze Seele bedingt, und diese ist der Geist, der am Ende alles in allem ist, da es ohne ihn unmöglich eine gediegene Substanz und ohne diese auch keinen Leib und somit auch keine Außenform gäbe. 6. Obschon aber die drei wohl unterscheidbaren Persönlichkeiten im ganzen nur ein Wesen sind, so müssen sie aber dennoch eigens als unterscheidbar benannt und erkannt werden. 7. Dem Geiste oder der ewigen Essenz wohnt die Liebe inne als die alles bewirkende Kraft, die höchste Intelligenz und der lebendig feste Wille; alles das zusammen erzeugt die Substanz der Seele und gibt ihr die Form oder das Wesen des Leibes. 8. Ist die Seele oder der Mensch also einmal da nach dem Willen und nach der Intelligenz des Geistes, so zieht sich der Geist ins Innerste zurück und gibt der einmal daseienden Seele nach seinem innersten Willen und nach seiner innersten Intelligenz einen wie von ihm getrennten freien Willen und eine freie und gewisserart selbständige Intelligenz, die sich die Seele teilweise durch äußere Wahrnehmungssinne und teils durch ein inneres Innewerden also aneignet und dann so vervollkommnet, als wäre die vervollkommnete freie Intelligenz ihr eigenes Werk. 9. Infolge dieses notwendig also gestalteten Zustandes, in dem sie sich wie getrennt von ihrem Geiste fühlt, ist eben die Seele auch einer sowohl äußeren wie inneren Offenbarung fähig. Empfängt sie diese, nimmt sie sie an und tut danach, so fängt sie dadurch auch an, sich mit ihrem Geiste zu einen und geht dadurch dann auch stets mehr in dessen unbeschränkte Freiheit über, sowohl in Hinsicht der Intelligenz und der Willensfreiheit nach eben der lichtvollen Intelligenz, wie auch in der Kraft und Macht, alles das bewirken zu können, was sie erkennt und will. 10. Daraus aber könnet ihr wieder erkennen, daß die Seele als der in die lebendige Substanz umgewandelte Gedanke des Geistes, der im Grunde der Geist selbst ist, doch gewisserart als ein zweites aus dem Geiste Hervorgehendes angesehen und betrachtet werden kann, ohne deshalb ein anderes zu sein, als da ist der Geist selbst. 11. Daß endlich die Seele als ein Individuum auch mit einem äußeren Leibe umkleidet erscheint, der gewisserart als die dritte Persönlichkeit erscheint, das zeigt euch die tägliche Erfahrung. Der Leib dient der Seele als eine äußere Offenbarung ihres innersten Geistes und hat den Zweck, die Intelligenz und den freien Willen der Seele nach außen zu kehren, zu beschränken und dann erst die innere Unbeschränktheit der Intelligenz und des Willens und dessen wahrer Kraft zu suchen, sicher zu finden und dadurch ein endlos verherrlichtes und völlig individuell selbständiges Eins zu werden mit dem innersten Geiste, der immer selbst das alleinige Etwas und durchgreifende Sein des Menschen ist. 12. Da ihr nun aus dieser Meiner Erklärung hoffentlich einsehen müsset, wie ein Mensch in und für sich, so wie auch in untergeordneten Graden ein jedes andere, aus einem gewissen unterscheidbaren Drei besteht, so wollen wir zum Schlusse dieser hochwichtigsten Beleuchtung und Verhandlung zu dem dreieinigen Wesen Gottes selbst übergehen, auf daß ihr hell und klar einsehen möget, warum Ich euch infolge der höheren und inneren lebendigen Wahrheit habe anbefehlen müssen, daß ihr die Menschen, die an Mich glauben und Meine Lehre tatsächlich angenommen haben, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes taufen, das heißt stärken sollet. 13. Und so habt denn abermals wohl acht darauf, was ihr nun zur wahrsten Vervollständigung des Ganzen aus Meinem Munde vernehmen werdet! 14. Sehet, die Schrift der Propheten, wie ihr das nun schon alle gar wohl wisset, sagt und erklärt, daß Ich, namens Jesus, Christus – auch Menschensohn genannt, der wahre Gott sei, obschon Er unter verschiedenen Namen, als Vater, Sohn und Geist bezeichnet und benannt wird! Und dennoch ist Gott nur eine persönliche Herrlichkeit in der vollkommensten Form eines Menschen. 15. Wie aber, euch nun schon bekannt, die Seele, ihr Außenleib und ihr innerster Geist geeint sind also, daß sie nur ein Wesen oder gewisserart am Ende nur eine individuelle Substanz ausmachen, unter sich aber doch ein wohl unterscheidbares Drei sind, eben also geeint sind der Vater, Sohn und Geist, wie das obenerwähnt auch klar lehrt die Schrift der alten Väter und Propheten. 16. David sagte einst, daß seine Seele, sein Leib und sein Geist vor Gott möchten als unsträflich befunden werden. Wenn aber da die Worte des alten, weisen Königs also lauteten, könnte man da nicht auch sagen und fragen: Wie? Besteht denn der Mensch aus drei Personen oder aus drei Menschen? So aber das schon beim Menschen nicht angehen kann, bei dem seiner Bildung und wahren Lebensvollendung wegen die Zerspaltung seines Drei doch gar fühlbar notwendig da ist, – wie könnte dann erst Gott, der in Sich von Ewigkeit her höchst vollendet nur Einer ist, in drei verschiedene Personen oder gar in drei Götter zerteilt werden?“ Kapitel 26 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 26. — Das Wesen Gottes 1. (Der Herr:) „Höret! Wenn Gott als der Schöpfer aller Wesen, aber dennoch unterschieden von allen andern von Ihm geschaffenen Wesen, sicher ewig war, ist, und sein wird, legt Ihm das etwa irgendeine unwandelbare Notwendigkeit, zu verharren im gewissen Urzentrum, auf?! Wenn schon dem Menschen eine freie Bewegung nach jeder Richtung des Leibes sogar und noch endlos mehr dem Geiste nach gegeben ist, wie sollte Sich da allerfreieste Gott in dem beschränken, worin Er sogar Seinen Geschöpfen die vollste Freiheit gab? Ich sage es euch: Die göttliche Unendlichkeit in allem hat die Macht, Sich auch endlos frei zu bewegen! Ihr steht demnach sicher wohl auch das Recht zu, Ihre Herrlichkeit ins Fleisch zu wandeln, um Selbst gegenüber den von Ihr geschaffenen Menschen auch als ein ewig vollkommenster Mensch schau- und begreifbar dazustehen. 2. Aber die Macht hat die endlose Herrlichkeit Gottes nicht und kann sie unmöglich haben, andere, Ihr völlig gleiche Gottheiten außer Sich zu schaffen; denn könnte Sie das, so müßte Sie außerhalb des einen unendlichen Raumes auch noch mehrere ebenso unendliche Räume erschaffen können, was wohl sicher jeder nur ein wenig helldenkende Mensch schon von ferne für einen allerbarsten Unsinn ansehen und anerkennen muß. Denn wenn der eine Raum nach allen denkbaren Richtungen hin unendlich ist, wo sollte dann ein zweiter ebenso unendlicher Raum seinen Anfang nehmen? 3. Ein nur zweiter vollkommener Gott mit der vollsten unendlichen Herrlichkeit ist demnach ebensowenig denkbar wie ein zweiter unendlicher Raum, und ihr könnet daraus nun klar ersehen, daß Ich als nun euch gleich auch ein Menschensohn im Fleische wandelnd kein zweiter, sondern nur ein und derselbe Gott bin, der Ich vor aller Kreatur von Ewigkeit her war und also auch bleiben werde in alle Ewigkeit. Ich kann darum nichts wider Meine ewige Herrlichkeit tun, aber alles für dieselbe. 4. Würde Ich außer Mir noch zwei Götter schaffen, wie etwa den Sohn und den Heiligen Geist, so daß dann beide von Mir individuell unterschieden wären, so müßten sie ja notwendig auf alle Meine Machtvollkommenheit Anspruch machen, da ohne diese kein Gott denkbar ist, sowenig wie der Begriff eines zweiten und gar dritten vollkommen unendlichen Raumes unter einer gewissen Teilung und gegenseitigen Beschränkung. Wenn aber das denkbar möglich wäre, wie sähe es dann mit dem nur einen möglichen Hoheitsrechte Gottes aus? 5. Es kann aber nur ein solches endloses göttliches Hoheitsrecht geben! Denn gäbe es deren drei, so wäre das endlose Einreich Gottes zersplittert, und sein Bestand wäre ebenso undenkbar möglich wie der Bestand von drei unendlichen Räumen nebeneinander. 6. Das Einreich des nur einen Gottes kann ewig bestehen, weil Er allein nur ein Einiger König und Herr desselben ist, wie solches denn geschrieben steht in der Schrift der Propheten, die aus dem Munde Gottes also geweissagt haben: ,Gott wird Seine Herrlichkeit keinem andern geben‘ (Jes.42,8). Denn allein Ich, Christus, bin der Einzige Gott! Menschen, Engel, Herrschaften und Gewalten, ja alle Dinge im Himmel und auf allen Erden haben sich allzeit vor Mir gebeugt und werden sich auch in Ewigkeit nur vor Mir beugen und nie vor einem andern, gleichwie auch alle für eure Begriffe noch so endlos groß scheinenden Weltenschöpfungsräume von dem nur einen unendlichen Schöpfungsraume verschlungen werden und ihm gegenüber als völlige Nichtigkeiten erscheinen. 7. Wenn unter dem Namen Vater, Sohn und Heiliger Geist nicht ein für Sich bestehender, grund- und einwesiger Gott zu verstehen wäre und man anstatt dessen einen von dem Vater unterschiedenen Sohn und ebenso einen unterschiedenen Heiligen Geist annehmen müßte, – was für ein Gott wohl müßte dann der Vater sein? 8. Wenn nach der Schrift der Propheten, die der grobe, selbstverschuldete Unverstand der Menschen nicht faßt, der Vater den Sohn mit aller Macht und Gewalt im Himmel und auf allen Erden und Welten bekleidet und den Heiligen Geist als einen Mitwirker Ihm beigesellt hat behufs der Heiligung und Bewaltung der nun euch gegebenen neuen Lehre aus den Himmeln, zu deren Haupt eben nur der Sohn, den Ich vorstelle, wie auch zum Haupte aller andern Dinge gemacht ist, so frage Ich euch: Was für einen Gott machet ihr dann da aus dem Vater? Könnet ihr überhaupt noch einen Gott aus Ihm machen? 9. Und könnet ihr euch in der materiell-menschlichen Blindheit noch einen vorstellen, so müsset ihr Ihn euch offenbar als müßig und tatlos vorstellen, da ihr doch offenbar einsehen müßt, daß Er bei so bewandten Umständen nichts mehr zu wirken und auch nichts mehr zu regieren hätte. Ihr müßtet euch nur nach der höchst finsteren menschlichen Art vorstellen, daß der Gott-Vater etwa wegen Seines hohen Alters gleich dem alten Könige Pharao in Ägypten, der die Regierung dem Joseph übergab, auch nun also Seiner Schwäche und Mühseligkeit wegen sie dem Sohne für ewig übergeben habe, damit Er Sich nun in Seiner Ruhe ganz müßig könne wohlgeschehen lassen! 10. Könnet ihr euch wohl denken, daß der Vater alt geworden sei, und daß Er Sich nun zur Ruhe setzen wolle, indem Er nun außer Sich einen vollkommen Ihm gleich allmächtigen Sohn und weiter noch einen gleich allmächtigen Heiligen Geist habe, den Er etwa aus Sich und Seinem Sohne hervorgebracht habe, denen Er nun die ganze Regierung übergeben und, Sich Selbst abdankend, überweisen wolle? 11. Oh, wie überheidnisch dumm, blöde und blind müßte da der Menschenverstand sein, dem es möglich würde, in solch eine Raserei zu geraten! 12. Besteht ein Sohn und ein Heiliger Geist unterschieden von und außer dem Vater im Gleichen, wie da bestehen Engel und Menschen, so können sie weiter nichts als nur Seine Geschöpfe sein, weil sie ihr etwa noch so vollkommenes Wesen nur von dem einen Schöpfer und nicht aus sich infolge der höchsteigenen und ewigen Machtvollkommenheit erhalten haben. 13. Wie aber kann da eine vollkommene, göttliche Verwandtschaft oder eine wesentliche Einheit zwischen einem Geiste ohne Leib und Form und einem Geiste mit Leib und Form bestehen? Kann von dem Sohne, der eine leibliche Person ist und, wie ihr sehet, einen Körper hat, gesagt werden, daß Er in dem Vater sei, wenn der Vater keinen Leib, keine Gestalt und keine Form hat? Oder kann der leib-, gestalt- und formlose unendliche Vater im Sohne sein? 14. Weiter: Wenn der Heilige Geist eine vom Vater und Sohne ausgehende dritte für sich dastehende Person ist, wie kann sie da mit beiden gleich geeigenschaftet und gleich ewig sein? Oder kann das, was sein Sein von einem andern erhält, gleich sein dem, das sein Sein ewig aus sich selbst hat? Kann je die Ewigkeit gleich sein der stets flüchtigen Zeit oder ein beschränkter Raum der Unendlichkeit? 15. Wenn man auch annehmen kann, daß alle Zeiten der Zeiten in der Ewigkeit stecken, sich bewegen und verändern, so kann man aber unmöglich denken, sagen und behaupten, daß die Ewigkeit in der irgend noch so lange währenden Zeit enthalten ist, gleichwie man auch wohl denken, sagen und behaupten kann, daß da alle noch so großen, aber endlich doch noch begrenzten Räume sicher wohl im endlosen Urraume enthalten sind, aber dieser unmöglich auch in ihnen. 16. Wenn sonach der Heilige Geist wirklich gleich einem andern Geschöpf vom Vater und Sohn als eine für sich wesenhafte Person ausginge, dann wäre er ja offenbar ein Gott der Zeit und nicht der Ewigkeit! Ein solcher Gott aber könnte dann, wie alles Zeitliche, mit der Zeit aufhören zu sein! Wenn aber das, wer würde und könnte dann allen Menschen und Engeln ein ewiges Dasein geben und erhalten?! 17. Damit euch aber diese allerhöchst wichtige Sache noch heller und klarer einleuchtend wird, so verfolgen wir dieses Thema noch weiter, und ihr höret Mich!“ Kapitel 27 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 27. — Der Herr als Sohn 1. (Der Herr:) „Wenn ferner der Sohn von Ewigkeit her war, wie konnte Er gezeugt werden? Und wenn der Heilige Geist eben auch von Ewigkeit her war, wie konnte er vom Vater und Sohn ausgehen und also seinen Ursprung nehmen? Wenn nach eurem Sinne und Verstand die von euch beanstandeten drei göttlichen Personen, aus denen die späteren Menschen leicht drei Götter machen könnten, insgesamt ewig, das heißt ohne Anfang sind, so konnte dann ja nicht einer dem andern den Anfang des Seins geben! 2. Ich bin, als nun ein Mensch im Fleische vor euch, der Sohn und bin niemals von einem andern als nur von Mir Selbst gezeugt worden und bin eben darum Mein höchsteigener Vater von Ewigkeit. Wo anders könnte da der Vater sein als nur im Sohne, und wo anders der Sohn als nur im Vater, also nur ein Gott und Vater in einer Person? 3. Dieser Mein Leib ist sonach die verherrlichte Gestalt des Vaters der Menschen und Engel wegen, damit Ich ihnen ein begreiflicher und schaubarer Gott bin, und ihr könnet Mich nun schauen, hören und sprechen und doch leben dabei! Denn ehedem hieß es, daß Gott niemand sehen und dabei leben könne. Ich bin denn nun durchgängig Gott; in Mir ist der Vater, und die von Mir nach Meiner Liebe, Weisheit und nach Meinem allmächtigen Willen ausgehende Kraft, die den ewig endlosen Raum allenthalben erfüllt und auch überall wirkt, ist der Heilige Geist. 4. Ich, wie ihr Mich nun als Gottmenschen unter euch sehet, bin mit Meiner ganzen Urzentralwesenheit sicher vollkommen und ungeteilt unter euch hier in diesem Speisesaale auf dem Ölberg und befinde Mich darum als ein wahrster Gott und Mensch zugleich nirgends anderswo, weder auf dieser Erde und noch weniger auf einer andern; aber durch die von Mir ausgehende Kraft, die da ist der Heilige Geist, erfülle Ich wirkend dennoch alle Himmel und den irdisch materiellen und endlosen Raum. Ich sehe da alles vom Größten bis zum Kleinsten, kenne alles, weiß um alles, verordne alles und schaffe, leite und regiere alles. 5. Wenn ihr aber nun solches wohl wisset aus Meinem Munde, so werdet ihr auch verstehen, aus welchem Grunde ihr die Menschen, die an Mich glauben und nach Meiner ihnen bekanntgemachten Lehre auch handeln werden, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes durch die Auflegung der Hände stärken sollet. 6. So ihr nun den Grund einsehet, da werdet ihr auch einsehen, daß infolge der Nennung der drei Eigenschaftsnamen die Menschen, so sie von euch wahr und richtig unterrichtet werden, nicht leicht auf die Idee von drei persönlich wesenhaften Göttern verfallen werden. Aber Ich lege euch das denn auch teuerst ans Herz, daß ihr den Menschen allenthalben ein rechtes und wahrheitsvolles Licht gebet; denn wo es an dem gebrechen wird, da werden die Menschen denn auch leicht und bald verkümmern und in allerlei Irrlehren übergehen, und es wird dann schwerhalten, sie auf die Wege der vollen Wahrheit zu bringen. 7. Daß aber auch bei aller eurer Treue dennoch falsche Lehrer und Propheten aufstehen und gar viele Menschen verführen werden, das werdet ihr wohl nicht zu verhindern vermögen, und es wird euch das auch nicht zur Last gerechnet werden, sowenig als es einem Landmann, der reinen Weizen auf seinen Acker säte, und dem sein Feind zur Nachtzeit Unkraut darunter streute, zur Sünde gerechnet werden kann, so auf seinem Acker unter dem Weizen das Unkraut wuchert und die gute Frucht schwächt. 8. Es ist wohl Mein Liebeswunsch, daß alle Menschen dieser Erde die lichten Wege der Wahrheit betreten und auf denselben dem ewigen Leben zuwandeln möchten; aber weil Ich Mich aus euch schon bekanntgegebenen Gründen mit Meiner Allmacht da völlig zurückziehen muß, so ist ein jeder Mensch völlig frei und kann am Ende glauben und tun, was er selbst will. 9. Ihr aber werdet bei der Weiterverbreitung Meiner Lehre am besten tun, so ihr den Verstand und mit demselben das Gemüt der Menschen bearbeitet. Denn wo einmal der Verstand und das Gemüt durchdrungen sind, da wird der Glaube durch den guten Willen lebendig und erfolgvoll tätig; ohne die rechte Aufhellung des Verstandes und Gemütes aber bleibt der Glaube nur eine stumme und blinde Annahme dessen, was der Mensch von irgendeiner autorisierten Seite her vernommen hat. Solch ein Glaube aber ist so gut wie nahe gar keiner; er belebt das Gemüt nicht zur freiwilligen und das Herz beglückenden Tat und ist sonach denn auch tot, weil er ohne freie und Freude erzeugende Werke ist. 10. Werke aber, die der Mensch durch ein äußeres Muß erzwungen verrichtet, haben für die Seele keinen Wert, da sie dieselbe nicht beleben, sondern erdrücken, weil sie nicht freiwillig aus innerer Überzeugung mit Freude, sondern nur aus Furcht vor der angedrohten Strafe unter geheimem Ärger, Grimm und Zorn vollbracht werden. 11. Wenn Ich aber schon zu euch sage, daß ihr so vollkommen in der Erkenntnis und reinen Liebe sein sollet, als wie vollkommen da ist der Vater im Himmel, so sollen das auch eure Jünger sein! Darum sage Ich euch noch weiter: Prüfet alles wohl zuvor, und behaltet dann das Gute und Wahre! 12. Was Ich euch aber anrate, daß ihr es für euch selbst beachten möget, das tut auch euren einstigen Jüngern! Ich könnte von euch nun ja auch gar wohl verlangen, daß ihr Mir auch ohne weitere Erklärungen glaubet, was Ich euch sage und zu tun anrate, denn die Zeichen, die Ich vor euren Augen gewirkt habe, haben Mir doch sicher jene Autorität verschafft, die euch nötigt, Mir zu glauben; aber ein solcher genötigter Glaube ist noch lange kein inneres Licht der Seele und belebt sie nicht freudig zur Tat. 13. Daß es aber also ist, das beweiset ihr durch euer beständiges Fragen, und ihr bekennet dadurch offen, daß der pure Autoritätsglaube der Seele viel zu wenig Licht bietet, dessen Mangel euch dann erst Meine Erklärungen in euch decken. Wenn ihr aber nun neben allen Meinen gewirkten Zeichen und Lehren noch immer helle Erklärungen verlanget und diese euch wohltun, so werden das auch eure Jünger von euch verlangen, und ihr sollet damit nicht sparsam sein, so ihr dem Auftreten der falschen Propheten nach aller Möglichkeit steuern wollet! 14. Ihr werdet auch Zeichen wirken, und die Falschen werden durch allerlei Trugwerk dasselbe tun, und es werden daher die von euch gewirkten Zeichen stets ein magerer Beweis für die Echtheit der von euch dem Volke gepredigten Lehren sein und bleiben; aber was ihr dem Verstande und dem Gemüte der Menschen durch lichtvolle Worte einprägen werdet, das wird als ein lebendiger Beweis für die Wahrheit der Lehre aus Meinen Himmeln ewig unvertilgbar bleiben. Solch eine hell begriffene Wahrheit wird euch und eure Jünger dann erst vollends frei machen. – Und nun habe Ich euch allen wieder vieles enthüllt und euch viel Licht gegeben und frage euch darum abermals, ob ihr das auch wohl begriffen habt.“ 15. Sagten alle: „Ja, Herr und Meister, das haben wir nun gar wohl begriffen; denn nun hast Du wieder einmal ganz frei und offen geredet!“ 16. (Hierauf sagte Ich:) „Es ist noch Zeit; so jemand noch weiter etwas wissen will, der komme und frage!“ Kapitel 28 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 28. — Vom unendlichen Raum und der Ewigkeit 1. Auf diese Meine Aufforderung erhob sich einer der gewissen Judgriechen, die da schon bekannt sind, und sagte: „Herr und Meister, wir haben bis jetzt aus Deinem Munde, wie auch durch Deine Zulassung aus dem Munde Raphaels schon so viele und lichtvollste Wahrheiten vernommen, daß ich nun wahrlich hin und her denken kann, wie ich will und mag, und ich finde nichts mehr, das mir unbekannt wäre, und es wird darum einem jeden von uns nun schwer werden, Dich noch über etwas zu fragen, worüber Du uns noch keine Erklärung gegeben hättest. Was Du uns aber erklärt hast, das ist auch also erklärt, daß es selbst ein ganz einfacher Verstand ganz hell fassen und begreifen muß, und so bleibt uns nun nahe schon gar nichts mehr übrig, um das wir Dich fragen und dabei um eine noch hellere Beleuchtung bitten könnten.“ 2. Sagte Ich: „Wohl deiner Seele, wenn sie nun schon so viel Lebenslicht eingesogen hat! Wenn du aber schon in dir keinen unerleuchteten Winkel mehr finden kannst, so wird schon etwa ein anderer sich finden, der in sich noch so manche Dunkelheit verspüren wird, und mit der Zeit vielleicht auch wieder du selbst!“ 3. Als der Judgrieche solches von Mir vernommen hatte, verneigte er sich vor Mir und setzte sich auf seinen Platz. 4. Darauf sagte aber Lazarus: „Herr und Meister, ich hätte wohl noch so einige dunkle Winkel in mir; wenn Du sie mir gnädigst aufhellen wolltest, so würde das für meine Seele ein großes Labsal sein!“ 5. Sagte Ich: „Wohl kenne Ich, wonach es dich dürstet, und Ich könnte dir auch darüber eine lichtvollste Antwort ins Herz legen; aber da es sich hier um die Erleuchtung aller hier Anwesenden handelt und damit auch so mancher von euch allen gewahren möge, ob es in ihm wohl schon vollends hell ist, so frage du nur offen, und Ich werde dir auch vor allen laut und offen antworten!“ 6. Sagte darauf weiter Lazarus: „Herr und Meister! Nach dem, was Du uns erklärt hast von den großen Sphären und Weltkörpern, von den Hülsengloben und von dem Großen Schöpfungsmenschen, ist es mir über die schaudererregende endlose Größe des ewig unbegrenzten Raumes nicht unbedeutend hell geworden; aber ich habe da doch bald darauf eine sehr große und sehr finstere Kluft gefunden, über die auch mein kühnster Gedanke nicht zu fliegen wagte! 7. Siehe, daß der Schöpfungsraum unendlich ist und also nach keiner Richtung hin je ein Ende haben kann, das ist mir und auch sicher jedem andern klar! Aber wie sieht es mit dessen ewigem Bestande aus? Wer hat ihn so endlos weit ausgedehnt, und wie und wann? Was ist so ganz eigentlich die Ewigkeit, und wie ist in der Zeit und im Raume Gott Selbst ewig und in allem unendlich? Siehe, Herr und Meister, es ist das für einen sterblichen Menschen zwar Dir gegenüber eine sicher höchst ungeschickte Frage; aber was kann da die auch in dieser Sphäre nach Licht dürstende Seele dafür, wenn solche Gedanken in ihr wach werden?“ 8. Sagte Ich: „Du nanntest das eine Mir gegenüber höchst ungeschickte Frage; Ich aber heiße sie eine ganz gute und sehr geschickte Frage und will euch allen darauf auch eine möglichst helle Antwort erteilen! 9. Seht! Gott, Raum und Ewigkeit sind wieder gleich den Begriffen Vater, Sohn und Geist. Der Vater ist durchgehend Liebe und sonach ein ewiges Streben nach dem vollendetsten Sein durch die Kraft des ewigen Willens in ihr. Der Raum oder der Sohn ist das aus dem ewigen Streben der Liebe auch ewig gleich hervorgehende Sein, und die Ewigkeit oder der Geist als die endlose Urkraft im Vater und Sohne ist die Bewegung und Effektuierung (Verwirklichung) der Bestrebungen der Liebe im Sohne. 10. Hätte der Raum einmal etwa wie aus einem Punkte sich ins Endlose nach allen Richtungen hin auszudehnen angefangen, so wäre er erstens bis zur Stunde ebensowenig unendlich, als es für sich der Große Schöpfungsmensch ist. Zweitens aber stellt sich von selbst die Frage auf, was dann das war, das sicher nach allen erdenklichen Richtungen endlos weit hinaus den Punkt umgeben hat, aus dem dann erst der unendliche Schöpfungsraum sich ausgedehnt hat. War das der lichtlose Äther, oder war es das heidnische Chaos, oder war das eine völlig feste Masse, oder war es Luft oder Wasser oder Feuer? 11. Wenn es eines von den benannten Dingen war, wie hat der Raumpunkt in sich die Kraft haben können, solche endlosen Massen von sich hinaus ins unendlichmal Unendliche zu verdrängen, und wohin sind dann die verdrängten Massen gekommen, so aus dem ursprünglichen Punkte der ewig unendliche Raum hervorgegangen sein soll? Sie müßten sich dann notwendig außerhalb des unendlichen Raumes befinden, wie sie sich ursprünglich außerhalb des Punktes befunden haben, aus dem der endlose Raum hervorgegangen sei. Wenn aber das auch nur zu denken möglich wäre, so wäre der Schöpfungsraum ja dennoch wieder begrenzt und beschränkt und würde auch bei einem ewig andauernden sich weiter und weiter Ausdehnen dennoch nie unendlich werden. 12. Ihr erseht aus dem, daß der Schöpfungsraum notwendig ewig nach allen Richtungen hin unendlich war und nie einen Anfang hat nehmen können, und da Gott, Raum und Ewigkeit identisch sind, wie Ich euch das schon gezeigt habe, so ist Gott, der alle diese Begriffe in Sich vereinigt, ja auch ohne Anfang, weil ein Anfang von Gott ebenso unmöglich zu denken ist wie der Anfang im Werden des unendlichen Raumes und mit ihm der ewigen Zeit. Ich meine, daß das nun schon so hinreichend klar dargetan ist, daß ein jeder darüber vollends im klaren sein kann. 13. Aber Ich sehe dennoch eine gewisse dunkle Klippe in euch, über die ihr noch nicht hinwegzukommen imstande seid. Und sehet, diese Klippe besteht darin, daß ihr euch den endlosen und ewigen Raum als an und für sich tot und ohne alle Lebensintelligenz seiend vorstellt und daher auch nicht begreifen könnet, wie Gott als das alleinige ewige Lebensprinzip Sich im ewigen und endlosen Tode gewisserart Selbst gefunden und Sich als das vollendetste Leben erkannt und begriffen hat. 14. Ja, wenn man vom endlosen und ewigen Schöpfungsraume sich den Begriff macht, dann kann man freilich auch schwer oder gar nicht begreifen, wie der unendliche Geist – Gott – Sich im ewig unendlichen Tode als ein vollendetstes Leben auch von Ewigkeit her hat zurechtfinden können! 15. Machet euch daher gerade die entgegengesetzte Vorstellung vom ewig unendlich großen Raume, denket euch, daß es in ihm nicht einmal ein leb- und intelligenzloses Pünktchen gibt, und daß selbst das, was vor euch wie tot und völlig leblos sich darstellt, nicht tot und leblos, sondern nur von dem allmächtigen Willen Gottes also gerichtet ist, wie ihr das an einem Weltkörper selbst oder an seinen leblos scheinenden Bestandteilen gar wohl bemerken könnet! 16. Wenn aber alle Weltkörper und ihre mannigfachsten Bestandteile nichts anderes sind und sein können als durch den allmächtigen Willen Gottes fixierte Ideen und Gedanken Desselben, wie können sie dann von den Menschen für tot und völlig intelligenzlos angesehen werden? 17. Wenn Gott, der mit dem endlosen Raume und seiner ewigen Zeit identisch, aber durchgängig in Sich das höchste und allervollendetst vollkommene Leben ist, wie möglich soll dann das, was nur aus Ihm hervorgeht, tot, leb- und intelligenzlos sein?! 18. Was demnach als daseiend euch wie tot vorkommt, das ist nur also von Gott aus gerichtet und kann wieder ins völlig freie Leben zurückkehren, sobald Gott an solch einem gerichteten Dinge die festen Bande Seines Willens löst. 19. Ihr habt desgleichen von Mir Selbst und durch Meine Zulassung auch von Raphael bewerkstelligen sehen, als da Steine entweder plötzlich in den ursprünglichen Lebensäther verwandelt wurden oder dieser zu einem festen Steine wurde, wovon euch die Säule am Wege gen Emmaus sicher ein sehr handgreifliches Beispiel bietet. 20. Wenn aber das alles also und unmöglich anders sich verhält, so müsset ihr, um zu lebendig wahren Begriffen über Gott zu gelangen, allen Tod aus dem endlosen Raume vollends verbannen und euch nichts als Leben über Leben und Intelligenz über Intelligenz vorstellen, weil es in dem unendlichen Intelligenz-Machtwesen Gottes ewig keinen Tod geben kann.“ Kapitel 29 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 29. — Das Verhältnis zwischen den Wesen und der Universalintelligenz 1. (Der Herr:) „Daß dem mit einem eigenen Lebensbewußtsein begabten Menschen aber der endlose Schöpfungsraum und das gar endlos viele in ihm Enthaltene wie stumm, tot und intelligenzlos vorkommt, hat seinen weisesten Grund darin, daß sein Lebensbewußtsein wegen der Gewinnung der vollsten, Mir ähnlichen Lebensselbständigkeit durch Meinen Willen von dem allgemeinen Lebensbewußtsein und dessen endlosester und höchster Intelligenz völlig abgesondert ist, damit es sich in sich selbst finde und sich dadurch zum ewigen Selbstfortbestande auf dem ihm wie von außen her geoffenbarten Wege auch selbst bilde und befestige. 2. Solange aber ein Mensch mit sich selbst wegen der Gewinnung seiner Lebensselbständigkeit zu tun hat, ahnt er kaum, daß er von lauter Leben und von der höchsten Lebensintelligenz umgeben und seinem Leibe nach auch durchdrungen ist, ohne dessen er eigentlich gar nicht da wäre. Wenn er aber nach dem ihm geoffenbarten Willen Gottes mit sich selbst fertig geworden ist, indem sein innerster Geist ihn ganz durchdrungen hat, da tritt der ganze Mensch dann auch in den freien Verband mit dem höchsten Leben und dessen lichtester Intelligenz in der allgemeinsten Unendlichkeit Gottes, ohne dabei sein Selbstisches und Persönliches zu verlieren. Dann aber gewahrt er außer sich auch keinen toten und stummen Raum und keine toten Steine mehr, sondern da wird für ihn alles Leben und lichte, sich selbst wohlbewußte Intelligenz. 3. Daß es aber also ist und sich verhält, beweist euch ja zuerst klar Meine von euch oft erprobte Allwissenheit. Wie könnte Ich denn um gar endlos vieles und alles wissen, wenn der Raum zwischen Mir, das heißt Meiner individuell-persönlichen Wesenheit, und zum Beispiel der Sonne oder einem andern noch um gar vieles ferneren Objekte ein lebloser und ein intelligenzloser wäre? Und zweitens beweist das auch schon die Weisheit gar vieler Menschen, die, obwohl ihren Ort nicht verlassend, um gar vieles wissen, was irgend in weiter Ferne sich befindet, wie und was mit demselben vor sich geht oder erst in der Folge vor sich gehen wird. 4. An den sieben Ägyptern habt ihr gleich ein sprechendes Beispiel. Wer hat sie benachrichtigt, daß Ich da sei? Sie wurden in sich aus der großen und allgemeinen Intelligenz dessen inne, wie auch des Weges, der sie hierher brachte. Wäre der Raum zwischen hier und Oberägypten ein leb- und intelligenzloser, so wären sie dessen auch unmöglich innegeworden, was hier ist und geschieht. 5. Des Menschen Seele ist in ihrem Leibe nur durch eine gar dünne, mit der allgemeinen Lebensintelligenz in keiner Verbindung stehenden Wand getrennt, und das genügt, daß sie in ihrem natürlichen Zustande zumeist gar keine Ahnung nur von dem hat, was oft zunächst, als hinter ihrem Rücken, ist und geschieht, und auch nicht einmal den tausendmal tausendsten Teil von dem begreift, was vor ihren Augen ist und vorgeht. Und das macht alles die höchst dünne, obbezeichnete Scheidewand zwischen ihrem speziellen und dem allgemeinsten endlosen Raumleben. Wenn aber diese Scheidewand von einer großen Dichte und Ausdehnung wäre, was würde dann erst so eine mächtig isolierte Seele von dem wissen, was sie nach allen Richtungen hin umgibt?! 6. Daß aber eine Seele dann und wann aus nur Mir bekannten Gründen durch eine stärkere und dichtere Scheidewand von dem allgemeinen allerintelligentesten Gottleben getrennt ist, das könnet ihr an den Blöden, Stummen und sogenannten Trottelmenschen gar wohl ersehen; eine solche Seele ist darum auch nur einer sehr mageren und dann und wann auch gar keiner Bildung fähig. 7. Warum aber auch das zugelassen wird, das weiß Ich gar wohl, und etliche von Meinen alten Jüngern wissen es teilweise auch; ihr andern aber werdet alles dessen schon noch innewerden. 8. Tierseelen, wie auch die der Pflanzen, aber sind von dem allgemeinen Gottraumesleben nicht strenge geschieden und sind darum aus dem Innewerden zu dem ohne allen Unterricht geschickt, wozu sie ihrer Beschaffenheit und Einrichtung nach bestimmt sind. Jedes Tier kennt seine ihm zusagende Nahrung und weiß sie zu finden; es hat seine Waffen und weiß sie ohne alle Übung zu gebrauchen. 9. So kennt auch der Geist der Pflanzen genauest den Stoff im Wasser, in der Luft und im Erdreich, der seiner besonderen Individualität dienlich ist. Der Geist oder die Naturseele der Eiche wird nimmer und niemals den Stoff an sich ziehen, von dem die Zeder ihr Sein und Wesen schafft. Ja, wer lehrt denn das eine Pflanze, daß sie gleichfort nur den für sie bestimmten Stoff an sich ziehen mag? Seht, das alles ist die Wirkung der höchsten und allgemeinsten Raumlebensintelligenz; aus dieser schöpft eine jede Pflanzen- und Tierseele die ihr speziell nötige Intelligenz und ist dann nach deren Weisung tätig. 10. Wenn aber also, wie das ein jeder Mensch aus der Erfahrung allzeit ersehen und wohl erkennen kann, so ist es ja klar, daß der endlose Raum und alles in ihm ein Leben und eine allerhöchste Intelligenz ist, von der die Menschenseele nur darum kein erschauliches Innewerden hat, damit sie mittels ihrer abgesonderten Intelligenz, die von höchst großem Umfange ist, ihre bleibende Lebensselbständigkeit sich erschaffen kann, was aber keine Pflanzen- und Tierseele vermag und darum für sich keine gesonderte, sondern nur eine mengbare und sonach bis zur Menschenseele hin eine unzählig oftmalige Veränderungsexistenz hat, von der ihr auch keine Erinnerung zurückbleibt, weil sie nach jeder Mengung und Wesensänderung auch in eine andere Intelligenzsphäre übergeht. 11. Selbst die Seele des Menschen, als die höchst potenzierte Zusammenmengung von Mineral-, Pflanzen- und Tierseelen, hat für ihre Präexistenzen keine Rückerinnerung, weil die speziellen Seelenteile in den obbenannten drei Reichen keine eigene und streng gesonderte, sondern für ihre Art nur aus dem allgemeinen Gottraumleben gewisserart entliehene Intelligenz besaßen. Es sind zwar in einer Menschenseele alle die zahllos vielen speziellen Vorintelligenzen vereinigt beisammen, und das bewirkt, daß die Menschenseele aus sich alle Dinge wohl erkennen und verständig beurteilen kann, aber ein spezielles Rückerinnern an die früheren Bestands- und Seinsstufen ist darum nicht denkbar und möglich, weil in der Menschenseele aus den endlos vielen Sonderseelen nur ein Mensch geworden ist. 12. Wenn aber der Mensch von dem Geiste alles Lebens und Lichtes vollends durchdrungen wird, so wird er solche Ordnung auch also in sich erschauen, wie Ich Selbst sie in Mir ewig und allzeit erschaue, daß nämlich aus Mir alles besteht und Ich Alles in Allem bin. – Und nun sage Mir, du Freund Lazarus, ob du das alles nun auch wohl begriffen hast! Und es steht auch einem jeden von euch frei, sich darüber zu äußern.“ Kapitel 30 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 30. — Vom Wissen der Zukunft 1. Sagte nun Lazarus: „Herr und Meister! Diese Deine nunmalige Erklärung übertrifft alles, was wir bis jetzt von Dir gehört und gesehen haben, und es wird mir erst jetzt vollends klar, warum Du Selbst zu uns Menschen als Selbst Mensch gekommen bist, um uns zu belehren über Gott und über uns selbst: weil wir von Dir aus bestimmt sind, ewig fortzuleben in der höchstmöglichen Selbständigkeit, was wir aber erst durch unsere Selbsttätigkeit nach Deiner Lehre uns frei erringen müssen, wollen und mit Deiner Hilfe auch werden. 2. Jetzt erst haben wir einen vollständig richtigen Begriff über Dich und auch über uns selbst und wissen auch, warum dies und jenes zu tun notwendig ist; denn ohnedem wäre es wohl keinem Menschen möglich, das wahre, ewige Leben zu erringen. Nun kennen wir das Wesen Gottes wahrhaft und kennen aber auch uns selbst. Nun ist es also denn auch ein leichtes, auf dem wohl erleuchteten Wege zum Leben fortzuwandeln. Aber wie viele tausendmal Tausende von Menschen haben keine Ahnung von allem dem und sind genötigt, den Weg des Verderbens fortzuwandeln! Wann sie möglich daraus, so wie wir nun, werden erlöst werden können, das weißt Du allein; uns aber bleibt nur der Wunsch übrig, daß die Menschenseelen sobald als möglich aus der zu großen Drangsal möchten befreit werden. Denn je heller und freier wir nun durch Deine Gnade werden, desto mehr und tiefer fühlen wir auch das Unglück aller derer, denen diese Gnade nicht zuteil wird. 3. Aber was läßt sich da machen? Wenn Du Selbst das also zuläßt aus Dir bekannten, sicher höchst weisen Gründen, so muß das denn auch uns also recht sein. Aber wie lange wird das noch dauern, bis alle Menschen auf der ganzen Erde eines Glaubens, eines Lichtes und eines wahren Brudersinnes werden?“ 4. Sagte darauf auch Agrikola: „Ja, das ist auch fortwährend mein Kummer! Auch mich fängt mein stets helleres Licht im Herzen darum ganz ordentlich zu beengen an, weil ich dabei den Abstand der andern, beinahe gesamten Menschheit nur zu klar erschaue. Herr und Meister, Dir ist die Zukunft so bekannt, wie Dir sicher alle unsere Gedanken und Wünsche bekannt sind, und so könntest Du uns schon auch eine ganz bestimmte Zeit angeben, in der doch sicher der größte Teil der Menschen sich eines höheren und wahren Lebenslichtes wird zu erfreuen haben!“ 5. Sagte Ich: „Es ist dem Menschen, solange er auf dieser Erde als im Geiste noch nicht völlig wiedergeboren wandelt, eben nicht gar besonders zum Guten dienlich, wenn er um gar zu vieles weiß, und die ihm zu klar enthüllte Zukunft würde sein noch zu wenig starkes Gemüt erdrücken und leicht zur Verzweiflung bringen. 6. Bedenke du nur den einzigen Umstand, wie es den Menschen zumute wäre, so sie ganz bestimmt wüßten, in welcher Zeit und Stunde sie dem Leibe nach sterben werden! Es ist ihnen schon unangenehm zu wissen, daß sie sicher sterben müssen; wie noch unangenehmer wäre es ihnen, auch das Jahr, den Tag und die Stunde zu wissen, wann der Leibestod über sie kommen werde! 7. Ah, etwas ganz anderes ist es mit dem hier schon völlig im Geiste alles Lebens wiedergeborenen Menschen, der sein künftiges Leben schon in aller Klarheit in sich hat und allerwahrst und lebendigst fühlt! Der kann seines Leibes Ziel und Ende schon ganz genau zum voraus wissen; denn die Zeit der Abnahme der schweren Bürde wird ihn nicht mit Trauer, sondern nur mit einer höchsten Freude erfüllen. Aber bei einem gewöhnlichen Menschen würde solch eine bestimmte Voraussicht sicher von einer höchst traurigen Wirkung sein. 8. Darum forschet auch ihr nicht zu emsig nach der Gestaltung der Zukunft, sondern begnüget euch mit dem, was ihr als zum Heile eurer Seele Nötiges wisset, und dann auch mit dem, daß Ich in Meiner Liebe und Weisheit darum weiß und sicher alles so werde kommen lassen, wie es zu jeder Zeit für die gute oder auch entartete Menschheit sicher noch immer am besten sein wird, und ihr werdet dann auch jede böse und gute Zukunft erträglich finden! 9. Wenn ihr aber selbst im Geiste des Lebens werdet wiedergeboren sein, so werdet ihr auch in die Zukunft zu schauen imstande sein und werdet darob nicht betrübt und schwach werden. 10. Wie es sich aber in der ferneren Zukunft gestalten wird, habe Ich erstens durch die Nachterscheinung schon ziemlich klar gezeigt und noch klarer in der Erklärung der zwei Kapitel des Propheten Jesajas, und Ich werde euch schon noch ein Weiteres von dem Ende der eigentlichen argen Menschenwelt zeigen, womit ihr zwar auch nicht besonders zufrieden sein werdet. Aber in dieser nunmaligen Mitternachtsstunde lassen wir die Sache noch auf sich beruhen; denn wir haben noch um vieles notwendigere Dinge miteinander zu besprechen und zu verhandeln. Wer von euch denn noch etwas hat, der frage, und Ich werde ihn erleuchten.“ Kapitel 31 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 31. — Agrippa erzählt sein Erlebnis mit einem besessenen Illyrier 1. Sagte hierauf Agrippa: „Herr und Meister, weil Du in dieser Nacht mit dem Lichtgeben schon einmal so freigebig bist, so möchte ich von Dir bei dieser Gelegenheit über eine sonderbare Lebenserscheinung unter den Menschen eine rechte Aufhellung haben! 2. Siehe, ich bin gleich dem Freunde Agrikola ein um recht vieles wissender und auch in manchen seltenen Dingen wohlerfahrener Mensch und kann darum auch über so manches reden, was gerade nicht jedem Menschen möglich wäre. Ich kam vor mehreren Jahren in hohen Amtsgeschäften nach Illyrien in Europa. Dieses Illyrien ist ein sehr gebirgiges und zum großen Teil auch ein ödes und hartes Land, und seine Bewohner sind darum auch wenig gebildet und haben mit dem von ihnen bewohnten Lande viele Ähnlichkeit. Sie sind hart, im Geiste wenig fruchtbar, aber dafür in allerlei Sagen und besonders in allerlei Aberglauben stark und wie ihr Land an allerlei Unkraut sehr fruchtbar. 3. Nun, in einem Flecken, wo wir Römer schon seit langer Zeit eine feste Burg haben, fand ich eine Gruppe Menschen, worunter sich auch ein paar Priester befanden. Diese hatten mit einem Menschen von etwa dreißig Jahren Alter zu tun, von dem sie mir angaben, daß er schon jahrelang von einem Kakodämon (böser Geist) besessen sei und sie nun Versuche machten, ihn von diesem zu befreien. Der Mensch sei der Sohn einer in diesem Orte angesehenen Familie, und es leide das ganze Haus, ja zuzeiten sogar der ganze Ort von diesem Menschen eine rechte Höllenqual, und doch könne der Mensch nichts dafür, da er selbst dabei der am meisten Geplagte sei. 4. Ich hielt das anfangs für eine Narrheit dieser Menschen und daneben aber auch für einen feinen Kniff der Priester, die sich irgendein dazu präpariertes Menschenindividuum ausgesucht hätten, um durch dessen vielleicht nur eingelernte Raserei das wundersüchtige Volk sich anheischiger und an sie gläubiger zu machen. Aber als ich mich bald darauf mit allen meinen Sinnen überzeugte, daß des Menschen Raserei durchaus keine natürliche sein konnte, weil seine Kraftäußerungen sich zu einer solchen Höhe steigerten, gegen die die sogenannten Herkulischen Arbeiten purste Kinderspielereien wären, so fing ich selbst an, das Vorhandensein eines Kakodämons in dem Menschen aus völliger Überzeugung zu glauben. 5. Die zwei Priester, die sich bei dem unglücklichen Menschen nach vorausgegangenen Symptomen wohl recht gut auskannten, sagten zu den andern, lauter starken Männern: ,Die Zeit des Tobens und Rasens wird bald erscheinen; darum bindet und knebelt ihn nun sogleich mit den stärksten Stricken und Ketten!‘ Denn nur dann werde den Menschen der Kakodämon verlassen, so er dessen etwa geweihte Stricke und Ketten nicht zu zerreißen imstande sein werde. 6. Darauf wurde der Mensch mit Stricken und Ketten derart zusammengeknebelt, daß nach einer solchen Knebelung hundert Herkulesse sich nimmer hätten rühren können. Darauf entfernten sich die Priester und auch die andern Menschen auf wenigstens hundert Schritte von dem Geknebelten und baten auch mich, das Gleiche zu tun. Ich tat auch, was sie mir rieten. 7. Es dauerte aber keine zwanzig Augenblicke, nachdem wir uns in der vorbesagten Ferne befanden, da erhob sich unter gräßlichem Gejauchze der Mensch pfeilschnell, zerriß in einem Augenblick Stricke und Ketten in viele Stücke, sprang darauf gleichfort gräßlich jauchzend unglaublich hoch vom Boden in die Luft, faßte dabei aber auch noch mehrere hundert Pfund schwere Steine und schleuderte sie gleich leichten Bohnen um sich herum. Als dieses Toben und Rasen bei einer Stunde lang angedauert hatte, da sank der Mensch ganz ohnmächtig auf den Boden, und wir durften uns ihm wieder nahen. 8. Die beiden Priester richteten Fragen an ihn, daß er ihnen sage, wie es ihm ergangen sei. Er aber wußte nichts von seiner Raserei, sondern erzählte nur ein Traumgesicht, nach dem er sich in einer sehr schönen Gegend befunden habe. Bei dieser kurz dauernden Erzählung war der Ton seiner Stimme ein ganz sanfter, wie der einer geduldig leidenden Mutter; aber bald änderten sich Ton und Sprache. Es ward ihm der Mund weit, wie durch eine magische Gewalt aufgesperrt und eine ganz fremde, donnerähnlich kräftige Stimme in griechischer Zunge drang aus dem weit aufgesperrten Munde an unsere Ohren mit ungefähr diesen Ausdrücken: 9. ,O ihr elenden Mücken unter Menschenlarven wollet mich da aus diesem gemieteten Hause vertreiben!? Alle römischen Heere sind das nicht imstande! Ehe noch ein Stein zur Erbauung Roms in Bereitschaft lag, ja gar lange eher war ich der berühmte König Cyaxares, der erste dieses Namens, habe die Skythen geschlagen, mit Lydien Krieg geführt. Meine zweite Tochter Mandane wurde des Königs der Perser Weib und Mutter des berühmten großen Cyrus, dessen Vater Kambyses hieß. Mehr brauchet ihr nicht zu erfahren! 10. Dieses Fleischhaus aber, das ich nun beliebig bewohne und mich daraus nicht vertreiben lasse, stammt von meinem Blut, und ich besitze es darum mit Recht! Darum ist alle eure Mühe, mich daraus zu vertreiben, eine vergebliche; ich kann in diesem meinem Hause mich unterhalten, wie es mir gefällig ist!‘ 11. Auf dieses sonderbare Gespräch stieß er noch einige gräßliche Verwünschungen und Drohungen über die beiden Priester aus, riß den Menschen einige Male, worauf dieser wieder zu sich kam, sich äußerst schwach fühlte und etwas zu essen verlangte. Er wurde, als er nach zu sich genommener Speise etwas kräftiger ward, wieder befragt, ob er darum wisse, was er zuvor geredet habe. Er verneinte das mit seiner natürlichen, weichen Stimme, wohl aber erinnere er sich, daß er geschlafen habe und sich im Traume unter weißgekleideten Jünglingen befand. 12. Ich besprach mich dann sonderlich mit den Priestern und auch mit des Menschen noch lebenden Eltern und riet ihnen, daß man solch einem Menschen auf eine gute Art das Leben nehmen sollte, so werde der Kakodämon dann sein Haus wohl verlassen müssen. Aber da versicherten mir alle, daß dies so gut wie rein unmöglich wäre und der, welcher so etwas unternähme, sich selbst in die größte Lebensgefahr begeben würde. Es habe das schon einer versucht, sei aber sehr böse zugerichtet davongekommen. Ich bin bald darauf von dem unseligen Orte abgezogen und habe mir dieses treu erlebte Faktum wohl notiert, habe es auch oft schon weisen Menschen erzählt, auch hier den Juden schon, aber von einer nur einigermaßen genügenden Erklärung darüber war da noch nie eine Rede. 13. Man erzählte mir wohl auch manches von Menschen, die von Teufeln oder bösen Geistern besessen seien, und daß es sehr schwer sei, solche Leidende zu heilen; aber niemand wußte mir zu sagen, wer eigentlich solche Teufel oder böse Geister seien, und wie sie in einem armen und schwachen Menschen sich einbürgern und dessen Natur gänzlich beherrschen mögen und dürfen. Oft fände man schon Kinder, die von den bösen Geistern jämmerlich geplagt werden. 14. Herr und Meister, was ist da wohl dahinter? Betrug von seiten eines solchen unglücklichen Menschen ist da wohl sicher keiner möglich; denn das, was ich an dem Illyrier erlebt habe, war sicher so ferne von einem Betruge wie von einem Ende der Welt bis zum andern.“ Kapitel 32 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 32. — Der Herr erklärt das Wesen der Besessenheit 1. Sagte Ich: „Deine Erfahrung ist eine ganz richtige, und Ich Selbst habe hier im Lande der Juden und auch bei den Griechen mehrere von solchen Übeln befreit. Es gibt demnach wirklich solche Menschen, die von bösen Geistern auf eine Zeitlang, im Fleische aber nur, in Besitz genommen werden, ohne dadurch der Seele eines solchen Besessenen nur im geringsten schaden zu können. 2. Die das Fleisch eines Menschen in Besitz nehmenden argen Geister sind im Ernste Seelen verstorbener Menschen, die einst auf der Welt ein arges Leben geführt haben, und das wohl wissend, daß ihr Tun ein böses war. 3. Es kommt aber das Besessensein nur unter jenen Menschen vor, bei denen der Glaube an einen Gott und an die Unsterblichkeit der Seele rein gar geworden ist. 4. Diese an sich schlimm aussehenden Vorkommnisse in den glaubensfinsteren Zeiten sind demnach eine Zulassung, damit die Ungläubigen darin eine derbe Mahnung erhalten, daß ihr Unglaube ein eitler ist, und daß es nach dem Abfalle des Leibes ein sicheres Fortleben der Seele des Menschen gibt und sicher auch einen Gott, der die Bosheit und Dummheit der Menschen auch jenseits gar wohl zu züchtigen imstande ist. 5. Der arge Geist, der da das Fleisch eines Menschen in Besitz nimmt, erfährt trotz seines bösen Sträubens die für ihn kaum erträglichen Demütigungen und wird darauf in sich sanfter und lichter; und die Zeugen vom Vorkommen solcher Zustände werden aus ihrem zu materiellen und finsteren Lebenswandel wie mit Gewalt gerissen, fangen an, über Geistiges nachzudenken, und werden besser in ihrem Tun und Lassen. 6. Und so hat diese unter den Menschen vorkommende und sehr schlimm aussehende Sache auch wieder in den Zeiten der größten Glaubensnot ihr entschieden Gutes, wie du das bei deinen Illyriern sicher selbst wahrgenommen hast. 7. Die beiden Priester, die ehedem das Volk durch allerlei magische Betrügereien an sich zu fesseln verstanden, für sich nichts glaubten, aber sich dabei dennoch bedeutende Schätze sammelten, sind durch jenen Besessenen auf ganz andere Gedanken gekommen und haben von ihren Betrügereien bedeutend abgelassen; denn der böse Geist hat es ihnen schon mehrere Male vorgedonnert, daß sie sehr elende Betrüger seien, und daß er um vieles besser sei denn sie, die ihn in ihrer Ohnmacht bekämpfen wollten. 8. Die beiden Priester glauben nun vollends an ein Fortleben der Seele nach des Leibes Tode und glauben nun an einen Gott, weil ihnen der Geist auch mehrere Male ins Gesicht geschrien hat, daß er selbst als ein böser Geist um gar vieles mehr sei als zehntausend Legionen ihrer eingebildeten Götter, mit deren Hilfe sie ihn austreiben wollten; aber es gäbe nur einen wahren Gott, dem er gehorchen würde, so dieser ihm geböte, aus dem Fleischhause zu ziehen. 9. Solches aber vernahmen auch die andern Menschen und sind darum auch eines andern und besseren Glaubens geworden, und es ist somit solch ein Besessensein eben nicht immer etwas gar so Schlechtes und von Gott wie ungerecht Zugelassenes, wie es sich die menschliche Vernunft vorstellt. 10. Bei Menschen, die im wahren und lichtvoll lebendigen Glauben sind, kommt das Besessensein schon gar nie vor, weil des Menschen Seele und der Geist in ihr auch den Leib also durchdringen, daß da kein fremder und etwa auch noch arger Geist in ein lauteres und durchgeistigtes Fleisch dringen kann; aber wo die Seele eines Menschen finster, fleischlich und materiell geworden ist und dadurch auch ängstlich und furchtsam, krank und schwach, daß sie einem fremden Eindringling keinen Widerstand leisten kann, da geschieht es auch leicht, daß dann und wann die argen Seelen, die sich nach dem Austritt aus dem Leibe zumeist in jenen niederen Regionen dieser Erde aufhalten und ihr Unwesen treiben, wo die Menschen ihres Gelichters im Fleische leben, in den Leib irgendeines schwachen Menschen dringen, sich zumeist im sinnlichsten Unterleibe ansetzen und sich als fremde und stets arge Geister durch das Fleisch des Besessenen nach außen hin zu äußern anfangen. 11. Für die Seele aber erleidet der Besessene niemals einen Schaden, wie Ich das schon gleich anfangs bemerkt habe, und so ist das Besessensein, wie auch schon gesagt, eben nicht so etwas Arges, wie es den Menschen vorkommt. 12. Wo ihr aber in der Folge solche Besessene antreffen werdet, da leget ihnen in Meinem Namen die Hände auf, und die argen Geister werden den Besessenen verlassen. Solltet ihr aber irgendeinen treffen, der von einem hartnäckigen Geiste besessen ist, den bedrohet, und er wird dann sogleich gehorchen dem, der ihn ernst und vollgläubig in Meinem Namen bedroht hat! Denn wo durch euch Meine Lehre den Menschen gepredigt wird, da ist es nicht mehr nötig, daß auch die Teufel den ganz gefallenen Glauben aus dem Fleische eines Besessenen bei den Menschen aufrichten sollen. Wo die Engel lehren, da sollen die Teufel in die Flucht geschlagen werden! 13. Was aber nun jenen illyrischen Besessenen betrifft und auch seine Umgebung, so lebt er noch und ist nun von seiner Plage befreit, und seine Umgebung glaubt nun an einen, ihnen freilich noch unbekannten Gott, wie auch an die Unsterblichkeit der Seele, und so jemand von euch in der Bälde dahin kommen wird in Meinem Namen, so wird er bei jenen Menschen und auch im weiten Umkreise jenes Landes ein leichtes haben, jene Menschen zum wahren Glaubenslichte zu bekehren und ihren Aberglauben zu vernichten. – Hast du, Agrippa, das nun wohl verstanden?“ Kapitel 33 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 33. — Die Örtlichkeit der Geisterwelt 1. Sagte Agrippa: „Herr und Meister, das ist mir nun, wie auch sicher den andern, klar, und ich danke Dir für dieses Licht. Doch etwas Kleines habe ich dabei noch zu bemerken, und das besteht darin, daß Du uns auch anzeigen möchtest, wo sich örtlich im Vergleich mit dieser Erde die eigentliche Geisterwelt befindet. Du hast in Deiner Rede zwar wohl so ein Fünklein fallen lassen, aber ich konnte daraus noch nicht völlig klug werden. Wenn es Dir genehm wäre, so möchte ich Dich wohl darum bitten, mir auch in dieser Hinsicht das Geeignete zu sagen.“ 2. Sagte Ich: „Es hat zwar alle Geisterwelt, wie Ich das schon einige Male dargetan habe, mit dem Raume und der Zeit dieser materiellen, gerichteten und somit unfreien Welt durchaus nichts mehr zu tun; aber er (der Raum), als eine äußerste Hülle, ist am Ende dennoch der Träger aller Himmel und aller Geisterwelten, weil diese sich irgend außerhalb des unendlichen Schöpfungsraumes nirgends befinden können. Und so muß es, um klar und für euch verständlich zu reden, auch gewisse Räumlichkeiten geben, in denen sich die Geisterwelten wie örtlich befinden, obschon besonders einen vollendeten Geist die Örtlichkeit des Raumes ebensowenig angeht wie dich nun dieser Ölberg, wenn du dir Rom oder Athen denken willst, denn für den Geist gibt es sogestaltig weder einen bestimmten Raum noch irgendeine gemessene Zeit. 3. Aber was das sogenannte individuelle Wesen eines Geistes betrifft, so kann es sich dennoch sowenig wie Ich nicht völlig außer Raum und Zeit befinden; und so befinden sich denn auch die Seelen der von dieser materiellen Welt Abgeschiedenen in einer bestimmten örtlichen Räumlichkeit, obwohl besonders die lebensunvollendeten keine Ahnung davon haben, – sowenig wie du in einem Traume, in dem du dich zwar auch bald in dieser und bald in einer ganz anderen Gegend recht behaglich und sogar tätig befindest, ohne dabei die materiell- räumliche Örtlichkeit für dein persönliches Individuum auch nur um eine Linie zu verändern. 4. Du willst aber von Mir die eigentliche, gleichsam stabile Örtlichkeit kennenlernen, in der sich besonders die lebensunvollendeten Seelen nach dem Tode des Fleisches befinden, und Ich will dir das denn auch treulich kundgeben. Und so höre Mich denn und verstehe Mich wohl, was Ich dir darüber sagen werde! 5. Wenn ein Mensch in seinem Leibesleben eine besondere Liebe für diesen oder einen andern Ort auf der materiellen Welt hatte, so bleibt er auch als abgeschiedene Seele in demselben Ort, oft viele hundert Jahre lang und wird dessen auch, wenn auch unklar, zuweilen inne auf dem Wege der geistigen Entsprechungen. 6. Wo du demnach auf dieser Erde einen Ort hast, da hast du auch schon eine Örtlichkeit für die Welt der Geister, die in sich aber freilich wohl keine materielle, sondern nur eine geistige ist, weil sie aus der gewissen Phantasie der Geister mittels ihres Willens entsteht. 7. Du kannst demnach eine solche von dir selbst geschaffene Welt kreuz und quer durchreisen, bleibst aber als Individuum dennoch fest in ein und derselben materiellen Örtlichkeit. 8. Es sei aber zum Beispiel ein Mensch, der eine große Sehnsucht dahin in sich trägt, den Mond, die Sonne und auch die Sterne näher kennenzulernen. Wenn eines solchen Menschen Seele entleibt wird, so ist ihre materielle Örtlichkeit auch schon dort, wohin sie ihre Liebe gezogen und gestellt hat. Dort wird sie auch bald durch die Geister jener Welten in Verkehr treten und ihre dortigen Anschauungen und Studien in tätigsten Angriff nehmen. 9. Ist eine Seele aber hier schon von der Liebe zu Gott vollends durchdrungen, so wird ihre materiell-individuelle Bestandsörtlichkeit zwar aus der Nähe dieser Erde als der Erziehungswiege für die Kinder Gottes nicht verändert, aber sie wird durch Mich dennoch im hellsten Lebenslichte die ganze Unendlichkeit nach dem stets steigenden Bedürfnisse ihrer Intelligenz und daraus hervorgehenden Seligkeit durchwandern können, ohne dabei die materiell-räumliche Örtlichkeit für ihr individuelles Sein auch nur um eine Linie verändern zu dürfen, gleichwie auch Ich sie im Geiste nicht verändere und dennoch allenthalben in der ganzen Unendlichkeit zugleich gegenwärtig bin. 10. Ein Mehreres und Tieferes kann Ich dir darüber jetzt nicht sagen; wenn du aber im Geiste selbst wiedergeboren sein wirst, so wirst du auch noch ein Mehreres sonnenklar verstehen. – Hast du nun das wohl verstanden?“ 11. Sagten hierauf Agrippa und auch viele andere: „Herr und Meister, wir danken Dir für diese Deine uns allen sehr nötig gewesene Erklärung; denn wir alle hatten die Gelegenheit zu öfteren Malen, Besessene aller Art und Gattung zu sehen und zu beobachten, und wußten uns die Sache unmöglich anders zu erklären, als daß solche Unglücklichen von ganz wirklichen Teufeln besessen und somit auch ihre Beute sind, wenn sie ihrer nicht los werden können. 12. Unter solcher Beurteilung über das Vorkommen des Besessenseins waren wir genötigt, entweder den Besessenen selbst als einen gröbsten Sünder und von Gott schon auf dieser Welt als vollends verdammt anzusehen, oder wir zuckten da über die Liebe und höchste Gerechtigkeit Gottes besonders dann heimlich mit unseren Achseln, wenn wir uns oft von der Unbescholtenheit des Besessenen sowohl als auch von der Frömmigkeit seiner Eltern gelegentlich nach allen Richtungen hin überzeugen konnten, was uns wahrlich nicht zu verargen war. Aber nun hat diese Sache freilich ein ganz anderes Gesicht bekommen, und wir sind über die Maßen froh, daß wir durch Deine Gnade auch da ins reine gekommen sind.“ 13. Sagte Ich: „Nun, wohl denn also, so ihr nun auch in dieser Sphäre im klaren seid, da haben wir bis zum Morgen noch bei vier Stunden Zeit, uns noch über so manches zu besprechen und ins reine zu stellen. Wenn jemand von euch irgend im unklaren ist, so frage er laut, und es soll ihm ein rechtes und helles Licht werden; denn euch will Ich es geben, das Geheimnis alles Gottesreiches wohl zu verstehen!“ Kapitel 34 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 34. — Das Wesen Satans 1. Hier trat wieder einer der zu Emmaus bekehrten Pharisäer, der ein Schriftgelehrter war, auf und sagte: „Herr und Meister! Wir wissen nun wohl, was es mit den Besessenen der Wahrheit nach für eine Bewandtnis hat, und wer im Grunde die argen Geister sind, von denen hie und da eine Menschennatur in Besitz genommen wird; aber es wird in der Schrift dennoch von den wirklichen, urerzbösen Teufeln und von ihrem Fürsten, dem Satan, sehr augenfällig gesprochen und auch gesagt, daß der Satan, auch Luzifer genannt, und eine zahllose Menge der nach ihm sich gerichtet habenden Engel von Gott verstoßen und ins ewige Höllenfeuer verworfen worden sind. 2. Also steht es auch geschrieben, wie eben der Satan in der Gestalt einer Schlange die ersten Menschen zum Falle brachte, und wie Gott durch ihn den frommen Hiob versuchen ließ. 3. Was hat es nun nach Deiner neuen Lehre mit dem Satan und mit seinen ihm untergeordneten Teufeln für eine Bewandtnis? Wer und wo ist der Satan, und wer und wo sind die Teufel? 4. Wenn es uns schon von Dir aus gegönnt ist, das gesamte Geheimnis des Gottesreiches zu verstehen, so müssen wir auch in dieser Sache im klaren sein, und Du wolle uns großgnädig darüber eine verständliche Aufklärung geben!“ 5. Sagte Ich: „Darüber ist von Mir schon vieles gesagt und erklärt worden, und Meine älteren Jünger wissen es, woran sie sind; aber da du bei Mir noch ein Neuling bist, so magst du wohl danach fragen, was dir noch nicht verkündet ward, und so magst du Mich vernehmen! 6. Siehe, was der endlose Raum als eine Materie in sich faßt, das ist gerichtet und dadurch gefestet durch die Macht des Willens Gottes! Wenn es nicht also wäre, da befände sich keine Sonne, kein Mond, keine Erde und gar keine Kreatur im ganzen endlosesten Raume; nur Gott allein bestünde in der Anschauung Seiner großen Gedanken und Ideen. 7. Gott aber hat schon von Ewigkeit her Seine Gedanken wie gleichsam aus Sich hinausgestellt und sie verkörpert durch Seinen allmächtigen Willen. Diese verkörperten Gedanken und Ideen Gottes aber sind dennoch keine so ganz eigentlichen Körper, sondern sie sind gerichtetes Geistiges und Gefäße zur Ausreifung für ein selbständiges Sein. Es sind das sonach Geschöpfe, bestimmt, wie aus sich und aus eigener Kraft neben Mir, dem ihnen sichtbaren Schöpfer, für ewig fortzubestehen. 8. Alle Kreatur als ein gerichtetes Geistiges ist gegen das schon Rein- und Freigeistige noch unrein, unreif, daher noch nicht gut, und kann dem reingeistig Guten gegenüber als an und für sich noch schlecht und böse angesehen werden. 9. Verstehe sonach unter ,Satan‘ im allgemeinen die ganze materielle Schöpfung und unter ,Teufel‘ das getrennte Spezielle derselben. 10. Wenn ein Mensch auf dieser Welt nach dem erkannten Willen Gottes lebt, so erhebt er sich dadurch aus der geschöpflichen Gefangenheit und geht in die ungeschöpfliche Freiheit Gottes über. 11. Ein Mensch aber, der an einen Gott nicht glauben und darum auch nicht handeln will nach dessen den Menschen geoffenbarten Willen, versenkt sich dann stets mehr und mehr und tiefer und tiefer in das geschaffene Materielle und wird geistig unrein, schlecht und gerichtet böse und somit ein Teufel; denn alles pur Geschaffene und Gerichtete ist, wie schon gezeigt, dem ungeschaffenen Rein- und Freigeistigen gegenüber unrein, schlecht und böse, nicht aber etwa darum, als hätte Gott aus Sich je etwas Unreines, Schlechtes und Böses erschaffen können, sondern nur in und für sich darum, weil es erstens des Daseins wegen notwendig ein Geschaffenes sein muß, begabt mit Intelligenz und Tatkraft und im Menschen auch mit freiem Willen, und zweitens, weil es in sich das geschaffen Gegebene, um zur möglichen Selbständigkeit zu gelangen, selbsttätig zu verwenden und wie in sein Eigentümliches zu verkehren hat. 12. Vor Gott aber gibt es nichts Unreines, nichts Schlechtes und nichts Böses; denn Dem Reinen ist alles rein, und alles ist gut, was Gott geschaffen hat, und Gott gegenüber gibt es denn auch keinen Satan, keinen Teufel und somit auch keine Hölle. Nur das Geschaffene in und für sich ist alles das so lange, als es ein Geschaffenes und Gerichtetes zu verbleiben hat und endlich im Besitze des freien Willens, ob gut oder böse, verbleiben will. 13. Wenn es denn in der Schrift heißt, daß Satan in der Gestalt einer Schlange das erste Menschenpaar verführt habe, so will das soviel sagen als: Das erste Menschenpaar, das Gott und Seinen Willen wohl kannte, hatte sich von der Anmut der materiellen Welt bestechen lassen, und ihres gerichteten Fleisches Begehren und Stimme sagte: ,Wir wollen sehen, was daraus wird, so wir einmal dem wohlerkannten Willen Gottes zuwiderhandeln! Denn Gott Selbst hat uns das Handeln freigestellt; wir können dadurch an unserer Erkenntnis ja nichts verlieren, sondern nur gewinnen. Denn Gott weiß es sicher, was uns durch ein freies Handeln werden kann, wir aber wissen es nicht; darum handeln wir einmal nur nach unserem Sinn, und wir werden dann durch die Erfahrung auch das wissen, was nun Gott allein weiß!‘ 14. Und siehe, also aßen die beiden von dem verbotenen Baume der Erkenntnis auf dem Wege der selbst machen wollenden Erfahrung und versanken dadurch um einen Grad tiefer in ihr gerichtetes Materielles, das dem freien Geistleben gegenüber auch ,der Tod‘ genannt werden kann. 15. Sie erkannten darauf wohl, daß in ihrem Fleische das Mußgericht und der Tod daheim ist, der bei der steigenden Weltliebe auch die freie Seele in sein Gericht und in seine Unfreiheit begraben kann, und so verloren sie denn auch das reine Paradies, das in der vollen Einung der Seele mit ihrem Geiste bestand, und mochten aus sich heraus dasselbe wohl nicht völlig wiederfinden; denn ihre Seele war vom Stachel der Materie verletzt worden und hatte dann viel zu tun, um sich noch so frei als möglich über dem Gerichte des geschaffenen Muß zu erhalten, wie das nun bei allen Menschen der Fall ist, – und Ich bin darum in diese Welt gekommen, um den Menschen wieder den wahren Lebensweg zu zeigen und das verlorene Paradies durch Meine Lehre wiederzugeben. 16. Also ist es auch bei Hiob der Fall. Hiob war ein irdisch äußerst glücklicher Mann und hatte viele Güter. Er war aber auch ein weiser und Gott sehr ergebener Mensch, der strenge nach dem Gesetze lebte. Sein außerordentlicher Wohlstand machte aber dennoch sein Fleisch mehr und mehr begierlich und machte große Anforderungen an den Geist in ihm. 17. Der gerichtete Geist des Fleisches sagte gewisserart zur Seele: ,Ich will denn doch sehen, ob ich dich durch alle meine irdischen Freuden und Leiden von deinem Gott nicht abziehen, dich in deiner Geduld nicht ermüden und nicht in mein Mußgericht setzen kann!‘ 18. Da kostete es Hiob einen mächtigen Kampf; denn einerseits standen ihm alle irdischen Freuden zu Gebote, die er zwar genoß, aber dieselben übten über seine Seele dennoch keine Herrschaft aus, und sie blieb mit dem Geiste im Verbande. 19. Da aber der arge Geist der Materie mit der Seele auf diese Art nichts ausrichtete, so ward die Seele Hiobs durch allerlei körperliche Unannehmlichkeiten versucht, die bildlich im Buche dargestellt sind. Aber Hiob bestand sie alle mit Geduld, obschon er hie und da murrte und über seine Not klagte, aber am Ende dennoch allzeit offen bekannte, daß ihm Gott zuvor alles gegeben, nun weggenommen und ihm wiedergeben könne, und das noch mehr, als Er ihm genommen hatte wegen der Vollstärkung der Seele im Geiste. 20. Wenn aber also, wer war dann der Satan, der den frommen Hiob so sehr versuchte? Es war der gerichtete Geist seines Fleisches, das heißt dessen verschiedenartige Begierlichkeiten! 21. Aber einen gewissen persönlichen Ursatan und persönliche Urteufel hat es in der Wirklichkeit niemals woanders gegeben als nur in der gerichteten Weltmaterie aller Art und Gattung. Daß aber der Satan und die Teufel von den alten Weisen unter allerlei Schreckensbildern dargestellt wurden, hat den Grund darin, damit die Seele unter allerlei argen Formen sich einen Begriff bilde, welch eine Not ein freies Leben zu erleiden hat, so es sich wieder von dem Gerichte der Materie gefangennehmen läßt.“ Kapitel 35 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 35. — Über die Persönlichkeit des Satans 1. (Der Herr:) „Ich Selbst habe Meinen ersten Jüngern einmal den Satan in einem entsprechenden Bilde auftreten lassen, und sie entsetzten sich gewaltigst vor demselben. Desgleichen geschah auch zu öfteren Malen bei den Altvätern dieser Erde; doch damals ward keine Erklärung darum wörtlich hingesetzt, weil die Alten, aus dem Geiste Weise, die bildliche Darstellung auf dem Wege der inneren Entsprechungen wohl verstanden und darum auch sagten: Erschrecklich ist es, in die Gerichtshände Gottes zu fallen, das heißt: Erschrecklich ist es für eine Seele, die schon einmal zum vollen Selbstbewußtsein gelangt ist, sich wieder von dem nie wandelbaren Gerichtsmuß des göttlichen Willens in der Materie gefangennehmen zu lassen. 2. Daß dieses für die Seele als etwas Erschreckliches bezeichnet wird, das lehrt jedermann die Erfahrung eines Sterbenden, der zuvor nicht die volle Wiedergeburt im Geiste erlangt hat. 3. Warum fürchtet sich denn solch eine Seele gar so sehr vor dem Tode ihres Leibes? Weil sie, als noch in sein Mußgericht verstrickt, auch mit zu sterben wähnt! Daß das also der Fall ist, das könnet ihr bei allen jenen ersehen und wohl erkennen, die darum an ein Fortleben der Seele nach dem Tode des Leibes entweder gar nicht oder nur schwer glauben, weil sie auch entweder ganz oder zum größten Teil im Gerichte ihres Fleisches steckt und somit auch dessen Tod mitempfinden muß auf so lange hin, als sie nicht von demselben durch Meinen Willen völlig getrennt wird. 4. Da ihr nun aber hoffentlich wohl erkennen werdet, was es mit dem eigentlichen Satan und seinen Teufeln für eine wahre Bewandtnis hat, so werdet ihr daraus auch von selbst in euch darüber klarwerden können, daß es auch mit der Hölle die gleiche Bewandtnis haben muß. Sie ist gleich dem Satan in sich das ewige Mußgericht, also Welt und ihre Materie. 5. Warum aber wird der Satan auch ein Fürst der Finsternis und der Lüge genannt? Weil alle Materie das nicht ist, was sie zu sein scheint, und wer sie in seiner Liebe dem Scheine nach erfaßt und sich von ihr gefangennehmen läßt, der befindet sich denn auch offenbar im Reiche der Lüge und, der Wahrheit gegenüber, im Reiche der Finsternis. 6. Wer zum Beispiel die sogenannten Schätze aus dem Reiche der toten Materie zu sehr liebt, sie für das hält und schätzt, was sie zu sein scheinen, und nicht für das, was sie der Wahrheit nach sind, der befindet sich dadurch schon im Reiche der Lüge, weil seine Liebe als der Grund seines Lebens sich in sie wie ganz blind versenkt hat und sich höchst schwer aus solcher Nacht zum Lichte der vollen Wahrheit wieder emporschwingen kann. 7. Wer aber das Gold nur als eine entsprechende Erscheinlichkeit betrachtet, durch die das Gute der Liebe in Gott, wie durch das reine Silber die Wahrheit der Weisheit in Gott, dargestellt wird, der kennt denn auch den wahren Wert des Goldes und Silbers, steht somit im Reiche der Wahrheit, und seine Seele wird nicht erstickt im trüglichen Scheine und dessen Gericht. 8. So hatten denn bei den Alten und allen Propheten Gold, Silber und die verschiedenen Arten der Edelsteine nur allein die wahre Bedeutung; als Materie aber hatten sie keinen Wert und konnten darum einer Seele auch nicht gefährlich werden. Aus der Erkennung des wahren Wertes der Materie erkannten sie auch leicht und bald deren naturmäßige Tauglichkeit und Brauchbarkeit und schöpften daraus den wahren Nutzen. 9. Als aber mit der Zeit die Menschen die Materie ihres Glanzes und ihres Scheines wegen zu schätzen und zu achten anfingen, da gingen sie in ihr Gericht über, wurden blind, hart, habgierig, geizig, lügnerisch, zänkisch, betrügerisch, hochmütig, böse und kriegs- und eroberungssüchtig und gerieten dadurch ins Götzen- und Heidentum und somit auch in die eigentliche Hölle, aus der sie ohne Mich nicht erlöst werden konnten. 10. Darum mußte Ich Selbst die Materie anziehen, mit ihr das Gericht, und muß es durchbrechen, damit Ich dadurch zur Eingangspforte ins ewige Leben werde für alle Gefallenen, wenn sie durch diese Pforte zum Leben eingehen wollen. Darum auch bin Ich die Tür zum Leben und das Leben Selbst. Wer nicht durch Mich eingeht, der kommt nicht zum Leben im Lichte der ewigen Wahrheit und der Freiheit, sondern bleibt gefangen im Gerichte der Materie. 11. Nun aber ergibt sich noch eine Frage von selbst, und diese lautet: Gibt es denn sonach im Ernste keinen persönlichen Satan und keine persönlichen Teufel? 12. Und Ich sage: O ja, es gibt deren schon hier, noch im Fleische wandelnd, und noch um ein Großes mehr im großen Jenseits, die auch fort und fort bemüht sind, einen argen Einfluß auf das Diesseits auszuüben, und das einmal durch die rohen Naturgeister, die noch in allerlei Materie weilen, der bestimmten Ausreifung wegen, und dann aber auch unmittelbar durch gewisse geheime Einflüsterungen, Anreizungen und Verlockungen. Sie merken bei den Menschen gar wohl die verschiedenen Schwächen und Anlagen zu denselben, bemächtigen sich derselben und fachen sie zu glühenden Leidenschaften an. 13. Ist aber eines Menschen Schwäche einmal zur glühenden Leidenschaft geworden, dann befindet er sich schon ganz in dem Zustande des Gerichtes der Materie und ihrer argen Geister, und es ist für ihn dann schwer, sich davon loszumachen. 14. Der Satan ist die Zusammenfassung des gesamten Materiemußgerichtes, und was seine Persönlichkeit betrifft, so ist diese an und für sich nirgends da, wohl aber ist sie als ein Verein aller Art und Gattung von Teufeln nicht nur dieser Erde, sondern aller Welten im endlosen Schöpfungsraume anzusehen, gleichwie auch nach Meiner euch schon gegebenen Erklärung alle die zahllos vielen Hülsengloben am Ende ihrer gemeinsamen Zusammenfassung einen übergroßen Schöpfungsmenschen darstellen. 15. Im kleineren ist freilich auch ein Verein aller Teufel eines Weltkörpers ein Satan, und im kleinsten Maße ein jeder einzelne Teufel für sich. 16. Solange es aber keinen Menschen auf einem Weltkörper gab, gab es auf demselben auch keinen persönlichen Teufel, sondern nur gerichtete und ungegorene Geister in aller Materie eines Weltkörpers; zur Materie aber gehört alles, was ihr mit euren Sinnen wahrnehmet. 17. Aber das könnet ihr auch annehmen, daß es nun wohl auf keinem Weltkörper ärgere und bösere Teufel gibt als eben in und auf dieser Erde. Wenn es ihnen zugelassen wäre, so würden sie die Erde und ihre Bewohner gar arg zurichten – aber es wird das nicht zugelassen –, und damit die Teufel das nicht tun können, so sind sie eben darum mit aller Blindheit und somit auch mit der größten Dummheit behaftet, und ihre Vereine gleichen jenen Sicherheitsanstalten dieser Erde, in denen die argen Narren und Wahnsinnigen festgehalten werden, auf daß sie den andern Menschen nicht schaden können. 18. Aus dem bisher Gesagten könnet ihr alle nun wohl mit voller Vernunft und erleuchtetem Verstande einsehen, was es mit dem Satan und mit seinen Teufeln für eine Bewandtnis hat, und habt nun nicht mehr nötig, darüber um ein Weiteres zu fragen. – Und nun sage du, Schriftgelehrter, ob du das alles auch wohl verstanden hast!“ Kapitel 36 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 36. — Die Örtlichkeit der persönlichen Teufel 1. Sagte darauf der Schriftgelehrte: „Ja, Herr und Meister, denn Du hast über diese Sache nun so klar und umfassend als möglich gesprochen und hast uns dabei Deine Schöpfungsart und -weise ordentlich wie ganz zergliedert gezeigt, und so mußte uns die Sache ja vollends klarwerden, das heißt, insoweit es dem immerhin beschränkten Menschenverstande klarwerden kann, denn das Wissen allein ist noch lange kein alles durchdringendes Schauen; aber es genügt uns, weil wir das, was wir wissen, völlig vom Grunde aus wissen. 2. Aber da Du uns nun schon so vieles über diese schwer zu fassenden Dinge gesagt hast, so wolle uns nun dazu noch die Örtlichkeiten des Aufenthaltes der persönlichen Teufel etwas näher bezeichnen, auf daß wir dieselben meiden können; denn so sich ein Mensch oder auch eine ganze Gesellschaft in einer solchen Örtlichkeit unwissend befände, so könnte ihr das am Ende sehr übel zustatten kommen. Darum wolle Du auch in dieser Hinsicht die Gnade haben, uns das ein wenig näher zu beleuchten!“ 3. Sagte Ich: „Du denkst noch sehr materiell! Was liegt denn an irgendeiner gewissen Örtlichkeit, in der sich irgend geistige Teufelspersönlichkeiten besonders aufhalten könnten? 4. Wenn deine Seele aus Mir nur rein und stark ist, so kann sie sich in der ärgsten Teufel Vereine befinden, so werden sie ihr nicht im geringsten einen Schaden zufügen können. Denn eine reine und aus Mir starke Seele befindet sich mitten unter zahllosen Legionen von persönlichen Teufeln dennoch vollkommen im Reiche der Himmel, die da nicht irgend sind wie ein äußeres Schaugepränge, sondern inwendig im Herzen der vollkommenen Seele; denn also wird die Seele zu einer Mir ähnlichen Schöpferin ihres seligsten Wohnreiches, in das ewig kein persönlicher Teufel wird zu dringen vermögen. 5. Und so kann einer reinen und aus Mir starken Seele auch schon auf dieser Erde die örtliche, etwa mindere oder größere Wohnlichkeit der persönlichen Teufel wohl eine ganz gleichgültige sein; denn die reine und aus Mir starke Seele trägt allerorts ihren Himmel ebenso in und mit sich wie der persönliche Teufel seine Hölle oder sein Gericht. 6. Aber da wir nun schon davon reden, so will Ich euch gleichwohl auch die besonders wohnlichen (bewohnten) Örtlichkeiten der persönlichen Teufel etwas näher bezeichnen, und so höret denn: 7. Seht unter den Menschen jene öffentlichen Häuser und Gebäude an, in denen viel betrüglicher Handel und Wandel getrieben wird, wie zum Beispiel nun im Tempel und in vielen andern Kauf- und Verkaufhäusern! Das sind denn auch besondere Wohnörtlichkeiten für die vielen persönlichen Teufel. Also sind auch jene Häuser, in denen allerlei Unzucht, Hurerei und Ehebruch getrieben wird, ebenfalls besondere Ortswohnlichkeiten für die persönlichen Teufel. Ebenso auch sind jene Berge und Höhlen, in denen die Menschen mit großer Hast und Gier dem Golde, Silber und andern Erdschätzen nachgraben, von den persönlichen Teufeln sehr stark und mächtig bewohnte Örtlichkeiten; desgleichen Wälder und Höhlen, in denen sich Diebe, Räuber und Mörder aufhalten; also auch die Kriegslager und -felder, die Wege der kaufmännischen Karawanen und die Flüsse, Seen und Meere, auf denen ein starker Gewinnhandel betrieben wird. 8. Und weiter sind die Länder und Gründe, Wiesen, Äcker, Weinberge und Wälder der harten Heiden und auch der jüdischen geizigen und hartherzigen Reichen besonders beliebte Wohnorte für die persönlichen Teufel, imgleichen auch die Luft über und in den bezeichneten Wohnörtlichkeiten und das Feuer, die Wolken und der Regen, und auch alle Götzentempel und falschen Orakel. 9. Ferner halten sich die persönlichen Teufel gar sehr zahlreich dort auf, wo ihr eine große irdische Pracht und den mit ihr noch verbundenen starken Hochmut erschauet. 10. An Orten aber, die von Menschen nicht bewohnt werden und auch von ihren Sünden nicht verunreinigt worden sind, halten sich auch die persönlichen Teufel nicht auf, außer es bereisete sie eine weltgewinnsüchtige Menschenkarawane; dieser zuliebe würden sich dann dort auch die persönlichen Teufel bald wohnlich einfinden. 11. Nun hast du, Freund, auch das angezeigt erhalten, was du von Mir noch hattest erfahren und für dich wissen wollen. 12. Warum aber die persönlichen Teufel gerade die angezeigten Wohnörtlichkeiten lieben, das liegt für den, der das Frühere nur einigermaßen aufgefaßt hat, von selbst klar auf der Hand und bedarf darum keiner weiteren Erklärung.“ Kapitel 37 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 37. — Einblicke in die Gründe der Urschöpfung 1. Sagte der Schriftgelehrte: „Aber wie werden die Teufel dessen inne? Können sie diese Erde und auch uns Menschen samt unserem Handeln sehen?“ 2. Sagte Ich: „O ja, aber nur das, was da ist ihresgleichen. Ich sage es dir: Auch da versammeln sich schnell die bösen Geier, wo sich ein ihnen wohlschmeckendes Aas befindet. 3. Ich allein weiß es von Ewigkeit her, was dazu erforderlich ist, um einen Gedanken aus Mir zu einem freien Wesen, und das in der vollsten göttlichen Selbständigkeit, darzustellen; daher weiß Ich auch nur ganz allein, was dazu gehört, um dieses allerhöchste Werk vollkommen zu realisieren. Ob nun Tod, Gericht, Mensch oder Engel, das ist vor Meinen Augen bis zur Realisierung des Hauptzweckes Meiner Liebe und Weisheit ganz ein und dasselbe. Denn, wisse du, der Ewige hat immer Zeit genug dazu. David sagte zwar, daß tausend Jahre vor Gott kaum ein Tag seien, Ich aber sage dir, du nun Mein schriftgelehrter Freund: tausendmal tausend Jahre sind vor Mir kaum ein allerflüchtigster Augenblick! 4. Siehe, du bist nun da, und zahllose myriadenmal Myriaden Schöpfungen, wie nun diese es ist, liegen schon vollendet hinter uns, der natürlichen Zeitenfolge nach! Welche Beschwerde kannst du darum gegen Mich anbringen, daß Ich dich nun erst in dieser jüngsten Zeit habe ins Dasein treten lassen? Und welche Beschwerde werden dann erst die gegen Mich anstrengen können, die Ich erst nach vergangenen äonenmal Äonen langen Zeit- und Ewigkeitsfolgen ins Dasein rufen werde? 5. Ich bin ja doch der Herr Meiner ewigen Gedanken und Ideen und kann sie ins selbstbewußte freie Dasein rufen, wann Ich will! Denn Ich stehe ewig unter keinem Gesetz, weil Ich Selbst das Gesetz von Urewigkeit her bin, und Ich kann darum in der göttlich moralischen Angelegenheit auch ein Gesetz, was nur von Mir ausgehen kann und in Meinem Wollen liegt, ergehen lassen, wie und wann Ich aus Meiner Liebe und Meiner Weisheit heraus es will! 6. Wer außer Mir kann das voraussehen, und wer Mich dazu nötigen und bestimmen, als nur Ich Mich Selbst aus Meiner ewigen Ordnung heraus? 7. Mein ewig freiester Wille ist das Gesetz über Meine Gedanken und Ideen, die zwar von Ewigkeit in Mir ihr nur für Mich beschauliches Dasein haben; wenn es Mir aber nach Meiner Liebe wohlgefällig ist, sie in ein festes und selbständiges Dasein treten zu lassen, so bestimmt Meine Weisheit Meinen Willen zum Gesetz über Meine Gedanken und Ideen, und sie werden zu Realitäten wie außerhalb Meines Seins, und sie müssen dann also fortbestehen als äußere selbständige Realitäten, solange Meine Liebe und Weisheit Meinen Willen als das Gesetz aller Gesetze über sie gutachtlich und zweckdienlich waltend erhält. 8. Und siehe, also ist der Fortbestand auch der persönlichen Teufel ein Gesetz, das in sie gelegt ist nebst dem noch immer eigenen freien Willen! Solange sie selbst Mich nicht als Den anerkennen wollen, der Ich von Ewigkeit her war, noch bin und ewig sein werde, so lange auch wird Mein Mußgesetz nicht von ihnen weichen; denn zöge Ich Mein Mußgesetz hinweg, so hätte ihr Dasein für sich als ein selbständiges ein Ende. 9. Ob sich aus seinem freien Willen ein schon für sich bestehendes Wesen jetzt oder etwa erst gar nach einer für dich undenklich langen Zeit bessert und ins Reich der Wahrheit übergeht, das kann Mir wohl nur ein und das selbe sein, und Ich werde darum Meine ewige Ordnung nicht um ein Haar ändern; wer es aber in sich anders haben will, der kann das auch, denn es sind ihm alle Mittel dazu gegeben. 10. Da Ich euch nun aber auch die Wohnörtlichkeiten der argen und bösen Seelen, die die eigentlichen persönlichen Teufel sind, angezeigt habe, so meidet, wenn ihr euch noch irgend schwach fühlet, dieselben; denn an solchen Orten droht dem Schwachen noch immer Gefahr! Wer sich aber als ein noch Schwacher in eine Gefahr begibt, der kommt auch leicht in der Gefahr um, oder er kommt zum wenigsten nicht leicht ganz ohne Schaden davon. 11. Lasset euch denn auch nicht gelüsten nach all dem unlauteren und unreifen Zeug dieser Welt, dieweil ihr als nun schon auf der letzten Stufe der inneren Lebensvollendung stehende Menschen das alles hinter euch habt! Trachtet nur stets nach vorwärts und nicht mehr nach dem unreifen Rückwärts, so werdet ihr leicht und bald am wahren Lebensziel stehen, und es wird euch dann nicht mehr gelüsten, auch nur Blicke nach dem unreifen Rückwärts zu machen! – Habt ihr alle das nun auch verstanden?“ 12. Sagte der Schriftgelehrte: „Herr und Meister, auch das ist uns nun klargeworden, und wir wissen nun, wie wir auch in dieser Beziehung daran sind; aber es gibt unter den Menschen doch so manche Erscheinungen, mit denen man doch noch nicht so recht im klaren ist. So zum Beispiel kenne ich selbst im Judenlande mehrere alte Burgen und von den Menschen vielleicht schon einige Jahrhunderte nicht mehr bewohnte alte Häuser. In denen spukt es oft so entsetzlich, daß sich kein sonst noch so beherzter Mensch ihnen nur von weitem zu nahen getraut, und wehe dem, der etwa wie zufällig oder auch des leidigen Sachverhaltes unkundig, solchen Orten in die Nähe kommt! Denn ein solcher Mensch wird sehr übel bedient, und noch um vieles übler der, welcher gar mutwilligerweise sich an einen solchen Ort hinbegeben möchte. Nun, solche eben nicht selten vorkommenden Orte sind schon gar viele Jahre lang weder von einem noch dem andern groben Sünder betreten worden, und man darf sie dennoch nicht betreten. Was ist hernach das?“ 13. Sagte Ich: „O Mein Freund, da steckt nicht immer das dahinter, was du meinst, sondern zumeist etwas ganz anderes. Laß du solche berüchtigten Burgen und alten Meierhöfe nur von einer mutigen Kriegerschar umringen, und Ich stehe dir dafür, daß sich bei solch einer Gelegenheit deine sonst so gefährlichen Erscheinungen derart zurückziehen werden, daß kein Krieger von ihrem allfälligen Dasein auch nur das Allergeringste merken wird! 14. Es gibt wohl hie und da schon auch solche Örtlichkeiten, in denen sich Seelen von schon lange verstorbenen Menschen aufhalten und sich dann und wann den vorüberziehenden Menschen auf eine oder die andere Art bemerkbar machen. Das sind Seelen, die bei ihren Leibeslebzeiten zu mächtig in ihren irdischen Besitz verliebt waren und, um ihn zu vermehren, auch so manche große Ungerechtigkeit begangen haben. Solche auch höchst materiell gewordenen Seelen halten sich dann auch nach dem Abfalle des Leibes in jenen Örtlichkeiten auf, die ihnen bei ihren Leibeslebzeiten über alles lieb und teuer waren, und das oft so lange, bis von ihrem meist so teuren Besitz jede Daseinsspur verweht worden ist. Dann erst fangen sie an, jenseits mehr und mehr darum in sich zu gehen, weil sie in sich selbst zu gewahren anfangen, daß aller irdische und zeitliche Besitz ein eitler und leerer Wahn ist und war. 15. Doch solche Seelen können nie in eine gar zu fühlbare Bosheit ausarten, und ihr höchst beschränktes und machtloses Dasein kann keinem Menschen auch nur einen moralischen Schaden zufügen, im Gegenteil wirkt ihr Sich-dann-und- wann-Kundgeben oft ganz gut auf den Unglauben so manches Weltmenschen ein, der dann gläubig wird und sein Weltleben ändert, weil er nach dem Tode des Leibes ein Fortbestehen der Menschenseelen erfährt, das ihm eben nicht von einer guten und seligen Art zu sein scheint.“ Kapitel 38 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 38. — Vom Gebet für die Verstorbenen 1. (Der Herr:) „Also derlei Geister eben auch nicht guter und reiner Art können einem Menschen nicht gefährlich werden, und es ist gut, für solche Seelen zu beten. Denn das Gebet einer mit wahrer Liebe und Erbarmung erfüllten Seele im vollen Liebevertrauen auf Mich hat eine gute Wirkung auf solche wahrlich armen Seelen im Jenseits, denn es bildet um sie einen gewissen Lebensätherstoff, in dem sie wie in einem Spiegel ihre Mängel und Gebrechen erkennen, sich bessern und dadurch leichter zum Lebenslichte emporkommen. 2. Und Ich Selbst biete euch diese Gelegenheit, damit ihr auch euren abgeschiedenen Brüdern und Schwestern wahrhaft nützlich werden könnet. 3. Aber wie sollet ihr für sie denn beten? 4. Das geht ganz leicht! Ihr sollet bei euren Gebeten nicht etwa der Meinung sein, als möchtet ihr Mich dadurch zu einer größeren Erbarmung bewegen, da Ich wahrlich Selbst endlos barmherziger bin denn alle besten und liebevollsten Menschen der ganzen Welt zusammengenommen, sondern traget ihnen gläubig und aus dem wahren Liebegrunde eures Herzens, eben im Herzen, das Evangelium vor, und sie werden es vernehmen und sich auch danach richten! Und auf diese Weise werdet ihr auch den wahrhaft Armen im Geiste das Evangelium predigen, das ihnen von großem Nutzen sein wird. 5. Alles andere Beten und Plärren aber nutzt keiner abgeschiedenen Seele auch nur im geringsten, sondern schadet ihr vielmehr, weil sie sich, so sie derlei inne wird, nur ärgert, weil dergleichen Gebete für die Seelen der Verstorbenen, wie das bei den Pharisäern vor allem sogar gesetzlich gang und gäbe ist, mit großen Opfern bezahlt werden müssen. 6. Die Art und Weise, wie Ich euch nun gezeigt habe, für die Verstorbenen zu beten und für ihre geistige Armut zu sorgen, ist sicher ein fruchtbarer Segen für sie; dagegen ist ein hochbezahltes Gebet der Pharisäer ihnen ein Fluch, den sie sehr fliehen und tiefst verachten. 7. Dieses möget ihr euch auch als einen guten Rat, euch von Mir gegeben, wohl merken und ihn auch sehr wohl beachten; denn dadurch werdet ihr euch wahre, große, mächtige und sehr dankbare Freunde im großen Jenseits schaffen, die euch, so ihr in irgendeine Not gerietet, nicht verlassen werden weder dies- noch jenseits! Solche Freunde werden dann eure wahren Schutzgeister sein und sich allzeit um das Wohl ihrer Wohltäter kümmern. 8. Aber ihr könnet euch diese nur erwerben, wenn ihr für sie auf die euch von Mir angezeigte Weise bekümmert und besorgt seid. Ihr brauchet da aber eben nicht auf alte Burgen und Meierhöfe zu warten, sondern das könnet ihr allzeit tun so vielen abgeschiedenen Seelen, als ihr euch solche nur immer vorstellen möget; denn euer Glaube, eure wahre Liebe und Erbarmung und die Wahrheit aus Mir reichen noch endlos weit über die großen Sphären des euch gezeigten großen Weltenmenschen hinaus. Denn ihr seid nicht Meine Geschöpfe nur, sondern ihr seid Mir, eurem Vater, gleich endlos mehr, und der Große Schöpfungsmensch ist nicht einmal ein fühlbarer Daseinspunkt im kleinsten Lebensnerv eures kleinen Fußzehens, – freilich alles das nur geistig oder vom Standpunkte der tiefsten Wahrheit aus betrachtet. 9. Wahrlich sage Ich euch: Euch ist ein endlos großer Wirkungskreis zugemittelt (zugedacht), dessen Größe ihr selbst aber erst dann vollendeter erschauen werdet, wenn ihr dereinst in Meinem ewigen Reiche in einem Vaterhause mit Mir wohnen und wirken werdet! Denn jetzt ist euch das alles nur noch so ein wunderlicher Traum, wie das auch oft bei guten Kindern frommer Eltern der Fall ist; aber was Ich euch hier sage, ist tiefe und göttliche Wahrheit. 10. Wie Mir Selbst alle Macht und Gewalt im Himmel und auf dieser winzigen Erde eigen ist, ebenso soll sie auch euch allen, die ihr an Mich glaubet und Mich über alles liebet, vollends eigen werden; denn die Kinder eines Vaters dürfen nicht minder vollkommen sein, als wie endlos vollkommen da ist ihr Vater. 11. Bei den Menschen auf dieser Erde sieht das zumeist wohl anders aus, besonders wo der Vater seine irdischen Kinder zu sehr verhätschelt; aber das ist bei Mir wahrlich nicht und niemals der Fall, denn Ich weiß es von Ewigkeit her, was da Meinen Kindern not tut. 12. Nun, Ich habe euch jetzt so einen kleinen Vorgeschmack gegeben, damit ihr daraus entnehmen sollet, wer Ich bin, und wer ihr seid und eigentlich noch viel mehr werden sollet. Darum tuet überall und allzeit nach Meinem Worte, und ihr werdet das auch mit einer Leichtigkeit erreichen, was ihr nach Meinen Vaterworten zu erreichen habt; denn einen sichereren und mächtigeren Bürgen, als Ich Selbst es bin, hat die ganze Ewigkeit und Unendlichkeit nicht. Aber, wie gesagt, merket euch das ja wohl im tiefsten Grunde eures Lebens, ansonst Ich umsonst solches zu euch geredet hätte! 13. Suchet für eure Mir dargebrachten kleinen Opfer nicht Entschädigungen in dieser Welt – denn wahrlich, da wäret ihr Meine Kinder nicht, sondern Kinder dieser Welt und Erde, die da ist ein schlechter Fußschemel Meiner Liebe und Meines Ernstes –, sondern tut alles, was ihr tut, aus wahrer, lebendigster Liebe zu Mir, eurem Vater, und Ich werde dann schon etwa auch wissen, womit Ich Meinen lieben Kindern eine wahre Gegenfreude werde zu machen haben! 14. Wahrlich, wahrlich sage Ich euch: Keines Menschen Auge hat es je geschaut, keines Menschen Ohr gehört und keines Menschen Sinn je gefühlt, was Ich für jene Meiner Kinder in der Bereitschaft halte, die Mich als ihren Vater wahrhaft mit einfältigem Herzen lieben! 15. Aber das sage Ich euch allen auch: Neben der Welt her lasse Ich Mich durchaus nicht schleppen! Denn entweder alles her oder auch alles hin; aber die gewisse Halbheit ist ein Ding der finsteren Heiden und trägt ihnen denn auch schlechte Früchte. 16. Was kann es denn einem Menschen nützen, so er besäße alle Schätze der Welt, aber dabei großen Schaden litte an seiner Seele? Darum kümmert euch allzeit nur um Schätze, die die Motten nicht verzehren und der Rost nicht zerfressen kann, so werdet ihr auch allzeit bestens daran sein! 17. Also, diesen Rat merket euch auch wieder und befolget ihn, so werdet ihr ein gutes Sein auch schon auf dieser Erde haben und die andern Menschen, die an euch glauben werden, mit euch; alles andere aber soll schmachten, damit sein Fleisch nicht zu hochmütig werde! Denn nur Ich ganz allein bin der Herr und tue nach Meiner ewigen Weisheit allzeit, was Ich will! Die Welt möge da Zeter schreien, wie stark und mächtig sie das nur immer will und mag, und das bald über dieses und jenes, und Ich werde niemals horchen auf ihr eitles Geplärr! 18. Aber was Mir Meine wahren Kinder und Freunde vortragen werden, auf das werde Ich auch horchen und dem Übel leicht und bald abhelfen; doch alles, was Welt heißt und ist, soll von nun an ums hundertfache mehr gezüchtigt werden, als es je vom Anfange der Welt her der Fall war! Das ist auch Mein Wort, und die Zeiten werden es die Menschen lehren, daß Ich nun diese Worte nicht vergeblich ausgesprochen habe. 19. Wehe allen Weltsüchtigen und Meinem Willen Widerspenstigen! Denn diese Erde ist eine Wiege für Meine Kinder, und diese werden nicht tüchtig ohne die Zuchtrute; und helfen da sanftere Mahnstreiche nichts, so werden dann schon schärfere und sehr ernste in die volle Anwendung gebracht werden, was da Meine Sorge sein wird. Doch nun haben wir noch den einen Teil deiner Frage zu berichtigen!“ Kapitel 39 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 39. — Über Geisterspukruinen 1. (Der Herr:) „Du, Mein schriftgelehrter Freund, hast Mir in deiner Frage von gar entsetzlich polternden Geistern in alten Burgen und Meierhöfen Erwähnung getan, und Ich sage es dir, daß sich die Sache auch – besonders in diesen Zeiten – also verhält; aber Ich kann dir da auch die vollste Versicherung geben, daß dies durchaus keine gefährlichen Geister, wohl aber oft recht sehr gefährliche und grundschlechte Menschen sind, die im Vereine mit heidnischen Magiern, auch jüdischen Expriestern und abgedankten oder so durchgegangenen Essäern ihr arges Spiel treiben. Diese Menschen haben allerlei böses Gesindel im guten Solde und sammeln sich durch Raub, Mord und allerlei andere echt teuflische Trugkünste große Schätze, und die alten Burgen mit ihren unterirdischen Gängen dienen ihnen zu den für ihr Handwerk bequemsten Werkstätten. 2. Will ein harmloser Mensch sich diesen wahren Höllennestern nahen, so wird er, damit der Betrug nicht ans Tageslicht kommt, ja nicht in die Nähe gelassen, aber durch ihre bösen Künste so in Angst versetzt, daß er dann selbst der beste Beschützer und Verteidiger eines solchen Höllennestes bleiben muß; denn er erzählt das tausend andern Menschen von Mund zu Mund, und alle halten das für etwas erschrecklich Übernatürliches, und keiner von Tausenden wagt sich dann je mehr auch nur in einige Nähe eines solchen wahren Höllennestes. Aber, wie Ich das schon gleich einleitend in dieser deiner Frage bemerkt habe, lassen wir nur ein wohlgerüstetes römisches Kriegsheer sich solch einer verrufenen Spukgeisterburg nahen, und die Geister werden sich nicht rühren, sondern durch ihre geheimen, unterirdischen Gänge schleunigst die Flucht ergreifen. 3. Ich sage es dir: In solchen von dir angeführten Burgen und Meierhöfen halten sich wenige der eigentlichen verteufelten Menschenseelen auf, die ihre Leiber schon lange abgelegt haben, aber dafür oft eine desto größere Menge solcher, die noch im Fleische ihren überteuflisch schlechten Lebenswandel führen und gewöhnlich um vieles ärger sind als die jenseitigen absoluten Teufel! Ich meine, daß dir aus dieser Meiner Darstellung nun diese Sache auch sehr anschaulich klar sein dürfte! Oder hast du noch irgendeinen Zweifel, so lasse ihn uns hören!“ 4. Hierauf trat der Römer Agrikola wieder auf und sagte: „Ah, so geht es in solchen Nestern zu? Gut, daß ich nun auch dieses aus dem Munde des allerwahrhaftigsten Zeugen erfahren habe! Diese Art Spukgeister werde ich schon auszutreiben verstehen! Auch bei uns in Europa kenne ich eine Menge solcher berüchtigten Nester, und es wird solchen Geistern mit Fleisch und Blut bald das Handwerk gelegt werden!“ 5. Sage Ich: „Es wird dir dabei aber um ein bedeutendes schwerer ergehen, als das hier in den Judenlanden der Fall wäre; denn bei euch steht eure effektive Heidenpriesterschaft besonders interessiert mit im argen Spiel. Solange dort Meine euch nun gegebene Lehre nicht einmal einen bedeutenden Vorsprung genommen haben wird, wird sich mit den europäischen Spuknestern mit irgendeiner Gewalt nicht viel anfangen lassen. Aber das beste Mittel gegen solch einen großbetrügerischen Unfug ist die Aufklärung des besseren Volksteiles; denn weiß dieser einmal so recht verläßlich, wie sich der vollen Wahrheit nach diese Sachen verhalten, so erfährt es von ihm auch bald der Pöbel, und der ist dann ehest der Hauptaustreiber solcher bösen Geister mit Fleisch und Blut. 6. Wer die Vögel fangen will, muß nicht gleich mit Prügeln in den Stauden herumzuschlagen anfangen, sondern er muß zuvor die Garne legen und dann erst mit dem Werfen der Prügel nach den Stauden anfangen, und die Vögel werden sich dann haufenweise selbst in den Garnen fangen. 7. Wo gewisse Weltregierungsmaximen zu eng mit dem betrügerischsten Priestertum verbunden sind, da läßt sich mit offener Gewalt vorderhand eben nicht viel ausrichten; aber nachderhand wird sie schon recht wohl zu gebrauchen sein. 8. Doch hier im Judenlande, und namentlich in Galiläa, habe Ich Selbst schon ein paar solcher Trugstätten zerstört, wovon dir Cyrenius etwas wird erzählen können. Es bestehen aber noch welche, und mit denen werde Ich auch noch bald fertig werden, so wie Ich auch mit den bösen Götzentempeln in Samosata am Euphrat fertig geworden bin. 9. Aber bei euch im noch tief heidnischen Europa läßt sich jetzt eben nichts anderes gegen solche Spukwerke unternehmen als nur das, was Ich dir früher angezeigt habe. 10. Es wird Europa einst im Glauben Asien bei weitem übertreffen; aber für jetzt ist es im allgemeinen noch sehr roh und unreif, weil es noch zu tief im allerfinstersten Heidentum steckt und dasselbe auch nach vielen Hunderten von Jahren nicht völlig wird fahren lassen können. Aber es werden dort auch viele in Meinem Namen in der vollsten Wahrheit stehen, aber von den Heiden auch gleichfort mehr oder weniger verfolgt werden. Aber Ich werde dann einmal ein größtes Gericht über alle wie immer gearteten Heiden ergehen lassen, und das wird dann allen Heiden den vollkommenen Rest geben. – Aber nun lassen wir noch den Schriftgelehrten reden. 11. Sage nun du, Mein schriftgelehrter Freund, was du noch irgend nicht verstehst! Denn als ein wahrer Schriftgelehrter mußt du auch die Schrift vollends verstehen, und so gebe Ich nun dir und den andern Gelegenheit, euch über alles, was euch noch unklar ist, bei Mir sicher das rechte Licht zu verschaffen.“ 12. Sagte der Schriftgelehrte: „Herr und Meister, ich bin nun schon über alles, was mir am wichtigsten schien, vollends aufgehellt worden durch Deine Güte und Gnade; aber da Du Selbst ehedem von einem allergrößten Gericht über alle Heiden Erwähnung gemacht hast, so könntest Du uns ja auch die Zeit näher bestimmen, wann das alles eintreffen wird. 13. Es haben davon wohl auch Daniel und Jesajas in dunklen Bildern geredet, und Du Selbst hast zwei volle dahin deutende Kapitel des Jesajas erklärt, wie auch den sicheren Untergang Jerusalems; aber von einer bestimmten Zeit hast Du darin nichts Besonderes angedeutet. Da wir nun aber von Dir schon so vieles erfahren haben, so könntest Du darüber, und namentlich über das letzte Gericht über die Heiden allerorten, auch etwas Bestimmtes kundtun, wie auch, wie solches Gericht geartet sein wird, und welche Zeichen ihm vorangehen werden. Denn ohne gewisse Mahnzeichen läßt Du niemals ein Gericht über die Menschen ergehen.“ 14. Sagte Ich: „Mein lieber schriftgelehrter Freund! Du hast wahrlich eine ganz gute Frage nun gestellt, und Ich werde sie euch allen auch beantworten; aber ihr müßt euch das Heidentum in jener Zeit, deren Ich Erwähnung tat, nicht also vorstellen, wie da nun beschaffen ist das Heidentum in der Jetztzeit. Es werden die Götzentempel der Jetztzeit wohl schon lange zerstört sein; aber an ihre Stelle werden vom Widerchristen eine Unzahl anderer, und das sogar unter Meinem Namen, erbaut werden, und ihre Priester werden sich als Meine Stellvertreter auf Erden überhoch ehren lassen und werden alle Weltschätze an sich zu ziehen am allermeisten bemüht sein. Sie werden sich mästen; aber das Volk wird in großer Not sein geistig und leiblich. 15. Seht, wenn jenes Heidentum wird überhandgenommen haben, dann wird auch ehest das große Gericht über die neue Hure Babels ausgegossen werden! Ein Näheres werde Ich euch später sagen, jetzt aber lasset uns zuvor etwas Wein zu uns nehmen!“ Kapitel 40 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 40. — Brot und Wein in geistiger Entsprechung. Von den Zeremonien 1. Lazarus ließ sogleich einen frischen Wein bringen und sagte: „Das Große und Allererhabenste, was wir nun aus Deinem Gottesmunde vernommen haben, muß auch mit einem frischen Weine bekräftigt und in unseren Herzen besiegelt werden!“ 2. Sagte Ich: „Da hast du, Freund und Bruder Lazarus, recht! Alles Gute und Wahre findet im Brot und Wein seine volle Entsprechung. Darum werdet ihr nach Mir zu Meinem Gedächtnis auch beim mäßigen Genusse des Brotes und des Weines stets versichert sein können, daß Ich im Geiste, so wie nun im Leibe, bis ans Ende aller Zeiten dieser Erde Mich unter euch, Meinen Kindern, Brüdern und Freunden, persönlich befinden werde. Werdet ihr Mich mit euren Fleischesaugen auch gerade nicht allzeit erschauen, so wird es euch aber dennoch euer Herz sagen: ,Freuet euch; denn euer Herr, Gott und Vater ist unter euch und segnet für euch das Brot und den Wein! Seid denn fröhlich und heiter in Seinem Namen, und gedenket dabei der armen Brüder und Schwestern und besonders der Armen im Geiste!‘ 3. Wenn euch euer Herz eine solche Mahnung geben wird, da denket und glaubet allzeit, daß Ich Mich persönlich unter euch befinde, und um was Gutes und Wahres fürs Leben der Seele ihr Mich da bitten werdet, das werde Ich euch denn auch allzeit bereitwilligst und wohlverständlichst geben. 4. Die Mich aber da mit großer Liebe ihrer Herzen begrüßen werden, die werden sich auch bald mit ihren Augen überzeugen, daß Ich wahrhaft persönlich Mich unter euch befinde. Was Ich aber hier euch sage und beteuere, das gilt auch ganz gleich allen euren wahren und getreuen Nachfolgern. – Aber nun gib den frischen Wein her; denn Ich bin durstig geworden!“ 5. Hierauf ward ganz frischer und bester Wein kredenzt. Ich trank, und auch alle andern tranken und lobten den Wein, der durch Meinen Willen sehr gewürzt und versüßt war. 6. Als wir uns also gestärkt hatten, da sagte abermals der Schriftgelehrte, ob Ich nun schon willens wäre, ihm das zu beantworten, um was er Mich gefragt hatte. 7. Ich aber sagte: „Freund, es gibt da noch andere Dinge, die nun nötiger sind, daß sie besprochen werden, als das Ende des Heidentums. Lassen wir erst den Morgen herankommen und die im andern Gemache ruhenden Pharisäer zuvor von hier abziehen, und Ich werde euch dann im Freien das Wie- und Wann-Ende des Welt- und Heidentums bildlich dartun. 8. Nun aber wollen wir, wie schon bemerkt, von etwas anderem reden, das vorderhand wichtiger sein wird, als das traurig und höchst bedrängnisvoll aussehende Welt- und Heidentumsende. Was dünket euch, worüber wir nun zuerst reden könnten, und was zu wissen und zu glauben euch allen recht not tut?“ 9. Hier sagte einmal wieder Petrus: „Herr, ich hätte nun etwas; so auch ich nun reden dürfte – darum ich Dich bitte –, so wüßte ich an Dich eine Frage zu stellen!“ 10. Sagte Ich: „So rede! Denn nun hat ein jeder von euch das Recht zu reden und zu fragen.“ 11. Sagte nun Petrus: „Herr, Moses hat zur Reinigung der Sünder gewisse äußere Mittel verordnet, wie sie jedem Juden wohlbekannt sind. Sollen wir uns deren auch bedienen? Haben sie für den Menschen eine ihn heiligende Kraft, und sind sie zur Erlangung des ewigen Lebens der Seele unumgänglich notwendig? 12. Sollen auch die Heiden sich beschneiden lassen, so sie Deine Lehre annehmen werden, oder genügt bei ihnen schon die Taufe allein? Und sollen auch die andern Läuterungsmittel nebst der Beschneidung bei den zu uns bekehrten Heiden stattfinden?“ 13. Sagte Ich: „Wer ein Jude ist und die Beschneidung hat, der soll sie auch gleichfort haben; aber die Beschneidung selbst für sich ist nichts und hat für niemand einen irgend geheimen und gewisserart seelenmagisch heiligenden Wert. 14. Den Menschen heiligt nichts als der lebendige Glaube und seine tätige Liebe zu Gott und zum Nächsten. 15. Wer aber gesündigt hat gegen Gott und gegen seinen Nächsten, der erkenne wahrhaft reuig seine Sünden, bitte Gott ernstlich um Vergebung, mache am Nächsten die ihm zugefügten Unbilden gut und sündige fürder nicht mehr, so ist er dann auch schon völlig gereinigt; denn dadurch, daß er die Übel gutgemacht hat und keine Sünde mehr begeht, werden ihm selbstverständlich auch die Sünden nachgelassen. 16. Wer aber das nicht tut, der bleibt in den Sünden und in ihren argen Folgen auch dann ganz gleich fort, so für ihn auch zehntausend Böcke wären geschlachtet und in den Jordan geworfen worden. Dieses und auch alle andern äußeren Reinigungsmittel bessern und heiligen den Menschen nicht im geringsten, sondern allein sein wahres und aufrichtiges Handeln nach Meiner Lehre, und daß er glaubt an den einen, wahren Gott, und also auch an Mich im Herzen. 17. Ich aber habe euch ja ohnehin gesagt, daß ihr jedermann, der lebendig und wahrhaft Meine Lehre und also auch Mich Selbst an- und aufgenommen hat, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes taufen sollet; dazu aber genügt die Auflegung der Hände und als ein äußeres Zeichen der wahren, inneren Reinigung durch den Geist Gottes ein Waschen mit reinem Wasser. Und das genügt für Juden und Heiden völlig. 18. Alles andere hat hinfort keinen Wert vor Mir, so wie da vor Mir auch keinen Wert hat ein äußeres und noch so langes Lippengebet. Wer da will und wünscht, daß sein Gebet bei Mir erhört werde, der bete im stillen Kämmerlein seines Herzens vollgläubig zu Mir, und Ich werde ihm geben, um was er gebeten hat. 19. Ich sage euch abermals, wie Ich das schon oft gesagt habe: Suchet in allem allein nur die Wahrheit, diese wird euch völlig frei machen! 20. Es ist ganz gut, daß der Mensch nach der Lehre Mosis rein halte auch seinen Leib. Durch Unreinigkeit kommen allerlei böse Krankheiten in das Fleisch und Blut und erzeugen Unlust und Traurigkeit in der noch schwachen Seele; aber was das Fleisch vom Schmutze reinigt, das reinigt die Seele nicht von ihren Sünden. Waschen sich doch die Juden vor und nach einem Mahle die Hände und oft auch die Füße, und wir tun das oft nicht, und doch sind wir reiner mit ungewaschenen Händen als die strengen Juden mit allzeit gewaschenen Händen und Füßen. 21. Und nun kurz und gut: Kein äußeres Reinigungsmittel hat für den inneren Menschen irgendeine Heiligung, sondern allein der lebendige Wahrheitsglaube, seine Liebe und seine guten Werke. – Habt ihr das nun verstanden?“ 22. Sagte Petrus: „So denn wird es in der Folge auch nicht nötig sein, daß wir gleich den Tempelpriestern die Ehen einsegnen?“ 23. Sagte Ich: „An und für sich ganz und gar nicht; denn das Band der Ehe schließt genügend das gegenseitige Gelöbnis vor den Eltern oder sonstigen wahrhaftigen Zeugen. Aber so ihr in einer Gemeinde, die ihr irgend in Meinem Namen werdet gegründet haben, die Ehen einsehet und sie segnet in Meinem Namen, so wird ihnen das zum Nutzen und zur Bekräftigung ihres Bundes dienen. Es geschehe das nur von eurem guten Willen als ein Liebesdienst ausgehend. 24. Ich gebe euch aber dieses nur als einen guten Rat und nicht etwa als ein Gesetz. Und also soll auch von euch um so weniger ein Gesetz daraus gemacht werden; denn welch eine arge Wirkung Mußgesetze auf die freiwollende Seele ausüben, habe Ich euch in dieser Nacht mehr denn zur Genüge gezeigt, wie auch deren notwendige Folgen, und so sei unter euch alles nur eine freie Handlung der wahren und reinen Liebe und nie eines gebieterischen Zwanges. Daran nur wird man erkennen Meine wahren Jünger, daß sie unter sich nur das freie Gesetz der Liebe üben und sich untereinander lieben, wie nun Ich euch liebe. 25. Aber solch eine bezahlte Einsegnung der Ehe durch einen gebieterischen und überhochmutsvollen Priester in oder außer dem Tempel hat vor Mir nicht den allergeringsten Wert, sondern nur Mein vollstes Mißfallen. Was Mir aber mißfällt, das ist auch sicher wider Meine Ordnung und ist ein Übel und eine Sünde, die wahrlich keinem Menschen einen Segen bringt. So ihr aber das wohl begriffen habt, da handelt auch also, und ihr werdet dabei wohl tun!“ 26. Sagte hierauf Agrikola: „Herr und Meister, da werden auch wir Römer wohl tun, so wir unser Ehewesen also einrichten! – Und was sagst Du denn für oder gegen die Vielweiberei?“ Kapitel 41 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 41. — Die Vielweiberei 1. Sagte Ich: „Wer von euch Heiden in Meiner Lehre wandeln wird, der wird sich auch solchen Meinen Rat allzeit wohl gefallen lassen. Doch was da betrifft die Vielweiberei, so soll es bei Meinen Nachfolgern sein, wie es war im Anfange der Menschen auf dieser Erde, da Gott nur einen ersten Mann schuf und ihm auch nur ein Weib gab; denn wer schon einmal ein Weib geehelicht hat, dem er seine volle Liebe und unwandelbare Treue gelobt hatte, und er freit dann noch ein zweites und ein drittes Weib hinzu, und mancher noch mehrere, so begeht er dabei ja offenbar gegen das erste Weib einen Ehebruch, und da steht es aber im Gesetz: ,Du sollst nicht ehebrechen!‘ 2. Ich sage es euch, daß die Vielweiberei von großem Übel ist; denn sie zeihet (macht) die Seele ganz sinnlich durch die zu große Wollust des Fleisches und ist und bleibt eine böse Geilerei und Hurerei und offenbare Ehebrecherei. 3. Alle mit diesen Gebrechen Behafteten werden ins Reich Gottes nicht eingehen, – wie könnten sie das auch? Ihre Seele ist ja zu sehr in ihres Leibes sinnliche Fleischmasse vergraben und kann nichts Geistiges mehr fassen und fühlen! Darum gelangen solche Wollüstlinge schwer oder auch nahe gar nicht ins Gottesreich. Denn worin das eigentliche Gottesreich besteht, das habe Ich euch allen schon überhinreichend erklärt. 4. Aber so schädlich für die Seele des Menschen die Mehrweiberei auch ist, so gebe Ich euch dawider doch kein Gesetz, sondern überlasse alles dem freien Willen jedes Menschen, zeige euch die Wahrheit und gebe euch den guten Rat. 5. Ebenso aber verhält es sich auch, so ein Mann sich Sklavinnen als Beischläferinnen oder Kebsweiber hält, denn auch mit ihnen bricht er gegen das ordentliche Weib die Ehe. 6. Ein Mann aber, der mit gar keinem ordentlichen Weibe, sondern nur mit Beischläferinnen sein geiles Leben fortführt, ist ebenfalls so schlecht, und oft schlechter noch, als so mancher schwache Ehebrecher, denn er schadet nicht nur seiner Seele, sondern auch den Seelen seiner wollüstigen Beischläferinnen. Solche Menschen bereiten sich schon in dieser Welt ein böses und bitteres Los und ein noch schlechteres und bittereres im Jenseits, denn sie haben durch ihren Wandel beinahe allen Seelenätherlebensstoff vergeudet! 7. Wer immer nach Meiner Lehre eine baldige und volle Wiedergeburt im Geiste seiner Seele wünscht, der führe ein möglichst keusches Leben und lasse sich nicht berücken und betören vom Fleische der Jungfrauen und Weiber; denn dieses zieht den Lebenssinn der Seele nach außen und verhindert dadurch gewaltigst die Wachwerdung des Geistes in der Seele, ohne die aber keine volle Wiedergeburt der Seele in ihrem Geiste denkbar möglich ist! 8. Eine gute, mit Vernunft, Weisheit und Selbstverleugnung gepaarte Ehe verhindert die geistige Wiedergeburt nicht, aber die Geilheit und Wollust macht sie unmöglich. Darum fliehet sie ärger denn die Pestilenz! 9. Wollüstlinge beiderlei Geschlechts, wenn sie auch nach einer Zeit völlig in sich gehen und durch eine große Selbstverleugnung ein völlig keusches Leben zu führen anfangen und durch solch eine rechte Buße auch die volle Vergebung ihrer Sünden erlangen, werden doch die volle geistige Wiedergeburt auf dieser Welt schwer oder auch gar nicht erlangen, sondern nur eine teilweise; denn es hat die Seele solcher Menschen zu tun genug, sich nur so weit von ihrem Fleische frei zu machen, daß sie des Geistes Mahnungen insoweit vernehmen kann, als sie zu ihrem Heile notwendig sind. Ein solcher Mensch kann zwar noch sehr gut und weise werden und viel Gutes wirken; aber zu der wundermächtigen Tatkraft wird er schwer in der Fülle gelangen. Das kann solch eine Seele erst im Jenseits erlangen. 10. Es gleicht eine solche Seele einem Menschen, der viele Jahre lang siech und krank war und endlich durch ein wahres und rechtes Heilmittel gesund geworden ist. Ja, gesund ist nun so ein Mensch wohl und kann, wenn er hinfort ganz ordentlich lebt, auch noch ein gesundes und hohes Alter erreichen; aber die Kraft eines von der Wiege an völlig gesunden Menschen wird er kaum mehr erreichen, weil seine inneren Muskeln, Nerven und Fibern durch die lange Krankheit erstens an der gehörigen Ausbildung verhindert worden sind, und zweitens, was die Hauptsache ist, sie haben auch nicht in den verschiedenen Bewegungen und Anstrengungen geübt werden können. 11. Wie aber ein solcher von der lange angedauert habenden Krankheit, ob Mangel an der inneren Ausbildung der Muskeln, Nerven und Fibern und ob Mangel an der Übung derselben, nicht leicht zur vollen Leibeskraft eines urgesunden Menschen gelangen kann, so geht es entsprechend einer lange krank gewesenen Seele; denn es fehlt ihr die ursprüngliche Ausbildung der wahren und reinen Liebe zu Gott, somit auch des Glaubens und des Willens. Fehlt ihr aber dies erste, so fehlt ihr dann sicher noch mehr die Übung der bezeichneten drei Stücke, und es bleibt die Mächtigkeit dieser drei Lebensstücke der Seele eines völlig gebesserten Wollüstlings stets zurück, obschon im Himmel über die volle Bekehrung eines Sünders mehr Freude waltet als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nie bedurft haben. Denn soll eines Menschen Liebe, Glaube und Wille wahrhaft tatkräftig werden, so müssen sie schon von Jugend an gehörig ausgebildet und dann recht geübt werden. 12. Aber wie Ich die Macht habe, jede noch so schwere und langdauernde Krankheit also vollkommen zu heilen, daß der von Mir geheilte Mensch auch also kräftig wird, als wäre er von der Geburt an nie krank gewesen, ebenso kann von nun an die Seele eines vollends bekehrten Sünders auch noch zu jener inneren Kraft gelangen wie die Seele eines Gerechten, der einer Buße nie bedurft hatte. Aber es kostet sie das viele sich selbst verleugnende Mühe. 13. Wer da Kinder hat, der übe sie schon von früher Jugend an in den drei Stücken, und sie werden dann mit der Besiegung der Welt in sich ein leichtes haben! 14. Seht, das alles gebe Ich euch nur als einen guten Rat und nicht als irgendein Gesetz; denn unter dem Mußgesetz kannst du Mensch nicht der freie Gründer deines Heiles werden! Wer sich aber solchen Meinen Rat selbst in seinem Willen als ein Mußgesetz auferlegt und danach handelt und lebt, der tut wohl daran. – Habt ihr alle das aber nun auch wohl verstanden?“ Kapitel 42 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 42. — Die rechte Buße 1. Sagten alle: „Ja, Du wahrlich allerweisester Herr und Meister, die wahre und vollkommene Buße ist und bleibt also das einzige und alleinige Seelenheilmittel (sacramentum), und alles andere ist nichts und hat keinen Lebenswert. Das sehen wir nun alles wohl und ganz rein ein. Aber was sagst Du, o Herr und Meister, zu den strengen Büßern in Sack und Asche? Sind bei der strengen Buße der Sack und die Asche notwendig?“ 2. Sagte Ich: „Das ist es ebensowenig, als es von eurer Seite nun auch nicht notwendig war, Mich darum zu fragen, da Ich euch doch ohnehin hinreichend klar gezeigt habe, worin die wahre und bei Mir allein Wert habende Buße eines Sünders besteht. Was sollen denn Sack und Asche dem Menschen für eine Heiligung seiner Seele bieten? Sack und Asche wurden bei den Alten nur als entsprechende Bilder aufgestellt, unter denen die rechte Buße zu verstehen war; denn der Sack bezeichnet die äußere Demut und die Asche die wahre innere der Seele. Aber das faule Tragen eines Sackes und das Bestreuen des Hauptes mit der Asche hat einem Menschen ebensowenig eine Heiligung gebracht wie das Fasten und Kasteien, – wie auch der Krieger, der sich vor dem Feinde in eine sichere Höhle aus Furcht und Angst verkriecht, statt mit ihm mutvoll in einen Kampf zu treten, wohl auch schwerlich mit einer Siegerkrone gekrönt wird. 3. Darum fort mit Sack und Asche, fort mit dem Kasteien und Fasten, und fort mit der Opferung der Böcke und fort mit allen andern Tempelopfern wegen der Vergebung der Sünden; denn sie haben vor Mir nicht den allergeringsten Lebenswert! Aber dafür herbei mit einem festen und unbeugsamen Willen zur wahren inneren Lebensbesserung! Herbei mit der lebendigen Liebe zu Gott und zum Nächsten, und herbei mit dem vollen Glauben an Gott und Dessen Menschwerdung in Mir; denn nur das heiligt den Menschen und macht stark und voll-lebend die Seele in Meinem in ihr waltenden Geiste! 4. Bei dem bleibet, und lehret es auch alle andern Völker, so werdet ihr Mir das angedrohte Gericht über alle Heiden in den späten Zeiten ersparen; aber ihr müßt vor den Menschen nicht zittern und beben, sondern in gutem und mutvollem Willen ihnen den vollen göttlichen Ernst der Wahrheit offen verkünden! Und werdet auch ihr nicht ganz imstande sein, alles Heidentum vollends siegreich zu bekämpfen in kurzer Zeit, so wird aber das die reine Wahrheit in den späten Zeiten doch gar wohl vermögen. Denn das große euch von Mir angekündigte Gericht über das Reich der Lüge wird eben in dem Siege der Wahrheit über sie bestehen, und das wird keine andere Wahrheit sein als eben diese, die Ich euch hier nun verkünde. 5. In jenen Zeiten werde Ich wieder Männer und sogar Mägde erwecken, die den Menschen diese Wahrheit ebenso rein und klar überliefern werden aus Meinem Munde in ihren Herzen, wie Ich sie nun euch Selbst mit Meinem leiblichen Munde verkünde, und solche Wahrheit wird für alle blinden Heiden der mächtige und unerbittliche Richter sein. 6. Also keinen Sack und keine Asche mehr, sondern in allem die volle Wahrheit und den festen Willen! 7. Also, Meine Jünger und Freunde, habe Ich nun offen und in keinen Bildern zu euch geredet, und eben also verstehet und begreifet das auch ihr offen und durch die Tat; denn das Wissen allein nützt der Seele wenig oder nichts! Wer aber durch die Tat der Wahrheit ein rechtes Opfer bringt, der wird das ewige Leben ernten. 8. Und nun saget Mir abermals, ob euch noch irgendeine finstere Dummheit drückt, und ob ihr diese Meine klaren Worte auch der vollen Wahrheit nach verstanden habt! Ich frage euch um das aber nicht, als wüßte Ich es nicht, wie und ob ihr alles das verstanden habt, sondern Ich frage euch nur darum, daß auch ihr euch lebendig selbst fragen sollet, wie sich die Wahrheit in euch selbst gestaltet; denn nur das gehört zu eurem eigenen Leben. Und so möget ihr nun abermals reden!“ 9. Sagten alle wie aus einem Munde: „O Herr und Meister, wir haben nun alles wohl begriffen, was Du uns erklärt hast, und sehen auch die volle Wahrheit des Gesagten und Erklärten ein! Wir werden darum auch das in der Tat ausführen, erstens für uns selbst, und werden es auch getreu den andern Menschen, die eines guten Willens sind, also beibringen. Aber es bedünket uns dennoch sehr, ob diese golden lichte Wahrheit von den vielen gar sehr blinden Menschen als das freudig angenommen wird, was sie in sich ist. Denn wer da sehend ist, der hat sicher auch stets eine große Freude am werdenden Tag; doch für den Stockblinden ist Nacht und Tag schier etwas ganz gleiches. 10. Es gibt nun aber eine übergroße Menge im Geiste stockblinder Menschen, die sich nur in der alten mystischen Zeremonie glücklich fühlen und sich gegen Gott, den sie freilich noch nie erkannt haben, zu versündigen wähnen, wenn sie von den alten Gebräuchen irgend etwas vergeben müßten und somit ausziehen den alten Menschen wie ein altes, morsches Kleid und anziehen einen ganz neuen. 11. Mit solchen Menschen wird sich schwer reden und handeln lassen, was da leicht vorauszusehen ist; denn wer nicht schon auf dem Wege vieler Erfahrungen zu einem helleren Denken gelangt ist, der wird diese noch so lichtvolle Wahrheit dennoch nicht als das ganz lebendig in sich aufnehmen, was sie ist, sondern aus seiner alten verrosteten Gewohnheit am Altmystischen kleben bleiben, die alten Sitten und Gebräuche als einen über alles hochzuverehrenden Gottesdienst ansehen und diese neuen, lichtvollsten Wahrheiten am Ende für Ketzereien betrachten und sie verachten und verfolgen. Und so wird es schwer werden, diese allerlichtesten Wahrheiten den gar vielen Blinden als auch für sie wirksam beizubringen. 12. Also besteht bei den Juden eine alte Gewohnheit, derzufolge sie sich durch ein Bekenntnis einem Priester zu zeigen haben, auf daß er um ihre Sünden wie auch um ihre guten Werke wisse, sie gegeneinander abwäge und vergleiche, um danach zur Sühnung der Sünden die Bußwerke und die Reinigungsopfer zu bestimmen. Der Mensch nun, der sich so einem Priester gezeigt und darauf auch das getan und vollbracht hat, was ihm vom Priester auferlegt wurde, betrachtet sich darauf für vollkommen gereinigt und vor Gott gerechtfertigt; aber so man ihn näher betrachtet, so ist und bleibt er nach einer solchen Reinigung gleichfort ganz der gleiche ungebesserte Mensch und begeht bis zum nächsten Bekenntnisse nicht nur die alten Sünden wieder, sondern oft noch einige neue hinzu, und da zeigt es sich offenkundig, daß diese alte Reinigungssitte den Menschen nicht nur nicht besser, sondern oft nur noch schlechter macht, als er früher war. 13. Aber man versuche gegen diesen alten Unfug aufzutreten und zu lehren, und man wird die Flucht ergreifen müssen, wenn man nicht gesteinigt werden will! – Was aber sagst Du, o Herr und Meister, dazu?“ Kapitel 43 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 43. — Sündenvergebung 1. Sagte Ich: „Darum sollet ihr eben nur die Wahrheit den Menschen predigen! Die sie annehmen werden, die werden frei und selig werden; die sie aber nicht annehmen werden, die werden denn auch verbleiben in ihren Sünden und in deren Gericht und geistigem Tode. 2. Ich verpflichte euch ja nicht, diese Wahrheiten des Lebens allen Menschen in der kürzesten Zeit beizubringen, derart, daß sie auch schon völlig danach leben sollen. Vorderhand habe Ich ja nur euch gegeben, das Geheimnis des Gottesreiches zu verstehen, und nicht auch allen in dieser Zeit gar sehr arg blinden Menschen. Nachderhand aber werdet ihr schon auch Menschen in Menge finden, die sich euch mit allem Eifer anschließen und mit euch wirken werden zum Gedeihen der von Mir euch verkündeten Wahrheiten. 3. Was aber da für sich betrifft die von euch berührten Sündenbekenntnisse vor den Priestern, so sind sie in der Art und Weise, wie sie nun bestehen, schlecht und somit völlig verwerflich, weil sie die Menschen nicht bessern, sondern sie nur in ihren Sünden bis an ihr Ende verharren machen; aber Ich bin auch wieder nicht dawider, so ein schwacher und seelenkranker Mensch im guten Willen einem stärkeren und seelengesunden Menschen seine Schwächen und Gebrechen treu bekennt, weil dann der gesunde und lichtstarke Mensch ihm aus wahrer Nächstenliebe leicht jene wahren Mittel an die Hand geben kann, durch die des schwachen Nächsten Seele erstarken und gesund werden kann. Denn auf diese Weise wird dann ein Mensch dem andern ein rechter Seelenheiland. Aber Ich mache daraus auch kein Gesetz, sondern gebe euch damit auch nur einen guten Rat; und was Ich tue, das tuet auch ihr, und lehret jedermann die Wahrheit! 4. Das Bekenntnis allein aber reinigt einen Menschen ebensowenig von seinen Sünden, wie das einen leiblich Kranken schon gesund macht, so er einem Arzte seine Leiden, und wie er dazu gekommen ist, noch so treu bekennt, sondern er muß darauf auf den Rat des weisen und kenntnisreichen Arztes hören und ihn dann auch getreu befolgen und alles in der Folge meiden, was ihn zum Leiden gebracht hat. 5. Also ist es auch gut, daß in einer Gemeinde ein jeder Bruder den andern kennt, sowohl in seinen starken wie schwachen Seiten, damit einer den andern der vollen Wahrheit nach seelisch und auch leiblich unterstützen kann und mag. Wer aber verschlossen sein und bleiben will in der Meinung, daß er durch sein Bekenntnis jemanden ärgern könnte, dem soll niemand seine Schwächen herausfordern! 6. Wenn aber jemand von euch ein Weiser ist, und sein Geist offenbart ihm die Schwächen des schwachen und ängstlichen Bruders, so gebe ihm der Weise unter vier Augen einen guten Rat und helfe ihm mit Rat und Tat aus der geheimen Not, und sein Lohn wird nicht unterm Wege irgendwo steckenbleiben! 7. Doch lasset jedem den freien Willen, und tut niemandem einen Zwang an; denn ihr wisset es nun, daß ein jeder moralische Zwang völlig wider Meine ewige Ordnung ist! Was Ich nicht tue, das tuet auch ihr nicht! 8. Und so hätten wir nun auch die rechten Worte über das offene Bekenntnis der Schwächen und geheimen Sünden geredet; alles, was darüber oder darunter ist, das ist wider Meine Ordnung und ist vom Übel. 9. Ihr sollet aber dem schwachen Bruder, der sich einem Stärkeren von euch traulich enthüllt hat, ja nicht mit einer richterlich drohenden Miene begegnen, sondern ihm stets mit aller Liebe und Freundlichkeit die Wahrheit offen kundtun und ihm auch die Mittel an die Hand geben, durch die er leicht und sicher geheilt werden kann, so wird er auch den Mut dazu nicht sinken lassen und wird ein dankbarer Jünger der freien Wahrheit werden; aber wenn ihr ihm mit allerlei Strafpredigten kommen werdet, so werdet ihr nicht nur nichts oder wenig ausrichten mit ihm, sondern ihr werdet ihn noch um vieles elender machen, als er je zuvor war. 10. Es wird aber in den späteren Zeiten leider geschehen, daß die Sündenbekenntnisse vor den falschen Propheten in Meinem Namen noch mehr gang und gäbe werden, als sie je unter den Pharisäern und Erzjuden es waren, und das wird zum Fall und zum Gerichte der falschen Propheten unter Meinem Namen führen. Denn diese werden den Menschen gleich den Heiden sagen, daß sie allein das von Gott ihnen erteilte Recht haben, allen Sündern die Sünden nachzulassen oder auch vorzuenthalten; also werden sie auch gegen große Opfer ihre blinden Günstlinge für alle Himmel selig und heilig sprechen. 11. Wenn das geschehen wird, dann wird bald jene Zeit herbeikommen, in der das große Gericht über das neue Heidentum ergehen wird. Darum seid denn vorsichtig mit den offenen Bekenntnissen, damit sie euch nicht zu bald in einem noch ärgeren Sinne nachahmen, als wie das nun bei den Pharisäern und Erzjuden der Fall ist! 12. Ich habe es euch, besonders Meinen alten Jüngern, auch einmal gesagt, daß ihr denen, die an euch gesündigt haben, die Sünden vergeben könnet, und denen ihr sie vergeben werdet hier auf Erden, denen sollen und werden sie auch im Himmel vergeben sein; solltet ihr aber wegen sichtlicher Unverbesserung (Unverbesserlichkeit) guten Grund haben, ihnen die Sünden, die sie gegen euch begangen haben, vorzuenthalten, so werden sie ihnen auch im Himmel vorenthalten sein. 13. Wir haben aber schon damals ausgemacht, daß ihr erst dann das Recht haben sollet, den Sündern ihre Sünden gegen euch vorzuenthalten, so ihr ihnen zuvor schon siebenmal siebenundsiebzig Male vergeben habt. 14. So aber ihr als Meine nächsten Jünger erst auf die besagte Weise das Recht von Mir aus habt, nur den Sündern gegen euch die Sünden vorzuenthalten oder auch zu vergeben, so ist es ja klar, daß kein Priester je das Recht von Gott aus haben konnte, auch fremde Sünden zu vergeben oder vorzuenthalten. 15. Wer zum Beispiel sich an Kaiphas versündigt hat, dem kann Kaiphas die Sünden auch vergeben oder nach Gestalt der Sache auch vorenthalten; wer sich aber gegen Herodes versündigt hat, der hat mit Kaiphas, und er mit ihm, nichts zu tun, sondern nur allein mit Herodes. Wer sich aber versündigt hat gegen den Tempel, der soll sehen, wie er mit dem Tempel ins reine kommt! 16. Aber da meine Ich freilich nicht den Tempel, wie er nun beschaffen ist, sondern wie er einst beschaffen war – denn nun wäre auch Ich ein Sünder gegen den Tempel, wie ihr alle es seid –, und wir werden dann auch vor dem Tempel kein Sündenbekenntnis abzulegen haben; denn nun sind wir der vollstwahre Tempel Gottes, der da unten aber ist eine Mördergrube geworden. Darum wird es denn auch bald zur Ernte seiner bösen Früchte kommen, die er auf seinen Äckern ausgesät hat. Da wird man von seinen Dornen und Disteln keine Trauben und Feigen ernten. 17. Wie aber nun der Tempel – sage – im Namen Jehovas bestellt ist, ebenso und noch um vieles ärger wird dereinst das neue Heidentum in Meinem Namen bestellt sein; aber die Ernte seiner Früchte wird noch um vieles schlechter ausfallen, als wie da bald die Ernte dieses Tempels da unten ausfallen wird. 18. Ihr werdet an dem neuen Heidentum wohl keine Schuld tragen, wie auch die Propheten keine Schuld tragen, daß nun der Tempel da unten also geworden ist, wie er nie hätte werden sollen, sondern alle Schuld werden die Menschen tragen, denen es ihre behagliche Trägheit nicht zuließ, die Wege der Wahrheit selbsttätig zu wandeln, sondern lieber die andern und namentlich die sogenannten Priester für sich um ihnen dargereichte schmutzigste Opfer wandeln zu lassen, – aber auch nicht die Wege der Wahrheit, sondern nur die Wege des Truges und der Lüge. Allda führt dann ein Stockblinder den andern so lange, bis beide zu einer Grube kommen und sodann auch beide hineinfallen. 19. Wenn ihr dieses nun aus Meinem Munde vernommen habt, so verstehet es aber auch der vollen Wahrheit nach, und lasset euch niemals von der Trägheit der Vornehmen berücken! Denn wer da nicht selbst arbeiten will, der soll auch nicht essen aus der Schüssel des Lebens!“ 20. Sagte der Schriftgelehrte: „Nun, das war über alle Maßen klar von Dir geredet, und die Wahrheit des Gesagten ist mit Händen zu greifen! Hätten Moses und die Propheten auch so klar zum Volke geredet, wie Du, o Herr und Meister, nun zu uns geredet hast, so stünde das ganze Judentum auf einem ganz andern Fuße, als es da in dieser argen Zeit steht! Wenn solche Deine Lehre unter das Volk kommen wird, so wird sie sicher für alle Zeiten ganz andere Früchte tragen; denn von uns aus wird sie wahrlich so wenig verändert an die andern Menschen übergehen, als wie die Sterne am Himmel unverändert auf- und niedergehen. Wir bitten Dich, o Herr und Meister, wolle Du uns nur stets mit Deiner Gnade und Hilfe nimmerdar verlassen, wie auch jene nicht, die nach uns Deine Völker führen und leiten werden!“ Kapitel 44 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 44. — Die Naturgeister der Luft 1. Sagte Ich: „Du hast nun zwar recht wohl geredet, und es wird sich diese nun euch gegebene Lehre bis ans Ende der Zeiten rein bei den Reinen erhalten; aber wenn du meinst, daß es nun mit dem Judentum auch anders stünde, so Moses und die Propheten ebenso klar zu dem Volke geredet hätten, wie Ich nun zu euch geredet habe, da sage Ich dir, daß du darob in einer großen Irre bist. Denn hätten Moses und die Propheten in der Weise zum Volke gesprochen, wie Ich nun zu euch geredet habe, da hätte das Volk, das sich damals nur in der Bildersprache am leichtesten verständigen konnte, weder Moses noch die Propheten verstanden. 2. Damals besaß selbst das ganz einfache und gemeine Volk die Wissenschaft der Entsprechungen, und seine Schrift waren Bilder, und seine Sprache richtete sich nach den dem Volke wohlbekannten Bildern. Als aber das Volk dann später irdisch wohlhabender und angesehener geworden war, da bekam es auch bald eine Menge irdischer Bedürfnisse, und um diese zu befriedigen, mußte es sich auch eine Menge natürlicher Mittel dazu verschaffen. Nun, die vielen Bedürfnisse und die vielen Mittel bekamen auch ihre ganz einfachen Wortnamen, hinter denen keine entsprechenden Bilder sich vorfanden. Diese erst später von den Menschen gebildeten einfachen Namen der vielen Bedürfnisse und der Mittel zu ihrer Herbeischaffung verdrängten dann nur zu bald die Bilderschrift und ihre innere Bedeutung, und so waren da weder Moses noch die Propheten schuld daran, daß sie von den gegenwärtigen Juden nicht mehr verstanden werden, sondern nur die Menschen selbst, die durch ihren selbstverschuldeten und immer wachsenden Weltsinn die Kunde der alten Schrift und Sprache, die immer Tiefgeistiges in sich barg, ganz verloren haben. 3. Hättest du zu Mosis Zeiten also geredet, wie du nun redest, so hätte dich damals weder Moses noch einer der andern Propheten verstanden; da sich aber nun bei euch die alte Sprache aus den euch bekanntgegebenen Gründen in dieser Zeit so gänzlich verloren hat, so müßt ihr auch darin die Ursache suchen, wegen der ihr nun Moses und die Propheten nicht verstehen könnet. 4. Aber nun fängt es im Aufgange zu grauen an, und unsere Templer im andern Saale fangen an, sich dahin zu rühren, um bald den Weg in ihre Wohnungen anzutreten und dort die sich fest vorgenommenen Anordnungen zu ihrer Abreise zu treffen. So sie bald von hier abgezogen sein werden, dann werden wir uns hinaus ins Freie begeben und daselbst unsere Betrachtungen machen. 5. Du, Freund Lazarus, aber wirst wohl tun, wenn du einige deiner Knechte den Templern zum Geleit bis zum Gartentore mitgehen lässest; denn sie sehen in ihren Gedanken die drei Löwen unten am Wege lauern, was ihnen das Fortgehen ängstlich macht. Darum laß einige Knechte zu ihnen in ihr Gemach treten und ihnen sagen, daß von den Löwen keine Spur mehr vorhanden ist! Sollten sie aber noch bedenklich sein, da auch sollen ihnen die Knechte die Begleitung anbieten, die die Templer mit Freuden annehmen und darauf aber gleich abziehen werden, und wir können uns dann sogleich ins Freie hinausbegeben.“ 6. Lazarus tat das sogleich, und in wenigen Augenblicken waren die Knechte schon dienstfertig und in einer kleinen Viertelstunde geschah auch schon der Abzug der Templer. 7. Darauf berief Ich Meinen Raphael und sagte der Anwesenden wegen laut zu ihm: „Du aber versorge nun unsere Jungen, und bringe sie vor uns nach Bethanien auf einem Wege, der kein allgemeiner ist! Dort erwartet uns; denn wir werden in drei Stunden nachkommen!“ 8. Da begab sich Raphael eiligst zu der Jugend und brachte auch alles schnell zurecht. 9. Unterdessen war es heller geworden, und wir verließen die Herberge und begaben uns auf die Anhöhe, die schon beschrieben ist. Am Himmel schimmerten noch die größeren Sterne, der Mond in schon starker Sichelgestalt und der Planet, Venus genannt, was alles einen herrlichen Anblick gewährte. 10. Es war aber der Morgen ziemlich kühl, und die Römer sagten: „Herrlich wäre dieser seltene Anblick wohl, wenn der Morgen nur nicht so empfindlich kühl wäre!“ 11. Sagte Ich: „Diese Kühle ist zwar für die Haut ein wenig unangenehm, aber dafür stärkend für Leib und Seele; denn nun ziehen die reineren Geister in der Luft an uns vorüber. Aber so es euch zu kühl ist, da will Ich schon machen, daß es euch von innen aus wärmer wird. Doch wir andern bleiben in dieser reinen Temperatur!“ 12. Da sagten die Römer: „Oh, da bleiben auch wir; denn eine größere Stärkung für Leib und Seele kann auch uns Römern nicht schädlich sein!“ 13. Und so blieb darauf alles heiter und zufrieden, und niemand achtete der Kühle mehr. 14. Da aber sagte Agrikola zu Mir: „Herr und Meister, haben denn die nun an uns vorüberziehenden Geister auch irgendeine für sich abgegrenzte Gestalt, oder sind sie gestaltlos nur so ineinander verschwommen wie im Meere ein Tropfen Wasser in den andern?“ 15. Sagte Ich: „Mein Freund, da wird es ein wenig schwer werden, dir in dieser Hinsicht eine völlig verständige Antwort zu geben; aber wir wollen es auf eine andere Art versuchen! Ich werde euch Römern auf einige Augenblicke wieder die innere Sehe auftun, und ihr möget euch dann selbst eine rechte Antwort aus dem Geschauten verschaffen!“ 16. Das war den Römern recht, und Ich öffnete ihnen sogleich die innere Sehe, auch dem Agrippa und dem Laius, die uns aus Emmaus hierher gefolgt und noch bei uns waren. 17. Nun ersahen diese eine zahllose Menge von allerlei Gestalten gedrängt aneinander an sich vorüberschweben, und Agrippa sagte: „Ah, das ist aber doch sonderbar! Welch eine Unzahl von nicht beschreibbaren Formen und Gestaltungen! Da sieht man allerlei Kräuter und Pflanzen, auch Sämereien dazwischen! Auf den Pflanzen ersieht man auch eine Menge von allerlei Insekteneierchen, deren Larven und auch schon ausgebildete Insekten. In ihnen, sowohl in den Pflanzen, deren Sämereien, wie auch in den Insekteneierchen, in deren Larven, wie auch in deren schon völlig ausgebildeten Insektenformen ersieht man wie helleuchtende Punkte und zwischen den besagten Formen ersieht man unermeßbar viele ganz kleine Lichtpünktlein mitschweben. Und es geht alles bunt und munter durcheinander, und keines vermengt sich mit dem andern. Also, das sind die reineren Naturgeister?“ 18. Hierauf machte Ich wieder der Römer innere Sehe zu, und sie sahen wieder nichts als nur die reine Luft. 19. Da sagte Agrikola: „Herr und Meister, was haben denn diese Geister für eine besondere Bestimmung? Wird aus ihnen erst alles das in der materiellen Welt, wozu sie offenbar die Anlagen in ihren Formen in sich tragen, oder sind das gewisserart die Seelen verstorbener Pflanzen und Kräuter und Bäume und Insekten?“ 20. Sagte Ich: „Das zweite nicht, aber das erste wohl in der Weise, wie ihr sie nun mittels der inneren Sehe geschaut habt! 21. Ihre Intelligenz, die sich auch durch die Form offenbarte, treibt sie an, sich mit all dem schon Bestehenden auf dieser Erde zu einen, was ihrer Form engst verwandt ist. In den Pflanzen werden sie hernach tätig, und von ihrer Vielheit und erhöhten Tätigkeit hängt dann auch der Reichtum einer oder der andern Ernte ab, sowie auch die Vielheit der verschiedenartigsten Kleintiere, die ihr Mücklein, Insekten und Würmchen nennet. Das sind aber auch stets die ersten Tiere einer werdenden Erde, deren Seeleneinigung dann erst die größeren Tiere einer Erde ins Dasein ruft.“ 22. Sagte Agrikola: „Herr und Meister, aber warum konnten wir denn nun keine Seelen von schon verstorbenen Menschen dieser Erde sehen?“ 23. Sagte Ich: „Aus zwei Ursachen. Fürs erste habe Ich eure innere Sehe nur so weit aufgetan, daß ihr die schon mehr in die Materie übergehenden Naturgeister habt erschauen können, was zum untersten Grade des inneren Schauens gehört, welches manche einfachen Menschen von Natur besitzen. Mit diesem Grade des inneren Schauens aber lassen sich die Seelen, besonders die schon vollendeteren, nicht erschauen, weil dieses Schauen noch mehr zum materiellen als zum reinen, geistigen Schauen gehört. 24. Zum zweiten aber, was die unlauteren Seelen betrifft, die ihr mit diesem euch von Mir nun auf einige Augenblicke verliehenen inneren Schauen hättet sehen können, so befand sich deren keine an diesem Orte, und so habt ihr auch keine sehen und wahrnehmen können; denn derlei Seelen wittern die Örtlichkeit Meiner persönlichen und vollen Gegenwart und meiden dieselbe auf das allersorgfältigste. – Und da hast du nun die beiden Ursachen, warum ihr bei dieser Gelegenheit keine abgeschiedenen Seelen habt sehen und wahrnehmen können!“ 25. Mit dieser Erklärung waren alle Römer vollkommen zufrieden und fragten Mich um derlei weiter nicht mehr. Kapitel 45 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 45. — Agrikola gedenkt der Maria von Magdalon 1. Aber Agrikola, der ein äußerst gefühlvoller Mann war, erbat sich bei Mir das Wort und sagte: „Oh, welche unermeßlichen Schätze haben wir nun kaum volle acht Tage hindurch geerntet! Wir haben das Allerhöchste, das Allererste und Allergrößte hier gefunden! Und wem nach Deiner geheimen Gnade haben wir dieses nie beschreibbare Glück zu verdanken? Sehet und höret! Jenem noch jungen Weibswesen, das uns am ersten Abende unserer Hierherkunft den Weg hier herauf wies! 2. Jenes Weibswesen, das nach meiner unmaßgeblichen Beurteilung jenen weiblichen Persönlichkeiten anzugehören scheint, die es mit der Keuschheit und anderen Sittenreinheiten eben nicht zu genau nehmen, war ohne weiteres von Deinem Willen geheim inspiriert, und es mußte ein Wegweiser zum Lichte des Lebens werden. 3. Nun, ich als ein Römer kenne das besagte Weibswesen sicher durchaus nicht und kenne auch dessen Wohnung und Namen nicht, also kann ich auch nicht wissen, ob es arm oder reich ist und einer Unterstützung bedarf. Aber wenn es etwa doch in die Klasse der Armen gehörte, was ich als das Wahrscheinlichste annehmen kann, so möchte ich ihm durch den Freund Lazarus aus wahrer menschlicher Dankbarkeit eine Unterstützung zukommen lassen, was sicher recht und billig wäre; denn der Freund Lazarus wird es schier wissen, wie es mit dem Wesen steht. Es wundert mich sehr, daß es uns nicht wieder besucht hat hier auf diesem Berge des Heils. In Emmaus, wie ich mich entsinne, soll es Dich, o Herr und Meister, etwa haben suchen wollen und hat sich hier zuvor erkundigt nach Deinem Aufenthalt, aber keine Kunde erhalten, und so kam es wahrscheinlich auch gar nicht dahin. Aber wir sind nun schon wieder einige Tage hier, und es wundert mich wieder, daß es nicht mehr zum Vorschein gekommen ist!“ 4. Sagte Ich: „Jene Maid wußte es nicht, daß Ich Mich hier noch aufhalte; aber sie hat es gestern in Bethanien erfahren aus dem Munde der Schwestern unseres Freundes Lazarus und ist nun auf dem Wege hierher. Um die Zeit des Aufgangs der Sonne wird sie auch hier eintreffen, und du kannst mit ihr alles Gute und Rechte abmachen. 5. Was aber ihren bisherigen Lebenswandel anbelangt, so hast du richtig geurteilt; aber sie hat dabei stets der Armut gedacht, weil sie als eine irdische Schönheit durch ihren Wandel zu großen Schätzen gekommen ist und schon von ihren Eltern aus mit allem reich ausgestattet war. 6. Dort, weit gen Mittag, ersiehst du auf einem Hügel ein Schloß, es führt den Namen Magdalon. Dort ist die Maid geboren, und das Schloß, viele Gärten, Äcker, Wiesen, Weinberge und Waldungen sind nun ihr Eigentum, da ihr ihre Alten schon vor ein paar Jahren gestorben sind. Sie hätte schon mehrere Male ehelichen können, aber die Templer hielten sie davon ab, weil sie bei ihr stets eine gute Herberge fanden und sich auch sonst mit ihr gut unterhielten. Aber seit sie Mich ersah, kennenlernte und Meine Worte hörte, ist es anders in ihrem Hause, Verstande und Herzen geworden; und weil sie viel geliebt hatte die Armen, so wurden ihr auch viele ihrer Sünden vergeben. 7. Ihr Name ist Maria von Magdalon. Ihrer Armut wegen benötigt sie sonach keine Unterstützung von eurer Seite; aber so sie von euch für ihre vielen Armen etwas wird annehmen wollen, so könnet ihr es ihr ja wohl antragen. Und so wisset ihr nun auch, wer und woher jene Maid ist, und wie sie heißt; doch auch ihre Schuld sei in den Sand geschrieben! 8. Und nun gut von dieser Sache, und wir betrachten nun lieber den schönen Morgen, aus dessen Gestaltungen nach allen Richtungen hin ihr so manches, besonders für die letzte Zeit der neuen Heiden, werdet entnehmen können!“ Kapitel 46 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 46. — Das Gericht des Heidentums 1. Hier sagten Meine alten Jünger: „Herr und Meister, Du hast uns ja verheißen, noch hier ein Näheres darüber kundzutun, und so tue nun das, da nun wohl die schicksamste Gelegenheit dazu wäre!“ 2. Sagte Ich: „Wann dazu die schicksamste Gelegenheit ist, das weiß wohl Ich am besten, und dann habe Ich eben euch schon gar vieles davon kundgegeben, was auch sicher also kommen wird, weil Ich an dem freien Willen der Menschen nichts ändern darf – und ihr es nicht ändern könnet! 3. Aber es hat mit Meiner Geburt das Gericht der Heiden allerorten schon begonnen und dauert nun in stets erhöhterem Maße fort und wird noch bis zum Vollichte unter den Menschen auf dieser Erde fortdauern nahe an 2000 Jahre. 4. Wie ihr aber nun in der Morgengegend allerlei Wolken sich bilden und sich am Horizonte hinlagern sehet, als wollten sie sich dem Aufgange der Sonne hinderlich entgegenstellen, also wird sich gegen den einst kommenden großen Aufgang der geistigen und ewigen Wahrheitssonne auch eine große Masse von allerlei Hinderungswolken aufzutürmen anfangen und unter den Menschen vielen Schaden anrichten, aber den endlich großen Aufgang der Wahrheitssonne doch nicht verhindern können. 5. Ihr habt ehedem noch recht viele schöne Sterne am Himmel leuchten sehen, und am Untergange sahet ihr auch Sterne, die in der tiefen Nacht geleuchtet haben. Sehet, die gingen als gute Boten den noch sichtbaren Morgenboten voran und wirkten in der Nacht; und das ist nun euer Beruf! 6. Wenn aber am geistigen Morgenhorizonte aufgehen werden die noch helleren Morgenboten, so wird das ein Zeichen sein, daß ihnen bald die große und allgemeine Lebens- und Wahrheitssonne folgen wird. Ihr hellstes Licht wird ein unerbittliches Gericht sein aller Lüge und alles Truges, und sie wird samt ihren Jüngern und Verehrern und samt ihrem großen Weltpompe hinabgeschleudert werden in den Abgrund der Verachtung, des gerechten Zornes und der Vergessenheit. Denn dann werden die erleuchteten Menschen nicht mehr gedenken des Truges und des lange gedauert habenden Gerichts. 7. Wie ihr aber nun wohl schon gut merken könnet, daß das ehedem so drohend schwarz aussehende Gewölk anfängt, golden leuchtende Säume zu bekommen, so werdet ihr es in jener Zeit auch merken, wie die Menschen, die vor kurzem noch ganz finster und wahre Feinde des Lichtes der Wahrheit waren, von allen Seiten von den Lichtstrahlen der Wahrheit stets mehr und mehr und heller und heller erleuchtet und dann auch als selbst leuchtend zu Feinden der alten Lüge werden. Und solches Erleuchten von der dem vollen Aufgange sich nähernden Wahrheitssonne aus den Himmeln wird sein Mein Menschensohnszeichen allen Wahrhaftigen auf der Erde und das beginnende große Gericht über die Hure des neuen Babels. 8. Da werden die Liebhaber der Wahrheit hoch aufzujubeln anfangen und werden Mich loben, daß Ich ihnen schon zum voraus gesendet habe Meines Aufgangs Zeichen am Himmel des inneren Geistestages. Aber die Feinde der Wahrheit werden zu heulen und mit den Zähnen sehr zu knirschen anfangen und werden sich, soviel noch irgend möglich, in finstere Winkel zu verbergen suchen mit ihren stets weniger werdenden Getreuen, was ihnen aber nichts nützen wird; denn so dann die volle Wahrheitssonne aufgegangen sein wird, so wird ihr Licht alle noch so finsteren Löcher und Winkel und Höhlen durchleuchten, und die Feinde des Lichtes werden auf der ganzen neuen Erde keine Zufluchtsstätte mehr finden. 9. Ich Selbst aber werde als die ewige Wahrheit in jener Sonne sein und durch ihr Licht bei den Menschen als Herrscher und Leiter ihres Lebens und ihrer zeitlichen und geistigen und ewigen Geschicke. 10. Und somit habe Ich euch nun der vollen und leichtbegreiflichen Wahrheit nach das große Gericht des neuen und alten Heidentums gezeigt. Aber Ich werde euch später für die Menschen noch ein Bild geben, das ihr dann auch den Menschen mitteilen könnet, aber nicht ohne die wahre Erklärung. – Nun aber betrachten wir die Morgenszene wieder ruhig weiter!“ Kapitel 47 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 47. — Die Zukunft Roms und des Antichristen 1. Nach der Zeit von einer Viertelstunde, in der wir alle die Morgenszenen mit vieler Aufmerksamkeit betrachteten, sagte Ich wieder zu allen Anwesenden: „Nun erst habet wohl acht darauf, was sich alles noch vor dem vollen Aufgange der Sonne ordentlich bildlich zeigen wird; denn Ich will es, daß auch ihr mit euren Augen schauen sollet, wie sich in der letzten Zeit des neuen Heidentums alles gestalten wird!“ 2. Nun richteten alle mit verdoppelter Aufmerksamkeit ihre Augen nach dem Osten. Es war bis zum vollen Aufgange noch eine gute halbe Stunde Zeit, und es konnte somit noch so manches Bild sich vor den Augen der beobachtenden Jünger entwickeln. 3. Zuerst ersah man einen dichten und völlig schwarzen Nebel weithin von dem Horizonte aufsteigen. Als dieser Nebel die ungefähr siebenfache Höhe der fernen Gebirge des Horizonts erreichte, da wurde er bald wie glühend; denn er ward von einer Unzahl von Blitzen durchzuckt, daß darum alle die Anwesenden meinten, daß dort nun ein gräßliches Gewitter wüten werde. 4. Ich aber sagte: „Sorget euch um etwas anderes, denn von dieser Erscheinung sieht außer uns niemand etwas nur im geringsten!“ 5. Es ward darauf weiterhin wieder mit aller Ruhe beobachtet, was da alles nachkommen werde. 6. Und siehe, auf dem obersten schwarzen und von den vielen Blitzen durchglühten Rande des Genebels zeigte sich eine große Stadt! 7. Und Ich sagte: „Sehet an das Bild des neuen Babels!“ 8. Da sagte Agrikola: „Herr, das hat mit unserem Rom eine bedeutende Ähnlichkeit! Nur bemerke ich eine Menge Ruinen ringsherum, doch in der engeren Stadt nebst den alten mir nur zu wohl bekannten Gebäuden wohl auch eine Menge neuer Gebäude und Tempel, deren Giebel sonderbarerweise mit Kreuzen verziert sind. Was bedeutet nun das wohl?“ 9. Sagte Ich: „Siehe, das ist der Untergang des alten und zugleich der Anfang des neuen Heidentums! Etwa schon in 500-600 Jahren, von nun an gerechnet, wird es alldort buchstäblich so aussehen. Beobachtet aber das Gebilde nun nur weiter!“ 10. Wieder richteten alle ihre Aufmerksamkeit auf das Gebilde, dessen Szenen sich schnell nacheinander entwickelten. Und siehe, man ersah große Völkerzüge und viele arge Kämpfe und Kriege, und in der Mitte der Stadt ersah man etwas sich hoch erheben wie einen Berg! Auf dem Berge stand ein hoher und großer Thron, aussehend, als wäre er von glühendem Golde. Auf dem Throne saß mit einem Stabe, dessen oberstes Ende ein dreifaches Kreuz zierte, ein Herrscher mit einer dreifachen Krone auf dem Haupte. Aus seinem Munde gingen zahllose Pfeile, und aus seinen Augen und aus seiner Brust zuckten ebenso zahllos viele Blitze des Zornes und des höchsten Hochmutes. Und es zogen ihm Könige zu, von denen sich viele vor ihm tiefst verneigten. Die sich vor ihm also verneigten, die sah er freundlich an und bestätigte ihre Macht; die sich aber vor ihm nicht verneigten, die wurden von seinen Pfeilen und Blitzen arg verfolgt und zugerichtet. 11. Hier sagte Agrippa: „Herr, das gibt kein gutes Vorbild für die späteren Beherrscher des neuen Babels! Es scheint wohl, daß ihre Macht eine noch größere, aber auch eine um vieles grausamere sein wird, als sie nun ist. Denn jetzt werden nur die ärgsten Verbrecher mit dem Kreuze bestraft, aber nur mit dem einfachen; der aber hält gar ein dreifaches in seiner Herrscherhand sogar allen andern Königen entgegen! Herr und Meister, erkläre uns das nur ein wenig!“ 12. Sagte Ich: „Das stellt keinen besonderen Herrscher über viele Länder und Völker vor, sondern nur die sichtliche Persönlichkeit des Antichristen. Das dreifache Kreuz aber bezeichnet Meine Lehre, die daselbst eben dreifach verfälscht den Königen und ihren Völkern aufgedrungen werden wird: falsch im Wort, falsch in der Wahrheit und falsch in der lebendigen Anwendung. 13. Die Könige aber, die sich vor ihm nicht beugen, und die er verflucht, die sind es, die noch mehr oder weniger in der Wahrheit der alten Lehre verbleiben. Es erreichen sie wohl seine Pfeile und Blitze, aber sie können ihnen dennoch keinen Schaden von einiger Erheblichkeit zufügen. – Aber beobachtet nun das Gebilde weiter; denn Ich kann euch durch dasselbe nur die Hauptmomente zeigen!“ 14. Nun sahen wieder alle mit erhöhter Aufmerksamkeit hin. 15. (Der Herr:) „Und siehe, es sammeln viele Könige, die sich zuvor noch vor dem, der auf dem Throne sitzt, tiefst verneigt hatten, ihre Kriegsscharen und ziehen gegen ihn! Seht, das gibt einen erbitterten Kampf, und es sinkt sein erhabener Thron schon sehr bedeutend tief ganz zur Stadt herab, und ihr sehet nur etliche Könige, die sich, so pro forma nur, vor ihm verneigen, während aber von den vielen andern von ihm abgefallenen Königen nun gar viele Pfeile und Blitze auf ihn zurückgesandt werden. Aber nun ist von ihm beinahe gar nichts mehr zu sehen, und das wird geschehen schon nach 1000 bis 1500 bis 1600 und 1700 Jahren. 16. Aber nun sehet abermals hin! Sehet, er macht Versuche, sich abermals zu erheben, umgeben mit schwarzen Rotten, und einige Könige reichen ihm die Hände, um ihm zu helfen; aber sehet, die das tun, die werden alsbald ganz ohnmächtig, und ihre Völker reißen ihnen die Kronen vom Haupte und geben sie den starken Königen! Und sehet! Nun sinkt sein Thron, und die starken Könige eilen herbei und zerteilen ihn in mehrere Teile, und so geht für ihn nun alle seine Macht, Höhe und Größe unter! Wohl schleudert er noch Pfeile und matte Blitze um sich, aber sie beschädigen niemanden mehr; denn die allermeisten kehren auf ihn selbst zurück und verwunden ihn und seine matten und finsteren Horden.“ Kapitel 48 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 48. — Vom tausendjährigen Reich 1. (Der Herr:) „Aber nun sehet, wie die Sonne bereits alles mit ihrem Lichte zu durchdringen anfängt, und ihr sehet die finsteren Horden nach allen Seiten hin fliehen, nur dahin nicht, von woher die Sonne kommt! Vor ihrem Lichte schwindet nun alles und sinkt in das Reich der Vergessenheit. 2. Nun aber sehet noch einmal hin, und ihr ersehet, wie aus den lichten Wölklein sich eine neue Erde bildet! Was wohl stellen die lichten Wölklein dar? Es sind das Vereine von lauter solchen Menschen, die von der göttlichen Wahrheit durchleuchtet sind. Und sehet, nun rücken diese Vereine enger und enger zusammen und bilden so einen großen Verein, und sehet, das ist eben die neue Erde, über der sich ein neuer Himmel ausbreitet voll Licht und Klarheit! 3. Ihr müsset aber dabei nicht etwa der Meinung sein, als würde dann diese natürliche Erde vergehen und in eine neue umgewandelt werden, sondern nur die Menschen werden durch die Vollaufnahme der göttlichen Wahrheit in ihre Herzen als wahre Brüder und Schwestern in Meinem Namen unter sich eine neue geistige Erde schaffen. 4. Auf dieser neuen Erde werde Ich Selbst dann sein und herrschen unter den Meinen, und sie werden mit Mir Umgang pflegen und Mich nimmerdar aus ihren Augen verlieren. 5. Aber betrachtet nun auch nebenbei die alte Erde! Seht, wie aus der neuen Erde in stets dichteren Strömen Lichter hinab auf die alte Erde schweben und diese so entzünden, daß sie wie in vollen Flammen zu stehen scheint! Da sehet ihr gar viele Tote wie aus den Gräbern hervor ans Licht gehen, und wie sie auch bald bekleidet werden mit dem Gewande der Wahrheit und dann auch aufwärtsschweben in das Reich der neuen Erde. 6. Aber zugleich merket ihr auch, wie noch ein gar großer, finsterer Teil sich auch bestrebt, das Gewand des Lichtes über sein schwarzes anzuziehen und daraus und damit aus Eigennutz und aus Herrschsucht abermals ein neues antichristliches Heidentum zu schaffen; aber Ich Selbst lasse Meinen Zorn über sie hereinbrechen, das ist das Feuer Meiner Wahrheit, und Meine Engel der neuen Erde fallen wie mit flammenden Schwertern über sie her und schlagen jede weitere finstere Bestrebung in die Flucht und in den Abgrund der gänzlichen Vernichtung. 7. Dies ist dann das allerletzte und größte Gericht um tausend Jahre später. Diese Zeit wird genannt werden Mein tausendjähriges Reich auf Erden, das durch dies allerletzte Gericht auf eine ganz kurze Zeit noch einmal eine kriegerische Unterbrechung haben wird; aber der Sieg wird ein baldiger und für alle künftigen Zeiten ein gänzlicher sein. Von da an wird aus den Himmeln und aus der Erde ein Hirt und eine Herde werden. Der Hirt werde wie allzeit Ich sein, und die Herde werden die Menschen auf Erden ausmachen im vollen Vereine mit den Seligen in Meinen Himmeln. 8. Denn diese Letztgenannten werden wieder so, wie es in den Urzeiten der Menschen auf dieser Erde war, sichtbar mit den Menschen auf der Erde verkehren. Aber bevor das geschehen wird, wird auch die natürliche Erde ganz mächtige Umgestaltungen erleiden. Große Länder und Reiche, die jetzt noch das große und tiefe Meer bedeckt, werden zum fruchtbarsten Boden emporgehoben werden, und gar viele jetzt noch sehr hohe Berge werden erniedrigt und mit ihren zerbröckelten Spitzen gar viele tiefe Gräben und Täler ausgefüllt werden und ein fruchtbares Land bilden. 9. Da in jener Zeit die Menschen nicht mehr nach irdischen und vergänglichen Schätzen gieren und geizen werden, so werden auf der Erde auch hunderttausendmal so viele Menschen, als nun auf derselben leben, gar wohl versorgt und glücklich leben können. Zugleich aber werden in jener Zeit auch alle die bösen, das Fleisch mächtig quälenden Krankheiten von der Erde verschwinden. Die Menschen werden ein heiteres und hohes Alter erreichen und viel Gutes wirken können, und niemand wird eine Furcht vor dem Tode des Leibes haben, weil er mit klaren Blicken das ewige Leben der Seele vor sich sehen wird. 10. Die Hauptsache im Wohltun wird in jener Zeit in der rechten Erziehung der Kinder bestehen und daß der Starke mit aller Liebe das physisch schwächere Alter nach allen Kräften unterstützen wird. 11. Es werden aber auf der neuen, glücklichen Erde auch Ehen geschlossen werden, aber also wie im Himmel nach Meiner Ordnung, und es werden auch Kinder gezeugt werden in großer Anzahl, aber nicht auf dem Wege der puren Geilsucht, sondern auf dem Wege des wahren Liebeernstes, und das bis ans Ende aller Zeiten dieser Erde. 12. Da habt ihr nun ein treues Bild von dem letzten Gerichte über alle Heiden auf der ganzen Erde, das ihr auch ganz leicht und wohl verstehen könnet!“ Kapitel 49 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 49. — Die Mission der Gotteskinder im Jenseits. Die Dauer der Erde 1. Hier fragten Mich die Jünger: „Herr und Meister! Werden wir aus dem Reiche der Geister das auch alles mit anschauen und mit empfinden können? Und wie lange wird dann die glückliche Erde noch fortbestehen bis zum vollen Ende ihrer Zeiten?“ 2. Sagte Ich: „Was eure erste Frage betrifft, so versteht es sich ja ohnehin von selbst, daß ihr aus den Himmeln das alles nicht nur allerklarst sehen, hören und fühlen werdet, sondern ihr werdet die Hauptleiter daselbst und zu allen Zeiten sein, – aber nicht nur auf der neuen Erde, sondern über den ganzen Großen Schöpfungsmenschen, wie auch über alle endlos vielen Vereine aller Himmel, die ewig nirgends begrenzt sind. 3. Darum sage Ich es euch abermals, daß es kein Mensch je geschaut, noch gehört und in keines Menschen Sinn jemals empfunden worden ist, was Gott denen bereitet hat, die Ihn wahrhaft lieben. 4. Ich könnte euch sogar jetzt noch vieles sagen und auch schon zeigen, aber ihr könntet das jetzt noch nicht ertragen; wenn aber der Geist aller Wahrheit und alles Lebens über euch kommen wird und ihr in ihm wiedergeboren sein werdet, so wird er euch in alle Tiefen Meines Lichtes leiten und erheben. Dann erst werdet ihr es begreifen und einsehen, welche großen Worte Ich nun zu euch und also auch durch euch zu allen Menschen geredet habe. 5. Was aber eure zweite Frage betrifft, so ist sie wahrlich noch sehr albern; denn unsere Rechnung hat gar keine Zahl, durch die man die übergroße Vielheit der Erdjahre bestimmen könnte, die bis zu ihrem Zeitende verrinnen werden, und wäre selbst das irgend möglich, so kann das denen, die im Geiste ewig fortleben werden, wohl nur ganz ein und dasselbe sein. 6. Ich sage es euch: Von solch einer irgend bestimmten Zeit und Stunde weiß auch kein Engel im Himmel; das weiß allein der Vater im Himmel! Denn die ganze Schöpfung ist Sein großer Gedanke, der aber kein Zeitgedanke, sondern ein ewiger ist wie sein allmächtiger Träger und Festhalter. Ich habe es aber ja ohnehin erst unlängst gezeigt, wie endlich einmal alles Materielle ins rein Geistige, aber wie selbständig Seiende verwandelt wird, und es ist sonach wohl nicht mehr nötig, euch noch ein mehreres darüber zu sagen. 7. Sehet und betrachtet nun lieber die herrliche Morgennatur des Tages, und wie das stets kräftiger werdende Licht der Sonne alle Dünste und Trübnisse der Erde verscheucht, und lernet daraus, wie in der Folge das geistig auch euer Geschäft sein wird, und ihr werdet besser daran tun, als so ihr euch zu emsig um das erkundiget, was euch nun noch lange hin nichts angeht! 8. Um was ihr euch zu sorgen habt, das habe Ich euch schon gar oft gezeigt; um alles andere aber habt ihr euch gar nicht zu sorgen! Ja, Ich sage euch, daß es sogar unnötig und eitel ist – so ihr lebendig an Mich haltet im Glauben und in der Liebe –, daß ihr euch sorget um den kommenden Tag, was ihr essen und trinken und womit ihr euren Leib bekleiden werdet! 9. Bekommt man auf dem Markte nicht hundert Sperlinge um einen Pfennig? Wie gering ist also ihr Wert vor den Menschen, und dennoch sorgt der Vater im Himmel für sie und bekleidet sie wohl! Ihr seid als Menschen aber doch sicher mehr wert als die Sperlinge? 10. Betrachtet da diese Feldblumen und Lilien! Salomo in aller seiner Pracht war nicht so herrlich bekleidet, wie sie da sind. Wer sorgt denn da für ihr Gewand? Darum ist alle derlei Sorge eitel von euch, und noch eitler die ums einstige völlige Zeitenende dieser Erde! – Habt ihr alle Mich nun wohl verstanden?“ 11. Alle bejahten dies bis auf Judas Ischariot. Dieser meinte, daß es ihm nicht ganz klar wurde, was Ich da auf dem Berge von dem letzten Heidengerichte geweissagt habe. 12. Ich aber sagte zu ihm: „So wende dich an jene, denen es klar geworden ist! Was die Römer als Heiden fassen, das sollte nun dir als einem Juden und einem alten Jünger wohl auch schon faßbar sein!“ 13. Hierauf sagte er nichts mehr, denn er hatte es wohl gemerkt, warum Ich ihm solch eine Antwort gegeben hatte, und zog sich wieder zurück. Kapitel 50 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 50. — Die Dankbarkeit der Römer gegenüber der Maria von Magdalon 1. Als wir uns aber da auf dieser Höhe noch eine Zeitlang vergnügten, da ersahen wir alle die gewisse Maria von Magdalon zur Herberge des Lazarus kommen, und sie fing auch sogleich bei dessen Dienern sich nach Mir zu erkundigen an. Diese aber hießen sie warten, bis Ich zurückkehren werde; aber sie ließ sich nicht zurückhalten, als sie uns bald und leicht auf der Anhöhe gewahrte, und zog eilenden Schrittes zu uns herauf. 2. Als sie sich unserem Standorte nahte, da ging ihr Agrikola entgegen, grüßte sie freundlich und führte sie dann vollends zu uns, wo sie auch von den andern Römern auf das freundlichste begrüßt wurde. 3. Sie (Maria von Magdalon) aber sagte: „Ich weiß es wahrhaftig nicht, aus welchem Grunde mir hier eine solche Ehre zuteil wird! Ich bin nur eine Sünderin und verdiene, von allen Menschen tief verachtet zu werden; aber daß ich auch einer Ehre würdig wäre, besonders von solchen hohen Herren, wie ihr es seid, das fasset mein Verstand nicht. Dazu bin ich nun nur hergekommen, um allein dem Herrn meines Lebens zu danken, da Er mich von den argen Geistern des Fleisches erlöst hat; aber um mich ehren zu lassen, bin ich nicht hierher gekommen!“ 4. Sagte Agrikola: „Höre, du holde Maria von Magdalon! Wir alle, die wir aus Rom hierher gekommen sind, haben dir gar vieles zu verdanken; denn hättest du uns an jenem Abende vor ungefähr acht Tagen nicht hierherauf den Weg gezeigt und uns auch geführt, so hätten wir vielleicht gar nicht das ewig unschätzbare Glück gehabt, den Herrn alles Lebens und alles Seins persönlich kennen, Ihn als den allein wahren Gott erkennen und über alles lieben zu lernen. Siehe, darin liegt denn auch einzig und allein der Grund, dessentwegen wir dir so dankbar sind und auch fortan bleiben werden; und so wundere dich nun darob nicht also sehr, wenn wir dir so freundlich entgegenkommen! Denn wir erachten das als unsere Pflicht, weil du uns zu einem so unschätzbarsten Glück verholfen hast. 5. Denn wir haben ein gutes Staatsgesetz, laut dem derjenige, der durch einen andern Menschen zu einem großen und wahren Glück gelangt ist, eben diesem Menschen zeitlebens im hohen Grade dankbar zu verbleiben hat durch Gebärden, Worte und Taten, auch dann, wenn der Mensch, durch den ein anderer zum großen Glücke kam, nicht darum wußte, daß er seinem Nebenmenschen zu einem Glücke verhelfen werde. Die Dankbarkeit hat sich auch auf des Glück verursachenden Menschen Nachkommen zu erstrecken. 6. Was sind aber alle materiellen Glücksgüter, zu denen ein Mensch durch einen andern gelangen kann, gegen diese rein geistigen, die wir hier geerntet haben? Durch diese haben wir den allein wahren Gott und durch Ihn uns selbst, die wir verloren waren, und das wahre ewige Leben unserer Seelen gefunden, und das ist endlos mehr, als so du uns zu allen Schätzen der Erde verholfen hättest. Und darum sind wir dir, da du die erste Veranlasserin dazu warst, auch allen Dank für alle Zeiten schuldig. 7. Wärest du eine Arme an irdischer Habe, so würden wir dich auch königlich belohnen; da du aber ohnehin mit den Gütern dieser Erde reichlichst versehen bist, so können wir dir wohl unsere Dankbarkeit mit nichts anderem als mit unseren wahren und ungeheuchelten Worten, wie sie in unserem Herzen gewachsen sind, allerfreundlichst ausdrücken, und du wirst solche unsere dir pflichtschuldigste Dankbarkeit nicht von dir weisen?“ 8. Sagte nun ebenfalls in einem sehr freundlichen Ton die Maria von Magdalon: „Es ist das wohl gar sehr schön und artig von euch edlen Römern, daß ihr mir darum dankbar sein und bleiben wollet, weil ich euch zufällig – wahrlich ohne mein Wissen und Wollen – zu einem, wie sich's leicht begreifen läßt, so endlos großen Glück verholfen habe, aber es gebührt mir darum dennoch kein Dank und keine Ehre; denn das war alles also des Herrn Wille, und ich selbst war nur Sein stummes und blindes Werkzeug. Und so seid ihr dem Herrn allein auch nur allen Dank und alle Ehre schuldig!“ 9. Sagte abermals Agrikola: „O du liebe und holdeste Maria von Magdalon! Das wissen wir auch, daß wir alle nur Ihm allein alles zu verdanken haben; aber wir denken da nun also: Wollen wir dem Herrn unsere wahrste und vollste Dankbarkeit für die endlos große Gnade erweisen, die Er uns nun in einem so nie erhört überschwenglichsten Maße erwiesen hat, so dürfen wir das Werkzeug, dessen Er Sich zu unserer Heiligung bedient hat, doch nicht verächtlich über die Achseln anblicken, sondern es auch ehren des Herrn wegen. Und nur in dieser Hinsicht ehren wir nun dich denn auch, abgesehen davon, ob du zu unserem größten Lebensglücke ein sehendes oder nur blindes Werkzeug in der allmächtigen Hand des Herrn warst, und ich bin der Meinung, daß das auch in der Folge beachtet werden wird. Denn wenn man das Werkzeug des Herrn nicht mit dankbarem Herzen begrüßen möchte, wie stünde es dann mit der wahren Nächstenliebe, die wir doch nach der Lehre des Herrn sogar unseren Feinden schuldig sind und sicher um so mehr denen, durch die uns der Herr so große Gnaden zukommen ließ? 10. Siehe, du unsere nun holdeste und unvergeßliche Freundin, da habe ich recht und lasse es mir von gar niemand bestreiten und nun schon am allerwenigsten von dir, die der Herr zu unserem Glücks- und Leitstern auserkoren hat, und wir dir darum Ehre und wahre Liebe schulden! Laß mich darum nur bei meinem guten Rechte!“ 11. Sagte die Maria von Magdalon: „Ja, ja, in dieser Hinsicht hast du, hoher Herr, schon ganz recht, aber ich selbst werde darum den Herrn, meine einzige Liebe, loben, rühmen und preisen immerdar, daß Er mich, eine große Sünderin, zu einem blinden und stummen Werkzeuge gemacht hat! Denn hätte ich gewußt, daß Er hier oben sei, so hätte ich euch nicht hierherauf geführt; denn ich hätte es als eine zu grobe Sünderin ja selbst nicht gewagt, mich dem Herrn zu nahen, da ich von der Wahrheit Seiner Lehre und Seines heiligsten göttlichen Wesens nur zu tief überzeugt bin und auch einsehe, daß eine Sünderin, wie ich eine war, nie wert sein und werden kann, sich Seiner heiligsten Person zu nahen. 12. Ich aber wußte erstens nicht, daß sich der Herr hier aufhalte mit Seinen getreuen Jüngern; aber das wußte ich, daß diese Bergherberge eine der besten von ganz Jerusalem ist. Und weil diese Herberge gewöhnlich von den Fremden besucht wird, so habe ich, da ihr mich in einer Straße der Stadt aufhieltet und um eine gute Herberge befragtet, euch hierherauf geführt und habe daher von euch nur den Dank nach menschlicher Weise zu beanspruchen, der mir als einer Wegweiserin zu einer guten Herberge gebührt; aber dafür, daß ihr hier der höchsten Gnade des Herrn teilhaftig geworden seid, gebührt mir wahrlich kein noch so geringer Dank, da es unmöglich in meiner Absicht hat liegen können, euch solche hier zu verschaffen, indem ich selbst keine Ahnung haben konnte, daß ihr einer solchen hier würdet teilhaftig werden. Daher gebet darum nur allein dem Herrn allen Dank und alle Ehre, und gedenket deshalb meiner nicht, worum ich euch sogar inständigst bitte!“ 13. Hierauf sagte Ich: „Höre du, Meine Maria! Du hast nun ganz wohl und wahr gesprochen und hast völlig recht in deinem Teile; aber auch die Römer haben recht in dem ihrigen. Daß du Mir allein alle Ehre und allen Dank zuwendest, dadurch zeigst du, daß du vom wahren Geiste der Demut vollends erfüllt bist und dir darum auch alle deine Sünden vergeben sind; aber auch die Römer zeigen, daß sie vom rechten Geiste der Nächstenliebe durchdrungen sind, und begehen deshalb keine Sünde gegen Mich, so sie dich in ihrer dankbaren Erinnerung behalten, wenn du auch nur ein blindes Werkzeug Meiner Liebe und Meines Willens warst. 14. Ich aber sage nun bei dieser Gelegenheit allen: Ihr sollet zwar nicht suchen Dank und Ehre bei den Menschen, denen ihr in Meinem Namen werdet Gutes getan haben, so wie auch Ich Selbst bei den Menschen desgleichen nicht suche, da Der, der in Mir wohnt, Meine allerhöchste Ehre ist; aber so euch die Menschen für die in Meinem Namen erwiesenen höchsten Lebenswohltaten verunehren und mit Undank begegnen werden, so werde Ich ihnen das ebenso anrechnen, als hätten sie Mir Selbst das angetan! Denn wer den rechten Jünger, den Ich erweckt habe, nicht ehrt und ihm in Meinem Namen nicht dankbar ist, der ehrt auch Mich, den Herrn und Meister, nicht und ist Mir für die ihm erwiesene Gnade auch nicht dankbar. 15. Denn so Ich Jünger und Propheten erwecke, so geschieht das nicht der Jünger und Propheten allein wegen, sondern aller Menschen wegen; und darum sollen die Jünger und Propheten auch als das geachtet werden, als was sie von Mir berufen sind. Wer denn einen Jünger und einen Propheten in Meinem Namen mit Liebe und rechter dankbarer Achtung aufnehmen wird, dem werde Ich es auch also anrechnen, als hätte er Mich Selbst also aufgenommen, und er wird denn auch dereinst eines Jünger- und Prophetenlohnes teilhaftig werden. Und deren Lohn wird wahrlich kein geringer sein! 16. Aber wehe auch jenen falschen Jüngern und Propheten, die sich gleich den Pharisäern und Hochpriestern von den Menschen werden ehren lassen und solches von den Menschen sogar gesetzlich verlangen werden! Wahrlich, die sollen als Diebe und Räuber angesehen werden und dereinst vor allen Engeln zu großen Schanden werden! Je mehr Ehre sie sich in dieser Welt für sich nehmen werden, desto mehr der ärgsten Schande werden sie dereinst zu gewärtigen haben. 17. Dieses sollet ihr euch alle auch wohl merken und könnet das auch leicht; denn so ihr Mein Gebot der wahren und reinen Nächstenliebe recht in Betrachtung ziehet, so werdet ihr es gar leicht begreifen, daß jedem echten und wahren Menschen der stinkende Hochmut seines Nebenmenschen am meisten weh tut!“ Kapitel 51 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 51. — Die bevorstehenden Gerichte 1. (Der Herr:) „Daher sei ein jeder voll Sanftmut und Demut, und ihr werdet euch dadurch gegenseitig die größte und wahrste Menschenehre erweisen und in Frieden und Ruhe miteinander leben und verkehren! 2. Ehrsucht und Hochmut aber erzeugen Mißmut, Ärger, Verachtung, Groll, Zorn und am Ende Rache, Krieg und sein böses Gefolge. Der Hochmütige und Ehrgierige ist auch stets voll Selbstsucht und Habgier; und weil er alles nur für sich zur Erhöhung seiner Weltehre gewinnen will, so ist dann davon die traurige Folge, daß Hunderte und Tausende um ihn dann nichts haben und in der größten Armut und Not leben müssen, wie das auch zu den Zeiten Noahs der Fall war und in der letzten Zeit des neuen Heidentums noch mehr der Fall sein wird. 3. Aber eben dieser böse und vollends höllische Zustand unter den Menschen wird das Gericht sein, das sie sich selbst schaffen werden. Die übergroße Zahl der Armen und Gedrückten wird sich endlich über ihre überhochmütigen Bedrücker erheben und mit ihnen ein Garaus machen, und das wird sein eine zweite Sündflut durch das Zornfeuer der am Ende zu arg und mächtig gedrückten Armut. 4. Aber auch ein natürliches Feuer wird in jener Zeit viele Orte verwüsten; denn es werden in jener Zeit die Menschen aus zu hoch übertriebener irdischer Gewinnsucht gleich bösen Würmern in die Tiefen der Erde dringen und darin allerlei Schätze suchen und auch finden. Wenn sie aber an die mächtigen Lager begrabener Urwälder der Erde kommen werden und sie zur Feuerung und Schmelzung der Metalle und noch zu vielen anderen Dingen gebrauchen werden, so wird auch das letzte Gericht, das sie sich selbst bereiten werden, vor der Türe sein. 5. Am meisten aber werden die zu leiden haben, die da wohnen werden in den großen Städten der Könige und der dermaligen Mächtigen der Erde. 6. Darum bleibet alle stets in der Sanftmut und Demut und dadurch in der wahren Nächstenliebe, so wird kein Gericht unter euch erzeugt werden; denn wo in jener Zeit die Menschen in Meiner Ordnung leben werden, dort wird auch kein letztes Gericht zum Vorschein kommen. Ich habe euch das nun deshalb zum voraus gesagt, auf daß ihr es auch den andern Menschen sagen und verkünden sollet, damit sich am Ende niemand entschuldigen kann, daß er nicht vor der Gefahr gewarnt worden sei.“ 7. Sagten alle: „Herr und Meister, an unserem Eifer für die gute und wahre Sache wird es uns mit Deiner Hilfe wahrlich nicht fehlen; aber es gibt der Menschen viele auf der Erde, die groß und weit ist, und wir werden nicht in alle ihre Orte kommen können, und so wird das Böse unter dem Guten und Wahren fortwuchern, und wir werden wohl nicht imstande sein, demselben vollen Einhalt zu tun!“ 8. Sagte Ich: „Dafür werdet ihr, wie ein jeder wahrhaft Gute in Meinem Namen, auch zu keiner Verantwortung gezogen werden. Denn es genügt, daß den Menschen die Wahrheit verkündet wird; das Leben und Handeln danach ist ihre höchst eigene Sache. Wer danach leben und handeln wird, der wird in kein Gericht kommen, sondern das ewige Leben ernten und selig werden.“ Kapitel 52 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 52. — Maria von Magdalon und der Herr 1. Hier trat die Maria von Magdalon näher zu Mir und sagte: „O Herr und Meister, kann auch ich noch selig werden und dereinst das ewige Leben ernten? Denn ich bin eine große Sünderin, und mir kommt es in Deiner heiligsten Nähe stets mehr und mehr vor, daß ich auch Deiner allergeringsten Gnade zu unwürdig bin!“ 2. Sagte Ich: „Bleibe du nur fortan in der reinen Liebe, und sündige nicht mehr! Das sei deine Sorge; um alles andere werde schon Ich für dich Sorge tragen. Ich habe dich befreit von deinen unreinen Geistern und habe zu dir auch gesagt: Deine Sünden sind dir vergeben, weil du den Armen viel Liebe erwiesen hast und nun auch Mich liebst über alles. Zu wem Ich aber sage: ,Deine Sünden sind dir vergeben!‘, dem sind sie auch wahrhaft vergeben. Aber er muß hinfort keine Sünden mehr begehen; denn sündigt er von neuem wieder, so versetzt er sich in einen noch ärgeren Zustand, als da war sein erster. Aber Ich sehe bei dir den ernsten Willen, nicht mehr zu sündigen, und so wirst du auch verbleiben in Meiner Gnade und Liebe. Wer aber in Meiner Gnade und Liebe verbleibt, der hat schon das ewige Leben in sich und mit ihm die ewige Seligkeit. 3. Wer aus Liebe zu Mir alles tut, was die Nächstenliebe fordert, dem werde auch Ich alles tun, was in Meiner Macht steht. In Meiner Macht aber steht nicht nur vieles, sondern alles. So du, liebe Maria, nun das weißt, da sei du frohen Gemütes, und tue fortan Gutes, und Ich werde dich nicht verlassen!“ 4. Hierauf fiel die Maria von Magdalon zu Meinen Füßen, dankte Mir mit dem gerührtesten Herzen und benetzte Meine Füße mit ihren Tränen und trocknete sie mit ihren Haaren. Meinen alten Jüngern aber kam diese Szene etwas zu lange dauernd und nach ihrer Meinung auch etwas unanständig vor, und sie murrten heimlich unter sich. 5. Ich aber merkte das und sagte zu ihnen: „Warum ärgert denn ihr euch darob? Ich bin schon lange unter euch, und ihr habt Mir eine solche Liebe noch nie bezeigt, und Ich verlangte sie von euch auch nicht. Darum aber sage Ich euch nun auch: Wo immer Mein Evangelium den Menschen gepredigt wird, da soll auch dieser Maria volle Erwähnung gemacht werden; denn sie hat Mir einen großen Liebedienst erwiesen. Das merket euch auch! Du, Maria, aber erhebe dich nun wieder, und sei Meiner vollen Liebe und Gnade versichert!“ 6. Darauf erhob sich die Maria und dankte Mir nochmals mit dem liebevollsten Herzen. 7. Die Jünger aber baten Mich und sie um Vergebung ob ihrer kleinen Ungeduld. 8. Und Ich sagte: „Lernet die Schwachen ertragen, so werdet ihr dadurch mehr Stärke eurer Seelen vor Mir an den Tag legen, als so ihr nur mit den Helden kämpfet und über sie sieget! 9. Nun aber ist die Sonne schon ziemlich hoch über den Horizont gestiegen, und das Morgenmahl steht in Bereitschaft; wir wollen dasselbe zu uns nehmen und uns dann von hier nach Bethanien begeben!“ 10. Darauf begaben wir uns behende ins Haus und nahmen das Morgenmahl ein, an dem auch unsere Maria teilnahm. 11. Nach dem Morgenmahle aber machte Lazarus mit seinem Wirte die Rechnung und nahm den Gewinn, wie auch die andern Schätze und Kostbarkeiten mit sich. Es hatten daran zehn Maultiere zu tragen, da auch die Schätze von den etlichen bekehrten Pharisäern dabei waren, die Lazarus zur Verwaltung übernahm. 12. Nikodemus, Joseph von Arimathia und der alte Rabbi empfahlen sich Meiner Gnade und Liebe, dankten für alles und gingen samt den Magiern in die Stadt, allwo sie zu tun hatten. Die Magier aber begaben sich zu den Ihrigen, die schon mit vieler Sehnsucht ihrer harrten. Die beiden Römer aber, die zu Emmaus wohnten, zogen mit den sieben Oberägyptern nach Emmaus, von wo aus dann die letzteren nach einigen Tagen wieder in ihr Land zogen. Alle andern Anwesenden aber zogen mit uns nach Bethanien. 13. Es braucht hier nicht weiter und sonderheitlich angegeben zu werden, welche Menschen noch da waren, da dieselben im Verlaufe der erzählten Begebenheiten auf dem Ölberge ohnehin mehrere Male benannt und bezeichnet wurden. 14. Maria von Magdalon bat Mich auch, uns nach Bethanien nachkommen zu dürfen, und fragte Mich, wie lange Ich wohl in Bethanien verweilen werde. 15. Und Ich sagte: „Ich werde daselbst drei Tage hindurch ruhen; denn Ich habe nun viel gearbeitet, und auf viel Arbeit kann man sich eine kleine Rast nehmen. Wenn du dein Haus bestellt haben wirst, dann komme zu uns nach Bethanien!“ 16. Darauf begab sich auch die Maria sogleich nach Hause, um daselbst schnell alles zu ordnen, und das auf einige Tage, da sie es sich vornahm, diese Zeit bei Mir zuzubringen. Kapitel 53 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 53. — Die Reise nach Bethanien 1. Schließlich fragte Mich noch Agrikola, ob er nicht eines von den Goldgeschirren, die wunderbar für den Tisch der Römer geschaffen worden waren, zum Gedächtnisse mitnehmen dürfe gegen Erlegung eines ausgesprochenen Geldwertes. 2. Und Ich sagte zu ihm: „Was für euch geschaffen ward, das gehört euch auch, und ihr könnet es daher auch ohne Erlegung eines Geldbetrages mit euch nehmen. Zudem wirst du ohnehin der Armen genug von hier mit dir nach Rom nehmen und sie dort wohl versorgen, und so sind in der materiellen Hinsicht diese Gefäße wohl nur ein ganz geringer Lohn für das, was du Mir zuliebe tust. Darum nimm nur alles, was sich irdisch Kostbares auf eurem Tische befindet! Aber betrachte das nicht etwa als einen wirklichen Lohn für alles das, was du aus Liebe zu Mir den vielen Armen und Bedrängten tust; denn dein Lohn dafür wird ein ganz anders gestalteter sein auf Erden schon, und über alles jenseits in Meinem Reiche. 3. Sorge daheim aber ernst und gut für die, welche Ich dir zur Pflege übergeben habe! Du wirst nach einem Jahre nach dem äußersten Westen Europas in Regierungsangelegenheiten eine Reise machen müssen mit einem Sohne von dir, und du wirst dort lange und viel zu tun haben. In der Zeit aber bestelle dein Haus wohl, damit alle die, welche Ich dir anvertraut habe, ja keine Not weder leiblich und noch weniger seelisch zu erleiden haben sollen!“ 4. Sagte Agrikola, von der Liebe zu Mir ganz zu Tränen gerührt: „O Herr und Meister, das wird wohl meine erste und größte Sorge sein, und ich hoffe, daß mir mit Deiner Hilfe alles wohl und bestens gelingen wird! Aber verlasse ja Du mich niemals, und lasse keine zu starken Versuchungen über mich und mein Haus kommen! Ich kenne wohl nun ganz gut meine von Dir mir geschenkte Stärke; aber ich kenne auch meine alten, höchsteigenen Schwächen. Sollte mich dann und wann eine oder die andere gemahnen zu einem Falle, – o Herr, da ergreife mich und stärke meinen Willen, auf daß ich mich aufrecht erhalte und nicht falle!“ 5. Sagte Ich: „Wahrlich, um was du den Vater, den du nun kennst, bitten wirst in Meinem Namen, das wird dir auch gegeben werden! Darum sei du stets voll Trostes und voll der wahrsten und lebendigsten Zuversicht; denn Ich werde, so du im lebendigen Glauben und in der Liebe zu Mir verharrst, stets bei dir sein und werde dich führen und leiten, wie auch jeden, der deines Glaubens und deiner Liebe sein wird!“ 6. Hierauf dankten Mir alle Römer und auch alle die, welche die Römer in ihre Sorge und Pflege aufnahmen. 7. Wir waren nun reisefertig und begaben uns hinab auf die Straße, die nach Bethanien führte. 8. Als wir an der Mauer der Stadt vorüberzogen, da sagte der Wirt im Tale, der auch mit uns heimzog, wie auch der an der großen Heerstraße unweit Bethlehem: „Herr, sieh doch diese furchtbar starken Mauern der Stadt an! Wie wohl werden die mit menschlichen Kräften zerstört werden können?“ 9. Sagte Ich: „Was Menschenhände schufen, das können sie auch zerstören. Denn es sind die Menschen überhaupt geschickter im Zerstören als im Schaffen, und so werden sie zur rechten Zeit auch Meister dieser starken Mauern werden. Ich sage euch: Nicht ein Stein wird auf dem andern gelassen werden! In ein paar Jahrhunderten werden die Menschen die Stelle suchen, auf welcher nun noch der Tempel steht, und werden sie nicht finden. 10. Wie war es denn zu den Zeiten Noahs vor der großen Flut? Ich habe euch das gezeigt vor einigen Tagen! Konnten die Menschen jener Zeit sogar Berge zerstören, wodurch die inneren Gewässer der Erde zum Ausbruch kamen und die Frevler ersäuften, also werden die Menschen desto leichter mit dieser Mauer fertig werden zur rechten Zeit!“ 11. Mit diesem Bescheide waren die beiden zufrieden, und wir zogen auf der Straße weiter und kamen bald an ein Mauthaus. Kapitel 54 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 54. — Der habsüchtige Zöllner und der Herr. Vom Liebetätigen Glauben. Über Schadenersatz 1. Der Zöllner aber erkannte Mich bald, trat zu Mir und sagte: „O Herr und Meister, seit Deine Worte und Lehren mich auf dem Ölberge durchdrungen haben, bin ich wahrlich ein ganz anderer Mensch geworden und danke Dir nun noch einmal aus vollem Herzen für die übergroße Gnade, die Du mir und meinem Hause erwiesen hast! Ich habe alles von Dir Vernommene allen meinen Angehörigen treulich mitgeteilt, und sie glauben nun an Dich; lasse darum auch Deinen Segen über mein ganzes Haus walten!“ 2. Sagte Ich: „Weil du solches getan hast, so wird das Heil dir und deinem Hause auch nicht ferne bleiben! Aber du forderst dennoch auch sogar von den Einheimischen den Zoll, wenn der Fremden zu wenige nach Jerusalem kommen; wenn aber die Fremden kommen, so verlangst du willkürlich um vieles mehr, als es nach dem Gesetz bestimmt ist. Das aber habe Ich wahrlich nicht gelehrt, und ein solches Handeln steht nicht im allerentferntesten Verbande mit der Nächstenliebe, die Ich jedermann vor allem ans Herz legte. Hast du aber die Nächstenliebe in der Tat nicht, da bist du ferne von Meinem Reiche; denn der pure Glaube ohne die Werke der Liebe ist tot und der, welcher ihn hat, mit ihm. Darum ändere du dein Handeln, ansonst dir wenig Heil aus deinem Glauben an Mich erwachsen wird! 3. Daß du ein Zöllner bist, von dem die Templer sagen, daß er gleichfort ein großer Sünder sei, das wird dir von Mir aus nicht zur Sünde gerechnet; aber daß du die Wanderer bedrückst und von ihnen forderst, was über die gesetzliche Gebühr geht, das ist wider die Nächstenliebe und ist somit auch eine grobe Sünde, die keinem Menschen ein Heil bereitet. Ändere darum dein Handeln, so du ein rechter und fruchtbarer Jünger nach Meiner Lehre sein willst!“ 4. Sagte der Zöllner nun ganz betroffen: „O Herr und Meister, ich sehe nun, daß es vor Deinen Augen nichts Verborgenes gibt, und ich werde darum mein Handeln völlig ändern! Dir aber danke ich nun abermals inbrünstigst für diese Deine Ermahnung.“ 5. Sagte Ich: „Mache aber auch an den Armen den ihnen zugefügten Schaden gut, sonst baust du deine künftige Nächstenliebe auf hohlem Sandgrunde!“ 6. Als der Zöllner solches von Mir vernahm, verneigte er sich und sagte: „Herr und Meister, an meinem Willen dazu wird es nicht fehlen, aber an der Möglichkeit, da ich die allermeisten nicht kenne und ihnen die manchmaligen Überbürdungen nicht zurückerstatten kann!“ 7. Sagte Ich: „So habe den ernsten Willen dazu und tue, was dir möglich ist, so wird dir der Wille als Werk angerechnet werden! Es gibt aber um Jerusalem noch Arme genug, die dann und wann einer Hilfe bedürfen; denen tue du Gutes und bringe ihnen ein Opfer, so wirst du dein Unrecht sühnen!“ 8. Auf diese Meine Worte verneigte sich der Zöllner abermals, versprach auf das feierlichste, Meinen Rat zu befolgen, und wir zogen dann weiter. 9. Auf dem halben Weg nach Bethanien aber saß am Wege ein Blinder, der da bettelte. Er hatte aber einen Führer bei sich, der dem Blinden sagte, daß Ich vorüberzöge. 10. Als der Blinde das vernahm, da fing er sogleich aus voller Brust zu schreien an: „O Jesus von Nazareth, Du wahrer Heiland der Menschen, hilf mir armem Blinden!“ 11. Weil er aber gar so stark schrie, so bedrohten ihn Meine Jünger und verwiesen ihm sein starkes Schreien und sagten, daß Ich ihm auch so helfen könne, wenn er auch nicht gar so heftig schreie. 12. Ich aber verwies das den Jüngern und sagte: „Warum ärgert ihr euch denn darum, daß dieser Blinde Mich um Hilfe angeht? Ist euch sein Geschrei lästig, so haltet euch die Ohren zu, und lasset ihn Mich um Hilfe rufen! Denn sähe er, so würde er nicht also schreien; da er aber wahrlich völlig stockblind ist, so schreit er, damit Ich ihn erhören möchte, wenn sein Geschrei von Mir vernommen wird. Euch aber hat er nicht um Hilfe angerufen, sondern nur Mich, und so geht euch sein Schreien auch nichts an, und ihr habt euch darüber nicht zu ärgern und den Blinden nicht zu bedrohen!“ 13. Da wurden die Jünger still, und Ich trat zum Blinden hin und sagte: „Hier stehe Ich vor dir. Was willst du denn, daß Ich dir nun tun soll?“ 14. Sagte der Blinde: „O guter Heiland, Herr und Meister, gib mir mein Augenlicht wieder; denn ich habe wohl vernommen, daß Du alle Blinden wohl heilen und sehend machen kannst! Und so bitte ich Dich, daß Du Dich nun auch meiner erbarmen möchtest!“ 15. Sagte Ich: „Glaubst du denn wohl so ganz ungezweifelt fest, daß Ich dir helfen kann?“ 16. Sagte der Blinde: „Ja, Herr und Meister, nur Du ganz allein kannst mir helfen, wenn Du das willst!“ 17. Sagte Ich: „Nun, so will Ich denn, daß du wieder sehen sollst! Aber das sage Ich dir auch, daß du in Zukunft nicht mehr sündigest; denn so du in deine alten Sünden verfallen würdest, da würdest du auch wieder blind werden! Darum beachte wohl, was Ich dir nun gesagt habe!“ 18. Der Blinde versprach Mir das aufs feierlichste, und Ich berührte darauf mit dem Finger seine Augen, und er war im Augenblick sehend und wußte sich darob vor lauter Freuden nicht zu helfen und dankte Mir mit aufgehobenen Händen, daß Ich ihm geholfen habe. 19. Ich aber sagte darauf zu ihm: „Da du sehend geworden und sonst noch ein kräftiger Mensch bist, so erhebe dich nun von dieser Stelle und suche dir in irgendeinem Hause einen Dienst und verdiene dir das tägliche Brot; denn der Müßiggang ist stets der Grund und der Anfang zu allerlei Sünden und Lastern!“ 20. Sagte der nun sehend gewordene Blinde: „O Du guter Heiland, Herr und Meister! Gar gerne möchte ich nun dienen und arbeiten, wenn sich nur irgend ein Dienstgeber vorfände! Ich und dieser mein Führer würden wohl gar gerne arbeiten, so uns jemand in Arbeit nähme.“ 21. Hier traten sogleich die beiden Wirte hervor und sagten: „So gehet mit uns, und ihr sollet sogleich Dienst und Arbeit haben; denn wir sind Besitzer von vielen Äckern, Gärten, Wiesen und Weinbergen!“ 22. Als die beiden das vernahmen, da wurden sie überfroh, erhoben sich von ihren alten Bettelsitzen und zogen ganz wohlgemut mit uns fort nach Bethanien, wo sie einen ganzen Tag wohlverpflegt wurden. Kapitel 55 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 55. — Auf dem Grundbesitz des Lazarus 1. Als wir nach Bethanien kamen, da ersahen Mich die beiden Schwestern des Lazarus schon von weitem und liefen Mir mit offenen Armen entgegen. 2. Als sie zu Mir kamen, konnten sie nicht genug lobend erzählen, was sich unterdessen alles Gutes in Bethanien zugetragen habe, während Ich Mich zu Jerusalem aufhielt, und welche Freude ihnen am Morgen die Ankunft der vielen Jungen verursachte; aber zugleich bedauerten sie auch, daß die lieben Jungen nicht in Bethanien verbleiben würden, wie ihnen das der Raphael angezeigt habe. 3. Ich aber sagte ihnen den Grund, und sie stellten sich zufrieden. 4. Dabei erreichten wir den Hof und begaben uns denn auch sogleich ins Haus, wo in einem großen Saale die Jungen Mich empfingen und als Vater begrüßten, und das mit so herzlichen Worten, daß darob alle zu Tränen gerührt worden sind. 5. Von diesem Saale bezogen wir einen anderen Saal. 6. Als wir in dem schon angezeigten Saale uns befanden und uns gewisserart zu einiger Ruhe geordnet hatten, da ließ Lazarus Brot und Wein auf die Tische setzen und ersuchte uns, daß wir uns damit ein wenig stärken möchten. Wir taten das denn auch eben nicht ungern, da wir von dem kleinen Marsche ein wenig müde geworden waren. Doch diese Müdigkeit war wahrlich kaum des Erwähnens wert; aber da die Römer den Wunsch geäußert hatten, auch diese Stammbesitzung des Lazarus, die von großem Umfange war, näher kennenzulernen, so war da eine kleine leibliche Vorstärkung eben ganz am rechten Orte. Wir nahmen denn auch das Brot und den Wein, nachdem Ich beides zuvor gesegnet hatte, und aßen und tranken ganz wohlgemut das Gegebene. 7. Nach dieser kleinen Leibesstärkung aber begaben wir uns abermals ins Freie und durchzogen den größten Teil der Besitzungen des Lazarus, und die Römer verwunderten sich sehr über den großen Reichtum des Lazarus. 8. Aber dieser sprach (Lazarus): „Liebe Freunde, ich besitze noch bei dreißigmal soviel, als was ihr hier nur flüchtig habet übersehen können! Aber all dieser große Besitzesreichtum macht mich darum nicht glücklich, weil ich ihn auf dieser Erde völlig mein nennen kann; denn heute bin ich wohl noch vor den weltlichen Gesetzen ein rechtmäßiger Besitzer, doch morgen fordert der Herr die Seele von mir, und diese wird vor Ihm Rechnung zu legen haben, wie und zu welchem Frommen sie die Erdengüter, die ihr anvertraut worden waren, getreu verwaltet hat. Und sehet, da wird es dann wohl gar mancher Seele schwer ergehen, vor dem Herrn in der Rechenschaft bestehen zu können! Daher sind wir wohl nur, vom rechten Standpunkte des Lebens auf dieser Welt aus betrachtet, zeitweilige Verwalter solcher Erdengüter zum Frommen der armen Menschheit, aber niemals Besitzer. Denn der ewig rechtmäßige Besitzer ist allein der Herr; wir aber besitzen nur das Recht, diese Erdengüter zum Frommen der bedürftigen Menschen zu verwalten und sie zweckdienlich zu bearbeiten. 9. Und so bin denn auch ich kein Besitzer von allem dem, sondern nur ein noch immer schwacher Bearbeiter und Verwalter. Der aber nun als der allerhöchste Lebensfreund unter uns wandelt und ein wahrster Herr alles Lebens ist, Der ganz allein ist auch der wahre Besitzer dieser und aller Güter der Erde, und es wird uns dereinst zum Heile gereichen, so Er zu uns sagen wird: ,Ihr habet Meine euch anvertrauten Güter wohl verwaltet!‘“ 10. Sagte Agrikola: „Was du nun von deinen Gütern denkst und sagst der vollen Wahrheit nach, das werde auch ich von den meinen denken und sagen und nach Möglichkeit auch dir gleich handeln. Dich, o Herr, aber bitten wir schon jetzt, daß Du mit uns dereinst nicht eine allzustrenge Rechnung über unser Gebaren mit Deinen uns nur zur Verwaltung verliehenen Erdengütern halten möchtest! Denn am Willen, recht zu tun, soll es uns nicht mangeln; aber ob die äußeren, finsteren Weltverhältnisse uns dann und wann nicht manchen unerwarteten und unvorhergesehenen Strich durch unsere gute Rechnung machen werden, das liegt außer unserer Macht, und Du, o Herr, wirst uns für solche möglichen Fälle gnädig und barmherzig sein.“ 11. Sagte Ich: „Was da immer geschehen wird wider euren Willen, dafür werden die Rechnung zu geben haben, die euch dann und wann als Hindernisse in den Weg getreten sind. Denn die vor Mir allein gültige Rechnung wird in euren Herzen geschrieben stehen. Da ihr aber nun Meine Freunde seid, so werdet ihr auch als dieselben verbleiben in Ewigkeit! 12. Denn wahrlich sage Ich euch: Selig seid ihr, die ihr nun das sehet und höret, was alle Patriarchen und Propheten zu sehen und zu hören so sehnlichst wünschten! Aber es war damals noch nicht an der Zeit. Im Geiste sehen und hören sie nun das auch und freuen sich über die Maßen darob; doch ihrem Fleische blieb das verborgen, und den künftigen Generationen wird das auch mehr oder minder verborgen bleiben. Für euch aber ist es nun ein leichtes, zu glauben und danach zu handeln, denn ihr seid nun Augen- und Ohrenzeugen von allem dem, was auf dieser Erde noch nie ein Menschenauge geschaut und ein Menschenohr gehört hat; aber in der Folge werden nur jene selig, welche, so sie auch nicht sehen und hören werden, wie ihr nun, dennoch glauben und nach dem Glauben handeln werden. Darum aber wird ihr Verdienst ihnen noch höher angerechnet werden.“ 13. Sagten Meine Jünger: „Wenn Du, o Herr, in der Folge niemandem mehr sichtbar und vernehmbar wirst, wie wirst Du denn dann bei den Deinen verbleiben bis ans Ende der Zeiten?“ 14. Sagte Ich: „Das war einmal wieder eine ausgezeichnet blöde Frage von euch! Wie vieles und Großes habe Ich euch schon verkündet und gezeigt, und dennoch verstehet ihr noch wenig von der inneren Weisheit in Gott! Ich kann doch nicht ewig in diesem Fleische auf dieser materiellen Welt verbleiben, und Ich habe es euch schon zu mehreren Malen gesagt, was Mir noch begegnen wird, damit das Sündenmaß der Juden voll werde und ihr Gericht über sie komme, und noch fraget ihr beinahe wie Blindgeborene nach den Farben des Lichtes, wie Ich dann in der Folge bis ans Ende der Zeiten bei den Meinen verbleiben werde! Weil ihr aber das noch nicht verstehet, so will Ich es euch noch einmal sagen: 15. Ich werde im Geiste, im Worte und in der Wahrheit bei den Meinen verbleiben, und die in großer Liebe zu Mir sich befinden werden, die werden Mich auch persönlich auf Momente zu sehen bekommen. Die aber nach Meinem Worte leben und nach der inneren Wahrheit desselben sorglich forschen werden, mit denen werde Ich reden durch das Verständnis ihres Herzens und werde also legen Meine Worte in ihr Gemüt, und in Meinem Namen wohlerzogene Jünglinge und Mägde sollen Gesichte haben, in denen ihnen erklärt wird Meine Wesenheit, die Himmel und das ewige Leben, wie auch das Los der Abtrünnigen und Bösen, und auch also werde Ich verbleiben bei den Meinen bis ans Ende der Zeit dieser Erde. Das alles verstehet nun recht, und fraget Mich um derlei nicht wieder!“ 16. Die Jünger stellten sich mit dieser Meiner Antwort ganz zufrieden und fragten Mich dann fürder nicht mehr um solches. Kapitel 56 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 56. — Die Sonderstellung der Erde 1. Als wir aber noch zwischen den Äckern und Gärten schon ganz in der Nähe von Bethanien umherwandelten und dann bald auf dem schon bekannten Lieblingsruheplatze des Lazarus auf einer kleinen Anhöhe anlangten, um allda im Freien ein wenig auszuruhen, da wir bei der Besichtigung der Gründe des Lazarus denn doch bei drei Stunden lang auf den Füßen zugebracht hatten, da trat einer aus der Zahl der Römer zu Mir und fragte: „Herr und Meister, bis jetzt habe ich nur zugehört und für mich noch kein Wort geredet und sage nun, daß alles von Dir, wie auch von dem sonderbaren Engel Gesprochene, Erklärte und von uns Gesehene mir das unwidersprechbarste Zeugnis von Deiner unmittelbaren und persönlichen Göttlichkeit gab. Aber Du erklärtest uns auch den gestirnten Himmel und hast uns durch Deine Güte und durch die Allmacht Deines heiligen Willens in derartige Zustände versetzt, in denen wir die andern Erdkörper ebenso klar besehen konnten wie nun mit den fleischlichen Augen die Gefilde dieser Erde, und fanden überall Menschen und eine Menge anderer Geschöpfe. Ja, wir fanden in den geschauten andern Erdkörpern sogar noch um vieles herrlichere Länder und Gegenden und Menschen und andere Geschöpfe in einer auch um vieles höheren Vollendung, und die Schönheit und große Regelmäßigkeit ihrer Wohngebäude übertraf die dieser Erde ums unbeschreibbare. 2. Nun, als ich bei mir darüber allerlei Betrachtungen anstellte, da warf sich in meinem Herzen die Frage auf, wie und aus welchem Grunde Du, o Herr, gerade auf dieser in jeder Hinsicht mageren Erde hast einen diesmenschlich fleischlichen Leib anziehen wollen, da Dir zu diesem Zwecke doch zahllose Myriaden der herrlichsten und größten Sonnenwelten zu Gebote gestanden wären. Könntest oder wolltest Du uns darüber nicht auch noch so einige für uns Römer verständlichere Aufschlüsse geben?“ 3. Sagte Ich: „O ja, – obschon Ich euch alle bei der Enthüllung der materiellen Schöpfung und namentlich bei der Darstellung und klaren Erklärung der Sonnenordnung in einer Hülsenglobe und hernach des ganzen großen Schöpfungsmenschen darauf wohl aufmerksam gemacht habe, wie und warum Ich gerade auf dieser Erde und auch eben in dieser Zeit das Leibliche angezogen habe; aber so Ich es euch auch wieder erkläre, so werdet ihr das doch auf den vollen Grund nicht einsehen, und das so lange nicht, bis ihr nicht selbst im Geiste wiedergeboren werdet. Aber dessenungeachtet kann Ich euch dennoch noch einen ganz kurzen Wink darüber geben, weil Ich es zum voraus sehe, daß eben dieser Punkt unter den künftigen Weltweisen und Theosophen ein ganz bedeutsam und bedenklich strittiger werden kann und auch werden wird. Und so höret Mich denn nochmals an! 4. Der eigentliche Grund liegt freilich nur in Meiner Weisheit und in Meinem Willen. Daß ein jeder Mensch, so wie auch jedes warmblütige Tier, ein Herz hat, von dem sein leibliches Leben abhängt, das werdet ihr wohl alle wissen, aber ihr kennet den Bau des Herzens nicht, Ich aber kenne ihn gar wohl und weiß darum auch, was im Herzen ist, durch das dasselbe belebt wird. 5. Es befinden sich im Herzen zwei überaus kleine Kämmerlein, die den beiden großen Blutkammern entsprechen. Für eure Augen würden diese beiden Kämmerlein wohl kaum als kleinste Pünktlein sichtbar sein. So klein aber auch diese Pünktlein sind, so bedingen sie durch ihre Einrichtung doch ganz allein zuerst das Leben des Herzens und durch dasselbe das Leben des ganzen Leibes und aller seiner zahllos vielen Teile und Organe. 6. Das eine erste und somit allerwichtigste Kämmerlein entspricht dem, was des Geistes und somit des eigentlichen Lebens ist, und wir wollen es das bejahende und somit wahre nennen. Das zweite, gewisserart minder wichtige, obschon zum natürlichen Leben des Leibes auch unumgänglich notwendige, aber wollen wir das der Materie entsprechende, also auch das verneinende nennen. Dieses hat für sich kein Leben, sondern ist nur ein Aufnahmegefäß fürs Leben, welches es mit jedem erneuten Herzschlage aus dem bejahenden Kämmerlein wie von neuem aufnimmt und es dann dem ganzen Leibe durch das Blut mitteilt. 7. Aus diesem leicht faßlichen Bilde könnet ihr nun schon entnehmen, wie das Herz in seinem Lebensgrunde beschaffen ist und sein muß, auf daß es dem ganzen Leibe das Leben verschaffe. Daß das Herz dann noch eine sehr weitwendige und überaus kunstvolle und höchst weise organisch-mechanische Einrichtung zur Fortförderung des in ihm entwickelten Lebens hat und haben muß, das versteht sich auch ohne weitere Erklärung von selbst; denn wo etwas weitergebracht werden soll, da müssen zu dem Zwecke auch wohlgebahnte Wege und Überbringungsmittel bestehen und dasein. Wir aber brauchen zur Beleuchtung unserer Sache hauptsächlich nur die beiden Kämmerlein, und von ihnen eigentlich nur das bejahende.“ Kapitel 57 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 57. — Entsprechung zwischen dem Mikrokosmos und Makrokosmos. Die Grunde der Menschwerdung des Herrn auf dieser Erde 1. (Der Herr:) „Seht, wie im Kleinen ein jeder Mensch zum Behufe seines leiblichen kurzen Probelebens eingerichtet ist, also ist entsprechend auch in den weitesten Umrissen der ganze große Schöpfungsmensch eingerichtet! 2. Denket euch, daß eben diese Hülsenglobe, in der sich diese Erde mit dem Monde, der Sonne und allen zahllos vielen andern Sonnen und Erdkörpern befindet, zur Einrichtung des Herzens im Großen Schöpfungsmenschen gehört, und daß eben diese Sonne mit ihren Planeten, von denen sie umbahnt wird, das bejahende Lebenskämmerlein darstellt und in diesem Lebenskämmerlein eben diese Erde entsprechend den eigentlichen geistigen Grundlebensstoff bedingt und ausmacht, was wohl nie ein Weltweiser einsehen wird, wie und warum. Aber Ich als der Schöpfer der Unendlichkeit aus Mir weiß darum und kann es euch denn auch also sagen, wie sich diese Sache verhält. 3. Ich bin aber von Ewigkeit der Grund alles Lebens und alles Seins und bin somit auch die urbejahende Lebenskammer im ewigen Lebensherzen der Unendlichkeit. 4. So Ich denn nach Meiner Liebe, Weisheit und Ordnung in Mir Selbst beschlossen habe, das Leiblich-Menschliche anzuziehen, so konnte Ich der ewigen Ordnung gemäß in dem Großen Schöpfungsmenschen ja das auch nur auf dem Punkte realisieren, der Meinem Urwesen, wenn auch aus Mir geschaffen, völlig entspricht. 5. Es ist zwar damit nicht gesagt, daß gerade diese Erde, auf der wir nun sind, den eigentlichen Hauptbejahungspunkt darstellen müßte. Das könnte auch eine andere Erde, zu dieser Sonne gehörig, sein, und es war auch schon eine andere dazu bestimmt; aber deren Bewohner haben sich noch um vieles unwürdiger benommen als nun die Bewohner dieser Erde, und so ward jene Erde verworfen und verwüstet samt ihren Bewohnern. 6. Da aber nun diese Erde seit den Zeiten Adams dazu erkoren ward und auf ihrem Boden Ich nun das Leibmenschliche angenommen habe, so wird sie als das auch verbleiben bis ans Ende der Zeiten der gerichteten Geister in aller Materie, und ihr werdet aber auch die Austräger des Urgrundlebens in alle Unendlichkeit und Ewigkeit im Geiste aus Mir verbleiben und eben darum Meine wahren Kinder sein. 7. Sehet, da ist nun ganz kurz und so klar als möglich der Grund vor euch hingestellt, warum Ich nur auf dieser und auf keiner andern noch so großen und vollkommenen Erde habe das Leibmenschliche aus purer Liebe zu nun Meinen Kindern anziehen können! 8. Es gibt aber neben diesem Hauptgrunde auch noch andere Gründe, die da mit in die Bestimmung Meines Willens der ewigen Ordnung gemäß gezogen werden können. Allein diese Nebengründe sind denn doch nur notwendige Folgen des eigentlichen Hauptgrundes, und wir brauchen sie darum nicht gar zu namentlich vorzuführen. 9. Ein solcher Grund ist einmal die gänzliche Demütigung und Erniedrigung, ohne die sich auch ein höherer Geist nicht mit dem Fleische der Lebensprobe umkleiden und dann wieder ins völlig freieste und selbständige Leben übergehen oder zurückkehren kann; und das stellt auch diese Erde dar. 10. Das bejahende Lebenskämmerlein im Herzen ist, was die Leibesteile betrifft, sicher auch das unansehnlichste Partikelchen des ganzen Leibes, ist finster und wird nie von den Strahlen der Sonne erleuchtet und wird selbst von den Menschen, denen es doch das Leben schafft und gibt, gar nicht erkannt und geachtet. Ja, wenn man davon zu den Weltweisen redete, so würden sie mit den Achseln zucken und sagen: ,Wie möglich kann das mächtige allgemeine Leben eines Menschen wohl nur von einem kaum sichtbaren kleinen Pünktlein abhängen?!‘ Aus dem aber geht ja doch klar hervor, daß selbst die größten Weltweisen ihren eigenen Lebensgrund nicht von fernehin kennen, geschweige erst ein anderer Tagesmensch. 11. Und doch muß ein jeder Mensch, der sich selbst und Gott wahrhaft erkennen will, in dies sein allerunansehnlichstes Herzlebenskämmerlein auf dem Wege der äußersten Demut und Fügsamkeit eingehen und das aus demselben empfangene Leben geistig wieder zurückgeben! Wenn ein Mensch das tut, so erweitert er das Lebenskämmerlein und erleuchtet es durch und durch. Ist aber das geschehen, so wird dann das ganze Herz und vom Herzen aus der ganze Mensch erleuchtet und erkennt sich selbst und dadurch auch Gott, weil er da erst gewahren und erschauen kann, wie das Leben in diesem Kämmerlein aus Gott einfließt, sich da sammelt und zu einem freien, selbständigen Leben ausbildet. 12. In diesem Kämmerlein wohnt sonach der eigentliche Geist aus Gott, und so die Seele des Menschen in dies Kämmerlein durch die rechte Demut, Fügsamkeit, wie die Liebe des rechten Menschen zur ewigen, unerschaffenen Liebe Gottes eingeht, so einigt sich dadurch die Seele mit dem ewigen Geiste aus Gott und dieser mit der geschaffenen Seele, und das ist dann eben die Wiedergeburt der Seele im Geiste aus Gott. 13. Wie aber ein rechter Mensch das tun muß, um in sich zur vollen Herrlichkeit des Lebens einzugehen, also habe es nun auch Ich Selbst euch allen zum wahren Muster und zu einem wahrsten Wegweiser im Großen Schöpfungsmenschen getan und bin darum auf diese Erde, weil sie nach Meiner ewigen Ordnung eben, wie schon gezeigt, dem bejahenden Herzenskämmerlein entspricht, gekommen, um so zu Meiner eigenen und dadurch auch zu eurer größten Herrlichkeit einzugehen in alle Gewalt im Himmel und auf allen Erden. 14. Ich war wohl schon von Ewigkeit her in Mir Selbst in aller Macht und Herrlichkeit, aber Ich war dennoch für kein geschaffenes Wesen ein schau- und begreifbarer Gott, auch nicht für einen vollkommensten Engel. So Ich Mich jemandem, wie dem Abraham, Isaak und Jakob, gewisserart beschaulich machen wollte, so geschah das dadurch, daß Ich einen Engel besonders mit dem Geiste Meines Willens also erfüllte, daß er dann auf gewisse Momente Meine Persönlichkeit darstellte. Aber von nun an bin Ich allen Menschen und Engeln ein schaubarer Gott geworden und habe ihnen ein vollkommenstes, ewiges und selbständig freiestes und somit wahrstes Leben gegründet, und eben darin auch besteht Meine eigene größere Verherrlichung, und so denn auch die eurige. 15. Denn wie konnten selbst die vollkommensten Engel und auch die frömmsten Menschen dieser und aller andern Erden den niemals geschauten und daher auch niemals vollkommen begriffenen Gott wahrhaft verherrlichen durch eine wahre und lebendige Liebe zu Ihm? Denn da hieß es allzeit: ,Gott kann niemand schauen und dabei erhalten das Leben; denn die pure Gottheit in Sich ist ein verzehrendes, ewiges Feuer!‘ Dies Feuer ist nun in Mir bedeckt und gedämpft durch diesen Meinen Leib, und es heißt nun nicht mehr: ,Gott kann niemand schauen und leben!‘, sondern: ,Von nun an wird ein jeder Engel und Mensch Gott schauen und leben können; und wer nicht Gott schauen wird, der wird ein sehr elendes und gerichtetes Leben haben!‘ 16. Dieses nun euch Gesagte und Gezeigte ist demnach sicher auch ein Nebenhauptgrund, warum Ich eben nur auf dieser Erde das Fleischmenschliche angenommen habe. 17. Wie ihr aber nun aus dieser Darstellung sicher habet klar entnehmen müssen, warum Ich auf dieser und auf keiner andern Erde das Fleischmenschliche habe annehmen können, so werdet ihr auch noch das Weitere ebenso klar entnehmen und einsehen können. 18. Ihr habt gesehen, wie das gewisse allerunansehnlichste bejahende Herzlebenskämmerlein als das eigentliche Grundlebensprinzip des Menschen auch allein der hellsten und wahrsten Intelligenz fähig und sonach schon in sich das Licht, die Wahrheit und das Leben ist. Also verhält es sich auch mit den Menschen dieser Erde. Sie sind gegenüber den Menschen der andern Erden ursprünglich auch höchst unansehnlich, verdeckt, finster, klein, schwach und ohnmächtig und sind von den Geistern der andern Weltkörper auch wie ungekannt und kennen sich am Ende auch selbst nicht; aber eben in ihrer verborgenen inneren Lebenstiefe sind sie aus Mir der Grundlebenspunkt des ganzen Großschöpfungsmenschen und können aus sich darum auch solch allerhöchste Lebensfähigkeiten entwickeln, die bei den Menschen anderer Erden nur in einem höchst einseitigen und untergeordneten Grade vorkommen. 19. Vermöge solcher höchsten und gottähnlichen Fähigkeiten der Menschen dieser Erde, zu denen auch besonders eine wohlartikulierte äußere und innere Sprache, die Schreib- und Rechenkunst und noch gar manches andere gehört, sind sie denn auch allein geeignet, das geoffenbarte Wort aus dem Munde Gottes einmal vorerst im äußeren Buchstaben- oder Bildersinne und daraus dann auch im wahren geistigen und endlich auch im tiefsten himmlischen Lebenssinne zu vernehmen. 20. Diese Fähigkeit aber ist etwas unschätzbar Großes und Vorzügliches, gleichwie auch die Lebens- und Intelligenzfähigkeit des bejahenden Herzlebenskämmerleins der allerunschätzbarst vollkommenste und edelste Teil des ganzen Menschen ist. Und Ich konnte darum auch wieder nur zu euch auf diese Erde und zu niemand anderem auf einer anderen Erde kommen. 21. Sehet, das ist denn wieder so ein Grund, aus dem Ich auch eben nur auf dieser Erde das Fleischmenschliche habe annehmen können! Und darin bestehen schon so die Hauptgründe Meiner Menschwerdung auf dieser Erde. 22. Und nun denket darüber ein wenig nach, und äußert euch, wie ihr das nun begriffen habt!“ Kapitel 58 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 58. — Des Römers Verständnis für die Erklärung des Herrn 1. Sagte der Römer: „Ja, ja, Herr und Meister, das kann Deiner nunmaligen Erklärung zufolge unmöglich anders sein als gerade also, wie Du es uns nun dargestellt hast. Begreifen können wir das freilich wohl noch lange nicht zur Genüge; aber wir glauben es ungezweifelt, weil Du als die ewige Wahrheit und Weisheit Selbst es uns also, wie es ist und sein muß, gezeigt hast. Denn Du als der Schöpfer aller Dinge mußt ja wohl am besten wissen, wie und in welcher Ordnung Deine Werke erschaffen sind, zu welchem Zwecke das eine und das andere. Wir können demnach derlei Verhältnisse Deiner ewigen und uns Menschen bis jetzt völlig unenthüllten Ordnung nur von Dir enthüllt vernehmen und glauben alles, was Du uns sagst, wenn wir mit unserem Verstande und noch weniger mit unseren Sinnen auch nicht in die vollen Tiefen Deiner Weisheit zu dringen vermögen. Wir danken Dir für diese übergroße Enthüllung. 2. Damit, was wir nun von Dir vernommen haben, hast Du uns aber auch eine Waffe in die Hand gegeben, mit der wir alle Weltweisen und alten Theosophen am ehesten zu Boden strecken werden können. Denn das ist ein Beweis wie kein zweiter, aus der innersten Lebensquelle eines jeden Menschen geschöpft, die darum mit dem ganzen endlos Großen Deiner Schöpfung im allerwahrsten Entsprechungsverbande stehen muß, weil der Mensch als ein Dir Selbst nun vollends ähnliches Wesen den allervollendetsten Schlußstein aller Deiner Werke darstellt und darum das in kleinster Gestalt ist, was da ist die gesamte endlos große Schöpfung. 3. Daß aber der Weg zum wahren, freien und selbständigen Leben ein sehr enger und schmaler ist, das geht aus dieser Deiner wunderbarst großen Enthüllung auch wie von selbst klar hervor; aber man sieht es auch ein, daß es also sein muß und unmöglich anders sein kann. 4. Wer sich selbst und dadurch auch Dich wahrhaft und lebendig finden will, der muß durch das engste Pförtlein in sich dringen, sonst bleibt er außerhalb seines Herzlebenskämmerleins. Nur die Liebe zu Dir und zum Nächsten erweitert das sonst so enge Pförtlein, die wahre Demut macht die sonst sich so groß dünkende Seele klein, und die rechte Sanftmut macht sie schmiegsam; und nur eine also zubereitete Seele kann dann durch das enge Pförtlein in das Lebenskämmerlein ihres göttlichen Geistes dringen und daselbst mit ihm eins und dadurch in ihm auch neu- oder wiedergeboren werden. Das habe ich nun so als etwas für unser diesirdisches Probeleben unumgänglich Praktisch-Notwendiges aus Deiner großen Enthüllung herausgefunden und bin denn auch auf den wahren und rechten Grund gekommen, warum Du uns die Liebe zu Gott und zum Nächsten und die Demut und Sanftmut vor allem so teuer und wichtig ans Herz gelegt hast. 5. So wir aber nun den Grund kennen, wie auch, was wir auf diesem Wege unfehlbar sicher zu erreichen haben, so haben wir denn auch nun leicht zu handeln und werden das auch mit dem möglichsten Fleiße und Eifer tun! 6. Denn wissen wir in unserer großen Lebensarmut, wo der große und reichste Schatz verborgen ist, und haben wir auch die Mittel und Werkzeuge, denselben für uns zu erbeuten, so müßten wir doch die größten Toren sein, wenn wir zu seiner sicheren Auffindung und Hebung unsere Hände gewisserart träge in den Schoß legten und uns gleich den geistblinden Weltmenschen nach dem höchst vergänglichen Kote der gerichteten Weltmaterie zerbalgten, der heute noch etwas zu sein scheint und morgen von den Winden und Stürmen verweht wird wie wertloseste Spreu. 7. Oh, Dank Dir, o Herr und Meister, daß Du uns nun den Grund der tiefsten Dinge Deiner Schöpfung so klar enthüllt hast! 8. Aber nun, o Herr und Meister von Ewigkeit, – noch eine kleine Frage hätte ich im Hintergrunde! Ich weiß es wohl, daß Du schon eine Ewigkeit voraus hellst gewußt hast, um was ich Dich nun fragen möchte; aber ich frage Dich dennoch offen, erstens, weil Du es also haben willst, und zweitens der andern wegen, die hier sind, damit sie innewerden, um was es sich noch weiter handelt. 9. Die Frage aber lautet: Haben die Bewohner anderer Erden entweder gar keine Kunde und Kenntnis von Dir, oder, haben sie welche, wie kommen sie dazu? Sind die Menschen anderer Erden und Welten auch wahrhaft Menschen, oder sind sie nur der Außenform nach Menschen, dem Innen nach aber noch gewisse, uns Menschen dieser Erde ähnlich gestaltete Tiere, die von einem gewissen weisen, von Dir in sie gelegten Instinkt geleitet werden, wie wir Ähnliches schon hier bei gewissen Tieren in der Art und Weise beobachtet haben, daß wir nahe daran waren, ihnen einen gewissen Grad von Verstand, Vernunft und Beurteilungsfähigkeit zuzumuten? 10. Nun, darüber, o Herr und Meister, noch ein Lichtlein, und wir sind dann für unsere Seelen aber schon ganz versorgt!“ Kapitel 59 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 59. — Das Verhältnis unserer Erde zu anderen Welten 1. Sagte Ich: „Du hast Meine Worte in der Beantwortung deiner ersten Frage ganz wohl begriffen und hast von Meiner euch gemachten Enthüllung eine so treffliche und wahre Anwendung auf euer Leben gefunden, wie Ich Selbst sie euch nimmer klarer hätte zu geben vermocht, und wer also nach deiner Rede durch das enge Pförtchen in sich eingehen wird, der wird auch vollends wahr in seinem Geiste zum ewigen Leben wiedergeboren werden. Aber weil du eben Meine euch gemachte Enthüllung gar so klar und gut begriffen hast, so ist es nahezu ein Wunder, daß du die volle Antwort auf deine zweite Frage nicht auch in dir wahrgenommen und vollauf gefunden hast. 2. Siehe, wenn die Menschen dieser Erde im anbetrachtenden Vergleiche zum endlos großen Schöpfungsmenschen das sind, was ihres Herzens bejahendes Herzenskämmerlein gegen ihren ganzen Umfang ist, der denn doch auch lebt und nach den Normen des Verstandes, Willens und mitunter auch noch des Instinktes tätig ist, so ist da dann deine zweite Frage ja ganz leicht und offen zu beantworten!“ 3. Sagte der Römer: „Ja ja, Herr und Meister, es kommt mir nun die Sache schon beinahe selbst also vor! Es ist mir, als hätte ich die Sache schon; aber – ich habe sie eigentlich doch noch nicht! Darum habe Du denn doch die Güte und Gnade für mich und uns alle und führe uns auf den rechten Weg!“ 4. Sagte Ich: „Nun gut denn, Ich will es tun! Siehe und höre! 5. Der Hauptlebensgrund liegt sowohl für den Leib als auch für die Seele im bekannten bejahenden Herzenskämmerlein. Wenn dieses tätig ist, so leben von ihm aus auch alle endlos vielen Teile deines ganzen Wesens derart, als wären sie selbst Lebenskämmerlein, Lebensbewirker und Lebensträger. Und siehe, deine Glieder können durch eine rechte Übung wahrlich in gar vielen Dingen zu einer erstaunlichen Kraft und kunstvollsten Fertigkeit gelangen! Wem aber haben sie am Ende dennoch alle ihre Eigenschaften und großen Kunstfertigkeiten zu verdanken? Siehe, alles nur dem gewissen Herzenskämmerlein; denn ohne dieses wären ja alle Glieder ebenso tot und unbeweglich wie die eines ehernen Götzenbildes! 6. Ja, von wem erlernten denn eines Künstlers Glieder solche Fertigkeiten, und das ein jedes Glied nach seiner besonderen Bauart und zweckdienlichen Befähigung? Siehe, alles nur aus dem Herzenskämmerlein, und das zwar stufenfolgerecht! 7. Die ersten Lebensregungen machen von Stufe zu Stufe das ganze Herz tätig. Von da geht die Tätigkeit durch das Blut in die Lunge, Leber und Milz über und von da aus in die andern Eingeweide und in den Kopf und alle seine Teile. 8. Ist der Kopf einmal in der Ordnung und das Gehirn ausgebildet, so geht beim Menschen dann das Denken, Urteilen, Schließen und Verstehen und Begreifen an und von da dann erst die rechte und weise Übung der äußersten Glieder, die dann alle noch so kunstvolle Arbeit bald so gut und weise verrichten, als hätten sie es selbst zu einem eigenen, freien und selbständigen Leben gebracht. Ich sage dir aber noch etwas darüber: 9. Wenn ein Mensch im Geiste wiedergeboren ist, so kann er auch in allen seinen Seelen- und Leibesteilen denken und für sich ganz wohlvernehmbar reden und ist dann in seinem ganzen Wesen Mir gleich Geist, Leben, Kraft, Gedanke und ein vollends lebendiges Wort. Von woher ist denn das der Mensch geworden? Siehe, schon wieder alles nur aus seinem bejahenden Herzenskämmerlein! 10. Wie aber der Mensch seinen gesamten Unterricht und seine gesamte Ausbildung nur aus seinem Herzenskämmerlein überkommt, in gleicher Weise erhalten die Menschen anderer Welten ihre bestimmte Ausbildung auch nur aus des Großen Schöpfungsmenschen Herzenskämmerlein – das freilich wohl überaus groß ist – je nach ihrer eigenen Gestaltung und Befähigung. 11. Das Wie kannst du nun freilich wohl noch nicht fassen; wenn du aber im Geiste völlig wiedergeboren sein wirst, dann wirst du das große Wie und Warum klar fassen und wohl begreifen. Hast du nun schon so einen Schein, wie die Menschen anderer Welten zu Meiner Erkenntnis gelangen und auch weise und selig werden?“ Kapitel 60 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 60. — Die Bedeutung unserer Erde 1. Sagte der Römer: „O Herr und Meister, durch diese Deine nun zweite Beleuchtung dieser für mich und sicher auch für jeden andern hochwichtigen Sache bin ich auch in eine ganze Sonne voll des stärksten Lichtes versetzt worden! Wir auf dieser Erde, als mit Dir in der nächsten und innigsten Liebe- und Weisheitslebensverbindung stehend, sind für den ganzen, endlos großen Schöpfungsmenschen gerade und in Anbetracht Deiner größten Nähe zu uns notwendig das, was in unserem Herzen das bejahende Lebenskämmerlein ist. Die andern Weltkörper mit ihren Menschen, die Hülsengloben mit ihren Sonnenallen und Zentralsonnen verhalten sich zu uns wie unsere andern Leibes- und Seelenteile zu dem Herzenslebenskämmerlein. 2. Du bist nun einmal hier bei uns in Deiner vollkommensten und intensivsten Gottpersönlichkeit und beherrschest die ganze Unendlichkeit also auch sicher von nirgendwo anders als eben von da aus, wo Du ganz und vollends gegenwärtig bist, – und wir Menschen dieser Erde und zuallernächst nun dieses Ortes in unserer großen Liebe zu Dir sind Deine auch sicher nächste und durch die Annahme Deiner Lehre, Deiner göttlichen Liebe und Weisheit lebendigste und durch Deinen Willen mächtigste und tätigste Umgebung. 3. Wenn also und unmöglich und undenkbar anders, wie kann es da anders sein, als daß von uns aus durch Deinen Willen alle Bildung auch in alle zahllosesten andern Weltkörper und deren Bewohner auf eine uns freilich unbekannte Weise überströmen muß, gleichwie auch das Grundleben und alle sonstige Bildung aus dem kleinsten Herzkämmerlein auf eine dem Grundleben im Kämmerlein sicher auch bis zur vollen Wiedergeburt unbekannte Weise in den ganzen Menschen überströmt! 4. Daß sich die Sache ganz sicher also verhält, das unterliegt nun keinem Zweifel; an dem Wie aber liegt vorderhand darum nicht soviel für uns als geistig noch unmündige Kinder Deiner Liebe und Gnade. Denn Du, dem das große Wie sicher schon von Ewigkeit her nur zu überklar bekannt ist, bist ja unter uns und wirst auch im Geiste vorzüglich bei uns bleiben nicht nur bis ans Ende der Zeiten, sondern nach meiner Meinung schon gleich ewig! Bleibst Du aber gleich ewig fort bei und unter uns, so kann sich das Bestands- und Bildungsverhältnis in der ganzen Unendlichkeit ja auch nie ändern, weil sich unser gegenwärtiges Verhältnis, das heißt zwischen Dir und uns, ja auch nie ändern kann. 5. Denn das Herzenslebenskämmerlein wird nie etwa in die Augen, Ohren, Nase oder in den Magen, die Nieren, die Milz oder in die Hände und Füße des Leibes oder gar in dessen Extremitäten versetzt werden, obwohl sicher ein jedes dieser Teile, groß oder klein, auch ein eigenes Hauptlebensorgan ganz besonders eingerichtet haben wird, ansonst es das Leben aus dem Grundleben des Herzenskämmerleins nicht auf- und annehmen und für seinen besonderen Zweck tätigst gebrauchen könnte. 6. Denn das Auge verwendet das vom Herzen in ihn einströmende Leben sicher ganz anders als das Ohr, und so jeder Teil des Menschen anders zu seinem Zwecke, und am Ende ist dennoch das endlos Viele nur ein vollends Ganzes und entspricht völlig dem Urgrundleben im Herzen und findet sich dort wie in seiner Urheimat; und hat es sich da gefunden, so ist dieses Sichfinden ja eben das, was Du, o Herr, so treffend die Wiedergeburt im Geiste nanntest. 7. Und nun durchzuckt mich ein gar endlos großer Gedanke so hell und licht, wie da oben leuchtet die Sonne! Neben der Wiedergeburt eines Menschen auf dieser Erde, von der wir nun schon sonnenklar wissen, worin sie besteht und wir sie auch sicherst erreichen werden, leuchtet noch eine andere, endlos große Wiedergeburt im Geiste hervor, nämlich die des ganzen großen Schöpfungsmenschen! 8. Ich würde aus mir sicher in diesem Leben wohl nie darauf gekommen sein, wenn Du, o Herr, mir nicht einen sehr klaren Wink dazu gegeben hättest; aber diesen hast Du mir nur wie ein Fünklein groß gegeben, und siehe, er hat sich in mir nun zu einer leuchtenden Sonne umgewandelt! 9. Siehe, Du sagtest aus Deiner endlosen Klarheit, daß bei einem völlig im Geiste wiedergeborenen Menschen sein Grundleben alle seine endlos vielen Teile derart durchströmt, daß dann im ganzen Menschen ein Ur- und Grundleben wird und der Mensch dann auch in allen seinen Teilen denken, urteilen, schließen und für sich wohlverständlich reden kann, wodurch dann der ganze Mensch Dir ähnlich zu einem lebendigen Worte wird! 10. Wie aber bei einem völlig im Geiste seines Grundlebens seienden und von ihm ganz durchdrungenen Menschen alles ein hellstes und lebendigstes Wort wird, also muß es endlich ja auch beim ganzen großen Schöpfungsmenschen der gleiche Fall werden. Er wird durch Dich von uns in allen seinen noch so endlos vielen Teilen durchdrungen werden, und unser Leben und Licht wird in der ganzen endlosen Größe des Urschöpfungsmenschen wirken und leuchten, und so wird der ganze große Schöpfungsmensch mit uns und Dir, o Herr, auch nur ein großes und lebendiges Wort werden. 11. Und so kommt es mir nun vor, als verstünde ich nun auch schon so ein wenig von dem großen Wie; denn nur also und nicht anders kann es Deiner ewigen Ordnung gemäß gehen, daß da von uns Menschen dieser Erde aus endlich auch der ganze große Schöpfungsmensch in allen seinen Teilen mit unserer Erkenntnis und Bildung durchdrungen und uns gleich lebendig wird. 12. Und nun noch etwas als einen Wahrheitsbeleg aus Deinem Munde hinzu; denn ich habe durch Deine Gnade schon von meiner Kindheit an ein überaus scharfes und starkes und bis jetzt noch unverwüstliches Gedächtnis gehabt und habe mir darum auch jedes Wörtlein, das Du gesprochen, gar wohl gemerkt. 13. Siehe, Du hattest uns auf dem Berge so eine Geschichte Wiederkehr eines gewissen verlorenen Sohnes zu seinem Vater erzählt, um uns die Größe Deiner göttlich-väterlichen Barmherzigkeit so recht anschaulich zu machen; aber ich urteilte schon damals über Deine Worte ganz anders als vielleicht so mancher andere aus seinem zwar guten, aber sonst vielleicht doch noch etwas beschränkteren Gesichts- und Auffassungskreise und dachte mir das um so leichter, weil Du Selbst uns ganz bedeutungsvolle Winke dazu gabst. 14. Dieser gewisserart verlorene und dann zum Vater wieder zurückgekehrte Sohn scheint mir im kleinen Maßstabe zunächst wohl nur die nun schon bekannt wie geartete Wiedergeburt eines Menschen dieser Erde anzudeuten, aber im größten Maßstabe auch zugleich jene einstige totale des ganzen großen Schöpfungsmenschen. Denn, Herr, Deine Worte sind keine Menschenworte, sondern sie sind Gottesworte, und diese gelten nicht nur uns, sondern durch uns auch der ganzen Unendlichkeit naturmäßig und geistig. Denn es ist ja die ganze Schöpfung von Ewigkeit her auch Dein Gedanke, Dein Wort und Dein Wille. 15. Herr und Meister, habe ich in meiner noch starken, menschlichen und heidnischen Schwäche Deine mir erteilte Belehrung wohl nur so annähernd richtig aufgefaßt?“ Kapitel 61 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 61. — Die Hauptaufgabe des Menschen 1. Sagte Ich: „Freund und Bruder Markus, Sohn einer Aurelia als der züchtigsten und wohlerzogensten Patrizierin, du hast Meine an dich ergangene Belehrung nicht nur annähernd richtig und wohl verstanden, sondern du hast da den Nagel auf den Kopf getroffen, und Ich sage hier noch abermals: Also wird das Licht von den Juden genommen und den viel weiseren Heiden gegeben werden. Denn die lange Nacht der Heiden hat sich in den Tag umgewandelt, und der Tag der Juden sinkt in die dickste Nacht hinab. 2. Bringet sie Mir her von ganz Jerusalem und vom ganzen Judenlande, und es wird sich auch nicht einer darunter finden, der nun diesem Meinem Markus in der wahren Weisheit sich vergleichen könnte! 3. Wahrlich sage Ich dir, daß du nun mit deinem rechten Verstande Meinem Herzen eine große Freude gemacht hast; denn Meine Worte sind in deinem Herzen lebendig geworden! Darum aber wirst du und auch deine Gefährten in der kürzesten Zeit die volle Wiedergeburt in Meinem Geiste in euch erlangen. 4. Du, Markus, aber stehest nun schon am Eingange des engen Lebenspförtchens in dein Grundlebenskämmerlein; denn wäre das nicht der Fall, so hättest du Meine Worte nicht in solch einer Lichttiefe aufgefaßt, wie du sie aufgefaßt hast. Denn solches kann dem Menschen nicht sein Fleisch, sondern nur Mein in ihm schon für seine Seele erwachter Geist geben. 5. Aus dem aber könnet nun ihr alle ersehen und wohl erkennen, in welchen Wahrheits- und Weisheitstiefen diejenigen sich befinden werden, die sich der vollen Wiedergeburt ihrer Seelen in Meinem Geiste werden zu erfreuen haben. Ich sage es euch hier noch einmal, was Ich euch schon zu öfteren Malen gesagt habe: daß es keines Menschen Auge je gesehen, keines Menschen Ohr je gehört und keines Menschen Sinn je empfunden, was Gott denen für eine endlose und nie mit einem Fleischmunde auszusprechende Seligkeit bereitet hat, die Ihn wahrhaft, das heißt werktätig lieben! 6. Ich habe in Mir Selbst sicher von Ewigkeit her unvermeidbar die allerhöchste Seligkeit im höchsten Vollgenusse; denn Meine Liebe, Meine Weisheit und Meine endloseste Macht bietet Mir in Mir Selbst ewig den unnennbar allerseligsten Vollgenuß Meines göttlichen, allervollkommensten Lebens, und Ich als euer Vater sage es euch: Was Ich habe, das sollet auch ihr als Meine liebsten Kinder haben! Denn wo ist schon auf dieser Erde irgendein Vater, der mit den Kindern, die er mehr denn sich selbst liebhat, nicht gern alle seine Freuden teilen würde, und am Ende selbst erst dann die größte Freude hat, wenn er seine lieben Kinder voll Freuden um sich versammelt hat? 7. Meinet ihr etwa, daß der Vater im Himmel über Seine Kinder, die Ihn über alles lieben, eine mindere Freude haben wird? O mitnichten, sondern eine noch endlos größere! Darum aber wird Er ihnen auch endlos größere Freuden bereiten, als das einem irdischen Vater vom allerbesten Herzen seinen Kindern gegenüber je möglich ist oder sein kann; denn euer Vater im Himmel hat dazu wahrlich Mittel in der unendlichsten und ewig wunderbarst abwechselnden Menge. 8. Aber tut darum auch gern und mit großem Eifer, was Ich euch nicht befohlen, sondern als Vater nur angeraten habe, und ihr werdet es in euch bald gewahren, welch ein Lohn euer harrt! 9. Saget es aber selbst, und denket darüber recht wohl nach: Wäre ein Kaufmann, der da wüßte, daß er um einen annehmbaren Preis eine der allergrößten Perlen von einem sicher unschätzbaren Werte zu kaufen bekäme, nicht ein allergrößter Narr, so er, wenn er auch eben nicht soviel Geld besäße, nicht sogleich alle seine wenig werten Güter verkaufte und dafür dann die unschätzbare Perle sich ankaufte? Denn die unschätzbare Perle ist doch vor den Augen der Menschen unaussprechbar mehr wert denn alle seine früheren Güter zusammengenommen. 10. Und sehet, also steht es auch mit dem Werte der Wiedergeburt der Menschenseele in ihrem Urlebensgeiste aus Mir! Ist diese nicht wert, daß ein rechter Mensch auf alle Weltschätze verzichtet und aus allen seinen Kräften nur nach der größten Lebensperle, nämlich nach der Wiedergeburt der Seele im Urlebensgeiste, nach allen seinen Kräften trachtet? Oder ist es nicht besser, für das ewige Leben der Seele zu sorgen denn um alle vergänglichen Schätze der Welt, die vergehen und verwesen, und zum ewigen, klaren Leben ihrer Seelen wohl nahe niemals völlig wieder zurückkehren? 11. Es ist wohl wahr, daß während des Lebens auf dieser Erde die Seele aus ihrem Fleische das ihr Verwandte sich aneignet und es in ihr Wesen verkehrt und nach dem gänzlichen Abfalle des Leibes, und zwar aus dem Verwesungsäther nach und nach auch noch das ihr Entsprechende sich zu ihrer Bekleidung aneignet; aber das ist darum kein Lebensschatz einer Seele, sondern nur eine in Meiner Ordnung begründete Lebenseigentümlichkeit einer jeden Seele, die niemals zu ihrem Verdienste gerechnet werden kann, weil das nur Meiner Sorge Sache ist. 12. Aber das ist auch dabei als etwas Sicheres und Wahres anzunehmen, daß bei einer reinen und nach Meinem Willen gelebt habenden Seele mehr von ihrem irdischen Leibe in sie übergehen wird denn bei einer unreinen und sündigen Seele; denn war ein keuscher Leib hier schon eine Zierde der Seele, so wird er es in einem verklärten geistigen Zustande sicher noch desto mehr sein. 13. Aber auch selbst das gehört nicht zum eigentlichen Lebensverdienst der Seele, sondern es ist auch eine die Seele lohnende Anordnung von Mir, und es wäre selbst da eine eitle Torheit einer Seele, so sie sich um diesen ihr auch im Jenseits bleibenden Erdenschatz, der doch zu ihrem Ich gehört, nur einen Augenblick lang sorgen möchte. Ja, es wäre diese Sorge jener von gar sehr törichten Eltern ganz zu vergleichen, die sich vor allem nur darum kümmern, ob ihre Kinder wohl eine höchst schöne und anmutige Gestaltung überkommen werden, und wie sie es machen sollen, daß ihr eitel törichter Wunsch in Erfüllung ginge, bedenken aber dabei nicht, daß das Wachstum und die Gestaltung nur allein von dem Willen Gottes abhängen und kein Mensch daran etwas ändern kann. 14. Für eine jede Seele ist darum ganz allein nur das einzige notwendig, daß sie in sich suche und auch finde Mein Lebensreich im kleinen Grundlebensherzenskämmerlein; alles andere wird ihr ja ohnehin als eine freie Zugabe von Mir werden. 15. Darum sagte Ich auch schon mehrere Male zu euch, daß ihr euch nicht ängstlich sorgen sollet, was und wo ihr etwas zu essen und zu trinken bekommen und womit ihr euren Leib bekleiden werdet, sondern suchet vor allem nur Mein Reich und seine wahrste Gerechtigkeit in euch! Alles andere wird euch schon so hinzugegeben werden; denn der Vater im Himmel weiß es, wessen ihr zu eurem irdischen Unterhalte bedürfet. 16. So ihr heute arbeitet und esset und trinket, so habt ihr euch für die Zeit schon hinreichend gesorgt für den Tag der Mühe. Es wäre darum eitel, sich am Tage der Arbeit auch schon für den morgigen Tag zu sorgen; wenn ihr ihn erleben werdet, so wird er schon seine Sorgen für euch mit sich bringen. Denn nur der Tag, an dem ihr noch lebt und arbeitet, ist von Mir euch auf die Rechnung gegeben; der kommende ruht noch in Meiner Hand und ist euch noch nicht auf eure Rechnung verliehen. Und es ist darum töricht, sich in irdischer Richtung heute auch schon für morgen zu sorgen; denn es stehet ja doch rein nur bei Mir, ob Ich einen Menschen den kommenden Tag erleben lasse oder nicht. 17. Es sorgte sich auch ein Hausherr und Besitzer größerer Gründe und Herden einmal derart zum voraus, daß er, um seinen irdischen Reichtum zu erhöhen und zu sichern, neue Scheunen, Stallungen und große und feste Getreidekästen erbauen und dazu noch zur größeren Sicherung eine starke und hohe Mauer um die Neubauten errichten ließ. Und als dann alles fertig war, da sagte er: ,Ah, nun wird es mir leicht in meinem so sorgenvollen Herzen; denn von nun an werde ich ohne Sorgen und Kummer mit meiner großen Habe ganz ruhig fortleben können!‘ Aber als er so sich tröstend noch fortredete, da ertönte eine Stimme wie ein Donner und sagte: ,O du irdisch eitler Tor! Was rühmest du dich nun und tröstest dich, als wärest du der Herr deiner Seele und deines Lebens? Siehe, noch in dieser Nacht wird man deine Seele trennen von deinem Fleische, um das du so viel zu sorgen hattest. Was werden dann der Seele alle deine großen Sorgen, Mühen und Arbeiten wohl nützen?‘ Da erschrak der Mensch und erkannte, daß er für seine Seele sich gar wenig noch gesorgt hatte, und starb alsbald auf diese Kunde. 18. Fraget euch selbst nun, wozu dem Menschen seine viele Sorge in der Welt ums Weltliche nunmehr dienlich war! Wäre es nicht klüger gewesen, so er lieber seine Seele recht und wohl versorgt hätte und hätte in sich das Reich Gottes gefunden, wie das viele Alten auch in sich gefunden haben, und auch sogar die Heiden, wie ihr das bei den sieben Ägyptern wohl habt merken können? 19. Ich will aber damit nicht sagen, als sollte darum ein rechter Mensch etwa Meinem Willen zufolge gar keine irdische Arbeit verrichten! Oh, das sei ferne; denn der leibliche Müßiggang ist der Erzeuger und Ernährer aller Laster! Im Gegenteil soll ein jeder Mensch gar sehr emsig und tätig sein und im Schweiße des Angesichtes sein Brot essen. 20. Es kommt hier nur auf die Absicht an, in welcher ein Mensch tätig und arbeitsam ist. Wer also sorgsam, tätig und arbeitsam ist, wie da Mein Freund und Bruder Lazarus es ist, der sucht auch kräftig und sehr wirksam in sich Mein Reich und dessen Gerechtigkeit und wird es auch finden, gleichwie er es schon gefunden hat zum größten Teile und du auch, Mein lieber Markus. Sei du darum nun froh und heiter; denn du hast die große Perle schon dir zu eigen gemacht und wirst deinen Brüdern zu einer tüchtigen Stütze dienlich werden. 21. Aber nun ruhen wir ein wenig, denn Ich sehe dort den Weg entlang, der von Westen hierher führt, etliche jener Jünger zurückkommen, die Ich von Emmaus ausgesandt habe; sie werden bald hier sein, und wir werden hören, wie es ihnen ergangen ist.“ Kapitel 62 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 62. — Die Rückkehr der siebzig Jünger zum Herrn 1. Wir warteten noch eine kurze Zeit, und es kamen die von Emmaus ausgesandten Jünger bei uns an; denn es ward ihnen von ihrem Geiste angezeigt, daß Ich Mich in Bethanien und nun auf dem schon bekannten Hügel aufhalte unter Meinen Freunden. 2. Es waren von den Angekommenen anfangs nur etliche vierzig, aber es kamen auch andere, von ihrem Geiste getrieben, in wenigen Augenblicken zu Mir, auf daß sie alle vor Meinen Freunden zeugten, wie sich schon in den wenigen Tagen bei ihnen alles erfüllt hatte, was Ich ihnen bei der Aussendung vorhergesagt und verheißen hatte. 3. Es kamen mit ihnen aber auch noch andere in allerlei Dingen erfahrene und gelehrte Juden und Griechen, damit einige von Mir Selbst die Worte des Lebens zu vernehmen vermöchten, die andern aber, daß sie Mich versuchten, ob Ich wohl im Ernste Der wäre, als den Mich die ausgesandten Jünger ihnen verkündet hatten. 4. Als nun alle die nun genannten Jünger und die andern Juden und Griechen um Mich versammelt waren, da fragte Mich ein Jude, sagend: „Meister, diese Jünger haben uns eine gute Kunde von dir gebracht, haben in deinem Namen unsere Kranken gesund gemacht und die Besessenen von den bösen Geistern befreit! Wir haben daraus ersehen und erkannt, daß du entweder ein rechter Prophet seist, oder daß aber auch im Ernste in dir der verheißene Messias verborgen sei. Da wir aber aus den Worten der Boten dennoch nicht völlig haben klar werden können, so sind wir denn auch hierher gekommen, um aus deinem Munde zu vernehmen, wie es mit dem steht, was uns deine Boten verkündet haben. Wolle darum unsere Hierherkunft nicht ungütig aufnehmen!“ 5. Hierauf wandte Ich Mich an die anwesenden Jünger und sagte zu ihnen: „Wer euch hört, der höret auch Mich; wer aber euch verachtet, der verachtet auch Mich. Wer aber Mich verachtet, der verachtet auch Den, der Mich gesandt hat. Der Mich aber gesandt hat, der ist Eins mit Mir, und eben Der ist es, von dem ihr saget, daß Er euer Gott sei; aber ihr habt Ihn noch nie erkannt, und so möget ihr auch Den nicht erkennen, den Er gesandt hat. Ich aber sage nun zu euch, Meinen Jüngern, daß ihr alle treu, wahr und recht den Menschen Mein Wort verkündet habt.“ 6. Hierauf traten die etlichen siebzig Jünger voll Freude näher zu Mir und sagten: „O Herr, in Deinem Namen waren uns auch die ärgsten Teufel untertan, und wir hatten eine große Freude darob!“ 7. Darauf sagte Ich in verdeckter Rede: „Ja, ja, Ich sah wohl den Satanas vom Himmel fallen wie einen Blitz (die Sichtung des Falschen vom Wahren), aber das genügt noch nicht, sondern das Handeln nach der Wahrheit, damit die Wahrheit im Menschen zu einem lebendigen Gute werde! 8. Sehet, Ich habe euch aus Mir die Macht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten, und also auch über alle Gewalt der Feinde! Doch deshalb freuet euch nicht, wohl aber freuet euch darüber, daß eure Namen nun im Himmel geschrieben sind; und das ist nun auch Meine große Freude! Darum preise auch Ich in dieser Meiner Menschnatur Dich, Vater und Herr Himmels und der Erde, daß Du solches verborgen hast den Klugen und Weisen der Welt und hast es geoffenbart den Unmündigen. Ja, Vater, also war es schon von Ewigkeit wohlgefällig vor Dir! 9. Ich sage es nun euch Weltweisen und Klugen: Mir ist vom Vater alle Gewalt übergeben im Himmel und auf Erden! Aber von euch weiß es niemand, wer und was der Sohn ist; nur Mein ewiger Vater weiß es. Und also weiß und erkennt es auch niemand von euch, wer der Vater ist als nur der Sohn und der dann auch, dem es der Sohn offenbaren will. Denen es aber der Sohn hat offenbaren wollen, denen hat Er es auch schon geoffenbart; aber denen, die da große Stücke auf ihre Weisheit und Klugheit halten, wird das der Sohn nicht offenbaren!“ 10. Hierauf wandte Ich Mich zu Meinen sämtlichen nun hier anwesenden Jüngern und sagte insbesondere zu ihnen: „Wahrlich sage Ich euch: Selig sind die Augen, die das sehen, was ihr sehet und gesehen habt, und selig die Ohren, die das hören, was ihr höret und gehört habt! Denn Ich sage es euch nochmals: Gar viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr sehet, und hören, was ihr höret, und haben es nicht gesehen und auch nicht gehört! 11. Aber es gibt nun auch welche hier, die das auch sehen und hören, was ihr sehet und höret; aber sie vernehmen davon doch nichts und verstehen und fassen auch nichts, denn sie sind und bleiben verstockt und blind im Herzen. Wer aber verstockt und blind im Herzen ist, der ist auch verstockt und blind im Gehirne und im ganzen Leibe; denn wenn schon das, was im Menschen Licht sein soll, Finsternis ist, wie groß wird dann erst des ganzen Menschen Finsternis sein? 12. Ihr wisset es auch, daß das Salz die erste und beste Würze für die Speise ist; wo aber das Salz selbst faul geworden ist, womit sollen dann die Speisen gewürzt werden? Ihr aber seid nun ein rechtes Salz fürs Leben der Menschen; sehet aber zu, daß ihr nicht auch faul werdet, gleichwie die Pharisäer und Schriftgelehrten faul geworden sind und deshalb die Menschen nicht zum ewigen Leben, sondern nur zum Tode versalzen mit ihrem faul gewordenen Salze!“ Kapitel 63 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 63. — Ein Schriftgelehrter versucht den Herrn 1. Es befand sich aber unter denen, die mit den etlichen siebzig Jüngern zu Mir nach Bethanien gekommen waren, auch ein Schriftgelehrter. Diesen verdrossen Meine Worte. 2. Er trat darum zu Mir hin, in der Absicht, Mich zu versuchen, und sagte darum (der Schriftgelehrte): „Meister, ich habe deinen Worten entnommen, daß du in der Schrift wohlbewandert bist und ein rechtes Urteil aussprichst; sage denn nun auch mir, was ich tun soll, um gleich deinen Jüngern selig zu werden!“ 3. Sagte Ich: „Wie stehet es denn im Gesetze Gottes geschrieben, und wie liesest du, was geschrieben ist, als ein Schriftgelehrter?“ 4. Sagte der Schriftgelehrte: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus allen Kräften und aus dem ganzen Gemüte und deinen Nächsten wie dich selbst!“ 5. Sagte darauf Ich zum Schriftgelehrten: „Du hast völlig recht geantwortet. Tue das, so wirst du leben! Denn das Rechte wissen allein gibt und bringt niemandem das ewige Leben. Es ist das Wissen allerdings nötig, weil man ohne dieses als ein Blinder ohne Führer am Wege stünde; aber so der Blinde sehend geworden ist durch die Wissenschaft, aber dann auf dem Wege nicht fortwandeln will, so nützt ihm sein Licht wenig oder nichts. Wer da nicht weiß, was er tun soll und es sonach auch nicht tun kann, der hat auch keine Sünde, so er das Rechte nicht tut; wer aber das Rechte weiß und nicht tut, obgleich er weiß, daß es ein Rechtes ist, der hat die Sünde!“ 6. Hierauf sah Mich der Schriftgelehrte groß an und sagte, sich vor Mir gleichsam rechtfertigen wollend: „Meister, ich erkenne, daß du in der Wahrheit wohlerfahren bist, und weiß auch, daß es zum wahren, Gott wohlgefälligen Leben nicht genügt, die Gesetze nur allein zu kennen, sondern danach zu leben und zu handeln! Gott über alles lieben kann man sicher nur dadurch, daß man alle Seine Gebote genau befolgt; aber so man den Nächsten wie sich selbst lieben soll, da muß man zuvor ja doch wissen, wer denn so ganz eigentlich der Nächste ist, den man wie sich selbst lieben soll. Wen soll ich als meinen Nächsten ansehen?“ 7. Darauf sagte Ich: „Das ist wahrlich zum Staunen, daß du als ein Schriftgelehrter nicht weißt, wer dein Nächster ist. Ich will dir ein Geschichtlein erzählen, aus dem soll dir klar werden, wen du als einen Nächsten anzusehen hast. 8. Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab gen Jericho in Geschäften, fiel auf dem Wege aber unter die Räuber. Diese zogen ihn bis auf die Haut aus, schlugen ihn darauf beinahe zu Tode, gingen mit ihrem Raube davon und ließen den Menschen halbtot liegen. 9. Es begab sich aber zufällig, daß auch ein Priester aus Jerusalem dieselbe Straße hinabzog. Er sah den Menschen, den die Räuber übel zugerichtet hatten, am Wege liegen, ging aber ganz unbekümmert vorüber. Desgleichen kam bald nach dem Priester auch ein Levite und tat wie der Priester. 10. Bald darauf kam auch ein Samariter an dieselbe Stelle, und als er den Menschen da liegen sah, da jammerte ihn des Halberschlagenen Not. Er ging zu ihm, verband ihm seine Wunden, goß Öl und Wein hinein, hob ihn auf sein Lasttier und brachte ihn also in eine Herberge und pflegte ihn den Tag und die Nacht hindurch selbst. Als er am nächsten Tage sah, daß es mit dem Verwundeten bei rechter Pflege wohl besser werde, so berief er den Wirt, gab ihm zwei Groschen und sagte zu ihm: ,Da ich dringende Geschäfte habe, so reise ich nun ab; du aber pflege seiner, bis ich in etlichen Tagen wiederkommen werde! Was du mehr brauchen solltest, das werde ich dir dann getreu ersetzen!‘ Dann reiste er ab, und als er nach einigen Tagen wiederkehrte, fand er den Menschen, über den er sich erbarmt hatte, gut gepflegt und soweit geheilt, daß er ihn nach Jerusalem zurückbringen konnte, bezahlte dem Wirte nochmals zwei Groschen und bekleidete den Geheilten noch obendarauf. 11. Was meinst du nun? Welcher von den dreien war dem wohl der Nächste, der unter die Räuber und Mörder gefallen ist?“ 12. Da sagte der Schriftgelehrte: „Offenbar der, der ihm die Barmherzigkeit erwiesen hat!“ 13. Sagte Ich: „Gut, so gehe du hin und tue desgleichen! Ein jeder Mensch, der in irgend etwas deiner Hilfe bedarf, ist dein Nächster; und so du ihm hilfst, da bist auch du sein Nächster. Und so du ihm geholfen hast, da hast du ihn als deinen Nächsten auch geliebt wie dich selbst; denn die wahre Nächstenliebe besteht eben darin, daß ihr euren Nebenmenschen alles das tuet, was ihr vernünftigerweise wünschen könnet, daß sie im Notfalle auch euch tun möchten. – Weißt du nun, wer dein Nächster ist?“ 14. Hierauf getraute sich der Schriftgelehrte Mich um nichts Weiteres mehr zu fragen, zog sich zurück und sagte zu seinen Gefährten: „Wahrlich, in diesem Galiläer steckt ein mächtiger Wahrheitsgeist! Es lohnt sich der Mühe, ihn zu hören!“ 15. Darauf aber sagte einer von den Jüngern: „Noch mehr aber lohnt sich's der Mühe, also zu leben und zu handeln, wie Er lehrt; denn Er ist der Herr und hat alle Macht in Sich über Leben und Tod. Wer Seine Lehre tut, der wird von Ihm das Leben überkommen!“ 16. Sagte der Schriftgelehrte: „Wenn er der Messias der Juden ist, da hast du ganz recht; aber so er das ist und alle Macht und Gewalt im Himmel und auf Erden besitzt, so kann er ja das den Hohenpriestern sagen; und sträuben sie sich, das anzunehmen und zu glauben, so verwerfe er sie und züchtige sie mit Feuer aus den Himmeln, wie Gott dereinst Sodom und Gomorra gezüchtigt hat!“ 17. Sagte der Jünger: „Du redest nach der Weise der Menschen; wir aber reden nach der Weise Seines Geistes! Wir aber wissen es schon aus Ihm, was Er noch alles tun wird, und kennen Seine Macht, und wir sind Zeugen von allem, was Er in Jerusalem gewirkt hat und was gelehrt; und so können wir auch reden, und wir wissen es, woran wir sind, und was noch alles geschehen wird. 18. Haben nicht alle Hohenpriester die Zeichen am Himmel gesehen, die ihnen klar andeuteten, was sie bei ihrer Verstocktheit zu gewärtigen haben? Aber es hat das auf sie keinen Eindruck gemacht, außer den des Hasses gegen Ihn, und sie trachten nun noch mehr und halten Rat über Rat, wie sie Ihn ergreifen und töten könnten! Aber Er wandelt dennoch frei im ganzen Judenlande und hat keine Furcht vor Seinen vielen und sich übermächtig dünkenden Feinden. Wäre Er nicht der Herr aller Macht und Gewalt im Himmel und auf Erden, so würde Er schon lange aus dem Lande geflohen sein. Aber da Er wohl weiß, welche Macht und Gewalt Ihm eigen ist, so flieht Er vor Seinen Feinden nicht, sondern geht ohne alle Scheu und Furcht in den Tempel und lehrt das Volk von der Ankunft des Reiches Gottes auf Erden und bedroht die Pharisäer und Juden mit aller Schärfe Seiner Rede. Wer anders als nur Er als der Herr aller Macht und Kraft würde sich das wohl zu tun getrauen? Das aber wird doch für jeden Vernünftigen mehr als ein genügender Beweis sein, daß nur Er und kein anderer mehr der wahre Messias und somit auch der Herr ist! 19. Wir haben Seine Taten und Seine Wunderzeichen gesehen und haben vernommen die ewige Wahrheit Seiner Worte und glauben darum auch lebendig an Ihn; ihr habt dasselbe gesehen und gehört und glaubet doch nicht, daß Er der verheißene und nun in diese Welt zu uns gekommene Messias ist! 20. Worin kann da wohl der Grund eures Unglaubens zu suchen sein? Sehet, in der großen Blindheit und Verstocktheit eurer Herzen liegt da der Grund! Ihr seid doch Schriftgelehrte und kennet es aus der Schrift, unter welchen Zeichen und Bedingungen der Messias in diese Welt kommen wird. Nun, alles das trifft nun bei Ihm auf ein Häkchen überein! Ist aber das unbestreitbar der Fall, wie möget ihr noch zweifeln und einen andern erwarten? 21. Ja, ihr werdet in eurer Blindheit wohl einen andern erwarten; der aber wird nicht kommen bis ans Ende der Welt und ihrer Zeiten! Ihr habt uns also reden hören vor ein paar Tagen zu Bethlehem und auch an andern Orten, und wir erklärten euch die Schrift, obschon wir als einfache Menschen nie lesen und schreiben gelernt haben, und wirkten Zeichen vor euren Augen zum Wohle und Frommen der Menschen, daß ihr euch darob hoch erstauntet; ich aber frage nun euch, von wem haben denn wir solche wunderbaren Fähigkeiten, oder in welcher Schule haben wir solches alles wohl erlernen können? 22. Oh, gäbe es eine solche Schule irgend in der Welt, so wüßtet ihr sicher um sie und hättet sie zu eurem Vorteile auch schon besucht! Aber es besteht keine solche Schule in der Welt außer allein nun unter diesem Herrn und Meister von Ewigkeit, der, zwar auch mit Fleisch und Blut angetan, als ein sichtbarer Mensch unter uns wandelt, aber in Seinem Geiste eben Derjenige ist, durch dessen Liebe, Weisheit, Wort und Willen alle Himmel, diese Erde und alles, was auf ihr ist, erschaffen worden sind. 23. Wer es nun nicht von Ihm lernt, der überkommt es auch nicht, und würde er auch alle die hohen Weltweisheitsschulen besuchen. Und wer es nicht von Ihm erlernt hat, der kommt auch nicht zum ewigen Leben und nicht zu Ihm; denn es steht geschrieben: ,In jener Zeit werden alle, die da wollen, von Gott gelehrt; des Vaters Geist wird sie erziehen!‘ Und wer da nicht vom Vater wird gezogen sein, der wird nicht kommen zum Sohne, in welchem der Vater wohnt, den ihr nicht kennet und noch nie erkannt habt, und also auch nicht kennet den Sohn und wer Er ist, wie Er dir das Selbst gesagt hat. 24. Wir aber kennen nun den Sohn und den Vater in Ihm, da Er uns das Selbst geoffenbart hat; und Er hat uns das geoffenbart, weil wir an Ihn alsogleich geglaubt haben. Er hat aber auch offen gesagt und gezeigt, wer Er ist. Aber ihr glaubtet nicht und glaubet noch nicht; darum werdet ihr aber auch verbleiben in eurer Sündennacht und sterben in ihrem Tode. Merket euch das! Denn wir als Seine nun wahrhaftigen Zeugen haben das schon in Bethlehem zu euch gesagt, als ihr uns bedrohtet, und hatten keine Furcht vor euch und sagen es euch nun abermals ohne alle Furcht und Scheu in Seiner Gegenwart, auf daß Er Selbst euch verdolmetschen kann, ob wir recht oder unrecht zu euch geredet haben. 25. Ihr seid uns wohl hierher nachgezogen, als wolltet ihr die Wahrheit aus Seinem eigenen Munde vernehmen; aber eigentlich seid ihr mit uns nur darum hierher gewandert, um den Herrn der Herrlichkeit Gottes zu versuchen. Er aber hat es euch gezeigt, wie unsinnig es ist, als ein schwacher, sterblicher Mensch den Herrn des Lebens und des Todes zu versuchen. Und ihr seid darum denn auch verstummt und hattet nichts Weiteres mehr, um Ihn nochmals zu versuchen. Darum werdet ihr nun schier am besten tun, so ihr alsbald diese geheiligte Stätte verlasset und euch in eure alten Sündennester zurückziehet, auf daß euch nicht noch etwas Ärgeres begegne, als euch schon begegnet ist!“ Kapitel 64 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 64. — Die Beschwerde der Schriftgelehrten 1. Diese sehr triftige Rede des einen Jüngers rauchte dem Schriftgelehrten sehr in die Nase, wie auch seinen Gefährten, und sie kamen darum zu Mir und fragten Mich, sagend: „Meister, hast du deinen Jüngern das Recht gegeben, mit uns also zu reden? Wenn wir alsofort nicht glauben mögen, was sie glauben, sondern als Gelehrte noch allerlei andere Beweise suchen, so geht sie das doch sicher wenig oder nichts an! Kommen sie uns gut und sanft entgegen, so werden wir sie auch anhören und ihre Aussage in guter Art prüfen; kommen sie uns aber so wie nun entgegen, so bleibt uns dann am Ende ja auch nichts übrig, als ihnen auch so zu begegnen, wie sie uns entgegenkommen! Haben Sie aber von dir aus das Recht, uns Gelehrten also zu begegnen, dann werden sie mit uns auch wenig ausrichten!“ 2. Sagte Ich: „Ein jedes Wort, das der eine Jünger zu euch redete, habe Ich ihm in den Mund gelegt und habe also Selbst durch Seinen Mund zu euch geredet. Und es ist daher eure Frage damit auch schon völlig beantwortet und zeigt euch, von wem Meine Jünger das Recht haben, also mit euch zu reden. Ihr aber möget nur die Wahrheit niemals hören und haltet die eitle Schmeichelei und Heuchelei in Ehren; darum kommt euch Meine Rede hart und roh vor und macht euch ärgerlich. 3. Ich aber sage es euch: Wer, wie ihr, einmal im Falschen begründet ist und auch falsch lehrt und dafür von den blinden Menschen noch eine große Ehre begehrt, da er sich selbst in seiner Blindheit für etwas Großes hält, dem kommt die lichte Wahrheit stets hart und seine vermeinte Ehre verletzend vor und macht ihn ärgerlich. Aber Ich sage es euch, daß ein solcher Mensch, so er sich in seinem Falschen nicht durch die lichtvollste Wahrheit demütigen lassen will, auch niemals in die Wahrheit eingehen wird, sondern er wird sich gleichfort in seiner Finsternis ehren lassen, aber dann auch untergehen in derselben. 4. Es war einmal ein Mensch, der wahrlich viel gelesen hatte von allen Wegen und Straßen, und man ehrte den Menschen seiner Wissenschaft wegen, und der Mensch hielt denn auch große Stücke auf diese Ehre. Obwohl er aber von den Wegen und Straßen in der Welt vieles wußte, so hatte er aber dennoch persönlich die von ihm aus den Schriften der Römer und Griechen bekannten Wege niemals bereist. 5. Es fügte sich aber, daß gegen guten Sold ein königlicher Mensch, der eine weite Reise vorhatte, diesen wegkundigen Menschen zu einem Führer dingte, obschon er auch noch andere Führer bei sich hatte, die zwar nicht so gelehrt waren wie er, aber schon viele Reisen gemacht hatten und denn auch aus der Übung mit den vielen Wegen und Straßen bekannt waren. 6. Da begab es sich aber bei einer Reise im tiefen Ägypten, in welchem Lande der Königliche in etlichen Tagen die alte Stadt Memphis erreichen wollte, daß er sich mit den Reisekundigen beriet, wie man dahin wohl den nächsten und sichersten Weg einschlagen könnte. Die alten Reise- und Wegkundigen rieten, daß man die Straße längs des Stromes, wenn sie auch etwas gedehnter wäre, einhalten solle. Aber der Gelehrte sagte: ,Ihr wisset nichts, und was ihr gewußt habt, das wisset ihr nun schon lange nicht mehr; ich allein habe die Wege und Straßenzüge der Ägypter, Griechen und Römer studiert, und mir sind sie alle wohlbekannt. Ich schlage hier vor, daß der gerade Weg durch die Wüste genommen wird und wir also Memphis um drei Tage eher erreichen mögen, als so wir am Strome fortziehen!‘ 7. Dem Königlichen gefiel dieser Vorschlag, und er stellte den Wegkundigen zum Führer. 8. Mit vielen Beschwerden zog die Karawane schon tagelang durch den Sand, und es fing ihr schon an Wasser und Lebensmitteln zu gebrechen an. 9. Da berief der Königliche abermals die Führer und stellte den Wegkundigen zur Rede und bedrohte ihn, so er durch seinen Starrsinn die Karawane auf Abwege gebracht hätte. 10. Da sagten auch die alten Führer: ,Herr, wenn wir nicht umkehren und nicht dem Aufgange zu den Weg nehmen, sondern fort und fort dem Untergange zuziehen, so werden wir auch alle untergehen!‘ 11. Der gelehrte Wegweiser aber wollte noch dartun, daß er recht habe, da es ihm gar sehr an seiner Weltehre gelegen war. 12. Aber da befahl der Königliche, den Weg nach dem Aufgange zu nehmen. Alle gehorchten und erreichten in drei Tagen glücklich wieder den Strom und in sieben Tagen die alte Stadt. 13. Was hat der eingebildete und ehrsüchtige gelehrte Wegkundige der Karawane wohl genützt? Wenn sie ihm vollends gefolgt wäre, so wäre sie offenbar zugrunde gegangen; aber dadurch, daß sie ihm nur einige Tage lang gefolgt ist, ist sie auch um so viel später und ermüdeter ans Ziel gelangt. 14. Als der Königliche aber in Memphis ankam, da sagte er zum eingebildeten Wegkundigen: ,Du hast deine Aufgabe schlecht gelöst; daher sollst du in der Folge der letzte und geringste unter meinen Dienern sein! Du mußt in deiner Demut durch die Erfahrung klug und brauchbar werden, ansonst du keines Lohnes wert bist, wohl aber einer gerechten Strafe!‘ 15. Und was der Königliche dem eingebildeten Wegkundigen sagte, das sage Ich auch euch Schrift- und Gottesgelehrten. Auch ihr führet in eurem Ehrdünkel die Menschen anstatt dem Aufgange des inneren Lebens nur dem traurigen Untergange desselben zu; und so man es euch sagt, da werdet ihr voll Ärgers und Grimmes, weil ihr in euren Köpfen wohl die toten Buchstaben der Schrift herumtraget, aber den belebenden Geist, der in ihnen steckt, noch nie erkannt habt, weil eure Herzen stets voll Hochmutes und Weltsinnes waren und der nur in der wahren Demut des Herzens wohnende Geist noch nie zum hellen und lichtvollen Leben hat erwachen können. 16. Weil ihr aber fürderhin zur Führung Meiner Karawanen nicht mehr taugt, so habe Ich in der alten und ersten Art und Weise wieder ungelehrte, aber der Wege der wahren Herzensdemut und Nächstenliebe wohlkundige und erfahrene Führer bestimmt, und diese werden Meine durch euch in die Wüste verleiteten Karawanen wieder an den Strom des Lebens zurückleiten; ihr aber, so ihr noch fürder in eurem Hochmute verharret, werdet dem nicht entgehen, was dem Hochmute als Lohn folgt! Denn Ich sage es euch: Der pure Buchstabe der Schrift tötet, nur der Geist macht lebendig. Diesen aber überkommen nur jene, die Mir nachfolgen in der Demut und Liebe. 17. Solange euch noch ein sogar gutgemeintes Wahrheitswort aus dem Munde eures Nebenmenschen kränken und beleidigen kann, stehet ihr ferne vom Reiche Gottes! Wer aber Mein wahrer Jünger und Nachfolger sein will, der muß sogar seinen wahren und erwiesenen Feinden vergeben, für die beten, die ihm fluchen, und die segnen, die ihn hassen und verwünschen, also auch denen Gutes erweisen, die ihm einen Schaden zugefügt haben, so wird er eher glühende Kohlen der Reue über den Häuptern seiner Feinde sammeln, als so er Böses mit Bösem vergilt. 18. So ihr verbleibet in eurem Starrsinn und eurer hochmütigen Verstocktheit, da wird das Licht von euch genommen und den Heiden gegeben werden, was schon lange vorgesehen ist, und ihr euch nun zu dem Behufe unter dem Joche der Heiden befindet und euch ihre harten Gesetze müsset gefallen lassen, weil ihr die leichten Gesetze Gottes mit euren Füßen zertreten habt. 19. Ich kam nun, um euch wieder zu versammeln und aufzurichten, und will euch durch die Macht der Wahrheit wahrhaft frei machen. So ihr aber in eurer selbstgeschaffenen Sklaverei verbleiben wollet, so bleibet, und Ich werde Mein Licht geben den Heiden; ihr aber werdet gelassen werden in der Nacht eurer Sünden, und die Heiden werden fortan herrschen über euch. Dieses euer gelobtes Land aber wird zertreten von den Feinden und wird hinfort wüste und öde verbleiben. Das sei euch gesagt zu eurer Danachachtung! 20. Wenn sich das alles an euch erfüllen wird, so werdet ihr Mich wohl erkennen und ausrufen: ,Herr, Herr!‘; aber Ich werde euch nicht anerkennen, sondern zu euch sagen: ,Ich habe euch niemals anerkannt; darum weichet von Mir, ihr Feinde der Wahrheit!‘“ Kapitel 65 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 65. — Die Heuchelei der Schriftgelehrten 1. Als der Schriftgelehrte und seine Gefährten solches von Mir vernommen hatten, konnten sie nichts mehr finden, das sie Mir hätten einwenden können. 2. Aber der Schriftgelehrte besann sich und sagte zu Mir: „Meister, ich erkenne es ja, daß du ein wahrhaftiger und weiser Lehrer bist, lehrest das Wort Gottes recht und achtest weder das Ansehen einer Person, noch das eines Volkes. Also wissen wir auch, was in den Propheten von der Ankunft des Messias geschrieben steht, und wir sind auch bei uns schon halbwegs des Glaubens, daß du der verheißene Messias sein kannst; denn wir haben vieles von deinen Lehren und Taten gehört und manches auch selbst erlebt, da wir dich als einen merkwürdigen Nazaräer schon über zehn Jahre lang kennen und schon damals von dir manches Unbegreifliche erlebt haben, wie zum Beispiel wunderbar schnell hergestellte Bauten, Krankenheilungen, reiche Fischereien und sogar eine unbezweifelte Erweckung eines Menschen, der durch einen gewaltigen Fall ums Leben kam. Solches und noch anderes mehr erfuhren wir von deinem geheimen Wirken, obschon du selbst wie auch dein Vater Joseph das unter den Menschen nicht wolltet ruchbar werden lassen. 3. Aber damals war nie auch nur im entferntesten von dir irgend zu vernehmen, daß du ein Prophet seist und noch weniger der verheißene große Messias der Juden und aller Menschen der Erde. Erst seit etwa kaum zwei Jahren und etlichen Monden darüber ist es allenthalben laut und offenkundig von dir geworden, daß du im Volke aufgestanden bist und von dir durch Worte und Taten zeugest, daß eben du der verheißene Messias seist. 4. Wir sind denn auch nicht hierhergekommen, um von dir irgendein Wunderzeichen zu verlangen, sondern nur, daß wir höreten deines Mundes Rede; denn daheim warst du alles eher denn ein Redner, und das also, daß selbst dein wohlberedter Vater Joseph uns darüber seine Not klagte, als fürchtete er sich, daß du mit der Zeit noch ganz stumm und blöde werden könntest, weil von dir oft wochenlang kein Wort herauszubringen war. Und nun bist du ein Volkslehrer geworden, vor dem man, wie vor jedem großen Propheten, die allergrößte Hochachtung haben muß. 5. Daß du als der uns schon lange wohlbekannte Sohn des Zimmermanns Joseph gar der Messias selbst seist, ja, das konnten wir denn trotz all dem, was wir über dich vernommen haben, denn doch nicht gleich so unbedingt völlig glauben. Und so wir nun von Bethlehem und von noch weiter hierher gekommen sind, angeregt durch deine zu uns gekommenen Jünger, um uns von dieser höchst wichtigen Sache selbst näher zu überzeugen, so kannst du uns darob ja doch nicht gram werden; denn so du vom höchsten Weisheitsgeiste nach der Aussage deiner Jünger und nun auch nach deiner eigenen durchdrungen und erfüllt bist, so wirst du es ja doch einsehen, daß uns keine böse Absicht zu dir hierher geleitet hat. 6. Heißt es ja schon in den alten Sprüchen der Weisheit, daß man alles wohl prüfen und dann annehmen und behalten solle das Gute! So wir als Menschen das nun auch an dir tun, so sind wir deshalb ja doch noch als keine vor dir verdammlichen Sünder anzusehen! Du hast doch den Jüngern, die ehedem ganz ungelehrte Leute waren, ein solches inneres Licht erteilet, demzufolge sie dich als den verheißenen Messias alsbald erkennen mochten; warum enthältst du denn uns solch ein Licht vor? Müssen denn wir darum, weil wir in der Annahme des Glaubens an dich etwas bedenklicher sind, von dir zur ewigen Finsternis verurteilt sein? Siehe, du hast uns ehedem ein gar gutes Geschichtchen über das, wer unser Nächster sei, gegeben! Wir aber sind auch arm am Lichte, und es täte uns da auch ein barmherziger Samariter noch um vieles mehr not, als jener vor Jericho dem halberschlagenen Menschen not tat; aber in dir scheint er sich für uns eben noch nicht vorfinden zu wollen. Was sagst du, weisester Meister, nun dazu?“ 7. Sagte Ich: „So deine Mundrede auch die deines Herzens wäre, so hättet ihr zur Heilung eurer zerschlagenen Seelen auch mehr denn einen barmherzigsten Samariter gefunden! Aber solange ihr in euren Herzen ganz anders fühlet, als was da aussprechen eure glatten Zungen, so lange auch werdet ihr an Mir den vermeinten barmherzigen Samariter nicht finden. Ich aber habe euch dennoch dadurch Meine Barmherzigkeit bezeiget, daß Ich euch eben das sagte, was Ich euch gesagt habe! So ihr es beherzigen wollet, wozu Ich euch niemals nötigen werde, so wird es auch in euch licht und helle werden. 8. Daß ihr Mich als des Zimmermanns Sohn nach eurem blinden Urteil wohl kennet, das weiß Ich wohl; aber ihr habt selbst eingestanden, daß ihr von Mir zuweilen vernommen habt, daß Ich Taten verrichtet habe, die keinem Menschen möglich wären. So hättet ihr doch in der Schrift nachschlagen können, und ihr hättet darin schon mit leichter Mühe gefunden, Wer Sich hinter dem Zimmermannssohne verborgen aufhält, wie das in jener Zeit sogar viele Heiden gefunden haben. Aber das tatet ihr niemals, und seid ihr von einem Menschen besseren und helleren Lichtes bei guten Gelegenheiten darauf aufmerksam gemacht worden, so dachtet ihr nicht nur nie darüber weiter nach, sondern bedrohtet einen jeden, der solch eine Meinung hegte, und hieltet Mich teilweise für einen Besessenen und, so es gut ging, teilweise auch für einen talentierten Magier, der seine geheime Kunst dort oder da bei guter Gelegenheit erlernt hat, um sich in der Folge damit etwa große Schätze bei den Heiden zu erwerben. 9. Als ihr aber nun von Mir wieder Kunde erhieltet, da sagtet ihr in eurem bösen Rate wider Mich: ,Ah, nun ist uns von dem Menschen alles klar! Sein Vater Joseph soll in gerader Linie von David abstammen?! Der Alte hat in seinem Sohne Talente verspürt und hat ihn irgend geheim in aller Zauberei unterrichten lassen, die bei den Heiden als etwas Götterhaftes angesehen wird. Er hat sich dadurch schon viele große Heiden zu Freunden gemacht; und weil diese unsere Feinde sind, so hat er die Idee gefaßt, in seinem Zauberer von einem Sohne sich durch ihre Gunst auf den Thron Davids emporzuschwingen und uns als die Feinde der Heiden dann mit einem Schlag zu stürzen und mit der Essäer Hilfe zugrunde zu richten, die auch bei den Römern im großen Ansehen stehen. Dem aber muß um jeden Preis vorgebeugt werden, dadurch, daß wir ihn bei einer günstigen Gelegenheit aufgreifen und ihm das Leben nehmen, wonach es dann mit ihm sicher für immer gar sein wird. Denn ist er nur ein böser Zauberer und will uns zugrunde richten, dann ist es wohl recht, daß wir ihn lange eher zugrunde richten, als er uns irgend wird zu schaden imstande sein; und sollte er im Ernste der Christ sein, so werden wir ihm nichts anhaben können und können dann hinterdrein noch früh genug glauben, daß er der Christ sei, und er wird es uns nicht zum Übel anrechnen können, so wir an ihm alles eher versuchen mußten, bis wir ihn als den verheißenen Christ annahmen, und er wird uns dann erst noch als Eiferer für die Wahrheit obendrauf loben und hoch belohnen müssen.‘ 10. Sehet, also denket ihr im Herzen, wie auch der ganze Tempel in Jerusalem ebenalso denkt, und nicht einer von euch hat auch nur von ferne den Wunsch, daß Ich etwa doch der Christ sein möchte, sondern nur, daß Ich als ein von euch Erwürgter für ewig tot bleiben solle! 11. So aber bei euch das der Lieblingswunsch ist und kein anderer, welchen Wunsch sollte dann Ich der Wahrheit gemäß für euch in Meinem Herzen tragen? Seid ihr bei solch eurem Wunsche und Willen gegen Mich wohl noch Meiner Erbarmung wert? Urteilet darüber selbst! Ich aber bin endlos besser denn der Beste von euch und erweise euch dennoch diese große Barmherzigkeit dadurch, daß Ich es euch nun offen sage, wie ihr inwendig beschaffen seid, auf daß ihr euch erkennen möget und eines ganz andern Sinnes werdet; denn noch wäre das bei euch möglich! Aber welche Barmherzigkeit erweiset ihr Mir dafür? Oder redet nun offen, ob Ich euch nun etwas anderes als eben nur die reine Wahrheit ins Gesicht gesagt habe!“ 12. Hier machten alle große Augen, und keiner hatte den Mut, Mir zu widersprechen. Kapitel 66 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 66. — Sündenvergebung 1. Es trat aber alsbald mit ganz ernster Miene der Römer Agrikola zu Mir und sagte: „O Herr und Meister, ist es möglich, daß es unter den Juden gar so elendeste Kreaturen geben sollte, die so etwas gegen Dich geheim im Herzen tragen können? O Du großer Gott! Hast Du für sie denn kein verzehrendes Feuer mehr? Von solchen elendesten Kreaturen verdient ja doch ein jeder tausend Male gekreuzigt zu werden! Wahrlich, ich habe schon manches Böseste über das vernommen, wie die Templer gegen Dich gesinnt sind, aber das habe ich noch nicht gehört!“ 2. Sagte Ich: „Freund, wundere dich dessen ja nicht gar besonders; denn es wird bald die Zeit kommen, in der du noch ganz anderes von dieser argen Art über Mich hören wirst! Denn sie wird nicht eher ruhen in ihrem geheimen Grimme gegen Mich, als bis Ich Selbst, wie Ich es euch schon zum voraus angedeutet habe, es zulassen werde, daß sie an Mir Selbst das Maß ihrer Greuel vollmachen werden; dann aber wird auch kommen das große Gericht über sie, von dem der Prophet Daniel geweissagt hat, als er stand an der geheiligten Stätte, und von dem Ich dir auch schon zum voraus eine Wahrkunde gab!“ 3. Sagte Agrikola: „O Herr und Meister, es ist ganz gut, daß Du mir solches geoffenbart hast; denn dadurch werden wir Römer dann schon am klarsten wissen, was wir nachher zu tun haben werden!“ 4. Sagte Ich: „Ihr werdet handeln, so ihr dazu berufen werdet! – Aber nun lassen wir das; es wird nun bald etwas anderes zum Vorschein kommen!“ 5. Als der Schriftgelehrte solches alles vernommen hatte, da fing er an, in sich zu gehen, und sagte nach einer Weile: „Herr und Meister, nun erkenne ich, daß Du mehr als der Sohn Josephs, des Zimmermanns, bist, der vor drei Jahren das Zeitliche gesegnet hat! Denn so Du weißt, was im Herzen eines Menschen vor sich geht, so mußt Du ein Gott sein! Und siehe, dieweil Du vermochtest, solches hell und der Wahrheit getreust uns ins Gesicht zu sagen, was keinem sterblichen Menschen je möglich wäre, so fange ich nun an zu glauben, daß Du sicherlichst der Messias bist! Herr und Meister, stärke mich in meinem Glauben!“ 6. Sagte Ich: „Der Glaube allein wird dich nicht selig machen, sondern die Tat nach dem Lichte des Glaubens, auf daß der Glaube lebendig werde. Mache aber auch das Unrecht, das du vielfach an deinen Nebenmenschen begangen hast, soviel es möglich ist, wieder gut, so werden dir deine Sünden vergeben werden; denn solange jemand nicht den letzten ungerechten Stater an seinem Nebenmenschen berichtigt hat, wird er ins Reich Gottes nicht eingehen!“ 7. Sagte der Schriftgelehrte: „Herr und Meister, da werden wenige ins Reich Gottes eingehen! Denn wie häufig ist das der Fall, daß man selbst beim besten Willen das an jemand wissentlich verübte Unrecht gar nicht mehr wieder gutmachen kann, und solcher Verhinderungsfälle gibt es eine Menge. Was soll man da tun, um zur Vergebung der Sünden zu gelangen?“ 8. Sagte Ich: „Wo ein Mensch, der sein Unrecht erkannt und bereut hat, das unmöglich an seinem Nebenmenschen mehr gutmachen kann, was er ihm geschadet hat, so bekenne er sein Unrecht reuig und wahr im Herzen vor Gott und bitte Ihn um Vergebung und daß Er, dem alle Dinge möglich sind, an dem Geschädigten den ihm zugefügten Schaden gutmachen wolle und möge, so wird Gott solch eine aufrichtige Bitte auch allzeit sicher erhören und dem ernst gutwilligen und reuigen Bittsteller die Sünde vergeben, besonders wenn derselbe durch Liebewerke an anderen wieder gutzumachen bemüht ist, was er an denen, die für ihn nicht mehr da sind, hätte gutmachen sollen. 9. Wer aber auch das nicht mehr könnte, dem solle durch eine rechte Reue und durch seinen wahrhaft guten Willen von Gott aus geholfen sein. Aber solange die Gelegenheit noch da ist, daß du das deinem Nebenmenschen angetane Unrecht selbst noch gutmachen kannst, da nützet dir der pure gute Wille, Reue und Bitte wenig oder nichts, sondern allein die Tat. Nach dieser erst sollst du auch Gott um Vergebung deiner Sünden bitten, und sie werden dir auch von Gott aus vergeben werden, so du dir den wahren und ernsten Vorsatz im Herzen gemacht hast, keine Sünde mehr zu begehen, und den gemachten Vorsatz auch aus allen deinen Lebenskräften, die unter der Herrschaft deines freien Willens stehen, hältst. 10. Fällst du aber wieder in deine alten Sünden von neuem, so bleiben dir auch alle die begangenen auf der Rechnung. Denn hast du an deinem Nächsten ein begangenes Unrecht einmal gutgemacht, daß ihr dann Freunde geworden seid, begehest aber bald darauf entweder an demselben Freunde oder an einem andern ein neues Unrecht, so kommt dir auch das schon gutgemachte vor dem Gericht als ein erschwerender Beweis für deine neu begangene Sünde entgegen, und du wirst von dem Gerichte auch doppelt so stark bestraft werden, als du für deine erste Untat wärest bestraft worden. Wenn aber schon die weltlichen Richter also ihre Urteile fällen, und das mit Recht, so wird Gott sicher mit einem verstockten Sünder, der sich wohl manchmal bessert und sein Unrecht sühnt, aber bald wieder von neuem zu sündigen anfängt, nicht milder verfahren. 11. Der Mensch kann also nur dadurch die wahre und volle Vergebung seiner begangenen Sünden erlangen, so er erstens seine Sünden als ein Unrecht gegen seine Nebenmenschen erkennt, sie bereut und nach Möglichkeit wiedergutmacht, und zweitens aber dann auch Gott um Vergebung bittet mit dem ernsten Vorsatz, die Sünden nicht mehr zu begehen und dem gemachten guten Vorsatz auch treu zu bleiben. So ihr das in euren Herzen euch treu und wahr vornehmen und dann aber auch nach der Vornahme handeln werdet, so sage Ich es euch schon hier: Eure Sünden sind euch von Mir vergeben!“ 12. Sagte der Schriftgelehrte: „Herr und Meister! Deine Lehre ist scharf, aber wahr, und ich werde nach aller Möglichkeit trachten, ihr in der Tat nachzukommen. Aber Du sagtest, daß Du uns die Sünden vergibst im voraus, so wir Deiner Lehre nachkommen werden. Hast Du denn auch an Gottes Stelle das Recht und die Macht, den Menschen ihre Sünden zu vergeben?“ 13. Sagte Ich: „Mit euch Blinden ist schwer von der Pracht der Farben zu reden! Habe Ich denn nicht zuvor gesagt, daß Mir alle Macht und Gewalt im Himmel und auf Erden zukommt?“ Kapitel 67 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 67. — Der Herr erweckt einen Knecht vom Tode 1. Als Ich dieses laut zu dem Schriftgelehrten sagte, da kam die eine Schwester des Lazarus, die Martha nämlich, nahe außer Atem zu uns auf den Hügel und brachte uns die Nachricht, daß ein Knecht von einem hohen Gerüst, auf dem er etwas zu tun hatte, herabgefallen sei und nun kein Lebenszeichen mehr von sich gebe. Sie bat Mich, daß Ich ihm helfen möchte. 2. Und Ich sagte: „Nun, so laß ihn durch die andern Knechte hierher bringen, und Ich werde sehen, was Ich tun werde!“ 3. Auf diese Worte eilte die Martha wieder hinab, und der sich zu Tode gefallene Knecht wurde, auf einer Trage liegend, in wenigen Augenblicken vor Mich hingebracht. 4. Und Ich sagte: „Habe Ich es euch nicht zum voraus gesagt, daß wir ehest etwas anderes zu tun bekommen werden?“ 5. Hierauf sagte Ich zu dem Schriftgelehrten, der seine Augen starr auf den Toten richtete: „Untersuche ihn, weil du in diesem Fache auch Kunde besitzest, ob dieser Knecht wohl völlig tot ist!“ 6. Hierauf besah und befühlte er den Toten vom Kopfe bis zu den Fußzehen und fand ihn vollkommen tot; denn er war vom Gerüst auf den Kopf hinabgestürzt, und es war ihm die Hirnschale eingedrückt und das Genick völlig gebrochen. 7. Als der Schriftgelehrte solche den Tod sicher bewirkende Beschädigungen an dem Toten fand, da sagte er: „Herr und Meister, den kann nur Gott wieder lebendig machen; für menschliche Hilfe ist er unwiederbelebbar!“ 8. Sagte Ich: „Was dünket dich, was da leichter zu sagen ist, ob: ,Deine Sünden sind dir vergeben!‘, oder zu diesem Toten wirkungsvoll zu sagen: ,Stehe mit geheiltem Leibe auf und wandle!‘?“ 9. Sagte der Schriftgelehrte: „Herr und Meister, das erste offenbar leichter als wirkungsvoll das zweite! Denn das erste kann ein jeder Mensch zu dem sagen, der an ihm gesündigt hat, und das gilt nach Deiner Lehre dann auch sicher vor Gott; das zweite aber mit Wirkung ist nur Gott allein möglich und vielleicht dem auch, dem Gott dazu die Macht verleihen würde.“ 10. Sagte darauf Ich: „Auf daß du aber siehst und wohl merkest, daß Mir auch die Macht zukommt, dem gebesserten Sünder seine Sünden als für ewig gültig zu vergeben, so sage Ich nun aus Meiner höchsteigenen Macht zu diesem Toten: Sei geheilt, stehe auf und wandle!“ 11. In diesem Augenblick richtete sich der Tote auf, ersah Mich vor sich und dankte Mir inbrünstigst für die Heilung. 12. Der Schriftgelehrte aber sagte zum nun wieder Lebenden: „Mensch, du warst völlig tot, und der Herr hat dich nicht nur geheilt, sondern Er hat dich auch völlig von neuem wieder belebt; darum danke Ihm auch für dein neues Leben!“ 13. Sagte Ich: „Wer für die Heilung dankt, der dankt auch fürs Leben, und das genügt!“ 14. Hierauf aber wandte Ich Mich wieder an den neubelebten Knecht und sagte zu ihm: „Ein anderes Mal aber sieh dich vor, und besteige kein hohes Gerüst ohne besondere Not! Wenn aber ein solches zu besteigen ist, so überlaß das denen, die darin geübt sind; denn eine jede unnötige Prahlerei straft sich allzeit von selbst, wie es nun auch bei dir der Fall war. 15. Dazu aber merke dir noch etwas, und das besteht darin: Wolle dich unter deinen Mitknechten niemals durch allerlei Wagestücke hervortun, um von deinem Dienstherrn als ein erster Knecht geachtet zu werden und dann über deine Mitknechte herrschen zu können, sondern sei du nur treu und fleißig in dem, was dir zusteht, so wirst du nie mehr das Unglück haben, hoch herabzufallen und dir das Genick zu brechen, womit des Leibes Tod verbunden ist! Denn wer hoch steigt, der fällt dann auch tief herab.“ 16. Auf diese Meine Worte dankte der Knecht abermals und ging mit seinen Mitknechten, die ihn auf der Trage zu Mir gebracht hatten, wieder hinab mit dem Vorsatz, Meine Worte sein Leben lang zu befolgen. 17. Hierauf aber sagte Ich noch zum Schriftgelehrten: „Dies Zeichen, das Ich zur Stärkung eures Glaubens nur gewirkt habe, behaltet bei euch, und gebet es niemand anderm vor der rechten Zeit kund! Ich weiß es, warum Ich das also will. Nun aber könnet ihr gehen mit den Jüngern wieder dahin, wohin euch Mein Geist führen wird! Im Tale beim Wirte werdet ihr alle zu essen und zu trinken bekommen.“ 18. Hierauf begaben sich diese wieder von dannen, und wir begaben uns auch zum Mittagsmahle, da es schon ziemlich spät an der Zeit war. 19. Wir stiegen nun den Hügel hinab und begaben uns ins Haus und darin in den großen Speisesaal, allwo ein gutes Mahl für uns schon bereitet war. Wir setzten uns an die Tische, und Ich berief den Raphael, daß er auch einigen Jungen, die alle in einem andern Hause des Lazarus untergebracht waren, bedeuten solle, sich zu uns zu begeben und an unserem Tische teilzunehmen. Und Raphael ging und brachte zwölf Jünglinge und zwölf Fräulein, die von ausnehmender Schönheit und nun auch schon durch Meinen Einfluß der hebräischen, griechischen und römischen Sprache kundig waren. Diese vierundzwanzig wurden an einem besonderen Tische untergebracht, an dem Raphael präsidierte. 20. Als Agrikola diese schöne junge Gesellschaft eine Zeitlang mit großem Vergnügen betrachtet hatte, da sagte er ganz gerührt: „O Herr, mit diesem Geschenk hast Du mir wahrlich eine übergroße Freude gemacht; denn auf diese Weise bin ich nun der Vater von vielen Kindern geworden und werde für sie auch so und noch besser besorgt sein wie für meine eigenen! Nur bitte ich Dich um ein noch recht langes und gesundes Leben, damit ich alle, die Du mir anvertraut hast, geistig und auch leiblich bestens versorgen kann; am Willen dazu wird es mir nie mangeln und so auch nicht am Handeln!“ 21. Sagte Ich: „Darüber freue auch Ich Mich, und Ich werde dir auch geben, um was du Mich bitten wirst; aber du wirst daheim wenig Zeit finden, weil du – wie Ich dir schon angezeigt habe – dich bald nach Britannia wirst zu begeben haben und dort viel zu tun bekommen wirst. Was wirst du dann mit den Jungen tun?“ 22. Sagte Agrikola: „Herr, dann, wie allzeit, werde ich Mich im Herzen an Dich wenden, und Du wirst mich nicht ratlos lassen!“ 23. Sagte Ich: „Also hast du ganz wohl dich beraten und Mir auch ganz wohl geantwortet! Wenn du aber nach Britannia gehen wirst, so kannst du diese vierundzwanzig Leutchen mit dir nehmen; sie werden dir gute Dienste tun. Nun aber essen und trinken wir!“ 24. Darauf aßen und tranken wir wohlgemut und besprachen uns über allerlei gute und seltene Dinge. 25. Maria, des Lazarus jüngere Schwester, aber setzte sich auf einen niederen Stuhl neben Mich zu Meinen Füßen und horchte auf Meine Worte, wie sie das auch sonst tat. 26. Da aber diesmal viele Gäste da waren, und Martha in Sorge kam, allein die vielen und hohen Gäste etwa nicht gut genug bedienen zu können, so kam sie zu Mir und sagte: „Herr, sieh, ich habe viel zu tun; sage doch Du der Schwester, daß sie mir helfe!“ 27. Da sagte Ich: „Martha, Martha, du bist noch die gleiche, obwohl Ich dir schon ein paarmal aus dem gleichen Grunde Meine Meinung sagte! Du sorgst dich viel um das, was der Welt ist, aber Maria hat sich den besseren Platz erwählt; darum soll sie auch allda bei Mir verbleiben. Wir aber haben ja ohnehin zu essen und zu trinken in Überfülle. Was sorgst du dich nun noch um ein mehreres?“ 28. Martha aber sah ihren Fehler alsbald ein, beließ die Maria bei Mir und verrichtete allein mit den Dienstleuten leicht die noch übrige Arbeit. Kapitel 68 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 68. — Kindererziehung 1. Als wir aber also beisammensaßen und ganz wohlgemut aßen, tranken und uns über allerlei Dinge besprachen, da fingen die großen Hunde im großen Hofe stark zu bellen an. 2. Lazarus, darauf aufmerksam gemacht, sagte zu Mir: „Herr und Meister, sicher nahen sich meinem Bethanien wieder ungeladene Gäste! Aber es ist gut, daß Du mir die Wächter gabst; wir sind durch sie vor lästigen Besuchern gesichert. Aber nachsehen sollte man etwa doch, was es gibt, weil die Tiere einen gar so starken Lärm machen.“ 3. Sagte Ich: „Lasse du das nur gut sein; denn Ich weiß es schon, was es draußen gibt! Erinnerst du dich nicht mehr der Pharisäer, die gestern nacht bei dir bis zum Morgen verblieben sind? Siehe, diese haben es dir ja versprochen, heute Meinetwegen heraus nach Bethanien zu kommen! Siehe, diese und noch einige nähern sich nun diesem Orte und wollen in dieses dein Hauptwohnhaus einkehren; aber es ist noch nicht an der Zeit, und das darum um so weniger, weil sie heute vormittag wieder im Rate gesessen sind und ihre gestrigen Gesinnungen schon wieder um ein bedeutendes geändert haben. Es sind noch ein paar weitmaulige, wahre Zeloten bei ihnen, und so haben sie nun gut warten, bis sie hereinkommen werden. Sende aber du einen deiner Diener hinaus; der soll sie in die Herberge der Fremden bringen! Gen Abend werden wir dann schon sehen, was wir tun werden.“ 4. Lazarus entsandte sogleich einen Diener, und es geschah, wie Ich es anbefohlen hatte. 5. Lazarus aber sagte darauf: „Das wundert mich von den gestrigen Pharisäern sehr, daß sie wieder eines anderen Sinnes geworden wären, indem Du doch Selbst gesagt hast, daß dies wohl etwa die letzten und einzigen seien, die sich aus der großen Zahl der Templer zu Dir bekehrt haben! Und wir waren auch alle des ganz frohen Glaubens.“ 6. Sagte Ich: „Sei darob nicht zweiflig und bange! Diese werden uns auch bleiben; aber gerade jetzt sind sie noch nicht völlig bekehrt. Doch wenn der Abend sich nahen wird, dann werden sie auch eines anderen und besseren Sinnes werden, und wir wollen dann zu ihnen gehen. Für jetzt aber bleiben wir hier ganz heiteren Mutes beisammen, und es wird sich noch so manches finden, darüber wir unter uns einige Worte werden wechseln können.“ 7. Damit waren Lazarus und alle Anwesenden völlig zufrieden. 8. Es wurde darauf eine kurze Zeit völlig still an unserem Tische; nur am Tische der Jungen wurde dann und wann ein Wort gesprochen, indem die Jünglinge den Raphael um allerlei befragten und er sie darüber auch stets freundlichst belehrte. 9. Wir behorchten sie, und die bei uns anwesenden vier Templer, die in Emmaus zu uns getreten waren, wie auch die sieben, die am Ölberge schon früher zu uns gestoßen waren, sagten: „Solch ein Unterricht gibt aus! Denn von solch einem Lehrer lernt die Jugend ja in einer Stunde mehr als bei einem Weltlehrer in zehn Jahren! Herr, unsere Weiber und Kinder befinden sich auch hier in Bethanien, in irgendeinem Hause des Lazarus unter gebracht, wenn sie auch nur eine Stunde lang solch einen Lehrer aus den Himmeln hätten, welch ein großer Vorteil wäre das für sie!“ 10. Sagte Ich: „Allerdings wäre das ein großer Vorteil für sie; aber sie wären nicht fähig, von solch einem Lehrer den Unterricht anzunehmen, weil ihre Herzen und Seelen schon mit zu vielen weltlichen Dingen vollgepfropft sind. Diese Jungen aber sind von möglichst keuschem Sinne und sittlich unverdorben; ihnen ist jede Sünde noch fremd, und sie haben viel Not und Elend ausgestanden und mußten sich an Entbehrungen aller Art gewöhnen, daher sie auch aller Leidenschaften, denen Kinder reicher Eltern unterworfen sind, völlig bar geworden. Ihre Seelen sind demnach engelrein und somit fähig, den göttlichen Geist in sich unbehindert sich ausbreiten zu lassen. Und sieh! Darin liegt denn auch der Grund, daß sie schon als Kinder nun von einem ersten Engel unterrichtet werden können; denn nur solche höchst reinen und gänzlich unverdorbenen Seelen können von den Engeln des Himmels unmittelbar unterrichtet werden, Kinder aber, wie die eurigen, nur, so es gut geht, mittelbar. 11. Ich sage es euch: Wenn die Eltern es verstünden, ihre Kinder also zu erziehen, daß diese ihre Unschuld und Seelenreinheit erhalten könnten nur bis in ihr vierzehntes Jahr, so würden ihnen auch aus den Himmeln Lehrer und Führer unmittelbar gegeben werden; aber da das nun in dieser Zeit unter den besonders angesehenen Juden schon gar nie mehr vorkommt, so haben auch die Lehrer aus den Himmeln mit euren Kindern unmittelbar nichts mehr zu tun. 12. Aber bei den Patriarchen war das sehr häufig der Fall, und hie und da geschah das auch noch in diesem, wie auch im vorigen Säkulum. Meines Leibes Mutter wie auch Mein Nährvater Joseph, dann auch der alte Simeon, die Anna, der Zacharias, sein Weib Elisabeth und sein Sohn Johannes und noch etliche sind von den Engeln aus den Himmeln erzogen worden, und das unmittelbar; aber die Benannten sind von ihren Alten (Eltern) auch in der größten Sitten- und Seelenreinheit von der Wiege an erzogen worden, was aber bei euren Weltkindern wohl nie der Fall war. 13. Allein, es wäre das wohl gar überaus gut für die Menschen, obwohl das zur Erlangung der Seligkeit und des ewigen Lebens nicht gerade unbedingt nötig ist; denn es ist bei Mir und somit auch im Himmel unendlich mehr Freude über einen Sünder, der Buße tut und sich wahrhaft bessert, als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nie bedurft haben, wie Ich euch das schon einmal gesagt habe. Darum tuet nun das, was Ich euch lehre, und ihr werdet leben; denn Ich, der Ich euch das sage, bin mehr denn alle Engel der Himmel, und somit auch sicher Meine Lehre!“ 14. Sagte nun ein Schriftgelehrter, dessen Weib und Kinder auch in Bethanien sich befanden: „Herr, mein Weib und meine sieben Kinder haben meines guten Wissens allzeit streng nach dem Gesetze leben müssen, und die Seelen der Kinder dürften wohl noch ganz rein sein! Diese könnte ich ja doch wohl hierher bringen lassen? Sie würden hier sicher für ihr ganzes künftiges Leben viel gewinnen. Was meinst Du, o Herr, da?“ 15. Sagte Ich: „Da meine Ich dennoch also, daß es für dein Weib und für deine Kinder, die nicht so rein sind, wie du das meinst, besser ist, wenn sie heute bleiben, wo sie sind; denn morgen ist auch noch ein Tag und übermorgen auch einer, und da wird es sich schon noch fügen, daß Ich auch mit euren Weibern und Kindern zusammenkommen werde. Und nun machet Mir in dieser Hinsicht keine Vorstellungen mehr!“ 16. Nach diesen Meinen Worten machten sie Mir auch keine derartigen Vorstellungen mehr. Kapitel 69 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 69. — Die Frage des Markus nach der Erdgeschichte 1. Da wir aber nun ganz in aller Ruhe wohlgemut beisammensaßen, da sagte der Römer Markus, den wir schon als einen tiefen Denker haben kennengelernt, zu Mir: „Herr und Meister, erlaubst Du es mir, weil wir gerade Muße haben, an Dich noch eine Frage zu stellen? Es drückt mich noch etwas, und ich möchte darüber eine noch nähere Aufklärung haben, als Du sie uns auf dem Ölberge hast zukommen lassen.“ 2. Sagte Ich: „Rede und frage du nur immer zu, denn in dir wohnt eine helle Seele! Ich weiß zwar wohl, was du noch hast, aber Ich habe der andern wegen gern, daß eben du redest und fragst, auf daß auch sie wissen, um was es sich handelt; denn es ist das stets ein großer Fehler bei den Menschen, daß nur wenige in sich merken, was und wo es ihnen fehlt. Denn würden die Menschen das merken und fühlen, so würden sie auch mit großem Fleiß und Eifer das Abgängige suchen und zu finden trachten und würden auch vieles finden. Weil sie aber träge sind und nicht wissen und fühlen, was ihnen noch mangelt, so suchen sie das Mangelnde auch nicht und finden es auch nicht. Wer aber sucht, der findet, und wer da bittet, dem wird gegeben, und wer da anklopft, dem wird aufgetan! Und so sage du nun nur, über was du noch ein helleres Licht haben möchtest, als es euch auf dem Ölberge gegeben worden ist!“ 3. Sagte nun unser Römer Markus: „Siehe, Herr und Meister, Du Selbst hast es laut gesagt, daß der Mensch Gott nicht völlig über alles lieben könne, der Ihn nicht, soweit es ihm nur immer möglich ist, zu erkennen trachtet; und da habe ich nun nach längerem Nachdenken gefunden, daß mir noch gar manches mangelt! 4. Siehe, ich habe in Illyrien und auch in unseren weiten Länderstrichen mehrere Bergwerke und gewinne da allerlei Metalle, wie Gold, Silber, Blei und eine große Menge Eisen, das wir gar wohl gebrauchen können! 5. Aber beim Baue in den Bergen habe ich schon so Seltsames und Denkwürdiges aufgefunden, und das sehr tief unter dem gewöhnlichen Erdboden. Es waren das Knochen und Gerippe von einst auf der Erde lebenden riesenhaft großen Tieren. Wann haben diese die Erde bewohnt, und wie konnten sie so tief unter – sage – sogar hohe Berge geraten? Also fand man in Ägypten und auch in Hispania sogar Knochen und Gerippe, die mit denen eines Menschen eine große Ähnlichkeit hatten; nur waren sie auch wenigstens ums Vier- bis Fünffache größer und stärker als die eines jetzigen Menschen. Also fand ich noch gar manche Seltenheiten, deren ich hier näher zu gedenken nicht für nötig finde. 6. Du hast uns auf dem Berge wohl ganz kurz eine Erwähnung davon gemacht, daß es vor Adam auf der Erde schon gar lange eine Art Menschen gegeben habe, die aber noch wenig freien Willen hatten, sondern sich mehr den Tieren ähnlich instinktmäßig bewegten und auch nach dem Instinkte handelten. Erst vor etwa viertausend Jahren erscheint nach der Juden Schrift der erste Mensch Adam mit einem vollends freien Willen und mit einem auch ebenso freien Verstande und gibt selbst aus sich seinen Nachkommen weise Gesetze und Anordnungen. 7. Hier wage ich eine große Frage zu stellen, und diese besteht darin: War diese Erde zur Zeit Adams hie und da noch von den Vormenschen bewohnt, und hat sich dieses Geschlecht vielleicht auch irgendwo an gewissen Punkten der Erde bis auf unsere Zeiten erhalten, und wird es sich vielleicht auch noch länger forterhalten? Und wie kamen die Knochenüberreste der Vorwelttiere sogar unter die Grundfesten der Berge und ebenso auch die riesigen Überreste der Präadamiten? 8. Herr, darüber gib mir noch einen näheren Aufschluß; denn was wir forschenden Römer bis jetzt schon aufgefunden haben, das und sicher noch ein mehreres werden unsere Nachkommen finden. 9. Die uns bekannten Bücher Mosis geben uns über die Bestandsverhältnisse der Erde vor Adam gar keinen Aufschluß. Moses beginnt gleich mit der höchst mystischen Schöpfungsgeschichte, die aber mit dem, was wir nun auf der Erde finden, in gar keinem Zusammenhang steht, – ja, nur die höchsten Widersprüche aufstellt. 10. Wenn Du uns über das nun kein höheres Licht zukommen läßt, so wird das besonders bei den späteren Nachkommen große Wirrnisse erzeugen, und Deine Lehre wird großen Spaltungen unterworfen werden. Denn Deine Lehre ruht auf der mosaischen; ist aber jene in irgend etwas dunkel, so kann Dein Licht nicht zur vollen Helle auf der Erde kommen. Darum gib Du uns auch da noch einen helleren Aufschluß; wir bitten Dich darum!“ Kapitel 70 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 70. — Vom naturwissenschaftlichen Inhalt des 6. und 7. Buches Mosis. Das Alter der Erde 1. Sagte Ich: „Höre, du Mein Mir sehr liebgewordener Markus! Gar vieles habe Ich euch schon gesagt und gezeigt und werde euch auch noch das sagen und zeigen; aber alles das euch nun Gesagte und Gezeigte wird nicht viel über eure nächsten Nachkommen hinauskommen, weil die Weltmenschen das nicht fassen, nicht begreifen und somit auch nicht glauben werden. Du hast wohl einen ganz guten Grund aufgestellt, demzufolge eine von dir beanspruchte Erklärung über die Dinge und Bestandsverhältnisse dieser Erde zur wahren Festigung des Glaubens der Menschen an Meine Lehre besonders als notwendig erscheint. Doch habe Ich es euch aber auch gesagt, daß über alles in Meiner Schöpfung Vorkommende einem jeden, der im Geiste wiedergeboren wird, eben der Geist es offenbaren wird. Wem es aber der Geist offenbaren wird, der wird es dann auch im wahren Lichte lebendig begreifen, wie sich alle die dir nun noch so unbegreiflich scheinenden Dinge verhalten. 2. Was Ich euch aber nun mündlich darüber sagen werde, das werdet ihr Mir wohl glauben, weil Ich es euch sage; aber in der Tiefe begreifen werdet ihr es auch nicht, und noch weniger werdet ihr imstande sein, den andern nun im Geiste noch völlig blinden Menschen einen rechten Begriff davon beizubringen. Und so werden die Menschen noch lange zu warten haben, bis für sie alle die sogenannten großen Fragen werden beantwortet werden können, auf eine solche Weise, daß sie ihnen verständlich werden. 3. Siehe, auch die Juden sind als einst das erleuchtetste Volk der Erde, abgesehen, daß ihnen Moses selbst alles erklärt hatte durch den Mund seines Bruders Aaron in zwei nachgetragenen Büchern, nun dahin gekommen, daß sie von allen dergleichen urweltlichen Dingen rein nichts mehr wissen und verstehen. Alles, was sie irgend von solchen Urüberresten finden, bezeichnen sie als eine Wirkung der von ihnen nicht mehr verstandenen noachischen Sündflut. Lehre sie etwas anderes, so werden sie dich als einen Ketzer verdammen! 4. Ihr Heiden habt in eurer Götterlehre die mythische Kunde gleich von zwei großen Erdüberflutungen und schreibt ihnen zunächst den ursächlichen Grund der Erscheinungen zu, und das Volk hängt fest daran. Saget ihm nun die Wahrheit, so wird es euch verlachen und, wenn es gut geht, dazu sagen: ,Ei, wer kann das wissen? Das wissen nur die Götter!‘ Was könnet ihr ihm dann entgegnen? Sieh, darum werden die Menschen in dieser Hinsicht erst dann die Wahrheiten zu fassen imstande sein, wenn sie erstens in allerlei Wissenschaften werden bewandert sein, und zweitens, so es ihnen ihr geweckter Geist offenbaren wird! 5. Euch aber will Ich nun gleichwohl einige Winke geben, wie sich die Sachen etwa verhalten, obschon Ich es nur zu klar einsehe, daß ihr das alles mit eurem gegenwärtigen Verstande nicht fassen werdet, weil fürs erste euch dazu der Begriff von überaus großen Zahlen mangelt, und weil ihr fürs zweite von den Sternen und ihren Größen, Entfernungen und Bewegungen nun nur das wisset und glaubet, was Ich euch darüber gesagt habe; aber es ist alles das so lange auch bei euch nur ein äußeres Wissen, bis es sich in eurem Geiste als eine selbständige und selbstgeschaffene lichtvolle Wahrheit gestalten wird. 6. Daß diese Erde ein derartig hohes Alter hat, daß ihr die Zahl ihrer Bestandjahre gar nicht fassen könntet, wenn Ich sie euch auch darstellen würde, das habe Ich euch schon auf dem Ölberge gezeigt. Kurz aber und gut, die Erde besteht als ein Weltkörper für eure Begriffe schon nahezu unendlich lange und hat viele Veränderungen auf ihrer Oberfläche zu erleiden gehabt, bis sie zu ihrer gegenwärtigen Gestalt gediehen ist. Feuer, Wasser, Erdbeben und andere große Stürme, besonders in ihren Urzeiten, waren die Handlanger, die aus ihr nach Meinem Willen das gemacht haben, was sie nun ist. Und damit sie fortbesteht und zur zeitweiligen Ernährung von noch viel mehr Menschen und anderen Kreaturen noch fähiger wird, so müssen Feuer, Fluten, Erdbeben und kleine und große Stürme noch in ihr, auf ihr und über ihr nach rechtem Bedarf tätig sein.“ Kapitel 71 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 71. — Die ersten beiden Erdbildungsperioden 1. (Der Herr:) „Als die Erde in ihren Urzeiten nur so weit gediehen war, daß sich über ihren Gewässern nur einige größere und kleinere Inseln erhoben, die mit dem Meeresschlamme überdeckt waren, da legte Ich auch bald aus Meiner Weisheit und aus Meinem Willen allerlei Pflanzensamen in den fruchtbaren Schlamm. Und siehe, da wurden solche Inseln denn auch bald bepflanzt, und zwar zuerst mit allerlei seltenen Gräsern, Kräutern und kleinen und später auch überaus großen Bäumen! 2. Als solche Inseln also bewachsen waren, da legte Ich dann auch Eier oder Samen zur Bildung einer für jenen Erdzustand tauglichen Tierwelt, die zuerst nur in allerlei kleinen und dann größeren Würmern bestand und im Verfolge aus Insekten und endlich, als der trockener gewordene Boden schon des Futters in großer Fülle hatte, auch aus riesig großen Tieren, deren Aufgabe es war, sich mit den noch sehr rohen Kräutern und Baumästen zu nähren und mit ihrem Kote den Boden mehr und mehr zu düngen, und endlich auch mit ihren umgestandenen (verendeten) riesig großen Leibern, von deren Knochen ihr auch noch in den tiefen Höhlen und Schächten der Erde Überreste finden möget. 3. Aus der Verwesung solcher Tiere entwickelten sich nach Meinem Willen auch wieder eine Menge neuer Tiere in der Gestalt von kleineren und größeren Würmern und aus ihnen allerlei Insekten. 4. Nennen wir nun das einen Erdbildungsabschnitt. Es versteht sich aber schon von selbst, daß der Erdkörper vordem schon beinahe zahllose Male allerlei Vorveränderungen unterworfen werden mußte, weil dieser Zustand ohne jene Vorgänge nie hätte stattfinden können. Allein alle solche Vorgänge gehen euch ebensowenig etwas an wie jene zum Beispiel eines ins Erdreich gelegten Weizenkornes bis dahin, wo endlich aus dem Keime eine vollreife und sehr gesegnete Frucht zum sicher sehr brauchbaren Vorschein kommt. Kurz, Ich habe euch nun die Erde in ihrer ersten Befruchtungsblüte gezeigt, wo in ihrem Oberboden allerlei Samen für Kräuter und Bäume gelegt worden sind und Eier für allerlei Getier, für was alles schon lange zuvor im Wasser der Grund gelegt worden ist; denn gewisse und sehr verschiedenartige Wasserpflanzen und -tiere sind offenbar in allem um sehr vieles älter als die Tiere der festen Erde und die Tiere der Luft. 5. Ihr habt nun einen ersten Abschnitt der ersten Fruchtbodenbildung der Erde in Meinen Worten angeschaut und habt dabei euch selbst denken müssen, daß auf diesem Urfruchtboden für ein besseres Getier, geschweige erst für einen Menschen, ein Sein nicht stattfinden konnte. Aber es war dieser sauere Zustand dennoch notwendig, da ohne ihn kein zweiter und vollendeterer hätte folgen können, so wenig, als ohne die vorgängige Magersauerknospe je auf einem Baume eine reifere und endlich ganz reife Frucht zum Vorschein kommen kann. 6. Zum Vollreifwerden einer Baumfrucht aber gehören nach dem Magersauerknospenbilden doch sicher noch eine Menge Vorgänge, die freilich nur Mein Auge ganz genau beobachten kann; und das ist sicher bei der Reifebildung eines Weltkörpers noch um so mehr der sehr bedingt notwendige Fall. 7. Wir haben nun die Erde in ihrer Magersauerknospengestaltung gesehen. Was geschieht denn bei einem Baume im ersten Frühjahre, wenn die Magersauerknospe so recht geschwollen und grünsaftig wird? Sehet, sie springt, von innen gedrängt, auf, wirft ihre erste Umhüllung gewisserart über Bord ins Meer der Vergänglichkeit und Auflösung und entfaltet sich zu einer größeren Vollkommenheit, damit aus ihrer Mitte sich dann die Blätter als die notwendigen Begleiter der nachfolgenden Blüte zur Entwicklung der Frucht entfalten können. Obschon aber, wie schon bemerkt, ein Baum nur ein höchst magerer Vergleich zur Entwicklung eines Weltkörpers ist, so kann er euch aber dennoch als ein gutes Bild dienen, dem ihr in einem sehr verjüngten Maße entnehmen könnet, wieviel dazu gehört, bis ein Weltkörper tauglich wird, um Menschen eurer Gattung zu tragen und zu ernähren. 8. Diese erste Periode oder der erste Abschnitt der Erdbefruchtung in der noch allerrohesten und unkultiviertesten Art geht nach sehr vielen tausendmal tausend Jahren, wie sie nun auf dieser Erde gerechnet werden, unter; denn damals gab es für diese Erde noch keine bestimmten Jahreszeiten, und die schon da waren, die dauerten ein wenig länger als die nunmaligen. 9. Was wir in der ersten Periode gesehen haben, das ging durch zugelassene und, noch besser, fest angeordnete Feuerstürme aus dem Innern der Erde unter, und nach einer großen Anzahl von jetzigen Erdjahren erhoben sich größere Landstrecken, schon mit Bergen geziert, aus den großen Tiefen der Meere der Erde, mit einem schon um vieles fruchtbareren Schlamme überdeckt. 10. Zur rechten Zeit wurden aus Meiner Weisheit und aus Meinem Willen vollkommenere Sämereien in diesen Schlamm gelegt, und bald ward es eines schon gar üppigen Aussehens auf den größeren Länderstrecken der noch immer jungen Erde. 11. Als es nun abermals des Futters in großer Menge auf den verschiedenen größeren Länderstrecken gab, da ward von Mir aus auch gleich in der weisesten Ordnung für eine größere und schon vollkommenere Anzahl der kleinen und großen Konsumenten gesorgt. Da ward das Wasser zwischen den Länderstrecken von größeren Tieren belebt, und die größeren Länderstrecken hatten ihre großen Verzehrer dessen, was ihr Boden an neuen Pflanzen, Kräutern und Bäumen bot. 12. Gräser, Pflanzen, Kräuter, Gesträuche und gar riesige Bäume erzeugten teilweise schon Samen und konnten sich fortpflanzen; doch der größere Teil wuchs immer noch den Pilzen gleich aus dem fruchtschwangeren Boden der Länderstrecken, und die Tiere entstanden auf nahezu die Art und Weise wie die euch bekannten Drachen des Nilstromes in Ägypten, nämlich aus den Eiern, und konnten in der Luft wie auch im Wasser leben und sich auch nähren von Pflanzen im Wasser und auf den Länderstrecken, auf denen es aber auch noch lange nicht irgend zu trocken aussah. 13. Denn in dieser gewisserart für das fruktitive Pflanzen- und Tierleben fortschreitenden Bildungsperiode der Erde konnte es ebensowenig wohnlich trocken aussehen wie bei den sich mehr und mehr entfaltenden Baumknospen; denn so es bei diesen ein trockenes Aussehen hat, dann sieht es mit der Blüte und mit der nachfolgenden Frucht sicher eben nicht am besten aus.“ Kapitel 72 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 72. — Die Entwicklung der Erde bis zu den Voradamiten 1. (Der Herr:) „Die zweite Vorbildungsperiode dauerte wieder eine für euch nicht aussprechbare Zeit von jetzigen Erdjahren. Aber die Erde war noch lange nicht tauglich, warmblütige Tiere, geschweige Menschen von noch so unterer Art, zu tragen; daher ging sie auch wie die erste unter, und es dauerte dann wieder lange, bis eine dritte Vorbildungsperiode zum Vorschein kam. 2. Natürlich gingen zwischen einer und der andern Hauptvorbildungsperiode eine Menge auch sehr stürmischer Zwischenperioden vor sich, deren Bedeutung zunächst nur Ich als der Schöpfer am besten kenne und endlich auch der Geist, dem Ich es offenbaren will. 3. Es entstand aus den vielen notwendigen Vorgängen wieder eine dritte Periode. Nun treten schon gar bedeutend große Länder aus dem Meere hervor, getrieben durch das innere Feuer der Erde, natürlich nach Meinem Willen. Die Vegetation wird noch um vieles reichhaltiger und immer noch riesiger Art; die Tiere ebenso wie die Vegetation. Aber auch diese Periode, die ebenfalls überaus lange angedauert hat, und die man gewisserart mit der Blüte eines Baumes vergleichen könnte, war so wie die beiden früheren noch lange nicht geeignet, dem Menschen zu einem Wohnorte zu dienen; daher ging auch diese unter und begrub so wie die erste und zweite ihre Produkte sowohl in der vegetabilen wie in der animalischen Sphäre, nur nicht so tief wie die erste. 4. Darauf gab es wieder eine Menge Zwischenperioden, und es kam nach langen Zeiten eine vierte Vorbildungsperiode zum Vorschein. Die Landteile wurden wieder um vieles größer, die Vegetation abermals auch um vieles üppiger, und es fing an, im Wasser, auf den schon trockeneren Landen, wie auch in der Luft von allerlei kleinen und daneben auch von größeren Tieren sehr lebendig zu werden, und es gab darunter schon sogar warmblütige Säugetiere, die nicht mehr mittels der Eier in diese Welt kamen, sondern auf dem Wege der natürlichen Zeugung, und sonach lebendige Junge zur Welt brachten, mit Ausnahme der Wassertiere, einiger großer Amphibien, der Vögel, Würmer und Insekten. 5. Diese vierte Hauptvorbildungsperiode dauerte ungemein lange, und der Boden der Erde wurde da schon von Zeit zu Zeit von den Strahlen der Sonne beleuchtet, und an einigen Bäumen fing sich schon eine Frucht zu zeigen an, die euch aber freilich eben noch nicht besonders gemundet hätte; aber sie diente der damaligen Tierwelt doch zu einem guten Futter. 6. Auch in dieser vierten Vorbildungsperiode gab es noch nichts Menschenähnliches auf der Erde. 7. Es kamen wieder große Erdumwälzungen und begruben auch zum größten Teil alles, was ihr damals als eine Kreatur benamset hättet, und ihr findet aus dieser Periode auch gar vieles und manches unter dem Boden der Erde begraben, das sich aber von den Produkten der ersten drei Perioden hier und da schon sehr wesentlich unterscheidet. 8. Nach langen Zeiten, in deren Verlauf nun auf der Erde schon eine größere Ruhe und Ordnung eintrat, und nach vielen noch immer sehr großen Erdstürmen sehen wir nun eine fünfte Erdvorbildungsperiode auftauchen. Aus dem tiefen Meeresgrunde erheben sich von neuem große Länder, schließen sich an die aus den früheren Perioden schon bestehenden an und bilden schon ordentliche Festlande. 9. In dieser fünften Periode entstehen die meisten und höchsten Berge der Erde. Ihre überhohen Spitzen werden von den Blitzen zertrümmert und dann durch gewaltige Erdbeben und durch mächtige Wolkenbrüche entstandene Strömungen in die tiefen Täler und Gräben der Erde geschoben. Dadurch werden weitgedehnte Ebenen und minder breite Täler und Triften gebildet, auf denen dann alles besser gedeihen kann. 10. Mit dem Beginn dieser Periode wird die Erde auch in eine geordnete Umbahnung um die Sonne gebracht. Tag und Nacht wechseln schon regelrecht, auch des Jahres Zeiten, obschon noch unter allerlei Veränderungen, weil die Schwankungen der Erdpole noch immer bedeutend sind und in dieser Periode auch noch sein müssen. 11. In dieser Periode, in der sich schon ein bleibendes Festland gebildet hat, beginnen die regelmäßigen Meeresströmungen von 14000 zu 14000 Erdjahren. Durch diese wird nach und nach einmal die südliche Erdhälfte und darauf wieder die nördliche vom Meer überschwemmt zur weiteren Fruchterdbildung über die oft sehr weitgedehnten Steingeröllwüsten. Denn nach ungefähr 14000 Jahren hat das Meer so viel fruchtbaren Schlamm über die wüsten Steingeröllflächen und Täler gelegt, daß sie dann, so das Meer wieder zurücktritt und der zurückgelassene Schlamm zu einem gediegeneren Boden wird, überaus fruchtbar sind. 12. Es bedurfte bei dieser fünften Periode wohl mehr denn tausendmal tausend Jahre, bis aller gut gelegene Erdboden vollends für eine neue Schöpfung von einer großen Anzahl der verschiedenartigsten Pflanzen, wie Gräser, Kräuter, Sträucher und Bäume, und dann auch für allerlei Tiere und voradamitische Menschen geeignet war. 13. In dieser Periode sehen wir schon eine große Menge von allerlei Fruchtbäumen und anderen Fruchtgewächsen aller Art und Gattung für Tiere und für die damaligen Vormenschen. Doch von einem Ackerbau ist da noch keine Rede, wohl aber benutzen die Vormenschen schon gewisse Tierherden und führen ein rohes Nomadenleben, haben kein Gewand und bauen sich auch keine Häuser und Hütten; aber auf den dicken Baumästen errichten sie sich den Vögeln gleich gewisse feste Wohn- und Ruhenester und schaffen sich Vorräte von Nahrungsmitteln, die sie nach und nach verzehren. Ist der Vorrat aufgezehrt, so gehen sie wieder scharenweise auf neue Jagd nach Nahrungsmitteln aus. Wenn es frostig wird, weil in dieser Periode auch der Schnee zum gedeihlichen Vorschein kommt, so ziehen diese Menschen samt ihren Haustieren, die in Mammuts, großen Hirschen, Kühen, Ziegen und Schafen bestehen – auch der Elefant, das Nas- und Einhorn, allerlei Affen und auch Vögel gehören dazu –, in wärmere Gegenden. 14. Mehr gegen das Ende dieser Periode erscheint auch der Esel, das Kamel, das Pferd und das Schwein, welche Tiere auch von diesen Vormenschen beherrscht werden. Denn so viel höheren Vernunftinstinkt besitzen sie, daß sie die benannten Tiere beherrschen und auch gebrauchen können teils zum Tragen, teils zur Jagd und teils zur Gewinnung der Milch und der Wolle, mit der sie sich ihre Nester wohl auslegen und sich so ein weiches Lager bilden. 15. Sprache haben sie eigentlich in der Art, wie sie nun unter Menschen gang und gäbe ist, keine; aber sie haben dennoch gewisse artikuliertere Laute, Zeichen und Gebärden als selbst die vollkommensten Tiere und können sich gegenseitig verständigen, was sie für ein Bedürfnis haben, und kommen dann auch einander zu Hilfe. Wird jemand krank, gewöhnlich wegen hohen Alters, so kennt er schon das Kraut, das ihm hilft; kann er nicht mehr gehen und es suchen, so tun das die andern für ihn. 16. Nur ein Feuer machen und es benutzen, das können sie nicht; so sie es aber hätten sehen können, wie es die Adamiten später machten, so würden sie es ihnen nachgemacht haben, weil bei ihnen der Nachahmungstrieb ein sehr vorherrschender ist und ihre Intelligenz mit einem gewissen Grade des freien Willens schon weit über die Intelligenz eines noch so vollkommenen Affen ragt. Also würden sie auch reden erlernen können nach unserer Weise, doch aus sich nie eine weise Rede erschaffen. 17. Als Menschen aber waren sie riesig groß und überaus stark und hatten auch ein so starkes Gebiß, daß sie sich dessen statt der Schneidewerkzeuge bedienen konnten. Ebenso hatten sie auch einen höchst starken Geruchs- und Gefühlssinn und gewahrten schon von weitem, wenn sich ihnen etwas Feindliches nahte; mit ihren Augen und mit ihrem Willen bändigten sie die Tiere und mitunter auch die Naturgeister. 18. Obschon aber diese fünfte Vorbildungsperiode gar sehr viel tausendmal tausend Jahre währte, so war unter diesen Menschen doch keine wie immer geartete Fortschrittskultur bemerkbar, sondern sie lebten ihr einförmiges Nomadenleben fort und waren somit nur eine Vordüngung der Erde fürs gegenwärtige Mir in allem völlig ähnliche Menschengeschlecht. 19. Die Farbe ihrer noch ziemlich behaarten Haut war zwischen dunkel- und lichtgrau; nur im Süden gab es auch haarlose Stämme. Ihre Form hatte eine bedeutende Ähnlichkeit mit den Mohren der Jetztzeit. Sie pflanzten sich bis zu Adam in den Niederungen und dichten Wäldern fort; aber auf die Berge verpflanzten sie sich niemals.“ Kapitel 73 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 73. — Die beiden letzten Entwicklungsperioden der Erde 1. (Der Herr:) „Zu den Zeiten Adams, mit dem die sechste Periode beginnt, hatte die Erde wieder teilweise große Umwälzungen zu bestehen durchs Feuer und durchs Wasser, und da ging bei dieser Gelegenheit das beschriebene Voradamitengeschlecht samt ihren Haustieren nahezu ganz unter, so auch die vielen Wälder und deren andere Tiere, die nicht zu den Haustieren zu rechnen sind; nur einige Gattungen der Vögel blieben, wie auch die Tiere der Berge und der Gewässer der Erde. 2. Es erhielten sich hier und da die beschriebenen Vormenschen wohl noch, aber höchst schütter mit den Adamiten bis in die Zeiten Noahs in Asien; aber sie verkümmerten nach und nach, weil sie keine ihnen entsprechende Nahrung in rechter Genüge mehr fanden. Doch in einigen tiefen Gegenden des südlichen Afrika und auf einigen größeren Inseln der weiten Erde sind noch einige verkümmerte Nachkommen aus der fünften Periode anzutreffen. Sie sind aber noch ganz wild; nur haben sie sich von den Nachkommen Kains doch hier und da eine etwas größere Kultur angeeignet. Sie können zu verschiedenen Arbeiten abgerichtet werden, aber aus sich im Grunde doch nichts erfinden. Ein Teil steht ja etwas besser, weil er aus der Vermischung der Kainiten und später auch der Lamechiten hervorging; aber auch dieser Teil ist zu einer höheren und tieferen Geistesbildung nicht geeignet. 3. Diese Art von Menschen aber wird sich alldort, wo sie nun ist, noch lange forterhalten und fortpflanzen und nach und nach von den Adamiten auch noch mehr Bildung annehmen, aber dabei doch nie zu einem großen Volke werden. – Da habt ihr nun die Präadamiten aus der fünften Erdvorbildungsperiode. 4. Bei deren Beginn hatte diese Erde auch den Mond zu ihrem Begleiter und Regulator ihrer Bewegung um die Sonne und um ihre eigene Achse bekommen; freilich hatte auch der Mond nicht sogleich die Gestalt, die er jetzt hat. Bis er zu dieser kam, hatte er auch für ihn große und sturmvolle Perioden durchzumachen, die freilich wohl nicht so lange andauerten wie die der Erde. 5. Fraget Mich aber nun nicht, warum denn das Ausbilden eines Weltkörpers eine so undenkbar lange Zeit vonnöten hat, denn das liegt in Meiner Weisheit und Ordnung. Wenn aber der Herr eines Weinbergs alle Arbeit in einem Augenblick könnte fertig haben, was würde er dann das ganze Jahr hindurch tun? Der kluge Weinbergsbesitzer aber teilt sich die Arbeit ein, hat alle Jahre etwas zu tun, und diese tägliche Tätigkeit bereitet ihm auch stets eine neue Seligkeit. Und sehet, also ist es auch bei Mir der Fall; denn Ich bin in der ganzen Unendlichkeit ewig das allertätigste, aber darum auch das allerseligste Wesen. 6. So im Frühjahre die Kinder eines Hausvaters im Garten die Kirschen, Pflaumen, Birnen und Äpfel blühen sehen, so haben sie wohl zwar auch eine Freude darüber, aber sie möchten doch schon gleich die reifen Früchte sehen und genießen, als sich pur nur an den schönen Blüten ergötzen. Aber der weise Vater sagt zu den noch sehr von der Ungeduld befangenen Kindern: ,Nur Geduld, meine lieben Kinder! Alles in dieser Welt hat nach der Anordnung Gottes seine Zeit, und alles kommt in ihr zu seiner Reife! Darum habet auch ihr nur Geduld; auch diese nun blühenden Bäume werden in wenigen Monden mit reifen und süßen Früchten voll behangen dastehen, und wir werden sie dann mit dem Vater im Himmel genießen!‘ Das beruhigt dann die Kinder. 7. Und so möget auch ihr beruhigt sein, wenn ihr auch nicht schon allenthalben auf dieser Erde die vollreifen Früchte Meiner Lehre erschauet; zur rechten Zeit werden sie schon zur Reife gelangen. Denn das könnet ihr euch wohl denken, daß Ich nicht umsonst und vergebens den lebendigen Samen Meines Wortes unter euch ausgestreut habe. Von heute aber bis morgen kann die Vollreife noch nicht erfolgen. 8. Und sehet, was schon bei einem Baume eine gewisse Zeit braucht nach Meiner Ordnung, das benötigt es nach derselben sicher um so mehr bei einer Erde! Denn es ist da nicht hinreichend, daß eine Welt nur als ein übergroßer Klumpen von Steinen, Erde und Wasser im großen Ätherraume sich befindet, denn ein solcher Klumpen wäre völlig tot, und es könnte auf ihm nichts wachsen und leben. Eine Welt aber, die Lebende tragen und ernähren soll, muß zuvor selbst lebend werden. Dazu aber gehört, daß sie zuvor unter allerlei Einflüssen und Prozessen innerlich gleich einem großen Tier organisch völlig ausgebildet wird. 9. Es hat zwar jeder werdende Weltkörper, gleich wie ein Embryo im Mutterleibe, schon alle Anlagen zu einer vollkommenen tierisch-organischen Lebensform, aber sie liegen im Anfange der Bildung wie chaotisch untereinandergemengt; erst nach und nach ordnen sie sich und werden dann zu einem organisch lebenden Ganzen. Wie aber dieses Ordnen vor sich geht, das weiß Ich, weil Ich allein in allem der Grundordner bin. Wenn ihr aber selbst im Geiste werdet vollendet sein, da werdet es auch ihr einsehen, wie dieses Ordnen vor sich geht. 10. Nach und aus den euch nun so einfach und klar als möglich dargestellten Bildungsperioden könnet ihr aber noch etwas entnehmen, und zwar den eigentlichen Urgrund, aus dem der Prophet Moses die Schöpfung in sechs Tage eingeteilt hat. 11. Diese sechs Tage sind demnach die euch gezeigten sechs Perioden, die ein jedes geschaffene Wesen einmal naturmäßig und dann, wie es bei euch Menschen der Fall ist, auch seelisch und geistig zu seiner Reife und Vollendung durchzumachen hat. 12. Nach diesen erst kommt die siebente Periode der Ruhe, welche ist das seligste, ewige Leben. Ruhe aber heißt die siebente Periode darum, weil den vollendeten Geist kein Zwang, kein Gericht und keine ängstliche Sorge mehr drückt, sondern sein Sein in die vollste Wissenserkenntnis- und freieste Willensmacht übergeht für ewig. 13. Und nun sage du, Mein lieber Markus, Mir, wie du nun diese Meine Erklärung verstanden hast!“ Kapitel 74 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 74. — Die seelische Entwicklung der Voradamiten 1. Sagte Markus ganz voll Staunens: „Herr und Meister von Ewigkeit! Ich und hoffentlich auch alle die andern haben Deine gnädige Erklärung wohl aufgefaßt, von einem durchdringenden Vollverständnisse aber kann bei uns nun darum sicher keine Rede sein, weil uns eben das mangelt, was Du Selbst uns angezeigt hast. Aber wir sind in uns dennoch dahin zu einer klaren Anschauung gelangt, daß wir erstens nun wissen, für was wir die in den Tiefen der Erde aufgefundenen Reliquien zu halten haben, und wie sie durch die mehrfachen periodischen Umwälzungen der Erde und ihre nachherigen Meereswanderungen in solche Tiefen gekommen sind, und zweitens erkannte zum wenigsten ich, was der große Prophet Moses mit seinen sechs Schöpfungstagen so im Hinterhalte angedeutet hat. Und das genügt uns vorderhand, und wir können ganz ruhig nun abwarten, bis wir durch unsere eigene geistige Vollendung ein Weiteres erfahren werden. Aber das sehe ich auch ein, daß das nur eine Lehre für wenige ist und auch bleiben wird. 2. Nur eine Frage ist mir, wenigstens für mich, noch übriggeblieben, und Du, o Herr und Meister, wirst es mir gnädigst erlauben, Dir damit noch einmal zur Last zu fallen?“ 3. Sagte Ich: „Du weißt es ja, daß Ich dich gern vernehme, und so magst du wohl reden!“ 4. Sagte der Römer Markus: „Herr und Meister! Die besprochenen Voradamiten, obschon nur mit einer instinktartigen Intelligenz und mit nur wenig freiem Willen begabt, hatten ja doch auch Seelen, die als solche nicht sterblich, obwohl vielleicht wandelbar sein können. Was hat es nun mit diesen Seelen für eine Bewandtnis? Wo und was sind sie nun in dieser sechsten Erdperiode, und was wird etwa noch fürder aus ihnen werden? Man könnte das freilich wohl schon eine anmaßende und frevelhafte Frage nennen; aber da ich noch immer ein wißbegieriger Römer und kein schläfriger Jude bin, so magst Du mir diese Frage auch noch zugute halten und mir darüber eine ganz kurze Antwort geben!“ 5. Sagte Ich: „O ja, warum sollte Ich das nicht? Haben wir ja doch der Zeit noch zur Genüge dazu, und so magst du Mich nun wohl anhören! Siehe! So sogar die Stein-, Pflanzen- und Tierseelen fortleben und in ihrem von der Materie freien Zustande durch die Einung schon in – sage – Menschenseelen übergehen und dann im Leibe eines Menschen zu wahren Menschen werden können, so werden die Seelen der Voradamiten doch auch ein Fortleben haben, gleichwie auch die Seelen der Menschen aller anderen Welten im endlosen Schöpfungsraume ein ewiges Fortleben haben. 6. Als im Reiche der Geister fortlebende Seelen aber werden sie auf irgendeinem großen Weltkörper, das heißt auf seinem entsprechenden geistigen Boden, in tiefere Erkenntnisse über Gott und Seine Macht und Weisheit geleitet, leben so auch ganz selig fort und können auch noch immer seliger werden. Doch wo sich in dieser Hülsenglobe solch ein großer Weltkörper befindet, das wäre wohl sehr unnütz, so Ich dir auch das anzeigte, weil du solch einen Weltkörper mit deinen Sinnen nicht wahrnehmen könntest, und von einer Überzeugung dessen, ob es dort wohl also aussehe, wie Ich es dir beschriebe, könnte bei deinen Leibeslebzeiten ohnehin so lange keine Rede sein, solange du in deinem Geiste nicht völlig wiedergeboren werden würdest; und so mußt du dich bis dahin nun schon mit dem begnügen, daß Ich dir sage: In Meines Vaters Hause gibt es gar viele Wohnungen! Einst in Meinem Reiche wird euch allen alles klar werden. – Hast du Mich verstanden?“ 7. Sagte Markus: „O ja, Herr und Meister! Aber nun noch etwas, weil da eins so das andere gibt! 8. War zur Zeit der Voradamiten diese Erde auch schon das gewisse Lebenskämmerlein im Herzen des Großen Schöpfungsmenschen?“ 9. Sagte Ich: „Wenn auch nicht völlig in der handelnden Wirklichkeit, so doch in der Bestimmung dazu; als handelnd war in jener Vorzeit ein anderer Weltkörper, dessen Menschen aber zu sehr in den größten Hochmut und in die vollste Gottvergessenheit übergingen, und die noch an einen Gott glaubten, die achteten Seiner nicht, boten Ihm Trotz und suchten Ihn in ihrer Blindheit gewisserart vom Throne Seiner ewigen Macht zu stürzen. Sie suchten Ihn, und arge Weltweise sagten, daß Gott im Zentrum ihrer Erde Wohnung habe; man müsse dahin Minen machen und Ihn dort gefangennehmen. Sie gruben denn auch entsetzlich tiefe Löcher in jene Erde, wobei gar viele zugrunde gingen. 10. So Ich zu ihnen Boten sandte und sie warnte, so wurden diese allzeit erwürgt, und die Menschen besserten sich nicht. Und siehe, da ließ Ich zu, daß jene Erde von innen aus in viele Stücke zerrissen wurde! Und das geschah zu Anfang der sechsten Periode dieser Erde, und diese Erde ward zum Lebenskämmerlein. Wo aber jene Erde sich auch um diese Sonne kreisend befand, darüber wollen wir noch etwas Näheres bestimmen. Aber lasse du, Lazarus, einen frischen Wein bringen; dann wollen wir weiterreden!“ Kapitel 75 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 75. — Vom Weintrinken. Die Belehrung über den zerstörten Weltkörper 1. Lazarus ging nun mit einigen Dienern und brachte frischen Wein, der von einem ganz besonders guten Geschmack war. Mit diesem wurden die Becher wieder angefüllt, und wir tranken alle davon und wurden gestärkt im ganzen Leibe, und alle wurden voll des besten Mutes und priesen Mich, daß Ich so gute und stärkende Dinge auf diese Erde gesetzt habe. 2. Ich aber sagte: „Ja, ja, es ist solch ein Wein ein stärkendes Getränk, aber nur dann, so er mit Maß und Ziel getrunken wird! Wer den Wein aber unmäßig zu sich nimmt und sich berauscht, für den ist er dann kein stärkendes, sondern ein sein ganzes Wesen schwächendes Getränk. Darum genießet dieses Getränk allzeit mäßig in Meinem Namen, so wird es euch stärken auch zum ewigen Leben der Seele; im übermäßigen Genusse dieses Getränkes aber ruht der arge Geist der Geilheit und der Unzucht. Dieser Geist aber belebt die Seele nicht, sondern tötet sie für den wahren Lebensgeist aus den Himmeln und macht auf dieser Erde die geistige Wiedergeburt der Seele in dem Geiste aus den Himmeln nahe zu einer Unmöglichkeit. Dieses merket euch auch!“ 3. Ich sagte aber das nun eben nicht der guten Wahrheit willen allein, da Ich solches schon mehrere Male gesagt hatte, sondern weil Judas Ischariot zu gewaltige Züge tat und dem vollen Berauschtwerden nahestand. Er merkte das wohl, stand vom Tische auf und zog sich ins Freie und besichtigte das Städtchen Bethanien. 4. Als er draußen war, sagte der Jünger Andreas: „Bin recht froh, daß der unheimliche Mensch sich entfernt hat; denn er kommt mir seit einiger Zeit immer verdächtiger vor, und Deine Lehren und großen Zeichen machen auf ihn keinen Eindruck. Er gewinnt sonach nichts und doch will er uns nicht verlassen! Wenn ich, o Herr, Deine Macht hätte, da wäre der schon lange nicht mehr in unserer Gesellschaft!“ 5. Sagte Ich: „Er hat aber auch einen freien Willen, und demzufolge kann er auch bleiben oder gehen, wie und wann er will. Ihr habt aber gesehen, daß Ich sogar den Teufeln nach ihrem Willen gestattete, in die Säue zu fahren, und so gestatte Ich auch diesem Menschen, der unter euch auch ein Teufel ist, zu bleiben oder zu gehen; denn von Mir aus ist jeder Mensch und Geist vollkommen frei. Ein jeder aber wird sich durch sein Handeln auch seinen Lohn bereiten. Will er ein Engel werden oder ein Teufel, das steht jedem frei. – Doch nun nichts mehr von dem, denn wir haben über andere Dinge noch viel zu reden! 6. Wir hatten zu Anfang der sechsten Periode gesehen, wie ein Weltkörper von innen aus zerstört, und wie mit Adam diese Erde zum Lebenskämmerlein im Großen Schöpfungsmenschen wurde. Ich aber werde euch nun den Stand jener zerstörten Welt zeigen, und zwar wie sie früher war, und wie sie jetzt aussieht; dann aber werde Ich euch auch zeigen, in welchem Verhältnisse diese Erde ehedem zum Großen Menschen stand, das heißt, nur in geistiger Entsprechungsweise, aber nicht in der materiellen Wirklichkeit. Da euch aber solches ohne eine bildliche Versinnlichung mit puren Worten nicht gezeigt werden kann, so werde Ich euch nun durch Meinen Willen die Sonne mit allen ihren Planeten in einem kleinen Maßstabe darstellen, und ihr werdet bei dem Anschauen solch eines Bildes Meine Worte bald und leicht fassen, und so denn habet nun alle wohl acht!“ 7. Als Ich solches ausgesprochen, da entstand im freien Luftraume eine Kugel von einer Handspanne Durchmesser; diese stellte die Sonne vor. In möglich annähernd guten Verhältnissen der Größen und Entfernungen – für welch letztere der Saalraum freilich zu klein war, um sie in voller verhältnismäßiger Richtigkeit darzustellen – wurden auch alle Planeten mit ihren Monden dargestellt, und zwar so wie damals, als der zu Anfang der sechsten Periode zerstörte Planet mit seinen vier Monden noch nicht zerstört war. Ich erklärte allen die Stellungen der Planeten, benannte sie sowohl in der jüdischen wie auch in der griechischen Sprache, und sie sahen den Planeten, von dem nun die Rede ist, zwischen Mars und Jupiter schweben und seine vier Monde um ihn kreisen. An Größe kam er dem Jupiter gleich, nur hatte er mehr Festland als der Jupiter und auch einen höheren Luftkreis über sich und eine stärkere Polneigung und darum auch eine schiefere Bahnlinie um die Sonne. 8. Als alle das nun wohl begriffen hatten, da sagte Ich weiter: „Sehet, also stand die Ordnung von jetzt an zurückgezählt vor ungefähr viertausend Jahren. Dann aber geschah die euch angezeigte Zerstörung dieses Planeten. Wie und warum sie geschah, das habe Ich euch schon gesagt. Nun aber sehet, wie es mit dem Planeten nach der erfolgten Zerstörung aussieht!“ 9. Alle sahen nun nach dem Planeten, der sich nun in viele größere Stücke auseinanderteilte. Nur die vier Monde blieben ganz; da sie aber ihren Zentralkörper verloren hatten, so gerieten sie in Unordnung, und sie entfernten sich voneinander mehr und mehr auch aus dem Grunde, weil sie durch die Berstung des Hauptplaneten einen sehr merklichen Stoß erhalten hatten. 10. Die Stücke des Planeten aber zerteilten sich in dem sehr breiten Raume zwischen der Mars- und Jupiterbahn. Eine große Menge kleinerer Trümmer entfernte sich auch über die beiden angezeigten Bahnen, und es fielen etliche in den Jupiter, etliche in den Mars, etliche sogar auf diese Erde, in die Venus, in den Merkur und auch in die Sonne. 11. (Der Herr:) „Ja sogar die körperlich sehr riesenhaft großen Menschen wurden bei der Berstung des Planeten in großer Anzahl in den freien Himmelsraum hinausgeworfen, gleichwie auch die anderen Kreaturen. Einige verdorrte Leichname schweben noch im weiten Ätherraume umher, einige sitzen und liegen tot und ganz verdorrt in ihren Häusern, die auf den größeren Planettrümmern noch bestehen; etliche von jenen Menschenleichen fielen sogar auch auf diese Erde, auf der sie aber schon nach etlichen hundert Jahren aufgelöst wurden, und so auch in andere Planeten. 12. Dieses Planeten große Meere verteilten sich bei der Berstung auch mit ihren Einwohnern aller Art und Gattung in größere und kleinere Tropfen, von denen einige viele Stunden Durchmaß haben, auch festeres Erdreich in sich bergen und auch von manchen Tieren noch bewohnt werden. Auf den vier Monden aber leben noch die früheren Geschöpfe, nur in einem schon mehr verkümmerten Zustande, also auch auf etlichen wenigen größten Stücken des Planeten, aber in einem noch mehr verkümmerten Zustande; auf den kleineren Trümmern aber waltet kein organisches Leben außer dem der Verwitterung und langsamen Auflösung.“ Kapitel 76 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 76. — Über die Bewohner des zerstörten Weltkörpers 1. Als den Anwesenden das also gezeigt und erklärt wurde, da sagte Markus, der Römer: „O Herr und Meister, das muß auf jenem Planeten für seine Menschen ja doch etwas unbeschreibbar Schreckliches gewesen sein! Sie mußten ja alle aus Verzweiflung gestorben sein! Und was ist aus ihren Seelen geworden?“ 2. Sagte Ich: „Daß eine solche Katastrophe für jene Menschen etwas sehr Entsetzliches war, das ist ganz sicher; aber sie waren selbst schuld daran. Sie sind zuvor schon viele und lange Zeitläufe hindurch belehrt, ermahnt und gewarnt worden. Es ward ihnen gezeigt, was sie zu erwarten haben. Sie hielten aber alles das in ihrer großen Weltklugheit für Hirngespinste und eitle Faseleien von seiten jener Seher, die in ihrer Schlichtheit und irdischen Armut nur etwa darum solche Dinge einem leichtgläubigen Volke vorsagten, damit sie zu einem Ansehen und auch zu einer körperlichen Versorgung kämen. Die Großen und Vornehmen glaubten ihnen nicht nur nicht, sondern verfolgten sie nach allen Richtungen auch mit Feuer und Schwert; ja, sie stellten sich am Ende allem dem, was nur nach etwas Geistigem roch, so ernst entgegen, daß ein jeder, der es wagte, irgend etwas an einen Geist nur von ferne hin Bezughabendes laut auszusprechen oder zu schreiben, ohne alle Gnade getötet wurde, und es war sonach denn auch nicht mehr möglich, dem zu großen Hochmute und der zu unbarmherzigen Härte jener Menschen zu begegnen. 3. Jene Menschen waren in irdischen Dingen sehr erfinderisch und erfanden schon vor gar vielen Tausenden von Jahren dieser Erde eine Art Sprengkörner. Diese zerstörten alles, wenn sie angezündet wurden. Wenn ihr von jenen bösen Sprengkörnern etwa zehntausend Pfund etwa tausend Mannslängen tief unter den Berg Libanon in einem Haufen in einer Höhle aufschichtetet und dann anzündetet, so würden sie sich dann alle in ein und demselben Augenblick entzünden und den ganzen großen und hohen Berg in viele Stücke zerreißen, wie solches auch die Hanochiten vor Noah mit gar manchem Berge taten, dadurch die inneren Wasserschleusen der Erde öffneten und dann alle in den hochgestiegenen Fluten umkamen. 4. Sehet, mit solchen bösen, ihnen von den Teufeln angegebenen Erfindungen trieben denn auch die Menschen des nun zerstörten Planeten ihr stets größeres Unwesen und Spiel am Ende schon in dem großartigsten Maße. Sie führten Kriege, und einer unterminierte des andern Land tief nach allen Richtungen hin und füllte die Minen mit großen Haufen solcher teuflischen Sprengkörner. Diese wurden dann auf eine künstliche Art angezündet und zerstörten das ganze große Land. Mit solchen Länderzerstörungsversuchen trieben sie es stets weiter und weiter und machten auch stets tiefere und großartigere Löcher ins Innere ihrer großen Erde, die beinahe zweitausendmal größer war als diese Erde, und kamen endlich einmal doch zu tief, wodurch der Erde innere Kammern, die von Natur auch mit dem Urfeuerstoff weit und tief angefüllt sind nach zahllos vielen Richtungen hin, mit in den heftigsten Schnellbrand gerieten. Und sehet, solche innere Feuergewalt trieb dann den ganzen großen Planeten aus seinen Fugen und machte ihn nach allen Richtungen hin zerplatzen, und die argen Menschen hatten samt ihrer Erde ihr Ende erreicht! 5. Ich wußte wohl darum, daß es also kommen werde, und hatte es auch schon mit dieser Erde vorgesehen, daß sie nun das ist, was sie ist. Diese Erde aber entsprach ursprünglich schon dem demütigst letzten Teile am Leibe des Menschen, nämlich dem untersten Hautnervenwärzchen des kleinen Zehens am linken Fuße – zwar nicht der Örtlichkeit, sondern, wie gesagt, der demütigen geistigen Bedeutung nach –, und nun ist sie die Trägerin Meiner eigentlichen Kinder, die sich nach Meinem ihnen geoffenbarten Willen selbst aus ihrem freien Willen zu richten und zu erziehen haben. 6. Es besteht aber selbst in physischer Hinsicht zwischen dem Hauptlebenswärzchen im Herzen und dem untersten Hautnervenwärzchen des kleinen Linkfußzehens eine Verbindung und Entsprechung, und so kann man besonders in der demütig geistigen Beziehung sagen, daß diese Erde zuvor auch bei dem Großen Schöpfungsmenschen dem obbezeichneten Zehenhautnervenwärzchen entsprach und daher nun auch das Hauptlebenswärzchen im Herzen des Großen Schöpfungsmenschen ist und auch bleiben wird, das heißt, geistig durch die auf ihr gewordenen Kinder Meiner Liebe und Weisheit. Aber sie kann das auch noch physisch eine für euch undenkbar lange Zeit verbleiben, ob es auch auf ihrem Boden zu großen Veränderungen kommen wird. Denn auch die späteren Nachkommen werden wieder die bösen Sprengkörner erfinden und noch eine Menge anderer Zerstörungswerkzeuge und werden viele, viele Verheerungen auf der Erde anrichten; daß sie aber nicht in zu große Tiefen der Erde werden kommen können, dafür wird von Mir aus schon vorgesehen werden. 7. Also werde Ich auch die Meinen auf dieser Erde nimmerdar als Waisen lassen, sondern im Geiste bei ihnen verbleiben bis ans Ende ihrer Zeiten, und es wird darum eine solche Zerstörung auf dieser Erde nimmerdar geschehen können; aber örtliche Verheerungen und Verwüstungen werden wohl sicher vor sich gehen, und die Menschen werden dabei auch in große Ängste, Schrecken und Trübsale geraten, und es werden viele verschmachten vor Furcht und banger Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen könnten. Aber sie werden auch selbst schuld sein an allem, was über sie kommen wird. 8. Und so habe Ich vor euch nun enthüllt, was es mit jenem nun zerstörten Weltkörper zu seiner Zeit und was es nun mit dieser Erde für eine Bewandnis hat und auch fürder haben wird; ihr aber fraget euch nun selbst, ob ihr wohl alles verstanden habt!“ Kapitel 77 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 77. — Gleichnisse vom Reiche Gottes 1. Sagte nun der Römer Markus: „O Herr und Meister, das ist mir wenigstens nun alles wohl klar; aber das sehe ich nun auch ganz hell ein, daß dieses die Menschen, die das von irgendher vernehmen werden, nicht fassen und begreifen werden; denn dazu gehören wohl die allergewaltigsten Vorkenntnisse! Wir haben es nun an Deiner Seite freilich leicht, weil Du uns alles mit Hilfe Deiner Allmacht, Liebe und Weisheit so darstellen kannst, daß wir selbst die wunderbarsten Dinge verstehen können; wir aber vermögen das nicht, und so werden sich diese wunderbaren Dinge von uns aus den andern Menschen schwer oder auch gar nicht begreiflich machen lassen können.“ 2. Sagte Ich: „Das macht ja aber auch nichts; denn das habe Ich ja nur euch enthüllt und kundgemacht wegen des tieferen Verständnisses des Reiches Gottes. Denen es aber in der Folge not tun wird, des Reiches Gottes wegen Meine Werke tiefer zu verstehen, denen wird es schon Mein Geist in ihnen enthüllen, und er wird sie in alle Wahrheit und Weisheit leiten. Die andern Menschen aber tun genug, so sie an Mich glauben und nach Meinen Geboten leben und handeln. Denn es sind gar sehr viele wohl berufen zum Reiche Gottes, aber der Auserwählten gibt es nur wenige, denen es gegeben ist, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen. 3. So ihr sie aber verstehet, da besteht zwischen Mir und euch und durch euch auch mit den andern Menschen ein rechtes Band, und Ich bin also in euch, wie auch ihr in Mir, und eines mehreren bedarf es vorderhand nicht. 4. Das Reich Gottes ist hier gleich einem Senfkörnlein, das wohl eines der kleinsten Samen ist, so es aber ins gute Erdreich gesät wird, da wächst es bald zu einem förmlichen Baume heran, daß hernach des Himmels Vöglein kommen und unter seinen Ästen und Zweigen Wohnung nehmen. 5. Mein Wort aber ist das kleine Körnlein. Leget es nur in die guten Herzen der Menschen, und es wird sich in ihnen auch bald zu einem Baume entfalten, unter dessen Ästen und Zweigen die hellen Erkenntnisse, aus den Himmeln kommend, Wohnung nehmen werden! 6. Also ist Mein Reich auch wieder zu vergleichen einem Weibe, das, um Brot zu backen, drei Scheffel Mehl nahm und dazu nur wenig Sauerteig gab. Als sie aber dann den Teig anmachte, so ward er von dem wenigen Sauerteige dennoch bald im rechten Maße durchsäuert. Seht, auch Mein Wort ist da wieder der wenige Sauerteig, gemengt unter viel Mehl, und es genügt zur Durchsäuerung von viel Mehl! Darum gebet den Menschen in Meinem Namen nur so viel, als es vorderhand nötig ist; das Weitere wird dann schon Mein Wort aus sich wirken! 7. Wem ein Kind geboren wird, der sorge sich nur um dessen Gesundheit; das Wachsen hängt von Mir allein ab. 8. So ihr Meine Lehre den Menschen überbringt in der Wahrheit, die ihr von Mir überkommen habt, so machet sie auch darauf aufmerksam, daß man deren Früchte erst dann ernten kann und wird, so man von der Liebe zur Welt und ihren Schätzen sich im Herzen völlig abgewendet hat; denn die Liebe zu den Dingen der Welt ist eine dunkelgraue Wolke, die sich stets zwischen die Sehe der Seele und das Licht aus den Himmeln stellt! 9. Aus diesem Grunde haben die meisten Menschen aus dem schwachen Schimmer, der eine Folge des reinen, hinter der dunkelgrauen Wolke leuchtenden Himmelslichtes ist, wohl nur so ganz schwache Ahnungen von etwas Höherem und Übersinnlichem; aber weil die besagte Wolke nicht weicht und statt heller nur zumeist immer dunkler wird und häufig ganz finster, so begreifen und fassen sie auch nichts von der reinen Weisheit aus den Himmeln, sind sonach denn auch stets voll Sorgen, voll Furcht und voll Ängste und glauben an allerlei dumme Dinge und suchen Trost und Beruhigung bei den toten Götzen und ihren Priestern, weil sie des wahren Trostes aus den Himmeln nicht gewärtig werden können, indem die besagte Wolke zwischen der Sehe der Seele und der Sonne der Himmel unverrückt liegenbleibt. 10. Denn sehet! Der Mensch gleicht da einem Wanderer, der an einem trüben Tage reist, wenn dichte Nebel Täler und Berge belagern. Obwohl solche Nebel die ganze sonst gar herrliche Gegend völlig unsichtbar machen, so besteht aber die Gegend dennoch; nur ihre reinen Abbilder können nicht zum Auge des Wanderers gelangen, und er kann sich darum auch keinen Begriff und keine Vorstellung von dem machen, was der dichte Nebel vor seinen Augen verhüllt. Er betrachtet wohl den Weg und erkennt aus den nur schwach ersichtlichen Wegzeichen, daß er etwa wohl auf dem rechten Wege wandelt. Aber es kommen oft Seitenwege, die erfüllen ihn dann schon wieder mit Furcht und Sorge, weil er nicht recht wissen kann, welcher Weg da wohl der rechte ist. Er wartet, ob nicht ein anderer Wanderer ihm nach- oder entgegenkäme. Es kommen wohl welche; aber es geht ihnen wie dem, der von ihnen das Rechte zu erfahren wünschte. Der eine meint, zu dem angesagten Orte führe etwa wohl der Mittelweg; ein anderer sagt, daß das die Stelle sei, wo der Weg zum angesagten Orte nach rechts abbiegt; ein dritter behauptet das Gegenteil, und ein vierter meint und sagt: ,Wir kennen uns hier alle nicht aus; daher kehren wir gerade um und verweilen an dem Orte, von dem wir ausgegangen sind, bis sich der Nebel verziehen wird, und wir können dann mit Sicherheit unsere Wanderschaft antreten!‘ 11. Und sehet, aus diesem Bilde könnet ihr nun recht wohl ersehen, wie es nun den meisten Menschen auf der Wanderung zum Reiche Gottes ergeht! 12. Es deckt dieses ewigen herrlichen Reiches reinste Gegenden und Fluren, Berge, Täler, Gärten und Städte, Bäche, Flüsse, Ströme, Seen und Meere der vorbesprochene Nebel der Weltliebe vor den Augen der Seele. Daher sei eure Aufgabe, da Ich in euch den Nebel hinweggefegt habe, daß ihr dasselbe auch bei denen vor allem tuet, bei denen ihr Mein Wort verkünden werdet; denn so ihr das unterlassen würdet, so würdet ihr Häuser auf dem Sande bauen, die nicht halten würden, so da kommen würden Stürme, Regengüsse und Fluten, sondern sie würden zusammenstürzen und von den argen Wässern fortgerissen werden. 13. Wenn ihr aber bei der Ausbreitung Meines Wortes die gewissen Nebel zuvor hinwegfegen werdet, da werdet ihr Häuser auf Felsen bauen, und werden da auch kommen Stürme, Regengüsse und Fluten, so werden sie den Häusern, die auf festen Felsen erbaut sind, nichts anhaben können. 14. Sehet, niemand kann zwei Herren, die einander anfeinden, dienen; denn er muß es entweder mit dem einen oder mit dem andern halten und muß demnach auch mit ein Freund oder ein Feind des einen oder des andern sein! Also kann auch niemand der Welt und ihrem toten Mammon und zugleich aber auch dem lebendigen Reiche Gottes dienen; denn das ist unmöglich. 15. Darum muß der, welcher dem Reiche Gottes dienen will, das Reich der Welt aus seinem Herzen schaffen! Wie aber das zu geschehen hat, das habe Ich euch allen schon gar oft nicht nur mit hellen und lebendigen Worten, sondern auch durch allerlei Taten gezeigt. Tut denn auch ihr desgleichen, und ihr werdet viele und gute Früchte ernten! 16. Die Ernte wäre als eine große und überreiche zu erwarten, und viel Weizen stünde schon völlig zum Schnitte reif; aber der Schnitter gibt es noch wenige. Darum bittet auch ihr den Herrn der Ernte, daß Er ehest viele Schnitter dinge für Seine Felder! 17. Aus allem dem aber könnet ihr nun doch wohl entnehmen, was ihr bei der Ausbreitung Meiner Lehre bei den Menschen vor allem zu bewerkstelligen habt; das viele und das Außerordentliche aber braucht ihr nicht allen Menschen zu verkünden, sondern nur denen, die euch im Amte folgen werden! Was Ich aber nun euch zu einer Richtschnur gesagt habe, das saget ihr auch denen, die euch in eurem von Mir euch anvertrauten Amte folgen werden, und es wird dann alles gut gehen! – Habt ihr alle das nun wohl verstanden?“ Kapitel 78 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 78. — Die Bedeutung des Vorbildes 1. Sagte Markus, der Römer, und mit ihm einstimmig auch Agrikola: „Herr und Meister, verstanden hätten wir Dich wohl und sehen es auch ein, daß das Hinwegfegen des gewissen Weltliebenebels eine unerläßliche Vorbedingung bei jedem Menschen sein muß, weil er ohne sie nie wahrhaft und in sich lebendig überzeugt in Dein Reich eingehen kann; aber uns deucht es, daß es eben mit dem Hinwegfegen des gewissen Weltliebenebels, der gar starr zwischen der Sehe der Seele und dem Reiche Gottes haftet, wohl seine größten Schwierigkeiten haben wird, und das aus gar außerordentlich vielen Gründen. 2. Einmal ist und bleibt für die jüngere, leiblich gesunde und mit den nötigen Lebensbedürfnissen wohlversehene Menschheit die Erde mit ihren zahllos vielen und anmutigsten Abwechslungen sicher ein um so überwiegender großer Reiz, weil ein solcher Mensch von der inneren Herrlichkeit des in ihm kaum noch keimenden Reiches Gottes keinen Dunst hat und durch seine wenn noch so sittliche äußere Welterziehung auch keinen hat bekommen können. 3. Wenn man nun solch einem Menschen sagen wird, daß er an allen den Schönheiten der Erde nicht hängen solle, weil solche Erdliebe wie ein dichter Nebel ihm die Herrlichkeit des höheren und ewigen Reiches Gottes verhüllt und den Blicken seiner Seele entrückt, wird er da nicht sagen: ,So zeiget mir jene Herrlichkeiten, und ich will denen dieser Erde den Rücken zeigen!‘? Wie werden wir bei solch einem Menschen, der am Ende doch auch recht hat in seiner Art, seinen Weltnebel ausfegen? 4. Aber es seien das Menschen weltlich guter Art, und wir können uns dabei wohl denken, daß kein Baum auf einen Hieb mit einer noch so scharfen Axt zum Falle kommt, – und kommt Zeit, kommt auch Rat! Aber es gibt eine übergroße Menge solcher, die von ihrer Weltstellung in allem abhängen; zu denen gehört einmal der Priesterstand, dann der weitverzweigte Staatsbeamtenstand und endlich der zumeist noch ganz rohe Soldatenstand. Bei allen diesen vielen Legionen von Menschen ist der Weltliebenebel eine feste, finstere Masse, und das zum größten Teile. Wie wird der auszufegen sein? Von den Dienern und Sklaven, die doch auch Menschen sind, aber gewöhnlich in aller besseren Bildung tief unten stehen, wollen wir hier gar nicht reden. Es wird mit dem vorauszugehen habenden Wegfegen des Weltliebenebels schon bei den meisten Juden eine schwere Arbeit sein, wie schwer erst dann bei den andern Völkern der Erde! Darum, weil diese erste Arbeit, so schwer sie sei, eine gar wichtige ist, bitten wir Dich, o Herr und Meister, um eine noch nähere Aufklärung, wie wir das anstellen sollen, um nicht vergeblich zu arbeiten!“ 5. Sagte Ich: „Meine lieben Freunde, daß nun diese Arbeit keine leichte ist und gar manche Anstrengungen und große Opfer kosten wird, bis von ihr die erwünschten Lösungen zum Vorschein kommen werden, das weiß ich wohl am allerbesten; aber Ich gebe euch ja auch die Mittel und die nötigen Behelfe an die Hand, durch die ihr an geeigneten Stellen das ebenso, wie Ich nun an euch, werdet bewirken können, – und mehr kann Ich euch doch nicht geben, als was Ich Selbst habe! Zur rechten Stunde und zur rechten Zeit wird es euch schon Mein Geist in euch völlig klar anzeigen, was ihr zu tun haben werdet, um das zu bewirken, was zum Empfange des Reiches Gottes nötig ist. 6. Die Menschen werden dadurch inne, was ihnen fehlt und abgeht, und werden sich dann vielfach bestreben, das zu erlangen, was sie an euch wohl gewahren werden. Denn da sage auch Ich in eurer Zunge: Exempla trahunt (Beispiele ziehen). Denn so jemand es an euch sehen wird, was das heißt, im Besitze des Reiches Gottes sein, dann wird er sicher kommen und euch fragen: ,Wie seid denn ihr dazu gekommen?‘ Und sehet, dann werdet ihr auch leicht zu reden haben, und die gewissen Nebel werden dann vor euren Worten und Taten bald flüchtig werden, gleichwie auch die eurigen vor Meinen Worten und Taten flüchtig geworden sind! 7. Daß ihr nun aber schon gleich etwa in einem Jahre oder gar an einem Tage alle Berge und Hügel den Tälern gleichmachen sollet, das verlange Ich von euch ja gar nicht. Es genügt, daß ein jeder von euch mit seinem eigenen guten und redlichen Willen nur das tut, was er kann; um das Weitere werde dann schon Ich Selbst sorgen. Ich werde von euch doch nicht mehr verlangen, als Ich Selbst bei dem Stande des freien Willens der Menschen tun kann! Oder wäre es nicht töricht von einem starken Vater, von seinen noch schwachen Kindern zu verlangen, daß sie um vieles schwerere Bürden tragen sollen, als er sie trägt? Ich sage es euch, und ihr werdet es selbst erfahren, daß das Joch, welches Ich euch auferlegt habe, sanft und die Bürde zu tragen leicht ist. 8. Aber dessenungeachtet wird sich die Welt sträuben, von ihrem Scheinlichte zu lassen, und wird zur Zeit, wenn das Licht aus den Himmeln schon bei gar vielen Menschen volle Aufnahme wird gefunden haben, große Kämpfe gegen das Eindringen des reinen Himmelslichtes führen, und es wird da viel unschuldiges Blut vergossen werden; aber am Ende wird dennoch das Reich Gottes auf dieser Erde für ewig den Sieg davontragen, und alles Scheinlicht der Welt wird untergehen und allen Wert verlieren wie ein falsches Gold und Silber vor den Augen des Kenners. 9. Daß aber die Menschen auch eine Freude an der schön gezierten Erde haben können, das habe Ich ja nie untersagt; aber nur sollen sie dabei allzeit Dessen in ihrem Herzen gedenken, der die Erde so schön gemacht und geziert hat, so werden sie in ihrem Herzen und Gemüte erbaut werden. Denn wer Gottes Werke mit den rechten Augen betrachtet, der kann schon auch eine eitle Lust daran haben. Die Freunde der schönen Natur der Erde sind auch sicher bessere Menschen und sind leicht zum Reiche Gottes reif zu machen. 10. Aber die Freunde der toten Schätze der Erde, die Freunde ihres Mammons, sind schwer zu einem besseren Lichte zu bekehren. Solches zeigt sich bei den Pharisäern, vielen andern reichen Juden und bei den vielen Kaufleuten, Wechslern und Krämern. Diesen Leuten vom Reiche Gottes zu predigen, hieße die Mohren weiß waschen zu wollen. Diese Art Menschen sind den Schweinen gleich, denen ihr die Perlen aus den Himmeln niemals als ein Futter vorlegen sollet. 11. Denn Menschen dieser Art werden nach ihrem Leibestode erst in dem kahlen Monde ihre Todsünden abzuwaschen bekommen, und vom Reiche Gottes werden sie stets hübsch weit entfernt bleiben; denn diese werden ins neue Jerusalem niemals eingelassen werden. Menschen, die aller Liebe zu Gott und zum Nächsten bar sind, die sind auch des Reiches Gottes in sich bar. Diese sollen denn auch bleiben in ihrem schwarzen Scheinlichte! Im Monde soll ihre Wohnstätte sein, und das nur auf jener Seite, die er starr, stets unverrückt, der Materie dieser Erde zuwendet. 12. Es ist das nun zwar etwas Neues, was Ich euch hier nun gesagt habe, aber wahr; darüber werden wir bei einer anderen Gelegenheit vielleicht noch ein paar Wörtlein fallen lassen, obschon es Mir nicht angenehm ist, über Schweineställe und Narrenzwinger dieser Erde viele Worte zu verlieren. – Habt ihr das alles nun wohl verstanden?“ 13. Alle dankten Mir für diese Belehrung, und wir setzten uns wieder zu Tische, nahmen wieder etwas Brot und Wein, und Matthäus zeichnete sich mehreres von dem Gehörten auf. Kapitel 79 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 79. — Reden und Handeln ist besser als Schreiben. Von den echten und falschen Evangelien 1. Es fragte Mich auch der Jünger Johannes, ob auch er, da es noch an der Zeit wäre, von dem Gehörten und Geschehenen sich Notierungen machen solle. 2. Sagte Ich: „Es genügt, was Matthäus aufgezeichnet hat; alles aber gehört ohnehin nicht fürs Volk und noch weniger für die gewissen Menschenschweine, deren Ich Erwähnung machte. Ihr werdet aber nach Mir noch der Zeit zur Genüge überkommen, aus dem Geiste heraus zu schreiben, was ihr nun von Mir vernommen und gesehen habt. 3. Denn Ich werde in der fernen Zukunft auch Knechte erwecken und werde ihnen durch den Geist in ihrem Herzen das alles zum Schreiben diktieren, was nun seit der Zeit geschehen und gelehrt worden ist, als Ich in das Lehramt trat und euch zu Meinen ersten Jüngern machte, und auch das, was nachkommen wird und noch gar vieles andere dazu; und so Mir das möglich sein wird in der fernen Zukunft, so wird es wohl bei euch um so möglicher sein, euch durch den Geist eures Herzens alles in die Feder zu sagen, was Ich des Aufzeichnens für nötig finden werde. 4. Ihr sollet aber im Anfange euch eben nicht mit zu vielem Schreiben abgeben, sondern nur mehr mit dem Reden, damit die Menschen einmal erfahren, um was es sich da handelt! 5. Sind die Menschen von dem einmal in Kenntnis gesetzt, und haben sich in Meinem Namen Gemeinden gebildet, so könnet ihr dann an solche Gemeinden auch wohl schreiben, so ihr in einer entfernten Gemeinde zu tun haben werdet. Doch in der Gemeinde, in der ihr prediget, braucht ihr an sie keinen Brief zu schreiben; so ihr sie aber verlasset, da könnet ihr ihr auch ein schriftliches Gedenkzeichen hinterlassen. 6. Aber ermahnet die Gemeinde ja wohl auf das lebendigste, daß sie mit derlei Hinterlassenschaften keine Abgötterei treibe gleichwie die Pharisäer und Juden mit den Büchern Mosis und mit den Propheten; denn die Genannten machen nun tiefe Verbeugungen vor dem Kasten im Tempel, in dem die Bücher aufbewahrt sind, und beten die Gesetzestafeln an und meinen, daß sie dadurch Gott eine rechte Verehrung erweisen. O der blinden Narren! Was ist denn mehr und besser: die Gesetzestafeln anzubeten in der Meinung, Gott dadurch eine rechte Ehre zu bezeigen, oder die Gesetze, die auf den Tafeln geschrieben sind, im Leben zu beachten? Das zweite, das allein recht wäre, tut kein Templer und kein Jude der Wahrheit nach; aber das erste, was ohne Wert ist, tun sie gewissenhaft, weil es ihnen sicher weniger Mühe macht. 7. Darum aber sage Ich euch nun das, auf daß ihr erstens nicht zu viel schreibet, sondern mehr redet, damit man in der Folge nicht auch mit Meiner neuen Lehre das tue, was nun die Templer und die Erzjuden mit den Büchern Mosis tun und mit den Gesetzestafeln und Propheten, und ihnen sogar gewisse magische Wirkungen zuschreiben, die sie nie besessen haben. Das also suchet alle sorgsamst wohl zu vermeiden! 8. Ferner aber sollet ihr vorderhand auch darum nicht zu viel schreiben, auf daß der Schreibgeist in der ersten Zeit unter den Menschen nicht zu übermäßig geweckt werde. Es ist besser, so die Menschen nach Meiner vernommenen Lehre mehr handeln als dieselbe niederschreiben; denn so der Schreibgeist unter den Menschen zu früh wach wird, so werdet ihr in kurzer Zeit nach Mir eine Unzahl von geschriebenen Evangelien sogar unter euren Namen entstehen sehen, und ihr werdet viel zu tun haben, alle die falschprophetlichen Geschreibsel zu widerlegen. Darum möget ihr wohl viel reden, aber wenig schreiben! Wenn aber die rechten Zeiten kommen werden, dann soll schon auch viel geschrieben werden! – Habt ihr das nun wohl verstanden?“ 9. Sagte nun Simon Juda: „Herr, da wäre es am Ende ja besser, so entweder gar nichts geschrieben werden würde, oder es solle gar alles genauest aufgezeichnet werden, damit dann nur eine wahre Schrift aus Deinem Munde bestünde, von der dann erst autorisierte und vollkommene Abschriften für andere Völker könnten genommen werden! Denn ich denke mir, daß gewisse Menschen mit der Zeit auch das von uns gepredigte Wort etwa schlecht und unrichtig aufschreiben werden, und so können ja auch auf diese Art noch eine Menge falscher Evangelien ans Tageslicht gefördert werden, und die späteren Menschen werden sich dann nicht mehr auskennen, welch ein Evangelium das rechte und wahre ist, und das wird dann auch zu allerlei Glaubensspaltungen führen.“ 10. Sagte Ich: „Simon Juda, Ich verwerfe deine Ansicht nicht und sage auch nicht, daß ihr etwas Unweises zugrunde läge; aber das, was Ich euch geraten habe, ist und bleibt vorderhand besser! 11. Ihr möget aber tun, was ihr nur wollet und möget, so werdet ihr es für die Folge der Zeiten nicht verhindern können, daß neben dem wahren und echten Evangelium sich auch eine Menge Afterevangelien entwickeln, und es wird für die späteren Nachkommen, die ein oder das andere geschriebene Evangelium in die Hand bekommen werden, stets schwer sein zu bestimmen, ob es ein echtes ist. 12. Darum aber soll nun Mein Wort von euch nur mehr mit dem Munde gepredigt werden; da werden die wahren Bekenner schon von selbst in sich zum lebendigen Worte aus Mir gelangen und werden dann nicht nötig haben, dies oder jenes geschriebene Evangelium zu prüfen, ob es wohl ein echtes und wahres ist. 13. Aber so ihr nun gleich nach Mir statt viel zu predigen nur viel schreiben würdet, so würden eure Schriften sicher um so eher von andern Menschen mit allerlei Weglassungen oder auch Zusätzen nachgeschrieben werden, und die Menschen müßten sogestaltig sehr bald zu fragen anfangen, ob die Schriften wohl echt und verläßlich von euch herrühren. So ihr aber persönlich lehret und euch im Falle der Notwendigkeit auch als das durch Zeichen manifestiert, so wird da niemand fragen, ob ihr wohl meine echten Jünger seid und eure Worte völlig die Meinigen sind. 14. O ja, wenn ihr Mich schon einmal häufig werdet verkündet und viele in Meinem Namen werdet getauft haben, und so dadurch auch schon viele werden zum inneren lebendigen Evangelium gelangt sein, dann, wie gesagt, könnet ihr auch schreiben, auf daß die Nachkommen in euren Schriften ein Zeugnis haben, daß und wie Ich euer Herr und Meister war, und wie ihr Meine Jünger gewesen seid. Aber solche eure Schriften sollen dann auch nur bei jener Gemeinde aufbewahrt und bewacht werden, bei denen sich durch ihr Handeln auch das innere, lebendige Evangelium von Vater zu Sohn und so fort erhalten wird und ihr demnach nicht als pur geschriebene, sondern in den Herzen der Menschen als lebendigtätige Apostel zum wahren und ewigen Zeugnisse verbleibet. 15. Wo bei einer Gemeinde das nicht der Fall sein wird, da sollen ihr die Schriften auch nicht zur Aufbewahrung übergeben werden; denn sie würden ihr auch darum nichts nützen, weil ihre im Geiste des Herzens toten Nachkommen ihre Echtheit gar nicht mehr zu prüfen imstande wären und nicht mehr erkenneten eine falsche Schrift von innen heraus, sondern nur nach der Mehrheit der Stimmen in ihrem allgemein blinden Rate, wie das nun im Tempel bei den Pharisäern und Hohenpriestern der Fall ist. Was können aber viele Stimmen von blinden Menschen gegen die eine Wahrheit machen? Ich sage es euch: So da ein in sich lebendiger und lichtvoller Mensch die Wahrheit aussagt, was können da zahllose Ratsstimmen gegen die eine Wahrheit noch vermögen? 16. Es gibt nur eine Wahrheit, die ebensogut nur ein Mensch wie Myriaden Engel aussprechen und erweisen können. Wenn sich aber nun eine Weltweisheit dagegenstemmt, weil die Wahrheit nicht zu ihrem weltlichen Vorteile taugt, wird die Wahrheit darum etwa wohl weniger Wahrheit sein?! 17. Die Lüge kann sich im großen Menschenrate durch zahllose Stimmen vertreten lassen, so wird sie darum doch nie zur Wahrheit. 18. Darum sorget euch nicht, was da besser sei, ob das gepredigte oder das geschriebene Wort; denn an der Frucht läßt sich die Wahrheit gar wohl erkennen! Die Lüge baut ihre Häuser auf lockeren Sand, die Wahrheit aber auf Felsen, und da kann die Hölle keinen Feldzug dawider unternehmen; denn sowenig die Finsternis der Nacht je zum Tageslichte wird, sowenig wird auch die Lüge je zur Wahrheit. Und es können darum zehntausend falsche Evangelien geschrieben werden, so wird immer nur das das einzig wahre sein und verbleiben, das sich im Menschen, so er nach Meinen Worten leben und handeln wird, nach Meiner Verheißung lebendig offenbaren wird, – und dieses lebendige Evangelium wird auch bis ans Ende aller Zeiten der einzige Prüfstein sein und bleiben, ob ein geschriebenes Evangelium echt oder falsch ist. 19. An den Früchten also müsset ihr das erkennen; denn von den Disteln erntet man keine Feigen und von den Dornhecken keine Trauben! Aus dem aber wird man leicht erkennen, ob jemand Mein Jünger ist oder nicht. Meine Jünger und auch ihre Jünger werden sich allzeit lieben, wie auch Ich euch allzeit liebe; aber die unechten Jünger werden sich schon entweder offen oder heimlich ganz gewiß hassen. Denn darin besteht die eigentliche schwarze und arge Frucht der Lüge, daß sie sich stets haßt, weil eine Lüge von der andern niemals überflügelt sein will; die Wahrheit aber sucht nur fortwährend ihresgleichen und liebt sie stets mehr und mehr, gleichwie auch ein Licht das andere niemals verdunkelt, sondern nur heller und heller zeihet (macht) und am Ende ein hellstes und vereintes Licht bewirkt. 20. Das Licht hat sonach eine große Liebe zu noch mehr Licht; aber die Lüge haßt die Lüge, weil sie ihren Verrat fürchtet. Sehet, darin besteht ein Hauptkriterium, wie man die Wahrheit von der Lüge sogar mit verbundenen Augen gar wohl unterscheiden kann! 21. Darum wird man die falschen Evangelien auch stets ganz leicht von den echten unterscheiden können; denn die falschen werden sich gegenseitig stets verfolgen und hassen, – aber die echten werden sich lieben wie Zwillingsbrüder und werden einander suchen und auch bald und leicht finden. 22. Ich meine nun, du Mein lieber Simon Juda, daß Ich nun wohl klar genug zu euch geredet habe! Aber nun entscheide du bei dir selbst, ob du Mich auch wohl verstanden hast!“ 23. Sagte Simon Juda: „Herr, diesmal hast Du einmal wieder ausnahmsweise klar zu uns gesprochen, und ich habe Dich in allem überklar verstanden und sicher auch alle die andern. Aber ich habe aus dieser Deiner sonnenhellen Rede auch entnommen, daß man Dir auf tausend auch nicht eins entgegnen kann. Das ist aber auch völlig recht also; denn könnte man das, da wärest Du nicht der Herr und Meister von Ewigkeit! Aber es soll uns diese Deine Rede auch zu einer immerwährenden Richtschnur bleiben! Und wir danken Dir alle für diese gar so helle Belehrung!“ 24. Sagte Ich: „Haltet sie aber nur auch fest, ansonst fallet ihr, ehe ihr's euch versehen könnet!“ Kapitel 80 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 80. — Die Salbung in Bethanien 1. Hierauf wandte Ich Mich wieder zum Römer Markus und fragte ihn, ob er auch das verstanden habe. 2. Sagte Markus: „Und ob ich es verstanden habe! Aber ich habe nun noch immer mit dem Monde als gewisserart einem Straforte für zu weltsüchtige Weltmenschen zu tun. Du hast es uns versprochen, daß Du noch etwas darüber uns erklären und zeigen wirst; darum bitten wir Dich denn nun, daß Du Dein Versprechen uns gegenüber auch erfüllen mögest.“ 3. Sagte Ich: „Das werde Ich auch tun; denn was Ich verheiße, das geht auch in Erfüllung, nur muß dazu auch die rechte Zeit kommen. Sieh, es ist nun noch Tag, weil die Sonne noch nicht untergegangen ist; lassen wir daher die Nacht kommen und die Sterne der Erde leuchten, dann wird sich so etwas euch besser erklären lassen als am hellen Tage, wo euer Auge noch mehr mit irdischen Bildern durchtrübt ist! Für jetzt aber wird sich schon noch etwas anderes auffinden lassen, worüber wir noch vor dem Abend einige Worte wechseln können; am Anfange des Abends aber wollen wir die gewissen Pharisäer und Schriftgelehrten besuchen und mit ihnen einige Worte tauschen.“ 4. Mit dem begnügte sich der Römer Markus, und wir nahmen wieder etwas Wein und Brot zu uns. 5. Wir ruhten nun so bei einer halben Stunde lang, als ein Diener des Lazarus zu uns in den Saal kam und sagte, daß draußen ein gar schönes junges Weib mit ein paar Dienern angekommen sei und den sehnlichsten Wunsch habe, den Herrn zu sehen und zu sprechen. Solle sie hereingelassen werden, oder solle man ihr eine andere Wohnung anweisen. 6. Sagte Ich: „Das angekommene Weib kenne Ich; darum lasset sie hereinkommen!“ 7. Mit dem entfernte sich der Diener, und Lazarus und die Jünger fragten Mich, was es für ein Weib sei. 8. Und Ich sagte: „Ihr kennet die Maid Maria von Magdalon, die heute frühmorgens auch schon bei uns am Ölberge war. Diese hat daheim schnell ihre Haussachen geordnet und sich beeilt, hierher zu kommen; darum ärgere sich niemand von euch darob, daß sie nun hierher gekommen ist!“ 9. Als Ich diese Worte noch kaum ausgeredet hatte, da trat die Maid auch schon, wohlgekleidet und geschmückt, in den Saal, fiel Mir gleich zu Füßen, öffnete sogleich eine goldene Büchse, die mit der kostbarsten Nardussalbe gefüllt war, und salbte damit Meine Füße, denn dies war bei den vornehmsten Juden als eine der höchsten Ehrenbezeigungen von alters her gebräuchlich, so man jemandes Füße, wenn er von einem königlichen Hause abstammte, mit der Nardussalbe salbte. 10. Als aber Meine Jünger das merkten, sprachen sie untereinander: „Ist denn das Weib irrsinnig geworden? Die Salbe hätte mindestens um zweihundert Groschen verkauft werden können, welches Geld man dann unter die Armen hätte verteilen können, – und der Herr bedarf ja derlei weltlicher Ehrenbezeigungen nicht!“ 11. Ich aber sah die murrenden Jünger an und sagte: „Was kümmert und ärgert euch das denn schon wieder?! Arme werdet ihr stets unter euch haben, Mich aber nicht, wie Ich nun unter euch bin. Dies Weib aber hat nun ein gutes Werk an Mir getan, und wo dies Mein Evangelium gepredigt wird, da soll auch dieses Weibes und dieser Begebenheit wohl erwähnt werden! Ich bin doch schon lange unter euch, und ihr habt Mir zum Waschen Meiner Füße noch nie einen Krug reinen Wassers gereicht; dies Weib aber hat heute morgen schon Meine Füße mit ihren Tränen gewaschen und ist nun wiedergekommen und hat Mir die Füße gesalbt. Wie mag euch dann das ärgern? So es aber geschrieben steht, daß Ich ein Sohn Davids sei, da gebührt Mir ja auch, daß jemand Mir diese königliche Ehre erweiset!“ 12. Auf diese Meine Worte sagte niemand irgend mehr etwas dagegen, und alle belobten das Weib und ihre Tat. 13. Darauf aber erhob sich das Weib und wollte gehen. 14. Ich aber sagte: „Nun bleibe du bei Mir; denn von nun an sollst auch du eine Zeugin Meiner Taten und Erbarmungen werden und bleiben!“ 15. Da blieb das Weib voll Freuden, und Lazarus bewirtete sie freundlichst und ließ auch ihre Diener bewirten. Und wir unterhielten uns dann bis nahe gen Abend, bei welcher Gelegenheit uns diese Maid so manches von ihren Erlebnissen treuherzig erzählte. 16. Als das Weib uns aber bei einer Stunde lang ihre Erlebnisse in sittsamster Weise erzählte, da meinten einige der zu Mir bekehrten Pharisäer, daß sich so manches des von dem Weibe Erzählten für diese erhabene Gesellschaft nicht fein schicke; solches aber bemerkten sie eigentlich nur darum, weil in der ganz guten Erzählung des Weibes so manches ganz zart eingeflochten war, was auch sie sehr nahe anging. 17. Ich aber belobte des Weibes Offenheit und Treuherzigkeit und sagte dann zu den Pharisäern und Schriftgelehrten: „Meine nun ein wenig aufgeregten Freunde! Ärgert euch darum ja nicht, daß nun durch den Mund dieses Weibes so manches an das Tageslicht vor Mir kam, woran auch ihr einen bedeutenden Schuldanteil an eurem Fleische traget! Wenn euch aber schon die Worte des Weibes, das niemandes Namen nannte, in eurem Gemüte beirren, warum beirrt euch denn nicht auch Meine Allwissenheit? Ich sage es euch: Jenseits im Reiche der Geister wird man euch das laut von den Dächern herab verkünden, was ihr auf dieser Welt noch so sehr zu verbergen suchtet; darum ist es besser, ein kleines Gericht noch in dieser Welt zu bestehen und sich eine leichte Demütigung gefallen zu lassen, als jenseits vor allen Engeln der Himmel zuschanden zu werden. 18. Wer sich hier auf dieser Erde als ein besserer Mensch zeigen will, als er es der Wahrheit nach ist, in dem rastet noch ein heuchlerischer Sinn; mit diesem aber kann man ins Gottesreich noch nicht wohl gelangen. Wer aber vor Mir einst wird bestehen wollen, der muß sich auch der Welt so zeigen, wie er beschaffen ist, dann wird er auch vor Mir und Meinen Engeln kein weiteres Gericht mehr zu bestehen haben, so er sich in seinem Tun und Lassen gebessert hat. 19. Sehet an dies Weib! Sie hat wahrlich viel gesündigt; weil sie aber voll Offenheit im Herzen ist und dabei auch viele Werke der Nächstenliebe ausgeübt hat, so ist ihr nun auch vieles vergeben, und sie ist Mir nun lieber denn so mancher Gerechte, der nie gesündigt hat. Denn der Gerechten wegen bin Ich nicht in diese Welt gekommen, sondern nur der reuigen Sünder wegen, gleichwie auch ein Arzt nur zu denen geht, die seiner bedürfen, und nicht zu den Gesunden, die des Arztes nicht bedürfen.“ 20. Auf diese Meine Worte sagten die ein wenig ärgerlich gewordenen Pharisäer und Schriftgelehrten nichts mehr und stellten sich mit dieser Zurechtweisung zufrieden. 21. Darauf aber bat Mich das Weib, daß Ich mit ihr Geduld haben möchte, und sie werde auf das eifrigste bemüht sein, noch alles gutzumachen, was durch sie je irgend Sündiges verübt worden sei. 22. Ich aber sagte liebfreundlich zu ihr: „Du hast wenig mehr gutzumachen; aber andere hätten an dir gar vieles gutzumachen! Aber da sage Ich dir: Vergib allen, die an dir und gegen dich gesündigt haben, so wie auch Ich dir vergeben habe, und Ich werde dann auch denen vergeben ihre Sünden gegen dich! Nun aber iß und trink, und stärke deine Glieder!“ 23. Sagte die Maid: „O Herr! Du allein bist für mich das beste Brot und der allerkräftigste und süßeste Wein aus den Himmeln; Du allein bist die rechte und wahrste Lebensstärkung meiner Seele und meines Leibes; sei nur Du mir gleichfort gnädig und barmherzig, und verlasse mich arme Sünderin nicht!“ 24. Sagte Ich: „Meine liebe Tochter, diese Worte hat dir dein Fleisch nicht gegeben, sondern der Geist der Liebe im Herzen deiner Seele! 25. Ja, Ich bin ein wahres Brot aus den Himmeln und also auch ein wahrer Wein; wer dies Brot essen und den Wein trinken wird, den wird es ewig nicht hungern und nicht dürsten. Ich bin sonach eine rechte Speise und ein rechter Trank; wer Mich genießen wird im Geiste und in der Wahrheit, der wird den Tod nicht sehen, noch fühlen und schmecken. Aber darum iß und trink nun auch leiblich dieses irdische Brot und den irdischen Wein!“ 26. Darauf nahm die Maid erst Brot und aß und trank dazu auch etwas Wein. Kapitel 81 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 81. — Der Tod des Menschen 1. Ein Schriftgelehrter aber, der als ein zu Mir Bekehrter bei uns war, sagte: „Herr und Meister! Du hast nun zu der herrlichen Maria von Magdalon gesagt, daß Du Selbst ein wahres Brot aus den Himmeln seist und so auch ein rechter Wein, und wer dies Brot und den Wein genießen wird, der werde auch den Tod nicht sehen, fühlen und schmecken ewiglich. Ich weiß wohl, daß Du unter ,Brot‘ Dein Wort und unter dem ,Wein‘ den lebendigen Geist im selben gemeint hast, so wie unter ,Essen des Brotes‘ die Annahme Deines Wortes und unter ,Trinken des Weines‘ das Handeln nach Deiner göttlichen Lehre, die sicher aus den Himmeln ist, weil Du Selbst der alleinige allerhöchste Herr des Himmels und auch der Erde bist; aber daß der, welcher das wahre Himmelsbrot essen und den Wein aus den Himmeln trinken wird, gar nicht sterben werde, das ist etwas ganz Neues, und ich weiß nun nicht, wie ich das begreifen soll. Denn man kann das wohl auch von allen Menschen sagen, daß sie den Tod nicht sehen, nicht fühlen und auch nicht schmecken; denn solange noch ein Mensch lebt, sieht, fühlt und schmeckt er den Tod sicher auch nicht, – ist er dann aber gestorben und tot, so sieht, fühlt und schmeckt er den Tod sicher auch nicht, weil er kein Leben und somit auch keine wie immer geartete Empfindung mehr hat. Du siehst, daß diese Sache nach meinem Erkennen einen doppelten Sinn in sich enthält und demnach zu wünschen ist, daß Du als der Herr über Leben und Tod uns diese Sache ein wenig klarer darstellen möchtest. 2. Alle die Altväter und Propheten, die auch streng nach Deinem ihnen geoffenbarten Willen gelebt und gehandelt haben, sind am Ende denn doch gestorben, und wir werden auch sicher alle sterben müssen, weil Du Selbst uns auf den Abfall des Fleisches von der Seele schon bei verschiedenen Gelegenheiten nur zu deutlich und klar aufmerksam gemacht hast; und nun sagtest Du aber, daß es für den, der Deine Lehre annehmen und werktätig befolgen wird, keinen Tod geben wird. Wie sollen wir das verstehen?“ 3. Sagte Ich: „Freund, bei dir wird es noch mancher Probe benötigen, bis es in dir ganz helle wird! Meinte Ich denn etwa, daß ein Mensch, der nach Meinem Worte leben wird, auch leiblich gleichfort auf dieser Erde leben werde? Wie kann man aber als ein Schriftgelehrter so blind und sinnlos denken und urteilen! Dem Leibe nach wird wohl freilich ein jeder Mensch sterben, und sein Leib wird den Tod sicher nicht sehen, fühlen und schmecken, – aber desto mehr die Seele eines Sünders, so er nicht nach Meiner Lehre sich bessern und eine rechte und wahre Buße tun wird! Denn bei wem die Seele noch gar sehr ins Fleisch und dessen sinnliche Lust vermengt und verwachsen ist, bei dem auch wird eben die Seele den Tod sehr sehen, fühlen und schmecken, so für den Leib die Stunde des Abfallens kommen wird. 4. Sieh nur einen Verbrecher an, so er nach den Gesetzen zum Tode auf den Richtplatz hinausgeschleppt wird, wie es seiner Seele dabei zumute wird! Die Seele sieht erstens schon den natürlichen Tod und fühlt und schmeckt ihn auf eine gar qualvolle Weise, und zweitens dauert der Tod für die ohnmächtige und geistig tote Seele jenseits noch gar lange fort, und das erstens, weil sie sich in ihrer Ohnmacht und völligen Verlassenheit an denen, die ihren Leib getötet haben, nicht nach ihrem brennenden Zorne rächen kann, und zweitens, weil sie in die größte Lebensfinsternis gerät, aus der sie keinen Ausweg findet und daher in die ärgste Qual gelangt, so lange, bis sie ihr eigenes Arge zu erkennen und geduldig zu ertragen beginnt. Heißt denn das nicht den Tod sehen, fühlen und schmecken?! 5. Eine Seele aber, die nach Meiner Lehre in ihrem Geiste aus Mir schon auf dieser Erde vollends wiedergeboren wird, wird solch einen Tod sicher ewig nicht sehen, fühlen und schmecken, weil sie mit dem vollsten und hellsten Lebensbewußtsein frei von aller Qual aus dem Leibe scheiden wird, wenn Ich sie zu Mir für ewig berufen werde. Ich sage es euch: Es werden von euch viele, welche die geistige Wiedergeburt werden erreicht haben, zu Mir von dieser Erde bitten und sagen: ,Herr, wie lange wirst Du uns noch die schwere Bürde des Fleisches auf dieser Erde herumtragen lassen?‘ Und Ich werde zu ihnen in aller Liebe sagen: ,Geduldet euch noch eine kurze Zeit, und Ich werde euch eurer Bürde entledigen!‘ Und so einer und der andere von euch von den Heiden um Meines Namens willen zum Tode geführt wird, so wird er lachen und frohlocken, daß er als Blutzeuge seines Fleisches entledigt wird, und wird Seligkeit und Wonne empfinden selbst in des Fleisches Schmerzen. Wenn aber ganz sicher also und nicht anders, habe Ich da dann doppelsinnig geredet also, wie du als ein Schriftgelehrter es willst verstanden haben? Rede nun du, ob dir die Sache nun noch also vorkommt!“ 6. Sagte der Schriftgelehrte: „Ja, Herr und Meister, nun ist mir auch diese Sache klar! Ich begreife sie nun und bin auch sehr froh darob, obschon ich dabei dennoch offen gestehen muß, daß der noch so beseligende Leibestod für die, welche noch auf der Erde im Fleische zu verbleiben haben, durchaus nichts Anmutiges und Wünschenswertes, sondern nur das Gegenteil aufzuweisen hat und für die Ehre, ein Mensch und gewisserart Herr der Natur zu sein, sehr entwürdigend erscheint, weil der vernunftvolle Mensch, der sich in seinem Denken, Glauben und Wissen bis zur vollen Gotteserkenntnis emporschwingt und in seinem Herzen auch Gottes Liebe trägt, am Ende beim Sterben vor jeglichem Tiere nicht nur nichts voraus hat, sondern demselben weit nachsteht. 7. Denn das Tier weiß zum voraus sicher nicht, daß es sterben wird, und der Mensch muß sich mit diesem höchst unangenehmen Bewußtsein sein ganzes Leben lang herumtreiben, und es ist sonach auch eben nicht ganz unbegreiflich, daß sich manche Menschen bloß aus dem Grunde in alle sinnlichen Weltfreuden stürzen, weil sie der bittere Gedanke an den sicheren Tod gewisserart dazu nötigt. 8. Im besonders gesunden Menschengemüte ist ein heiterer Seligkeitssinn sicher der vorherrschendste, denn wer wird etwa nicht wollen froh, glücklich und heiter sein? Aber inmitten der den Menschen oft so beseligenden Gefühle steigen die schwarzen und das Gemüt ängstigenden Gedanken an den sichern Tod auf, und mit der Seligkeit hat es da auf Tage lang ein Ende! 9. Ja, wenn ein jeder Mensch das wüßte, was wir durch Deine Gnade nun wissen, dann würde er sich aus dem Gedanken an den Tod wohl auch eben nichts machen! Aber wie wenige gibt es derer, die das wissen. Und so sind sie nach meiner Ansicht auch zu entschuldigen, so sie sich inmitten ihres ihnen stets klar bewußten Elendes nach aller Möglichkeit hin zerstreuen, damit sie nicht als große Freunde eines glücklichen Lebens alle Augenblicke mit dem Gedanken an den Tod und an das Grab erschreckt werden. Ich sehe nun wohl ein, daß der Mensch mit dem Tragen der schweren Fleischbürde nie völlig selig werden könnte, und daß am Ende der Leibestod für ihn ein unschätzbarer Gewinn ist; aber diese Begünstigung hätte dem Menschen doch vom Schöpfer können erteilt werden, daß sein Tod nichts Bitteres und sein Gemüt oft so sehr Beängstigendes an sich hätte? Der Mensch könnte ja in einem Augenblick aufgelöst und der Bewohner einer andern Welt werden! 10. Wozu das oft lange Hinsiechen bis zum Tode, wozu die Schmerzen, und wozu das Bittere des Todes und das darauf im Grabe lange Verwesen und Vergehen des toten Leibes? 11. Kurz und gut, mit der gewöhnlichen Todesart der Menschen bin ich durchaus nicht einverstanden und kann sie nicht als etwas Billiges ansehen!“ Kapitel 82 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 82. — Die Ursachen der Schmerzen vor dem Tode 1. Sagte Ich: „Da kann Ich Selbst dir eben nicht ganz unrecht geben; denn auch Ich bin mit der gewöhnlichen Todesart der Menschen durchaus nicht einverstanden. Aber was kann da Ich dafür, so die Menschen sich selbst eine so bittere und unangenehme Todesart bereiten? Lebten die Menschen nur nach der ihnen schon vom Urbeginne hellst geoffenbarten Ordnung, so gäbe es auch nicht einen, der sich über das Bittere des Todes beklagen könnte. 2. Die Altväter starben alle eines leichten und ganz sanften Todes; denn ihre Seelen verließen, so der Engel sie rief, mit großer Freude den Leib, der von den Kindesjahren an bis ins hohe Alter keine Schmerzen zu bestehen hatte, sondern stets zumeist kräftig und gesund verblieb, und der endliche Leibestod war auch keine Folge von großen Leiden und Schmerzen, sondern er erfolgte nur auf den stets ersehnten Ruf eines Engels, nach welchem die Seele frei und ohne allen Zwang aus dem Leibe trat, der Leib aber ohne den geringsten Schmerz gewisserart einschlief. 3. Als aber dann die Menschen anfingen, stets mehr und mehr nach ihrem Sinne zu leben und sich mehr und mehr der Unzucht, Hurerei und andern schwelgerischen und die Sinne betäubenden Genüssen ergaben, so verdarben sie selbst ihre gesunde Natur, wurden schwach, elend und krank, und ihr Leibestod mußte dann selbstverständlich einen andern Charakter annehmen. 4. Wenn du ein Messer nimmst, dich irgend ins Fleisch schneidest und dabei einen Schmerz empfindest, kannst du das bei gesunder Vernunft dem Schöpfer zur Schuld legen, oder möchtest du da nicht etwa auch sagen: ,Ja, warum hat denn der Schöpfer dem Menschen nicht einen unempfindlichen Leib gegeben?‘ Ich aber sage dir: So dein Leib völlig unempfindlich wäre, wie möglich könnte er dann lebendig sein? Nur ein völlig toter Leib ist auch völlig unempfindlich! 5. Ich setze aber den Fall, daß ein Mensch, wenigstens nach außen hin, einen unempfindlichen Leib hätte, etwa so, wie da sind seine Haare. Was wäre davon bei einem leichtsinnigen Menschen die nur zu bald sichere Folge? Selbstverstümmelungen aller Art und Gattung, so daß die Menschen am Ende gar keine menschliche Gestalt mehr hätten und auch zu keiner Arbeit mehr fähig wären. 6. Damit aber die Menschen wenigstens doch noch ihre Außengestalt nicht zu sehr verstümmeln können, so ist ihnen die Empfindlichkeit als ein guter Wächter gegeben worden. Zudem aber versteht es sich schon von selbst, daß ein Mensch, der keine Empfindung für Schmerzen hätte, auch keine Empfindung für die Wonne und Seligkeit haben könnte; denn da bedingt eins das andere, und es kann eines ohne das andere nicht bestehen, ja nicht einmal gedacht werden. 7. Ich weiß aber wohl, daß die Menschen infolge ihrer großen Blindheit nun und schon seit langem namentlich beim Sterben sehr viel leiden, und das erstens, weil sie zum größten Teil gar keine sichere Kunde vom Fortleben der Seele nach des Leibes Tode haben und gar viele schon in dem Glauben der Sadduzäer stecken, und zweitens, weil die Menschen durch ihre höchst unordentliche Lebensweise ihren Leib mit allerlei unreinen Geistern angefüllt haben, aus denen mit der Zeit unvermeidbar auch allerlei böse und schmerzvolle und auch den frühen Tod zur Folge habende Krankheiten entstehen müssen. Und so bin Ich auch aus dem Grunde Selbst im Fleische auf diese Erde gekommen, daß Ich dem Menschen jene Wege zu wandeln vorzeichne, auf denen er erstens wieder wahr und lebendig inne wird, daß und wie seine Seele als sein eigentliches Ich nach dem Tode des Leibes fortlebt, und zweitens, daß er so lange, als er auf dieser Erde zu leben hat, gesund und kräftig bleibe bis in ein hohes Alter und sein Scheiden kein schmerzliches und qualvolles, sondern ein fröhliches und höchst beseligendes werde. Und so kann Ich als der Herr des Lebens euch die volle Versicherung geben, daß derjenige, der – wohl verstanden! – Mein Brot essen und Meinen Wein trinken wird, den Tod nicht sehen, fühlen und schmecken wird. Mit andern Worten gesagt: Wer nach Meiner Lehre leben wird, der wird auch in ihre allbeseligende Wirkung versetzt werden. – Ich meine nun, daß du, Mein schriftgelehrter Freund, diese Sache anders verstehen wirst, als du sie ehedem verstanden hast?“ 8. Sagte der Schriftgelehrte: „Herr und Meister, nun verstehe ich die Sache freilich wohl anders und besser, als ich sie zuvor verstanden habe, und ich bin Dir auch von ganzem Herzen dankbar für das uns allen auch in dieser Hinsicht gegebene Licht; denn ich halte das für etwas höchst Wichtiges für den Menschen, daß er es wisse und am Ende auch lebendig fühle, was es mit dem Tode des Leibes für eine Bewandtnis hat, und wodurch dieser seine alten Schrecken, Schmerzen und Qualen verlieren kann. Denn nur durch ein sicheres und lebenswahres Innewerden alles dessen kann sich der Mensch erst zur wahren Würde eines Menschen von Gott aus erhoben fühlen, und sein Tierisches sinkt in den Staub der Nichtigkeit zurück. 9. Aber es ergibt sich hier noch eine gar gewichtige Frage an Dich, da nur Du allein sie uns als lebensgültig beantworten kannst. Siehe, Herr und Meister, wir haben nun mit vollem und unser ganzes Wesen überzeugendem Glauben Deine Lehre angenommen und werden auch strenge nach ihren heiligst wahren Grundsätzen leben und handeln. Aber wir haben zuvor doch schon eine ziemliche Reihe von Jahren sicher nicht nach Deiner Ordnung unter allerlei Sünden durchgemacht. Es mögen sich bei solchen Gelegenheiten auch so manche unreinen Geister in unser Fleisch eingeschlichen und eingewurzelt haben, was ich nun aus so manchen Krankheiten, die ich schon zu bestehen hatte, nur zu klar entnehme. Werden diese leiblichen Krankheitsgeister durchs tätige Essen Deines Brotes und durchs Trinken Deines himmlischen Weines wohl noch so ganz hinausgeschafft werden können, daß sie in meinem Scheidungsmomente mich nicht mit einiger Qual drücken werden, oder werde ich der begangenen Sünden wegen am Ende doch noch auch die Herbe des Todes ein wenig fühlen und schmecken müssen?“ 10. Sagte Ich: „Wenn du also leben wirst, daß deine Seele in ihrem Geiste vollends wiedergeboren wird, so wird eben der Geist dann mit allen in deinem Fleische noch steckenden unreinen Geistern auch bald und leicht vollends fertig werden, und du wirst eines ganz seligen Todes sterben auch dem Leibe nach; aber so da jemand im allgemeinen zwar wohl nach Meiner Lehre ganz ernstlich leben und handeln, aber so geheim bei sich doch auch noch in seine alten Gewohnheiten verfallen wird, ja, da wird er diesseits auch nicht die völlige Wiedergeburt der Seele im Geiste erlangen können und wird sich's am Ende in aller Demut und Geduld schon müssen gefallen lassen, so er beim Scheiden mit noch manchen Leiden zu kämpfen haben wird. Denn da werden die Leiden das Feuer sein, durch das des Menschen Lebensgold von gar manchen Schlacken gereinigt wird; denn etwas geistig Unreines kann in den Himmel nicht eingehen, was soviel gesagt haben will als: Der reine Geist aus Gott kann sich nicht eher völlig einen mit der Seele, als bis diese alles der Materie und ihrem Gerichte Angehörige völlig aus sich für immer verbannt hat. – Wer demnach eines seligen Leibestodes von dieser Welt scheiden will, der muß auch das wohl berücksichtigen! 11. Auch sollet ihr im Essen und Trinken mäßig sein und nach keinen verkünstelten Leckereien gieren, so werdet ihr des Leibes Gesundheit lange erhalten, und der Tod in einem hohen Alter wird gleich sein dem süßen Einschlafen eines müde gewordenen Arbeiters im wahren Weinberge Gottes. Die Seele wird dabei selig und hellsehend der morsch gewordenen Leibeshülle entschweben und alsogleich von vielen Freunden in die unbeschreibbaren Freuden der Himmel eingeführt werden und wird endlos froh und heiter sein, daß sie einmal von dieser Welt und ihrem Jammer erlöst worden ist. 12. Wer sonach vollkommen nach Meiner Lehre leben und handeln wird, der wird auch vollkommen mit ihren seligen Wirkungen gesegnet werden; wer aber unvollkommen leben und handeln wird, der wird auch danach den Segen ernten. – Hast du, Mein Freund, das nun verstanden?“ Kapitel 83 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 83. — Der Zweck des langsamen Verwesens der Leichname 1. Sagte der Schriftgelehrte: „Herr und Meister, nun erst bin ich vollkommen im klaren, was da die Sache des Sterbens betrifft; doch ein paar Nebensachen, die zwar nicht wesentlich zum Akte des Sterbens gehören, möchte ich von Dir wohl noch erklärt haben, weil man bei der Ausbreitung Deiner Lehre, und zwar namentlich unter den Heiden, denn doch wohl darum befragt werden könnte, wo man dann, so man von Dir darüber nicht belehrt wäre, mit der Antwort offenbar steckenbleiben müßte. 2. Die zwei Punkte aber bestehen darin: Erstens: Warum muß der Leib des Menschen nur langsam verwesen und zunichte werden? Es läge ja in Deiner Macht, ihn in einem Momente aufzulösen und in etwas anderes zu verwandeln; denn dies langsame Verwesen und Vergehen eines toten Leibes macht auf jeden Menschen einen unangenehmen Eindruck, und die Verwesung vieler Leichname verpestet die Luft und wirkt schädlich auf die Gesundheit der lebenden Menschen. Würde aber ein Leichnam, sobald er vollends tot ist, etwa also vergehen wie allenfalls eine Schneeflocke an der Sonne, so wäre es erstens eine für den Menschen würdigere Erscheinung, und zweitens hätten die Menschen von der pestilenzialischen Ausdünstung während der langweiligen (lange dauernde) Verwesung des Leichnams nichts zu befürchten und würden auch die oft doch bedeutenden Unkosten des Begrabens und die traurige Mühe sich ersparen. – Das wäre sonach der erste Punkt, über den ich von Dir eine nähere Aufklärung haben möchte. 3. Der zweite aber besteht darin und lautet: Wird die Seele, so sie des Leibes entledigt sein wird, auch auf diese Erde, wenn sie das möchte, zurückschauen können, ihre Veränderungen und auch das Tun und Treiben der Menschen bemerken? – Das wäre der zweite Punkt, über den ich auch noch von Dir, o Herr und Meister, ein paar Wörtlein vernehmen möchte!“ 4. Sagte Ich: „Mein Freund, was da betrifft den ersten Punkt, so ist es schon einmal so in Meiner Ordnung begründet, daß der Leichnam aus gar verschiedenen und sicher sehr weisen Gründen nur langsam verwest und sich verwandelt. Wenn ein Mensch aber nach Meiner Ordnung gelebt hat, so wird sein toter Leib ohnehin schneller verwandelt und wird während dem Akte der Verwesung keine pestilenzialische Ausdünstung verbreiten. Nur wo in eines Menschen Leibe sich durch seine Sünden viele unreine Geister angesammelt haben, die sich dann während des Aktes der Verwesung lösen, da entwickelt sich der pestilenzialische Ekelgeruch und kann auf die Gesundheit der anderen Menschen einen bösen Einfluß nehmen, wenn der Leichnam zu lange unbegraben irgend im Freien sich befindet; doch ein paar Tage geben da auch noch keinen fühlbaren Ausschlag. 5. Würde Ich aber einen Leichnam, der voll unreiner Geister ist, plötzlich auflösen lassen, so würden die dadurch in großer Masse freigewordenen unreinen Geister sich wohl auch gleich auf die Leiber der nächsten Menschen in Blitzesschnelle stürzen und sie sehr verderben und manche sogar töten. 6. Beim langsamen Verwesen aber werden die unreinen Geister einmal zu einer Unzahl kleiner und auch größerer Würmer; diese verzehren den Leichnam und endlich auch sich untereinander, verwesen dann selbst, steigen in schon lauteren Feuchtigkeiten auf die Oberfläche der Erde, wo sie wieder in allerlei Kräuter übergehen, und von diesen dann in ein reineres Gewürm und Insektentum. Und siehe, also will es Meine Weisheit und Meine Ordnung, und Ich habe dir nun eben so viel gesagt, was darüber dem Menschen zu wissen notwendig ist; ein Weiteres aber wird dir schon der Geist verkünden, wenn du es zu wissen benötigen wirst. 7. Was aber deinen zweiten Fragepunkt betrifft, so versteht es sich von selbst, daß vollendete Seelen, wie Ich euch das schon auf dem Ölberge gezeigt habe, nicht nur diese Erde, sondern auch die ganze Schöpfung, wenn sie es wünschen, werden sehen und nach allen Richtungen durch und durch beobachten können, und es werden ihnen auch die auf den Weltkörpern lebenden Menschen und auch die andern Geschöpfe zur Leitung und Führung anvertraut werden, und da ist es wohl von selbst verständlich, daß vollendete Seelen auch die materiellen Schöpfungen sehen müssen und werden. 8. Aber unvollendete und böse und finstere Seelen werden das nicht vermögen; denn es wäre das auch nicht gut, weil sie in ihrer großen Schadenfreude und Rachgier der Erde und allen Geschöpfen sicher großen Schaden zufügen würden. Sie halten sich zwar in den Niederungen dieser Erde auf, auch in manchen Höhlen und Löchern der Erde; aber sie sehen dennoch den von ihnen besessenen Ort nicht, sondern nur das haltlose und lockere Gebilde ihrer Phantasie. Nur zuweilen wird es einem oder dem andern gestattet, des materiellen Ortes, den ein solcher Abgeschiedener bewohnt, innezuwerden. In solch einem Zustande weiß er dann auch, was irgend ein ihm verwandter oder auch ein anderer Mensch auf der Erde tut, wie es ihm geht, und noch so manches andere, – aber alles nur einige Augenblicke lang; dann kehrt er gleich wieder in seinen nichtigen Phantasieort zurück, wo er seinesgleichen findet. Denn es ist das auch bei den unvollendeten und argen Seelen der Fall, daß die Gleichgesinnten sich in Vereine zusammenbünden, aber freilich in keine guten; denn in gute Vereine bünden sich nur die seligen Geister. Alles andere habe Ich euch auch schon auf dem Ölberge erklärt und euch gezeigt, und somit wäre das einmal abgetan. – Habt ihr das wohl verstanden?“ 9. Sagten alle samt dem Schriftgelehrten: „Ja, Herr und Meister; sei Du uns Sündern nur stets gnädig und barmherzig, auf daß wir dereinst nicht in die Vereine arger Seelen gelangen mögen, und habe Geduld mit noch manchen unseren Schwächen! Dir allein sei alles Lob und alle Ehre ewig!“ Kapitel 84 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 84. — Das Verbrennen und Einbalsamieren der Leichen 1. Als alle vor Mir solches ausgesprochen hatten, da trat noch Agrikola zu Mir und sagte: „Herr und Meister, bei uns Römern werden die Leichname, besonders vornehmer Menschen, verbrannt und die Asche dann in gewissen Urnen und Krügen an dazu bestimmten Orten und Stellen aufbewahrt, oder die Leichname gar hochstehender Herren werden einbalsamiert und dann in den Katakomben aufbewahrt; nur das ganz arme Volk und die Sklaven werden begraben auf den dazu bestimmten wohleingefriedeten Stellen. Ist das also zu belassen oder zu ändern? Was sagst Du zum Verbrennen und Einbalsamieren der Leichname?“ 2. Sagte Ich: „So ihr es nicht ändern könnet, da belasset es beim alten Brauch! Aber das Verbrennen ist besser noch als das Einbalsamieren, durch das der Akt der Verwesung sehr verzögert wird; aber ein rechtes Beerdigen des Leichnams ist das Beste. Nur soll dabei darauf gesehen werden, daß ein Leichnam erst dann beerdigt wird, wenn er vollkommen tot ist, was ein Arzt aus der Gesichtsfarbe und dem üblen Verwesungsgeruch wohl muß beurteilen können; denn bei den Scheintoten stellen sich die eigentlichen Todeszeichen nicht ein. Darum sollen sie auch nicht eher beerdigt werden, als bis sie erkennbar völlig tot sind. 3. Ein vollkommener Mensch wird wohl freilich nie in den Scheintod kommen; aber der materielle und genußsüchtige Mensch leicht, weil seine Seele oft mit zu großer Liebe an ihrem Fleische hängt. Wenn so ein Mensch auch kalt, steif, atem- und pulslos wird und kein Lebenszeichen von sich gibt, so ist aber die Seele doch noch im Leibe und bemüht sich ängstlich, ihn wieder zu beleben, was ihr nach einigen Tagen auch zumeist gelingt. Wird aber ein solcher Mensch zu bald in die Erde vergraben und wird dann im Grabe wieder auch dem Leibe nach lebendig, so könnet ihr es euch wohl vorstellen, daß das für ihn, wenn auch nur auf einige Augenblicke, einen sicher höchst verzweiflungsvollen Zustand abgeben muß. So ihr aber lebet nach Meiner Lehre, in der vor allem unter euch die Nächstenliebe zu pflegen ist, da gehört auch das sehr zu einem Akte der wahren Nächstenliebe, daß ihr darauf wohl sehet, daß kein Scheintoter begraben oder verbrannt wird. So ihr es aber merket, daß da jemand im Scheintode liegt, da bringet ihn in ein Gemach mit guter und frischer Luft, betet über ihm, und leget ihm die Hände auf, und es wird mit ihm besser werden! 4. Sollte manches Menschen Scheintod hartnäckiger sein, so habt Geduld, und haltet ihn nicht eher für tot, als bis sich die wahren Todeszeichen an ihm wohlerkenntlich zu zeigen anfangen! Denn was ihr zuverlässig wünschet, daß es euch die Menschen tun möchten, so ihr in einen solchen Zustand, der immer ein trauriger ist, gerietet, das tut ihr auch ihnen! Das merket euch, ihr Römer, ganz besonders! Denn mit dem Beerdigen der verstorbenen Armen und Sklaven macht man bei euch eben keine besonderen Umstände, – und Ich habe euch nun darauf aufmerksam gemacht.“ 5. Als die Römer dieses von Mir vernahmen, dankten sie mir, daß Ich sie darauf aufmerksam gemacht habe, und versprachen Mir, darauf alle denkbare Sorgfalt zu verwenden. Kapitel 85 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 85. — Der Herr und die neubekehrten Pharisäer 1. Als nun auch über diesen Gegenstand, den der Schriftgelehrte hervorgehoben hatte, alles Nötige erörtert worden war und der Abend schon sehr nahe war, da entsandten die schon vor einigen Stunden nach Bethanien gekommenen Pharisäer einen Diener an den Lazarus, daß er zu einer guten Besprechung zu ihnen kommen möchte; denn sie möchten nun von ihm erfahren, ob sie vergeblich nach Bethanien gekommen seien. 2. Hierauf fragte Mich Lazarus, was er nun tun solle. 3. Sagte Ich: „Die Anwesenden haben nun viel für und wider Mich verhandelt, haben sich nun aber dahin geeint, daß sie Mir nicht mehr feindlich entgegentreten wollen, und so gehen nun Ich und du und unsere römischen Freunde zu ihnen. Alle andern aber verbleiben hier, bis wir wiederkommen. Mein Raphael aber wird euch schon das angeben, was wir bei den Pharisäern verhandeln werden. Und so begeben wir uns zu den auf uns Harrenden!“ 4. Ich ging voran, und Lazarus und die Römer folgten Mir. 5. Im Vorhofe begegnete uns Judas Ischariot und fragte, wohin Ich ginge. 6. Und Ich sagte: „Dahin du nicht gehest! Das Weitere kannst du im Hause vernehmen!“ 7. Da sagte er nichts Weiteres darauf, zog sich ins Haus, und wir gingen zu den Pharisäern. Lazarus machte hier den Vortritt, der den Templern schon bekannte Raphael begleitete ihn. Ich und die Römer aber harrten noch ein wenig im Vorhofe. 8. Als unser Lazarus mit dem Raphael in das sehr geräumige Gemach der Templer eintrat, begrüßten sie ihn mit der ihnen eigenen Höflichkeitssitte, die unser Lazarus auch ganz wohl zu erwidern verstand, womit die Templer auch ganz zufrieden waren. Nach dieser gegenseitigen Begrüßung ging es sogleich auf die Hauptsache über, die natürlich in nichts anderem bestand als nur in dem, was da selbstverständlich Mich betreffen mochte. 9. Ein sehr auf seine Weisheit eingebildeter Schriftgelehrter, den wir schon vom Ölberge aus kennen, sagte zu Lazarus: „Freund, du weißt es sicher noch, was wir gestern abend besprochen und auch so gut wie völlig abgemacht haben! Wir sind darum heute so früh, als es uns nur immer möglich war, zu dir heraus gewandert. Aber wir sind hier, Freund, wahrlich nicht in einer solchen Art empfangen worden, an der wir eine gerechte Freude hätten haben können. Denn von deinen Hunden wären wir beinahe ganz böse zugerichtet worden, so uns nicht deine Diener zu Hilfe gekommen wären! Das war schon einmal der Empfang nicht, wie man uns Templer zu empfangen pflegt! 10. Allein, auch aus dem würden wir uns wenig oder am Ende auch gar nichts gemacht haben; aber du selbst verhießest uns, daß wir heute mit dem Messias persönlich zusammenkommen würden. Nun sind wir schon einige Stunden hier, und wir haben nicht nur nichts von der allfälligen Anwesenheit des Messias zu Gesichte bekommen, sondern du hast uns sogar nicht mit deiner sonst allbekannten Gastfreundlichkeit empfangen, wie oft zu andern Malen, und wir durften sogar nicht in dein Haupthaus einkehren, sondern wurden in diese deine Fremdenherberge gewiesen, – und das war, siehe, sicher nicht ganz recht von dir, und das um so weniger, weil du unseres Wissens zu Hause warst und auch keine dringenden Geschäfte hattest! Aber lassen wir das alles nun beiseite, weil du mit dem wunderbaren Jungen nur jetzt gekommen bist und wir mit euch beiden über die Hauptsache reden können! 11. Sage uns denn nun, ob der Nazaräer, der der verheißene Messias sei, was wir selbst unter uns als eine ziemlich ausgemachte Sache betrachten, irgend schon hier in Bethanien sich befindet, oder ist Er – dir bekannt – irgendwo andernorts? Denn nun läge es uns um unser selbst willen sehr daran, mit Ihm eine nähere Bekanntschaft zu machen. Wir hatten heute vormittag eine große und schwere Probe Seinetwegen im Hohen Rate zu bestehen. Doch wir haben uns am Ende dennoch ganz erträglich durchgefochten, obschon wir selbst – abgesehen von all dem, was wir gestern bei dir erfahren und gehört haben – in unserer Annahme etwas schwankend geworden sind; aber nun haben wir alle die uns bekannten Umstände näher erwogen und sind aus unserem Schwanken herausgekommen. Darum möchten wir nun eben mit Ihm Selbst sprechen. Verschaffe uns dazu die Gelegenheit, und wir sind und bleiben wieder die alten guten Freunde!“ 12. Sagte Lazarus: „Wäret ihr bei eurer Hierherkunft so einig gewesen, wie ihr es nun so ziemlich seid, so hättet ihr auch alsbald die Gelegenheit haben können, mit dem wahrhaftigsten Messias zu reden; aber ihr waret sehr uneinig, und es waren einige unter euch vorherrschend der Ansicht, daß das die beste Probe wäre – um zu erforschen, ob Er der Messias sei oder nicht –, daß man Seiner mit Gewalt habhaft würde und Ihn den Gerichten zum Tode überantwortete. Sei Er der Messias, so werde Ihn wohl niemand zu töten imstande sein; sei Er aber nur so ein außerordentlicher Mensch, wie es deren schon so manche auf der Welt gegeben habe, so werde Er im Tode erliegen, und es werde dann niemandem mehr in den Sinn kommen, Ihn je für den Messias zu halten. Sehet, diese eure vorherrschende Annahme war denn auch der Grund, warum ihr erstens nicht in mein Haupthaus habt eingelassen und zweitens darin auch nicht dem Messias habt vorgestellt werden können! 13. Da ihr aber nun einverständlich von dieser argen Annahme abgegangen seid und einen andern Beschluß gefaßt habt, so könnet ihr nun auch das Glück haben, den Messias zu sehen und auch zu sprechen. Kommet Ihm aber ja nicht mit forschenden Herzen und Blicken entgegen, sondern mit Glauben und mit der Liebe, so wird auch Er euch mit Seiner Liebe entgegenkommen, – sonst aber mit Seiner alles durchdringenden Weisheit, und da werdet ihr auf tausend nicht eins zu erwidern imstande sein! Denn so Er es wohl wußte, mit welchen Gesinnungen ihr hierher gekommen seid, wie ich sie euch nun offen kundtat, da weiß Er auch um jeden Gedanken, der irgend etwa noch so still und geheim in eurem Gemüte aufsteigt. Dies sei somit ein freundlicher Rat an euch, den ihr befolgen möget zu eurem zeitlichen und ewigen Wohle!“ 14. Sagte der Schriftgelehrte: „Du hast nun wohl geredet und hast uns abermals Erstaunliches gesagt, und wir werden uns nach deinem Rate verhalten; aber nun bringe uns vor den Weisesten aller Weisen!“ 15. Hier öffnete Raphael die Tür und sagte: „O Herr, komme herein zu denen, die nun nach Dir dürsten!“ 16. Und Ich trat mit den zehn Römern in das große Zimmer und sagte zu den Pharisäern und Schriftgelehrten: „Der Friede sei mit allen, die eines guten Willens sind, und somit nun auch mit euch, da ihr in eurem Gemüte auch eines besseren Willens geworden seid! Warum suchet ihr Mich, und was wollet ihr von Mir?“ 17. Sagte der Schriftgelehrte: „Herr und Meister, warum wir Dich nun suchen, weißt Du sicher ebensogut, wie Du es zuvor wußtest, mit welchen Gesinnungen wir hierher nach Bethanien gekommen sind! Wir zweifeln nun auch für uns und in uns gar nicht mehr, daß Du der verheißene Messias bist, aber wir möchten nun aus Deinem Munde vernehmen, was wir tun sollen, um in unserer sicher höchst fatalen Stellung Deiner Gnade und Erbarmung doch nur einigermaßen würdig zu erscheinen.“ 18. Sagte Ich: „Sitzet doch ein Nikodemus und auch ein Joseph von Arimathia auch oft in eurem Rate! Was diese tun, das könnet ja auch ihr tun, so ihr es wollet! Ich aber habe schon zu öfteren Malen im Tempel offen gelehrt und habe euch durch Worte und Zeichen klar gezeigt, wer Ich bin. So ihr das im Herzen glaubet und auch danach handelt, so werdet ihr leben und selig werden; glaubet ihr aber nicht und tut auch nicht danach, so werdet ihr euer Leben und eure Seligkeit verwirken. 19. Der Tempel aber, wie er nun ist und besteht, ist schon lange kein Gotteshaus mehr, sondern er ist zu einer Räuberhöhle und Mördergrube geworden. Ihr Pharisäer, Hohenpriester und Schriftgelehrten habt ihn dazu umgestaltet; darum aber kann auch für keinen Menschen aus dem Tempel mehr ein Heil zum ewigen Leben seiner Seele erwachsen. Nun bin Ich die lebendige Arche des Bundes, bin auch der Tempel und das Heil und die Wahrheit und das ewige Leben! Wer an Mich glaubt und nach Meiner Lehre lebt, der wird auch das ewige Leben in sich haben und selig werden in Meinem Reiche. 20. Mein Reich aber wird nicht sein ein Reich von dieser Welt, sondern ein Reich einer andern Welt, die ihr noch nie erkannt habt; denn hättet ihr je jene Welt erkannt, so hättet ihr auch Mich erkannt, als Ich zu euch in den Tempel kam, und hättet ihr Mich erkannt, so hättet ihr auch Den erkannt, der Mich gesandt hat, von dem ihr saget, daß Er euer Gott sei. Aber der Vater, der Mich gesandt hat, hat Mich nicht also gesandt, wie man in der Welt einen Menschen aussendet, sondern also, daß hier der Sender und der Gesandte Eines sind! 21. Wer da glaubt, daß der Vater in Mir ist und Ich im Vater bin, der kann sagen, daß er den Vater und den Sohn gesehen und gesprochen hat; vom Erkennen aber kann erst dann die Rede sein, so Ich Mich jüngst vollends wieder in Meinem Reiche befinden werde und Ich über die, so an Mich glauben und Meine Worte behalten und nach ihnen leben und handeln, Meinen Geist ausgießen werde.“ 22. Sagte nun der Schriftgelehrte: „Herr und Meister, Deine Worte sind entschieden und bestimmt ausgesprochen! Von einem Menschen also ausgesprochen, würden sie als eine höchste Gotteslästerung angesehen werden, auf die Moses die Todesstrafe gesetzt hat; es ist daher aber unter den Juden auch noch nie erhört worden, daß sich je jemand selbst die höchste Würde und Ehre Gottes anmaßte und beilegte außer der Heidenkönig Nebuchkadnezar, der aber darum auch von Gott gezüchtigt worden ist. 23. Du aber hast keine Furcht vor dem Gesetz und noch weniger vor den Menschen, und Deine Taten, von denen wir vieles schon vernommen und manches selbst erfahren haben, bezeugen, daß Deinem Willen alle Mächte und Kräfte dieser Welt und auch der Himmel untertan sind; so müssen wir bei uns und für uns wohl glauben, daß Du eben Der bist, als den Du Dich nach allem, was die Propheten von dem kommenden Messias aussagten, uns schon im Tempel und nun hier wieder dargestellt hast. 24. Wir glauben nun an Dich, und so glauben wir auch, daß Du uns auch nun, wie in der Zeit der Babylonischen Gefangenschaft, ehest aus der noch härteren Gefangenschaft der Römer befreien und uns wieder zu einem freien, selbständigen und für immer mächtigen Volke machen wirst. Tust Du das, so werden alle Juden an Dich glauben, sonst aber sicher nur wenige!“ 25. Sagte Ich: „Selig werden nur diejenigen werden, die sich an Mir nicht ärgern werden und glauben, daß Ich der verheißene Messias bin! Ich aber bin nicht gekommen, um den Juden abermals ein irdisches und vergängliches Reich zu gründen, sondern ein geistiges in der Liebe zu Gott und zum Nächsten und somit ein Reich des Lichtes und aller Wahrheit aus Gott, ohne Lüge und ohne Trug. 26. Wer aber da meint, daß Ich nun ein irdisches Reich gründen werde, der irrt sich groß. Die Römer sind nun eure irdischen Herren und werden als solche auch in der Zukunft so lange bleiben, wie es Gott gefallen wird. Wenn ihr euch aber wider sie auflehnen werdet, dann werden sie euch auch zerbrechen und zermalmen. 27. Wer sich aber in Meinem Reiche, das nun auch den Römern gegeben wird, befinden wird, der wird sich vor keiner Macht der Welt zu fürchten haben, gleichwie auch Ich Mich vor keiner Weltmacht fürchte. Hier aber an Meiner Seite stehen bereits zehn der irdisch höchst beamteten Römer aus Rom; diese mögen euch auch Zeugenschaft über Mich geben, ob Ich je nach einer Weltherrschaft getrachtet habe, und sie sollen euch auch sagen, was sie als Heiden von Mir halten!“ 28. Als die Pharisäer solche Worte von Mir vernommen hatten, da wurden sie der anwesenden hohen Römer wegen sehr verlegen und wußten nicht, was sie nun tun sollten. Kapitel 86 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 86. — Das Zeugnis des Markus über den Herrn 1. Der Römer Markus aber trat zu ihnen hin und sagte in der griechischen Zunge, deren auch die Pharisäer mächtiger waren als der römischen: „Meine Freunde, werdet deshalb ja nicht verlegen, weil ihr euch vor uns nun so hübsch offen geäußert habt, daß ihr unsere Herrschaft gerne loswerden möchtet und den auch nahe unbedingt für den rechten Messias halten würdet, der euch wieder zu einem freien, großen und mächtigen Volk auf dieser Erde machen würde! Denn sehet, an derlei Äußerungen von eurer Seite sind wir ja schon seit lange her gewöhnt, und wir lassen uns ihretwegen auch kein graues Haar wachsen. Wir bleiben da noch immer bei unserem alten Sprichwort: LEO NON CAPIT MUSCAS [Ein Löwe fängt keine Fliegen.], weil wir uns dazu wahrlich noch stark und mächtig genug fühlen. 2. Ihr aber habt nun für euch vor dem Herrn und Meister bekannt, daß ihr an Ihn für euch und bei euch glauben wollet und werdet, auch wenn dieser wahrste Messias nicht nur der Juden, sondern auch aller andern Menschen der Erde die irdischen Verhältnisse nicht ändern werde; und das war so ziemlich wohl von euch gesprochen, und wir vergeben euch darum auch eure eben nicht sehr schmeichelhafte Äußerung. Aber nur nimmt es uns wahrlich im hohen Grade wunder, daß ihr als in euren Schriften wohlbewanderte Leute erst jetzt das so ein wenig zu begreifen anfanget, was wir Römer teilweise schon lange als eine unumstößliche Wahrheit eingesehen und gar wohl erkannt haben. 3. Sehet, dieser Jesus aus Nazareth, aber geboren zu Bethlehem nach eurer Rechnung im 4151. Jahre nach der Entstehung Adams, und zwar im Monat Januar am siebenten Tage in der Mitternacht, ist der äußeren Geburt nach sicher so gut ein Jude, wie ihr es seid! 4. Wir haben aber schon seit lange her Kunde von allem, was sich bei Seiner Geburt und auch später dann und wann mit Ihm Wunderbares zugetragen hat, und wir ließen es an guten Kundschaftern auch nie so ganz mangeln und verloren Seine höchst denkwürdige Persönlichkeit auch niemals, euch gleich, leichtfertig so ganz aus den Augen; denn wir erhielten von Ihm Kunde durch Cyrenius und Kornelius, und da wir schon alle Männer von 50-65 Jahren Alters sind, so wird es euch auch wohl begreiflich sein, daß wir auch sicher schon so manches dürften erfahren haben. 5. Wir Heiden, die wir von euch blind gescholten werden, haben aber schon lange auch bei und für uns gedacht – und das um so mehr, als wir uns auch mit euren Gesetzen und Propheten vertraut gemacht haben –, daß hinter dem wunderbaren Nazaräer etwas höchst Außerordentliches verborgen sein müsse, und ob Er nicht etwa gar der nach den Propheten allen Menschen verheißene Messias sei. Nun aber sind wir darüber, wenn vorderhand auch nur bei und für uns, über alle Zweifel, daß Er auch vollends wahr das ist, als was wir Ihn schon lange zu sein vermuteten. 6. So aber nun wir blinden Heiden das einsehen, daß Er der große Weltmessias ist, und Ihn auch als einen Herrn über uns und über alle Herrscher der Erde preisen, obschon Er äußerlich, wie schon bemerkt, nur ein Jude ist, der als solcher bei uns wahrlich in keinem besonderen Ansehen steht, – was hinderte dann euch, diesen euren so großen und endlos erhabenen Landsmann sogleich als Den anzuerkennen, der Er ohne allen Zweifel ist?! Ist das nicht eine Ehre auch für euch, daß wir irdisch mächtigen Römer Ihn, der der äußeren Geburt nach ein Jude ist, als einen Herrn und Meister über alle Herren der Welt anerkennen und preisen, wodurch wir denn auch treu, offen und wahr an den Tag legen, daß Er uns Römer im Geiste aller Wahrheit völlig besiegt hat, welchen Bekenntnisses wir uns auch nie schämen werden, da es uns nur zum größten Ruhme gehört, daß Er auch uns unter Sein allmächtiges und väterliches Zepter als Kinder aufgenommen hat! Und ihr Juden haltet in eurem Hochmut und in eurer großen Blindheit nur Rat über Rat, wie ihr Ihn, den allmächtigen Herrn aller Herrlichkeit, ergreifen und gar töten könntet! Saget es uns Heiden nun, wie das bei euch nur denkbar sein kann!“ 7. Auf diese energische Anrede des Römers Markus stutzten die Pharisäer noch mehr und wußten nicht, was sie ihm erwidern könnten. 8. Der Römer aber forderte sie dennoch auf, daß sie reden sollten, was sie nur könnten und wollten, und es würde ihnen nichts zu einem Übel angerechnet werden; denn freie und ehrliche Menschen dürften sich auch vor Gott allzeit frei und ehrlich ohne Vorhalt aussprechen. Kapitel 87 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 87. — Die Gründe der Templer für ihr Verhalten dem Herrn gegenüber 1. Hier besann sich ein Ältester und sagte: „Ihr hohen Römer und unsere Gebieter, ihr habt ganz recht, daß ihr uns einen schon lange verdienten Vorwurf machet; denn wir Juden befinden uns schon seit gar langem an der reinsten Quelle und wollen nicht daraus trinken! Aber wer schuldet daran? Seht, so jemand einen Schatz hat, da achtet er ihn nicht so hoch wie derjenige, der ihn nicht hat und ihn sich erst mühevoll irgend erwerben muß, so er ihn besitzen will! Hören wir von fremden Propheten und Weisen, so gieren wir nach ihrer Weisheit; aber die heimischen Propheten und Weisen achten wir nicht, weil wir sie von ihrer Geburt an kennen und dann bei ihrem Auftreten sagen: ,Woher kommt diesem die Weisheit und die wunderliche Tatkraft?‘ Kurz und gut, der Mensch und besonders wir schon alt gewordenen Juden sind träge und gleichgültig geworden gegen alles, was unter uns, wenn auch noch so außerordentlich, als neu auftritt; denn unser gewohntes und gemächliches Leben scheut alle weitere Arbeit und Mühe, und wir feinden aus diesem alleinigen Grunde daher alles an, was uns in unserer Ruhe und altgewohnten Behaglichkeit zu stören anfängt. 2. Wir sehen unser Unrecht bei uns und für uns sogar recht gut und klar ein, können uns aber dennoch des gewissen Ingrimms gegen den, der uns stört, nicht entschlagen. Wer schuldet wohl daran? Siehe, unsere alte und schon lange nicht mehr gestörte Gewohnheit! Je greller nun eine solche unsere behagliche Ruhe störende Erscheinung auftritt, desto unangenehmer wirkt sie auch auf uns und reizt uns zum Widerstand. 3. Ihr Römer seid Herren eines großen und mächtigen Reiches und lasset euch auch ganz behaglich gut geschehen, so im ganzen Reiche der Friede herrscht; so ihr aber von irgendeinem Teile des Reiches die Kunde erhaltet, daß dort das Volk sich wider euch erhoben hat, so fraget ihr auch nicht, ob etwa jenes Volk wegen zu großer Bedrückungen sich wider euch mit vollstem Menschenrechte erhoben hat, sondern ihr entsendet bald ein mächtiges Heer und züchtiget das aufgestandene Volk ohne alle Gnade und Rücksicht darauf, ob das Volk mit Recht oder Unrecht aufgestanden ist. Warum denn also? Weil euch das aufgestandene Volk aus eurer Ruhe und Behaglichkeit nur ein wenig aufgerüttelt hat. Ihr kennet das Volk und fraget dann auch in eurem Rate: ,Aber wie hat es dem Völklein nur beifallen können, sich wider uns zu erheben?‘, und saget dann: ,Na warte, du Völklein, du sollst deinen Mut und Aberwitz teuer büßen!‘ Warum saget ihr da nicht unter allerlei weisem Bedenken: ,Das kleine Volk hat sich zwar wider uns erhoben; aber wir wollen Friedensboten und auch Friedensrichter dahin entsenden, und diese sollen den Grund erforschen und auch in gute Erfahrung bringen, ob das Volk ein wohl erweisbares und gutes Recht dazu hatte!‘ Nein, das tut ihr nicht, und so ihr auch erführet, daß sich sogar ein Gott an die Spitze des bedrängten und darum aufgestandenen Volkes gestellt hätte, sondern ihr entsendet gleich ein Heer und fallet schonungs- und rücksichtslos über das Volk her; und solltet ihr vom Volke etwa gar einige Male geschlagen werden, dann wird der Beelzebub bei euch erst ganz und gar los sein, auch dann, so ihr gar wohl einsehen würdet, daß das Volk ein vollstes Recht hatte, sich wider euch zu erheben. Kurz, das Volk hat einmal eure Ruhe und Behaglichkeit gestört, und dafür bietet ihr dann auch alles auf, um es zu züchtigen, auch dann, so, wie gesagt, selbst ein Gott aus Seiner Güte, Weisheit und Erbarmung das Volk wider euch zum siegenden Aufstand ermuntert hätte! 4. Seht, so fragt bei gewissen Gelegenheiten der Mensch nicht nach Wahrheit und Recht, sondern handelt in seinem blinden Zorn und Grimm wider den, der ihn in seinem vermeintlichen Recht gestört hat, ob er es bei sich auch wohl einsieht, daß er schon von lange her in allem unrecht und seiner Ruhe und Behaglichkeit zuliebe auch stets nur die Lüge und den Betrug zu seinem Schutzschilde hatte! 5. Das ist nun auch bei den allermeisten Templern der Fall. Sie sehen bei und für sich wohl ein, daß sie schon seit langem wider das Gesetz Mosis und wider das Volk im Unrecht sind, und daß der große Meister aus Nazareth vollkommen recht hat; aber Er stört sie in ihrer irdischen Ruhe und Behaglichkeit, und sie hassen Ihn darum und möchten Ihn aus demselben Grunde vernichten, wie da jemand, der in einem süßen Schlummer sich befindet, eine lästige Fliege, die ihn in seiner behaglichen Ruhe stört, zu fangen und zu vernichten trachtet. 6. Du, hoher Römer, magst da freilich fragen und sagen: ,Ja, haben denn die Templer gar keinen Glauben mehr an einen Gott und an Sein Wort aus dem Munde der Propheten?‘ Da kann ich dir aus meiner höchsteigenen, vieljährigen Erfahrung sagen, daß es wohl vielleicht im ganzen Judenlande keinen Laien unter den Juden gibt, der da weniger Glauben hätte als ein Templer, besonders so er schon alt geworden ist. Die Jungen haben manchmal wohl noch so einen Schimmer von einer Art Autoritätsglauben; aber wenn sie so nach und nach innewerden, daß die Ersten und Alten, Schriftgelehrten und Vorgesetzten gar keinen Glauben haben, so verlieren sie dann auch allen Glauben, werfen sich bei und für sich geheim den griechischen Weltweisen in die Arme, genießen das spannelange Leben, so gut sie es nur immer vermögen, und der alte Jehova und Moses und die Propheten sind nichts als für sie nur darum bedeutungsvolle Aushängeschilder, weil sie ihnen durch die ihnen geweihten Satzungen und Zeremonien viele und große Schätze eintragen, mit denen sie ihr Wohlleben stets mehr und mehr fördern können. 7. So haben sich die Templer die Sache einmal recht gut eingerichtet und haben sich auch alles stets aus dem Wege zu räumen verstanden, was sich ihnen irgend in den Weg gestellt hat; und was sie allzeit taten, das tun sie noch und werden es, solange sie bestehen werden, fort tun. 8. Da hast du, hoher Römer, nun die Gründe ganz klar dargestellt, warum die Templer nun auch gegen diesen Nazaräer, den aber wir nun Hierseiende wohl der vollen Wahrheit nach für den verheißenen Messias halten, gar so zu Felde ziehen. Sie sagen: ,Lasset uns ihn erst ergreifen und töten, dann wird es sich schon zeigen, ob er wohl der verheißene Messias ist, ob es einen Gott gibt, und ob die Propheten alle keine Menschheitsbetrüger waren!‘ 9. Daß der ganze Tempel nun also denkt und auch also handeln will, dafür können wir wahrlich nicht, und solange wir auch im Tempel beamtet sind, können wir gegen dessen unsinnigstes Geheul wenig oder nichts ausrichten; es ist schon viel, so wir dann und wann beschwichtigend einwirken können. Ich habe auf deine Aufforderung nun treu und wahr geredet, und du, hoher Römer, magst nun darüber dein Urteil aussprechen!“ Kapitel 88 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 88. — Kultus und Priestertum 1. Sagte darauf der Römer Markus: „Ich bin dir für diese deine nun völlig rückhaltlose Beleuchtung sehr verbunden, und wir Römer werden in Kürze wohl wissen, was wir mit solch einem Priestertum werden zu tun und zu machen haben. Wo die Menschen nur des einträglichen Amtes wegen sich dem Priestertum weihen und nicht der ewigen Wahrheit aus Gott wegen, da wird es auch bald an der Zeit sein, ein solches arge Priestertum von der Wurzel auszurotten und ein besseres und wahres an seine Stelle zu setzen! 2. Ich als ein wohlerfahrener Römer aber denke nun also, und der Herr Selbst gibt es mir ins Herz: In der Folge kein Priestertum, keine Tempel und keine Sabbate, Feiertage, Gedächtnistage und keine Jubeljahre und Olympiaden mehr, – sondern ein jeder Mensch trachte, nach der Lehre des Herrn ein rechter Lehrer seiner Mitmenschen und ein rechter Vater seiner Kinder zu werden! Die Tempel sollen in Wohltätigkeitshäuser für die Armen umgestaltet werden; und die Sabbate, Feiertage und andere nichtssagende Gedächtnistage sollen in Wohltatstage umgestaltet werden, so werden sich bald alle Menschen als wahre Brüder im Herrn umarmen und lieben! 3. Aber solange sich noch ein Mensch einen Priester unter einem gewissen Divinationsansehen nennen und als solcher sich von seinen Mitmenschen ehren und bezahlen lassen wird, solange man Tempel bauen, Sabbate und andere Festtage halten und mit allerlei Zeremonie zelebrieren wird, wird es böse mit der Menschheit aussehen. Ist von Gott aus nicht ein jeder Tag ein Tag des Herrn, an dem man Gott im Herzen gläubigst und über alles liebend bekennt und dem Nächsten Gutes tut geistig und leiblich? Ich bin nun wohl dieser von allem Vorurteile freien Meinung und glaube auch, daß ein jeder Denker eben dieser Meinung sein wird, die ich nun ausgesprochen habe.“ 4. Sagte darauf der Schriftgelehrte: „Deine Meinung, hoher Römer, hat nach der natürlichen Menschenvernunft viel für sich; aber wir müssen auf das auch Rücksicht nehmen, was Gott durch den großen Propheten Moses eingesetzt hat, wo es ausdrücklich heißt: ,Sechs Tage sollst du arbeiten; aber am siebenten Tage, als am Sabbate, sollst du ruhen und dich von aller schweren, knechtlichen Arbeit enthalten und sollst diesen Tag Gott, deinem Herrn, weihen und Ihm allein dienen nach der Art, wie sie durch Aaron dem Volke vorgeschrieben ist!‘ 5. Wenn nun deine Meinung zur Realität und die Satzungen Mosis aufgehoben würden, so wäre das ja doch soviel als: der Gott, der zu Moses redete und nun in dem wunderbaren Nazaräer abermals wie persönlich zu uns redet, widerspräche Sich Selbst! 6. Ich bin auch gegen ein kastenartiges Priestertum, aber Älteste und Rabbi muß es doch bei jedem Volke geben; denn nicht ein jeder Mensch hat den Geist und das Talent, sich zu einem wahren Rabbi auszubilden, und hat hier und da auch ein gewöhnlicher Mensch Geist und Talent, so fehlen ihm die Zeit und die rechten Mittel! Darum hat Moses den Stamm Levi bestimmt zum Priestertum und hat den andern Stämmen den Zehent auferlegt, von dem dieser Stamm solle erhalten werden, damit er sich pur dem Lehramte widmen könnte. 7. Ich bin aber nun auch der Meinung, daß die notwendigen Volkslehrer nicht gerade aus dem Stamme Levi hervorgehen sollten, weil das wie ein Kastentum erscheint, sondern ein jeder Mensch, mit Geist, Talent und Zeit versehen, sollte das Recht haben, sich zu einem Lehrer auch in göttlichen Dingen zu bilden; ist er aber dann ein tüchtiger Lehrer geworden, so solle die Gemeinde, der er als Lehrer dient, ihn auch erhalten und aus Achtung und Liebe nicht gestatten, daß er sich neben seinem Lehramte mit dem Spaten und Pfluge sein Brot im Schweiße seines Angesichtes erwerben muß. 8. Was aber deine Ansicht über die Tempel und sonstigen Fest- und Feiertage außer dem Sabbat betrifft, so bin auch ich deiner Meinung; denn derlei hat Moses nicht eingesetzt. Ein Tag in der Woche aber ist ja von selbst verständlich des Volkes wegen notwendig, daß es sich an demselben irgend an einem tauglichen Orte versammle und da über Gott und seinen Willen belehrt werde, damit es nicht entweder in die volle Gottlosigkeit oder in die schmutzigste Abgötterei verfalle. Das ist nun meine Meinung, und es wäre uns lieb, daß nun der Herr und Meister Selbst darüber auch Seine Meinung uns vernehmen ließe.“ Kapitel 89 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 89. — Sabbat und Priesterstand 1. Sagte nun Ich: „Gut denn, und so vernehmet Mich! Ihr habt beide recht und wahr geredet; aber von nun an bin auch Ich der Meinung, die der Freund Markus ausgesprochen hat, weil die Sache ganz der Natur und der rechten Vernunft eines Menschen und somit auch der Weisheit und Ordnung Gottes angemessen ist, aber Ich verwerfe darum auch deine Ansicht nicht. Aber ihr Priester sollet aus dem Sabbat nicht einen gewissen magisch wirkenden Tag machen und die Menschen mit harten Strafen belegen, so sie sich im Notfalle auch am Sabbat ihr Brot verdienen müssen. Denn eine nötige Tat, besonders zum sichtlichen und uneigennützigen Wohle des armen Bruders, entheiligt den Sabbat nicht nur niemals, sondern heiligt ihn tausendfach mehr denn alles eitle Geplärr im Tempel und in den Synagogen. 2. Denn wer den Sabbat durch edle Taten heiligt, der heiligt ihn auch wahrhaft und werktätig und somit lebendig, was allein vor Gott einen Wert hat. Wer aber den Sabbat nach eurer Art heiligt, der schändet ihn; denn er ehrt Gott mit den Lippen, wie der Prophet gesprochen hat, aber sein Herz ist ferne von Gott, weil es ferne vom Nächsten ist. 3. Es sollen ja auch freie und wahre Lehrer in einer Gemeinde sein, die sich da nicht ihr Brot mit der Arbeit ihrer Hände verdienen sollen; aber so du der ganz guten Meinung bist, daß die Menschen an einem Sabbat sich an einem Orte versammeln sollen, um da über Gott und Seinen Willen wieder wie von neuem unterrichtet und an Ihn wohl erinnert zu werden, da soll das denn auch statthaben. Aber darauf hat dann der Lehrer ja auch sechs Arbeitstage! Wenn er einmal im Geiste geweckt ist, so braucht er die sechs Tage ja auch nicht nur mit dem zuzubringen, sich für den kommenden Sabbat etwa mühsam vorzubereiten, was er der Gemeinde vortragen wird; denn wer aus dem Geiste Gottes redet, dem wird das, was er zu reden hat, in dem Augenblick in sein Herz und auf seine Zunge gelegt werden. 4. Wenn aber das nach Meiner Verheißung sicherst geschehen wird, wie es auch allzeit zu den Zeiten der Urväter und zu den Zeiten der Propheten also geschehen ist, so meine Ich, daß es an den sechs Arbeitstagen auch für den Gemeinderabbi eben nicht unnütz wäre, so er auch als ein Muster für seine Gemeinde irgendeine gute und nützliche Handarbeit verrichten möchte und sich dadurch sein tägliches Brot verdiente, damit er den Gliedern der Gemeinde nicht um gar alles zu kommen genötigt wäre und diese ihn dann sicher um so mehr achtete und ihm nachstrebte, weil sie in seiner Haustätigkeit den schönsten und wahrsten Beweis seiner Uneigennützigkeit, seiner Liebe zur und seiner Gerechtigkeit für die Gemeinde vor Augen hätte. 5. Ich meine, daß dies um gar sehr vieles besser wäre, als, den gegenwärtigen Templern gleich, die sechs Arbeitstage mit völligem Nichtstun zu vergeuden und statt einer nützlichen Beschäftigung nur zu schwelgen, zu prassen, zu huren, ehezubrechen, zu betrügen und sich sogestaltig für die Hölle und für den ewigen Tod zu mästen. Das ist so Meine Meinung! 6. Ah, etwas anderes ist es jetzt für die, welche Ich nun in alle Welt aussende, um zu predigen das Evangelium allen Völkern der Erde! Diese Meine ersten Boten haben weder Zeit noch die Gelegenheit, sich mit den Händen ihr Brot zu erwerben; darum heißt es für sie auch: Esset und trinket, was euch aufgesetzt wird auf den Tisch! Und weiter: Sorget euch nicht für den kommenden Tag, was ihr essen und trinken und womit ihr den Leib bekleiden werdet – denn dies wäre stockfinster und ganz heidnisch! –, sondern suchet vor allem nur das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit unter den Völkern auszubreiten mit allem Fleiß und Eifer, so wird euch alles andere schon wie von selbst zufallen; denn der Vater im Himmel weiß, wessen ihr bedürfet! Aber wie gesagt, das gelte nur für die von Mir nun in alle Welt Ausgesandten; wo aber einmal feste und stehende Gemeinden, in Meinem Namen gegründet, bestehen werden, da soll dann Meine früher ausgesprochene Meinung zur aktiven Geltung kommen! 7. Denn Ich will es durchaus nicht, daß dann die Gemeinderabbi regelmäßig sechstägige Trägheitsdiener sein sollen, da in der Trägheit die Wurzel aller Laster zu Hause ist. Ein in Meinem Namen wahrhaft vollauf tätiger Gemeinderabbi aber wird eben auch unter den sechs Tagen öfter die Gelegenheit finden und haben, den Gemeindegliedern mit allerlei guten Beispielen voranzugehen, um sie zur tätigen Nachahmung zu ermuntern im wahren und lebendigen Geiste, und da ist dann ein jeder solcher Tag gleich dem Sabbat ein Heilstag für die ganze Gemeinde. 8. Also ist es auch durchaus nicht unumgänglich für das Seelenheil der Menschen nötig, daß gerade der jüdische alte Sabbat als ein besonderer Unterweisungstag verbleiben solle; denn dazu kann ein jeder Tag nach Umständen gewählt werden. So sich der alte Sabbat zur Verrichtung einer nötigen Arbeit zum Besten der Gemeinde günstig gestaltet, während mehrere Wochentage infolge eines Unwetters ungünstig waren, so arbeitet am Sabbat und bestimmet einen andern Tag für den Unterricht! Denn ein jeder Tag, an dem ihr Gutes tun werdet in Meinem Namen, wird ein wahrer Sabbat sein; denn am Namen des Tages liegt gar nichts, sondern nur daran, was jemand an einem Tage getan hat. 9. Also ist es auch gar nicht nötig, daß gerade alle acht Tage ein fixierter Unterrichtstag stattfinden soll, sondern der kann nach Zeit und Umständen bestimmt werden; denn das Wort Gottes läßt sich an einem andern Tage ebensogut predigen und anhören, und die bestimmte Anzahl der Tage von einer Predigt bis zur andern hat vor Mir gar keinen besonderen Wert und macht die Predigt selbst und auch die Menschen nicht besser. 10. So der Gemeinderabbi aber sieht, da es ihm im Geiste von Gott aus angezeigt wird, daß irgend ein Gemeindeglied auf Abwege geraten ist, so gehe der Rabbi alsogleich hin und ermahne ihn und warte dazu nicht den Sabbat ab; denn der Tag wird für den Verirrten und wieder Zurechtgebrachten ein rechter Sabbat sein, an dem er sich völlig gebessert hat. 11. Wenn der Gemeinderabbi in einem Jahr nur eine wahre Predigt der Gemeinde gehalten hat, und die Gemeinde lebt und handelt dann fest und treu danach, so braucht sie dann auch sobald keine zweite Predigt mehr. Denn wer nach Meiner Lehre lebt und handelt, für den braucht der Gemeinderabbi nicht mehr zu predigen an jedem Sabbat, denn für den ist dann schon ohnehin ein jeder Tag ein rechter Sabbat, und die wahre und lebendige Predigt trägt er in seinem Herzen, die ihm vom Geiste eingegossen wird.“ Kapitel 90 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 90. — Die rechte Sabbatheiligung 1. (Der Herr:) „Nur für die Kinder mag die Gemeinde ein eigenes Schulhaus errichten und es mit einem oder bei einer größeren Gemeinde nach Bedarf auch mit mehreren wohlerfahrenen und sittsamen Lehrern versehen, die der Jugend das Lesen der Schrift, also auch das Rechnen, das Selbstschreiben und noch mehrere nützliche Kenntnisse beizubringen haben. Haben sie das an jedem Tage gewissenhaft und redlich mit Fleiß und Eifer getan, so haben sie auch an einem jeden Tage den Sabbat geheiligt; und der Gemeinderabbi wird dasselbe tun, wenn er solch eine Schule zu öfteren Malen besucht und Lehrer und Schüler zu Fleiß und Eifer ermuntert und ihnen von Zeit zu Zeit gute Lehren gibt in Meinem Namen. Was er aber da zu reden haben wird, für das wird schon von Mir aus gesorgt werden. 2. Also ist es auch recht, so eine stehende Gemeinde sich nebst dem Schulhause für Kinder ein Versammlungshaus errichtet, in dem sie sich von Zeit zu Zeit in Meinem Namen versammeln kann und mag. Aber es soll in einem solchen Hause dann nicht nur pur der bestellte Gemeinderabbi das Recht zu reden und zu predigen haben, sondern ein jedes männliche Gemeindeglied, so es von Meinem Geiste dazu ermuntert worden ist. Denn es soll in einem solchen Hause nicht nur von der Schrift und von den Propheten und von Mir gepredigt werden, sondern auch von andern Dingen zur tieferen und wahren Erkenntnis Gottes und zur Belebung der Liebe zu Gott und dem Nächsten; und da soll der reden, der von Meinem Geiste in ihm dazu ermuntert wird, und die Gemeinde samt ihrem Gemeinderabbi soll ihn hören. Und so sie das tun wird an was immer für einem Tage, da wird sie auch eine wahre Sabbatheiligung begehen. 3. Ich will aber damit nicht sagen, daß ihr deshalb die Ordnung der Zeit und die Zählung der Stunden, der Tage, der Wochen, der Monde und der Jahre ganz außer acht lassen sollet; das könnet und sollet ihr auch immerhin tun. Aber ihr sollet nicht die gewissen Tage, weil sie in der Woche oder im Monde oder im Jahre die soundsovielten sind und diesen und jenen Namen haben, für besser und heilsvoller halten als die andern; denn an der Zahl und am Namen liegt gar nichts, sondern nur am Leben und Handeln nach dem geoffenbarten Willen Gottes. 4. Denn wer da an einem Sabbat an seinem Nächsten gesündigt hat, für den war der Sabbat wahrlich kein Sabbat! So aber jemand an einem andern Tage seinem Nächsten etwas Gutes erwiesen hat, für den war auch dieser andere Tag ein vollkommener Sabbat. 5. Darum soll in der Folge unter Meinen wahren Nachfolgern alles völlig frei sein, und nichts kann einen Tag zu einem wahren Sabbat erheben als allein nur Taten, die aus der wahren und lebendigen Liebe zu Gott und dem Nächsten hervorgehen. Pfui und Schande solch einer dümmsten Menschensatzung, die das für eine Sabbatschändung erklärt, so man einem Armen und Bedrängten auch an einem Sabbat eine Hilfe bringt! Pfui und Schande solchen Priestern, die das Volk lehren, daß Gott ein Wohlgefallen habe an ihrem ekligen Geplärre und an ihren Opferzeremonien, die nur ein Greuel vor Mir sind, wie sie es auch allzeit waren! 6. Darum werde der Sabbat nun erst ein wahrer Werktag, und alle Zeremonie bestehe im reinen Handeln nach Meinem Worte; das werde Ich allzeit mit Wohlgefallen ansehen und die wahren Sabbatheiliger auch belohnen mit aller Meiner Gnade und Liebe. – Also spricht nun der Herr! 7. Die aber den Sabbat heiligen werden in der Weise, wie die Templer es nun tun und schon seit lange her getan haben, und die dem Sabbat eine gewisse magische Heiligungswirkung zuschreiben, so wie den gewissen Festtagen und den Neumonden, die sollen von der Feuerflut Meines gerechten Zornes verzehrt werden! – Das hat nun auch der Herr gesprochen, vor dem alle Tage, Wochen, Monde und Jahre völlig gleich sind. 8. Habt ihr das nun verstanden, wie da für alle Zeiten und Ewigkeiten gültig lautet Meine Meinung? Denn wahrlich, wahrlich sage Ich euch: Himmel und Erde, die ihr nun sehet, werden einst vergehen; aber Meine Worte werden bleiben in Ewigkeit! Das ist nun so Meine Meinung!“ 9. Als die Pharisäer solches von Mir vernahmen, wußten sie nicht, was sie Mir darauf erwidern könnten; die Römer aber frohlockten heimlich, weil Ich die Ansicht des Markus durch Meine Rede gutgeheißen hatte, zu der Ansicht des Schriftgelehrten aber ganz überaus bedeutende Änderungen anriet. Es merkten aber das die Pharisäer und ärgerten sich heimlich, obschon sie davon offen nichts merken ließen. Kapitel 91 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 91. — Die Berufung eines Schriftgelehrten auf Moses 1. Nach einer Weile tieferen Nachdenkens erst sagte der Schriftgelehrte: „Herr und Meister, ich habe nun bei mir Deine Worte so gut als möglich erwogen und habe gefunden, daß Du nach den reinsten Menschenvernunftprinzipien ganz recht hast und nach dem, was Du ohne allen Zweifel bist, auch recht haben mußt; aber nachdem in Dir der ewige Geist Jehovas wohnt, Dein Herz Sein Thron ist, und Er aus Dir redet und durch Seinen allmächtigen Willen handelt und die ganze Schöpfung erhält und regiert, so begreife ich nicht, wie Er einst auf Sinai dem Moses die Heiligung des Sabbats gar strenge durch ein eigenes Gesetz mit beigegebener Art und Weise, wie der Sabbat zu heiligen ist, hat geben können? Er hätte damals als Einer und Derselbe ja auch so reden können, wie Du nun klar und weise vor uns geredet hast, und man wäre nie auf eine tatlose und zeremonielle Heiligung des Sabbats verfallen! Ja, man weiß es sogar, daß Juden, die den Sabbat durch knechtliche Arbeit entheiligt haben, von Gott augenscheinlich gezüchtigt worden sind! Warum hat demnach Gott durch Moses nur den Sabbat zu heiligen befohlen und warum denselben nicht so gestellt, wie Du ihn nun gestellt hast? Gott ist ja doch ewig unveränderlich in Seinen Ratschlüssen und kann Seine Worte nicht ändern!“ 2. Sagte Ich: „Nun hat der Schriftgelehrte aus dir gesprochen; aber er hat in dieser Sprache auch offen gezeigt, daß er die Schrift noch nie auch nur im geringsten Teile verstanden hat – und am allerwenigsten die Bücher Mosis! Damals war es für die in Ägypten sehr entarteten Juden notwendig, daß ihnen ein Tag zur Rast von der knechtlichen Arbeit und zur Anhörung des Wortes Gottes anbefohlen wurde; denn ohne ein solches Gebot wären sie nach wie vor, wie sie sich's in Ägypten zur Gewohnheit gemacht hatten, wohl an keinem Tage zu einer Ruhe und noch weniger zur Anhörung des Wortes Gottes gelangt. Denn das jüdische Volk war sinnlich und sorgte sich Tag und Nacht um nichts anderes, als wie es sich Mittel verschaffen könnte, um den Bauch mit Fleisch vollzufüllen. Darum gab Gott damals schon einmal aus ganz natürlichen und dann aber auch aus geistigen Gründen einen bestimmten Tag, und zwar denselben, den schon die Urväter zum Ruhetag erwählt hatten, den Sabbat nämlich, zur Ruhe und zur Anhörung des Wortes Gottes. 3. Aber das hat Gott in Seinem Sabbatgesetz gar niemandem geboten, daß er am Sabbat niemandem einen notwendigen und guten Dienst erweisen solle. Solch ein Gebot habt erst ihr an die Stelle des mosaischen gesetzt und ließet nur dem auch am Sabbat eine Arbeit und ein notwendiges und an und für sich gutes Werk verrichten, der euch dafür ein starkes Lösegeld und sonstige reiche Opfer dargebracht hatte. 4. So du aber meinst, daß Gott die einmal gegebene Form eines in einer gewissen Zeit notwendigen Gesetzes nicht ändern könne, weil Er in Sich ewig unveränderlich ist, wie habt denn hernach ihr euch die Freiheit zu nehmen getraut, das Gesetz Mosis so arg nach eurem Gutdünken und zu eurem materiellen Wohle umzuändern, daß ihr nun tatsächlich auch nicht ein Häkchen von dem mehr beachtet, was Moses und die Propheten gelehrt und anbefohlen haben? 5. So euch denn die Gesetze Mosis und seine Schriften gar so heilig sind, warum habt ihr denn dann das sechste und siebente Buch Mosis und den rein prophetischen Anhang als unecht seiend verworfen und habt ein anderes Menschenwerk an dessen Stelle gesetzt? 6. War die alte Bundeslade nicht ein Heiligtum allen Juden gewesen? Als aber schon vor dreißig Jahren die Rauch- und Feuersäule ob eurer bösen Taten entfloh und die Lade, von ihrer Kraft verlassen, im Allerheiligsten dastand, da habt ihr sie in einer Kammer aufbewahrt und eine andere, aus der der Fremden wegen ein natürliches Feuer brannte und auch ein natürlicher Rauch aufstieg, an ihre Stelle gesetzt. Warum habt ihr denn das getan? Hat dafür etwa auch Moses ein Gesetz gegeben, in dem es hieße, daß ihr solches tun dürfet? 7. Ja, es haben wohl die Propheten davon geweissagt, daß in der Zeit, die nun vor euch da ist, die alte Lade des Bundes in eine neue und lebendige vor aller Menschen Augen umgewandelt werden wird; aber also, wie ihr es eigenmächtig gemacht habt, haben es die Propheten sicher nie gemeint! Denn wäret ihr aus den Propheten überzeugt gewesen, daß vor dreißig Jahren solches nach dem Willen Gottes zu geschehen habe, so hättet ihr davon dem Volke sicher durch lange Reden verkündet und hättet es auch zu großen Opfern aufgefordert; das aber ließet ihr gar fein und weislich bleiben, und das Volk weiß bis zur Stunde von solcher eurer eigenmächtigen Gebarung nichts. 8. Wisset ihr aber, daß unter der neuen Bundeslade die Propheten nur Mich gemeint haben, – warum verkündet ihr das dem Volke nicht, und warum verehret ihr an Meiner Statt eurer Hände eitel nichtiges und totes Werk? 9. Ihr berufet euch stets auf Moses und auf die Propheten; so Ich euch nun den rechten und allein wahren Sinn und inneren Geist der Schrift zeige, wie kommt es aber dann, daß in der Tat gerade ihr Templer die größten Leugner Gottes, Mosis und aller Propheten seid? 10. Moses hat aus wohlweisen Gründen das ihm von Gott geoffenbarte Wort und namentlich dessen inneren lebendigen Sinn und Geist in entsprechende Bilder verhüllt, und was er euch enthüllt hat, das habt ihr verworfen. Nun bin Ich Selbst gekommen und enthülle euch das Verborgene, warum glaubet ihr es nun nicht und suchet Mich nur zu fangen mit dem, was ihr selbst noch nie geglaubt und noch weniger je begriffen habt?“ Kapitel 92 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 92. — Über die Einführung des Sabbats 1. (Der Herr:) „Seht, es ist das seit den ersten Zeiten der Menschen der Brauch gewesen, die Woche in sieben Tage einzuteilen, welche Einteilung die Menschen auf dem natürlichen Wege von den Mondvierteln ableiten und auf dem übersinnlichen Wege, der ihnen geoffenbart wurde, aber von den sieben Geistern in Gott, von denen ihr auch etwas gehört, aber noch niemals nur ein Wörtlein verstanden habt. 2. Von den sieben Geistern aber ist es der siebente, der wie rückwirkend alle die sechs vorangehenden durchläutert und durchsänftet, und dieser siebente Geist heißt die tätige Erbarmung. Und seht, auch aus dem Grunde hat Gott durch Moses den siebenten Tag als den Sabbat bestimmt, daß ihr euch am selben von der knechtlichen Arbeit für den eigenen Bauch enthalten und bei der Zusammenkunft vor der Hütte, darin die Lade stand, nach den armen Brüdern, Schwestern, Witwen und Waisen umsehen und euch über sie werktätig erbarmen sollet; denn darin besteht ja das ganze Gesetz Mosis und alle Propheten, daß ihr im vollen Glauben an Gott und in der Liebe zu Ihm an euren armen Nächsten die Werke der rechten Barmherzigkeit ausüben sollet, und darin besteht auch allein der wahre und Mir wohlgefällige Gottesdienst! 3. Wenn aber also und nie denkbar anders, wie hätte Moses je sich nur in einem noch so schlechten Traume einbilden können, daß der Sabbat von Gott dazu bestimmt worden sei, daß an ihm kein Jude auch seinem armen Nächsten ein Werk der Barmherzigkeit erweisen solle und dürfe? 4. Denket euch selbst, ob das Gott eine Ehre erweisen heißt, so ein Mensch einen ganzen Tag erstens im vollsten Müßiggange zubringt und dann zweitens entweder zu Jerusalem im Tempel oder andernorts in einer Synagoge oder in seinem Hause hockend zubringt, sich etliche Male die Zehn Gebote und einige Psalmen Davids und noch anderes aus der Schrift herz-, gedanken- und somit kopflos entweder selbst vormurmelt und vorplärrt oder sich vormurmeln und vorplärren läßt von einem Priester, dem er darum ein Opfer reicht, weil er des blinden Glaubens ist, daß das Gemurmel und das Geplärr aus dem Munde eines Priesters kräftiger und Gott wohlgefälliger sei als sein eigenes! O ihr Unsinnigen! Denket euch doch, ob es möglich sei, daß der allweiseste Gott an solchen nur von euch und nie von Moses und von den Propheten erfundenen und sogar zum Gesetz gemachten Torheiten und Narrenpossen jemals ein Wohlgefallen haben konnte und Er, der ewig unveränderlich Gleiche, es jetzt haben kann oder je wird haben können! 5. Ja, die Menschen, die Gott erkennen und Ihn über alles lieben, sollen im Herzen auch zu Ihm beten. Aber wie? Erstens durch die rechte Befolgung Seines Willens, durch die Ausübung der Werke der Nächstenliebe, und zweitens sollen sie im Herzen lebendig und voll Liebe also zu Gott reden: 6. ,Unser liebevollster Vater, der Du wohnst in Deinen Himmeln! / Dein Reich der ewigen Liebe und Wahrheit komme tatsächlich zu uns! / Dein allein heiliger Wille, das Sein aller Wesen, werde auch unter uns also zur Tat, wie er es in allen Deinen Himmeln und Schöpfungsräumen ist! / Gib uns, Deinen Kindlein, das Brot des Lebens! / Unsere Schulden vergib uns, so wie wir unseren Brüdern, die uns beleidigt haben, vergeben! / Lasse nicht Versuchungen und Reizungen zur Sünde über uns kommen, denen wir in unserer Schwäche schwer oder gar nicht widerstehen könnten, sondern befreie uns von allen Übeln! / Dein Name werde allzeit geheiligt, hoch gepriesen und über alles gelobt; denn Dein ist alle Liebe, Weisheit, Kraft und Macht ewig!‘ 7. Sehet, das ist ein rechtes Gebet zu Gott, so es von jemandem im Herzen lebendig und wahr und vollernstlich ausgesprochen wird! Aber auch dieses Gebet hat keinen Wert, so es auch von jemandem im Munde tausend Male ausgesprochen würde, sondern es muß sich im Herzen lebendig, wahr und voll Willensernstes aussprechen, und der Mensch muß das auch durch die Tat zeigen, was die Rede seines Herzens ausspricht, sonst ist alles Beten ein Greuel vor Gott; denn der ewig lebendige Gott, als die Liebe, Weisheit, Kraft und Macht, läßt Sich nicht durch leere und tote Lippenworte und sinnlose Opfer und Zeremonien ehren, sondern allein durch Werke nach Seinem Willen. Diese aber kann und soll ein jeder Mensch an jedem Tage und nicht nur allein am Sabbat ausüben; tut der Mensch aber das, so macht er jeden Tag zu einem wahren Sabbat und braucht nicht auf den siebenten Tag der Woche zu warten, der als Tag vor Mir um kein Haar einen größeren Wert hat als ein anderer. Sehet, das ist auch so Meine Meinung! Und du, schriftgelehrter Templer, kannst Mir nun eine Widerrede machen, wenn du einen Grund dazu hast.“ 8. Sagte der Schriftgelehrte: „O Herr und Meister, das werde ich nun wohl und auch für immer bleiben lassen; denn nun erst habe Ich klar erkannt, daß Du wahrhaft der Gesalbte Gottes bist! Ja, Du hast in allem recht, und der Vorwurf, den Du uns Templern machst, ist wahr und strotzt von Gerechtigkeit. Aber wir sind leider eben vom Tempel aus gefangen und können für diese Deine wahrste Gottessache nichts tun. 9. Du, o Herr, aber bist mächtig; tue Du nach Deiner Gnade, Liebe und Weisheit, was Dir wohlgefällig ist! So wir aber auch im Tempel verbleiben, da werden wir wahrlich in keinem Rate je mehr wider Dich ein Wort abgeben, wohl aber bei Gelegenheiten den Hohenpriestern zeigen, was an dieser Sache ist. So Du uns aber eigens anzeigen wollest, was wir tun sollen, so werden wir das auch tun, um von Dir in Gnaden angenommen zu werden. Herr und Meister, was ist da Dein Wille mit und an uns?“ 10. Sagte Ich: „Ich habe euch nun doch schon einiges gesagt, aus dem euer Verstand wohl Meinen Willen wird erkannt haben! Tuet danach, so werdet ihr auch das Leben überkommen! Der Tempel wird euch nicht hindern, im Herzen an Mich zu glauben und nach Meinem Willen zu handeln und, wo es not ist, Mich auch zu bekennen vor der Welt; denn das sage Ich euch auch: Wer Mich bekennen wird vor der Welt, den werde Ich auch bekennen vor Meinem Vater im Himmel. – Und nun könnet ihr wieder nach Jerusalem ziehen; wenn euch aber die Templer nach Mir fragen werden, so machet Mich nicht ruchbar! Mein Segen mit euch! Amen.“ 11. Hierauf erhoben sich voll Rührung die Templer, dankten Mir für die Belehrung und für die Erlösung aus ihrem Wirrsal und machten sich, da es schon ziemlich dunkel geworden war, auf den Heimweg, und Lazarus gab ihnen einige Begleiter mit einer Fackel mit, was den Templern sehr angenehm war. Wir aber begaben uns wieder in den Saal und setzten uns an unseren Tisch. Hier erst äußerten die Römer ihre vollste und größte Freude über alles, was Ich den Templern gar so offen und göttlich wahr gesagt hatte. 12. Alle aber baten Mich um das den Templern gezeigte wahre Gebet. Da aber trat Raphael zu Agrikola und übergab es ihm auf Pergament geschrieben, wofür Mir die Römer nicht genug danken konnten. 13. Ich aber sagte darauf zu Lazarus: „Bruder, wir haben nun wieder gearbeitet, darum laß uns vor dem Mahle etwas Wein und Brot bringen, damit wir uns stärken mögen!“ Kapitel 93 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 93. — Die Lieblingsspeise des Herrn 1. Und Lazarus besorgte gleich alles. Als wieder Brot und frischer Wein auf den Tisch gebracht wurde und wir uns ein wenig erlabten, da kam die Martha und fragte Mich, was Ich zum Abendmahle wohl am liebsten äße. 2. Sagte Ich: „Siehe, du Meine liebe Martha! Die Menschen, die Mein Wort hören und nach demselben leben, sind Meine liebste Speise und auch Mein liebster Trank! – Hast du diese Worte nun wohl verstanden?“ 3. Sagte mit etwas ängstlich verblüffter Stimme die Martha: „Aber Herr und Meister! Du wirst doch nicht Menschenfleisch essen wollen?“ 4. Sagte Ich: „Du, Meine liebe Freundin, bist in den Dingen des Geistes noch nicht zu tief gedrungen! Meine Ich denn eine Speise für den Geist oder fürs Fleisch, so Ich sage, daß jene Menschen Meine Lieblingsspeise und Mein Lieblingstrank sind, die Mein Wort hören, es beherzigen und danach leben und handeln? Ich sage es dir und auch allen, die hier sind: Der Mensch lebt nicht allein vom Brote und Weine, sondern vielmehr von jeglichem Worte, das aus dem Munde Gottes kommt, so er danach tut; und es ist sonach das Wort Gottes eine allervorzüglichste Nährspeise für den ganzen Menschen, während das Brot dieser Erde nur allein seinen sterblichen Leib ernährt und nicht zugleich seine Seele und seinen Geist. 5. Wie aber Gott durch das Wort die Hauptspeise für den ganzen Menschen ist, so ist dann auch der Mensch, der Gott erkennt, Ihn über alles liebt und Seinen Willen erfüllt, ebenfalls eine gute und höchst erquickliche Speise für die ewige Liebe in Gott. Wenn du das nun verstanden hast, so magst du uns heute zum Abendmahle ein gutes Gericht von wohlzubereiteten Fischen auf den Tisch setzen!“ 6. Sagte die Martha: „O Herr und Meister, jetzt habe ich Dich schon verstanden, Daß Du zuvor nur eine geistige Speise und einen geistigen Trank gemeint hast, und ich danke Dir inbrünstigst für Deine große Geduld mit mir; aber da Du nebstbei Deinen Wunsch für ein wohlzubereitetes Gericht von edlen Fischen ausgesprochen hast, so kann ich nun nicht umhin, Dir offen zu bekennen, daß uns der Fischvorrat gerade heute ganz ausgegangen ist. Beim Mittagsmahle ist der ganze Rest verzehrt worden, und ich bin nun mit Deinem Wunsche in eine große Verlegenheit versetzt. Was soll ich nun tun?“ 7. Sagte Ich mit freundlichster Miene: „Ja, Meine liebe Martha, das ist nun freilich eine etwas unangenehme Geschichte! Woher sollst du nun so viele edle Fische bekommen, die für uns alle genügen würden?“ 8. Sagte die Martha, noch verlegener denn zuvor: „O Herr und Meister, ich weiß es wahrlich nicht; aber Du könntest mir da wohl raten und helfen!“ 9. Sagte Ich: „Ja, das könnte Ich allerdings, wenn du dafür einen rechten und festen Glauben hättest!“ 10. Sagte Martha: „O Herr und Meister, ich glaube ja alles! Denn Du bist ja die ewige Liebe und Wahrheit selbst, und was Du sagst und willst, das geschieht auch allzeit sicher und gewissest!“ 11. Sagte Ich: „So gehe denn und sieh nach in dem Weiher, der sich, in einen großen Stein gehauen, in eurer großen Küche unter dem stets fließenden Brunnquell befindet, und du wirst darin Fische für heute und morgen in hinreichender Menge finden!“ 12. Auf diese Meine Worte eilte die Martha samt ihrer Schwester Maria in Begleitung der Maria von Magdalon hinaus in die große Küche, und sie fanden den Weiher voll mit den besten Fischen aus dem Flusse Jordan, und ihr Staunen darüber war groß. Sie kamen bald wieder und erzählten allen das Wunder, und ihr dankbares Erstaunen nahm nahe schon kein Ende. 13. Ich aber sagte zur Martha: „Oh, erstaune darüber doch nicht gar so sehr, da Ich vor euren Augen ja doch schon so manches Zeichen gewirkt habe, sondern gehe nun und bereite uns ein gutes Abendmahl!“ 14. Auf diese Meine Worte eilte die Martha und auch die Maria hinaus in die Küche und setzten allda alles in Bewegung, damit das Abendmahl in einer Stunde Zeit bestens bereitet werden könnte. Es war aber ein sternenheller Abend, und im Westen waren noch die letzten Strahlen der untergegangenen Sonne ersichtlich, was wir durch die offenen Fenster wohl merken konnten, und es äußerten besonders die Römer den Wunsch, nun eine kurze Zeit im Freien an Meiner Seite den gestirnten Himmel und so manche abendliche Erscheinung zu besehen und zu beobachten. 15. Und Ich sagte: „Gut, so gehen wir eine Stunde lang hinaus, und es wird sich so manches sehen, beobachten und erkennen lassen!“ Kapitel 94 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 94. — Eine Betrachtung des Sternhimmels 1. Als Ich solches ausgesprochen hatte, da waren alle Anwesenden, deren es eine bedeutende Anzahl gab, sogleich bereit, auch die Stunde im Freien zuzubringen, und wir erhoben uns und gingen hinaus, wo ein großer und ganz freier Platz war. Alle staunten nun über die unzählbar große Menge der Sterne und priesen die Allmacht und Größe Gottes. 2. Als wir so eine Zeitlang den gestirnten Himmel beobachtet hatten, da fragte Mich Markus, der Römer, sagend: „Herr und Meister, das sind also bis auf einige wenige Planeten lauter Sonnen, um die abermals die zu ihnen gehörigen Planeten und Monde und auch Schweifsterne bahnen?“ 3. Sagte Ich: „Allerdings, wie Ich euch solches schon auf dem Ölberge gezeigt habe; doch sehet ihr unter diesen vielen Sonnen auch mehrere Zentralsonnen, um die sich, wie euch schon bekannt, die Planetarsonnen mit allen ihren Planeten in großen Kreisen bewegen, und wieder sehet ihr jene größeren Zentralsonnen, um die sich ganze Sonnengebiete bewegen, und auch ein paar solche Zentralsonnen, um die sich in überweiten Kreisen schon ganze Sonnenalle bewegen. Aber so Ich sie euch nun auch mit den Fingern zeigte, so würde euch das wenig oder auch gar nichts nützen; wenn ihr aber im Geiste erweckt sein werdet, dann wird euch der Geist des innersten Lebens und aller Wahrheit schon ohnehin in alles Licht leiten und führen. Wie aber das möglich ist und auch sein wird, davon habe Ich euch schon auf dem Ölberge einige selbstanschauliche Erfahrungen machen lassen. Hier kann Ich euch nur das wiederholen, daß es in Meines Vaters Hause gar viele und große Wohnungen gibt.“ 4. Sagte abermals Markus: „Herr und Meister, ich danke Dir auch für diese Belehrung! Aber nun möchte ich von Dir doch auch so ganz bestimmt vernehmen, wo nun die Sonne sich befindet! Du hast uns wohl gezeigt, und das auf eine höchst wunderbar sinnige Weise, wie da alle Weltkörper eine runde Kugelform haben, und somit auch diese unsere Erde; aber ich hatte in meinen jüngeren Jahren im äußersten Südwesten Hispaniens zu tun, und da fing ein furchtbar großes Meer sich auszubreiten an. Ich bestieg daselbst mit mehreren Gefährten eines der höchsten Ufergebirge, und zwar in der Meinung zu sehen, ob dieses Meer etwa doch gleich dem Mittelländischen irgendwo ein Ende nähme. Aber ich irrte mich groß; denn da war von keinem Ende nur eine allerleiseste Spur zu entdecken! Wohin wir auch unsere scharfen Augen nach Westen richteten, entdeckten wir nichts als Wasser und Wasser. 5. Von dem besagten Berge aus sah ich denn auch die Sonne vollkommen ins Meer sinken. Es bestätigte mir dies auch das: Als die Sonne vollends ins Wasser sich versenkte, da erlosch ihr Feuer und Licht aber auch so vollkommen, daß nach ihrem vollen Untergange keine Spur von einer Abenddämmerung mehr wahrzunehmen war, und die besagte Erscheinung brachte uns auf den Schluß, daß die Sonne, der Mond und alle Sterne im tiefen Westen geradezu buchstäblich wahr ins Meer sinken und in 12, manchmal 14 und manchmal – im hohen Sommer – auch schon in 9 Stunden irgendwo im fernsten Osten wieder aus dem Meere emporsteigen. 6. Daß sich die Sache in der großen Wirklichkeit sicher ganz anders verhält, das weiß ich nun wohl; aber die Erscheinung, daß die Sonne, so sie augenscheinlich ins große Meer untersank, keine Spur von einer Abenddämmerung – besonders an sehr reinen und wolkenlosen Abenden – hinterläßt, ist im Ernste denn doch etwas sonderbar. – Wie soll ich mir das erklären?“ 7. Sagte Ich: „Nun, nun, Mein lieber Freund Markus, siehe, nach etwa tausend Jahren werden über derlei euch jetzt noch gar wundersam vorkommende Erscheinungen sogar die Kinder die ganz richtigen Begriffe haben! 8. Siehe, dein großes Weltmeer hat auch seine Begrenzung im tiefen Westen, wie jedes andere Meer; und es gibt dort noch ein gar großes Festland, das aber von den späteren Nachkommen von Europa gen Westen hin aufgefunden werden wird. Von den nordöstlichen Landfesten Asiens aber ist es schon vor nahezu mehr denn tausend Jahren entdeckt worden und ist in (seit) dieser Zeit von verschiedenen Völkern Asiens, darunter auch sogar von den alten Phöniziern, Trojanern und Griechen bewohnt. 9. Von Europa aus gen Westen hin aber wird es erst dann entdeckt werden können, wenn sich ihre Schiffe in einem besseren Zustande befinden werden, als sich die eurigen dermalen befinden. 10. Daß aber die Sonne im tiefen Westen, von Hispania aus betrachtet, ohne zurückgelassene Dämmerung untergeht, besonders an sehr reinen und dunstfreien Abenden, davon liegt die Ursache erstens in der großen und weithin gedehnten Luftmasse, die am Ende auch das Licht der Sonne ebenso schwer hindurchdringen läßt, als wie schwer dasselbe auf den tiefen Grund des Meeres dringt. Wo dieses seicht ist, wirst du den Meeresgrund sicher noch zur Genüge erleuchtet erschauen, weil das Licht nur mit einer ganz wenig Tiefe habenden Wassermasse zu tun hat; aber wo das Meer einmal etliche 20-100 Manneslängen tief ist, da wirst du keinen von der Sonne erleuchteten Grund mehr wahrzunehmen imstande sein. Siehe, da hast du denn einen Grund, warum die Sonne im fernen Meereswesten oft ohne alle zurückgelassene Dämmerung untergeht! 11. Der zweite Grund aber liegt eben in der oftmaligen völligen Dunstlosigkeit; denn finden die Lichtstrahlen der Sonne nahe ganz und gar nichts derart Dichtes, daß sie auf dasselbe fallen und von da wie gebrochen wieder weiter geworfen werden können, so können sie als daseiend auch nicht wahrgenommen werden. Solches kannst du am Monde, wie auch an den übrigen Planeten, lernen. 12. Siehe, der Mond wie auch die andern Planeten sind an und für sich ebenso finstere Körper, wie da ist diese Erde! Das Licht geht von der Sonne als einem runden Körper nach allen möglichen Richtungen aus; aber es äußert sich nur da als rückstrahlend und ersichtlich daseiend, wo es einen Gegenstand trifft, von dem es dann zurückstrahlt und von euren Augen wahrgenommen wird. 13. Wenn Ich dir nun einen großen Gegenstand in der allfälligen Entfernung des Mondes dieser Erde stellte, so würdest du sogleich wahrnehmen, daß die Sonne nicht ins Meer dieser kleinen Erde gesunken ist, sondern sich nun, so wie am Tage, auf ihrem freien Platz befindet und allen Erden, die um sie bahnen, ihr Licht samt der Wärme spendet. Was aber auf dieser Erde, wie gleichfalls auf den andern Erden, die ihr Planeten nennt, den Tag und die Nacht bewirkt, das habe Ich euch schon mehr als hinreichend gezeigt, und so magst du dich nun schon von deiner alten Weltstandsansicht ganz frei machen.“ 14. Sagte Markus: „Ich danke Dir, o Herr und Meister, auch für diese Belehrung! Sie ist zwar nicht von der hohen Art, wie wir schon Lehren aus Deinem heiligen Munde empfangen haben, aber ich betrachte sie für uns auch in der Weltanschauung noch sehr irrig daran seiende Römer auch für sehr wichtig und erhaben. Denn wenn der Mensch in einer Sache, sei sie auch nur eine diesweltliche, in der Irre ist, so muß er dann auch in anderen, geistigen Dingen in allerlei Irrtümer geraten; denn ein Irrtum erzeugt den andern so lange, bis der ganze Mensch voll Irrtümer und Torheiten wird. Fängt es aber bei einem Menschen oft nur bei einer kleinen Sache an, licht zu werden, so breitet sich das Licht dann nach und nach auf größere und wichtigere Dinge aus, und der Mensch gelangt so zur wahren Weisheit. Darum Dir, o Herr, Dank auch für solche Belehrungen, die uns Römern von einem besonders großen Nutzen sind!“ Kapitel 95 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 95. — Von der Kraft des Kleinen 1. Als Markus Mich darob sehr lobte, weil Ich ihm diese Erklärung machte, sagte Ich zu ihm: „Du hast nun ganz wohl geredet und hast mit deinem Lobe Meinem Herzen eine rechte und wahre Freude gemacht; denn wer eine geringer scheinende Gabe nicht ehrt, ist auch keiner größeren wert. Ich sage es euch aber, daß Ich es stets also tue, wie ihr das in aller Natur der Erde sehen könnet: Sowie Ich etwas Übergroßes zu tun scheine, da ist die Wirkung aus wohlweisen Gründen eine mindere; wo Ich aber kaum merkbar etwas zu tun scheine, da ist die Wirkung stets eine endlos große und unverwüstliche. Daher könntet ihr sagen: Ich bin im Großen klein, aber im Kleinsten endlos groß! 2. Wenn Ich einen gewaltigsten Gewittersturm verheerend über Länder und Meere ziehen lasse, so sagen die Menschen: ,Wie furchtbar groß und mächtig bist Du, o Herr!‘ So Ich aber ein unscheinbares Samenkörnlein in die Erde lege, das dann keimt, wächst und einen starken und mächtigen Baum aus seiner Unscheinbarkeit ins Dasein stellt, so wird dabei kein Mensch voll Staunens ausrufen: ,Wie groß und mächtig bist Du, o Herr!‘, sondern er betrachtet dies viel größere Wunder mit ganz gleichgültigem Gemüte und sagt höchstens: ,Ja, ja, es muß das schon alles so sein, daß nach dem Willen des Herrn aus kleinen Samen große Bäume und Wälder entstehen.‘ 3. So staunen die Menschen auch über sehr hohe Berge, breite Ströme, große Seen und Meere und achten eines fruchtbaren Hügels und einer reinen, ihren Durst stillenden Quelle kaum; aber bei Mir steht der fruchtreiche Hügel bei weitem über dem unfruchtbaren hohen Ararat und die reine Quelle bei weitem über dem Ozean. Denn diese sind schon mit dem Leben aus Mir wunderbar sehr nahe verwandt; aber der Ararat und der Ozean stehen noch sehr tief im Gerichte und stehen vom Leben noch ferne. 4. Darum achtet auch ihr auf Meine oft gering scheinenden Worte; denn eben in diesen Worten gebe Ich euch mehr des Liebelebens aus Mir, als so Ich euch eine ganze Hülsenglobe ordentlich in Atome vor euren Augen und Ohren zerlegte! Denn von Meiner endlosesten Weisheit und Macht könnet ihr nur einzelne Tröpflein einschlürfen, aber aus dem Lebensborne Meiner Vaterliebe könnet ihr allzeit Ströme in euch schlürfen. 5. Und sehet, also ist es auch der Fall, so Mich die Menschen lieben, ehren und preisen! Wer Mich liebend im stillen ehrt und preist und erkennt dabei in aller Demut seine Geringheit und Mein Alles, der ehrt Mich wahrhaft im Geiste und in der Wahrheit vollkommen, und Ich habe ein großes Wohlgefallen an ihm, und es erzeugt das etwas ganz gering Scheinende eine große Wirkung. Wer Mich aber mit großem Weltgepränge, mit allerlei nichtiger Zeremonie und langen Gebeten und Gesängen ehrt und preist und dabei glaubt, daß Mir das wohlgefällt, der ist in einer großen Irre; denn derlei Preisung ist vor Mir ein Greuel, so sie von den Priestern ausgeht; und so das unwissende Volk Mich dadurch zu ehren wähnt und dadurch sich von Mir eine Gnade erbitten will, so wird es von Mir nicht erhört werden in einem großen Maße, auf daß es zur Einsicht komme, daß Ich an solchen großen und prunkvollen Gebeten und Verehrungen gar kein Wohlgefallen habe. 6. So viele Nährfrüchte auf den hohen Bergspitzen wachsen, so viele Gnadenfrüchte sollen auch den Menschen werden, die Mich mit den großen Geprängen anbeten, preisen und verehren! Denn wer zu Mir nicht im Herzen, im Geiste und in aller Wahrheit betet, der wird auch nicht erhört werden; denn würde Ich solche Gebete erhören, so würde Ich Selbst der Lüge und dem Heidentume den begünstigenden Vorschub leisten, was von Mir wohl nie jemand, der nur einen helleren Verstand besitzt, erwarten wird. Denn Ich Selbst bin das Licht, der Weg, die Wahrheit und das Leben, wie möglich könnte Ich dann der Finsternis, den Irrpfaden, der Lüge und dem Tode hold sein? 7. Darum sage Ich euch auch, daß Ich weder im Sturmgebraus noch in dem Wüten des Feuers, sondern im sanften Gesäusel der wehenden Morgenluft einhergehe. Wer Mir dann in solcher Stille seines Gemütes entgegengehen wird, der wird Mir auch begegnen.“ 8. Sagte nun Markus: „O Herr und Meister, wie groß und herrlich und wie voll Liebe und ewiger Wahrheit sind Deine Worte, und wie glücklich ist der, welcher sie begreift und nach ihrem Sinne handelt! Aber wie wenige gibt es nun derer, die das vernehmen und wohl beherzigen möchten! Doch wir werden das wohl tun, was Du uns angeraten hast; denn wir wissen und glauben nun lebendig, daß Du allein der Herr und Meister, der allein eine und wahrste Gott von Ewigkeit bist, und daß alles, was die Unendlichkeit faßt, von Dir erschaffen ist und fort und fort erhalten wird. Darum auch sei Dir allein alles Lob, aller Preis und alle unsere Liebe und Anbetung in der Tat! 9. Aber da wir nun hier schon einmal das nie beschreibbare Glück haben, Dich als den ewigen Meister aller Dinge leibhaftig unter uns zu haben, so wäre es von uns wissensgierigen Römern wahrlich unverzeihlich, so wir uns nicht noch mit allerlei Fragen an Dich wendeten – denn Du allein kannst uns ja nur sagen, wie sich diese und jene Dinge verhalten –, und so hätte ich nun bei dieser Gelegenheit noch eine kleine Frage.“ Kapitel 96 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 96. — Die Entstehung des Windes 1. Sagte Ich: „Um was du Mich nun fragen möchtest, weiß Ich bereits, und so will Ich dir die Fragestellung ersparen und dir gleich mit der Antwort auf deine Frage entgegenkommen. 2. Siehe, der Wind, der nun so ziemlich kühl zu wehen angefangen hat, hat die gewisse Frage in dir hervorgerufen! Du möchtest gerne wissen, von wannen der Wind ursprünglich kommt, und wohin er geht; aber es ist das für dich schwer zu fassen, wenn es für Mich auch ein leichtes wäre, es dir zu sagen. 3. So vernehmen auch viele Menschen des Windes Zug, aber sie wissen es nicht, von woher er urständlich kommt, und wohin er zieht, und noch weniger fassen und begreifen sie, von woher der geistige Wind in ihren Herzen kommt, und wohin er zieht. Daher sind sie denn auch gleichfort unverständigen Herzens und kennen nicht einmal ihre Seele und noch weniger den Geist in ihr, und Mich als den Ur- und Hauptlebenswind aber mögen sie schon am allerwenigsten erkennen. 4. Siehe, nichts in der materiellen Schöpfung kann entstehen und fortbestehen ohne einen geistigen Grund, und also auch der Wind, der nun wehet, sicher nicht! 5. Ich habe euch schon auf dem Ölberg einen Wink gegeben und bei einer anderen Gelegenheit Meinen Jüngern noch einen ausführlicheren, daß diese Erde, wie auch ein jeder andere Weltkörper, ein tierisch-organisches Leben hat und somit auch alle die natürlichen Verrichtungen und Erscheinungen des organisch- tierischen Lebens äußert. Sie muß erstens ernährt werden, und das so wie etwa ein großes Tier. Weil sie aber ein tierisches Leben hat, so muß sie auch eine Art Herz, Lunge, Milz, Leber, Nieren, Magen und, kurz, in Entsprechung alle jene Eingeweide haben, die auch einem vollkommenen Tier zum Leben notwendig sind. Hat die Erde aber alles das in sich, so versteht es sich auch schon von selbst, daß auf ihrer Oberfläche alle möglichen Äußerungen ihres inneren organisch-tierischen Lebens wahrgenommen werden von euch Bewohnern eben der Oberfläche der Erde. 6. Die Erde atmet sonach auch, und das von sechs Stunden zu sechs Stunden. Sechs Stunden braucht sie zum Einatmen und sechs Stunden zum Ausatmen. Nun, solches Ein- und Ausatmen wird auf der ganzen Erde, und zwar viermal durch einen periodischen Windzug wahrgenommen, der, obschon er für die ganze Erde genommen zur gleichen Zeit bewirkt wird, aber auf der Oberfläche derselben nicht gleichzeitig wahrgenommen werden kann, weil es da vermöge der täglichen Umdrehung der Erde um ihre Achse und infolge dieser Erdbewegung wegen des stets wandelbaren Standes der Sonne über der Erde vom Morgen zum Niedergange hin nicht gleichzeitig Mittag oder Morgen, Abend und Mitternacht sein kann. 7. Sehr weit im Osten von hier ist jetzt schon Mitternacht, und sehr weit im Westen, als etwa in jenen Landen, von denen Ich ehedem sagte, daß sie über dem großen Ozean sich befinden, wird's jetzt um die Mittagszeit sein. Kurz und gut, auf der ganzen Erdperipherie sind zum Beispiel eben jetzt alle Tageszeiten vertreten, und so kann eine Lebensäußerung der Erde, wenn sie für sie auch in ein und demselben Momente geschieht, nicht in ein und derselben Tageszeit wahrgenommen werden. 8. Der Wind, der nun weht, rührt eben von einer solchen atemholenden Lebensäußerung der Erde her. Aber du mußt dir das nicht also vorstellen, als hätte die Erde einen Mund oder eine Nase, und der durch diese Werkzeuge ausgestoßene Atem wäre nun etwa gar schon vom Nord- oder Südpol hier angekommen, sondern derlei Winde entstehen vielmehr nur dadurch, weil sich die Erde bei ihrem Einatmen namentlich als besonders fühlbar unter dem Meere als ihrem weicheren Teile nach ausdehnt und sich so erweitert, daß das Meer allenthalben um etliche Handspannen steigt und beim Ausatmen, wobei die Erde sich wieder mehr verengt und zusammenzieht, wieder um so viel fällt, als es während der Einatmungszeit gestiegen ist. Und sieh, dieses Fallen und Steigen des Meeres bringt denn auch die periodische Bewegung der die Erde umgebenden atmosphärischen Luft zustande, die du nun als Wind wahrnimmst! Denn kein Wind ist etwas anderes als nur eine oft mehr oder minder heftige Fortströmung der Luft; auch der heftigste Sturmwind ist nichts anderes. Die Ursachen aber, durch welche die Luft in eine Strömung versetzt wird, können verschieden sein; um sie dir alle aufzuzählen und genau zu beschreiben, würden mehrere Tage erforderlich sein. 9. Daß Winde, die vom Norden kommen, kalt, und die vom Süden kommenden warm sind, das bewirken die klimatischen Verhältnisse. Im Norden der Erde ist es des vielen Schnees und Eises wegen kalt, und also kann von dorther auch kein warmer Wind kommen. Gen Süden wird es ob der mehr senkrecht auf die Erde fallenden Sonnenstrahlen stets wärmer und am Mittelgürtel der Erde sogar heiß, wie du das schon aus der Erfahrung weißt, und so sind die vom Süden herkommenden Winde denn auch warm; in den großen Sandwüsten werden sie oft sengend heiß. Im eigentlichen und tiefen Süden aber werden die Südwinde des dortigen Polareises und Schnees wegen ebenfalls wieder sehr kalt, gleichwie hier auf der nördlichen Erdhälfte die Nordwinde es sind. 10. Und damit, Freund Markus, hast du vorderhand eine hinreichende Erklärung über die natürliche Entstehungsursache der Winde; ein Weiteres wird dir zur rechten Zeit schon dein eigener Geist verkünden, so wie auch einem jeden, der im Geiste wiedergeboren wird. 11. Daß aber bei allem, was auf der Erde und auch auf allen andern Weltkörpern geschieht, im Hintergrunde Geister wirken, das habe Ich euch schon gezeigt, und so können wir nun mit diesen Erklärungen enden. 12. In den späteren Zeiten aber werden ohnehin nur zu viele Forscher aller Naturerscheinungen aufstehen und alles abwägen und wohl berechnen, was zur Bekämpfung vieler Irrtümer und zur Vernichtung des schwarzen Aberglaubens sicher gut und nützlich sein wird; aber es werden dennoch viele solcher Naturforscher sich derart zu weit verirren, daß sie den geistigen Standpunkt ganz verlieren und sich in der toten Materie herumtreiben werden, und das ist dann auch nichts Gutes mehr. 13. Es soll ein Mensch wohl in allen Dingen und Erscheinungen den wahren Grund wohl erkennen; aber er soll das aus seinem lebendigen Geiste überkommen, damit er alles im Geiste und in der vollen Wahrheit erkennt und somit dabei den geistigen Lebensgrund nicht verliert. Steht der Mensch mit seinem Erkennen auf diesem Standpunkte, so kann er mit seinen Belehrungen über alle möglichen Dinge und Vorkommnisse den Nebenmenschen auch wahrhaft und lebendig nützen, aber als ein purer Naturkundiger mehr schaden als nützen; denn was nützte es einem Menschen, so er besäße und verstünde alle Dinge der Welt, aber dabei Schaden litte an seiner Seele? Wäre ihm das dann zu etwas nütze in der andern Welt?“ Kapitel 97 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 97. — Über die materialistische Naturforschung 1. (Der Herr:) „Siehe, bei den alten Ägyptern gab es zu den Zeiten der späteren Pharaonen auch eine Menge bloß äußerer Naturforscher und Naturkundiger, und ihre geschriebenen Werke füllen noch jetzt große Säle und Schränke und Kästen! Du hättest wohl ein paar Jahrhunderte zu tun, um alle die Bücher und Rollen und Tafeln durchzulesen. Und siehe, die Seelen jener Naturkundigen setzen auch jenseits ihr Forschen und Suchen fort, fallen von einem Irrtum in den andern, lassen sich von einem Engel nicht belehren und bleiben in ihrem Wahne und suchen der Kräfte Urgrund stets in der Materie, die für sie so gut wie gar nicht da ist; denn sie zerplagen sich nur in ihrer Scheinmaterie, die nirgends anders als nur in ihrer lockeren und überleicht veränderlichen Einbildung und Phantasie besteht! 2. Daß es sich mit jenen Seelen also verhält, kannst du Mir wohl glauben; aber Ich frage da: Welcher Lebensnutzen erwächst daraus für sie? Siehe, gar keiner; denn solange sie in ihrem Wahne verharren, kann für sie ja doch wohl nie ein Lebensheil erblühen und zu einer reifen Frucht werden! Daher ist auch hier ein pures Forschen in den Dingen der Natur nur insoweit von einem vorübergehenden irdischen Nutzzweck, als sich daraus für die Menschen so manche Sachen entwickeln können, die zu weltlichen Zwecken wohl zu gebrauchen sind; aber alle noch gar vielen Erfindungen, welche in der Folge von den Naturkundigen ins Werk gesetzt werden, werden so lange das Gepräge der Unvollendetheit an sich tragen, als sie nicht von solchen Menschen ins Werk gesetzt werden, die die Kräfte der Natur der Materie nur aus dem licht- und wahrheitsvollen Geistesgrunde heraus erkennen und dadurch auch wahre Herren der gesamten Natur sind, wie ihr davon ein Beispiel an den sieben Oberägyptern gesehen habt. 3. Aber Menschen, die es einmal in der wahren Erkenntnis ihrer selbst und daraus auch in der gesamten Natur und ihrer Kräfte weit gebracht haben, werden zu ihrer diesirdischen Beschäftigung ganz etwas anderes und Besseres wählen, als sich mit der Herstellung von allerlei künstlichen und materiell nützlichen Dingen, Maschinen und Produkten abzugeben; denn geistige Menschen werden allzeit vor allem bestrebt sein, sich stets mehr Mir zu nahen und sich die Fülle des ewigen Lebens eigen zu machen. Denn nur das allein kann für den wahren Denker und Seher einen reellen Wert haben, weil es ihm ewig verbleibt, alles Diesirdische aber nur insoweit, als es ihm zur Erreichung des großen Hauptzweckes behilflich sein kann. 4. Wer da sagt: ,Siehe, ich besitze viele Güter, habe große Schätze und setze allerlei neue und kunstvolle Dinge ins Werk; denn ich verschaffe mir Künstler von allen Weltgegenden, die allerlei Dinge zu schaffen verstehen!‘, dem sage Ich aber da: Wie lange wirst du denn alles das noch dein nennen können? Siehe, morgen schon kann man deine Seele vom Leibe nehmen, und was wird sie dann von allem dem, was du nun noch dein nennest, mit hinübernehmen? Ich sage da: Gar nichts als nur das, was sie in dieser Welt irgend jemandem wahrhaft Gutes erwiesen hat! Hat sie aber das nicht, so werden ihr die hier verlassenen vielen Güter, Schätze und kostbaren Dinge jenseits eine große und schwer übersteigliche Scheidewand zwischen Meinem Reiche und ihrem Wesen aufstellen, da auf ihrer Seite viel Heulens und Zähneknirschens vorkommen wird. 5. Daher suche vor allem ein jeder von euch das wahre Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, die da besteht in der wahren und lebendigen Liebe zu Gott und in der tätigen Liebe zum Nächsten, alles andere wird, so es not tut, als eine freie Gabe hinzugetan werden. 6. Lasset die Winde wehen und die Wolken ziehen ihre Wege, und achtet auf alle die Naturerscheinungen auf dieser Erde nicht höher als auf die des inneren Lebens; denn die Früchte fürs ewige Leben werden nur aus den letzteren hervorwachsen. Und so hätten wir auch über diesen Punkt zur Genüge geredet, und ihr werdet Mich auch verstanden haben.“ 7. Sagte Markus: „Ja, Herr und Meister, was Du nun geredet hast, haben wir sicher alle verstanden, und Du hast in dieser Deiner Belehrung abermals dargetan, daß Du der alleinige Schöpfer, Herr, Erhalter und Leiter aller Dinge in der Sinnen- und Geisterwelt bist. Ich bin Dir dafür abermals von neuem zu allem Dank für ewig hin verpflichtet. Nun wissen wir einmal ganz, was unsere Erde für eine Gestalt hat, und was sie ist und wie beschaffen. 8. Wir haben zwar von Dir wohl auch schon auf dem Berge und bei der großen Darstellung der sechs Schöpfungsperioden die Erde sehr großartigst enthüllt bekommen; aber nun haben wir über ihren gegenwärtigen Stand eine ganz klare und richtige Ansicht bekommen, und die ist für uns auch von großer Wichtigkeit. Wir werden nun davon mit der Zeit und durch unseren Einfluß auf den Unterricht der Jugend es doch dahin bringen, daß man die Erde nicht mehr für einen großen Länderkreis, sondern für eine große Kugel halten wird, und daß der Tag und die Nacht nicht durch den täglichen Umlauf der Sonne um die Erde, sondern nur durch die selbständige Umdrehung der Erde um ihre Mittelpunktsachse in der Zeit von 24-25 unserer Stunden bewirkt wird. Oh, das ist ein gar großer Vorteil für unser wahres Fortbildungssystem, und wir werden uns auch alle Mühe geben, daß zunächst unsere Kinder in allem zu einer möglichst richtigen Bildung gelangen werden.“ Kapitel 98 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 98. — Die Wachsamkeit der Seele 1. Als Markus diese Worte gesprochen hatte, da wurde gen Südwesten eine Feuerröte ersichtlich, die hinter einem Berge aufstieg. 2. Alle fragten Mich, was dies wäre und zu bedeuten hätte. 3. Ich aber sagte: „Freunde, da ist es kaum der Mühe wert, einer solchen ganz gemein natürlichen Erscheinung eine geringste Aufmerksamkeit zu schenken! Auf dem hinteren Teile jenes eben nicht zu hohen Berges haben Schafhirten eine Menge dürres Holz am Tage zusammengebracht und haben es nun, da es schon ganz dunkel geworden ist, angezündet, und das verbrennt nun und wird auch bald ganz verbrannt sein. Darin besteht die Bedeutung dieser Erscheinung.“ 4. Sagte Agrikola: „Da ist wahrlich nicht viel daran zum Besten der Menschen!“ 5. Sagte Ich: „Das sicher nicht; aber die Pharisäer haben dieses Feuer von Jerusalem aus doch auch bemerkt und werden schon allerlei Deutungen daraus zu machen verstehen. Es ziehen über jenes Gehügel nun Reisende nach Tyrus hinauf und werden auf dem Rückwege Jerusalem besuchen, und durch sie werden die Pharisäer wieder Lügen gestraft werden, und das wird noch die beste Wirkung dieser Erscheinung sein. 6. Aber nun sind im Hause unsere Köchinnen auch schon mit dem Nachtmahle fertig; diese Nacht wird uns wenig Sehenswertes mehr bieten, und so wollen wir uns denn auch ins Haus begeben und darin das Nachtmahl verzehren!“ 7. Als Ich solches noch kaum ausgesprochen hatte, da kam auch schon ein Diener aus dem Hause und benachrichtigte uns, daß das Nachtmahl bereitet sei; und wir gingen denn auch sogleich ins Haus, setzten uns zu Tische und nahmen die wohlzubereiteten Fische zu uns, und so das Brot und den Wein. Alles war heiteren Mutes, weil auch Ich heiteren Mutes war. 8. Die Maria von Magdalon erzählte der Maria und Martha mehrere Geschichten von den Templern, und wie sich diese alle Mühe gegeben haben, sie zu verführen und auf ihre Seite zu bringen, und welch große Geschenke sie ihr dargebracht haben. Sie aber gedachte: ,Das können die Armen brauchen‘; und so habe sie denn auch rein nur der Armen wegen der Sündgier der Templer Gehör gegeben. Aber selbst diese Art, sich zur Sünde verleiten zu lassen, war für sie vom Übel; denn sie sei bald von sieben bösen Geistern in Besitz genommen worden, und da habe sie gar viel auszustehen und zu leiden gehabt. Und sie erzählte da so manches noch aus der Zeit ihres Leidens und auch, wie eben Ich sie von jenen argen Geistern erlöst habe, bei welcher Gelegenheit sie sich auch wieder an Mich in aller Liebe in Herzensinbrunst wandte. 9. Ich aber beruhigte sie und behieß sie nun zu essen und zu trinken. 10. Hierauf fragte Mich Markus wieder, ob die aus dieser Maid vertriebenen argen Geister auch von der Art waren wie jener in Illyria. 11. Sagte Ich: „Allerdings; denn nur solche noch höchst materiellen Geister oder, hier besser gesagt, Seelen tun solches, wenn sie dazu eine Gelegenheit bekommen. Wie sich aber derlei Gelegenheiten ergeben, das habe Ich euch insoweit, als es euch zu wissen nötig war, gezeigt. Und so wollen wir auch nichts Weiteres darüber verhandeln; denn Ich wollte Mir hier mehr Ruhe gönnen, als das auf dem Ölberg der Fall war. Aber sehet da, Ich bekam hier mit euch mehr zu tun als auf dem Ölberg an irgendeinem Tage. Doch es macht das nun nichts; denn solange es Tag ist, soll man auch arbeiten; kommt dann die Nacht und die Finsternis, in der sich nie gut arbeiten läßt, so kann man sich erst die Ruhe gönnen. Wer aber in der Nacht ruht, der schlafe nie zu fest, damit er vernehmen kann, ob etwa Diebe in sein Haus dringen, die des Tiefschläfers Habe sich zueignen wollen!“ 12. Sagte hier Petrus: „Herr und Meister, wenn man einmal des Abends von der oft schweren Arbeit und Mühe sehr schlafmüde wird, dann ist es wohl sehr schwer, sich selbst im Schlafe zu überwachen. Wie möglich soll ein Mensch das anstellen?“ 13. Sagte Ich: „Also wohl freilich nicht, wie du es verstanden hast; aber so ein Mensch dem Leibe nach auch noch so fest schläft, so wacht doch seine in Mir starke Seele, und diese wird den Leib, wenn es not ist, schon erwecken. 14. Darum eben aber habe Ich solches zu euch nun geredet, auf daß ihr eure Seelen rein erhalten sollet; denn eine unreine Seele ist am Ende so materiell wie ihr Leib und kann nicht wachen über denselben, da auch ihr innerer Geist über die festschlafende Seele nicht wachen kann, weil sie von seinem Einfließen nichts vernehmen kann und mag.“ 15. Sagte nun Thomas: „Herr und Meister, wir wissen es wohl, daß unsere Seelen noch lange nicht zur Genüge rein sind, aber was sollen wir tun, damit sie nach Deinem Wohlgefallen rein werden möchten?“ 16. Sagte Ich: „Nun, das habe Ich euch wohl schon gar oftmals gesagt und gezeigt! Tut nur allzeit danach, und das Feuer eurer Liebe zu Gott und zum Nächsten wird euren Seelen schon ehest das verschaffen, was ihnen noch irgend abgeht! So Ich erst aufgefahren sein werde und über euch ausgießen werde Meinen Geist, dann auch werden eure Seelen rein werden wie ein reines Gold; aber bis dahin verharret in aller Liebe und rechter Geduld!“ 17. Mit dem waren die Jünger zufrieden und fragten Mich um nichts Weiteres mehr an diesem Abend. Kapitel 99 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 99. — Erfüllte und unerfüllte Weissagungen. Die Willensfreiheit des Menschen und die Allwissenheit Gottes 1. Es fragte Mich aber nun einer der Pharisäer, der auch sein Weib und seine Kinder in Bethanien hatte: „Herr und Meister, würdest Du mir gram werden, so ich hinginge, zu begrüßen mein Weib und meine Kinder?“ 2. Sagte Ich: „O mitnichten, aber siehe da diese Meine ältesten Jünger; sie haben daheim auch Weiber und Kinder, und keiner fragt Mich wie du nun! Ich aber sage es dir nun und so auch euch allen: Wer da irgend in der Welt noch eines oder das andere mehr liebt als Mich, der ist Meiner nicht wert, und wer einmal seine Hand an den Pflug legt und sich nach rückwärts, das heißt nach dem, was der Welt ist, umsieht, der ist noch nicht geschickt zum Reiche Gottes. Meinst Du wohl, daß darum dein Weib und deine Kinder versorgter sein werden, so du sie in dieser Nacht noch sähest und sprächest? – Das ist nun so Meine Meinung; übrigens steht es dir vollkommen frei, zu tun, wie es dir gut dünkt.“ 3. Als der Pharisäer solches von Mir vernommen hatte, da hatte er auch keine Lust mehr, nun am späten Abend sein Weib und seine Kinder zu besuchen und blieb ganz ruhig am Tische sitzen. 4. Es fragte Mich aber nun ein anderer aus der Zahl der Judgriechen, der auch ein Pharisäer war, sagend: „Herr und Meister, Du weißt schon von Ewigkeit her in Deinem Geiste, was Du am morgigen Tage alles tun und unternehmen wirst! Manchmal hast Du uns das schon frei von Dir aus angezeigt, und so kann es nun ja auch nicht etwa gar zu weit gefehlt sein, so ich Dich nun darum frage, was Du etwa am morgigen Tage alles unternehmen wirst.“ 5. Sagte Ich: „So es dir und den andern not täte und dienlich wäre, da würde Ich es euch auch schon sagen, was Ich morgen alles unternehmen werde; aber weil das eben nicht der Fall ist, so sage Ich es euch auch nicht. 6. Es ist aber für den Menschen eben nicht gut, so er zu viel voraus weiß, was in der Zukunft als bestimmt geschehen wird; denn das würde die Menschen entweder zur Verzweiflung bringen oder sie am Ende ganz lau und untätig machen. 7. Und auf dieser Erde, auf der die Gotteskinder erzogen werden, geht es mit dem Weissagen über die Zukunft auch unmöglich mit einer solchen Bestimmtheit, wie das auf irgendeinem andern Weltkörper der Fall sein kann; denn bei der vollen Freiheit des Willens der Menschen dieser Erde kommt es ja zuallernächst darauf an, was die Menschen selbst wollen, und wie sie nach ihrem Erkennen und Willen handeln. 8. Wenn Ich nun sagete: ,Du magst nun erkennen, wollen und handeln, wie du willst, so wird als ganz bestimmt doch nur das geschehen, was Ich da will und dir verkünde!‘, ja, wenn es also wäre, da wäre Ich wahrlich ganz zwecklos zu euch Menschen von den Himmeln herabgekommen, und alle Meine Lehre an euch wäre eitel! 9. Ja, Ich sage noch mehr: Wenn in der sittlichen und staatlichen Hinsicht nur das geschehen müßte, was Ich euch verkünde, und zwar unabänderlich, so hättet ihr Menschen keine höhere Bestimmung als die Tiere; und wozu hättet ihr dann eure Vernunft, euren Verstand und eure Liebe und aus ihr den vollkommen freien Willen? Ich kann euch nur dahin als ganz bestimmt zum voraus sagen, daß über euch dies oder jenes kommen wird, wenn ihr so oder so wollet und handelt; aber wenn Ich je einem Volke oder auch nur einem Menschen als ganz bestimmt zum voraus anzeigen würde, daß dies oder jenes als ganz bestimmt geschehen werde, so wäret ihr nicht bestimmt, Kinder Gottes zu werden, und Ich wäre in Meinem Geiste nicht euer Vater. 10. Gehet zurück auf alle Propheten, die zukünftige Dinge geweissagt haben, ob je einer etwas als unabweichbar Kommendes geweissagt hat! Ein jeder hat seine Weissagung nur stets unter gewissen Bedingungen aufgestellt, die sich stets auf die Besserung oder Verschlimmerung der Menschen bezogen. Nur Meine Fleischwerdung ist den Menschen als ganz bestimmt ohne ihr Wollen und Handeln geweissagt worden zu ihrem Heile, darum sie auch pur Mein Werk ist; obschon sie aber das ist, so lasse Ich aber nun dennoch einen jeden, der es nur will, teilnehmen an diesem Meinem größten Werke. 11. Jonas mußte, von Meinem Geiste getrieben, zu den Niniviten gehen und ihnen ihren Untergang verkünden, so sie in ihrer Bosheit verharren würden. Er tat es ungern, da er als ein Prophet wohl wußte, daß Meine Vorausanzeigen stets auf Bedingungen gestellt sind. Das Volk von Ninive aber besserte sich, und das Tatsächliche Meiner Androhung blieb natürlich aus, was selbst den Jonas ärgerte. 12. Ähnlich verhielt es sich mit dem Propheten Jeremias, einem Sohne Hilkias, aus den Priestern zu Anathot im Lande Benjamin, den Ich berufen hatte zur Zeit Josias, des Sohnes Amons, Königs von Juda, in seinem dreizehnten Regierungsjahre, und so auch zur Zeit des Königs Jojakim, Josias Sohn, und bis ans Ende des elften Jahres Zedekias, auch eines Sohnes Josias, Königs von Juda, und bis aufs Gefängnis Jerusalems im fünften Monde. Ja, dieses Propheten Weissagung ist vielfach in Erfüllung gegangen, und die Gefangenschaft erfolgte, aber nicht deshalb, weil Ich es den damaligen Meiner ganz vergessen habenden Juden durch den genannten Propheten hatte voraus verkünden lassen, sondern weil die Juden sich nicht besserten, den Propheten nur verlachten und beschimpften und am Ende sogar verfolgten, daß er selbst unwillig ward und alles Geschriebene vertilgte, und Ich ihn dann von neuem alles wieder niederschreiben hieß und ließ. 13. Die Juden waren sonach selbst schuld, daß an ihnen zum größten Teile das zum leidigen Vollzug kam, was ihnen angezeigt wurde. Aber an vielen Juden, die sich wahrhaft gebessert hatten, ging der böse Teil der Weissagung des Jeremias nicht in Erfüllung, sondern nur der gute. 14. Und so zerfällt auch alles, was Ich euch geweissagt habe und noch weissagen werde, von selbst begreiflich notwendig in zwei Teile, und das entweder im Eintreffen des Schlimmen oder im Eintreffen des Guten; also wird auch die Zeit nie als fest angegeben, sondern sie richtet sich stets ganz nach dem Wollen und Handeln der Menschen! Denn wie könnte Ich zu einem noch so entarteten Volke sagen: ,Weil du so sehr arg geworden bist und nicht geachtet hast Meine ernsten Mahnungen an dich, so sollst du, von heute an gerechnet, mit Blitz und Donner und Pech und Schwefel vom Himmel in sieben Tagen von der Erde vertilgt werden!‘, – das Volk aber nähme sich das sehr zu Herzen, täte Buße in Sack und Asche und kehrte sich zu Mir?! Werde Ich bei einem solch bewandten Umstande auch noch am siebenten Tage Meine Androhung in Vollzug setzen, weil Ich Selbst sie verkündet habe? O nein, – sondern Ich werde Mich des in sich gegangenen Volkes erbarmen und werde es segnen und nicht züchtigen! 15. Ihr habt die Zeichen gesehen und wisset, was Ich Selbst über die Zukunft Jerusalems geweissagt habe, aber darum ist davon noch keine Folge, daß das auch als ganz unabänderlich bestimmt eintreffen müsse, sondern es wird das alles vom Wollen und Handeln der Juden und Templer abhängen!“ 16. Sagte hier der Pharisäer: „Aber Herr, Du mußt es doch für Dich als ganz bestimmt voraussehen, ob sich die Juden und Templer bessern oder nicht bessern werden, und danach dann auch sagen, daß über sie das angezeigte Gericht entweder nicht kommen oder für bestimmt kommen wird!“ 17. Sagte Ich: „Ja, so denkst du als ein Mensch, – aber Ich denke da ganz anders. Hast denn du noch nie in der Schrift gelesen hier und da, wo es hieß: ,Und Gott hatte von diesem Volke sein Gesicht abgewandt.‘? Was will aber das sagen? Siehe, das will soviel sagen: Ich sehe, so Ich ein Volk ein-, zwei-, drei- bis sieben Male ermahnt habe, dann nicht mehr darauf, was es will, und was es dann tut; kurz und gut, das Volk oder auch ein jeder Mensch für sich kann da wollen und tun, was ihm beliebt, und Ich nehme von nichts Kenntnis und Wissenschaft bis entweder zu seiner vollen Besserung oder bis zu seinem Sündenvollmaße. Wie dann das Volk oder auch ein Mensch will und handelt, so wird es ihm auch werden! Denn Ich habe das auf der Erde schon so eingerichtet, daß auf jede Handlungsweise der Menschen der sichere Erfolg von selbst kommen muß. 18. Und so denn wird auch der morgige Tag kommen, ohne daß Ich euch nun zu weissagen brauche, wie er aussehen wird. Wenn auch zuzeiten reine Lichtgeister den Menschen etwas weissagen werden, so wird es doch auch bei dem verbleiben, was Ich euch nun gesagt habe, und was eure Vernunft als allein wahr erkennen muß. Da wir aber heute zur Genüge über Verschiedenes verhandelt haben, so wollen wir uns nun auch einmal wieder zur Ruhe begeben und unsere Eingeweide durch den Schlaf stärken.“ 19. Darauf erhoben sich alle und begaben sich dahin, wo ihre Ruhestätten für sie bereitet waren. Ich aber blieb auf Meinem Ruhestuhl im Saale bis zum Morgen. Kapitel 100 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 100. — Sitten und Gebräuche 1. Nachdem sich in dieser Nacht ein jeder ganz wohl ausgeschlafen und ausgeruht hatte, standen samt Mir alle schon mehr denn eine Stunde vor dem Aufgange der Sonne auf und wuschen sich nach der Sitte der Juden; die Römer aber wuschen sich nach ihrer Sitte mit wohlriechenden Wässern und bestrichen sich hernach mit ebenfalls wohlriechendem Öl, das natürlich einen großen Wohlgeruch in den Zimmern des Hauses verbreitete. 2. Da traten einige Jünger zu Mir und sagten: „Herr, diese haben wohl unseren Glauben und unsere Überzeugung angenommen, aber in ihren heidnischen Gebräuchen scheinen sie dennoch verbleiben zu wollen! Diese ihre Wässer, Öle und Salben mögen sehr kostspielige sein, und da wäre es für sie ja auch dienlicher, sich gleich uns nur mit purem und frischem Wasser zu waschen und das viele Geld, das ihre Wässer, Öle und Salben sicher kosten, für die Armen zu verwenden!“ 3. Sagte Ich: „Wer den Armen das tut, was diese Römer tun, der hat auch das Recht, so er dazu des Vermögens in hinreichender Menge besitzt, auch seinen Leib zu pflegen nach der Art und Weise, wie er schon von Kindesjahren an gewöhnt worden ist; denn ihnen ist das zu einem so natürlichen Bedürfnisse geworden wie euch das reine und frische Wasser. Ich aber sehe nicht darauf, ob und womit jemand seine Haut gereinigt und belebt hat, sondern nur allein darauf, ob er gewaschenen und reinen Herzens vor Mir ist. 4. Daher, so ihr den Völkern Mein Evangelium verkünden werdet, sollet ihr sie auch belassen in ihren Leibespflegesitten; denn es genügt für einen jeden, daß er an Mich und Meinen Namen glaubt und nach Meiner Lehre lebt; seinen Leib aber soll er nähren und pflegen, wie er das von Kindheit an gewohnt war, damit er nach seiner Art frisch und gesund verbleiben kann. 5. Kurz und gut, was ihr sehet, das Ich dulde, das duldet auch ihr! Was Ich aber zu jedermanns Seelenheile euch angeraten habe, das ratet auch ihr – ohne euch zu ärgern, ob es jemand annimmt oder auch nicht annimmt – denen an, zu denen ihr von Meinem Geiste geführt werdet! 6. Auch ihr sollet essen und trinken, was euch irgend auf den Tisch aufgesetzt wird, und sollet nicht Wesens machen mit dem materiellen äußeren Judentum, das vor Mir keinen Wert hat, sondern handeln nach dem Geiste des wahren, inneren und lebendigen Judentums, so werdet ihr Meine wahrhaftigen Jünger sein, und Ich werde ein Wohlgefallen haben an euch und euren Werken und werde unter euch im Geiste verbleiben bis ans Ende der Zeiten dieser Erde! – Habt ihr Mich verstanden?“ 7. Sagte einmal Johannes: „Herr, Du sagst immer: ,Bis ans Ende der Zeiten dieser Erde!‘ Gut, wenn aber diese aus sein werden, was wird denn dann werden für die ganze Ewigkeit, und werden wir denn bis ans Ende der Zeiten dieser Erde hier verweilen und stets allen Völkern der Erde Dein Evangelium predigen müssen?“ 8. Sagte Ich mit freundlicher Miene zu Meinem Lieblinge: „Aber bist du noch manchmal voll kindischen Sinnes und Verstandes! Ihr werdet der leiblichen Persönlichkeit nach auch nicht länger auf dieser Erde zu leben haben wie irgendein anderer ordentlicher und gesunder Mensch; aber ihr werdet teils fortleben geistig wirkend in allen jenen, die euch in Meinem Namen nachfolgen werden, – andern Hauptteiles nach aber werdet ihr ewig fortleben bei Mir in Meinen Himmeln und werdet von da aus mehr denn jetzt einfließen und einwirken können auf die Menschen dieser Erde, die vor allem aus euch schon bekannten Gründen die Bestimmung haben, Meine Kinder gleich euch zu werden. 9. Bis aber das eigentliche Ende der Zeiten dieser Erde kommen wird, das wird für euch bis jetzt noch unbegreifbar lange währen! Denn siehe, alle Materie dieser Erde besteht aus gerichteten und erst frei zu machenden Seelen. Rechnet ein Atom Materie auf die Substanz einer Seele und daß auf ein Jahr nur 10000 mal 10000 Seelen aus dem Gerichte der Materie erlöst werden können auf dem Wege, den Ich euch schon zu öfteren Malen gezeigt habe – und das aus dem Grunde, weil auf dem Boden der Erde mit solch einem jährlichen Zuwachs von einer so großen Menschenzahl nicht mehr Seelen bestehen können –, so werdet ihr wohl einsehen, daß die Erde noch hübsch lange, wennschon noch unter manchen Veränderungen, auch in der materiellen Beziehung fortbestehen wird. 10. Dazu aber kommt noch, daß die Materie der Erde aus der Sonne und aus dem sie umgebenden Äther stets von neuem eine Vermehrung erhält, die freilich geringer ist, als was das jährliche Erlösungsquantum ausmacht, und sogestaltig werdet ihr es noch um so mehr einsehen, in ein wie sehr langes Dauern der Bestand dieser Erde bis in ihre letzten Zeiten noch hinausgeschoben ist. Allein, alles das ist also von Mir schon von Ewigkeit her verordnet, und die Zeit kommt nur dem noch die Last des Fleisches tragenden Menschen langewährend vor; in Meinem Reiche aber werdet ihr die Zeit und ihre Dauer mit ganz andern Augen und mit einer ganz andern Einsicht und Weisheit betrachten. – Sehet, so stehen die Sachen! 11. Aber nun gehen wir wieder ins Freie hinaus! Denn es werden nun bald alle Anwesenden aus ihren Gemächern in diesen Saal kommen; Ich aber will Mich zuvor mit euch wenigen schon im Freien befinden.“ 12. Als Ich das mit den etlichen Meiner alten Jünger gesprochen hatte, und zwar mit Petrus, Johannes, Andreas, Jakobus und Matthäus, da kam auch unser Lazarus zu uns, begrüßte Mich und fragte Mich, wann Ich das Morgenmahl einnehmen möchte. 13. Und Ich sagte: „Bald nach dem Aufgange (Sonnenaufgang), da Ich Mich dann bis auf den Abend hin nach einem Orte hinbegeben werde, von dem wir dann erst am Abend hierher wiederkehren werden; den Ort selbst aber, den wir besuchen werden, werdet ihr schon nachher erfahren!“ 14. Als Lazarus das vernahm, da ging er hinaus und ordnete alles an; Ich aber ging mit den etlichen Jüngern sogleich ins Freie, und Lazarus kam mir bald nach. Kapitel 101 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 101. — Der Kranichzug 1. In einer Entfernung von etwa tausend Schritten von dem Städtchen Bethanien befand sich ein freier Hügel, der auch zum Besitztum des Lazarus gehörte. Auf diesen gingen wir zu und bestiegen ihn auch bald und leicht, da er eben nicht gar zu hoch war; aber da er ganz frei dastand, so gewährte er eine herrliche Rundschau, und man sah von ihm aus auch ganz gut bis nach Jerusalem. 2. Als wir uns ganz auf der Höhe befanden, da ersahen wir von Nordwesten her einen starken Zug Kraniche in der Luft kommen, und Lazarus meinte, daß dies eine seltene Erscheinung sei, diese Vögel so frühmorgens weiterziehen zu sehen; denn gewöhnlich ziehen sie erst um den Mittag herum, am meisten aber in den Nachmittagsstunden. Es müßte das etwas ganz Besonderes bedeuten; denn diese Vögel haben einen gar scharfen Instinkt und fühlen schon tagelang ein ihnen drohendes Ungemach in der Natur, wo sie sich aufhalten ihres Unterhaltes wegen, machen sich zur Reise bereit, und auf ein gegebenes Zeichen ihres Führers erheben sie sich auf einmal und ziehen einem andern sicheren Orte zu. 3. Sagte Ich: „Da hast du die Natur dieser Vögel wahrlich recht wohl beobachtet, und es ist das diesen Vögeln gegeben; aber hier zeigen sie mitunter auch etwas anderes an. Würdest du in der alttreuen Kunde der Entsprechungen zwischen der Geister- und Sinnenwelt wohlbewandert sein, was du schon noch werden wirst, so würdest du die eigentliche Bedeutung dieses morgendlichen Kranichfluges auch ganz verstehen; so aber verstehst du nur das, was du durch die Erfahrung der Natur dieser Vögel entnommen hast. 4. Gebet aber nun wohl acht darauf, was diese sonst äußerst vorsichtigen Vögel machen werden, so sie gerade über uns hinwegfliegen werden!“ 5. Hierauf ward von uns der Flug dieser Vögel scharf ins Auge gefaßt, wie er sich in der schönsten Ordnung uns nahte. Es waren an hundert Vögel in der langen Reihe, und genau sieben bildeten die kurze Winkelreihe, die allzeit aus den alten, kräftigen und gewisserart erfahrenen männlichen Führern besteht. 6. Als der Kranichzug über unseren Häuptern schwebte, mindestens bei vierhundert Mannshöhen hoch, da machte er halt, die Reihe löste sich auf, und die hundertsieben Kraniche fingen an, in Kreisen zu fliegen, und senkten sich niederer und niederer und das so lange, bis sie kaum sieben Mannshöhen hoch über uns herumkreisten und uns durch ihren eben nicht sehr wohlklingenden Gesang gewisserart die Ehre bezeigten. Dieses dauerte ein paar Minuten lang, und die Vögel senkten sich dann unter den Hügel in die Ebene hinab, auf der sich ein ziemlich großer Teich befand, in welchem Lazarus fürs Haus die Fische zog, die freilich nur zu den gewöhnlichen gehörten. In diesem Teiche nahmen die Vögel Wasser zu sich, soviel sie dessen zu ihrem Weiterflug bedurften. Als sichtlich alle damit versorgt waren, da gaben die sieben Ältesten das wohlerkennbare Zeichen zum Aufbruch, und alle Vögel erhoben sich wie mit einem Schlag in die Luft, machten aber vor ihrem gänzlichen Abflug noch einmal etliche Kreisflüge um den Hügel, auf dem wir uns befanden. Darauf aber hoben sie sich, in Kreisen fliegend, schnell zur ursprünglichen Höhe, stellten daselbst sogleich die frühere Linienordnung her und zogen dann gen Nordost; erst in einer ziemlichen Ferne veränderten sie ihre nordöstliche Fluglinie in eine südöstliche und kamen uns außer Sicht. 7. Hier sagte abermals Lazarus: „Herr und Meister, wenn man das mit der rechten Aufmerksamkeit betrachtet, so ist es auch ein vollkommenes Wunder!“ 8. Sagte Ich: „Wie möchtest du Mir das wohl erklären bloß so aus deinem Gemüte?“ 9. Sagte Lazarus: „Herr und Meister! Wie es sich ganz natürlich zeigte, so war es auch schon in dem bloß natürlichen Verhalten ein Wunder; denn diese Vögel sind gar sehr klug und scheinen gar wohl zu wissen oder stark zu fühlen, daß wir Menschen, und namentlich wir Juden, eben nicht zu ihren Freunden zu zählen sind, und so ist es auch noch nie erhört worden, daß eben diese Vögel sich einer Anzahl Menschen je so freundlich genaht haben. 10. Bei den Griechen, die diesen Vögeln eine Art von göttlicher Verehrung bezeugten, soll das eben nicht zu selten der Fall gewesen sein, daß diese Vögel sich ihnen in einer vielleicht ebenso freundlichen Weise genaht haben, wie das nun hier der Fall war; aber, wie gesagt, bei uns Juden ist das noch nie der Fall gewesen, wenigstens meines Wissens und meiner Erfahrung nach nicht. Und so halte ich das für ein wahres Wunder! Denn diese klugen Vögel haben es gemerkt, wer sich nun hier auf diesem Hügel befindet – nämlich auch ihr Herr und Schöpfer –, und das bewog sie, sich von der großen Flughöhe bis in die nächste Nähe dieses Hügels herabzulassen, um hier gewisserart nach ihrem Instinkt und nach ihrer Empfindung ihren Schöpfer und Herrn zu begrüßen und zu beehren. 11. Mein Teich hat zudem auch noch niemals die Ehre gehabt, daß sich Kraniche, die nur ein reinstes Seewasser zu ihrem Trank nehmen, von seinem etwas trüben Wasser Labung genommen hätten; sie mußten also wohl geahnt haben, daß Du mit Deinem heiligen und allmächtigen Willen geheim das Wasser des Teiches gesegnet und für sie gekräftigt hast. Sie empfanden das sicher wohl, daher erhoben sie sich nach eingenommenem Wasser und umkreisten abermals jubelnd diesen Hügel, Dir gewisserart den Dank für die Wassersegnung darbringend, und erhoben sich erst nach Dir dargebrachtem Danke jubelnd zu ihrer ersten Flughöhe und setzten, also von Dir gestärkt, ihren wohlgeordneten Flug weiter fort. 12. Daß sie von hier nicht gleich in der südöstlichen Richtung ihren Flug fortsetzten, davon scheint wohl mehr ihr scharfer, nahe an unsere Vernunft grenzender Instinkt der Grund gewesen zu sein. Denn in solcher Richtung wären sie dem Toten Meere etwa zu nahe gekommen, dessen weithin reichende böse Ausdünstung ihnen leicht einen Schaden hätte zufügen können. Sie nahmen darum ganz weise, könnte man sagen, anfangs die nordöstliche Richtung, und als sie außer aller Gefahr, die ihnen etwa in der größeren Nähe des bösen Meeres gedroht hätte, sich befanden, dann erst schlugen sie jene Richtung ein, nach der sie sicher gefahrlos an den Ort ihrer Bestimmung gelangen konnten. 13. Das ist nun nach meiner ganz natürlichen Beobachtung und Ansicht sicher ein wahres Wunder vor den Augen eines jeden Menschen, der von Jugend an gewohnt war, alle Erscheinungen in der Naturwelt mit schärferen Blicken und auch mit einem tätigeren Verstande zu beobachten, als das die gewöhnlichen Weltweisen zu tun pflegen und eigentlich zu tun imstande sind. – Habe ich recht geredet, o Herr und Meister?“ 14. Sagte Ich: „Ja, ja, du Mein lieber Freund und Bruder, du hast diese Sache sehr wohl und gut aufgefaßt; denn also verhielt sich diese Sache auch, bloß von einem natürlichen Standpunkte aus betrachtet. Aber hinter dem steckt freilich eine noch um gar unglaubbar tiefere Weisheit, die aber nur der erkennen kann, der sich in einem inwendigen geistigen Schauen und Fühlen befindet und den Tod seiner Materie insoweit wohl besiegt hat, inwieweit er in die Seele noch hinüberragte und sie ängstigte. 15. Damit ihr alle hier seienden wenigen aber auch davon absonderlich zum voraus einige Winke habt, so will Ich sie euch geben, bevor uns noch die andern finden werden; und so vernehmet Mich denn!“ Kapitel 102 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 102. — Die geistigen Entsprechungen des Kranichzuges 1. (Der Herr:) „Seht, alles in der Naturwelt, was sich da in allen ihren drei Reichen befindet, und alle noch so unbedeutenden Erscheinungen sind Schrift und Sprache für die erleuchtete Seele des Menschen. Und so war und ist es auch der von uns beobachtete Kranichflug. Daß diese Vögel Mir hier eine gewisse Ehrerbietung bezeigten, das ist ganz sicher; aber es wäre unvernünftig anzunehmen, daß diese Tiere Mich irgend erkannt hätten. Die Sache verhält sich da ganz anders, und das euch vollends wunderbar Vorkommende kehrt ins ganz getreu Natürliche zurück. 2. Seht, ein jeder Mensch hat als ein geistig, seelisch und naturkörperlich lebendes Wesen ebenso eine Außenlebensatmosphäre um sich, wie sie ein jeder Weltkörper, jeder einzelne Stein wieder eigens für sich und so ein jeder Baum und jedes Gewächs nach seiner Art und also auch ein jedes Tier hat; denn ohne solch eine Außenlebensatmosphäre könnte weder eine Erde noch ein Stein, noch ein anderes Mineral, noch ein Gewächs und ein tierisch lebendes Wesen bestehen. 3. Daß sich die Sache aber also verhält, könnet ihr einer von euch schon sicher oft erprobten Erfahrung entnehmen, daß ihr zum Beispiel in einem Eichenwald sicher von einer ganz anderen Empfindung bemeistert werdet als in einem Zedernwalde. Ein ganz anderes Gefühl bemächtigt sich des Menschen, wenn er sich auf einem Kalkfelsen befindet, und ein anderes auf einem Granitfelsen; ein anderes Empfinden hat der aufmerksame Mensch in einem Weinberge und ein anderes in einem Garten mit Feigenbäumen; und dasselbe wandelbare Gefühl hat der Mensch bei der Annäherung verschiedener Tiere und noch mehr bei der Annäherung verschiedener Menschen. Ein sehr fühlender Mensch empfindet das schon oft auf eine beträchtliche Ferne und fühlt es, ob ihm ein guter oder ein böser Mensch begegnen wird. 4. Und sehet, das empfinden auch die Tiere, und manche um vieles schärfer als irgendein materieller und wenig über Gutes und Wahres denkender Mensch. 5. Ist ein Mensch von einer vollendet guten Art, und ist er in seiner Seele von göttlichem Geiste erfüllt, so wird seine Außenlebensatmosphäre auch stets kräftiger und in weite Fernen hin zu reichen anfangen. Wenn solch einem Menschen sich dann auch selbst die reißendsten Tiere nähern, so werden sie von seiner Außenlebensatmosphäre durchdrungen und gesänftet, werden sich ihm voller Freundlichkeit nähern und ihm nichts zuleide tun, und er wird ihnen sogar mit seinem Willen gebieten können, und sie werden sich ihm gehorsam erweisen. 6. Beispiele von der Wahrheit des Gesagten findet ihr bei den Urvätern der Erde, bei den Patriarchen und bei den Propheten; und in dieser Zeit habt ihr das schon selbst an Meiner Seite gar vielfach erprobt. 7. Nun, Ich Selbst sicher am meisten und auch ihr mit Mir haben wohl sicher die am allerweitesten über uns selbst hinausreichende Außenlebensatmosphäre von höchster Kraft, Güte und Vollkommenheit! 8. Die von uns gesehenen Kraniche, die sich den Sommer hindurch in den nördlicheren Sümpfen und kleinen Seen Griechenlands aufhielten, sind nun im Herbst in die Zeit ihrer Wanderung gekommen, die ihnen ihr scharfer Instinkt anzeigt. Diese uns aus den nächsten Sümpfen daher zur Sicht gekommenen Kraniche haben unsere Außenlebensatmosphäre auch am allerersten und am allermeisten empfunden und sind ihrem Zuge nachgeflogen. Als sie vollends hierher gekommen sind, wurden sie auch von einem mächtigen Wohlgefühl derart bemeistert, daß sie denn haltmachten und sich in unsere völlige Nähe herabsenkten und hier, um uns kreisend, in einer großen Wonne schwelgten. Sie wurden wie ganz gesättigt und nahmen darum auch das Wasser, – erstens, um sich den Durst zu stillen, und zweitens, um für ihren Weiterflug einen Vorrat zu haben, da ihre Reise bis in die großen Ebenen Indiens bestimmt ist. 9. Sehet, was ihr denn nach eurer Meinung an den Kranichen als Wundersames zu beobachten glaubtet, war im Grunde etwas ganz Natürliches, das aber freilich nun nur Der erkennen kann, der die gesamte Einrichtung aller Kreatur wohl kennt! 10. Es ist das alles zwar auch ein Wunder, aber kein Wunder einer solchen Art, die eigentlich von der blinden Menschheit als ein Wunder angesehen wird also, als wäre so ein Wunder eine Art göttlicher Magie, sondern ein Wunder für den im Geiste geweckten Menschen von ganz natürlicher Art. 11. Sollte nun etwa noch ein zweiter Kranichzug in einer Stunde nachkommen, so werdet ihr an ihm ganz die gleiche Erscheinung erleben, sie aber auch besser begreifen als die erste. 12. Aber was besagt denn solch ein Kranichflug durch die Schrift und Sprache der inneren geistigen Entsprechung? Wer kann das Bild lesen und es im Worte treu und wahr und verständlich aussprechen? – Sehet, das ist eine ganz andere Frage, die sicher schwerer zu beantworten ist denn das, was ihr aus der Erscheinung als ein pures Wunder zu sein des Glaubens waret! 13. Diese Vögel bewohnen nur reine Sümpfe in der Nähe von Seen, die ein reines Wasser haben; in stinkenden und faulen Pfützen wird man sie schwerlich je antreffen. Ihre Nahrung sind gesunde und lebendige Fischlein und auch anderes reines Seegewürm. 14. Nun, das reine Wasser bezeichnet in der geistigen Entsprechung reine und durch nichts mehr getrübte Erkenntnisse der vollen Wahrheit aus den Himmeln. 15. Diese Tiere stellen demnach die Menschen dar, die stets bemüht sind, nach reinen Erkenntnissen zu trachten und ihre Seele mit den lebendigen reinen Fischlein (lebendiges Wort aus Gott) und reinem Gewürm (reine Erfahrungserkenntnisse aus dem Bereich der Natur) zu sättigen. 16. Infolge dessen, daß die hier in Rede stehenden Tiere sich also nur mit dem Reinen abgeben, sehen wir bei ihnen eine überwiegende Intelligenz und Ordnung in allem, was wir aus dem Bereich ihrer Tätigkeit kennen. Wo sie wohnen, stellen sie sehr sorgsame Wachen auf, die durch einen gewissen Ton die ganze Gemeinde zu benachrichtigen haben, so sich derselben irgendein Feind naht, den der aufgestellte Wächter aus dessen ihm weit vorangehenden Außenlebensatmosphäre durch sein scharfes Gefühl untrüglich wahrnimmt. Also merken diese Tiere auch genau die Zeit ihrer Wanderung; und wenn sie diese antreten, so geschieht es stets mit der größten Vorsicht und Ordnung, wie ihr euch davon schon oft zu überzeugen die Gelegenheit gehabt habt. 17. Sehet, so wird auch der Mensch, und am Ende eine ganze große Gemeinde, alles aus seinen ganz reinen Erkenntnissen in eine gewisse bestmögliche Ordnung stellen, in allem Tun und Handeln die rechte Vorsicht und Weisheit anwenden und somit auch davon fürs ganze Leben und für ewig die besten und sichersten Erfolge ernten! 18. Der geradlinige Flug der Kraniche bedeutet den festen und ernsten Charakter, niemals von der einmal wohlerkannten Wahrheit abzuweichen; denn mit dieser sicher höchst geraden geistigen Richtungs- und Wanderlinie kommt der Mensch am ehesten zum fürs Leben ersprießlichsten Ziel. 19. Beim Weiterflug dieser Vögel habt ihr vorne die gewissen Führer der ganzen langen Linie bemerkt. Sehet, das geht abermals aus der reinen Kost hervor! 20. Wenn nun die Seelen der Menschen einer Gemeinde mit der reinen Wahrheitskost genährt werden, so werden sie auch aus ihrer Mitte die Weisesten bald und leicht herausfinden und ihnen die Leitung und Führung übergeben und völlig anvertrauen; diese aber bleiben dann auch, solange sie auf dieser Erde leben, ihre Leiter und Führer, und ist einer von ihnen hinübergewandert, so wird er alsbald durch einen Würdigsten aus der Gemeinde ersetzt, und des Hinübergewanderten Geist wird auch vom Jenseits herüber als ein wahrer Schutzgeist über die zurückgelassene Gemeinde wachen und wird mit ihr in der seligsten Gemeinschaft und im Verkehr stehen und belehrend auf sie einwirken, wie das auch der Fall war bei den Urvätern, Patriarchen und vielen Propheten. Und so wird sich solch eine wohlgeordnete Gemeinde sicher auch stets in einer wahren, himmlischen Glückseligkeit schon hier auf dieser Erde befinden. 21. Denn nur der Mensch, der in diesem Leben schon in einem Vollmaße das innere Lebenslicht besitzt, indem er sich, Gott und dessen liebevollsten und weisesten Absichten mit den Menschen klar erkennt und keinen Tod, sondern nur ein ewiges, allerseligstes Leben klar vor sich sieht, kann auch hier auf Erden schon in einer ganz himmlischen Weise selig sein, während ein anderer Mensch, der sich nicht in solch einer Lebensordnung befindet, von einem Zweifel in den andern verfällt, sich mit allerlei finsteren Gedanken ängstigt und, um diese zu verscheuchen und zu betäuben, sich am Ende allen sinnlichen Genüssen in die Arme wirft und so anstatt ein Kind des Himmels nur ein Kind der Hölle und ihres alten Gerichtes wird. 22. Die sieben Führer stellen auch die Vollzahl des Guten und Wahren der Himmel aus Gott dar, weil in solcher Vollzahl die euch schon bekanntgegebenen sieben Geister Gottes, als in der rechten Ordnung wirkend und handelnd, dargestellt sind. Daher genügen auch einer jeden Gemeinde sieben Vorsteher in der Ordnung der sieben Geister in Gott; aber da muß dennoch ein jeder die sieben Geister in sich als völlig tätig haben, aber dabei dennoch in der Führung der Gemeinde einen Hauptgeist vertreten. 23. Eine solche Gemeinde wird dann sein wie ein vollkommener Mensch vor Gott, wie solches in den Himmeln der Fall ist, der aus zahllos vielen Vereinen besteht und ein jeder Verein gewisserart einen vollkommenen Menschen darstellt. Die Unterschiede zwischen den Vereinen bestehen nur darin, daß in zahllos mannigfachen Verhältnissen des Mehr oder Weniger in einem oder dem andern Vereine der eine oder der andere Geist Gottes als reichlicher ausgebildet und vertreten erscheint. 24. Aus diesen nun angezeigten Verhältnissen, die zwischen mehr oder minder ins Unendliche gehen, entstehen auch die endlos vielen und mannigfaltigen Formen in der materiellen Schöpfung, gleichwie aus sieben einfachen Grundfarben eine endlose Mannigfaltigkeit von allen möglichen Farben und aus den sieben einfachen Tönen in der reinen Musik eine nie endende Mannigfaltigkeit von Melodien und entzückenden Harmonien geschaffen werden kann. 25. Sehet, so wie Ich euch hier nur in einem ganz kurzen Abriß von der Natur und dem Fluge der Kraniche ein entsprechendes geistiges und himmlisches Bild gezeigt habe, also besteht auch Entsprechung von allem, was euch diese Erde zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken und zu fühlen bietet! Aber nicht der Leib, noch eure ängstliche Seele, sondern nur allein der lebendige und ewige Geist aus Gott im Herzen eurer Seele kann euch dazu den Eröffnungsschlüssel geben; darum bestrebet euch der Wiedergeburt eures Geistes in eurer Seele, und die ganze Schöpfung mit allen ihren zahllos vielen Erscheinungen wird für euch sein wie ein großes und aufgeschlagenes Buch, in dem ihr den Grund der göttlichen Liebe, Weisheit und Macht gar wohl werdet erschauen und klarst begreifen können! – Habt ihr dieses nun wohl verstanden?“ 26. Sagten alle: „Ja, Herr, Du großer Gott und Meister von Ewigkeit, denn diesmal hast Du wieder einmal ganz klar und offen geredet! Wer in Deiner Schule nicht gut, erleuchtet und weise wird, der wird es sonst wohl sicher niemals und nirgends!“ Kapitel 103 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 103. — Die Ankunft der Römer beim Herrn 1. Hierauf sagte Lazarus: „Herr und Meister! Es ist aber wahrlich schade, daß diesen gar so besonderen Unterricht die sehr wißbegierigen, biederen Römer nicht auch haben vernehmen können! Was werden wir ihnen sagen, so sie uns sicher fragen werden, was hier in ihrer Abwesenheit sich alles ereignet habe? Dürfen wir ihnen von der großen Belehrung über den Flug der Kraniche etwas mitteilen?“ 2. Sagte Ich: „So Ich es für gut und nötig für sie erachtet hätte, da hätte schon auch Ich sicher am ersten dafür gesorgt, daß sie daran teilgenommen hätten; aber da das für sie vorderhand noch nicht nötig ist, sondern nur für euch wenige, die tieferen Geheimnisse des Reiches Gottes zu erkennen, so habe Ich das auch nur euch wenigen als etwas Besonderes gezeigt und enthüllt. 3. Es haben aber eben die Römer, wie vor ihnen auch die Griechen, aus den unverstandenen alten Lehren und Weissagungen der alten Ägypter, die diese aus den Entsprechungen zwischen der Sinnen- und Geisterwelt vollwahr ableiteten, ihr finsteres Heiden- und Götzentum abgeleitet, und mehr als die Hälfte ihrer Priester beschäftigt sich mit den Erscheinungen auf dieser Naturwelt und machen daraus allerlei Wahrsagereien. Der Morgenflug der verschiedenen Vögel ist ihnen dazu sehr dienlich, so wie das Blut und die Eingeweide der vor dem Aufgange geschlachteten Tiere, ebenso die Winde, der Zug der Wolken, der nächtliche Stand der Sterne und die Färbung des Himmels; auch zünden sie morgens ein Feuer an und machen auch daraus allerlei Wahrsagereien und lassen sich dafür von groß und klein bezahlen. Wenn nun die hierseienden Römer Mich über den Flug der Kraniche hätten also reden hören, da wären sie uns gleich mit einer Unzahl von Fragen über gar viele Erscheinungen, die sie erlebt haben, und von denen nach den Wahrsagungen ihrer Zeichendeuter auch dann und wann manches eingetroffen ist, über den Hals gefallen, und wir hätten da tagelang zu tun, bis wir sie nur halbwegs der Wahrheit gemäß befriedigt hätten. 4. So sie Meiner Lehre gemäß leben und handeln werden, so werden sie schon durch ihren Geist ohnehin auch in alle andere Weisheit geleitet werden; wüßten sie aber nun auch das, was Ich nun nur euch anvertraut habe, so würden sie daheim beinahe schon nichts anderes mehr tun, als mit aller Hast und Gier die Erscheinungen der Naturwelt beobachten und sie zu enträtseln versuchen, dabei aber wegen Mangel der Geisteseinung mit der Seele in allerlei Irrtümer verfallen, was für die Entwicklung ihres inneren Lebens wahrlich nicht ersprießlich wäre. Aus diesem Grunde behaltet das von Mir euch Erklärte vorderhand nur bei euch! – Nun aber werden sie bald bei uns sein, da sie es von Raphael erfahren haben, wo wir uns befinden.“ 5. Als Ich das den wenigen gesagt hatte, da kam auch schon die ganze Schar aus dem Städtchen ins Freie, ward bald unser ansichtig und ging auf uns zu. 6. Raphael aber führte nach Meinem Willen die Jugend auf einen andern größeren Hügel und hatte sein Wesen mit ihr. Als er den Jungen den Hügel zeigte, auf dem Ich Mich befand, da fielen alle auf ihre Knie und lobten und priesen Mich voll Inbrunst als den guten, lieben Vater. 7. Nun kamen aber auch schon die Römer und alle andern Jünger an. Nur die etlichen bekehrten Templer, deren Weiber mit den Kindern sich in Bethanien befanden, waren nicht dabei, weil sie eben von ihren Weibern und Kindern erschaut und somit auch aufgehalten worden waren, wofür sie nicht konnten; denn Ich Selbst ließ das zu, auf daß sie dann den Tag über von ihnen in Ruhe gelassen werden möchten. Mit den benannten Templern kamen wir denn auch erst beim Morgenmahle zusammen. 8. Als die Römer zuerst am Hügel zu Mir kamen, grüßten sie Mich auf das liebevollste, und Agrikola sagte: „O Herr und Meister, wie froh sind wir doch, daß wir Dich wiedergefunden haben, und daß wir nun sehen, daß Du uns mit Deiner heiligen Persönlichkeit nicht verlassen hast! Wir waren schon alle ängstlich geworden, da wir Dich im Hause nicht fanden und dann bei uns der Meinung geworden sind, daß Du mit den wenigen Jüngern irgendwohin etwa schon gleich auf den ganzen Tag verreist seist. Deine zurückgebliebenen Jünger waren selbst unserer Meinung, darum, weil Du gestern aus wohlweisen Gründen niemandem einen Aufschluß geben wolltest, was Du etwa heute unternehmen werdest. Am Ende unseres Fragens und Ratens gab uns der herrliche Raphael dahin den Aufschluß, daß du Dich in der Nähe, als hier, befändest. Da brachen wir denn auch eilends auf, eilten hierher und fanden Dich auch zu unserem Troste. Und wir sind nun über die Maßen froh, daß wir Dich, unser Alles, nur wieder in unserer Mitte haben!“ 9. Sagte Ich: „Also bin auch Ich froh, daß ihr noch so ziemlich früh vor dem Aufgange hier bei Mir euch eingefunden habt; denn wer an Mir Freude hat und Mich liebt, an dem habe auch Ich Freude und liebe ihn. 10. Es werden aber Zeiten kommen, in denen Mich auch die Menschen suchen, aber nicht so bald und leicht finden werden, wie das nun bei euch der Fall war. 11. Wer Mich aber ernstlich suchen wird im Herzen und in der Tat nach Meinem Worte, der wird Mich auch finden und eine größte Freude haben, daß er Mich gefunden hat. Wer Mich aber einmal wird gefunden haben, der wird Mich auch nicht mehr verlieren! Auf gewisse Augenblicke, zur größeren Probung seiner Liebe und Geduld, werde Ich wohl noch dann und wann Mein Antlitz vor ihm verhüllen, aber ihn deshalb nicht verlassen! 12. Wohl aber denen, die Ich recht viel prüfen werde; denn aus dem werden sie erkennen, daß Ich sie überaus liebe! Denn wer viel geprüft wird und die Prüfungen wohl bestehen wird, der wird jenseits in Meinem Reiche auch über Vieles und Großes gesetzt werden; wer aber weniger geprüft wird seiner Schwäche wegen, der wird auch über Wenigeres und Geringeres gesetzt werden. 13. Ihr alle aber werdet um Meines Namens und der Wahrheit willen auch noch gar manche Proben zu bestehen bekommen, und eure Geduld, die in euch noch der schwächste Geist ist, wird der Feuerprobe nicht entgehen. Wenn aber solches über euch kommen wird, so denket an diesen Hügel, und daß Ich euch solches zum voraus verkündet habe; aber denket auch im Herzen, daß Ich da im Geiste zu euch kommen, euch stärken und kräftiglichst helfen werde! Dieses alles merket euch alle auch besonders wohl! Denn in diesen Tagen und auch in den künftigen Zeiten leidet das Reich Gottes Gewalt, und die es mit Gewalt an sich reißen, die werden es auch besitzen. In den künftigen Zeiten aber wird es also sein, wie Ich euch das nun durch ein Gleichnis zeigen werde.“ Kapitel 104 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 104. — Das Gleichnis vom hungrigen Wanderer 1. (Der Herr:) „Es war ein Mensch, den es in der Nacht auf dem Wege sehr zu hungern begann. Da kam er nahe in der Mitternachtsstunde in einen Ort. Da war ein Haus, das einer Herberge glich, aber alles schlief schon im Hause. Der Wanderer aber fing an die Haustür und auch an die Fenster zu pochen an, und da er eine Zeitlang pochte, so ward der Herr der Herberge wach, ging ans Fenster und fragte mit unwilliger Stimme den späten Wanderer, was es denn sei, darum er in so später Nachtstunde gar so unverschämt an Türen und Fenster poche. 2. Der Wanderer aber sagte: ,O Herr, ich komme weiten Weges, habe den ganzen Tag über nichts zu essen und zu trinken bekommen, da auf dem ganzen Wege durch die Wüste kein Haus und keine Herberge anzutreffen war; darum bitte ich dich, daß du dich nun meiner erbarmen und mir ein Brot geben möchtest, daß ich mich sättigen und stärken kann, sonst verschmachte ich!‘ 3. Da sprach der Herr der Herberge: ,Was fällt dir denn ein, in so später Stunde der Nacht von mir ein Brot zu verlangen! Warte, bis der Tag kommen wird!‘ 4. Der Wanderer aber ließ sich mit diesem Bescheide nicht abfertigen, sondern bat den Herbergsherrn noch viel mehr und um vieles dringender um Brot. 5. Da gab der Herbergsherr denn doch nach, – und so er dem Wanderer gewisserart auch nicht aus Erbarmung das verlangte Brot gab, so gab er es ihm doch des in so später Nacht unverschämten Bittens wegen. 6. Und sehet, aus diesem Bilde könnet ihr entnehmen, wie ein Mensch, der seinen ganzen Erdenlebenstag auf ödem Wege durch die Wüste des weltlichen Irrsals sicher kein Brot zum Leben seiner Seele finden und bekommen konnte, dabei in die tiefe Lebensnacht hineinkommend, am Ende doch noch in der Nacht, dieweil er doch den Weg fortwanderte, an eine Herberge kam, von der er wenigstens dahin überzeugt war, daß sich darin ein Brot des Lebens vorfinden werde! 7. Da fing er denn auch an zu pochen und zu bitten, und es ward ihm am Ende seiner Zeit doch noch zuteil, was er in der Wüste der Welt lange vergeblich gesucht hatte. 8. Und sehet, das heißt denn in diesen Tagen und noch mehr in den künftigen finsteren Zeiten das Reich Gottes mit Gewalt an sich reißen; denn wer da suchen wird, der wird auch finden, so er auf dem noch so öden Wege nicht stehenbleibt. Wer an die Türe pochen wird, wenn auch schon in der Nacht, dem soll dennoch aufgetan werden, und wer da bitten wird mit Beharrlichkeit, dem wird auch gegeben werden, um was er gebeten hat! – Habt ihr dieses Bild nun wohl verstanden?“ 9. Sagte Agrikola: „Herr und Meister, verstanden haben wir dieses Bild wohl, aber es ist darin, wie ich es entnommen habe, eben nichts so ganz Tröstliches, wie wir solches schon aus Deinen vielen andern Lehren und Worten überkommen haben. Es ist schon wahr, daß die Erreichung eines großen Glückes auch zum voraus großer Opfer und Anstrengungen bedarf; aber so man nach meiner Meinung einen vollends ernsten und festen Willen hat, völlig nach Deiner Lehre zu leben – was ich nach meiner Beurteilung für eben nichts besonders Schweres und überaus Anstrengendes halte, indem Du doch Selbst gesagt hast, daß Dein Joch sanft und Deine Bürde leicht sei –, so muß ich nun aufrichtig gestehen, daß ich aus diesen Worten, nach denen das Reich Gottes in diesen Tagen, wie auch in einer künftigen, wüsten Zeit nur mit Gewalt und Anstrengung wird an sich gerissen werden können, das Trostvolle des sanften Joches und der leichten Bürde nicht herausfinden kann. 10. Wohl aber finde ich in diesen Deinen Worten, daß die Ausbreitung Deiner Lehre, so überaus göttlich wahr sie auch immerhin ist, viele und große Kämpfe und sogar die blutigsten Kriege nach sich ziehen wird! Denn so auf dieser Erde zufolge der Erhaltung und möglichen Gutbildung des freien Willens die vielen Teufel und die nur wenigen echten Engelmenschen ein gleiches und durch nichts als höchstens durch strenge Staatsgesetze etwas beschränktes Handlungsrecht haben, da braucht das Gewinnen des Reiches Gottes freilich wohl sehr viel Gewalt; aber mit dem sanften Joch und mit der leichten Bürde, Herr und Meister, sieht es da ganz schmal aus! 11. Es ist das nur so meine Ansicht, und ich bin der Meinung, daß ich eben auch nicht ganz unrecht haben werde. Aber ich bitte Dich dennoch, daß Du uns das, wie man eigentlich dem Reiche Gottes Gewalt antun muß, um es an sich zu reißen, ein wenig näher beleuchten möchtest! Denn ich möchte Dein sanftes Joch und die leichte Bürde und die Gewalt ein wenig näher beisammen haben.“ Kapitel 105 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 105. — Was es heißt, dem Himmelreich Gewalt antun 1. Sagte Ich: „Freund, dem Ernstwollenden ist jede Mühe und Arbeit ein sanftes Joch und eine leichte Bürde; aber wenn du bei einer ernsten Arbeit die Mühe scheust, so wirst du mit derselben nicht gar füglich zum erwünschten Gewinne gelangen, und die rechte Mühe und Kräfteanstrengung ist ja eben die Gewalt, die ein jeder Mensch dem Reiche Gottes antun muß, um es sich vollends zu eigen zu machen! 2. Siehe, ihr selbst tuet dem Reiche Gottes eine wahrhaft große Gewalt an; aber weil ihr es euch vollernstlich zu eigen machen wollet, so scheuet ihr auch keine Mühe und keine Opfer, und Mein Joch kommt euch dennoch gar sanft und Meine euch auferlegte Bürde gar leicht und gering vor. Bedenket nur, daß ihr aus Liebe zu Mir die vielen Jungen mit euch nach Rom nehmet und sie dort in Meinem Namen auch bestens versorgen werdet! Ihr nehmet aber nebstdem noch die arme Familie von Emmaus, die Familie Helias und mehrere bekehrte Templer mit ihren Weibern und Kindern ebenfalls mit euch und werdet auch für sie sorgen, – und sehet, darin liegt eine gar große Gewalt, die ihr als Heiden dem wahren Reiche Gottes antut, um es vollends an euch zu reißen, und ihr werdet demselben noch eine größere Gewalt antun, da euch euer voller Glaube an Mich, eure Liebe zu Mir und euer fester und vollends guter Wille noch mehreres zu tun nötigen wird, als ihr bis jetzt schon getan habt! Und es wird euch das alles doch nur ein sanftes Joch und eine leichte Bürde sein, weil ihr selbst es also gern und vollernstlich wollet. 3. Wenn du, Freund, das nun so mit dem rechten Verstandesauge ansiehst und beurteilst, so wirst du es wohl einsehen, daß hier das sanfte Joch, die leichte Bürde und die dem Reiche Gottes anzutuende Gewalt ganz auf ein und dasselbe hinauslaufen. 4. So du aber zum Beispiel nun unsere Templer betrachtest und daneben gar viele Weltmenschen, so frage dich selbst, ob das, was ihr zur Gewinnung des Reiches Gottes nun ganz leicht tuet, für sie nicht eine derartige Gewaltanstrengung für ihren Willen wäre, mit der man schon gleich die Berge der Erde verschieben könnte! Und wenn sie, die es könnten, dem Reiche Gottes nicht eine solche Gewalt antun werden, wie ihr sie ihm schon freudigst angetan habt, so werden sie es auch wahrlich nicht überkommen! 5. Und wie es nun ist in diesen Tagen und in dieser Zeit, also wird es bei den Weltmenschen auch in den künftigen Zeiten der Fall sein; denn es wird diese Erde nie einen gänzlichen Mangel an weltsüchtigen Menschen haben, und denen wird Mein Joch nicht sanft und Meine Bürde nicht leicht vorkommen. Und so sie in ihren letzten Tagen etwa doch noch gewillt werden, das Reich Gottes zu gewinnen in der langen Nacht ihres Erdenlebens, so werden auch sie an die Türen zu pochen anfangen müssen, um nur ein wenig Brotes zur Lebenssättigung ihrer Seele aus den nur untersten Himmeln zu erlangen. 6. Darum wird der, welcher um Meinetwillen viel tun und viele Tatenopfer bringen wird, auch viel vom Reiche Gottes überkommen; wer aber, dem nächtlichen Wanderer gleich, am Ende seiner Reise durch diese Welt vor Meiner Tür ernstlich zu pochen und zu bitten anfangen wird, der wird wohl auch nicht verstoßen werden, aber er wird nur wenig bekommen, weil er zur Gewinnung des Reiches Gottes sich auch nur eine kleine Mühe gab und es erst dann zu suchen begann, als ihn die äußerste Not dazu zwang. 7. Daß ein solcher Mensch dem Reiche Gottes nur eine sehr geringe Gewalt angetan hat, ist sicher leicht begreiflich, und es ist daher auch leicht begreiflich, daß ein solcher Mensch aus dem Reiche Gottes keinen großen Anteil zu erwarten haben wird! Denn mit welchem Maß jemand hier mißt, mit demselben Maß wird ihm auch im Reiche Gottes zurückgemessen werden. 8. Wer also dem Reiche Gottes, um es zu gewinnen, eine große Gewalt angetan hat, der wird im selben auch schon hier auf Erden zu einer großen Macht und Gewalt gelangen; wer aber dem Reiche Gottes, um es zu gewinnen, nur eine kleine Gewalt angetan hat, der wird auch im selben eine ganz kleine Macht und Gewalt überkommen und wird jenseits diejenigen ewig nicht erreichen, die schon hier auf dieser Erde groß und mächtig vor Mir geworden sind. – Hast du, Mein Freund, das nun wohl verstanden?“ Kapitel 106 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 106. — Über das Jenseits 1. Sagte Agrikola: „Ja, Herr und Meister, nun ist mir freilich alles klar geworden, und wir danken Dir alle aus dem tiefsten Grunde unserer Herzen für diese Deine uns so liebreich und gnädig erteilte Belehrung!“ 2. Als der Römer diesen Dank ausgesprochen hatte, da fing es im Osten schon an, sehr golden helle zu werden, und es ward sehr munter in der Natur. Die Vöglein fingen an, in der buntesten Weise ihre Lieder anzustimmen, die frischen Morgenwinde fingen an, lebhafter zu wehen, und des eben nicht unansehnlichen Teiches recht schöne Wasserfläche wurde wellengeschäftig, als hätte sie eine Freude an den Liebkosungen des Morgenwindes. Also ward auch das Gras belebt, und der blaue und duftige Rauch aus den Kaminen der Häuser wurde von dem Morgenwind auch in allerlei seltenen Formen und Wendungen in der Luft verweht, und so gab das eine recht schöne und heiter bewegte Morgenszene ab. 3. Als wir alle mit recht vieler Lust und Freude die Morgenszenen eine Zeitlang betrachteten und es dabei immer heller und heller ward, da kamen eine Menge Turteltauben von Osten her geflogen, ließen sich auch um den Teich nieder und nahmen Wasser zu sich. 4. Das gefiel den Römern, und unser Markus meinte und sagte: „Herr und Meister, sieh, unseren manchmal eben nicht ungeschickten Zeichendeutern würde das, so um diese Zeit von Osten her Scharen von Vögeln dieser Art kommen, einen frühen Winter, aber von kurzer Dauer, andeuten; im Monde des Januarius aber komme dann schon ein beständiger Frühling. Nun, das hatte schon manchmal seine Richtigkeit und öfter ja als nein; aber Du als der Herr der gesamten Natur wirst uns da sicher eine bessere Auskunft geben können, und es wäre das auch gut für uns, damit wir, auf dem wahren Grunde stehend, so manche einheimischen Irrtümer bekämpfen und nur die reine Wahrheit an ihre Stelle setzen könnten. – Was sagst Du zu dem, was ich Dir über die Bedeutung dieses Vogelfluges anzeigte?“ 5. Sagte Ich: „Darüber, Freund, werden wir nicht viele Worte verlieren! Alle solche Zeichendeutungen sind von alten Erfahrungen wohl abgeleitet, und es kann hier und da noch etwas Wahrscheinliches an ihnen kleben; aber sie sind schon unter den Griechen und besonders bei euch Römern durch allerlei phantastische Zusätze derart entstellt worden, daß nun beinahe keine völlig wahre Silbe daran klebt. 6. Aber hier bedeutet dieser Turteltaubenflug gar nichts anderes, als daß die Tauben morgens gewöhnlich in einer größeren Menge diesem Teiche zueilen und da Wasser nehmen, damit sie dann zu ihrem Herumfliegen größere Kraft erhalten; denn ohne Wasser könnte am Ende kein Vogel mehr fliegen. 7. Warum aber ein jeder Vogel zum Fliegen des Wassers benötigt, das könnet ihr jetzt noch lange nicht begreifen; aber die Menschen in den kommenden Zeiten werden auch hinter solche Geheimnisse nach und nach kommen. Sieh, nun haben diese Vögel ihren Durst gestillt, und sie erheben sich und fliegen wieder zumeist dahin, von woher sie gekommen sind! Lassen wir sie fliegen!“ 8. Als Markus solches von Mir vernommen hatte, da fragte er nicht mehr nach der Bedeutung der Zeichen und betrachtete wieder ganz wohlgemut die Szenen des schönen Morgens. 9. Als wir alle so recht heiteren Mutes die schönen Morgenszenen betrachteten, die dadurch an Lebhaftigkeit gewannen, daß die Hirten ihre Tiere auf die Weideplätze hinaustrieben und andere Menschen an ihre Feldarbeiten hinauszugehen begannen, da fingen am Aufgangshorizont eine Menge der sogenannten Lämmerwölkchen sich zu bilden an, die, vom Lichte der dem Aufgange sich schon sehr nahenden Sonne stark erleuchtet, einen überaus schönen Anblick gewährten. 10. Da sagte der Römer Markus: „Herr und Meister, wahrlich, dieser Morgen ist so schön, daß ich mich gar nicht erinnern kann, jemals einen noch schöneren gesehen zu haben! Da könnte man schon beinahe sagen: In Deinen wirklichen Himmeln kann es auch nicht schöner und herrlicher aussehen!“ 11. Sagte Ich: „O du Mein Freund, du bist nun wohl sehr heiter erregt in deiner Seele und machst da einen Vergleich mit dem wahren, ewigen Himmel, da du ihm diese vergängliche Morgenpracht gleichstellst, und es ist dir das sehr zu verzeihen, weil du dir auf dieser Erde von der endlosen, unvergänglichen Schönheit und Herrlichkeit der Himmel Gottes nicht den allerleisesten Begriff machen kannst! Und würde Ich dich nur einen Augenblick im Geiste dahin versetzen, so könntest du nicht mehr auf dieser Erde leben, denn die zu unbeschreibbar große Anmut der Himmel, das Licht, die Freundlichkeit und des Lebens höchstes Wohlgefühl würde dein Fleisch in einem Augenblick vernichten und die Sinne deiner Seele derart ermatten und betäuben, daß sie selbst dahinfiele und lange wie tot und völlig bewußtlos daläge. Ich müßte ihr dann die Erinnerung des Geschauten und Empfundenen völlig wegnehmen, ansonst für sie eine Existenz irgend gewisserart außer den Himmeln nicht mehr denkbar möglich wäre. Darum muß aber auch eine jede Seele von Stufe zu Stufe geleitet und geführt werden und muß pur und lauter werden wie reinstes Gold, auf daß sie fähig wird, in die endlosen Freuden der Himmel Gottes einzugehen. 12. Siehe, das Licht der irdischen Sonne ist gegen das Licht der Himmel fürwahr so gut wie eine barste Finsternis, und doch vermagst du mit deines Leibes Augen nicht unverwandt hineinzuschauen; und tätest du das nur eine halbe Stunde lang, so würdest du erblinden. Was würde aber dein ungewohntes und zum Schauen des höchsten Lichtes nicht eingerichtetes Auge dann beim Anblicke des eben höchsten und mächtigsten Lichtes tun, so es von Mir zugelassen würde, selbes zu erblicken? 13. Daher, Mein lieber Freund, ist deine freudige Erregung beim Anschauen dieses schönen und heiteren Morgens wohl recht gut, und ein Mensch, der also fühlt wie du, hat sicher ein gutes Herz und ist im ganzen schon als ein besserer und edlerer anzunehmen, – aber zu meinen, daß die Himmel Gottes auch kaum etwas Herrlicheres aufweisen könnten, als wie herrlich da ist dieser Morgen, das wäre ein großer Irrtum! Aber Ich bin sonst mit deiner Empfindung ganz zufrieden.“ 14. Sagte darauf Markus: „Herr und Meister, als wir in den ersten Tagen nach unserer Ankunft am Ölberge bei Dir waren, da zeigtest Du uns auf einige Augenblicke die Scharen von zahllos vielen Engeln, die in einer Art lichtvollen Luft schwebten, sich regten und bewegten und von Dir zeugten. War das noch nicht der eigentliche Himmel?“ 15. Sagte Ich: „O ja Freund! – aber ebenso verhüllt und verdeckt, wie verhüllt und verdeckt der Erzengel Raphael vor euch sich zeigt. Könntest du ihn in seiner rein himmlischen Glorie und Schönheit erschauen, so würde dir das den Leib augenblicklich töten und deine Seele auf lange hin betäuben. Es ist darum sein inneres Wesen mit einer Art körperlichen Umkleidung verhüllt, auf daß die, mit denen er umgeht und verhandelt in Meinem Namen, seine persönliche Gegenwart ertragen können. Darum sagte Ich euch ja, daß es keines Menschen Auge je geschaut, kein Ohr gehört und keines Menschen Sinn je empfunden hat, welche Freuden und Seligkeiten Gott denen, die Ihn über alles wahrhaft lieben, in den Himmeln bereitet hat. 16. Sehet, ihr alle befindet euch nun fürwahr als in Meiner nächsten Nähe leiblich und auch geistig durch euren Glauben an Mich und durch eure Liebe zu Mir im allerhöchsten und vollkommensten Himmel zwar, aber ihr dürfet von der Gestalt desselben dennoch nichts gewahren, weil ein solches Gewahren eure Leiber töten würde, solange ihr im Geiste noch nicht vollends wiedergeboren seid! Wenn ihr aber im Geiste vollends wiedergeboren sein werdet, dann werdet ihr auch der Himmel Gestalt, die aus eurem Geiste wie ein Baum aus dem Keime des Samenkorns hervorgehen wird, zu gewahren anfangen. – Aber nun wird unsere Sonne gleich über den Horizont emportauchen, und das wollen wir denn auch recht aufmerksam betrachten!“ 17. Als Ich diese Rede über der Himmel Gestalt beendet hatte, da tauchte auch die Sonne in voller Majestät über dem fernen Horizont auf, während sie schon eine halbe Stunde vorher die hohen Spitzen der Berge mit ihren Strahlen vergoldet hatte. Wir betrachteten den herrlichen Aufgang so lange ruhig, bis die ganze Sonne über dem Horizont stand und ihre Strahlen auch die Täler zu erleuchten anfingen. Kapitel 107 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 107. — Der Zweck der Berge 1. Hier fragte Mich abermals Markus, sagend: „Herr und Meister; ist aber das nicht auch sonderbar, daß die höchsten Berge, deren Kuppen und Spitzen offenbar im ganzen um eine Stunde früher von der Sonne beschienen werden und daher auch einen längeren Tag als die Täler haben, mit ewigem Schnee und Eis bedeckt sind, während es in den Tälern und Ebenen warm und im Sommer oft unerträglich heiß wird? Bei uns in Europa, im Westen unseres Reiches, gibt es Alpen, die noch keines Menschen Auge je ohne Schnee und Eis gesehen hat, während es in der Ebene und in den vielen Tälern zwischen den hohen Alpen sehr warm ist; ja selbst in unserem Sizilien haben wir einen Berg, der dazu noch in seinem Innern voll Feuers ist und sein muß, weil er an vielen Stellen beständig raucht und dampft, und doch ist seine höchste Spitze gleichfort mit Schnee bedeckt. Nun, worin liegt denn da der Grund?“ 2. Sagte Ich: „So Ich dir den wahren Grund auch sage, wirst du ihn dennoch nicht verstehen; aber weil du Mich schon einmal gefragt hast, so muß Ich dir denn auch eine Antwort geben. 3. Siehe, so du ein Stück Metall und zugleich ein Stück weiches Holz an die Sonne legst, so wirst du schon nach ein paar Stunden das Metall so stark erwärmt haben, daß du es mit der Hand kaum wirst anfühlen können, am weichen Holze aber wirst du kaum eine Erwärmung wahrnehmen. 4. Wenn du zum Beispiel die schwarzen und steinigen Ufer des Toten Meeres um die Mittagszeit befühlst, so wirst du sie nahezu glühheiß finden, und befühlst du dann das Wasser, so wirst du es im Vergleich mit den Ufern kalt finden. Da könntest du dann auch fragen und sagen: ,Ja, Herr und Meister, wie ist denn das? Warum wird das Metall und das schwarze Gestein so stark von den Sonnenstrahlen in derselben Zeit erwärmt, in der das weiche Holz und besonders das Wasser von einer besonderen Erwärmung noch nahezu nichts verspüren läßt?‘ 5. Und Ich kann dir da, weil dir die Vorkenntnisse noch mangeln, nur so viel sagen, daß die dichteren Körper zur Aufnahme der Wärme aus dem Lichte um vieles tauglicher sind denn die weniger dichten. Und so ist denn auch die Luft ein Körper, der in sich die Eigenschaft hat, daß er in den Tiefen der Erde durch den Druck der oberen, auf ihm liegenden Luftschichten dichter ist als auf den Höhen der Berge; und weil denn also die Luft in den Tiefen der Erde um vieles dichter ist als auf den Berg- und Alpenhöhen, so ist sie denn auch erwärmbarer als auf den Höhen. Siehe, das ist so der ganz gewöhnliche, natürliche und für dich auch noch am ehesten begreifbare Grund, warum es auf den Höhen der Berge, wenn sie länger von der Sonne beschienen werden, kälter ist als in den Tiefen und Tälern! 6. Aber es gibt da freilich auch noch andere Gründe, die du, so Ich sie dir auch verkündete, nun nicht verstehen würdest und könntest. Aber es werden schon noch Zeiten kommen, wo die Menschen auch die tieferen Gründe von derlei Erscheinungen ganz klar erkennen, berechnen und einsehen werden; aber sie werden darum dem Reiche Gottes nicht näherstehen als ihr nun, die ihr das noch lange nicht begreifet als alterfahrene Staatsmänner, was dann schon die Kinder einsehen und wohlbegreifen werden, sondern derlei zu sehr Natur- und Weltgelehrte werden sich oft sehr ferne vom Reiche Gottes befinden, und so sie es suchen werden in den ihnen enthüllten Kräften der Naturwelt, werden sie es schwer oder auch gar nicht finden. Darum suchet nur vor allem das wahre Reich Gottes und dessen Gerechtigkeit in euch, alles andere wird euch schon zur rechten Zeit von selbst als eine freie Zugabe werden! 7. Das aber könnet ihr euch als ein wohlentsprechendes Bild hinzumerken! Der hohen Berge Spitzen und Kuppen gleichen jenen Weltweisen, die auch viel Verstandeslicht haben, – dabei aber sind sie sehr eingebildet und stolz, tragen ihre Köpfe hoch und schauen mit Verachtung auf die ungelehrte Welt herab, ja sie erheben ihr stolzes Haupt sogar über jene ihnen ebenbürtigen Gelehrten, die allenfalls im Staatenrangleben mit ihnen nicht auf einer gleich hohen Stufe stehen, wenn diese Minderhochstehenden ihnen an fruchtbarer Gelehrtheit auch überlegen sind. 8. Und seht, da geben uns eben die höchsten Berge ein gar vortreffliches Bild! Je höher ein Berg ist, und eine desto weitere Aussicht man von seiner höchsten Spitze genießen kann, desto unfruchtbarer ist ein solcher Berg auch und ist kalt und mit Schnee und Eis bedeckt. Nicht einmal ein allerverkümmertstes Moospflänzchen werdet ihr zum Beispiel auf des Ararats höchster Kuppe finden; auf seinen um vieles niedereren Nachbarhöhen aber werdet ihr schon allerlei Moos- und andere Steinpflänzchen antreffen, auf den noch niedereren schon allerlei Gras und Alpenkräuter und noch tiefer herab schon Sträucher und Bäume. 9. Also aber steht es auch mit all den hohen Weltweisen und Naturgelehrten, besonders so sie dazu noch infolge ihrer Gelehrtheit vom Staate aus irgend hochgestellt sind; sie sind voll Eigendünkel, voll Hochmut, sehen alles tief unter ihnen stehend, sind darum kalt und gefühllos, haben keine Liebe außer die starre für sich selbst und für die eigene Höhe. Darum sind sie denn aber auch trotz ihres Lichtes, das keine Lebenswärme enthält, völlig unfruchtbar und dienen dem Staatsoberhaupte wohl als eine Art Hoheitsprunk, in der Tat aber wenig oder zumeist gar nichts, während die Niedereren schon arbeiten und dem Staat durch die ins Werk gesetzten Kenntnisse nützen, und die noch niederer Gestellten arbeiten noch mehr und nützen dem Staat und den Menschen offenbar auch noch um vieles mehr. 10. So sind denn die hohen Berge in einem Lande wohl eine Pracht, und der Wanderer, so er ihrer ansichtig wird, wundert sich über ihre Höhen; aber so man die landwirtschaftliche Frage stellte, welchen praktischen Nutzen das Land von seinen hohen Bergen hat, und welche Früchte sie ihm tragen, so wird darauf die Antwort sicher so kahl und mager ausfallen, als wie kahl und mager eben die hohen Berge selbst sind. 11. Ich will aber damit nicht sagen, als wären der Erde hohe und höchste Berge etwa als völlig nutz- und zwecklos da. In bezug auf die ganze Erde sind sie höchst notwendig, denn sie nötigen die atmosphärische Luft, daß sie sich mit der ganzen Erde in der bestimmten Tag- und Nachtzeit in der Mittelpunktsachse drehen und bewegen muß, ansonsten kein Geschöpf vor der Heftigkeit der beständigen Luftströmung bestehen könnte. Denn die Bewegung der Erde um ihre Achse ist hier, wo wir uns nun befinden, schon so schnell, daß wir in jedem Augenblick um gute zwei Stunden von Westen nach Osten hin fortgerückt werden. 12. So die Erde nun ganz glatt und von Bergen und Hügeln ganz entledigt sich befände, so würde die sie umgebende Luft gewisserart stillstehen und sich mit der Erde nicht mitbewegen; aber dieses Stillstehen der Luft würde dennoch ein fortwährendes, selbst die heftigsten Orkane weit übertreffendes Luftströmen sein, bei dem, wie gesagt, auf der Oberfläche der Erde kein geschöpfliches Sein und Bestehen je denkbar möglich wäre. 13. Da die Erde aber nun besonders in der Nähe ihres Mittel- und somit Hauptumschwungsgürtels, den die späteren Erdkundigen Äquator benennen werden, auch zumeist die höchsten Berge in weit gedehnten Reihen besitzt, deren Spitzen weit über die Wolken hinausragen, so nötigen sie die Luft zur steten Mitbewegung um die Achse der Erde, und ihr merket daher von dieser heftigsten Luftströmung nichts; daß aber die Luft dennoch manchmal in eine Strömung gerät, die sich, wie nun am Morgen, durch einen Wind bemerkbar macht, davon habe Ich euch die Ursache und den Entstehungsgrund schon gezeigt und brauche nun nicht noch einmal davon zu reden anzufangen. 14. Und seht, das ist denn schon einmal der eine Nutzzweck der hohen Berge, für die gesamte Erde dargestellt! Neben dem aber haben die hohen Berge und so auch ihr Schnee und Eis eine Menge anderer Zwecke, die von den späteren Naturkundigen auch werden erkannt werden; aber für euch ist es nun noch nicht an der Zeit, in alle Geheimnisse der Naturwelt eingeweiht zu werden; und würde Ich sie euch auch dartun und erklären, so würdet ihr sie nicht fassen, weil euch die nötigen Vorkenntnisse dazu mangeln. 15. Nur das kann Ich euch noch sagen, daß in und um die Erde in einem fort unsichtbare Kräfte strömen, die zur Belebung der Mineral-, Pflanzen- und Tierwelt, zu der auch der Mensch dem Leibe nach gehört, höchst notwendig sind, und diese unsichtbaren Kräfte werden auch von den Bergen und ihrer Vegetation, Natur und Beschaffenheit geregelt und geleitet, darum die Bewohner der Berge auch stets gesünder und rüstiger sind als die Bewohner von großen Ebenen und tiefen Tälern. 16. Damit habe Ich euch nun an diesem Morgen einen Naturlehrer gemacht, insoweit es für euch vorderhand notwendig ist, damit ihr nicht in euren alten Irrtümern zu verbleiben nötig haben sollet; wenn aber der Geist der vollen Wahrheit und des Lebens in euch eins mit eurer Seele wird, so wird er euch schon ohnehin weiter und in alle Weisheit leiten. – Habt ihr das wohl verstanden?“ Kapitel 108 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 108. — Die Bedeutung der Lehre des Herrn 1. Sagten alle, Mir dankend, daß sie das wohl verstanden hätten, und unser Markus, und mit ihm auch die andern Römer, sagte noch insbesonders: „Herr und Meister! Nun fange ich und auch meine Gefährten an, immer klarer einzusehen, daß zu einer richtigen Erkenntnis Gottes und zu einem ungezweifelten lebendigen Glauben an Ihn eine richtige Erkenntnis der Erde und alles dessen, was in und auf ihr ist und in die Erscheinlichkeit tritt, unumgänglich nötig ist; denn daraus ersieht man erst, daß diese Erde und alles, was auf ihr ist, einen höchst weisen und allmächtigen und somit auch höchst guten Urheber und Schöpfer haben mußte, weil eine blinde, ihrer selbst nicht einmal bewußte Macht, die wir Heiden das Fatum nennen, unmöglich auf der Erde und in jedem einzelnen Geschöpfe alles gar so weise und zweckdienlich eingerichtet hätte. 2. Es liegt also schon in der richtigen Erkenntnis der Natur und ihrer weisest geordneten Kräfte ein unumstößlicher Beweis vom Dasein eines ewigen und höchst weisen, allmächtigen und überguten Gottes und Schöpfers aller Dinge und aller Wesen. Ist aber dieser Beweis einmal da und unbeugsam festgestellt, so ist dann der vollwahre Glaube an einen Gott ja eine selbstverständlich ausgemachte Sache. 3. Wenn dann dazu noch Deine Lehre vom Fortleben der Seele nach des Leibes Tode und vom wahren, inneren und lebendigen Reiche Gottes hinzukommt und der Mensch zu der Kenntnis gelangt, was er ist, und warum er da ist, und wie er zu leben und zu handeln hat, um zur Kindschaft Gottes zu gelangen, so wird er das auch sicher tun, und das um so mehr, weil er eben auch aus Deiner Lehre erfahren wird, welches Los er nach dem Tode des Leibes zu gewärtigen hat, so er in seinen Irrtümern und Bosheiten verbleibt. 4. Herr und Meister, ich rede hier nicht als ein Jude, sondern als ein vielerfahrener Heide, und sage: Deine Lehre vom Reiche Gottes und von der allein wahren und ewigen Bestimmung des Menschen ist offenbar das Höchste, Reinste und Wahrste und zugleich auch das überzeugend Faßlichste, was je die Menschen als eine Lehre von Gott und von ihrer Bestimmung vernommen haben, und für uns ist sie nun um so faßlicher und glaubbarer, weil wir das unaussprechliche Glück haben, sie aus Deinem Gottesmunde zu vernehmen; denn wir sehen Dich, hören Dich und können und dürfen mit Dir, dem allein wahren Gott und Herrn von Ewigkeit, über die verschiedensten Dinge und Verhältnisse uns besprechen. 5. Wir für uns bedürfen wahrlich keines andern Beweises vom wirklichen Dasein eines Gottes als eben nur Dich Selbst; aber wir sind unser nur zehn, denen das unbeschreibbare Glück und die ewig unverdiente Gnade zuteil geworden ist, in Dir den ewigen Herrn aller Himmel, aller Welten und alles Lebens gefunden zu haben. 6. Du wirst persönlich nicht mit uns nach Europa und nach Rom ziehen und dort Dich also wie hier offenbaren durch Worte und Taten, auf daß alle Heiden Dich erkennen und an Dich glauben möchten, sondern wir allein werden Dich ihnen verkünden und sind auch schon zum voraus überzeugt, daß unsere Arbeit und Mühe keine fruchtlose sein wird. Aber unsere Stammesgenossen daheim sind gar sehr kritische Menschen und glauben an eine Sache erst dann, wenn sie sich von ihrem wirklichen Dasein von möglichst vielen Seiten die klaren und ganz untrüglichen Beweise verschafft haben, was nun um so notwendiger ist, weil bei unseren Weltweisen und Klugen der Atheismus gang und gäbe geworden ist und kein höher Gebildeter mehr an einen oder den andern Gott denkt und noch weniger glaubt. 7. Und da, siehe o Herr und Meister, bin ich der Meinung, müssen vor der Verkündigung Deines heiligsten Namens und Deiner Lehre die Beweise fürs unbestreitbare Dasein eines allein wahren Gottes vorerst aus der Natur und Ordnung dieser Erde und ihrer Wesen klar aufgestellt werden! Haben diese einmal Wurzel gefaßt, dann wird es sicher auch ein leichtes sein, Deinen Namen und Deine Lehre also zu verkünden, daß man allgemein an Dich glauben und Dich für den allein wahren Gott halten, anbeten und lieben wird in Worten und Taten. 8. Den Kindern kann man freilich bald und leicht etwas glaubbar machen, – doch Männern, wie wir sie in Rom und vielen andern Städten in einer übergroßen Anzahl haben, muß man ganz anders kommen, so man sie für etwas gewinnen will! Und aus eben diesem Grunde habe ich mich denn auch bemüht, mir über verschiedene Dinge und Erscheinungen in der Sphäre dieser materiellen Welt so manche Aufhellungen zu verschaffen, und danke Dir denn schon im voraus im Namen aller derer, die etwa durch mich zu Dir bekehrt werden, daß Du uns Römern solche Aufhellungen nicht vorenthalten hast!“ 9. Sagte Ich: „Das wußte Ich gar wohl, wofür ihr euch von Mir über dieses und jenes Erklärungen erbeten habt, und Ich lobe euren Eifer und guten Willen, und eure Arbeit und Mühe um Meines Namens willen soll stets mit Meinem Segen gekräftigt sein! 10. Aber Ich sage dennoch, daß ihr die Menschen nicht zu sehr auf die Natur der materiellen Dinge der Welt anweiset, daß sie Gott in ihnen suchen sollen. Ihr werdet damit die Menschen zu einem Ahnen und Wittern des Daseins eines Gottes, aber nie zu Dessen voller Erkenntnis und zum wahren und lebendigen Glauben an Ihn bringen. 11. So ihr aber Meine Lehre, wie ihr sie von Mir klarst und reinst überkommen habt, euren Brüdern gebet, so werden sie euch hören und werden die Lehre auch annehmen, und da Meine Worte Kraft, Macht und Leben in sich bergen, so werden sie auch eine ganz andere Wirkung in den Herzen und Gemütern eurer Brüder hervorbringen als alle erdenklichen Beweise aus dem Bereiche der materiellen Welt und ihrer Ordnung. 12. Wenn aber dann die Menschen an Mich glauben werden und auch leben und handeln nach Meiner Lehre und also nach Meinem Willen, da werden sie dann schon den wahren Lehrer und Weiterführer in sich finden, der sie in alle andern Wahrheiten führen wird. 13. Wer Gott und Sein ewiges Lebensreich finden will, der muß das in sich, also in seines Herzens stillem Kämmerlein in der Liebe zu Gott und zum Nächsten zu suchen anfangen. Und wer da ernstlich zu suchen angefangen hat und im Suchen nicht nachläßt, der wird auch das finden, was er gesucht hat; aber wer im Suchen lau wird, der wird das, was er wohl finden möchte, so es ihm keine zu große Mühe kostete, auf dieser Welt und auch jenseits schwerlich oder auch gar nicht finden. 14. Schicket daher nur Mein lebendiges Wort voraus und machet dann erst hinterher die, welche Mein Evangelium angenommen haben, auf den Grund und auf die Erscheinungen der Dinge und ihrer Ordnung in dieser Welt aufmerksam, und ihr werdet also die besten Erfolge von eurer Arbeit und Mühe ernten! 15. Nun aber wollen wir diesen Hügel wieder verlassen und uns zum bereits fertigen Morgenmahle begeben und dann sehen, was wir an diesem Tage noch alles unternehmen werden!“ 16. Die Römer und auch alle die andern dankten Mir für den ihnen gegebenen Rat, und wir begaben uns sogleich in den Ort und ins Haus, wo in dem großen Speisesaale die wohlzubereiteten Fische, Brot und frischer Wein in voller Menge auf den Tischen sich befanden. Wir setzten uns denn auch sogleich dazu; Ich segnete wie allzeit zuvor Speise und Trank, und dann aßen und tranken wir. Für die Jungen sorgte unser Raphael. Kapitel 109 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 109. — Der Herr verläßt Bethanien 1. Als wir das Morgenmahl schon über die Hälfte aufgezehrt hatten, da erst kamen auch die etlichen Templer, die ihre Weiber und Kinder besucht hatten, und Lazarus wies sie an einen freien Tisch und ließ ihnen bringen, was wir hatten, und sie aßen und tranken. 2. Als wir das Morgenmahl aber völlig aufgezehrt hatten, da traten die Templer, die mit ihrem Morgenmahle auch zu Ende gekommen waren, zu Mir und entschuldigten sich des Besuches ihrer Weiber und Kinder wegen und baten Mich, daß Ich sie doch auch besuchen und segnen möchte. 3. Ich aber sagte zu ihnen: „Höret, wer an Mich glaubt, Mein Wort annimmt und danach lebt und handelt, der hat auch Meinen Segen in der Fülle; daher trachtet, daß auch eure Weiber und Kinder, die nun noch stark an den leeren Zeremonien des Tempels hängen und Mich und Meine Jünger heimlich bei sich für Ketzer wider den Tempel halten, an Mich glauben und nach Meiner Lehre handeln werden, dann wird auch Mein Segen ihnen zuteil werden! Aber so, wie sie bei uns hier jetzt noch beschaffen sind und nur daran denken, daß ihre Söhne auch schon bald zu den Angesehensten des Tempels gehören möchten, da bin Ich wahrlich nicht gewillt, zu ihnen zu kommen und sie besonders zu segnen. Gehet hin und belehret sie erst, und es wird sich morgen dann schon zeigen, ob sie schon reif für Meinen Segen sind! Ihr könnet heute hier verweilen und die Sache mit euren Weibern und Kindern behandeln. So Ich am Abend wieder hierher kommen werde, dann möget auch ihr euch wieder zu Mir begeben!“ 4. Als Ich das diesen etlichen Templern gesagt hatte, da fragten sie Mich, wohin Ich Mich den Tag über begeben würde, auf daß Mir einer oder der andere etwa in einem Notfalle nachkäme. 5. Sagte Ich: „Fürs erste wird bei euch kein wie immer gearteter Notfall eintreten, und fürs zweite bleibt Raphael hier der Jungen wegen, und ihr könnet euch bei ihm Rat holen; und so brauchet ihr nun nicht zu wissen, wohin Ich Mich diesen Tag über begeben werde. So Ich aber wiederkommen werde, dann werdet ihr es schon erfahren, wo und was Ich gewirkt habe.“ 6. Mit diesem Bescheid waren die etlichen Templer zufrieden, dankten Mir darum und begaben sich wieder zu ihren Weibern und Kindern. 7. Darauf sagte Ich zu den andern Anwesenden: „Wem es eine Freude macht, Mir zu folgen, dahin Ich nun gehe, der folge Mir!“ 8. Auf diese Meine Einladung erhoben sich alle und machten sich reisefertig. Auch die Maria von Magdalon fragte Mich, ob auch sie Mich begleiten dürfe. 9. Sagte Ich: „Das steht dir frei; so du aber hier verbleibst bei den Schwestern des Lazarus und hilfst ihnen in der Bedienung der Gäste, die zum Teil schon hier sind, zum andern Teil aber heute noch nachkommen werden, so ist es Mir lieber. So aber Gäste aus Jerusalem und auch aus andern Orten hier ankommen und nach Mir fragen werden, da machet Mich nicht ruchbar, und die Angekommenen sollen wieder also weiterziehen, wie sie hierher gekommen sind!“ 10. Die Magdalena dankte Mir für diese Worte und blieb bei den beiden Schwestern; desgleichen blieb auch die Helias mit den Ihrigen und die arme Familie aus Emmaus. 11. Wir aber machten uns auf und gingen zuerst zu dem Wirte im Tale, der bei uns war samt dem Wirte an der großen Heerstraße, unweit Bethlehem, der auch noch bei uns war und Meine Belehrungen anhörte. 12. Als wir bei dem Wirte ankamen, da ging uns das gesamte Hausvölklein entgegen, grüßte uns und hatte eine große Freude an uns. Das Weib bat Mich, daß Ich mit allen, die mit Mir seien, über den Mittag zu Gaste bleiben möchte. 13. Ich aber sagte: „Weib, dein guter Wille gilt Mir als ein vollbrachtes Werk; was du aber immer den Armen tun wirst in Meinem Namen, das wird von Mir also angesehen werden, als hättest du solches Mir getan. Es werden heute über den Mittag aber auch eine Menge Gäste hierher kommen, und es werden sich etliche nach Mir erkundigen; da aber machet Mich nicht ruchbar, und so euch jemand fragen wird, wohin Ich gezogen wäre, da redet die Wahrheit und saget: ,Wir wissen es nicht!‘ Und es liegt darin auch der Grund, warum Ich heute auch Meinen Jüngern nicht zum voraus sage, wohin Ich gehe, und was Ich tun werde. Gen Abend aber werde Ich wieder auch hierher kommen und eine Stunde lang verweilen. Beachtet nun, was Ich euch angeraten habe!“ 14. Alle gelobten Mir das, und wir zogen im Tale südwärts weiter, und es begegneten uns viele Menschen, zumeist Griechen und auch Ägypter, die über Jerusalem nach Damaskus mit allerlei Waren zogen: von denen kümmerte sich niemand um uns, und wir konnten sonach unseren Weg unaufgehalten fortsetzen. 15. Als wir so eine gute Stunde lang fortgewandert waren, da fragte Mich ganz geheim denn doch Lazarus, der stets an Meiner Seite einherging, sagend: „Herr und Meister! Nun könntest Du es mir ja doch sagen, wohin Du Dich begeben wirst. Denn ich und alle, die wir hier sind, werden Dich sicher nicht verraten!“ 16. Sagte Ich: „Wir ziehen in einen Ort nahe bei Bethlehem. Was dort geschehen wird, das werdet ihr alle schon am Orte und an der rechten Stelle erschauen und ganz wohl erfahren.“ 17. Sagte Lazarus: „Es ist nun schon gut, daß ich nur wenigstens das weiß! Aber da dürfen wir schon recht gut auftreten; denn der Weg dahin ist eben nicht ein kurzer.“ 18. Sagte Ich: „Darum werden wir daselbst dennoch zur rechten Zeit und früh genug eintreffen; denn Mir ist es auch möglich, einen langen Weg in einer ganz kurzen Zeit zu durchwandern.“ 19. Sagte Lazarus: „O Herr und Meister, ich weiß wohl, daß Dir nichts unmöglich ist; aber ich fragte Dich dennoch, damit wird diesen etwas öden Weg nicht ganz lautlos fortwandern, und weil ein jedes noch so unbedeutend scheinende Wort aus Deinem Munde mich stets mit einer neuen Kraft belebt.“ 20. Sagte Ich: „Ja, ja, da hast du ganz recht und wahr geredet; denn Meine Worte sind in sich auch pur Geist, Kraft und Leben. Aber nun wandern wir wieder schweigsam weiter, denn es wird uns bald ein Zug römischer Soldaten begegnen, die da nach Galiläa ziehen, und wir werden mit ihnen eine kleine Mühe zu überstehen bekommen!“ Kapitel 110 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 110. — Der Herr befreit gefangene Kinder aus den Händen römischer Soldaten 1. Wir zogen von da noch bei dreitausend Schritte ganz schweigsam vorwärts und ersahen den Zug Soldaten mit ihren Waffen die Heerstraße, die hier über eine Anhöhe führte, hereinziehen. Sie machten viel Lärm, wie es bei ihnen üblich war, und wühlten mit ihren Füßen den Straßenstaub so auf, daß mit ihnen auch eine ordentliche Staubwolke einherzog. 2. Da meinte Agrikola, daß wir von der Straße etwa so ein wenig abbiegen sollten, weil derlei rohe Kriegsknechte, die bei solchen Märschen nicht selten betrunken seien, mit den ihnen in den Weg kommenden Wanderern eben nicht gar zu freundlich umzugehen pflegten. 3. Sagte Ich: „Da hast du wohl ganz recht; aber da seid ihr Römer wohl selbst schuld daran, daß eure Kriegsknechte gar so rohe und wilde Menschen sind! Gebet Ihnen nebst dem Unterricht im Gebrauch der Waffen auch den Unterricht, daß sie Menschen werden, und sie werden sich dann auch als solche betragen!“ 4. Agrikola und auch die anderen Römer merkten sich diese Meine Bemerkung, und als der wilde Zug in unsere Nähe kam, bogen wir denn auch einige Schritte vom Wege ab. Aber es nützte uns das wenig; denn die Führer hießen die Kriegsknechte haltmachen, gingen dann ganz keck auf uns los und fragten uns, wer wir wären und wohin wir zögen, und in welchen Geschäften und Angelegenheiten. 5. Da trat Agrikola vor und sagte zum ersten Führer: „Kannst du lesen?“ 6. Sagte dieser (der Führer): „Ohne das wäre ich kein Oberführer!“ 7. Hier zog Agrikola eine Pergamentrolle aus einer Tasche, die er bei sich trug, und wies sie dem kecken Führer vor. Als dieser ersah, was in der Rolle stand, da erschrak er und entschuldigte sich. 8. Aber Agrikola bedrohte ihn und verwies ihm sein tumultuarisches Benehmen mit scharfen und sehr eindringlichen Worten. 9. Da zogen sich die Führer gleich in aller Ruhe und Ordnung zurück. 10. Agrikola und die andern Römer aber traten darauf zu der Schar der Krieger und untersuchten sie, wie sie sonst geordnet und bestellt wäre. Da fanden sie aber in der Mitte der Schar etliche junge Mädchen und auch zwei Jünglinge, deren Hände auf den Rücken gebunden waren. 11. Als die Römer solches mit starker Entrüstung bemerkt hatten, da fragten sie sogleich die Führer, was dieses zu bedeuten hätte, ob diese Menschen irgendeines Verbrechens schuldig seien, und welcher Nation sie angehören. 12. Die Führer wurden sehr verlegen und wußten nicht, was sie dem strengen und hohen Römer für eine Antwort geben sollten. 13. Da fingen aber die Mädchen und die beiden Jünglinge den Agrikola in hebräischer Zunge weinend zu bitten an, daß er sie aus der Gewalt dieser rohen und grausamen Krieger befreien möchte; denn sie seien Kinder ganz ehrlicher Eltern in der Nähe von Bethlehem, hätten diesen Kriegern nichts zuleide getan, und ihre Eltern, die dort eine Herberge hätten, hätten alle diese Krieger nach ihrem Verlangen wohl bewirtet mit zehn Schläuchen Wein und mit dreißig Brotlaiben und hätten am Ende für das Verlangte nicht mehr als siebzig Groschen begehrt. 14. (Die Gefangenen): „Da wurden aber diese Soldaten so böse und zahlten nicht nur nichts, sondern verlangten von den Eltern noch als eine Strafe für das, daß eben die Eltern es gewagt hatten, von den Soldaten die siebzig Groschen zu verlangen, über tausend Groschen. So viel Geld aber hatten die Eltern nicht, und sie baten diese Krieger um Vergebung und Nachsicht. Aber da half kein Bitten und Flehen; die Eltern wurden daheim im Hause mit Stricken an die Türpfosten fest angebunden. Darauf fingen die Grausamen uns sieben Kinder zusammen, banden unsere Hände auf den Rücken und trieben uns mit ihnen fort also, wie ihr hohen Herren uns nun da sehet. Was sie mit uns vorhaben, das wissen wir unmöglich; daß sie mit uns aber sicher nichts Gutes vorhaben, das können wir uns wohl denken. O ihr lieben und großen Herren! Befreit uns doch um Jehovas willen von diesen Wüterichen!“ 15. Hier fing Agrikola vor Zorn ordentlich zu glühen an, befahl, die sieben Kinder augenblicklich freizulassen – was auch sogleich geschah –, und sagte dann zu den Führern: „So beschützet ihr als Römer die Rechte unserer Untertanen? Wisset ihr nicht, wie die Hauptregel, die ein jeder Krieger beschwören muß, lautet? Diese lautet: ,Lebe ehrenhaft, beleidige niemand ohne Grund; wer dich aber beleidigt, so du nach dem Gesetze handelst, der soll vor ein Gericht gestellt werden!‘ Und am Ende heißt es: ,Gib und laß einem jeden das, was sein ist!‘ Habt ihr da nach dieser alten Hauptregel gehandelt? Wer hat euch das Recht erteilt, auf dem Marsche von einem Ort in den andern die Herbergen zu brandschatzen, die unsere Untertanen sind und unter dem Schutze unserer Gesetze stehen?“ 16. Die Führer erblaßten, denn sie kannten die unerbittliche Strenge des ihnen schon lange bekannten Staatsmannes und baten ihn um Gnade. 17. Agrikola aber sagte: „Diese Kinder und ihre Eltern haben euch auch um Gnade und Erbarmen gebeten! Habt ihr den Unschuldigen keine Gnade und kein Erbarmen bezeigt, wie wagt ihr Frechen nun, mich um Gnade anzuflehen! Ich werde euch als gemeine Räuber und Mörder behandeln lassen und diese Kriegsknechte zu den gemeinsten Galeerensklaven machen! Jetzt kehret um, und ziehet vor uns nach Bethlehem! Dem Obersten werde ich die Weisung geben, was mit euch, ihr Elenden, zu geschehen hat!“ 18. Hierauf trat Ich zu Agrikola hin und sagte zu ihm: „Freund, du hast nun ganz wohl getan, daß du erstens diese Kinder befreit hast, und zweitens, daß du diese betrunkenen Soldaten mit deiner Sentenz völlig nüchtern gemacht hast. Aber die eigentliche Schuld an ihrer Roheit tragen nicht so sehr sie selbst, als der, der sie nach Galiläa beordert hat. Der behielt das kaiserliche, für diese Schar bestimmte Zehrgeld für sich und erlaubte ihr, daß sie sich auf dem Marsche umsonst in den Herbergen und auch bei den Landleuten ihren Bedarf verschaffen kann, entweder mit Güte oder mit Gewalt. Du weißt aber, daß eure Krieger, so sie von ihren Vorgesetzten zum Plündern eine Erlaubnis bekommen, da keine Schonung kennen und den Löwen, Tigern und Hyänen gleichen; daher ist hier das Vergehen dieser Krieger bei weitem geringer, als es dem Ansehen nach erscheint. 19. Der Hauptfehler und der eigentliche Grund von solchen Übergriffen aber liegt in eurem zu unbedingten Vertrauen auf eure Feldherren und Obersten. Ihr versehet sie mit allen möglichen Generalvollmachten, denen zufolge dann ein jeder in seinem Bezirk einen förmlichen Kaiser spielt und tut, was er will, ohne sich viel um Roms allgemeine Gesetze zu kümmern, da er selbst in seinem Bezirk nach seiner Laune und Willkür Gesetze geben kann und darf. 20. Ist hier und da ein Oberster von Natur aus ein guter und gerechter Mensch, so werden die ihm untergebenen Bezirke auch gut zu leben und handeln haben; ist aber ein Oberster irgend zu sehr auf seinen Privatvorteil bedacht, da wehe allen denen, die unter der Macht seines Schwertes stehen! Und sieh, das ist nun eben hier in dem großen Bezirk Bethlehems der Fall! 21. Der gegenwärtige Hauptmann, der die höchste Macht von euch aus in seinen Händen hat und ganz so handelt, wie es ihm von Rom aus gestattet ist, ist auf seinen Vorteil bedacht und macht denn auch solche Anordnungen, bei denen er sicher nie zu kurz kommt; aber das Volk wehklagt und verflucht im Herzen die römische Oberherrschaft und Tyrannei. Die Sache verhält sich ganz genau also, wie Ich sie dir nun dargestellt habe, und es fragt sich nun, wer bei dieser Handlung zur eigentlichen Strafe zu verurteilen ist. 22. Siehe, Ich wußte wohl darum, daß hier in der Nähe von Bethlehem das vor sich gehen wird und zog mit euch denn auch eben deshalb hierher, auf daß hier diesem Übel möge abgeholfen werden; aber es muß dort geholfen werden, wo eigentlich der Fehler steckt! Denn hier mit der Bestrafung dieser Soldaten wird niemandem etwas geholfen sein; gib ihnen einen Verweis, eine ordentliche Vorschrift, wie sie sich in der Folge benehmen sollen, und lasse ihnen ein Zehrgeld für die Reise nach Galiläa zukommen, und sie werden dann ganz in der Ordnung an den Ort ihrer Bestimmung gelangen! 23. Dem Hauptmanne, den wir heute mittag in derselben Herberge, von der diese Kinder sind, treffen werden, aber nimm die Generalvollmacht, und gib ihm Gesetze, und es wird dann alles in der Ordnung sein!“ 24. Sagte hier Agrikola: „Ja, ja, Herr und Meister, Du hast auch hier schon wieder ganz vollkommen recht, und ich werde auch ganz nach Deinen Worten die Verfügungen treffen! Doch vor allem sollen wir uns nun beeilen, in die Herberge zu kommen, und die Eltern dieser lieben Kinder von ihrer Qual und Not befreien. 25. Sagte Ich: „Dafür ist schon gesorgt; denn die Nachbarsleute haben ihnen den Gefallen erwiesen, und sie sind nun in die Stadt zum Hauptmann gegangen, die Anzeige wegen ihrer Kinder zu machen, auf daß ihnen diese wieder zurückgegeben werden möchten. So wir in die Herberge kommen werden, da werden auch die Eltern dieser Kinder zurückkommen. 26. Der Hauptmann wird ihnen Recht widerfahren lassen, wird dieser Schar einen Reiter nachsenden, dem sie die Kinder unversehrt zu übergeben hat, und wir dürfen nun nicht zu lange mehr harren, so wird der Reiter auch schon hierher kommen; diesem aber gib dann du die Weisung an den Hauptmann, daß er um die Mittagszeit in der Herberge zu dir zu kommen habe, und so werden wir ihn denn auch in der Herberge schon antreffen, so wir hinkommen werden. Die Kinder aber werden wir mit uns nehmen.“ 27. Die Führer aber vernahmen, was Ich mit Agrikola gesprochen hatte, und sahen, daß er sich nach Meinen Worten richtete, und sie wollten vor Mir niederfallen und Mir danken. 28. Ich aber sagte zu ihnen: „Nur dieses Mal habe Ich euch gerettet; wenn ihr aber andernorts euch abermals so benehmen werdet, wie ihr euch in der Herberge benommen habt, dann werdet ihr nicht mehr gerettet werden. Nun aber wartet hier, bis ihr abgefertigt werdet, und ziehet dann ruhig und in der Ordnung weiter!“ 29. Für diese Meine Worte dankten sie Mir und nannten Mich einen großen Weisen, dessen Wort mächtiger sei denn die sonst so unerbittliche Strenge des hohen und mächtigen Agrikola; auch nannten sie Mich den Gerechtesten aller Gerechten, und sie und auch ihre Schar lobten Mich laut. 30. Darauf gab ihnen Agrikola eine Anweisung, mittels welcher sie in Bethanien zu verweilen hatten, bis er zurückkehren werde, und Brot und Wein zu bekommen hatten nach rechtem Bedarf, was dann er bezahlen werde, und daß er auch für das weitere Zehrgeld sorgen werde, gebot ihnen zugleich auf das strengste, sich gut und ordentlich zu betragen, was sie ihm denn auch feierlichst gelobten. Darauf befahl er ihnen, weiterzuziehen. Sie ordneten sich, dankten Mir noch einmal und setzten sich in Bewegung. Kapitel 111 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 111. — Die Ankunft in der Herberge 1. Als sie sich etwa ein paar tausend Schritte von dieser Stelle entfernt befanden, da ersahen wir, die wir auch weiterzogen, schon von ferne den Reiter einhersprengen. Es dauerte nicht lange, so war er auch schon bei uns, blieb stehen und fragte uns hastig, ob wir nicht der Kriegerschar begegnet seien, und ob diese nicht Judenkinder in ihrer Mitte mit sich führte. 2. Agrikola zeigte ihm, wer er sei, belehrte ihn über alles und zeigte ihm auch die geretteten Kinder, worüber der Reiter sehr erfreut wurde. Aber darauf gab er dem Reiter auch die Weisung an den Hauptmann, wie Ich sie ihm zuvor angeraten hatte. 3. Der Reiter kehrte darauf schnell um und ritt eiligst nach der Stadt, die von da noch bei anderthalb Stunden Weges entfernt lag, und wir zogen mit den Kindern, die sich mit besonderer Liebe um Mich scharten, unseren Weg weiter. 4. Die fünf Mädchen, von denen das älteste siebzehn und das jüngste zehn Jahre zählte, klagten, daß sie Schmerzen in den Händen hätten, weil sie zuvor so fest gebunden waren; desgleichen klagten auch die beiden Jünglinge. 5. Ich aber bestrich mit Meiner Hand ihre Hände und fragte sie, ob sie nun noch einen Schmerz verspürten. 6. Da sagten sie (die Kinder) freudig: „O du guter Mann, wir fühlen nun keine Schmerzen mehr! Wie aber hast du das jetzt gemacht, daß wir nun gar keine Schmerzen mehr fühlen? Ah, du mußt ja gar ein wunderbarer Heiland sein! Du hattest doch keine Salbe und kein Öl, und doch haben wir nun gar keine Schmerzen mehr! Zu Hause haben wir eine Großmutter, die ist schon lange sehr krank, und kein Heiland kann ihr helfen; vielleicht könntest du ihr auch helfen auf die Art, wie du nun uns geholfen hast?“ 7. Sagte Ich: „Ja, ja, ihr Meine lieben Kinder, so wir dahin kommen werden, da wird es sich schon zeigen, was sich alles mit eurer Großmutter wird machen lassen! Habt ihr aber nicht noch einen kranken Menschen im Hause?“ 8. Sagten die Kinder: „O du wundersamer Heiland, wie fragst du uns darum, als wüßtest du schon ohnehin, daß auch einer unserer besten Knechte schon über ein halbes Jahr von einem bösen Fieber gequält wird? Bist du denn schon einmal in unserer Herberge gewesen und hast daselbst übernachtet?“ 9. Sagte Ich: „Meine lieben Kinder, seht, Ich bin persönlich wohl noch niemals in eurer Herberge gewesen, aber mit Meinem Geiste bin Ich überall! Und so weiß Ich denn auch um alles, was irgend ist und geschieht, und kann den Bedrängten und Elenden auch helfen, so sie wahrhaft auf Gott vertrauen und nach den Geboten Gottes handeln und leben!“ 10. Sagten die Kinder: „Wie machst du es aber, daß du mit deinem Geiste dich überallhin versetzen kannst, und dann alles sehen und hören kannst, wie irgend etwas ist und geschieht? Das ist ja nur Gott allein möglich! Hast du denn etwa den Propheten gleich den Geist Gottes von Zeit zu Zeit in dir? Denn die Propheten, so sie weissagten, wurden, wie wir es gelernt haben, mit dem Geiste Gottes erfüllt. Bist etwa auch du ein Prophet?“ 11. Sagte Ich: „Ja, ihr Meine lieben Kinder! Was Ich so ganz eigentlich bin, das würdet ihr jetzt noch nicht begreifen, so Ich es euch auch sagen würde. Aber mit dem Geiste Gottes in Mir hat es seine Richtigkeit; denn ohne den kann kein Mensch etwas wahrhaft Gutes und Ersprießliches tun. Daheim bei euren Eltern aber werden wir uns schon noch näher kennenlernen. 12. Seht, dort in der Ferne aber kommen eben eure Eltern uns schon entgegen; denn sie haben es schon von dem Reiter in Erfahrung gebracht, daß ihr euch ganz wohl bei uns befindet! So ihr nun wollet, da könnet ihr ihnen entgegeneilen und ihnen sagen, daß wir alle bei ihnen einkehren werden.“ 13. Als die Kinder das von Mir vernommen hatten und ihre Eltern in der Ferne erkannten, da fingen sie an, ihnen entgegenzulaufen, und waren auch bald zu der Eltern größter Freude bei ihnen. Wir aber ließen uns mehr Zeit; denn die Gegend, weil höher gelegen, war hier schön, und die Römer hatten genug zu schauen und zu bewundern und Lazarus und die beiden mit uns ziehenden Wirte ihnen genug zu erklären. 14. Als die Eltern von ihren Kindern erfuhren, wie wir sie aus den Händen der rauhen Krieger befreit haben, und daß wir in ihrer Herberge einkehren werden, da kehrten sie um, eilten mit den Kindern nach ihrem Hause, um daselbst zu unserem Empfange und zu unserer Bewirtung Anstalten zu treffen und alles aufs möglich beste zu ordnen. Es blieb ihnen wohl freilich nicht viel Zeit übrig, da von unserem Standpunkte aus nur mehr eine halbe Stunde Weges Entfernung bis zur Herberge war; aber wir ließen uns, wie schon früher erwähnt, beim Gehen Zeit, da die Römer diese Gegend in der Nähe Bethlehems sehr denkwürdig fanden und sich bald nach diesem und jenem erkundigten. 15. Wir verbrachten daher noch eine gute Stunde auf dem Wege bis zur Herberge, und so hatten die Besitzer derselben Zeit, bis zu unserer Ankunft das Nötigste anzuordnen und vorzubereiten. Es ward ein fettes Kalb geschlachtet und für uns wohlzubereitet, und noch manches andere. 16. Als wir aber der Herberge schon sehr nahe kamen, da eilten uns die beiden Eltern samt ihren sieben Kindern entgegen, grüßten uns auf das höflichste, bewillkommten uns und dankten uns mit Tränen in den Augen für die Wohltat, die wir ihnen durch die Rettung ihrer Kinder erwiesen hatten. 17. Desgleichen dankten uns auch die Kinder nochmals aufs herzlichste und sagten zu den Eltern, auf Mich hinweisend: „Dies ist der wundersame Heiland, der unsere wunden Hände bloß durchs Bestreichen geheilt hat und uns auch versprach, die arme Großmutter und auch unseren Knecht ganz vollkommen gesund zu machen. Er muß ein großer und von Gottes Geist erfüllter Weiser sein, – denn er wisse um gar alles, was in der ganzen Welt irgend ist und geschieht!“ 18. Die Eltern traten darauf zu Mir hin und sagten: „Nochmals dir, du sichtlich großer Menschenfreund, besonders unseren innigsten Dank für die große Wohltat, die du unseren Kindern erwiesen hast, und wir bitten dich denn auch, daß du auch unserer alten Mutter, und wo möglich auch unserem braven Knechte helfen möchtest; denn wir glauben fest und ungezweifelt unseren Kindern, was sie uns von dir ausgesagt haben, und uns bestärkt im Glauben auch die Gegenwart des uns wohlbekannten Lazarus aus Bethanien und der beiden uns ebenfalls bekannten Wirte. Denn diese Männer wären sicher nicht so leicht zu uns gekommen, so du sie nicht hierhergezogen hättest. Die andern Herren aber kennen wir noch nicht näher; nur sehen wir unter ihnen der Tracht nach Römer und Griechen. Diese sind sicher auch nur dir zulieb zu Fuß hierher gekommen; denn so vornehme Römer machen nicht leichtlich einen Weg von etlichen Stunden zu Fuß. Aber sei ihm nun, wie ihm wolle, du bist auf jeden Fall mehr, als du zu sein scheinst! Ihr kommet sicher aus der Gegend Bethaniens und werdet müde sein; wollet ihr euch denn nicht ins Haus begeben und darin ausruhen, bis das Mittagsmahl vollends bereitet sein wird?“ 19. Sagte Ich: „Seht, hier unter dem Schatten eurer Obstbäume und im Freien läßt sich's angenehmer ruhen, und es gibt ja hier auch eine Menge Tische und Bänke, die wir benutzen können! Zugleich weiß Ich aber, daß der Hauptmann um etwas früher als wir von Bethlehem zu Pferde hierher gekommen ist, mit dem diese Staatsmänner aus Rom etwas zu verhandeln haben. Er stärkt sich nun mit seinen zwei Gefährten mit Brot und Wein, und wir wollen ihn dabei nicht stören; wenn er sich wird gestärkt haben, dann wolle er herauskommen und sich mit diesen Römern besprechen.“ Kapitel 112 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 112. — Die Krankenheilungen in der Herberge 1. Nach dieser Meiner Bescheidung aber erinnerte Mich ganz zutrauensvoll der Wirt an die alte kranke Mutter und an den kranken Knecht und bat Mich, daß Ich derer gedenken möchte. 2. Sagte darauf Ich: „Seht, bei Gott sind alle Dinge möglich! Wenn ihr glaubet, da sollen die beiden Kranken, ohne daß Ich sie ansehe und berühre, allein durch Meinen Willen und Mein Wort völlig geheilt werden!“ 3. Sagte der Mann: „Herr und wundersamer Heiland, ich glaube deinen Worten! Denn ein Mann, wie du einer bist, erfüllt gleich einem Propheten mit Weisheit und Wahrheit, hat sicher noch nie eine Unwahrheit gesprochen! Wenn es nicht also wäre, hättest du solches nicht zu uns geredet. Dieweil du aber solches zu uns geredet hast, so glauben wir auch ungezweifelt, daß du unsere beiden Kranken heilen kannst durch die Macht deines Willens und Wortes, und wir bitten dich darum, nur durch deinen Willen und durch dein Wort unsere beiden Kranken zu heilen!“ 4. Sagte Ich: „Nun wohl denn, so will Ich denn, daß die beiden Kranken auf einmal vollkommen gesund ihr Krankenlager verlassen sollen! Gehet aber nun zu ihnen, reichet ihnen etwas Speise und Trank zu ihrer Stärkung, und sie sollen darauf ins Freie wandeln! Doch saget es ihnen nicht alsogleich, daß Ich solches an ihnen getan habe; erst nach dem Mittagsmahle sollen sie Mich näher kennenlernen!“ 5. Die Kinder, die solches auch vernommen hatten, sagten gleich: „Gott in Seinen Himmeln alles Lob, daß Er den guten Menschen, die nach Seinen Geboten leben, solche Kraft und Macht gegeben hat! Nun ist unsere Großmutter sicher schon ganz gesund und zugleich auch unser braver und treuer Knecht!“ 6. Darauf begaben sich die Kinder samt den Eltern sogleich in das Haus zu den Kranken und fanden zu ihrem größten Erstaunen die beiden vollkommen gesund, frisch und heiter. 7. Und die beiden bekannten einstimmig, daß es ihnen so vorgekommen sei, daß sich eine ganz hellweiße Flamme über sie gleich einem Blitze ergossen habe, worauf sie alle Schmerzen verließen und sie sich ganz wohl und sehr gesund fühlten und es ihnen auch vorkam, daß sie so gestärkt wären, daß sie ganz füglich das Bett verlassen könnten. 8. Da sagte der Herbergsherr, der ein Sohn der krank gewesenen Mutter war: „Uns hat das ein angekommener Gast gesagt, daß ihr gesund geworden seid, das Bett verlassen und zu eurer noch größeren Stärkung Speise und Trank zu euch nehmen könnet; darum verlasset nun getrost das Bett, kleidet euch frisch an, und nehmet dann Speise und Trank und stärket euch nach Herzenslust!“ 9. Auf diese Worte erhoben sich die beiden Geheilten aus den Betten, kleideten sich an und nahmen darauf Speise und Trank zu sich. Darauf wollten sie den fremden Gast sehen; aber der Sohn ermahnte sie zur Geduld und sagte zur Mutter, daß sie den Gast schon nach dem Mittagsmahle kennenlernen würden. Und die beiden begnügten sich damit. 10. Wir aber ruhten unter den Bäumen und besahen die schöne Gegend, die, weil diese Herberge auf einer ziemlichen Anhöhe sich befand, sich von hier besonders gut ausnahm. Denn eine kleine Stunde von hier gen Südost lag Bethlehem mit seinen alten Ringmauern und Türmen auf einer gleichen Anhöhe, nur ein Tal mit vielen Äckern, Wiesen und Gärten trennte unsere Herberge, bei der die Hauptstraße eben nach Bethlehem vorüberführte, von der Stadt Davids. Man sah aber von unserer Anhöhe noch eine Menge Ortschaften und auch einzelne Burgen und Gehöfte und gen Westen auch große und wohlbestellte Weinberge, und im weiten, schon blau gefärbten Umkreise waren hohe Gebirge zu sehen, deren Majestät der ganzen Gegend einen noch erhöhteren Reiz verlieh. Es ist darum begreiflich, daß unsere Römer, die große Freunde von schönen Gegenden und Landschaften waren, sich bei dem Beschauen dieser Gegend ganz besonders vergnügten und gleichfort zu fragen hatten, was dies und jenes sei, wie es heiße, wem es gehöre und wie der und der andere Ort wäre, und was sich in den größeren Orten etwa besonders Denkwürdiges zugetragen habe. 11. Und Lazarus, die beiden Wirte und mitunter auch ein oder der andere Jünger hatten da zu erklären genug. Die Römer vertieften sich derart in die Betrachtung dieser Gegend, daß sie beinahe vergaßen, daß der Hauptmann aus Bethlehem sich schon bei einer Stunde lang ihretwegen hier befinde und in großer Besorgnis stehe, was er etwa von den mächtigen Gebietern alles vernehmen werde. Kapitel 113 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 113. — Der Bericht des Wirtes über die Pharisäer 1. Endlich kam der Wirt wieder zu uns, erzählte uns mit großem Dankgefühl die wunderbare Heilung der beiden Kranken und sagte zu Mir: „Herr! Du bist mehr als ein Mensch meiner Art! Du bist nicht nur ein Heiland, der seinesgleichen in der Welt nicht mehr hat, sondern du bist ein großer Prophet, der uns in dieser Zeit schon höchst not tut; denn wenn es unsere Pharisäer noch lange so forttreiben, wie sie es jetzt machen, so geht aller Glaube an einen Gott unter. 2. Ich habe wohl von Reisenden, die hier blieben, schon so manches von einem Propheten gehört, daß er große Zeichen wirke und die Menschen wieder zum wahren Glauben an einen Gott bekehre; aber die Pharisäer sollen ihm sehr feind sein. 3. Vor ungefähr etwa einem Jahre oder auch weniger noch soll er auch in Bethlehem und in den umliegenden Ortschaften sein wundersames Wesen getrieben haben, davon ich aber selbst nichts gesehen habe, da ich ob der vielen Sorge und Arbeit zur Aufrechterhaltung dieser meiner großen Herberge beinahe schon gar nirgends hinkomme und Jerusalem schon über zehn Jahre nicht gesehen habe, selbst ins nahe Bethlehem nur sehr selten persönlich komme, – und so weiß ich, was ich weiß, nur so vom flüchtigen Hörensagen. 4. Es kommen wohl auch beinahe jede Woche etliche Pharisäer von Bethlehem hierher, aber diese um so etwas zu fragen, wäre eine vergebliche Mühe; denn sie verdammen gleich alles, was sich als etwas Außerordentliches darstellt, und erklären schon das für eine sehr sträfliche Sünde, so man ihnen auch noch so harmlos erzählt, daß man davon nur so von weitem her habe reden hören. Es ist darum unsereinem denn auch nicht zu verargen, daß man sich nahe schon um gar nichts anderes mehr kümmert und sorgt als nur um sein eigenes Hauswesen. 5. Nun, so vor einigen Tagen waren in der Nacht wahrlich außerordentliche Dinge am Himmel zu sehen. Man ging da wohl zu den Pharisäern und dachte sich, was Wunder man da alles hören werde, und dachte auch daran, daß der gute, alte Jehova doch endlich wieder einmal ein Zeichen von Sich den Juden gebe. Aber nichts von allem dem! Die Pharisäer unterrichteten das Volk mit ganz heiterer Miene dahin, daß die ganze großartigste Erscheinung, die für uns Juden keinen guten Propheten abgab, ein von den Römern durch die Essäer, die in allerlei Zauberei wohlbewandert seien, bewirkter Volksbetrug sei und sonst nichts zu bedeuten habe, als daß die Römer, denen besonders der hohe und reiche Teil der Juden schon lange nicht besonders gewogen sei, durch derlei Mittel das mehr leicht- und abergläubische Volk betören und gegen ihre jüdischen Oberen aufreizen und dadurch einen allgemeinen Judenaufstand wider die etwas schwach gewordene Obermacht der Heiden verhindern wollten. Mit solcher Erklärung ging man denn wieder ganz gleichgültig und guten Mutes ohne weitere Besorgnisse nach Hause und kümmerte sich um die ganze noch so schrecklich aussehende Erscheinung gar nicht mehr. 6. Bald darauf sah man drei Sonnen aufgehen. Man fragte und bekam zur Antwort, das bezeichne Wind und ein bald eintretendes rauhes Wetter. Und man ging wieder ohne weitere Bedenklichkeiten nach Hause. 7. So sollen auch vor wenigen Tagen sich in dieser Gegend gewisse Verbreiter einer neuen Lehre, die eben von dem Propheten aus Galiläa ausgehen soll, herumgetrieben und auch Zeichen von außerordentlicher Art gewirkt haben, und es soll sich schon viel Volkes an sie halten. Wieviel daran Wahres ist, weiß ich natürlich kaum; denn zu mir ist niemand gekommen, der nur von weitem einem solchen Neulehreboten gleichgesehen hätte. 8. Ich aber fragte erst vor ein paar Tagen einen aus Bethlehem hierher gekommenen Synagogiker, was es mit den gewissen Neulehreboten, die sich in dieser Gegend herumtreiben sollen, für eine Bewandtnis habe, und er sagte mir: ,Ei, derlei müßiges und arbeitsscheues Gesindel treibt sich, seit die Römer unsere Herren sind, ja stets in einer Unzahl herum! Es wird von ihnen geduldet und unterstützt, und wir können dawider wenig oder nichts tun!‘ 9. Ja, gegen solch eine Erklärung konnte man vernünftigermaßen auch wieder nichts einwenden! Denn erstens hat man selbst gar keine näheren Kenntnisse von allem dem, was nun alles im ganzen großen Judenreiche ist und geschieht, und zweitens kann man sich selbst dann, so man von etwas Außerordentlichem auch nähere Kenntnisse hätte, mit den wohlberedten Synagogikern ja in kein Gespräch einlassen, denn man würde einmal mit ihnen nichts ausrichten und dann auch in die Gefahr kommen, von ihnen nach allen Richtungen hin verfolgt zu werden. Und so bleibt man denn lieber so ein stiller Landbürger und kümmert sich weder um eines noch ums andere, obschon man nur zu wohl einsieht, daß die Synagogiker auch nur ihres Bauches wegen das sind, was sie sind, und bei sich noch weniger an einen Gott glauben als einer dieser meiner vielen Obstbäume. 10. Und ich sagte darum zuvor, daß es nun schon höchst nötig wäre, so wieder einmal ein wahrer und mächtiger Prophet aufstünde; denn sonst verliert das Volk ehest allen Glauben an einen allein wahren Gott. Du scheinst mir nach deiner Macht und inneren Weisheit ein solcher zu sein, und ich bin dessen nun froh, daß ich in dir nun endlich einmal selbst einen solchen Mann zu Gesichte bekommen habe, der gut ein Elias sein könnte. 11. Jetzt glaube ich wieder, daß es in den früheren Zeiten Propheten gegeben hat, die von Gott des blinden und ungläubigen Volkes wegen mit einer besonderen Weisheit und Macht ausgerüstet worden sind. Bisher war solch ein Glaube bei mir in das Reich der frommen Märchen hinabgesunken. Aber wo ich nun selbst gesehen habe, daß dein Wille und Wort zwei Kranke, die jeder sonst noch so bewährte Heiland für unheilbar erklärte, auf einen Schlag derart frisch und gesund gemacht hat, da ist auch mein Glaube an einen Gott und an die Propheten wieder vollkommen hergestellt, – was mir lieber ist, als so mir jemand der halben Welt Schätze geschenkt hätte. 12. Aber nun kommt der Hauptmann heraus und wird sicher mit den hohen Römern zu verhandeln haben, und da dürfte ich mich wohl als überflüssig hier dabei befinden, und so wird es Zeit sein, daß ich mich ins Haus begebe!“ 13. Sagte Ich: „Gerade jetzt bist du notwendig dabei! Denn die Römer haben eben deinetwegen mit dem Hauptmanne etwas zu reden. Durch seine Verfügung bist du heute von der vorüberziehenden Kriegerschar zu einem nicht verdienten Schaden gekommen, der dir wird ersetzt werden müssen, und das eben vom Hauptmanne, und darum mußt du als ein benachteiligter Kläger vor den hohen Richtern gegenwärtig sein; denn wo es keinen Kläger gibt, da gibt es auch keinen Richter!“ 14. Sagte der Wirt: „Ja, ja, du machtvoller und weiser Heiland, das wäre schon alles recht; aber der Hauptmann wird nachher auch mein Herr verbleiben! Kommt er nun durch mich zu einem bedeutenden Schaden, so werde ich dann, so ihr von hier fort sein werdet, meine große Not mit ihm haben, – und so möchte ich ihm schon fast lieber alles nachsehen, als mich hintendrein förmlich ans Kreuz binden lassen.“ 15. Sagte Ich: „Da sorge du dich nur um etwas anderes; denn es wird dadurch der Hauptmann erst ein Mensch und auch dein wahrer Freund werden! Daß du aber Meinen Worten schon den vollsten Glauben schenken kannst, dafür habe Ich dir schon mehr als einen handgreiflichen Beweis geliefert.“ 16. Sagte der Wirt: „Ja, wenn so, da bleibe ich freilich wohl da! Sollen etwa auch mein Weib und meine Kinder und mein einziger nächster Nachbar, der mir zu Hilfe gekommen ist, da meine Dienstleute auf dem Felde Arbeit hatten und nicht zu Hause waren, herzuberufen werden?“ 17. Sagte Ich: „Dessen hat es nicht not, – du allein, als das Haupt des Hauses, genügst!“ 18. Mit dem begnügte sich denn auch unser Wirt und blieb allein bei uns. Kapitel 114 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 114. — Die Klagen über Herodes 1. Auf das erst begab sich der Hauptmann voller Demut zu Agrikola, grüßte ihn und bat ihn, daß er kundtäte seinen hohen und mächtigen Willen. 2. Agrikola sah ihn sehr ernst an und sagte: „Ihr von uns mit aller rechtlichen Macht begabten Hauptleute machet davon, wie Ich leider nun bei meiner Bereisung Palästinas mehrere Erfahrungen davon gemacht habe, einen sehr bedeutenden und ärgerlichen Mißbrauch! Heute habe ich einen solchen von dir in eine mir höchst mißliebige Erfahrung gebracht. Wie wirst du dich nun rechtfertigen vor mir? Denn du bist angeklagt von den Soldaten und faktisch von diesem ehrlichen und braven Bürger. Ich weiß um deine ganze Schuld so gut wie du selbst und brauche sie dir nicht vorzutragen; daher rede du nun und rechtfertige dich!“ 3. Sagte der Hauptmann: „Mächtiger Gewaltträger des Kaisers und der weisen Gesetze Roms oberster Ausfolger und Bestimmer! Rechtfertigen kann ich mich vor dir nicht, obschon ich streng genommen dem Inhalte der in Rom mir erteilten Vollmacht gerade nicht dawidergehandelt habe; aber aus Menschlichkeitsrücksichten hätte ich freilich auch anders handeln können, weil mir es freisteht, auch milde zu sein, so ich es für gut finde. Hier war zwar kein Grund vorhanden, die Soldaten mit etwas zu vielen Freiheiten in eine andere Provinz ziehen zu lassen, aber ich wollte eine kleine Ersparung machen und habe ihnen die Zehrpfennige vorenthalten, dafür aber ihnen erlaubt, sich für den notwendigen Mundbedarf mäßig auf dem Wege bei den großen Herbergen schadlos zu halten. Und darin besteht für hier meine Hauptschuld, die ich völlig, und das zehnfach, gutmachen will. 4. Das aber, daß die Soldaten samt den wohlinstruierten Führern schon von hier von der ihnen nur mäßigst erteilten Freiheit einen groben Mißbrauch zu machen sich getrauten, habe ich nicht erwarten und voraussehen können, indem sie sich nun schon drei volle Jahre hindurch in Bethlehem stets so betragen haben, daß noch keine Klage über sie von jemandem geführt wurde. Zudem waren sie an geschäftslosen Tagen abwechselnd schon oft hier, haben gezehrt und gezahlt, was der Wirt wohl wissen wird. Daß sie aber nun bei ihrem Abzuge sich auf eine solche Weise schon hier benommen haben, als wären sie in einem Feindeslande, dafür kann ich wahrlich nicht; denn dazu habe ich ihnen keine Instruktion gegeben. 5. Da ich aber dennoch die Schuld trage, daß von den Soldaten hier solch eine Ungebührlichkeit begangen wurde, so will ich auch, wie schon gesagt, jeden Schaden zehnfach gutmachen. Ich habe geredet.“ 6. Sagte darauf Agrikola: „Das ist nun nicht mehr als recht und billig; aber sollte in der Folge noch einmal so etwas vorkommen, und ich erfahre das in Rom, dann wird mein Richterspruch ganz anders lauten! Denn so weit erstrecken sich die euch von uns im Namen des Kaisers erteilten Vollmachten nicht, daß ihr ganz nach eurer Willkür den Soldaten das ihnen Gebührende vorenthalten und es für euch behalten dürftet. Nur in dringenden Fällen, wo sich etwa in einem Lande Unruhen und Aufstände zeigen, wäre allenfalls solch ein Mittel in Anwendung zu bringen, damit die Krieger den Aufständischen fürchterlicher und rücksichtsloser begegnen mögen. Doch ist selbst da so lange eine weise Mäßigung der zu großen Strenge stets vorzuziehen, als es nur immer möglich ist; denn ein zu geplagtes Volk wird zu einer Regierung nie eine Liebe und Anhänglichkeit an den Tag legen. Das geheime Zornfeuer wird in ihm fortglühen; sowie es einmal von irgendwoher Luft bekommen wird, wird es in alles verheerende Flammen ausbrechen, denen dann schwer ein Schutzdamm wird gesetzt werden können. Das hast du nun als allzeit gültige Instruktion für deine fernere Amtswaltung strenge zu beachten. 7. Nun aber kommt es auf den Wirt an, daß er treu und wahr ansage, wieviel die Soldaten bei ihm verzehrt haben, und wieviel er für die Mißhandlung seiner selbst, seines Weibes und besonders seiner Kinder beansprucht. Und am Ende hast du dem Lazarus, einem getreuen Wirte von Bethanien, der hier zu meiner Rechten sich befindet, heute noch die Zehrpfennige für die Soldaten zu bezahlen. – Nun rede du, Wirt dieser Herberge!“ 8. Sagte der Wirt: „Höre, du hoher Gebieter! Mir ist durch diesen weisesten und wundermächtigsten Heiland eine unschätzbar große Wohltat zuteil geworden, und ich stehe mit meinem Vermögen, Gott dem Herrn alles Lob, noch so als ein Bürger da, daß ich den mir von den Soldaten zugefügten Schaden ganz leicht ertragen kann, und mache darum auf gar keine Entschädigung irgendeinen Anspruch. Will aber der sonst mir stets freundliche Hauptmann und Gebieter über Bethlehem und diese ganze Gegend den Armen eine Wohltat erweisen, so stehe das bei ihm und seinem freien Willen! Was aber deine und des Lazarus Sachen sind, da habe ich nichts zu reden.“ 9. Sagte Agrikola, ganz gerührt von dem Edelmut des Wirtes: „Wahrlich, solch ein Edelmut ist mir wohl nur äußerst selten vorgekommen, und der Hauptmann wird ihn auch zu würdigen verstehen!“ 10. Sagte der Hauptmann: „Ja, bei allen Mächten der Himmel, das werde ich auch! Nicht nur zehnfach, sondern tausendfach werde ich solch einen Edelmut mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln zu belohnen nimmerdar unterlassen. Was aber das betrifft, was ich an den Lazarus zu bezahlen habe, so wird das Geld binnen einer Stunde hergeschafft werden; meinen Geheimschreiber und Säckelmeister will ich sogleich darum entsenden. Aber dann erlaubet mir, daß ich als ein nun bekehrter Sünder in eurer Gesellschaft verweilen darf; denn auch ich möchte den wundersamen Heiland näher kennenlernen und ihm auch den Dank dafür abstatten, daß er schon zum voraus diesem edlen Wirt das vergütet hat, was ich ihm zu vergüten gehabt hätte!“ 11. Sagte Agrikola: „Du magst schon bleiben als nun unser Freund, und die nähere Bekanntschaft mit unserem größten Heilsmanne wird dir von größtem Nutzen sein, und du wirst Ihm bald noch mehr zu verdanken bekommen, als was du Ihm nun zu verdanken hast. Siehe aber nun mit Lazarus in Ordnung zu kommen; denn ich habe auf dem Wege den Führern der Soldaten die Weisung mit seiner Einwilligung gegeben, sich dort mäßig auf deine Kosten verpflegen und sich auch die von dir ihnen vorenthaltenen Zehrpfennige ausbezahlen zu lassen!“ 12. Sagte nun Lazarus: „Nun lasset auch mich ein Wort reden! Da dieser Hauptmann nun gar so edelsinnig geworden ist und mir vor zehn Jahren auch eine entschieden große Freundschaft erwiesen hat bei meinen Besitzungen, die sich in dieser Umgebung befinden, so mache auch ich es unserem edlen Wirte nach, und der freundliche Hauptmann ist denn auch mir nichts mehr schuldig! Er möge dafür den Armen und Bedrängten stets ihr Recht beschützen und sie schirmen vor des Herodes Übergriffen und großen Willkürlichkeiten; denn in dieser Gegend macht er sich noch breiter denn in Jerusalem.“ 13. Sagte hier abermals der Wirt: „Ja, Herodes ist unsere größte Plage! Wir würden mit einer noch größeren Liebe an dem Kaiser hängen, als das nun der Fall ist, wenn er uns, was sicher ganz leicht ginge, nur von dieser Plage befreien möchte. Wir wissen wohl, daß Herodes als ein Lehensfürst nach Rom einen großen Tribut bezahlt; aber dafür entschädigt er sich zehnfach durch überstarke Steuererpressungen und schont niemanden. Wenn seine Steuererpresser kommen, da heißt es gutwillig zahlen, was und wieviel sie verlangen. Da wird keine Frist gegeben, sondern da heißt es: Zahlen! Wer das Geld nicht hat, dem wird alles genommen, Vieh und Getreide, und reicht das nicht aus, auch Weib und Kinder. Wenn der so um alles beraubte Mann dann die verlangten Steuern bis zu einem gesetzten Termin nicht bezahlen kann, so werden sein Vieh, Getreide, und Weib und Kinder auf offenen Märkten verkauft. Ja, das ist denn doch etwas Entsetzliches! Da kann man sich bei den römischen Gerichten beschweren, wie man will, so findet man keinen Schutz, und das ist denn doch ein himmelschreiendes Unrecht! 14. So wir dem Kaiser den jährlichen Zinsgroschen zahlen, so tun wir das gerne – denn erstens ist das nicht viel, und zweitens wissen wir, warum wir den kleinen Zins bezahlen; denn der Kaiser gibt uns dafür weise Gesetze und sorgt durch seine Gerichte und durch seine Soldaten für die Aufrechterhaltung der guten Ordnung im Lande –; Herodes aber fordert das Zehnfache, ja oft sogar das Hundertfache als purer von Rom aus begünstigter Lehensfürst und tut und gibt uns nichts dafür. Wir haben freilich vom Kaiser aus das Recht, uns von Herodes loszukaufen; aber es ist das mit vielen Umständen und Kosten verbunden. Wir Reichen dieser Gegend und auch anderorts haben das auch getan und befinden uns nun ganz wohl dabei; aber die ärmeren Besitzer, die das nicht können und sich vor den Drohungen der Priester, die es mit dem Herodes halten, fürchten, sind desto elender daran, weil dieser wahre Tyrann, obschon er das Lösegeld bekommt, dann bei den andern die Steuern derart erhöht, daß sie auch für die Losgekauften das bezahlen müssen, was wir ehedem bezahlt haben. 15. So habe zum Beispiel ich an den Herodes jährlich hundert Groschen mindestens zu zahlen gehabt. Als ich mich aber schon vor zehn Jahren um tausend Silbergroschen losgekauft habe, so war Herodes ja ohnehin ganz entschädigt, da er die tausend Groschen zu zehn von hundert in die Wechselbude legte. Aber das genügte dem großen Schwelger nicht; er legte die von mir nicht mehr zu bekommenden hundert Groschen auf zwanzig andere ihm pflichtige Untertanen, so daß ein jeder nun um fünf Groschen mehr zahlen muß denn zuvor. Und beschweren sich diese bei den Römern, so finden sie nur selten einen Schutz, sondern man rät ihnen auch den Loskauf. Ja, das wäre schon alles recht, wenn die am meisten Bedrängten nur die Mittel dazu hätten! Und dann ist es bei dem Sichloskaufen in Hinsicht auf das willkürliche und unbeschränkte Gebaren des Herodes auch wahrlich eine wahre Gewissenssache und ein Verstoß gegen die Nächstenliebe; denn ich habe mir mein Los wohl verbessert, aber dafür das von zehn und zwanzig andern verschlimmert. 16. Ihr hohen und weisen Gewaltträger des Kaisers, ich habe euch nun die Sache so dargestellt, wie sie ist; seid darum bedacht, daß endlich einmal diesem großen Übel Einhalt getan werde! Jeder würde darum dem Kaiser gerne den zehnfachen Zins bezahlen, so er nur von der Herodesplage befreit wäre, und der Kaiser würde dabei sicher mehr denn um die Hälfte mehr erhalten, als was der Herodes an ihn bezahlt; denn wir wissen es ja, wieviel Herodes zu zahlen hat, und das macht nicht den hundersten Teil von dem aus, was die Untertanen an den Herodes zahlen müssen.“ 17. Sagte Agrikola: „Ja, ich sehe es nur zu gut und klar ein, was Herodes treibt, und es sind ihm auch schon manche Schranken gesetzt worden und werden auf diese deine Beschwerde ehest noch größere gesetzt werden! Doch für den Augenblick läßt sich das nun nicht ändern; denn er hat sich neuerdings mit dem Lande auf zehn Jahre belehnen lassen und hat dafür den vom Kaiser gesiegelten Vertrag in seinen Händen. Aber dessenungeachtet werden wir beim Kaiser das schon erwirken, daß dem losen Treiben des großen Schwelgers die rechten und wirksamen Schranken gesetzt werden. Doch bevor ich nun schon hier im Namen des Kaisers etwas anordne, werde ich auch hier diesen allerweisesten Herrn und Meister um einen rechten Rat bitten, und Er wird es mir sagen, was da vor allem not tut.“ Kapitel 115 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 115. — Die göttliche Führung des Judenvolkes 1. Hierauf wandte sich Agrikola an Mich und sagte: „O Herr und Meister! Gib Du uns Römern nach Deiner Liebe, Gnade und Gerechtigkeit einen Rat, was in dieser wahrlich sehr argen Sache zu tun wäre zum Wohle dieser Menschen!“ 2. Sagte Ich: „Da läßt sich nun nicht viel tun; denn nach euren Gesetzen muß ein Vertrag aufrecht und geltend erhalten werden auf die bestimmte Zeit hin, wenn der Vertragsbesitzer die im selben enthaltenen Bedingungen erfüllt. Aber im Vertrage steht es nicht, daß Herodes die Steuern derer, die sich losgekauft haben und römische Bürger geworden sind, auf die nicht Losgekauften verlegen könne, und so könnet ihr ihm das wohl verbieten. Es hat zwar solches schon der Landpfleger Pontius Pilatus zum Teil getan und hat sich den Herodes dadurch zum Feinde gemacht, aber es wirkte das eben nicht viel, und Herodes tut noch, was er will, und kümmert sich wenig um den Landpfleger; denn er hat ja im Vertrage vom Kaiser die klar ausgesprochene Befugnis, im Lande sich aller Rechte eines Königs insoweit zu bedienen, inwieweit sie nicht den Gesetzen Roms als widerstrebend und mit diesen unvereinbar erscheinen. 3. Nun, nach solch einer ihm erteilten Befugnis, die sicher nicht zu den weise überdachten gehört, kann er gar manche schreiendste Ungerechtigkeit ausüben, und ihr könnet ihn laut eurem Vertrage zu keiner Verantwortung ziehen. 4. Daß er aber nun geizt und das Volk im hohen Grade bedrückt, liegt in dem Umstande, daß er soviel Geldes zusammenbringen möchte, um damit euch Römern das ganze Land, als für alle Zeiten geltend, zu seinem Nutzen und Zwecke abzukaufen, um so ein von euch ganz unabhängiger Herrscher über ganz Judäa zu sein. Er wird es zwar nicht dahin bringen, aber da er einmal diesen Sinn und Vorsatz hat, so handelt er auch also nun, um ihn nach seiner Idee einmal bei gutem Winde aus Rom in Ausführung zu bringen. 5. Ich könnte alles das, wie es nun besteht, wohl mit einem Gedanken ändern, und das ganze Haus des Herodes bis auf seine entferntesten Verwandten bestünde nicht mehr, aber Ich tue das dennoch nicht, weil er als eine Zuchtrute für den Geiz und für die Hoffart des Volkes von Gott zugelassen ist. 6. Denn als die Juden unter den Richtern standen, hatten sie außer dem Zehnten keine Steuern und waren reich und mächtiger denn irgend ein Volk der Erde. Da wurden sie übermütig in ihrem Glanze und wollten einen König haben, der an Glanz, an Pracht und an Macht alle Könige der Erde überträfe. Und es ward ihnen ein König gegeben. Aber mit ihm kam auch alles Elend über das mit der Regierung Gottes unzufrieden gewordene Volk. 7. Da murrten und klagten die Menschen noch ärger denn jetzt, und viele baten Gott um Abhilfe; aber Gott ist nicht ein Wesen, das gleich einem Menschen von heute bis morgen seinen einmal gefaßten Entschluß ändert – denn täte Er das, so bestünde schon lange keine Erde und keine Sonne mehr! –, und so beließ Er denn auch die Juden unter den Königen. Die Könige aber waren so lange weise und leiteten das Volk gerecht, als das Volk selbst gut und weise und gerecht nach den Gesetzen Gottes verblieb. Wie sich aber das Volk unter sich zu übernehmen begann und Hurerei und allerlei Ungerechtigkeit zu treiben anfing, da wurden auch unweise und harte und ungerechte Könige über dasselbe gesetzt. 8. Und als das ganze Judenvolk bis auf nur wenige nahezu ins Heidentum überging, da kam es denn auch in die Gefangenschaft der Babylonier, damit es da erfahre, wie sich's unter der Herrschaft der finstersten Heiden leben läßt. Da erst kehrte das Volk wieder zu seinem alten und allein wahren Gott zurück, und Gott machte es wieder zu einem selbständigen Volke und gab ihm weise und gerechte Lenker. 9. Aber es dauerte abermals nicht lange, und das Volk verfiel in seine alten Sünden und Übel, und Gott stellte es nach und nach also, wie es verdientermaßen nun steht und seufzet und klagt. 10. Und Gott ist nun Selbst zum Volke im Fleische gekommen also, wie die Propheten es geweissagt haben, und will es erlösen und glücklich machen für Zeit und Ewigkeit; aber das große Volk glaubt es nicht, so es auch davon hört und selbst mit den offensten Augen schaut, und verfolgt den allmächtigen Helfer und will von Ihm nichts hören. Darum aber läßt denn Gott auch zu, daß das blinde und arg gewordene Volk nach allen Richtungen hin geplagt werde und noch stets mehr geplagt werden wird, und es wird noch kommen, daß es unter alle Völker der Erde zerstreut werden wird und wird kein Land haben, das es sein nennen könnte. 11. Weil das Volk aber nun also ist, so muß es nun auch von den Römern und noch mehr von deren Lehensfürsten geplagt werden. Wer aber da noch weise und gerecht ist und die Gebote Gottes achtet und hält, der wird auch Gerechtigkeit, Gnade und Hilfe finden bei Gott und den Menschen, und die Hab- und Herrschsucht des Herodes wird ihm nichts anhaben können, davon Lazarus und viele andere zeugen können. 12. Wer aber noch gedrückt wird, der wende sich zuerst wahrhaft an Gott und bitte Ihn im Herzen um Hilfe, und es wird ihm geholfen werden, so er sich enthält von allen den vielen Sünden, die unter den Juden nun mehr denn unter den Heiden gang und gäbe sind! 13. Siehe, Freund Agrikola, also stehen die Sachen, und du wirst aus dem Gesagten nun schon entnehmen können, was du in bezug auf den Herodes zu tun hast!“ 14. Sagte Agrikola: „Ja, Herr und Meister, Du allein Wahrhaftigster und Getreuer, nun weiß ich ganz klar, was mir zu tun übrigbleibt; was Dir, o Herr, recht ist, das ist auch mir recht!“ Kapitel 116 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 116. — Der Hauptmann und der Wirt erkennen den Herrn 1. Während Ich aber also mit Agrikola redete, hatten Mich der Hauptmann, seine beiden Gefährten, die in seinem Dienste standen, und auch der Wirt scharf beobachtet, und der Hauptmann sagte nach den Worten des Agrikola: „Herr und Meister und wundersamer Heiland, so wie nun Dich habe ich noch nie einen Menschen reden hören! Mir scheint, – mir scheint es stark, daß hinter Dir ganz wer anderer steckt, als Du in Deiner Harmlosigkeit zu sein scheinst! Du bist sicher der große Mann aus Galiläa, von dem mir schon Kornelius und mehrere andere Römer Kunde gemacht haben? Und bist Du eben Derselbe, dann ist mir nun alles klar, und ich für mich weiß es schon, mit Wem wir da zu unserer höchsten Beseligung zu tun haben. Sei mir aber darob nicht gram, daß ich solches hier ausgesprochen habe!“ 2. Sagte Ich: „O mitnichten, – aber sonderbar ist es dennoch, daß die Heiden das Licht früher erschauen als so viele Juden, die doch schon von Urbeginne an zum Lichte berufen waren! Aber sei es nun, wie es da ist, Ich habe darum schon also verordnet, daß nun das Licht von vielen Juden genommen und den Heiden gegeben werden wird. Sie waren lange blind und sehnten sich nach dem Lichte, und weil sie sich nach dem Lichte sehnten, so fanden sie es auch; die Juden aber prahlten mit dem, daß sie allein das Licht haben, sind aber nun blind geworden, also daß es ein Schweres ist, sie nun wieder sehend zu machen. 3. Meine Worte sind das Licht und das Leben, und Meine Taten zeugen, daß Meine Worte lebendig sind, weil der Geist, der in ihnen ist, kein toter, sondern ein ewig lebendiger und über alles mächtiger ist; denn bevor je etwas geschaffen war, da war schon das Wort, das ihr nun höret. Das Wort war bei Gott, und Gott Selbst war das Wort. Das Wort aber ist nun Fleisch geworden und wohnt nun unter euch. Ich kam in Mein Eigentum zu den Meinen, und diese erkennen Mich nicht! 4. O der großen Blindheit der Juden, und das namentlich der in dem Tempel und in den Synagogen sitzenden und sich breitmachenden! So Ich sie rufe, da vernehmen sie nichts, und zeige Ich ihnen das große Licht, so sehen sie es nicht an. Darum wehe ihnen am Tage des Gerichts, das über Jerusalem kommen wird! Doch nun nichts weiteres mehr von dem!“ 5. Sagte hierauf der Wirt: „O Herr und Meister! Du scheinst etwas ungehalten zu sein auf mich, weil ich Dich nicht sobald tiefer erkannte, wie Dich die Römer erkannten; aber dafür kann ich ja doch wohl nicht! Herr und Meister, sage es rund heraus, daß in Dir die Fülle der Gottheit wohne körperlich, und ich und mein ganzes Haus werden es glauben! Denn die Zeichen, die Du wirkest, kann ja nur Gott allein wirken und der Mensch erst dann auf Augenblicke lang, so er vom Gottesgeiste auf eben gewisse Augenblicke lang durchdrungen und ergriffen worden ist; denn kein Mensch könnte die zu endlose Macht und Gewalt des Geistes Gottes in sich ertragen und dabei erhalten das Leben! 6. Wer demnach aber Dir gleich die Fülle des Geistes Gottes körperlich in sich fasset und trägt und also auch gleichfort lebt und handelt, der ist soviel wie Gott Selbst. Denn hat der Geist Gottes uns Menschen aus Seinem Worte und Willen einen Leib mit der lebendigen Seele erschaffen und geben können, warum sollte Er Sich Selbst, so es Ihm wohlgefällt, nicht auch einen reinsten Leib geben können nach der Ordnung Seiner Liebe und Weisheit?! 7. Du, o Herr und Meister, magst aus dem wohl schier endlos heller als ich ersehen, daß ich nicht zu den begriffsstutzigen Juden gehöre, sondern das bald und leicht glaube, was ich als handgreiflich wahr erkenne; darum wolle Du mir deshalb nicht gram werden, weil der Hauptmann als ein Heide Dich eher erkannte als ich, der ich ein Jude bin!“ 8. Sagte Ich: „So Ich dir gram werden könnte, da wäre Ich nicht zu dir gekommen! Ich habe aber wohl schon lange gewußt, was dir am heutigen Tage begegnen werde, und kam darum mit diesen Meinen Freunden hierher zu dir, um dir zu helfen! Und da Ich das getan habe, bin Ich dir doch sicher nicht gram, sondern ein gar erster und größter Freund. Was Ich aber ehedem gesagt habe, das gilt allen Juden und allen Völkern der Erde, und auch denen, die in den Sternen wohnen. 9. Nun aber will Ich dir noch etwas sagen, und du wirst dann um so klarer einsehen, warum Ich nun als ein erster und wahrster Freund zu dir gekommen bin. 10. Siehe, dort in der Nähe der Stadt besteht im Vordergrunde unweit von der Straße eine Grotte, die noch heutigentags zu einem Schafstalle dient! Dort wurde Ich, als Kaiser Augustus die erste Volksbeschreibung im Judenlande anbefahl, von einer Jungfrau, die nie einen Mann erkannt hatte, um die Mitternacht herum geboren und gepflegt. Es geschahen aber zum Erkennungszeichen für die Menschen, auf daß sie gewahreten, Wer da ins Fleisch der Menschen getreten ist, große Zeichen am Himmel und auch auf der Erde, die von euch Hirten zuerst erschaut wurden. 11. Du als damals noch ein Hirte auf jener bedeutenden Trift, die noch heute euer Gemeingut ist, warst einer der ersten, die zu der Grotte kamen und den neugeborenen König der Juden begrüßten und Ihm die Ehre erwiesen. 12. Als du aber die Chöre der Engel vernahmst, da sagtest du zu mehreren zu der Grotte gekommenen Hirten: ,Seht, seht! Dieses Knäbleins Antlitz strahlt ja wie die Morgensonne, und es ist volle Tageshelle in der Grotte! Da ist mehr als nur ein neugeborener König der Juden! Das ist der verheißene Messias; das ist Der, von dem alle Propheten geweissagt haben! Der wird uns bringen das Heil, und darum sollen wir Ihn anbeten!‘ 13. Da warst auch du es, der folgenden kurzen Psalm den andern Hirten vorsang: ,Gott sei uns gnädig und segne uns! Er lasse uns Sein Antlitz leuchten – Sela! –, daß wir auf Erden erkennen Seinen Weg und unter allen Heiden Sein Heil! Es danken Dir, Gott, die Völker, es danken Dir alle Völker! Die Völker freuen sich und jauchzen, daß Du die Leute recht richtest und regierest die Leute auf Erden, Sela. Es danken Dir, Gott, die Völker, es danken Dir alle Völker! Das Land gibt sein Gewächs; es segne uns Gott, unser Gott! Es segne uns Gott, und alle Welt fürchte Ihn!‘ 14. Siehe, diesen Psalm hast du damals, von deinem inneren Geiste getrieben, auf Mich gerichtet und hast hernach, als du nach deinem Vater Besitzer dieses Gutes geworden bist, unweit von hier an der Straße einen wohlbehauenen Stein setzen lassen und schriebst mit eigener Hand den Psalm darauf, also, daß er für jedermann wohl zu lesen und zu erkennen ist, da du ihn in der hebräischen, griechischen und römischen Schrift und auch in den drei Zungen geschrieben hast mit einer unverlöschbaren Farbe! 15. Aus dem aber kannst du nun schon ersehen, daß Ich dich gar wohl kenne, und daß Ich dir nicht gram bin, wie du es dir dachtest, denn du warst ja eben einer der ersten, der Mich erkannt hat schon bei Meiner Geburt, und hast Mir gegeben die rechte Ehre, und so wirst du nun sicher auch nicht der Letzte sein, der Mich nun wiedererkennen wird!“ 16. Hier ward unser Wirt zu Tränen gerührt und sagte: „Gott, Herr und Meister! Es ging mir das im Geiste vor, daß es also sein werde, wie ich Deiner nur ansichtig wurde; aber ich getraute mich doch nicht, mich darüber laut zu äußern. Da Du mich nun aber gnädigst daran erinnert hast, so ist es nun ja außer allem Zweifel, daß Du Derselbe bist, dem schon vor zweiunddreißig Jahren mein Lieblingspsalm allein gegolten hat. O welch ein endlos großes Heil ist nun meinem Hause widerfahren! O Herr, o Gott! Welchen Psalm soll ich Dir denn jetzt vorsingen?“ 17. Sagte Ich: „Wir bleiben schon bei dem, den du Mir zuerst gesungen hast; denn der enthält schon ohnehin alles, was der ewigen Wahrheit gemäß ist, und Ich bin damit zufrieden!“ 18. Da bat Mich der Wirt, ob er nun nicht alles das im Hause dem Weibe, seiner geheilten Mutter, seinen Kindern und auch seinem geheilten Knechte verkünden dürfte, welch ein Heil ihnen allen widerfahren sei. 19. Sagte Ich: „Das tun wir erst nach dem Mittagsmahl, das nun nicht lange mehr auf sich wird warten lassen. Bis dahin aber werden wir schon noch etwas anderes zu besprechen bekommen.“ Kapitel 117 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 117. — Der Wirt berichtet vom ersten Besuch des Herrn 1. (Der Herr:) „Siehe, Ich war vor einem Jahre hier und habe in der Umgegend viele Lahme, Krüppel und Blinde geheilt! Als Ich dann von da nach Galiläa zog, da ging Mir viel Volkes nach bis nach Kapernaum. Dieses Volk wollte Mich am Wege zum Könige erheben, weil es die Zeichen sah, die Ich gewirkt habe. Als Ich aber in Kapernaum in einer Synagoge sie treu tiefe Worte aus dem Geiste hören ließ, da fingen alle an sich zu ärgern, sagten, das sei eine harte Lehre, wer solle diese hören und verstehen, und verließen Mich und zogen wieder heim. Da du mehrere von jenen kennst und mit ihnen sicher auch so manches darüber wirst gesprochen haben, so möchte Ich es eben von dir nun vernehmen, was diese Menschen nun so von Mir urteilen.“ 2. Sagte der Wirt: „O Herr, der Du die Herzen und die Nieren der Menschen prüfest, was soll ich Dir nun noch erzählen können, um das Du etwa nicht um gar endlos vieles besser wüßtest denn ich!?“ 3. Sagte Ich: „Ja, du Mein lieber Freund, es handelt sich hier nicht darum, ob Ich das schon zum voraus weiß oder nicht, sondern es handelt sich hier um deine eigene Entäußerung und volle Reinigung deiner Gedanken und Worte, und darum möchte Ich das von dir ausgesprochen vernehmen! Zudem müßten dann alle Menschen vor Mir wie ganz stumm wandeln, da sie, die Mich einmal erkannt haben, das wohl allzeit voraussetzen können, daß Ich um gar alles weiß, was in ihnen vorgeht. 4. Ich aber will, daß auch ihr reden sollet und euch frei entäußern dessen, was in euch ist; und so kannst du dich vor Mir nun in aller Kürze schon auch entäußern dessen, was du von den Menschen so hier und da vernommen hast!“ 5. Sagte der Wirt: „Ja, Gott, Herr und Meister, es wäre das schon alles recht, so alles das, was diese Menschen von Dir sagen, ziemlich wäre, es Dir vor diesen Menschen wiederzusagen; aber die Sache steht ein wenig anders!“ 6. Sagte Ich: „Stehe sie, wie sie wolle, das macht hier nichts; rede du nur frei heraus!“ 7. Sagte abermals der Wirt: „Gott, Herr und Meister! Die Menschen, mit denen ich über Dich sprach, ohne Dich wie nun gekannt zu haben, sagten, daß ein großer Prophet, der zu Jerusalem wie auch in dieser Gegend gar weise Lehren an das Volk gehalten habe, danebst auch solche Zeichen, besonders in der Heilung der Kranken aller Art und Gattung wirke, die vorher wohl nie ein Mensch gewirkt habe. Diese Menschen wurden dem großen Propheten – wie sich Dich nennen – sehr zugetan, folgten ihm auf dem Fuße nach und hatten auch darum eine große Freude an ihm, weil sie gar wohl erkannten, daß er kein Freund der nun schon allgemein verhaßten Pharisäer ist. Bis gen Kapernaum haben sie nichts Anstößiges an ihm gefunden, außer daß er ihnen auf einem Berge, wo er sie zuvor noch wunderbar mit wenigen Broten und Fischlein gespeiset hatte und sie ihn zum Könige ausrufen wollten, durchgegangen ist und seine alten Jünger verlassen hat, aber in später Nacht doch wieder zu ihnen kam, etwa wunderbar auf dem wogenden Meere wie auf trockenem Lande einhergehend. 8. Alle hatten eine große Freude, daß er wieder nachgekommen ist und freuten sich auf den kommenden Tag und auf seine Lehren und Taten. – Aber diese anzuhoffenden Freuden seien sehr zu Wasser geworden; denn am nächsten Tage habe er so unsinnige Worte in einer Synagoge zum Volke geredet, daß sich darüber sogar seine alten Jünger sehr geärgert haben und ihn bis auf wenige alle verließen, und so denn alle die von hier ihm gefolgten Menschen. Denn sie sind der festen Meinung geworden, daß er in Wahnsinn verfallen sei; denn er solle in jener seiner Rede ganz vollernstlich alle aufgefordert haben, sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken, ohnedem niemand das ewige Leben überkommen könnte; denn er werde nur den zum Leben erwecken am gewissen Jüngsten Tage, der sein Fleisch essen und sein Blut trinken werde. 9. Ja, das ist denn freilich wohl etwas stark, und ich konnte es den sonst für alles Höhere sehr eingenommenen Menschen gerade nicht verdenken, daß sie auf solch eine Predigt durchgegangen sind und noch heute beklagen, daß es Gott zugelassen habe, daß so ein entschieden großer Prophet auf einmal habe irrsinnig werden müssen, dem die Menschen doch schon so viel Gutes zu verdanken haben. 10. So Du aber schon eine solche Rede gehalten hast, da hast Du auch sicher dadurch den Menschen eine verborgene Wahrheit kundtun wollen nach der Weise der alten Propheten, wie ich das mir freilich erst jetzt vorstelle. Doch so ich auch vor einem Jahre in der Gesellschaft gewesen wäre, so wäre sicher auch ich mit den andern durchgegangen. 11. Aber nun kann ich es mir schon vorstellen, was Du den Menschen damit hast sagen wollen, und ich meine, daß wir nun bald Dein Fleisch und Blut genießen werden materiell, so wie wir nun aus Deinem Munde geistig wahrhaft Dein Fleisch und Blut genossen haben. Und so habe ich denn nun nach Deinem Willen geredet ohne einen Vorbehalt.“ 12. Ich belobte nun den Wirt, und alle Anwesenden hatten eine große Freude an ihm, und Meine alten Jünger staunten über seinen Verstand, wie auch die Römer. Kapitel 118 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 118. — Die Schilderung des Wirtes über seine Herberge 1. Nun aber kamen auch die Kinder und luden uns zum Mittagsmahl, und wir folgten der Einladung. Das Herbergshaus aber, wohl eines der bei weitem schönsten und großartigsten im ganzen weiten Umkreis, war durchgehend aus wohlbehauenen Quadersteinen erbaut und hatte zwei gewölbte Stockwerke noch übers ebenerdige Geschoß. In jedem Stockwerk befanden sich drei große Säle, von denen in jedem bei Siebenhundert speisen konnten. Außer den drei Speisesälen aber befanden sich in jedem Stockwerk auch dreißig Wohnzimmer, jedes mit zwei Fenstern versehen, die freilich nicht mit Glasrahmen (Glasscheiben), wie (nota bene) in dieser Zeit in Europa, zu verschließen waren; aber es gab damals in Damaskus Fabriken, die ein wie das gegenwärtige Glas völlig durchsichtiges Pergament erzeugten, und mit solchem Pergamente waren die vielen Fensterrahmen ganz zierlich gedeckt, und der Zugwind und die oft große Tageshitze konnten nicht in die Säle und in die Zimmer dringen. Diese Art Fenstereinrichtung war etwas Seltenes, weil sie zu kostspielig war, und man bediente sich dafür der verschieden gefärbten Vorhänge innerhalb der Fenstergitter. 2. Wir wurden über bequeme und breite Marmorstufen in das zweite Stockwerk geführt und da in den mittleren Hauptsaal, in dem eine große und lange Tischtafel für uns gedeckt war. Da gab es des feinsten Brotes in großer Menge und große Becher aus Silber und Gold voll des besten Weines. Das wohlzubereitete Kalb lag schon wohlzerteilt auf den vielen Speiseschüsseln, die auch aus reinstem Silber gemacht waren. Danebst aber gab es auch noch eine Menge bestzubereiteter Nebengerichte, als bestzubereitete Fische, so auch Hühner, Tauben und Lämmer und allerlei gute Früchte, bestehend aus allerlei Obstgattungen und süßen Beeren. 3. Die Römer machten da große Augen, und Agrikola sagte: „Wahrlich, so eine Pracht und solch ein Reichtum ist mir schon lange nicht mehr untergekommen, und solch eine wohl und reichlichst besetzte Tafel auch nicht, und des Kaisers Speisesaal in Rom übertrifft diesen nicht an zierlichster Pracht!“ 4. Als sich die Römer von ihrem Staunen ein wenig erholt hatten, setzten wir uns an den Tisch und begannen zu essen und zu trinken, und alle erquickten sich überwonniglich am vortrefflich bereiteten Mittagsmahle, konnten aber natürlich nicht die Hälfte des Bereiteten aufzehren, da es in zu großem Maße vorhanden war. 5. Unter dem Essen ward wenig geredet. Erst als der Wein den Gästen die Zungen mehr und mehr löste, da fingen zuerst die Römer an, gesprächig zu werden, und Agrikola fragte den überaus vergnügten und dabei dennoch sehr fromm gestimmten Wirt: „Aber sage du mir: Trägt denn eine solche Herberge doch so viel Gewinn, daß schon sicher deine Voreltern ein solch großartigstes Prachtgebäude haben erbauen können?“ 6. Sagte der Wirt: „Gerechter und mächtiger Herr, eine solche Herberge bringt im Verlaufe eines Jahres wohl freilich einen schönen Gewinn; aber so ich auch die Gewinne von hundert Jahren zusammentäte, so wäre es dennoch nicht möglich, damit ein solches Haus aufzubauen. 7. Siehe, die Fensterdeckung hatte wohl mein Vater und zum Teil auch schon ich errichtet; aber das Haus und seine Mauern sind schon gar alt und älter als die Stadt Bethlehem, die David, der große König der Juden, erbauen ließ, darum sie auch noch die Stadt Davids heißt! 8. Dieses Haus soll zum Teil schon Saul, der erste König der Juden, erbaut haben; und als nach ihm David zum Könige durch Gottes Ratschluß gesalbt worden ist, da habe er es erst vollendet, bevor er noch an der Stadt zu bauen angefangen hatte, und hat es hernach auch lange Zeit bewohnt. In diesem Hause hat er viele seiner Psalmen geschrieben, von denen etliche noch in den weißen Marmorsteinen zu sehen und für den in der alten Schrift Kundigen auch zu lesen und zu verstehen sind. 9. Auch die Schüssel und der Becher, die ich dem anbetungs- und der allerhöchsten Verehrung würdigsten Herrn und Meister vorgesetzt habe, sollen noch aus den Zeiten Davids ein Eigentum dieses alten Hauses sein. Er allein aber wird es am besten wissen, ob daran etwas Wahres ist. 10. So sollen auch ich und meine Voreltern nach einer Seitenlinie von David abstammen. Das wenigstens aber ist gewiß, daß es in unserer Hauschronik, die einige Jahrhunderte zurückreicht, nicht vorkommt, daß je jemand dieses Haus und Gut irgend durch einen Kauf an sich gebracht habe. Sei ihm aber nun, wie ihm wolle, so ist doch das sicher und wahr, daß erstens dieses Haus weder mein Großvater noch mein Vater und noch weniger ich erbaut habe und es nun zweitens mit allem und jedem, was zum Hause gehört, und was das Haus enthält, mein volles und rechtliches Eigentum ist und ich niemandem in der Welt etwas schulde. 11. Die Silber- und Goldgeräte sind wohl zum größten Teil von meinen mir aus unserer Hauschronik schon mehr bekannten Voreltern stets redlich und ehrlich angeschafft worden. Ich habe bis jetzt noch nichts von derlei Kostbarkeiten ins Haus geschafft; denn erstens ist dies Haus damit ohnehin reichlichst versehen, und fürs zweite halte ich wahrlich auf alle derlei Dinge nicht viel, weil wir sie, so herrlich sie auch sind, über kurz doch alle verlassen werden müssen, und vor dem ewigen Richter werden dann nur jene Schätze einen Wert haben, die wir uns durch die Befolgung Seines uns durch Moses und Seine Propheten geoffenbarten heiligsten Willens werden zu eigen gemacht haben. 12. Das ist so mein lebendiger Sinn, den ich auch bis zum Grabe stets getreu beachten werde, und von jetzt an um so lebendiger, da mir durch die nie erwartete Ankunft des Herrn und Gottes ein so endlos großes Heil widerfahren ist. Aber nun wende ich mich ehrfurchtsvollst an den Herrn Selbst!“ Kapitel 119 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 119. — Über Wohltaten 1. Sagte Ich: „Ja, ja, Ich weiß es nun schon, was du vor allem möchtest! Lasse jetzt nur deine Mutter, dein Weib, deine Kinder und auch deinen Knecht zu Mir kommen, doch von dem Besonderen, was du von Mir weißt, künde ihnen noch nichts! Wenn Ich aber gen Abend von hier wieder werde abgereist sein, dann kannst du ihnen je nach ihrer Fassungsfähigkeit auch die Hauptsache verkünden und ihnen sagen, daß alle, die an Mich glauben, Meine Gebote halten aus innigster Liebe zu Mir und also die Nächsten als Arme und Hilfsbedürftige lieben mit Rat und Tat, das ewige Leben haben werden in Meinem Reiche, das keinen Anfang und kein Ende hat. Und nun gehe und bringe sie hierher!“ 2. Hierauf ging der Wirt und brachte alsbald all die Seinen in den Speisesaal und stellte sie Mir vor, dabei zu den Seinigen sagend: „Vor diesem wahrsten Heiland aller Heilande der Welt verbeugt euch tief, und danket Ihm allein für die uns erwiesene übergroße und mit allen Schätzen der ganzen Welt nie bezahlbare Wohltat und Gnade!“ 3. Die Kinder und das Weib kannten Mich wohl ohnehin schon und nahten sich Mir alsogleich auf eine ehrfurchtsvoll freundlichste Weise und priesen Gott, daß Er einem Menschen solch wahrhaft göttliche Macht verliehen habe. Die geheilte Mutter und der geheilte Knecht aber überboten sich ordentlich an Dankes- und Lobesbezeigungen, die sie mit Worten und Gebärden ausdrückten. 4. Ich aber sagte zu ihnen: „Danken für eine empfangene Wohltat ist schön, recht und billig; denn man ist dem, der einem Liebe bezeigt hat, auch wieder alle Liebe und Freundschaft schuldig. Aber es ist das eben keine zu große Kunst im Leben; die größere und verdienstlichere Kunst des Lebens ist: die Gebote Gottes halten; die größte und am meisten verdienstliche Kunst im Leben aber ist: allen seinen Feinden von Herzen vergeben, denen, die uns Arges wünschen, wollen und auch tun, dagegen wo möglich Gutes erweisen und für die beten und sie segnen, die uns hassen und fluchen. 5. Wer das tut, der sammelt bessernde Glühkohlen über den Häuptern seiner Feinde, macht sie am ehesten zu seinen reumütigen Freunden, und er selbst hat dadurch für alle seine Sünden von und vor Mir die vollkommenste Nachlassung und ist schon auf Erden den Engeln Gottes gleich. 6. Tut auch ihr desgleichen, so wird Gottes Gnade und Segen nie von eurem Hause und von euch weichen! 7. So ihr aber schon Gelder darleihet, da leihet sie auch den Armen, die es euch nicht wieder mit Wucher zurückzahlen können, so werdet ihr dafür die Zinsen als einen großen Schatz im Himmel finden! 8. Wenn ihr diesem oder jenem eine Wohltat erweiset, da machet es nicht also, daß dann ein anderer, der's tun kann, es euch ersetze entweder durch ihm auferlegte größere Zinsen oder durch Verminderung des Liedlohnes bei denen, die genötigt sind, euch zu dienen, sondern was ihr Gutes tut den Armen, das tut aus Liebe zu Gott und zum Nächsten frei, so werdet ihr den Ersatz im Himmel finden!“ 9. So da manchmal kommen unfruchtbare Jahre, da werdet nicht karger, verkaufet euer Korn nicht teurer, backt das Brot nicht kleiner und schlechter, und vermindert den Liedlohn des Arbeiters nicht, so werdet ihr darum allen Segen von oben haben! 10. Aber so ihr in den Notzeiten karget gegen eure Nächsten, da wird auch Gott kargen mit Seinem Segen über eure Felder, Weinberge und Herden, und ihr werdet euch dadurch wenig Schätze im Himmel sammeln. Das merket euch wohl und handelt danach ohne Bedenken, und ihr werdet für zeitlich und ewig des Segens in Hülle und Fülle haben!“ 11. Als Ich dieser Familie solches gesagt und angeraten hatte, da sagte nach einer Weile der Wirt selbst: „Ja, ja, vor den Augen des allsehenden Geistes aus Gott bleibet nichts, auch nicht das Allergeringste verborgen! 12. Es ist bei uns und in meinem Hause das seit jeher der Brauch gewesen, also zu sagen und auch also zu handeln: ,Tue jedermann Gutes, so es ihm not tut; aber vergiß dabei deinen eigenen Vorteil nicht!‘ Ich aber sehe es nun in Deinem Lichte, o Herr und Meister, daß diese Denkungs- und Handlungsweise durchaus nicht der göttlichen Ordnung gemäß ist, und so werde ich auch da in der nächsten Folge eine ganz andere Ordnung einführen. Ich werde zwar noch dann und wann mein Geld jemandem, so er dessen bedarf, gegen gesetzlich mäßige Zinsen darleihen; aber so da jemand kommen wird, der Mir auch keine Zinsen zahlen kann, und mir wird bekannt sein, daß er wirklich in einer Not steckt, so werde ich ihm auch zu jeder Zeit das Nötigste ohne Zinsen darleihen und im äußersten Notfalle auch schenken. Feinde zähle ich wohl gar sehr wenige und habe ihnen daher denn auch wenig zu vergeben. Sollte ich aber, was nicht für uns vorauszusehen ist, in der Folge welche bekommen, so werde ich mit ihnen also verfahren, wie Du es nun uns allen angeraten hast!“ Kapitel 120 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 120. — Über Nächstenliebe 1. Sagte Ich: „Daran wirst du sehr wohl tun! Aber nun werde Ich dir noch etwas sagen, und zwar gleichnisweise zu deinem Gemüte: Siehe! Du möchtest dich in gewissen Angelegenheiten und Geschäften auf eine weite Reise begeben! Da du aber schon viele Tagereisen in fremden Landen von Hause entfernt wärest, fügte es sich – wie sich solches schon gar oft in der Welt durch Zulassung von oben ereignet hat –, daß du um all dein auf die lange und weite Reise mitgenommenes Vermögen kämest und es dir dann gar sehr verzweifelt im fremden Lande und in einem weltfremden Orte zumute würde, und du gingest dann mit traurigstem Gemüte und sicher höchst betrübtem Gesichte im fremden Orte einher. 2. Ein Mensch aber merkete dir das wohl an und fragte dich: ,Freund, du scheinst sehr traurig und ganz niedergeschlagen zu sein! Sage mir, wo es dir fehlt!‘ 3. Du erzähltest ihm dann dein Unglück, und er spräche darauf zu dir: ,Freund, komme, ich will dir helfen; aber sei in der Folge vorsichtig und verwahre wohl, was dein ist! Kannst du es mir gelegentlich erstatten, was ich dir nun gebe, so wird es wohl von dir gehandelt sein; und solltest du das nicht können, so hast du an mir keinen Gläubiger!‘ Darauf gäbe dir der Mensch aber, was du verloren hattest. 4. Sage nun Mir und auch dir selbst, in welch einem hohen Grade würde das dein ganzes Gemüt erfreuen, und wie sehr würdest du darob Gott und solch einen edlen Menschen loben und preisen; und so du dann wieder ganz glücklich zurückkämest, würdest du da nicht alles aufbieten, um dich solch einem Menschen und danebst auch Gott allerdankbarst zu erweisen?! 5. Nun aber denke dir das auch von einem andern Menschen, der aus weiter Ferne zu dir kommt, dem ein Unglück begegnet ist, und der vor deiner reichen Herberge voll Traurigkeit weilt, weint und nicht aus und ein weiß, was er tun soll. So du nun zu ihm hinausgingest und fragtest ihn, sagend: ,Freund, du bist sehr traurig und scheinst in einer großen Verlegenheit zu sein? Wo fehlt es dir? Sage es mir ganz offen, denn siehe, ich bin der Mensch, der, insoweit es nur immer in meiner Macht steht, dir zu helfen bereit ist‘, und der Mensch sagte dann zu dir: ,Ach, edler Freund, ich bin von gar fernem Lande in Geschäften hierhergereist, fiel aber unfern von hier unter Diebe, und diese nahmen mir all mein Geld weg, bestehend in zwanzig Pfunden Goldes, und dazu noch tausend Groschen dieses Landes gangbarer Münze, und nun stehe ich völlig vermögenslos da und weiß mir so ferne von Meinem Lande und Hause nicht zu raten und auch nicht zu helfen!‘ Du aber sagtest dann zu ihm: ,Freund, komme, und ich will dir helfen! Deinen Namen, dein Land und deinen Ort brauchst du mir nicht einmal anzugeben; wie aber dieses Land, dieser Ort, und wie auch ich heiße, wirst du schon erfahren! Kannst du mir das Dargeliehene einmal abstatten, so wirst du daran vor Gott und allen guten und gerechten Menschen wohl tun; und solltest du das nicht können, so wird es auch so gut sein!‘, darauf gäbest du ihm dann, was er verloren hatte, – was meinst du, wie Gott solch ein Werk der wahren Nächstenliebe ansehen und lohnen würde, und wie dieser durch dich nun von neuem glücklich gemachte Mensch, so er nach Hause käme, dann sicher alles aufböte, um sich dir dankbar und erkenntlich zu erweisen, weil du ihm eine so große Freundschaft ohne allen Eigennutz erwiesen hast?! Und sollte dieser Mensch auch deiner möglicherweise im Taumel seines Erdenglückes nicht gedenken wollen, wird in dem Falle etwa dann nicht Gott deiner hundertfach gedenken? 6. Wahrlich, wer solche Taten übt ohne Eigennutz, sondern aus purer, reiner Nächstenliebe, der ist auch ein größter Freund Gottes und ist schon auf dieser Erde gleich den Engeln des Himmels und hat schon die Fülle des Reiches Gottes in seinem Herzen! 7. Denn ein fremder Armer ist ums Hundertfache ärmer denn ein einheimischer, der bei allen denen, die seine Not wohl kennen, leicht eine Hilfe noch findet; aber der fremde Arme gleicht einem unmündigen Kinde, das seine Not noch niemandem angeben kann, außer durchs Weinen. Darum seid auch barmherzig gegen Fremde, so werdet ihr auch im Himmel Barmherzigkeit und Aufnahme finden; denn für den Himmel seid ihr bis jetzt noch lauter verunglückte Fremde auf eurer irdischen Wanderung dahin! – Was sagst du nun zu dieser Meiner Rede?“ 8. Sagte der Wirt: „Herr und Meister! Was soll unsereiner da anderes dazu sagen? Das ist eine reinste Wahrheit, und unsereinem bleibt nichts anderes übrig, als deren reinen, göttlich wahren Sinn bei vorkommenden Fällen ins Werk zu setzen. Denn was mir wohltun würde, so ich in einem fremden Lande in eine Not käme, das bin ich auch dem Fremden in meinem Lande schuldig! Denn Menschen sind ja auch die, welche in den von uns weit entfernten Ländern und Reichen wohnen. Wenn sie auch andere Sitten und einen andern Glauben haben, so soll man das nach meiner Ansicht in keine Betrachtung ziehen und nicht tun nach der Lehre unserer Pharisäer, die da sagen, daß ein wahrer Jude alle Heiden so lange als Hunde betrachten solle, solange sie in ihrem Heidentum verharren, – und wer einem Heiden eine Wohltat erweise, sich den Zorn Gottes zuziehe und seine Seele den Teufeln verschreibe, sondern er soll lieber auch den Heiden sich freundlich erweisen und ihnen zeigen, daß er als ein Jude ein guter und freundlicher Mensch ist, und der Heide wird ihn eher fragen und sagen: ,Freund, wie lautet deines Glaubens Lehre, aus der so gute Menschen hervorgehen?‘, als so ich mich ihm gegenüber als ein harter und noch dazu als ein feindlich verschlossener Jude erweise. 9. So ich einem Heiden eine wahre Freundschaft bezeige, da ist ja davon keine Folge, daß ich dadurch selbst in seinen finsteren Glauben übergehe, wie es die Pharisäer lehren, sondern ich bleibe ein Jude und habe durch meine Freundlichkeit dem Heiden nur den Weg gezeigt, auf dem auch er ein rechter Jude werden kann. 10. Wahre Liebe und Sanftmut sind für alle Menschen sicher ein um vieles wirksamerer Lehrer und Bekehrer als der Zorn und dessen Rachelust gegen jene, die sicher ohne ihr Verschulden in des Geistes Nacht sich befinden! Wie es sicher höchst töricht und unmenschlich arg wäre, einen Menschen deshalb, weil er das Licht der Augen verloren hat, zu hassen, zu fliehen, zu verachten und ihm keine Liebe zu erweisen, um so törichter und ärger aber scheint es mir zu sein, so man Menschen, die im Geiste blind sind und sich nicht helfen können, haßt und verachtet und niemals bestrebt ist, ihnen auch nur von ferne hin eine menschliche Freundlichkeit zu erweisen. 11. Daß wir Juden uns aber leider gegen die Fremden zumeist hart und unfreundlich erwiesen, daran schuldet wohl niemand als allein unsere Priester, die es lieber haben möchten, daß man ihnen alle die besten Früchte opferte und die Fremden mit Stachelbeeren bedienete. Aber von nun an wird es in meinem Hause ganz anders werden! Dein Wort, Herr und Meister, wird in der Folge die Handlungsordnung meines ganzen Hauses sein, und ich werde dafür sorgen, daß auch meine Nachbarn im weiten Umkreise sich nach mir richten werden.“ 12. Sagte Ich: „Du hast nun in allem wohl und wahr geredet, und es ist also. Die Blindheit der Pharisäer ist an allem Argen, das nun unter den Juden gang und gäbe ist, allein schuld. Sie selbst sind blinde Führer der Blinden, die, wenn sie an einen Graben kommen, sicher beide hineinfallen und dann keiner dem andern heraushelfen kann; darum sollet ihr von ihnen auch nichts anderes annehmen und anhören, als nur die Lehren Mosis und der Propheten. Ihre Satzungen aber sollet ihr verabscheuen, gleichwie auch ihre Werke, die eitel böse sind! 13. Es heißt ja wohl, daß auf den Stühlen Mosis und Aarons die Ältesten, Schriftgelehrten und Pharisäer sitzen. Es sei denn auch also! Darum nehmet von ihnen aber auch nur das an, was sie von Moses und Aaron euch vortragen; alles andere aber betrachtet als ein übertünchtes Grab, das nach außen hin wohl prunkt, aber im Innern voll Moders und eklen Gestankes und Todes ist. 14. Nun habe Ich euch das Notwendigste der vollsten Wahrheit nach gesagt und gezeigt. So ihr danach leben und handeln werdet, dann werdet ihr auch den Lohn ernten, den Ich euch verheißen habe; denn Ich Selbst habe die Macht, ihn euch zu geben, wie Ich auch die Macht habe, alle leiblich Kranken durch Mein Wort und durch Meinen Willen völlig gesund zu machen und die Toten zu beleben, wofür alle, die hier um Mich sind, Mir vor euch ein gültiges Zeugnis geben können und auch geben werden nach Mir, wenn Ich dahin werde zurückgekehrt sein, von wannen Ich gekommen bin. – Aber nun genug von allem dem, und wir wollen nun noch dein Haus ein wenig näher in Augenschein nehmen!“ Kapitel 121 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 121. — Besichtigung des alten Königshauses 1. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, da geschieht meinem Hause doch wahrlich zu viel Heil und zu viel der nie verdienten Gnade, denn bisher habe ich noch wenig Verdienstliches zum ewigen Leben gewirkt!“ 2. Sagte Ich: „Freund, Gott sieht aber nicht auf das, was du schon getan oder nicht getan hast in der Beschränktheit deines inneren Lichtes und Willens, sondern nur auf das sieht Gott, was du von nun an in der Folge tun wirst! Da aber Gott deinen ernsten Willen wohl sieht, so kannst du auch schon zum voraus Seiner Gnade und des rechten und vollwahren Heiles dich erfreuen. Hätte Ich dich nicht schon lange eher gekannt als du Mich, so wäre Ich nicht in dein Haus gekommen.“ 3. Mit dieser Meiner Versicherung war der Wirt vollends zufrieden und dankte Mir mit den Seinen für solche Lehren und für alle Gnade, die Ich seinem Hause erwiesen habe. 4. Darauf sagte er zu den Seinen, daß sie im zweiten Stockwerke, in dem wir uns befanden, alle Zimmer und Gemächer öffnen sollten, was denn auch alsogleich geschah. 5. Wir bewegten uns zuerst nach rechts in den anstoßenden großen Saal, der vor Reichtum und alten Denkwürdigkeiten strotzte. In diesem Saale befand sich schon eine große Marmorplatte in der Wand gen Mittag, in der folgender Psalm Davids mit unverlöschbarer Farbe noch ganz wohl leserlich geschrieben stand und nun vom Hebräischen ins jetzige Deutsche verdolmetscht also lautete (Ps. 8): Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist Dein Name in allen Landen, da man Dir danket wie im Himmel! Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge (die Heiden) hast Du Dir eine Macht zubereitet um Deiner Feinde (die Pharisäer und Schriftgelehrten) willen, daß Du vertilgest diesen Feind, diesen Rachgierigen. Denn ich (David oder das bessere Judenvolk) werde sehen die Himmel, Deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die Du bereitest. (Der ,Himmel‘ bedeutet die Lehre, die ,Finger‘ das Leibliche des Herrn, der ,Mond‘ die Liebe des Herrn zu den Menschen, und die ,Sterne‘ die endlos vielen Wahrheiten, die aus der Liebe hervorgehen.) 6. Was ist der Mensch, daß Du seiner gedenkest, und des Menschen Kind, daß Du Dich dessen annimmst? (Unter ,Mensch‘ wird hier das ganze Menschengeschlecht und unter ,Kind‘ desselben Schwäche und Blindheit verstanden.) Du wirst ihn lassen eine Zeit von Gott verlassen sein; aber mit Ehre und Schmuck wirst Du ihn dann krönen. (Siehe die Zeit des babylonischen Hurentums! Unter ,ihn‘ ist zu verstehen das Christenvolk ohne das innere Gotteslicht.) Du wirst ihn zum Herrn machen über Deiner Hände Werk; alles hast du unter seine Füße getan. (Unter ,ihn‘ verstehe man hier den Herrn vom Standpunkte der reinen Lehre aus den Himmeln, die am Ende alles durchleuchten und beherrschen wird.) Schafe und Ochsen allzumal, dazu auch die wilden Tiere; die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer, und was im Meere geht. (Darunter sind zu verstehen alle Menschen und Geschlechter der Erde. Hoch und nieder, jung und alt, gebildet und ungebildet, Starke und Schwache werden sich erfreulich sonnen am lebendig machenden Lichte aus den Himmeln.) Herr, wie herrlich ist nun Dein Name in allen Landen!‘ 7. Als Ich den Psalm also von der Marmorplatte abgelesen hatte, da hatten alle eine große Freude, und der Wirt bat Mich, daß Ich ihm denn auch ganz kurz die Erklärung dieses Psalmes geben möchte; denn es komme ihm vor, daß darunter ein weiser und prophetischer Sinn verborgen sei. 8. Und Ich sagte zu ihm: „Da hast du abermals ganz richtig geurteilt, und Ich werde dir auch den verborgenen Geist der Wahrheit zeigen; aber du wirst ihn nicht völlig fassen, weil David da von der noch fernen Zukunft sprach und sang.“ 9. Hierauf erklärte Ich den verborgenen Geist des Psalmes in der Weise – nur etwas gedehnter –, als er hier nun in den Einschlußzeichen kurz und leicht verständlich dargestellt ist. Damit war der Wirt sehr und dankbarlichst zufrieden und die andern alle auch; denn sie fanden das mit dem völlig übereinstimmend, was Ich ihnen schon bei andern Gelegenheiten über das Los Meiner Lehre und über die ferne Zukunft geweissagt hatte in wohlverständlicher Rede. 10. Darauf führte uns der Wirt zu einem uralten Schrank, der gar zierlich aus Zedern- und Ebenholz gemacht war, öffnete ihn und sagte: „Dieser Schrank enthielt die besonderen Schriften und Aufzeichnungen des großen und mächtigen Königs, von denen sich nun nichts mehr vorfindet. Ich benutze ihn aber nun zum Aufbewahren alles dessen, was ich an Schätzen, aus jenen Zeiten herstammen sollend, besitze.“ 11. Er öffnete darauf mehrere geheime Fächer dieses großen Kastens und zeigte uns eine Partie Darmsaiten, die David selbst gemacht hatte, eine Steinschleuder und ein paar Steine, dann eine Lanze, mehrere Schreibtafeln, was alles die Römer mit großer Aufmerksamkeit betrachteten und bewunderten. 12. Mich aber fragte der Wirt, sagend: „Herr und Meister, ist dieses Reliquienzeug wohl echt aus den Zeiten Davids?“ 13. Sagte Ich: „Freund, ob echt oder unecht, das ist da nun wohl einerlei, denn alles das hat für den wahren, nur nach dem Geiste der Lebenswahrheiten aus Gott strebenden Menschen gar keinen Wert. Was aber als Hinterlassenschaft des weisen Königs der Juden einen Wert hat, das ist der Geist in seinen Schriften und Gesängen, und auch das, was die Chronik von seinen Taten für die Menschen aufbewahrt hat. Denn einst im andern Leben wird der Mensch nur von dem sein seligstes Dasein haben, was er sich durch gute Taten nach dem Willen Gottes zu eigen gemacht hat. 14. Übrigens schadet es einer durch gute Taten edlen und reinen Seele nicht, so sie eine Freude an den geschichtlichen Altertümern hat; nur enthalte sie sich einer Art übertriebener Verehrung für derlei Dinge, die als in sich tote Gegenstände für ihr inneres Leben keinen Wert haben können. 15. Wer solche Dinge zu hoch verehrete, der triebe mit ihnen eine Art schädlicher Abgötterei und verfiele am Ende leicht in allerlei Aberglauben. Und das wäre eben dem finsteren Heidentume gleich, dem um des Reiches Gottes willen, das nun zu allen Menschen kommt, nach allen Richtungen zu steuern ist, auf daß es nicht in der neuen Lehre Wurzel fasse, sie verunreinige, verderbe und den inneren Sinn des dir erklärten Psalms vor der Zeit unter den Menschen bewahrheite, in der die Menschen eben durch allerlei Aberglauben von einer Gottlosigkeit in die andere versinken werden. 16. Darum zeige du diese Reliquien auch nur solchen Menschen, die von keinem Aberglauben beseelt sind, sondern sie nur als pure geschichtliche Dinge betrachten und ihnen keine sogenannte magische Heilswirkung beilegen. 17. Sieh an die Berge und ihr Gestein! Das sind Werke der Macht und Weisheit Gottes und sind für dich schon unaussprechbar alt, sind als solche sicher um gar vieles denkwürdiger als die Werke von der Hand eines Menschen. Welcher Vernünftige aber möchte die Berge darum verehren oder gar anbeten, weil sie unfehlbar Werke der Allmacht und Weisheit Gottes sind und ein überhohes Alter aufzuweisen haben! Sie sind und bleiben Materie und haben ihre Bestimmung zum Nutzen der Erde. 18. Und so haben derlei Altertümer auch nur den kleinen Nutzen, daß sie als Beweise der Geschichte teilweise dienen können, insoweit sie als erweisbar echt betrachtet werden können, was aber freilich für die nach der reinen Wahrheit forschenden Menschen in allen Dingen eben etwas schwer darzutun ist. 19. Diese Sachen da sind zwar echt, – aber so auch Ich dir das Zeugnis gebe, so erhöht das ihren Wert nicht. Und so weißt du nun auch, was du von diesen Reliquien zu halten hast. Du kannst nun diesen Schrank denn auch wieder schließen und uns in den andern Saal führen der Römer wegen!“ Kapitel 122 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 122. — Der Herr erklärt den 93. Psalm 1. Hier dankte Mir der Wirt abermals auch für diese Belehrung, schloß den Schrank, und wir gingen in den Saal gen Morgen. Der strotzte abermals von allerlei Schätzen und Altertümern, an denen die Römer viel Behagen fanden. 2. Und unser Agrikola sagte: „Freund, du und deine Eltern und Voreltern müßt sehr schweigsam gewesen sein über das, was ihr besaßet und du nun noch besitzest; denn sonst hätten wir davon doch schon irgendeine Kunde einmal nach Rom erhalten! Denn diese Schätze haben einen doppelten Wert; erstens bestehen sie aus edlen Metallen, Perlen und sehr kostbaren Edelsteinen, und dann haben sie namentlich für euch Juden einen großen geschichtlichen Wert.“ 3. Sagte der Wirt: „Mächtiger Herr, es ist aber da auch in mehrfacher Hinsicht nötig, sehr schweigsam zu sein, nicht so sehr der Römer als vielmehr der Priester wegen. Denn wüßten diese um alles das, so hätten sie mir und diesem Hause schon sicher seit lange her keine Ruhe gegeben und hätten auch schon so manches zu ihren gewinnsüchtigen Zwecken davongeschleppt; aber da verraten wir nicht, was da ist, obgleich wir schon viele Male von Priestern um dieses und jenes befragt worden sind. Und so habe ich denn nun auch darum mehr Ruhe vor den Priestern, weil ich mich mit allen meinen Besitztümern unter den Schutz der Römer gestellt habe. In diesem oberen Stocke aber beherberge ich auch selten die Reisenden, da sie zu ebener Erde und im ersten Stockwerk leicht untergebracht werden können und ich noch andere Nebengebäude habe, in denen ich viele Reisende beherbergen kann. Von Dieben und Räubern aber habe ich auch nichts zu befürchten; denn erstens ist, wie ihr gesehen habt, dieses Haus mit starken und hohen Ringmauern eingeschlossen, über die man nicht steigen kann, und zweitens ist diese Gegend ringsum zu bevölkert und ehrlich, und die Diebe und Räuber halten sich da fern, und so haben diese Schätze hier gut und sicher ruhen. Aber dort ist wieder eine Psalmplatte! Der Herr wolle sie uns verdolmetschen!“ 4. Sagte Ich: „Ja, ja, das wird weiser sein, als lange zu bewundern die alten Schätze, die für die Seele und für den Geist keinen Wert haben! So ihr euch aber in der Folge Schätze sammelt, da sammelt euch solche, die vom Roste nicht zerstört und von den Motten nicht zernagt werden können! Was nützen dem Menschen alle Schätze der ganzen Welt, so er dabei an der Seele Schaden leidet? So in die Seele durch die Liebe zu den toten Weltschätzen der Keim des Todes gelegt worden ist, durch den die Seele in den Tod der Materie übergeht, – wer wird sie dann erretten aus den ehernen Armen des Gerichtes, das der Seele Liebe und Scheinleben geworden ist?“ 5. Sagte der Wirt: „O Herr und Meister, bei Gott sind ja doch wohl alle Dinge möglich!“ 6. Sagte Ich: „Jawohl, das sicher; aber in der Ewigkeit geht alles um gar vieles langsamer vorwärts als auf dieser Welt, auf der alles nur eine gewisse Zeit, die stets sehr flüchtig ist, dauert, sich bald und leicht verändert und in der Art, wie es da war, zu sein für immer aufhört. 7. Im Reiche der Geister aber gibt es keinen Zeitenflug mehr, und du kannst nicht sagen: ,Heute tue ich das und morgen jenes!‘, sondern alles liegt schon als eine fertige Tat und als ein ausgeführtes Werk in der Seele. So dies übler Art ist, woher wird die fortlebende Seele dann einen neuen Stoff und eine neue Einsicht nehmen, um in sich das daseiende Arge umzugestalten? 8. Es wird zwar dort den Seelen wohl auch vergönnt sein, sich zu ändern; aber das wird dort bei sehr in die Welt versunkenen Seelen oft höchst lange dauern, und am Ende wird doch nur weniges als sicher erreicht werden. Denn die Liebe ist das Leben der Seele. Ist diese geistig und somit nach der Ordnung in Gott gut, so hat die Seele auch ein wahres und vollkommenes Leben in sich und lebt vollkommen in großer Klarheit ewig fort, und das ist dann schon ein rechtes ewiges Leben; ist aber die Liebe in der Seele eine materielle und somit eine tote, weil gerichtete, so ist das Leben der Seele auch gleich der Liebe in ihr. 9. Solch ein Leben kann kein wahres, sondern nur ein Schein- und Trugleben sein. Und weil es das ist, so ist es auch kein ewiges Leben, weil es in seiner Unart nicht fortbestehen kann, sondern sich ändern muß entweder zum Guten oder im schlimmsten Falle zum Grundbösen, das da ist das harte Mußgericht und der eigentliche ewige Tod, aus dessen harten Banden sich eine Seele ebenso schwer losmachen wird, als da ein harter Stein sich selbst in ein reines und fließendes Quellwasser umwandeln kann. 10. Darum habt die Welt nicht lieb, sondern fliehet sie in ihrem verlockenden Wesen, und benützet ihre Schätze zu guten Werken und ihr werdet dadurch die wahren für Seele und Geist überkommen! 11. Und nun wollen wir sehen, was dereinst David auf die vor uns in der Wand befestigte Steinplatte geschrieben hat! 12. Was da geschrieben steht aber lautet also (Ps.93): ,Der Herr ist König und herrlich geschmückt (mit Liebe, Weisheit und Macht); der Herr ist geschmücket und hat ein Reich (das Reich Gottes auf Erden) angefangen, soweit die Welt ist, und also zugerichtet, daß es bleiben soll. Von dem an stehet der Stuhl (der Wahrheit und des Lebens) fest; Du, o Herr, bist ewig! Die Wasserströme erheben sich, die Wasserströme erheben ihr Brausen, die Wasserströme heben empor die Wellen. Die Wasserwogen im Meere sind groß und brausen greulich; der Herr aber ist noch größer in der Höhe! Dein Wort ist eine rechte Lehre, und die Heiligkeit ist die Zierde Deines Hauses ewiglich.‘ 13. Sehet, also lautet der ganz kurze, aber überaus inhaltgroße und -schwere Psalm, der nun ganz in diese Zeit sein verborgenes Licht ausbreitet und auch schon die Zukunft beleuchtet! 14. Der Stuhl der ewigen Wahrheit wird nun wohl aufgerichtet für die ganze Erde und wird auch bleiben; aber die Wasserströme der Heuchler, Lügner, der Pharisäer und falschen Propheten erheben sich auch und fangen an, stets ärger gegen die Wahrheit, die aus den Himmeln zu den Menschen dieser Erde gekommen ist, zu brausen, und heben ihre Machtwellen gegen das Licht, um es zu ersticken. Auch die Wasserwogen im Meere sind groß geworden und brausen greulich. 15. Das deutet auf die künftigen großen Kämpfe zwischen Licht und Finsternis; aber des Herrn Wahrheit steht über ihnen und wird endlich siegen über alles, was falsch und böse ist. Die Waffe wird sein das reine Wort aus dem Munde Gottes, eine rechte Lehre des Lebens, und wird bleiben ewig; denn wie Gott ewig ist und mächtig, also ist es auch Sein Wort! Und wie die Heiligkeit das Licht und die Zierde Gottes ist, also ist sie auch die Seines Wortes und Seiner Lehre. 16. Das Haus Gottes aber ist nicht etwa der tote Tempel zu Jerusalem, sondern die Menschen, die das Wort Gottes hören, es mit Freuden in sich aufnehmen und danach leben. – Nun habe Ich euch denn auch diesen Psalm vorgelesen und erläutert; an euch aber ist es nun, es Mir offen zu bekennen, ob ihr den Psalm auch richtig verstanden habt.“ 17. Sagte darauf der Wirt: „O Herr und Meister, wer soll das auch nicht verstanden haben? Denn was David aus seinem von Gott ihm eingehauchten Geiste geschrieben hat, das stehet ja nun tatsächlich wunderbarst vor uns und enthüllt uns auch schon die ferne Zukunft, so wie nun die Gegenwart. Das Brausen der Wasserströme und die großen Meereswogen gefallen mir wohl freilich durchaus nicht; aber was läßt sich dagegen tun und was dawider vorkehren? Denn solange die Welt das bleiben muß, was sie ist, ein läuterndes Jammerhaus für die Seelen der Menschen, und solange auf der Erde der Tag mit der Nacht wechselt und der Mensch seinen freien Willen haben wird, wird es auch schwerlich je ganz helle werden in den Gemeinden und in den Herzen der Menschen. Wohl dem, der das Licht überkommt und es dann zum Glücke seines Hauses in seinem Hause behält und wohl pflegt!“ 18. Sagte Ich: „Da hast du recht; aber wer ein rechtes Licht in seinem Hause hat und pflegt, der halte es nicht ganz verborgen, sondern lasse es auch von Zeit zu Zeit bei guter Gelegenheit über sein Haus hinaus leuchten! Und wenn das dann viele Häuser tun werden, dann wird auch des Geistes Finsternis in der Welt sich sehr vermindern, und die Nacht selbst wird zum Tage werden. – Aber nun lasset uns denn noch die andern Gemächer dieses Hauses in seinem zweiten Stockwerke besehen! Denn die Römer möchten alles in Augenschein nehmen!“ Kapitel 123 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 123. — Geschichtliche Bemerkungen über das Davidshaus 1. Darauf durchwanderten wir alle Gemächer, die mit allerlei Kostbarkeiten geschmückt waren. 2. Als wir darauf wieder in unseren Speisesaal kamen und uns zu dem Tische, der noch mit allerlei Speisen und Getränken wohlbesetzt war, setzten und einer und der andere auch noch etwas aß und trank, da sagten die Römer: „Fürwahr, das ist ein wahres Königshaus und zeugt von der einstigen Größe des Judenvolkes! Nur eines wundert uns, und das besteht geschichtlich darin, wie dieses Haus in der Zeit der Herrschaft Babylons, die doch lange nach dem Könige David durch volle vierzig Jahre dauerte, verschont worden ist! Denn wie man es liest, so hat der König Babylons, als er dieses Land erobert hatte und Jerusalem und den Tempel zerstört, sich auch aller Schätze dieses Landes bemächtigt und sie nach Babylon geschleppt. Hatte er da keine Kenntnis von den großen Schätzen dieses merkwürdigen alten Königshauses?“ 3. Sagte der Wirt: „Nach der Chronik dieses Hauses haben die Babylonier dieses Haus verschont! Denn erstens trieben sie ihr Wesen doch hauptsächlich nur in und um Jerusalem in den gewissen zehn Städten, auch in Samaria und auch in Galiläa. Diese damals noch sehr armselig aussehende Gegend um Bethlehem schonten sie mehr und nahmen ein mäßiges Lösegeld; die Bewohner aber führten sie nicht in die Gefangenschaft, sondern verlangten von ihnen nur die Untertänigkeit, die volle Anerkennung der Herrlichkeit Babylons und die jährliche Zahlung des Tributs. Wer sich willig dazu bekannte und ihnen das Verlangte an dem festgesetzten Termine abgab, der hatte dann Ruhe; aber wo die Babylonier auf einen hartnäckigen Widerstand kamen, da wurde freilich alles niedergemacht, und Häuser und Städte wurden geplündert und verwüstet. Dies war aber in Bethlehem nicht der Fall, und so steht das alte Bethlehem noch, wie es in den Zeiten Davids erbaut worden ist, und also auch dieses Haus. Zudem hatte diese Gegend, die noch stets Gott dem Herrn am getreuesten geblieben ist, Gott auch nicht so hart heimsuchen lassen wie das stolze alte Jerusalem und auch die zehn reichen Handelsstädte, die viel Goldes und Silbers besaßen. Das scheint nach meiner Ansicht denn auch der Grund zu sein, aus dem sich die Babylonier hier milder benommen haben denn in den anderen Städten und Orten.“ 4. Sagte Agrikola: „Ja, ja, es wird sich das schon also verhalten; denn so die Babylonier Herren dieses großen Judenreiches geworden sind, da durften sie es ja vernünftigermaßen nicht von allen Arbeitskräften entblößen. Hätten sie das getan und das Land menschenleer gemacht, von wem hätten sie sich den Tribut können bezahlen lassen? Daß sie aber die Menge der damals Vorzüglichsten als Geiseln nach Babylon in die Gefangenschaft werden geschleppt haben, das ist ganz sicher und wahr, und so kann dieser Ort und diese Gegend, wo sich das Volk ruhig und ohne Widerstand ergab, auch mehr verschont worden sein. Wir Römer, die wir als Krieger und Eroberer mit den Eroberten auch sicher nicht zu barmherzig umgehen, tun das auch und erweisen uns gegen ein Volk oder gegen eine Stadt oder Gemeinde, die sich uns frei und freundlich ergibt, nie als Feinde, sondern sogleich als Freunde.“ 5. Hierauf bat der Wirt die Römer, daß sie daheim von dem, was sie hier gesehen haben, keinen Verrat machen möchten. 6. Sagte Agrikola: „Sorge du dich nicht darum, denn uns Römern ist das Eigentumsrecht heilig, und unsere Gesetze hängen die Diebe, Räuber, Mörder und Verräter ans Kreuz! Habe du darum ganz sorglos, was du hast, und sei gegen die Armen nach deinem Vermögen wohltätig, wie es dir der Herr und Meister angeraten hat, so wirst du Ruhe haben, denn auch wir Römer glauben an den Herrn und an die Erfüllung Seiner Verheißungen.“ 7. Nach diesen Worten des Römers erhoben wir uns vom Tische, begaben uns wieder ins Freie und fingen an, Anstalten zum Rückzuge nach Bethanien zu ordnen, von denen aber freilich der Wirt nichts wissen wollte. Da wir aber doch darauf bestanden, so bat er uns, doch noch wenigstens eine Stunde bei ihm zu verbleiben. Das taten wir denn auch, besprachen uns noch über manches und traten dann, vom Wirte begleitet, den Rückweg an. Der Wirt, sein Weib, seine Kinder und auch seine Mutter samt dem geheilten Knechte aber dankten Mir noch vor der Abreise auf das innigste und baten Mich, daß Ich ihrer nicht vergessen möchte, wenn sie wieder elend würden. Ich versicherte sie dessen, gab ihnen Meinen Segen und entließ sie dann bis auf den Wirt, der, wie schon bemerkt, uns bis nach Bethanien begleitete. Kapitel 124 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 124. — Die Erregung der Jünger des Johannes 1. Es war aber schon ziemlich spät am Nachmittage, und es ist darum auch begreiflich, daß wir so ziemlich spät nach dem Untergang in Bethanien ankamen, wo aber dennoch zu unserem Empfang alles bestens vorbereitet war, weil Raphael in des Lazarus Hause alles anzeigte, daß und wann wir zurückkommen würden. Auf dem Wege aber ereignete sich diesmal nichts besonders Erwähnenswertes. Wir zogen ganz ruhig unseren Weg weiter. 2. Die Römer besprachen sich mit Lazarus und mit den Wirten, die bei uns waren, über so manches, und auch Meine Jünger redeten über die Erscheinung dieses Tages viel unter sich. 3. Ich Selbst aber redete wenig, ging zumeist schweigend voraus und hatte niemanden an Meiner Seite. Ich aber tat das um des schnelleren Weiterkommens wegen; denn sonst hätten die, welche viel miteinander zu reden hatten, alle Augenblicke ein sogenanntes Plauderständchen gemacht, und wir wären vor Mitternacht schwerlich ganz nach Bethanien gekommen, indem wir uns ohnehin noch beim Talwirte eine kleine Stunde aufzuhalten hatten, da Ich es der Familie am Morgen versprochen hatte. 4. Bei unserem raschen Fortschreiten gelangten wir denn auch in etlichen Stunden Zeit zum Talwirte, der uns alsbald Brot und Wein aufsetzen ließ und Mich bat, daß Ich eine kleine Stärkung zu Mir nehmen möchte, was Ich denn auch tat der Anwesenden wegen, weil diese sich, bis auf unseren Judas Ischariot, nicht getraut hätten, vor Mir etwas zu nehmen; aber als Ich etwas Brot und Wein zu Mir nahm, da griffen dann alle recht wacker zu und aßen und tranken. 5. Es waren aber hier auch einige Jünger Johannes des Täufers zugegen, die zwar noch viel vor uns hierher gekommen waren, weil sie willens waren, nach Galiläa zu gehen, allwo sie etwas zu verrichten hatten; aber da sie von der Hauswirtin vernommen hatten, daß Ich am Abend hier mit vielen Jüngern anlangen würde, so blieben sie in dieser Talherberge, um Mich zu sehen, zu hören und zu sprechen. 6. Als wir aber ankamen und in der großen Speisestube Platz genommen hatten und uns mit Brot und Wein labten, da ärgerten sich heimlich diese Johannesjünger, daß wir ihnen nicht alsogleich bei unserem Eintritte unsere Aufmerksamkeit gespendet hatten. 7. Und es kam einer zu Mir und sagte: „Herr und Meister, wissen denn Deine Jünger nicht, daß man sich zuvor die Hände waschen soll, besonders nach einer zurückgelegten Reise, bevor man ein Brot in die Hände nimmt, es bricht und dann ißt? Ich aber sehe, daß alle Deine Jünger mit ungewaschenen Händen das Brot brechen und dann essen! Es hat ja auch Moses das befohlen, und was dieser befohlen hat, das soll ein wahrer Jude ja auch tun!“ 8. Als die Jünger und auch die Römer diese Anrede an Mich vernahmen, da wurden sie ärgerlich und wollten dem Johannesjünger mit unsanften Worten einen Verweis geben. 9. Ich aber beruhigte sie und sagte darauf: „Lasset den Ärger von eurer Seele, denn dieser verunreinigt den Menschen im Herzen, und das ist vom Übel; aber das Brot mit ungewaschenen Händen brechen und essen verunreinigt den Menschen nicht. So euch Jünger des Johannes aber das ärgert und ihr aber schon zum voraus erfahren habt, daß Ich an diesem Abend hier anlangen werde, warum habt ihr denn Mir zur Ehre nicht Anstalten getroffen, daß uns schon bei unserem Eintritt Wasser und ein Waschbecken samt Tüchern nach der Weise der Juden wäre vorgestellt worden! 10. Ich sage euch, ihr durchs Wasser gereinigten Johannesjünger, ihr beachtet auch gleich den Juden alles äußere Gepränge genau und waschet und reiniget euch siebenmal am Tage, auf daß ihr stets reinen Leibes verbleibet; aber eure Herzen und Seelen sind noch sehr ungewaschen, und ihr stehet darum auch noch ferne vom Reiche Gottes. 11. Johannes hat in der Wüste Buße gepredigt mit scharfer Rede zur Vergebung der Sünden und hat seine Jünger, die sein Wort annahmen und Buße gewirkt haben, im Flusse Jordan getauft und hat allen gezeigt den Weg zu Mir, Dem es allein zukommt, den Menschen ihre Sünden wahrhaft zu vergeben! So ihr aber nun vor Mir stehet, wie kommt es denn, daß ihr euch so benehmet, als wäret ihr über Mich und über Meine Jünger? Hat euch das auch Johannes gelehrt?“ 12. Auf diese Meine Antwort und schließliche Frage ward der Jünger des Johannes sehr verlegen und wußte nicht, was er Mir hätte erwidern sollen. 13. Da trat aber ein anderer, der bescheidener war, vor und sagte zu Mir: „Herr und Meister, ich habe den weisen Sinn Deiner Rede vernommen und in ihm die vollste und reinste Wahrheit ersehen; doch aber hat er mir mein Herz ganz trübselig gemacht, als Du uns eben sagtest, daß wir noch ferne vom Reiche Gottes uns befinden, während wir schon des Glaubens waren, in der Mitte desselben zu stehen. Was sollen wir denn tun, um in das Reich Gottes zu gelangen?“ 14. Sagte Ich: „Tuet das, was Meine Jünger tun, und richtet die Menschen nicht nach dem Außenschein, sondern nach dem inneren Wert! Kehret allzeit nur vor eurer Haustüre, und sehet nicht auch schon zuvor nach des Nachbars Tür, ob der Weg zu ihr schon gefegt ist! Wenn ihr den Weg vor eurer Tür gereinigt haben werdet, dann erst könnet ihr auch zum Nachbar sagen: ,Freund, siehe, ich habe meinen Weg vor meines Hauses Tür schon gereinigt, du aber noch nicht; so du Zeit und Muße hast, da reinige denn auch den Weg zu deines Hauses Tür! Hast du aber ein anderes dringlicheres Geschäft, da laß es zu, daß ich auch deinen Weg rein mache!‘ Wenn dann dein Nachbar zu dir sagen wird: ,Tue mir den Liebesdienst!‘, dann kannst du den Weg vor deines Nachbars Tür reinigen; doch zuvor reinige den deinen! 15. Ein jeder Jünger ist niemals mehr denn sein Meister. So er aber durch Fleiß und Eifer so vollkommen wird, wie da ist sein Meister, dann wird er ihm auch gleichen. Wenn der Jünger aber dem Meister gleicht, da wird er auch tun, was sein Meister tut und getan hat. Dann auch hat er aufgehört, ein Jünger zu sein, und ist gleich auch ein Meister. Ist er das, dann erst kann auch er sich Jünger dingen und sie lehren seine Kunst und Wissenschaft vollkommen. 16. Ihr aber seid noch lange keine Meister, sondern nur höchst schwache Jünger des Johannes. Wie könnet ihr euch denn nun schon selbst Jünger anwerben und sie lehren etwas, das ihr selbst nicht kennet? Ist es denn nicht schon eine alte Lebensregel, nach der niemand jemandem etwas geben kann, was er zuvor nicht selbst besitzt? Wie könnet ihr denn eure Jünger die Erkennung des Reiches Gottes lehren, dem ihr selbst noch ferne seid? Lernet daher zuvor selbst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit erkennen von dem Meister, der das Reich Gottes in sich hat und es euch auch geben kann! Habt ihr es dann in euch vom rechten Meister überkommen, dann erst könnet ihr es auch den andern Menschen, die es haben wollen und suchen, mitteilen und geben, und der rechte Meister wird euch darum loben und eine rechte Freude an euch und euren Jüngern haben! 17. Aber wenn ein Meister euresgleichen als Führer der andern, die blind sind, noch selbst blind ist, wohin wohl wird er seine Jünger bringen? Werden da nicht Führer und Jünger, so sie zu einer Grube kommen, zugleich hineinfallen, wo dann keiner dem andern wird heraushelfen können? So ihr aber schon durchaus Lehrer sein wollet, so lernet es selbst zuvor von Dem, der da ist ein wahrer Meister und Lehrer!“ Kapitel 125 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 125. — Die Bitte der Johannesjünger 1. Als dieser zweite Jünger des Johannes solches von Mir vernommen hatte, da sagte er: „Herr und Meister, wir erkennen, daß Du allein ein rechter und wahrster Meister und vollkommenster Lehrer bist; nimm Du uns nun zu Deinen Jüngern an, und wir wollen Dir folgen und alles von Dir erlernen! In einem Tage werden wir von Dir sicher mehr erlernen, als wir bei Johannes in einem Jahre erlernt haben. Wir wollen Dir folgen, wohin Du auch immer ziehen willst!“ 2. Sagte Ich: „Das wäre wohl ein ganz guter Vorsatz von euch; aber bevor Ich zu euch sage: ,Kommet!‘, muß Ich euch noch auf etwas aufmerksam machen; steht euch das nicht im Wege, dann möget ihr Mir immerhin als Jünger folgen! Sehet, die Vögel haben ihre Nester und die Füchse ihre Löcher; aber Ich als des Menschen Sohn habe auch nicht einmal einen Stein auf der ganzen Erde, den Ich unter Mein Haupt legen könnte! Habt ihr aber ein rechtes Vertrauen und einen lebendigen Glauben, so möget ihr Mir folgen!“ 3. Sagte ein anderer Jünger: „Herr und Meister, wir benötigen nur Deiner Lehre, – unseren Leib werden wir schon selbst versorgen; denn wir sind vermögliche Leute und brauchen nicht, daß wir vom Meister auch ernährt werden sollen.“ 4. Sagte Ich: „Was Ich zu euch gesagt habe, das habe Ich nicht darum gesagt, als wollte Ich euch von dem Tische fernehalten, an dem Ich noch allzeit mit allen Meinen Jüngern gespeiset habe; aber darum habe Ich das zu euch gesagt, daß ihr als Meine Jünger nicht etwa an einen materiellen Erwerb an Meiner Seite denken sollet, – denn so etwas gibt es bei Mir nicht! Bei Mir ist nur ein Erwerb für sich gestattet, und der heißt: das Reich Gottes und das ewige Leben! So ihr nur um dessentwillen Mir als Jünger folgen wollet, so könnet ihr Mir auch folgen!“ 5. Sagte der Jünger: „Herr und Meister! Wir haben Weiber und Kinder, und haben auch Häuser, Äcker, Wiesen, Gärten und Weinberge und Ochsen, Kühe, Kälber, Esel, Schafe, Ziegen und allerlei zahmes Geflügel in großer Menge, und wir treiben mit allem dem denn auch einen rechtmäßigen Handel und haben noch nie jemanden übervorteilt. Solches hat uns auch der sonst überstrenge Prophet Johannes nicht verwehrt und dabei gesagt, daß es Gott wohlgefällig sei, so der Mensch arbeitet und also gerecht sorgt fürs Haus und für alle ihm Angehörigen; wer aber mit den Gaben, die ihm Gott beschert hat, einen Wucher treibe, der werde von Gott mit zornigen Augen angesehen werden und keine Gnade bei Ihm finden. 6. Wir gingen sonach denn auch unter die Menschen und erzählten ihnen, was wir von Johannes gesehen und gehört hatten. Nun, bei solchen Gelegenheiten haben wir denn freilich auch dessen Erwähnung gemacht, daß wir dies und jenes zu verkaufen haben um einen möglich billigsten Preis; und es wurden uns nach dem gemachten Antrage denn auch die angebotenen Dinge gern und häufig abgekauft, und wir konnten mit dem Erlösegeld unser Hauswesen stets ehrlich und wohl bestellen. Darin bestand denn hernach auch der Erwerb, den wir mit unserem Jünger- und nun Predigeramte verbanden. So Dir, o Herr und Meister, aber das nicht genehm wäre, wenn wir als Deine Jünger auch dann und wann an Deiner Seite unserer Häuser und Familien gedächten, da können wir uns auch davon enthalten und für die Besorgung unseres Hauswesens ganz andere Verfügungen treffen. Du darfst uns denn nur Deinen Willen bekanntgeben, und wir werden danach handeln!“ 7. Sagte Ich: „Ihr könnet tun, wie ihr wollet; denn ein jeglicher Mensch hat seinen vollkommen freien Willen. So aber jemand als Mein Jünger Mir folgt zur Gewinnung des Gottesreiches, der muß bis zur Zeit der vollen geistigen Neugeburt Haus, Weib und Kinder aus Liebe zu Mir verlassen; denn beim Suchen und Forschen nach dem Reiche Gottes muß er alle Sorge um Dinge dieser Welt Dem allein überlassen, der um alles weiß, und dessen allmächtiger Wille alles vermag. Denn sorgt sich ein wahrer Jünger an Meiner Seite auch um Dinge der Welt, so gleicht er einem Ackersmann, der seine Hände wohl an den Pflug legt, sich aber dabei stets nach rückwärts umsieht, nicht achtet auf den Gang des Pfluges und sonach nicht geschickt ist zum Reiche Gottes. 8. Da sehet Meine alten Jünger! Sie haben um Meinetwillen auch Haus, Hof und Weiber und Kinder verlassen und sind Mir nachgefolgt; aber ihr irdisches Hauswesen besteht fort und ist versorgt. 9. Wer als Mein Jünger der Welt nicht völlig entsagen kann, der wird nicht stark im Gottesreiche werden; denn Gott und der Welt dienen, geht schwer oder auch wohl gar nicht. So aber jemand im Reiche Gottes stark geworden ist, dann erst kann er wahrhaft auch aller Welt nützlichst dienen. 10. Als in den älteren Zeiten auf den gewissen Bergen noch die wahren Schulen der Propheten bestanden, da mußte der, welcher ein rechter Prophet werden wollte, sich von aller Welt völlig zurückziehen und in sich suchen das lebendige Wort Gottes; hatte er das gefunden, so wurde er auch freigelassen und war so erst fähig, der Welt wahrhaft nützend zu dienen. 11. Wie aber die wahren Propheten und in der Vorzeit auch die Patriarchen der Welt gedient und genützt haben, das kennet ihr aus der Schrift, und Ich brauche es euch nicht zu erzählen. Und somit kennet ihr nun Meinen Willen und Meinen Rat und könnet nun tun, wie es euch beliebt. 12. Wer nicht zuvor völlig Gottes wird, ehe er wirkend kehrt zur Welt, den verführt die Welt und verschlingt bald und leicht sein Herz und seine Seele; wer aber zuvor ganz Gottes geworden ist, dem kann die Welt nichts mehr anhaben; denn er hat um sich einen festen Damm und für sich eine Burg erbaut, die von den Pforten der Hölle nicht überwunden werden kann.“ 13. Als die etlichen Johannesjünger solches von Mir vernommen hatten, da dachten sie nach, was sie tun sollten. 14. Einer von ihnen, der zuerst geredet hatte, aber sagte zu den andern: „Wisset, ich rate, daß wir nun alsogleich bleiben, so wir Ihm als Jünger folgen wollen! Unser Hauswesen ist ohnehin gut bestellt, und an Arbeitern und Mitteln fehlt es ihm nicht, und eines Weiteren bedarf es nicht. Was der Herr und Meister aber zu uns nun gesagt hat, das ist wahr, und wir wollen denn auch sogleich bei der Wahrheit verbleiben!“ 15. Hierauf traten sie zu Mir und baten Mich, daß Ich ihnen erlaube, alsogleich zu bleiben. 16. Und Ich sagte: „So bleibet, und werdet zu guten und tätigen Arbeitern in Meinem Weinberge!“ 17. Sagte einer: „Herr und Meister! Wie hast Du denn einen Weinberg nun und hast doch zuvor bekannt, daß Du auch nicht einen Stein besäßest, den Du unter Dein Haupt legen könntest?“ 18. Sagte Ich: „Diese Welt ist Mein Weinberg, und die Menschen, die Mein Wort hören und halten und an Mich, den wahren Gottessohn, glauben, sind die guten und edlen Reben, die durch ihre guten Werke Mir auch viele Frucht bringen werden; aber zwischen den edlen Reben gibt es auch gar viele unedle, und diese sollen auch veredelt werden, und dazu benötiget es vieler und kräftiger Arbeiter. Wohl denen, die sich als tüchtige Arbeiter in solchem Meinem Weinberge erweisen werden, und zwar aus Liebe zu Gott und zum Nächsten!“ 19. Nach diesen Worten dankten sie Mir und blieben und fingen an, sich mit Meinen alten Jüngern zu besprechen. Kapitel 126 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 126. — Der Hauptmann aus Bethlehem kommt zum Herrn 1. Als aber nun diese Sache geordnet war, da kam auch der Hauptmann aus Bethlehem, den wir in der Herberge verlassen hatten, mit noch etlichen Gefährten uns zu Pferde nach; denn er wollte Mich noch einmal sehen und hören und hatte auch mit den Römern noch manches zu besprechen. 2. Als er draußen die Pferde den Knechten übergeben hatte, da kam er sogleich zu uns ins große Zimmer und sagte zu Mir (der Hauptmann): „O Du großer Herr und Meister! Als ihr die Herberge verlassen hattet, bin ich erst wie aus einem Traume erwacht und wollte mich erst so ganz Dir anempfehlen, aber da waret ihr schon über Berg und Tal. Mich aber ergriff darauf eine übermächtige Sehnsucht, Dich noch einmal zu sehen, zu sprechen und zu hören. Ich ließ mir denn auch alsobald die besten Reitpferde von Bethlehem bringen und ritt mit diesen meinen Gefährten hierher im schnellen Trabe und vernahm draußen von den Leuten dieses Hauses, daß Du hier eine kleine Rast genommen hast. Da hüpfte mir vor Freude das Herz im Leibe. Ich sprang samt meinen Gefährten eiligst vom Pferde und eilte herein und bin nun da, um Dich zu begrüßen und Dir von ganzem Herzen zu danken für die endlos große Gnade, die ich von Dir zum Heile auch meiner Heidenseele empfangen habe. Nimm daher, o Herr und Meister, auch gnädig solchen meinen Dank an!“ 3. Sagte Ich: „Freund, solcher Heiden mehr, wie du einer bist, so wird es bald licht und helle unter den Menschen auf dieser Erde werden! Aber leider gibt es solche Menschen und Heiden nur wenige, und so steht trotz Meiner Darniederkunft dem Menschen im allgemeinen eine lange andauernde geistige Nacht bevor, in der noch viele Kriege pro und contra geführt werden, aber es wird dabei der wahre Sieg der ewigen Wahrheit über die Nacht alles Falschen und Bösen ein unentschiedener verbleiben.“ 4. Sagte der Hauptmann: „Herr und Meister! In der großen Herberge bei Bethlehem hat es Dich nur eines Wortes und Willens gekostet, und zwei von allen Ärzten für unheilbar erklärte Kranke wurden gesund. Weil Dir das möglich war, so wäre es Dir ja auch ebenso leicht möglich zu sagen: ,Höret, ihr finsteren Seelen! Ich will, daß es in euch licht werde!‘, und siehe, es würde durch ein solches Machtwort, von Dir mit Willen ausgesprochen, sicher auf der ganzen Erde auch nicht mehr einen finsteren und bösen Menschen geben!“ 5. Sagte Ich: „Da hast du einesteils wohl ganz recht; aber Ich, der Ich es wohl am besten kenne, wie der ganze Mensch beschaffen ist und auch also beschaffen sein muß, um ein Mensch und kein Menschtier zu sein, sage dir da, daß der Mensch nur dem Leibe nach eine gar kunstvoll und weise eingerichtete Maschine ist, deren Gesundheit, Erhaltung und Gebrauchsfähigkeit nicht von der Freiheit des menschlichen Willens abhängt, sondern allein von Dem, der sie geschaffen und gebaut hat. Wenn denn der Maschine etwas fehlt, da kann der Meister derselben auch leicht durch Seinen allmächtigen Willen helfen, ohne dadurch der Erkenntnis-, Glaubens- und Willensfreiheit des Menschen nur im geringsten schädlich zu werden. So Ich es aber auch mit jemandes Seele und Geist so täte, so wäre ihre eigene Lebenskraft, die da besteht in ihrer freien Liebe, in dem ebenso freien Denken, Forschen und Erkennen, im Glauben und im freien Wollen, so gut wie gebrochen und zerstört und mit ihr denn auch alle individuelle Selbständigkeit. Was hätte dann eine solche Seele, was am Ende Ich Selbst davon? 6. Die Seele des Menschen muß daher durch einen guten Unterricht und dann durch ihr eigenes Forschen, Prüfen, Erkennen, Glauben und Wollen ins innere, lebendige Licht ihres aus Gott ihr innewohnenden Geistes gelangen, dann ist ihr für ewig wahrhaft geholfen; jede andere Gewalt, ihr nach deiner Idee zu helfen, würde nur zerstörend und nie heilend auf ihre Lebenselemente einwirken. 7. Und siehe, darum denn nehme Ich auch Jünger an und lehre Selbst also, wie da lehret ein recht weiser Vater seine Kinder, was sie zu glauben, zu kennen und dann zu tun haben; denn würde Ich sie mit Gewalt auf einen Schlag mit Meinem Geiste erfüllen, so wäre es mit ihrer eigenen Selbständigkeit, mit ihrem eigenen Suchen, Forschen, Prüfen, Erkennen, Glauben und Wollen aus, aber auch aus mit ihrem individuellen Leben und mit dessen Freiheit. 8. So Ich sie aber nun lehre, die volle Wahrheit zu erkennen und danach selbständig zu handeln, so ist dadurch ihrer Seelen vollste Freiheit nicht im geringsten gehemmt, und was sie sich nach Meiner Lehre ehest werden errungen und erkämpft haben, das wird dann ihr Werk und auch ihr volles Eigentum sein. 9. Und siehe, das ist denn auch also nach der ewigen Ordnung der Wille Gottes für die wahre und allein wahrhaft nützliche Lebensbildung der Menschen auf dieser Erde, und nur auf diese Art und Weise kann eine Seele zum wahren, ewigen Leben gelangen und am Ende gottähnlich zur Selbstschöpferin ihres Lebens und ihres Himmels werden! 10. Aus diesem dir nun dargetanen Grunde ist es Mir wohl ein leichtes, eines Menschen kranken Leib, aber nicht auch damit eine kranke und finstere Seele zu heilen. Ich heile aber wohl auch die Seelen, aber nur durch Meine Lehre, wenn sie dieselbe gläubig annehmen und dann danach wollen und handeln. Wer aber das will, der hat eben in solchem festen Willen schon ohnehin Meinen Geist sich angeeignet und in ihm eine hinreichende Lebenshilfskraft in sich, die er dann mit allem Recht sein nennen kann, wenn er auch einsieht, daß das dennoch nur Meine Kraft in ihm ist und handelt und waltet. 11. Wer daher Gelegenheit hat, zu erteilen den Menschen Meine Lehre und Meinen Willen, der wird als ein treuer Arbeiter in Meinem Menschenlebensweinberge auch seinen Lohn in Meinem Reiche überkommen. – Hast du das nun wohl aufgefaßt und begriffen?“ Kapitel 127 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 127. — Des Hauptmanns Bedenken über die Führung der Menschen 1. Sagte der Hauptmann: „Ja, Herr und Meister, das ist mir nun ganz klar geworden! Der äußere Leibmensch ist sonach der Seele nur als eine Stütze zu ihrer Selbstentfaltung von Gott gegeben und liegt zum größten Teile in der Willensmacht Gottes, ist aber dennoch also eingerichtet, daß sich die Seele seiner auch nach ihrem Willen bedienen kann. Bedient sie sich desselben nach Deinem Willen, den sie aus Deiner Lehre wohl erkennen kann, so gereicht ihr das zum größten Nutzen, da sie sich im Leibe so zum wahren selbständigen und ewigen Leben ausbilden kann; bedient sie sich aber ihres Leibes auf eine Deiner Ordnung widerstrebende Weise, so bringt ihr das ein sicheres und offenbar notwendiges Verderben. Aber da kommen wir nun eben auf einen Punkt, den ich schon lange aus ganz wohl überdachten Gründen bei mir selbst gegenüber einem weisen und sicher allmächtigen Gott und Schöpfer sehr beanstandet habe! 2. Siehe, wie viele tausendmal tausend Menschen sind ohne ihr Verschulden in die dickste Nacht ihrer Seelen geraten und müssen also denn auch alle verkümmern und zugrunde gehen, weil sie vielleicht auch in tausend Jahren noch nicht das Glück haben werden, von Deiner hier ausgesprochenen Lehre auch nur ein Wort zu vernehmen! Wie viele aber sind schon auf der Erde seit sicher vielen Tausenden von Jahren zugrunde gegangen, die von Deiner Lehre nie etwas haben vernehmen können! Dieser lange lichtlose Aktus zum sicheren Untergange so zahllos vieler Seelen kommt mir von seiten einer allgütigsten und weisesten Vorsehung Gottes ganz bedeutend traurig aussehend vor. 3. Es fehlt den Menschen eben nicht am Ernste, auf gar vielen Punkten dieser Erde die Wahrheit zu suchen, wie ich mich davon selbst überzeugt habe, und es fand schon mancher auch so eine Spur davon –, aber wo lag denn die Bestätigung, gültig für den Verstand der Menschen, daß die von einem eifrigen Sucher und Forscher aufgefundene Lebenswahrheitsspur wohl eine ganz rechte war? Man lernte sie kennen, zollte ihr auch den Beifall, aber man kam auch zu andern emsigen Forschern nach der Lebenswahrheit, und man überzeugte sich bald, daß sie auf ganz andere Spuren gekommen waren, die mit der des ersteren gar keine noch so ferne Ähnlichkeit, aber dennoch gar manches für sich hatten. 4. Ja, es besteht wohl kein mir bekanntes Volk auf der Erde, insoweit ich sie kenne, das nicht an irgendeine Gottheit glaubte und hielte, aber wie materiell sind solche Lehren und Begriffe von einem allerhöchsten und weisesten Gottwesen. Aber das eine und sicher nur allein wahre Gottwesen scheint Sich ewig wenig darum zu kümmern, ob da ganze Völker und Geschlechter in der dicksten Irrtumsnacht zugrunde gehen und verderben! 5. Und so kann nun, wie es durch Dich nun hier der Fall ist, die einzig wahre und allerhöchste Gottheit kommen und den vielen tausendmal Tausenden das wahrste Lebenslicht verkünden, und die Menschen werden es im allgemeinen dennoch nicht annehmen, und es werden gar viele sagen: ,Waren unsere Vorfahren, die schon lange gestorben sind, denn nicht auch Menschen wie wir? Was haben sie denn verschuldet, daß ihnen die allein und ewig wahr seiende Gottheit das Lebenslicht vorenthielt? 6. Eine wahre Gottheit muß allzeit für eine rechte Erleuchtung der Menschen gesorgt haben; hat sie das aber erweislichermaßen nicht getan, was sie eben jetzt zu tun vorgibt, so ist sie entweder nie eine wahre Gottheit gewesen, oder sie wollte es nicht aus einer gewissen Verachtung der Menschen dieser Erde, die ihr vielleicht nicht zu Gesichte gestanden sind, weil sie vielleicht ebenso nicht geraten sind wie gar viele Früchte, die ein Baum nach der Blüte ansetzt, sie aber aus irgendeinem Mangel des inneren Lebenssaftes nicht ernähren kann und sie zu vielen Tausenden abwirft und am Boden verderben und zertreten läßt, – von welcher sehr unökonomischen Wirtschaft eine allsehende und höchst weise Gottheit etwa auch wissen müßte, sie aber doch duldet und immerfort zuläßt.‘ 7. Ich für mich bin nun wohl höchst ferne davon, Dir mit solchen Bedenken entgegenzukommen, aber ich weiß es, daß sie in den Menschen schon gar alte und tiefgehende Wurzeln getrieben haben, und wir von der Wahrheit Deiner Lehre und vom Dasein der wahren Gottheit in Dir noch so durchdrungenen Menschen werden ohne eine besondere Hilfe von Dir wohl nie imstande sein, alle die tausendmal tausend Irrtümer bei den Menschen segensvoll auszurotten. Denn so wir als selbst nur schwache Menschen ihnen auch allergetreust das kundtun werden, was wir selbst gesehen und gehört haben, – wer wird es uns aber glauben? 8. Also, dazu bedürfen wir denn auch einer besonderen Hilfe für beständig von Dir, o Herr und Meister, sonst ist alle unsere Arbeit und Mühe eine vergebliche, und es ist nach meiner Ansicht besser, die Menschheit auch für alle Zukunft in ihrem finstersten Wahne ebenso verderben zu lassen, wie sie Tausende von Jahren vor uns zugrunde und in ein volles Nichts übergegangen ist. Denn was kann einem allmächtigen und ewigen Gott an einer solchen Welt voll Menschen gelegen sein, und was den zugrunde gegangenen und ewig nicht mehr seienden Menschen an einem Gott? 9. Wenn das ewige Fortleben einer Menschenseele nun allein nur von dem abhängt, daß man um Deine Lehre wisse und dann nach ihr lebe und handle, dann wird es wohl wenig so Glückliche geben, die ewig leben werden! Sollten sich aber die Sachen mit dem Fortleben der Seelen nach dem allzeit etwas grausamen Tode des Leibes anders verhalten, so nehme ich alle meine menschlichen Bemerkungen zurück und will mich gerne eines Besseren belehren lassen. 10. Ich habe nun treu und offen geredet und bin auch bereit, alles mögliche zu tun und zu wirken, um möglichst viele Menschen aus ihrer Todesnacht an den ewigen Tag des Lebens zu stellen; aber ich möchte nun denn auch aus Deinem Munde, o Herr und Meister, vernehmen, wie die Sachen vom Urbeginn an stehen, und was ich zu tun habe. – Ich habe geredet.“ Kapitel 128 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 128. — Das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen 1. Sagte Ich: „Ja, ja, du Mein ganz aufrichtiger Freund, du hättest mit deiner scharfen Bemerkung ganz recht, wenn sich die Sachen zwischen Gott und den Menschen also verhielten, wie du es aus deinen gemachten Erfahrungen im Namen der gesamten Menschheit nun vor Mir dargetan hast; aber die Sachen verhalten sich ganz anders, und somit hat deine scharfe Darstellung der Verhältnisse zwischen Gott und den Menschen keinen andern Grund als die völlige Unkenntnis eben der Verhältnisse zwischen Gott und den Menschen. 2. Gott hat schon vom Urbeginn an der freien Menschheit, also dem ersten Menschenpaare, Seinen Willen treuest geoffenbart, und die Hauptnachkommen des ersten Menschenpaares waren in einer steten Verbindung mit Gott und mit den Engeln, die ehedem auch, wennschon auf einem andern Erdkörper als Körpermenschen gelebt haben, und wurden in allen Dingen hellst belehrt und waren denn auch dadurch vollkommene Menschen und Herren der gesamten Natur; denn ihrem Willen waren sogar alle andern Geschöpfe, wie auch die Elemente untertan. 3. Aber ihre vielen Kinder, die sich nach und nach auf der Erde verschiedene Wohnplätze aussuchten und sohin selbständig wurden, wollten sich die Vormundschaft Gottes und noch weniger die ihrer Eltern und sonstigen Anverwandten nicht mehr gefallen lassen. Sie trachteten, in der Welt reich und berühmt zu werden, und als sie das wurden, da wurden sie auch träge und hochmütig und kümmerten sich um Gott und Seinen ihnen noch gar wohl bekannten Willen wenig mehr. Sie taten, was sie wollten. Und hat Gott sie durch allerlei Züchtigungen auch ermahnt, die Er ihnen allzeit durch allerlei Zeichen, wie durch weise Boten bekanntgemacht hatte, da lachten sie, verhöhnten Gott, Seine Mahnungen, und mißhandelten die an sie gesandten Boten. 4. Unter sich errichteten sie dann Schulen nach ihrem Sinne. Ihre Lehrer aber machten sich bald die ihnen bekannten Schwächen zunutze und richteten ihren Unterricht also ein, daß er der Gemeinde schmeichelte und sie bis zu den Sternen erhob. Eben solche Lehrer wurden als Leiter der Menschen einer Gemeinde bald zu machthabenden Königen und waren als solche auch stets die ersten Urheber der Abgötterei, des Götzentums und des entweder blinden Aberglaubens oder auch der vollkommenen Gottlosigkeit. 5. Gott aber ließ dennoch nie ab und ließ auch unter solchen Heiden stets Männer aufstehen, die durch Lehren und Taten ihnen zeigten die große Trübsal, in der sie lebten, und ihnen auch zeigten des Lebens rechte Wege. Solche Männer aber bekamen stets nur wenige Jünger und wurden von andern Volkslehrern und Priestern und sogenannten Weltweisen verachtet, verfolgt und für Narren erklärt, und die Hohen und Weltmächtigen wollten von solchen Demutspredigern schon gar nie etwas hören. 6. Wenn aber also, wie nun heutzutage die vielen Beispiele selbst Mir gegenüber nur zu klar zeigen, – was hätte Gott den Menschen denn noch tun sollen und können, um sie beim lebendigen Glauben an Ihn zu erhalten bei stets gleicher Belassung ihres freien Willens? 7. Auch diesmal, wo Ich persönlich unter die Juden gekommen bin, um sie wieder um Mich zu versammeln, habe Ich dafür gesorgt, daß die Kunde von Mir in allen euch bekannten Weltteilen den Menschen gemacht wurde auf die jedem Volke entsprechende Art. Gehe aber hin und frage die Menschen und Völker, und du wirst Antworten bekommen, über die du sicher höchlichst erstaunen wirst! 8. Du meinst aber nun ebenfalls großirrtümlich, daß von jetzt an nur jene Seelen ein ewiges Leben nach des Leibes Todes haben werden, die nun Mein Wort hören, an Mich glauben und nach Meiner Lehre leben und handeln, alle andern Seelen aber für ewig vernichtet würden. 9. Gegen solche deine Meinung, die nun auch vielen andern Menschen eigen ist, kann Ich dir auf pur vernunftgründigem Wege vorerst nur das sagen, daß eines jeden Menschen Leben eine Kraft aus Gott ist, die Gott Selbst mit aller Seiner Allmacht ebensowenig zerstören und vernichten kann wie Sich Selbst; denn würde Gott die aus Ihm allein hervorgegangenen Lebenskräfte zerstören und vernichten können, so müßte Er da bei Sich zuerst anfangen, weil im Grunde des Grundes ja eben Er Selbst alles in allem von Ewigkeit her ist! Gott kann wohl jegliche Materie, die nichts als Seine durch Seinen Willen festgehaltene Idee ist, auflösen und sie in Geistiges und Unwandelbares zurücktreten lassen, aber vernichten ewig nicht, weil Er Sich Selbst und Seine Ihm ewig klaren Gedanken und Ideen nicht vernichten kann.“ Kapitel 129 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 129. — Die Unsterblichkeit der Menschenseele 1. (Der Herr:) „Daß aber aller Menschen Seelen, ob gute oder böse, nach des Leibes Tode fortleben, davon haben bei allen Völkern der Erde gewisse mehr in sich gekehrte Menschen mehr als viele tausendmal Tausende von allersprechendsten und überzeugendsten Beispielen erlebt, indem sie mit den Seelen der leiblich Verstorbenen oft sogar jahrelangen Verkehr und belehrenden Umgang hatten. 2. So aber pure und ganz materielle Weltmenschen daran nicht glauben aus dem Grunde, weil ihnen noch nie etwas Ähnliches zu Gesichte gekommen sei, kann da etwa auch Gott die Schuld gegeben werden? Diese Weltmenschen suchen das ja nie, und so finden sie es auch nicht; die es aber suchen, die finden es auch unter allen Völkern der Erde. 3. Sieh, diese Römer hatten Mir Selbst von solchen Erscheinungen erzählt, die sie selbst erlebt haben! Sind sie darum unwahr für dich, weil du noch nichts Ähnliches gesehen und wahrgenommen hast? 4. Hinter Asias höchsten Bergen im weiten Osten besteht ein großes Kaiserreich, das Sihna oder China heißt. Besteht es darum etwa nicht, weil du es noch niemals gesehen hast? Und noch weiter im Osten, ganz vom großen Weltmeere umflossen, besteht abermals ein großes Kaiserreich namens Jhipon (Japan). Besteht es etwa deshalb auch nicht, weil du bis jetzt noch nie etwas davon gehört hast? Ja, Freund, auf dieser Erde bestehen noch gar große Reiche und Weltteile außer den dir bekannten drei Weltteilen, wenn du sie auch nicht kennst; aber Ich kenne sie und kann dir sagen, daß sie da sind und von den Menschen in der Zukunft auch aufgefunden werden. 5. Überall aber leben schon Menschen und sind nicht ohne Offenbarung von oben und von seiten solcher Geister, die einst dort auch im Fleische gewandelt haben. Daß aber solcher Menschen Seelen nicht alsogleich beim Hinübertritt ins Reich der Geister sich in einer solchen Lebenslichtvollendung befinden können, das ist doch sicher und leicht daraus erklärbar, weil auch hier die Menschen, deren Seelen sehr weltliebig geworden sind, nur schwer und mühsam auf den rechten Lebenslichtweg zu bringen sind. Der Leib des Menschen kann weder etwas glauben noch wollen; er dient der Seele eine kurze Zeit nur als ein Werkzeug zur Tätigkeit nach außen und sonach auch zu ihrer Ausbildung. Das Denken, Lieben, Wollen und Handeln nach den erkannten Wahrheiten ist Sache der Seele. 6. Wie schwer und mühsam aber oft eine weltliebige und zur Trägheit geneigte Seele das reine Gute und Wahre begreift und sich danach zu handeln entschließt, das kannst du an deinen eigenen Kindern merken; und so geht es einer hier verwahrlosten Seele im großen Jenseits sicher noch um vieles schlimmer, weil sie sich in dem Leibesleben in allerlei Irrtümern und daraus im Falschen und Bösen begründet hat. Eine solche Begründung aber ist gleich wie eine Erhärtung der Liebe und des Willens der Seele, welche beide aber eben das Leben und das individuelle Sein ausmachen. Wenn Ich da einer solchen Seele ihre Liebe und ihren Willen auf einmal hinwegschaffte, so wäre dadurch ja auch die ganze Seele hinweggeschafft! 7. Es muß daher mit solchen Seelen gar behutsam zu Werke gegangen werden, um sie so nach und nach, von ihnen ganz unbemerkt, auf den rechten Weg zu bringen. Dazu gehört aber eine gar allerhöchste göttliche Liebe, Weisheit und Geduld; denn man muß eine solche Seele, stets nur wie von außen her einwirkend, in solche Zustände durch ihr Wollen, Trachten und Handeln kommen lassen, in denen sie aus sich innezuwerden anfängt, daß sie sich in großen Irrtümern befindet. Fängt eine Seele an, diese in sich wahrzunehmen, dann wird in ihr auch schon der Wunsch rege, den Grund zu erfahren, aus dem sie, sozusagen, auf kein grünes Gras, sondern nur auf düsterere und fruchtlosere Wüsteneien gelangt. 8. Nun, in solch einem Zustande ist es dann erst an der Zeit, solch einer Seele einen ihr wie ganz ebenbürtig aussehenden weisen Geist entgegenkommen zu lassen, der sich dann mit ihr über dies und jenes besprechen kann, wodurch es denn in solch einer verirrten Seele dann auch schon lichter wird und sie nun wie völlig aus sich zu erkennen anfängt, daß sie sich in großen Irrtümern befindet und sich nach dem wahren Lichte stets mehr und mehr zu sehnen anfängt. 9. Du siehst nun ganz leicht, daß in einem solchen schon besseren Zustande eine Seele schon anders zu denken anfängt und ihre Liebe und ihr Wollen als ihr eigentliches Ich, Leben und Sein eine andere Richtung aus sich selbst nimmt; ist das nun da, so kommt dann eine ehedem noch so im Finstern wandelnde Seele auch bald und leicht zum wahren Lebenslichte. 10. Aber eine nach deiner Meinung urplötzliche Umwandlung der Seele wäre soviel wie ihre völlige Vernichtung. Ich hätte ja auch, statt hier bei den Juden, bei euch Römern oder auch bei einem andern Heidenvolke als das, was Ich hier bin, auftreten können; aber was hätte das bei dem blinden und sehr abergläubischen Volke für eine Wirkung gemacht, gegen die auch die weiseste Lehre nichts gefruchtet hätte? Siehe, das Volk hätte Mich für einen oder den andern Gott zu halten und anzubeten angefangen und Mir Opfer gebracht in Hülle und Fülle, und Meine Jünger, die auch schon so manches in Meinem Namen zu wirken vermögen, hätte es als Halbgötter angestaunt und ihnen auch Opferaltäre und sogar Tempel erbaut, und so hätte Ich bei einem heidnischen Volke sein Götzentum nicht nur nicht zerstört und aufgehoben, sondern nur vermehrt. 11. Die Juden aber, die besonders in dieser Zeit zumeist ganz glaubenslos geworden sind, obschon sie die Schrift und die Verheißung Meiner Herniederkunft haben, aber aus der Tradition doch noch wissen, wie Gott das Volk geführt hat, wenn sie daran auch zweifeln, sind eben am geeignetsten noch, Meine persönliche Gegenwart zu ertragen, da sie mit Mir keine Abgötterei treiben können. Denn die Mich erkennen, die wissen es aus dem rechten Grunde, wer Ich bin; die Ungläubigen aber halten Mich für einen Magier und die Mittelklasse für einen Propheten. Da ist sonach mit Meiner Gegenwart keine Seele in ihrer Eigentümlichkeit und in ihrem freien Willen gefährdet, und so muß denn das Licht auch von dem Judenvolke in alle Welt ausgehen. 12. Wenn du mit deiner Verstandesschärfe nun dies von Mir dir Gesagte so ganz genau prüfst, dann wirst du schon innewerden, daß du Mir gegenüber mit einer ganz irrigen Meinung aufgetreten bist. 13. Wenn Gott nicht der Menschen zur stets größeren Sättigung Seiner Liebe bedurft hätte, so hätte Er sie auch nie erschaffen; da Er sie aber erschaffen hat, so kümmert Er sich auch um sie und um ihre ewige Erhaltung und zeigt dadurch, daß Ihm gar alles an den Menschen gelegen ist. Es sollte den Menschen darum aber auch alles an Gott gelegen sein! Hast du, Mein Freund, das nun wohl begriffen?“ 14. Sagte der auf diese Meine Lehre ganz erstaunte und von aller Ehrfurcht ergriffene Hauptmann: „Herr und Meister, so wie Du nun geredet hast, hat noch kein Weiser je zu einem Menschen geredet! Du hast mir jetzt erst ganz vollkommen gezeigt, wer Du bist. Ich danke Dir für die mir nun erwiesene große Gnade, bitte Dich aber auch von ganzem Herzen um Vergebung dafür, daß ich es gewagt habe, mit Dir so keck und dumm zu reden.“ 15. Sagte Ich: „Wer also redet, wie du geredet hast, dem ist es um die Wahrheit ernst, und Ich gebe ihm da gerne ein rechtes Licht; wer aber da weder kalt noch warm ist, sondern lau, der ist Meines Lebenslichtes auch nicht wert und wird es auch so lange nicht überkommen, als ihm darum nicht völlig ernstlich zu tun sein wird. Ich aber weiß es, daß es gar vielen Heiden aus euch schon lange ernstlich darum zu tun war, während die Juden stets lauer und lauer geworden sind; darum aber wird nun das Licht den Juden auch genommen und euch Heiden gegeben werden in aller Fülle. Aber sorget und wachet darum, daß es dann bei euch nicht in ein neues Heidentum umgestaltet wird; denn ein solches wäre schlimmer noch denn euer jetziges! Ihr werdet zwar darum wohl sorgen, aber am Ende das Auftreten der falschen Propheten doch nicht verhindern können. Darum wachet alle, und hütet euch vor den falschen Propheten, die ihr leicht an ihren Werken erkennen werdet!“ 16. Hier kam ein Bote von Bethanien und sagte, daß daheim schon alles bereitet sei zu unserem Empfange. 17. Da sagte Ich: „Unsere Raststunde ist nun vorüber, und wir wollen denn auch weiterziehen. Wer Mir folgen will, der folge Mir!“ Kapitel 130 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 130. — Die Rückkehr des Herrn mit den Seinen nach Bethanien 1. Hier erhoben sich alle, auch die Johannesjünger, und folgten Mir eifrig ins nahe Bethanien. Auch der Hauptmann folgte mit seinen Gefährten nun zu Fuße, indem er seine Pferde bei dem Talwirte zurückließ. 2. In einer halben Viertelstunde kamen wir denn auch schon nach Bethanien. 3. Es war zwar die dritte Stunde nach dem Untergange der Sonne vorüber, aber zu einem wohlbereiteten Nachtmahle noch immer früh genug, und Ich wollte es auch so haben, daß wir um solche Zeit nach Bethanien gekommen sind, auf daß wir von der gafflustigen Menge nicht beobachtet werden konnten; denn an diesem Tage sind nach unserem Abzuge viele Menschen, jung und alt, nach Bethanien gekommen, weil sie vernommen hatten, daß Ich Mich allda aufhielte. Da sie Mich aber nicht fanden und ihnen auch niemand sagte, wohin Ich gezogen sei, und wann Ich wiederkommen würde, so blieben sie des Vergnügens wegen nur bis zum Sonnenuntergang in Bethanien und kehrten dann wieder nach Jerusalem zurück. Einige aber kehrten schon in der Zeit um, als die uns schon bekannten Soldaten in Bethanien eintrafen, nach der Anweisung im Hause des Lazarus ihre Speise und die Zehrpfennige erhielten und dann nach kurzer Rast wieder weiterzogen; denn Ich hatte es dem Raphael also in den Sinn gegeben, daß die Soldaten nicht auf die Rückkehr der Römer warten sollten. Es war denn um diese Zeit, da wir ankamen, alles in der besten Ordnung, und wir waren für uns, von niemandem beirrt, da. 4. Als wir ins Haus traten, da empfingen uns mit vieler Liebe und Freundlichkeit die Schwestern des Lazarus und die Maria von Magdalon, also auch Mein Raphael mit etlichen Jungen, die noch wach geblieben waren, und die am meisten talentiert waren und eine große Sehnsucht hatten, Mich wiederzusehen. 5. Lazarus aber führte seinen Schwestern den Wirt aus der Gegend von Bethlehem vor und auch den Hauptmann und die etlichen Johannesjünger; und die Schwestern bewillkommten sie und wiesen ihnen am Tische die Plätze an. 6. Als dies alles vorüber war, da setzten wir uns zu Tische und nahmen ein bestbereitetes Nachtessen zu uns. Die Römer hatten aber mehr Durst als Hunger und leerten bald ihre Becher, die auch gleich wieder gefüllt wurden. Der Wein löste ihre Zungen, und so wurde es bald recht lebhaft im Speisesaal. 7. Dem Hauptmanne, seinen Gefährten und dem Wirte aus der Nähe Bethlehems aber fiel unser Raphael auf, der nun neben Mir am Tische ebenfalls speiste, und das diesmal absichtlich noch mehr als zu andern Malen, um eben die Fremden auf sich aufmerksam zu machen. Diese betrachteten ihn denn auch stets aufmerksamer und konnten sich heimlich nicht genug verwundern, wie ein sonst so holdester Jüngling gar so viel essen könne. 8. Da das aber besonders dem Hauptmanne auffiel, so fragte er Mich, sagend: „Herr und Meister, vergib es mir, so ich Dich nun in Deiner Eßruhe ein wenig störe! Siehe, der sonst so zarte und über alle Begriffe schöne Jüngling ißt ungewöhnlich viel! Es beneidet ihn wohl sicher niemand um das, was er verzehrt; aber ich habe wahrlich nur Angst darum, daß ihm das Zuviel, was er verzehrt, denn am Ende doch schaden könnte, und daß er dann krank würde, indem er da leicht ein böses Fieber bekäme. Es wäre wahrlich jammerschade um solch einen holden Jüngling, der vermöge seines sehr geistreichen Aussehens sicher etwas Großes werden könnte!“ 9. Sagte Ich: „Freund, deine Sorge laß du nur Mir über! Dieser Junge ist schon lange Mein Diener und weiß selbst gar wohl, was er zu tun hat, und wieviel er von einer oder der andern Speise verzehren kann. Täte er also, wie er es tut, nicht recht, so würde Ich es ihm schon sagen. Hätte er nun nicht also gegessen, daß es dir ein wenig übernatürlich vorkommen mußte, so wärest du ja auf ihn um vieles weniger aufmerksam geworden; da du nun aber auf ihn aufmerksam geworden bist, so wirst du von ihm auch noch andere Dinge erfahren, und es wird dich dann gar nicht mehr so sehr wundern, daß er etwas mehr als ein gewöhnlicher Mensch von den Speisen und Getränken zu sich nehmen kann. Von nun an kannst du schon mit ihm selbst verkehren.“ Kapitel 131 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 131. — Die Frage nach der Persönlichkeit Raphaels 1. Als der Hauptmann solches von Mir vernommen hatte, da wandte er sich sogleich an den vermeinten Jüngling und sagte zu ihm: „Höre, du mein junger und überholder Freund! Wie kommt es denn, daß du nun in deiner Jugend im Essen und Trinken geradezu mit Riesen dich messen könntest, und daß es dir nicht schadet?“ 2. Sagte Raphael: „Ich bin aber meiner Kraft nach auch ein Riese, wenn ich der Gestalt nach es auch nicht zu sein scheine! So du es willst, da kann ich dir sogleich ein Pröbchen liefern?“ 3. Sagte der Hauptmann: „Wenn dir so etwas möglich ist, so zeige mir etwas von deiner Riesenkraft!“ 4. Sagte darauf Raphael: „Ganz wohl! Sieh, dort an der Wand zwischen den beiden großen Fenstern steht eine eherne Säule, die dazu dient, daß man in den Festzeiten sie als einen Opferaltar gebraucht; denn sie ist ein Hausopferaltar, und es wurden in den früheren Zeiten viele Opfer darauf verbrannt. Nun ist diese nahe mannshohe Säule freilich nur eine pure Zierde dieses Speisesaales. Für wie schwer schätzest du diese Säule, die nebst ihrer Höhe auch einen sehr beachtenswerten Umfang hat?“ 5. Sagte der Hauptmann, indem er zuvor aufstand und die Säule wohl prüfte und besichtigte: „Ja, du mein liebster junger Freund, dieser Säule Gewicht ist kaum zu schätzen; ich meine, daß darüber uns der Hausherr Lazarus etwas Näheres sagen könnte.“ 6. Hierauf sagte Lazarus: „Diese Säule ist auf zwanzigtausend Pfunde geschätzt und wurde aus Korinth schon vor zweihundert Jahren mit großer Mühe und vielen Kosten hierhergeschafft.“ 7. Sagte der Hauptmann: „Ja, für so schwer hätte ich sie auch mindestens geschätzt! Und was wirst du, mein holdester junger Freund, nun mit dieser ungeheuer schweren Säule machen?“ 8. Sagte Raphael: „Ich werde sie aufheben und ganz ruhig und ohne alle Anstrengung hinstellen, wo immer du sie hingestellt haben willst!“ 9. Sagte der Hauptmann: „Du hast es gesagt und willst auch solches tun, und so versuche solche deine Riesenkraft an dieser Säule, und stelle sie um ein Fenster weiter!“ 10. Als der Hauptmann solches ausgesprochen hatte, da stand Raphael auf, ging zur Säule hin, griff sie mit beiden Händen an, hob sie schnell mit so großer Leichtigkeit in die Höhe, als hätte er es mit einer Federflaume zu tun und stellte sie mit gleicher Leichtigkeit auf die angezeigte Stelle, ließ sie dort einige Augenblicke stehen und setzte sie auf des Lazarus Bitte wieder an die alte Stelle zurück. 11. Als er mit dieser Kraftprobe fertig war, da sagte er, freundlich lächelnd, zum über alle Maßen erstaunten Hauptmanne (Raphael): „Nun, mein Freund, wirst du doch einsehen, warum ich etwas mehr esse als ein anderer Mensch?!“ 12. Sagte der Hauptmann: „Mein holder junger Freund, wenn deine Riesenkraft von dem abhinge, daß du ungefähr viermal soviel Speise verzehrst wie unsereins, dann könntest du mit dem Gewichte dieser Säule noch lange nicht so spielen, als hättest du es mit der Last einer kleinen Feder zu tun; denn da müßtest du wohl auch für hundert Menschen essen können, weil nach meinem Urteile da wohl eine Kraft von hundert Menschen erforderlich wäre, um dir gleich Meister von dieser Säule zu werden. Deine Riesenkraft scheint demnach einen ganz andern Grund zu haben! Und ich werde mich wahrscheinlich nicht zu weit irren, so ich sage, daß hinter deiner noch nie erhörten Riesenkraft dieser Meister aller Meister, ein wahrer Gott aller Götter steckt! – Was sagst du nun zu solcher meiner Meinung?“ 13. Sagte Raphael: „Ja, ja, da hast du wohl recht geantwortet; aber dieser Meister steckt auch hinter einem jeden Menschen und hinter gar allem, was da ist, und so auch hinter dir, und du kannst diese Säule dennoch nicht von der Stelle schaffen! Wie verstehst du demnach solches?“ 14. Sagte der Hauptmann: „Das ist nach meiner Beurteilung ganz leicht zu verstehen! Wem Er mehr Kraft in einem oder im andern geben will, entweder für immer oder auch nur für einen Moment, der hat sie denn auch; mir und auch gar vielen andern Menschen aber hat Er nur so viel Kraft gegeben, wie mir als einem gewöhnlichen Menschen nötig ist. 15. Nun, warum Er gerade dich mit einer so außerordentlichen Kraft ausgerüstet hat, das ist eine ganz andere Frage, die außer Ihm und sicher auch dir niemand wird beantworten können!“ 16. Sagte darauf Raphael: „Da hast du im Grunde auch recht, obwohl es hier außer dir, deinen Gefährten und dem Wirt aus der Gegend um Bethlehem wohl keinen Menschen geben wird, der es nicht wüßte, mit wem er es in meiner Person zu tun hat. Ich aber habe vernommen, daß du unten beim Talwirte dahin eine ganz energische Rede an den Herrn und Meister gehalten hast, daß Gott Sich um die Bildung der Menschen gar wenig kümmere und die Menschen am Ende um alles innere Lebenslicht kommen müßten. Du verlangtest dabei auch, daß die Seelen der leiblich Verstorbenen sich den noch hier Lebenden zeigen sollten, auf daß diese daraus ersehen und lebendig glauben könnten, daß es nach dem Leibestode ein Fortleben der Seele gibt, und wie allenfalls dasselbe geartet ist. 17. Der Herr hat dich darüber wohl belehrt, und du hast die Belehrung auch verstanden, obschon du selbst noch nie eine schon abgeschiedene Seele gesehen hast. Der Herr hätte dir wohl schon beim Talwirte die Augen dahin öffnen können, daß du sogleich mit den Seelen der Verstorbenen hättest in einen sichtbaren Verkehr treten können; aber Seiner Weisheit gefiel es, dir erst hier das zu zeigen, was dir zu einem lebendigen Glauben noch abgeht. Und dieses Geschäft hat der Herr in meine Hände gelegt, und ich habe mich denn auch schon beim Essen also benommen, daß ich dir auffallen mußte. Ich kann dir nebst meiner Kraftprobe nun schon auch noch andere Proben geben, so du sie verlangst!“ 18. Hier sann der Hauptmann nach, um was er nun den Raphael angehen solle. 19. Es meldeten sich aber auch die etlichen Johannesjünger und sagten zu Raphael: „Höre, du junger Simson, du hast nur wenige bezeichnet, die dich nicht kenneten; wir kennen dich aber auch nicht! Offenbare dich denn auch uns; denn wir sind über das Fortleben der Seelen nach dem Leibestode auch noch in keinem hellen Glauben! 20. Als Johannes im Gefängnis enthauptet wurde, da überkam uns eine große Angst und Trauer, und wir sehnten uns sehr, daß sein Geist zu uns käme und uns eine Weisung gäbe, was wir nun Weiteres unternehmen sollten. Aber unser Sehnen blieb bis zur Stunde unerfüllt, und wir kamen so unter uns schon mehrere Male zu der Annahme der Sadduzäer, die an ein Fortleben der Seele nach des Leibes Tod nicht glauben. 21. Wir urteilten also: So die Seele besonders eines so frommen Lehrers fortlebt und somit auch fühlt und denkt, so kann es ihr doch auch im Jenseits nicht gleichgültig sein, was ihre noch hier lebenden Jünger machen, und wie sie sich in einem trostlosen Zustande befinden! So diese Jünger aber nun schon oft mit Tränen den Geist des Getöteten baten, daß er ihnen erscheinen möchte und sie doch nur insoweit vertrösten, daß er nach dem Tode in der Welt der Geister glücklich fortlebe, er aber alle die dringenden Bitten unerhört läßt, was anders läßt sich dann denken als: Der Glaube an das Fortleben der Seele nach des Leibes Tode ist nichts denn ein allgemein gedachter und ausgesprochener frommer Wunsch, aber keine je völlig erweisbare Wahrheit! 22. Diese Annahme aber ist wahrlich für jene Menschen, die etwas tiefer denken, als das bei den gewöhnlichen, leichtfertigen, leichtgläubigen und sich um nichts Höheres kümmernden Menschen der Fall ist, durchaus nichts Tröstliches, und das um so weniger, weil die meisten Menschen am Ende den sie vernichtenden Tod mit den oft größten Leiden und unerträglichsten Schmerzen sich erkaufen müssen. Du, junger Simson, wirst daraus wohl ersehen, daß auch wir allen Grund haben, dich näher kennenzulernen!“ 23. Sagte Raphael: „Dieser Meinung bin ich zwar auch, aber es wird mit euch etwas schwer zu verhandeln sein, weil eben der Glaube als das Lebenslicht der Seele bei euch noch nie auf den stärksten Füßen gestanden ist! Es hat euch aber ja schon ein Jünger des Herrn über mich etwas in die Ohren geraunt, darum ich euch denn auch nicht völlig unter diese zählen konnte, die über mich gar nichts wüßten! Aber ihr sagtet: ,Ach, höre auf mit solcher Rede! Wie kann das sein, und wer kann so etwas glauben?!‘ Ja, Freunde, wenn ihr dem Jünger, der mich gar gut kennt, nicht glaubet, wie werdet ihr dann mir glauben? Werdet ihr da in euch nicht auch sagen: ,Ah, da hört alles auf! Der junge Magier versteht sich wohl schon sehr darauf, durch allerlei Zauberei unseren Verstand breitzuschlagen!‘ Was werde ich euch darauf dann weiter tun können, um euch im Glauben zu stärken?“ 24. Sagte einer der Jünger: „Darum, junger Simson, kümmere dich nicht; denn so viel Urteilsgabe besitzen wir schon, um die Wahrheit von etwas Falschem sondern zu können, ansonst wir nie Jünger eines Johannes geworden wären!“ 25. Sagte Raphael: „Nun wohl denn, so sehet und höret auch ihr!“ Kapitel 132 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 132. — Vom Geisterbeschwören 1. Darauf erst kam wieder der Hauptmann zu Worte und sagte: „Ich habe mir nun schon etwas ausgedacht und bitte dich darum, mir einen bekannten Geist erscheinen zu lassen, auf daß ich mit ihm selbst rede und er frei aus sich mir antworte und meinen Glauben aufrichte. Wir haben ja schon gar manchen Bekannten vor uns im großen Jenseits, auch unsere Eltern und etliche Kinder; so mir von diesen einer erscheint, da werde ich ihn auch wohl sicher erkennen?! Wenn du auch so etwas vermagst, so tue es; ich werde dir darum danken!“ 2. Sagte darauf Raphael: „Höre, dir einen Geist nach deiner Idee als eine Art Gespenst erscheinen zu lassen, auf daß du ihn mit deines Fleisches Augen sähest und mit deiner Zunge ihn um ein und das andere fragen könntest, das geht wahrlich nicht an, weil ich da die ewige Ordnung Gottes ganz verkehren und gänzlich umändern müßte! 3. Eure sogenannten Geisterbanner und Geisterbeschwörer, die aber für sich erstens selbst an das Dasein eines Geistes nur einen höchst schwachen Glauben haben, und zweitens noch weniger je einen Geist der Wahrheit nach, außer in einem hellen Traume, gesehen haben, tun es wohl also: sie rufen mit ihren mystischen, aber in sich völlig sinnlosen Zeichen und Wortformeln einen Verstorbenen, der dann entweder nach einem dreimaligen oder auch siebenmaligen Rufen und Beschwören denn gewöhnlich zum großen Schrecken dessen, der ihn rufen ließ, auch unter allerlei Feuer und großem Gepolter und Krachen erscheint und mit sehr drohender und verstörter Miene und Sprache den, der ihn rufen ließ, fragt, was er wolle, und warum er ihn in seiner Ruhe störte. Aber solch ein Geist hat die Geisterwelt selbst noch nie gesehen, glaubt so wenig an sie wie sein Beschwörer und ist nichts als ein verstellter Mensch, der sich oft schon jahrelang mit dem Geisterbeschwörer im festen und wohleinstudierten Geschäfts- und Gewinnsbunde befand. 4. Die Erscheinung eines solchen gewöhnlich höchst groben Geistes versetzt dann den, der ihn rufen ließ, in einen Glauben an das Fortbestehen und Fortleben der Menschenseelen nach dem Tode des Leibes, – aber was ist das für ein Glaube? Siehe, ein ganz grundfalscher! Dieser Glaube nützt dann dem Menschen auch nicht nur nichts, sondern schadet ihm oft ganz gewaltig; denn erstens bewirkt er bei dem, der ihn rufen ließ, einen ganz gröbst materiellen Begriff von einem Geiste, und zweitens versetzt er den blinden und leichtgläubigen Rufer besonders dann durch allerlei Drohungen und böse Prophezeiungen in eine große Furcht und Angst, so dieser dem Geisterbeschwörer ein nicht hinreichend erstaunlich großes Opfer dargebracht hat. 5. Will er sich von der Qual mehr und mehr befreien, so muß er sich wieder an den Geisterbeschwörer mit größeren Opfern wenden; dieser bespricht sich dann mit dem Geiste, den er noch einmal ruft, und der Geist wird ein zweites Mal auch gewöhnlich ein wenig gemütlicher. – Also, Freund, eine derartige Geisterbeschwörung hast du von mir durchaus nicht zu erwarten, sondern eine ganz andere! 6. Damit du aber zu einer wahren und nicht falschen Anschauung eines wirklichen Geistes, der kein vermeintliches Gespenst ist, gelangen kannst, so mußt du zuerst wissen, was ein Geist ist, und unter welchen Lebensverhältnissen ein Mensch einen wahren Geist sehen und sprechen kann. 7. Da eine Seele, oder nach deinem Begriffe ein Geist, durchaus nichts Materielles ist, so kann er mit den Materieaugen auch niemals gesehen und mit keinem bloß materiellen Sinne wahrgenommen werden; der Mensch, der aber doch einen wirklichen Geist sehen, hören und sprechen will, muß zuvor selbst geistig werden, da nur sein Geistiges und niemals sein Fleischliches einen wahren Geist sehen, hören und sprechen kann. 8. Du bist aber nun noch sehr materiell, und dein rein Geistiges ist in dir noch sehr unentwickelt. Es ist daher hier nötig, bei dir auf einige Augenblicke lang dein verborgenes Inneres, das geistig ist, zu stärken und es gewisserart über deine Fleischmaterie hinaus sehfähig zu machen, und du wirst dann nicht nur einen Geist, sondern gar viele zu sehen, zu hören und auch zu sprechen bekommen. Wenn dir das genehm ist, so habe ich dazu schon auch die hinreichende Kraft, dich plötzlich in einen solchen Zustand zu versetzen, in welchem du die Seelen der Verstorbenen wirst sehen, hören und sprechen können.“ 9. Als der Hauptmann solche Rede von Raphael vernommen hatte, da sagte er: „Ganz gut, so du das ohne Beeinträchtigung meiner leiblichen Gesundheit vermagst, dann tue es!“ Kapitel 133 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 133. — Der Bericht des Hauptmanns über das durch den Geschaute 1. Hier streckte unser Raphael die Hände über den Hauptmann aus und zugleich auch über seine Gefährten und über die etlichen Jünger des Johannes, und im Augenblick ward ihre innere Sehe geöffnet, und sie sahen sogleich eine große Anzahl ihnen wohlbekannter Geister, und den Jüngern erschien auch Johannes, belehrte sie über Mich und verwies ihnen ihren Unglauben. 2. Dem Hauptmann aber erschien auch sein Vater und pries ihn glücklich, daß er schon auf der materiellen Erde das allerhöchste und ewige Lebensglück für seine Seele gefunden habe, und ermahnte ihn mit sehr eindringlichen Worten, daß er dieses Glück ja niemals einem vergänglichen Erdenglück opfern solle. Der Hauptmann gelobte ihm solches auch auf das feierlichste. 3. Darauf erweckte Raphael die Seher wieder aus ihrer Verzückung, und zwar mit der vollen Rückerinnerung an alles das Gesehene und Gehörte. 4. Als die Erweckten sich nun wieder in einem natürlichen Zustande befanden, da sagte der Hauptmann: „Ah, das war ja wie ein heller Traum! Aber es war doch ein großer Unterschied zwischen einem Traum und diesem Gesichte; denn in einem Traume erscheinen einem Träumenden selten Menschen, die schon verstorben sind, sondern zumeist doch nur solche, die noch in dieser Welt leben, und sehr oft auch solche, von denen man nicht weiß, ob sie leiblich noch leben oder ob sie irgend auch schon verstorben sind. So sind die Gegenden in den Träumen zumeist phantastischer Art und haben an und für sich keinen Bestand, ebenso die Tiere und die Pflanzen, und verwandeln sich schnell. 5. Aber da war die Sache ganz anders! Denn erstens befand ich mich nicht, wie in einem Traume, stets nur in einem leidenden, sondern in einem wie völlig selbständig tätigen Zustande, und zweitens war alles, was ich sah, sehr beständig, und die Menschen waren auch vollkommen Menschen. Ihre Sprache war gut, wahr und ernst, und sie gaben mir gar wohl zu verstehen, daß sie nicht in einer traumartigen Unkenntnis alles dessen sind, was ich auf der Erde denke, will und tue. 6. Zugleich aber sah ich auch meine Gefährten, den Wirt und die etlichen Johannesjünger, sah auch ihren Meister und vernahm, was er zu ihnen gesprochen hat. 7. Also ersah ich auch des Wirtes Ahnen bis in den zehnten Stamm zurück und bemerkte unter ihnen königliche Gestalten, die sich in einer mehr geheimen Sprache mit ihm besprachen, die ich nicht verstand. 8. Die Gegend glich einer irdischen. Man sah schöne Berge, Felder, Gärten, Weinberge und eine Menge Wohnhäuser, die gar schön und bestgeordnet aussahen, und die gar große Gegend war wohlerleuchtet, obschon ich kein leuchtendes Gestirn am hellblauen Firmament entdecken konnte. Das Sonderbarste aber war, daß ich durch die ganz klar geschaute Geistergegend auch so manches von dieser materiellen Gegend erblicken konnte, aber nur wie auf Momente, und dennoch blieb die Geistergegend konstant, und das alles beweist mir nun schon hinreichend, daß das von mir Gesehene kein eitel leerer Traum, sondern Wahrheit war. 9. Jetzt kommt es nur noch darauf an, ob auch die andern – aber treu und wahr dasselbe gesehen und gehört haben, was ich gesehen und gehört habe! Tun sie das so treu und wahr, wie ich es getan habe, dann ist die vollste Wahrheit, mehr als tausendfach erwiesen, klar vor uns da, daß es nach dem Tode des Leibes ein sicheres und bestandvolles Fortleben der Seele eines jeden Menschen, ob Heide oder Jude, gibt.“ Kapitel 134 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 134. — Der Traum des Hauptmanns 1. (Der Hauptmann:) „Nun wollen auch die andern offen kundgeben, ob auch sie dasselbe gesehen und gehört haben! Denn ich verlange das nicht umsonst, da es mir um die reine Wahrheit zu tun ist, um daraus darzutun, daß dieses Gesicht kein Traum, sondern Wahrheit war. 2. Denn es träumte mir einmal von einem meiner liebsten Brüder so lebhaft, daß wir in Athen beisammen waren und uns über eine wichtige Angelegenheit besprachen. Ich war aber damals noch in Rom und der Bruder auf der Insel Rhodus, wo er zu tun hatte. Ich zeichnete mir den gehabten Traum auf, um ihn nicht zu vergessen. Nach einem halben Jahre kamen aber im Ernste ich und der Bruder in Athen auf demselben Platze zusammen, auf dem wir in meinem Traume zusammengekommen waren, und der Gegenstand unserer Besprechung, wennschon mit etwas andern Worten, war derselbe, über den wir uns schon im Traume vor einem halben Jahre besprochen hatten. 3. Ich fragte denn nach der Besprechung den Bruder, ob er vor einem halben Jahre nicht auch in der und der Nacht einen solchen Traum gehabt hätte, wie ich ihn gehabt habe, und zeigte dem Bruder bei dieser Gelegenheit die getreue Aufzeichnung, die ich mit nach Athen genommen hatte, und er durchlas sie mit großer Aufmerksamkeit und verwunderte sich sehr, daß sich mein gewisserart prophetischer Traum nun in Athen beinahe buchstäblich bewahrheitet hatte, versicherte aber dabei, daß er für seine Person davon nie einen Traum und auch keine entfernte Ahnung hatte, daß wir uns in Athen sehen und sprechen würden. Über den zu besprechenden Gegenstand habe er wohl für sich schon oft nachgedacht und sich darum nach Rom zu mir begeben wollen, auch habe er nach mir oft eine große Sehnsucht gehabt; aber daß wir uns so ganz zufällig in Athen treffen, sehen und sprechen würden, davon habe er, wie gesagt, nie eine Ahnung und noch weniger einen ähnlichen Traum gehabt. 4. Dieser Traum war sonach für mich etwas Wahres; warum aber wußte denn der Bruder gar nichts davon, da die Sache ihn doch um vieles näher anging denn mich? Was war der Bruder in meinem Traume? Nichts als ein Bild, das sich die Phantasie meiner Seele als lebend plastifizierte und ihm sicher die von ihm gesprochenen Worte in den Mund legte! Nur ich war das eigentliche Ich, alles andere war eine Schöpfung der Phantasie meiner Seele, für die ich aber nicht sagen kann, ob sie sich dabei frei und selbständig tätig oder doch nur leidend verhielt. 5. Und darin liegt denn nun auch der Grund, warum ich hier auch die andern – die wie ich noch im materiellen Leben seiend – vernehmen möchte, ob sie erstens auch mich, wie ich sie, gesehen haben, und zweitens, ob sie auch alles andere also gesehen und gehört haben, wie ich es gesehen und gehört habe, und wollen sie darum nun treu, wahr und offen reden; denn es handelt sich hier um die allerwichtigste Lebenswahrheit für einen jeden Menschen! Es ist das ein wahres Aut Caesar, aut nihil! [Entweder Kaiser oder nichts!, d.h. alles oder nichts!] Denn sind derlei Erscheinungen auch nur den Träumen gleich, aus denen kein Weiser ein wahres ewiges Fortleben der Seele des Menschen nach seinem Leibestode beweisen kann, so ist jede Sittenlehre ohne wahren Wert, und ihre Gesetze und Forderungen und Verheißungen haben nur fürs zeitliche und bürgerliche Gemeinleben einen kleinen, aber dabei immer illusorischen Wert; was aber das Geistige betrifft, so gehört es in den alten Augiasstall. 6. Ist aber solch eine Erscheinung eine durch mehrere vollkommene Wahrheitsfreunde erwiesene Wahrheit, dann erst erscheint die tröstende Sittenlehre, besonders in ihrem stets vorwiegend geistigen Teile, in einem ganz andern Lichte. Ich als ein großer Wahrheitsfreund habe euch das nun ernst ans Herz gelegt, und so redet denn nun auch die volle, ungeheuchelte Wahrheit!“ 7. Hierauf erzählten alle ganz offen, was sie gesehen und gehört hatten, und beschworen ihre Erzählung als ungeheuchelt wahr. 8. Als der Hauptmann die Erzählungen vernommen hatte und dabei die vollste Überzeugung gewann, daß das Gesehene und Gehörte seine vollwahrste Realität hatte, da sagte er zu Raphael: „Siehe, du junger Riese, das ist für mich nun mehr als tausend der weisesten Reden und Lehren und Wundertaten der noch so außerordentlichen und seltenen Menschen, die ihre Nebenmenschen nur so lange zur Verwunderung hinreißen mit Worten und Taten, als sie selbst unter ihnen leben, aber als von dieser Welt Abgeschiedene dann für immer erlöschen und verstummen! Den hinterbliebenen Menschen bleibt aber dann nichts anderes zu tun, als blind und ohne alle weitere Überzeugung aufs Geratewohl zu glauben, daß es am Ende vielleicht doch so sein könnte, wie die lange verstorbenen Weisen die Menschen gelehrt haben! 9. Jetzt aber glaube ich nicht nur an ein ewiges Fortleben der Menschenseelen nach des Leibes Tode, sondern ich selbst bin faktisch davon vollkommen überzeugt und kann es darum auch gar vielen andern Menschen verkünden, daß der alte Glaube an einen allein wahren Gott und an das ewige Fortleben der Seele nach dem Leibestode eine völlig hellst aus mehrfacher untrüglicher Erfahrung erwiesene Wahrheit ist, von der sich ein jeder Mensch, wenn er treu nach dem Worte und geoffenbarten Willen des nur einen, ewig wahren Gottes lebt, selbst überzeugen kann. 10. Ah, nun hat aber auch für mich ein jedes Wort, das ich aus dem wahrst heiligen Munde des Meisters der Meister vernommen habe, erst den wahren und allerlebendigsten Wert, und ich werde mich bestreben, diese Lehre nicht nur an mir selbst durch Taten zu realisieren, sondern auch Tausende auf diesen Weg zu bringen und zu setzen! 11. Es wäre freilich wohl auch gut, so ich selbst im Notfalle die Macht und Kraft besäße, auch andere Menschen auf die nun von uns erlebte Art und Weise zu überzeugen, daß ich die volle Wahrheit rede; doch es bedarf dessen vorderhand weniger, da ein jeder Mensch, der mich nur ein wenig näher kennt, es nur zu gut weiß, daß das, was ich sage, eine wohl erwiesene Wahrheit sein muß, da ich mich noch niemals durch bloße Worte habe zufriedenstellen lassen. 12. Das wäre sonach nun vollends gut und abgemacht, aber da ich hier schon einmal meinen Traum erzählt habe, so möchte ich denn nun auch von dir, du junger, weiser Riese, über so manches in selbem vorkommende Sonderbare eine kleine Beleuchtung erhalten. Denn daß er sicher sehr viel Geistiges in sich enthält, das ist gar nicht zu bezweifeln! Aber wie hängt er mit dem erst nach einem halben Jahre erfolgten Materiellen zusammen? Was war das im Traume gesehene Athen, und was war der Bruder, und woher nahm er die Worte, die er, sich als ein Objekt außer sich befindend, zu mir gesprochen hat? Denn des Bruders irgend freigewordene Seele konnte er nicht sein, weil der Bruder durchaus nichts davon wußte.“ Kapitel 135 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 135. — Raphaels Rede über das Wesen des Traumes 1. Sagte nun Raphael: „Zwischen deinem gehabten Traum und dem, was du nun geschaut hast, ist freilich ein ganz bedeutender Unterschied, aber dessenungeachtet war dein Traum doch auch geistiger Art, wie das ein jeder Traum mehr oder weniger ist. Aber er ist darum kein völlig klares geistiges Schauen, weil in solch einem Traume die Seele nicht also in der vollen Verbindung mit dem Geiste in ihr sich befindet, wie es nun bei dieser Erscheinung der Fall war. 2. Siehe, in der Seele gibt es drei sehr unterscheidbare Schau- und Wahrnehmungsgrade! Der erste ist, selbst im Traume der materiellen Naturmenschen, bei denen der innere Geist noch so untätig ruht wie der Pflanzengeist im Keimhülschen eines Samenkornes, nur ein pur naturmäßiger. 3. Die Seele trägt als eine Welt im Kleinen alles in sich, was die Erde im großen Maße in und über sich enthält und faßt. 4. So des Leibes Sinne im Schlafe wie tot und untätig ruhen, da beschaut die Seele, die nicht schlafen und tot werden kann, ein und das andere aus den materiellen Gebilden in sich, belebt sie auf Momente und erheitert sich, so sie auf etwas Schönes und Angenehmes geraten ist; ist sie aber auf etwas Arges und Unschönes geraten, da wird sie auch im Traume ängstlich und müht sich ab, der sie molestierenden (bedrängenden) Erscheinung durch den vollen Rücktritt in ihres Leibes Fleisch los zu werden. 5. Was eine Seele in solchem ersten Schaugrade in einem Traum ersieht, hat dann freilich keine objektive, sondern nur eine leidende, subjektive und verbandlose Realität; denn sie beschaut da nur in der materiellen Weise ihr eigenes Weltkonglomerat und ist dabei zum Teil tätig und zum Teil leidend. 6. Aber in einem Traume, wie du ihn gehabt hast, befindet sich eine Seele in der Übergangsstufe von dem ersten Sehgrade in den zweiten und höheren. In diesem Falle ist die Seele von ihrem pur Materiellen schon mehr isoliert, tritt gewisserart aus ihrem Fleische, setzt sich durch ihren Außenlebensäther mit der Außenwelt in eine volle Verbindung und sieht und fühlt da Fernes und Wahreres aus den auf sie einwirkenden Lebens- und Sachverhältnissen auf der Erde. 7. Aber weil dieser Schaugrad der Seele schon ein höherer ist, so geschieht es sehr oft, daß die Seele, so sie beim Erwachen wieder in den Leib zurücktritt, von dem in diesem höheren Schaugrade Gesehenen und Vernommenen nichts mehr weiß, weil davon im Gehirne gewisserart keine Abzeichnung hatte genommen werden können, aus der dann im leiblichen Wachsein die Seele hätte ersehen können, was sie in ihrem freieren Lebenszustande gesehen und getan hat. 8. Doch manche Menschen, wie auch du einer bist, haben die Fähigkeit, auch das in dem höheren Schaugrade Gesehene und Vernommene aus dem Traume oder freierem Seh- und Handelnszustande der Seele ins Fleischgehirn zu zeichnen; und so die Seele sich dann wieder in den Leib zurückzieht und auch leiblich erwacht, so ersieht sie da im Gehirne alles, was sie in ihrem freieren und höheren Schaugrade gesehen, getan und vernommen hat. 9. Und so hatte dein Bruder in derselben Nacht wohl auch das gleiche Traumgesicht, wie du es gehabt hast, aber seine Seele hatte nicht die Fähigkeit, das in ihrem höheren Schaugrade Gesehene und Vernommene ins Fleischgehirn zu zeichnen, und so konnte sie sich an dasselbe auch nicht auch nur ahnungsweise erinnern. Du hast demnach deines Bruders Seele völlig wahr gesehen und gesprochen. 10. Daß aber deine und auch deines Bruders Seele im Traume das schon um ein halbes Jahr früher getan haben, das liegt in der sehr feinen Fühlbarkeit der freieren Seele, die aus den in ihr zugrunde liegenden Bedürfnissen und deren folgerechten Tat- und Sachverhältnissen sich in ihrem freien Zustande das schon vergegenwärtigt, was der Erdzeit nach erst um vieles später geschieht. Es hat aber eine jede Seele auch im leiblich wachen Zustande das Vermögen, sich für die Zukunft Pläne zu machen und dieselben sich als schon vollendete Werke vorzustellen; aber weil der Seele in ihrem Fleische das reinere und bestimmtere Sehen und Fühlen aller zur Ausführung eines gefaßten Planes nötigen Bedingungen und Verhältnisse offenbar mangelt, so wird an den vorgefaßten Plänen auch noch gar manches geändert, sowohl in der Form und Zweckdienlichkeit, als auch in der Zeit, in der die Seele nach ihrem vorgenommenen Plane das Werk schon in seiner vollsten Vollendung betrachtete. 11. Könnte aber eine Seele auch im leibwachen Zustande ebenso klar alles übersehen, wie sie das in ihrem freieren Schau- und Fühlzustande vermag, da würde an dem einmal gefaßten Plane auch nichts mehr geändert werden, und er würde auch in der völlig genau bestimmten Zeit als ein vollendetes Werk dastehen; denn eine frei sehende und frei fühlende Seele durchschaut schnell alle Verhältnisse, Bedingungen und die möglichen Hindernisse, wie auch zugleich die besten und sicheren Mittel, durch welche die Hindernisse sicherst zu beseitigen sind, und so muß ja das, was sie sich vorgenommen hatte, auch in der bestimmten Zeit geschehen. 12. Und siehe, darin liegt denn auch die Vorhersehungsfähigkeit einer freieren und reineren Seele nicht nur für das, was sie zunächst angeht, sondern auch für das, was außer ihr irgend in der Welt geschehen, werden und vor sich gehen wird, weil sich eine solche rein-, fein- und fernsehende und -fühlende Seele den Verband aller für die kommenden Ereignisse schon lange vorhanden seienden Verhältnisse, Bedingungen und Ursachen mit ihren bestimmten Wirkungen unverhüllt und also auch wie plastisch vollendet vorstellen kann, was bei einer unfreien und noch sehr materiellen Seele unmöglich der Fall sein kann. Da hast du nun ganz natürlich klar dargestellt, in welch einem Zustande sich deine und deines Bruders Seele in deinem Traume befand, und wie und warum! 13. Aber solch ein Zustand ist noch nicht der volle zweite Hellsehungsgrad der Seele, weil der Geist in ihr da noch nicht in einem höheren Verbande sich befindet, sondern nur also, wie allenfalls der Pflanzengeist im Samenkeimhülschen, wenn das Samenkorn ein paar Tage lang in der fruchtbaren Erde liegt, das Hülschen zu zersprengen beginnt und seine Tätigkeit zu äußern anfängt.“ Kapitel 136 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 136. — Die höheren Grade des Hellsinnes 1. (Raphael:) „Der volle zweite und wohlunterscheidbare höhere Schau- und Fühlgrad der Seele tritt im Leibesleben wie auch im Traume dann ein, wenn der Geist in der Seele also tätig zu werden anfängt wie der Pflanzengeist im Samenkorne, so er aus der eigentlichen Seele, die im Fleische des Kornes ruht, die Wurzeln in die Erde und die Keimblättchen übers Erdreich zu bilden und zu ziehen begonnen hat. Die Seele fängt da an, sich zu einer wahren Form zu entfalten und dringt einesteils in sich, gleich wie der werdenden Pflanze Wurzeln in die Erde dringen und aus der Gotteskraft in derselben die rechte Nahrung einzusaugen beginnen, während andernteils die Pflanze selbst aber, also von innen aus genährt, sich als das eigentliche und wahre Formwesen der Seele infolge der inneren Nahrung aus der reinen, wahren und lebendigen Gotteskraft in die Sphäre des Lichtes erhebt und zur endlichen Vollendung höher und ausgebildeter emporwächst. 2. Alles das aber geschieht durch die stets steigende Tätigkeit des Geistes in der Seele, der sich eben dadurch mit der Seele stets mehr eint. In diesem Zustande der Seele ist ihr Schauen und Fühlen kein dumpfes Ahnen mehr, sondern schon ein helles und klares Bewußtwerden aller Lebensverhältnisse, und wie dieselben sich zum eigenen Leben verhalten. 3. Der Mensch erkennt in diesem zweiten und höheren Schaugrade sich und auch Gott und kann da auch die Geister oder respektive Seelen der sowohl schon verstorbenen, als auch der noch im Fleische lebenden Menschen schauen und auch beurteilen, wie sie beschaffen sind. Solch eines Menschen Traumgesichte werden denn auch keine materiellen und unreellen, sondern geistig, rein, wahr und somit reell sein, und es wird da wenig Unterschied mehr zwischen dem Hellsehen im wachen Zustande oder im leiblich schlafenden Traumzustande eines Menschen sein. 4. Und siehe, in einen solchen Zustand habe ich euch denn ehedem durch meine mir innewohnende Kraft auch versetzt, und eure Seele konnte da denn auch ungehindert die Seelen schon lange auf der Erde verstorbener Menschen sehen und auch sprechen. Aber ihr konntet in solchem zweithöheren Schaugrade nur solche Geister sehen und sprechen, die sich mit euch auf einer gleichen Stufe befanden, bis auf den Johannes, der seiner Jünger wegen sich aus den Himmeln in die beschriebene zweite Seh- und Fühlsphäre herab aus eigener Macht versetzte, ansonst ihr ihn als einen höchst vollendeten Geist nicht hättet ersehen und sprechen können. 5. Daß euch aber das Gesehene in der vollen und klaren Erinnerung geblieben ist, das bewirkte auch ich durch die Zulassung des Herrn; denn es ward das von euch Gesehene und Vernommene sogleich in euer Fleischgehirn und auch in euer Herz und in eure Nieren gezeichnet. Ohne dieses hättet ihr von all dem Gesehenen und Vernommenen ebensowenig etwas herüber ins erdwache Leben gebracht, als die Seele deines Bruders, mit der du nach deiner Traumerzählung in Athen zusammengekommen bist, von dem etwas mitgebracht hat ins leibwache Leben, was sie träumend mit dir in Athen verhandelt hatte. 6. Es gibt gewisse fromme Menschen, die beinahe täglich zur Stärkung der Seele im Leibesschlafe in der Geisterwelt leben und handeln. Wenn sie aber wieder leibeswach werden, so wissen sie nichts davon; nur ein gewisses tröstlich- stärkendes Gefühl gewahren sie in sich, und es kommt manchem vor, als hätte er angenehme Dinge gehört und gesehen. 7. Nur solche Menschen, die sich gleich den Propheten schon im Übergange in den dritten und somit höchsten und hellsten Schau- und Gefühlsgrad befinden, weil ihr Geist sich schon völliger mit der Seele zu einen angefangen hat, bringen das in der auch schon höheren Geisterwelt Geschaute und Vernommene in den leibeswachen Zustand zurück und können es ihren Nebenmenschen wieder verkünden. In solch einem Zustande befanden sich die meisten kleinen Propheten. 8. Betrachte du aber nun zum Beispiel einen Weizenhalm, wie er sich bis dahin entfaltet, wo auf seinem höchsten Wachstumspunkte die Fruchtähre sich zu zeigen und zu entfalten beginnt! Siehe, dasselbe geschieht beim Menschen, wenn die Seele anfängt, völlig in ihren Geist überzugehen. 9. Durch das Handeln im zweiten Hellschaugrade hat nur der Geist die immer noch zum halben Teile materielle Seele zu bearbeiten angefangen und breitete sich in ihr immer mehr aus, und das so lange fort, bis von ihm die ganze Seele erfüllt und geistig belebt wurde. 10. In diesem dritten Stadium aber fängt die Seele an, durch die Liebe des Geistes ganz entzündet, in den Geist überzugehen und alle ihre immer noch mit der Materie verwandte Substanz in die rein geistige Essenz umzugestalten, und da wird die wahre Fruchtähre fürs freie, ewige Leben gebildet. 11. In diesem Zustande wird ein Mensch denn ganz ins Licht gehoben, fängt an, vom selben ernährt zu werden, und je mehr Nahrung er vom selben erhält, desto weniger nimmt er als stets mehr und mehr vergeistigte Seele Nahrung von der seelisch-materiell substantiellen Sphäre an. Die Lebensähre blüht, einigt sich dadurch mit dem Geiste der Liebe, und das erzeugt dann das Lebenskorn, das anfänglich mit der Milch aus den Himmeln genährt wird, in kurzer Zeit aber mit stets helleren und ewig festen und unwandelbaren Wahrheiten. 12. Und sieh! Da wird das Lebenskorn reif, und das Leben der Seele, das im zweiten Schaugrade als gewisserart vereint mit dem Geiste den Kornhalm bildet, befindet sich nun im vollreifen Lebenskorne, darum denn der früher so emsig gebildete Halm welk wird, völlig abstirbt und sich vom Lebenskorne abscheidet und mit dem Korne keine Gemeinschaft mehr hat! 13. Siehe, das ist denn auch dann der dritte und höchste Schau- und Lebensgrad der Seele! In diesem Zustande sieht und vernimmt dann die Seele alles, was in der ganzen Schöpfung ist und irgend besteht. Sie sieht den Himmel offen und kann mit aller Geisterwelt in den lichtesten und lebendigsten Verkehr treten. Was solch eine Seele dann sieht, vernimmt und fühlt, das kann nimmer aus ihrer hellsten Erinnerung entschwinden; denn ihr hellster Schau- und Fühlkreis ist ein allumfassender, ewig bleibender und alles durchdringender. 14. In solch einem Zustande befanden sich die großen Propheten, und in solch einem Zustande befinden sich auch alle vollendeten Geister der Himmel, und ich selbst befinde mich auch in einem solchen Zustande, ansonst ich dir ihn nicht hätte beschreiben können, – denn niemand kann jemand anderem etwas geben, was er selbst nicht hat, was du wohl einsehen wirst.“ Kapitel 137 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 137. — Raphael bekennt sich als Geist 1. (Raphael:) „Wie aber kann ein Mensch schon auf dieser Welt in diesen Zustand des Lebens gelangen? 2. Der Mensch muß das Wort Gottes, in welchem Er dem Menschen treu Seinen Willen offenbart, einmal mit freudigem, dankbarem und willigem Herzen und Verstande annehmen. Dadurch legt er schon das wahre Lebensweizenkorn in das fruchtbare Erdreich. 3. Darauf muß er aber auch ungesäumt nach dem Willen Gottes zu handeln anfangen. Dieses Handeln ist dann der belebende Regen, durch den der göttliche Geist in die Seele des Lebenskornes überzugehen bewogen wird. Nun heißt es dann zuerst in sich gehen durch die wahre Demut, durch die Geduld, Sanftmut, durch die wahre Liebe zum Nächsten und durch die rechte Barmherzigkeit. So ein Mensch lebendig und mit allem Eifer in diese Stücke eingeht, so gehet er dadurch auch in seine eigenen Lebenstiefen und schlägt die geistigen Lebensnährwurzeln ins Erdreich der Gotteskraft, die solche Wurzeln dann gierig einsaugen und den Lebenshalm zum Gotteslichte emporzutreiben, zu bilden und zu vollenden anfangen. In diesem Zustande geht die Seele denn auch stets mehr in die immer lebendiger werdende Liebe zu Gott über, und zwar in dem Maße, als ihr Geist auch immer tätiger in die Seele übergeht. 4. Wenn des Menschen Lebenshalm auf diese Weise bis zur Ähre gediehen ist und die Seele sich ganz in der Liebe zu Gott und in ihrem Lebenslichte und in ihrer Lebenswärme befindet, so fängt sie damit auch an, selbst in ihren Geist überzugehen und völlig eins zu werden mit ihm. In diesem seligen Zustande wird die Lebenskornähre zuoberst am Halme ersichtlich und bildet sich nun im reinen Gotteslichte schnell aus bis zur Blüte; die Blüte aber zeigt dann die volle Liebe- und Lebenseinigung mit ihrem Geiste und also auch mit Gott. 5. Aus dieser Einigung entsteht dann die wahre Lebensfrucht, deren volle Reifwerdung erhaben ist über alles Irdische im vollen Lebenslichte Gottes. Daß ein Mensch sogestaltig sich denn da auch im hellsten Schauen und lebendigsten Innewerden über alles in aller Geisterwelt, wie auch in aller materiellen Schöpfung befindet, das wird wohl niemand bezweifeln, der das von mir nun Dargestellte, mit der Wachstumsordnung einer Pflanze vergleichend, nun mit einiger Aufmerksamkeit überdenkt. – Und nun habe ich geredet, und dir steht das Recht zu, auch wieder zu reden.“ 6. Sagte darauf voll Staunens der Hauptmann: „Höre, du mein junger, holdester Freund, du mußt sicher schon im Mutterleibe diesen Lebensweg zu betreten angefangen haben, ansonst es wohl nicht denkbar ist, daß ein Mensch in deiner Jugend sich in solch eine Lebenshöhe emporschwingen könnte! Doch sei das nun, wie es wolle; es ist genug, daß du dich in aller Lebensvollendung befindest. Aber wenn du einmal auch diesen deinen Leib ablegen wirst, wirst du alsdann als ein reiner Geist mit den Menschen dieser Erde so wie jetzt verkehren können?“ 7. Sagte Raphael: „Allerdings, aber nur mit solchen, die sich durch ihren Lebenswandel nach der Lehre des Herrn in jenen Zustand werden erhoben haben, in welchem sie dafür befähigt sein werden!“ 8. Sagte wieder der Hauptmann: „Hast du nun auch gar keine Furcht mehr vor dem Tode des Leibes?“ 9. Sagte Raphael: „Wie möglich könnte ich diese haben, da ich ja schon ganz ins ewige Leben des Geistes aus Gott übergegangen bin und somit auch mein Leib in meiner Gewalt steht! Ich selbst kann diesen verwandeln, wann ich will, und kann mir ihn wieder schaffen, wie und wann ich will. – Glaubst du mir das?“ 10. Sagte der Hauptmann: „Das wäre stark! Solches habe ich noch niemals vernommen! Kannst du mir darüber auch einen begreifbaren Beweis geben, und ich will dich darob sehr loben.“ 11. Sagte Raphael, freundlich lächelnd: „Oh, damit kann ich dir schon dienen! Da greife nun meinen Arm an und befühle ihn, ob er Fleisch und Knochen hat!“ 12. Der Hauptmann tat das und sagte: „Mein junger Freund, dein Arm ist stark und völlig männlich kräftig. Du hast feste Muskeln und starke Knochen.“ 13. Sagte darauf wieder Raphael: „Damit du aber nun siehst und erfährst, daß ein Mensch, im höchsten und hellsten Schaugrade stehend, auch vollkommen ein Herr über seinen Leib ist, so fasse mich nun noch einmal am Arme und sage es mir, ob meine Muskeln noch so fest und meine Knochen noch so hart sind wie zuvor!“ 14. Der Hauptmann tat das, griff aber den Arm des Raphael gleich also durch und durch, als wäre er ein pures Luftgebilde. 15. Da erschrak der Hauptmann und sagte: „Höre, du bist ein seltsames Wesen! Mir wird es nun fürwahr ganz unheimlich zumute! Ich sehe dich noch wie zuvor, und du hast keinen Leib mehr, sondern bist nun ein pures Luftgebilde und stehst vor mir wie ein Phantom. Ah, das ist stark, – das ist noch nie erhört worden! Man hat wohl schon davon gehört, daß es zu einer gewissen Zeit Magier gegeben habe, die sich hätten unsichtbar machen können, aber dabei doch ihre leibliche Festigkeit behielten; denn sie hätten dann etwa in ihrer Unsichtbarkeit doch große Lasten von einem Orte zum andern bewegen können. Du aber bist nun noch als ein vollkommener Mensch sichtbar und bist es dabei gewisserart nicht, und es fragt sich nun sehr, ob du nun als ein pures Luftgebilde noch jene Säule aufheben könntest! 16. Sagte Raphael: „So gut und sicher wie zuvor! Aber damit du siehst, daß ich nun noch mehr vermag denn zuvor, so werde ich jene Säule mit meinen Armen gar nicht mehr berühren, sondern ich werde sie bloß mit meinem Willen aufheben, sie eine Zeitlang frei in der Luft halten und sie dann wieder auf ihren Platz hinstellen.“ 17. Als Raphael solches noch kaum ausgesprochen hatte, da schwebte die Säule auch schon frei in der Luft, und dem Hauptmanne wurde nun noch ängstlicher zumute. Er wußte nun nicht mehr, was er dazu sagen sollte, und staunte bald die in der Luft schwebende Säule und bald wieder den Raphael an. 18. Erst als Raphael die Säule wieder an ihren alten festen Platz zurückstellte, da erst erholte sich der Hauptmann und auch seine Gefährten von ihrem Staunen, und er sagte: „Nein, jetzt ist meine Sprache zu Ende! Denn worüber einem Menschen alle natürlichen Gedanken und Begriffe völlig fehlen, da fehlen ihm auch Worte und die vernünftige Rede. Du solltest dich nun nur auch noch völlig unsichtbar machen können, so würde ich darüber sicher ein blödester Narr werden!“ 19. Sagte nun Raphael: „Auch das könnte ich, so ich es nun wollte; aber damit du kein Narr werdest, so bleibe ich wieder als ein leibhaftiger Mensch. Ich habe es dir aber nun nur zeigen wollen, daß ein Mensch, der sich einmal im dritten und höchsten Schau- und Seinsgrade befindet, keinen Tod mehr vor sich hat, sondern ein ganz vollkommener und freiest selbständiger Herr über sein Leben und somit auch über seinen Leib und dessen Tod ist. In dem Grade aber, wie ich es nun bin, können es die Menschen auf dieser Erde wohl nur höchst selten und sehr schwer werden; denn es sind die meisten schon zu verweltlicht und haben danach auch zu wenig des festesten und beharrlichen Willens und lebendigen und ungezweifelten Glaubens. Wenn sie aber einmal werden ihren Unglauben abgelegt haben, dann werden sie, mir gleich, als reine und vollendete Geister das tun und bewerkstelligen können, was ich tue und bewerkstellige!“ 20. Sagte hier schnell der Hauptmann: „Bist denn du schon ein reiner und vollendeter Geist?“ 21. Sagte Raphael: „Allerdings, denn ein unvollendeter Geist kann das nicht tun und bewirken, was ich tue und bewirke.“ 22. Sagte abermals der Hauptmann, der nun schon ganz verwirrt war: „Ja, können denn die ganz reinen und vollendeten Geister auch alle so essen und trinken wie du? Wozu das, wenn sie durch die irdische Kost keinen Leib zu erhalten haben?“ 23. Sagte Raphael: „Wohnt in unserem Herrn und Meister nicht der allerhöchste Geist Gottes vollkommen, und Er nimmt doch auch die diesirdische Nahrung zu Sich? Wenn es dir möglich ist, irdische Kost zu dir zu nehmen, warum sollte es einem vollendeten Geiste, der auch durchaus ein Mensch ist, nicht möglich oder für ihn irgend zwecklos sein, auch dieser Erde Kost zu sich zu nehmen und sie in sich zu verkehren in sein Element? 24. Ist denn nicht alles, was dem Menschen zur Nahrung dient, Gottes Wort und Gottes Wille? So du, als noch ein Naturmensch, deinen Leib sättigest mit der Naturkost, da nimmt davon die Seele auch ihren substantiell geistigen Teil in sich auf und verwendet ihn zur Festigung ihrer Form; tut aber das die noch unvollkommene Seele, wennschon auf eine ihr unbewußte Weise, so wird das wohl auch ein sich seiner selbst höchst klar bewußter vollendeter Geist um so mehr tun können, da es ihm möglich ist, alle Materie plötzlich aufzulösen und in ihr Urgeistiges umzuwandeln. – Verstehest du das?“ 25. Sagte der Hauptmann: „O du mein sehr sonderbarer und geheimnisvoller Freund, um das alles zu verstehen, dazu gehört mehr als der Verstand eines römischen Hauptmanns! Mir genügt es nun aber schon vollkommen, daß ich nur einmal vollkommen davon überzeugt bin, daß des Menschen Seele nach dem Leibestode fortlebt, und daß ich die Wege nun kenne, auf denen man sicher der stets helleren geistigen Vollendung entgegenschreitet; alles andere hat für mich nun einen geringeren Wert. 26. Du magst nun noch ein leiblicher oder auch ein schon lange leibloser, reiner und mächtiger Geist sein, so geht mich das weiterhin wenig an. Aber das geht mich an, daß durch einen rechten Lebenswandel auch ich das werde einst, was du nun schon bist, und was du an der Seite des Herrn und Meisters auch sicher leichter hast werden können, als ich es werde werden können; ich will aber auch zu deiner Höhe nicht hinaufklimmen und werde mit viel wenigerem auch schon ganz vollkommen zufrieden sein. Denn es ist einem jeden Menschen auch sicher schon von Gott aus nicht gegeben, daß es ihm möglich wäre, sich zu deiner Höhe emporzuarbeiten; aber ein jeder danke Gott auch um das, was Er ihm gegeben hat. 27. Ich danke aber nun auch dir für deine Liebe, Geduld und Mühe, die du mir zu meiner Belehrung erwiesen hast, und ich gebe dir dankbarst die volle Versicherung, daß ich mit dem, was ich von dir empfangen habe, mehr als vollkommen zufrieden bin.“ 28. Sagte nun Raphael: „Und ich bin auch mit dir nun ganz zufrieden und will dir und auch deinen Gefährten, so noch jemand etwas wünschet, mich dienlich erweisen. Hat jemand noch etwas, so trete er hervor und gebe es vor allen kund!“ Kapitel 138 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 138. — Über das Wesen des Herrn 1. Hier trat ein Johannesjünger zu Raphael und sagte: „Höre, du sonderbarer junger Mensch, ich hätte nun nur noch die einzige Bitte dahin an dich zu stellen, daß du dich selbst über dein eigentliches Wesen uns ein wenig näher enthüllen möchtest, als du dich uns bis jetzt enthüllt hast! Denn daß du ein ganz geheimnisvolles Wesen bist, darüber besteht in mir gar kein Zweifel mehr; denn das, was du nun schon alles in kurzer Zeit bewirkt hast, kann kein natürlicher Mensch bewirken, und deine Weisheit geht auch himmelhoch über alles bisherige menschliche Wissen. Daher möchte denn ich doch näher wissen, wer du eigentlich bist! Ein ganz natürlicher Mensch bist du in gar keinem Falle mehr, aber du kannst der Geist des Elias oder auch eines andern großen Propheten sein; denn es stehet ja geschrieben, daß zur Zeit, wenn der Messias zu den Menschen kommen werde, auch Elias an seiner Seite einhergehen wird als ein treuer Zeuge für die blinden Menschen. Und also stehet es auch geschrieben: ,In derselben Zeit werdet ihr sehen die Engel Gottes auf- und niedersteigen zwischen Himmel und Erde, und sie werden dienen Dem, der gekommen ist im Namen des Herrn, und auch den Menschen, die eines guten Willens sind.‘ 2. Du kannst demnach nun ganz leicht entweder der Geist Mosis oder Elias oder ein reiner Engel Gottes selbst sein und hast nun nur darum einen scheinbaren Leib angenommen, um dich uns Menschen sichtbar dienlich erweisen zu können. Sage es wenigstens mir, ob ich nun nicht vielleicht so ziemlich richtig geurteilt habe!“ 3. Sagte nun Raphael: „Es mag schon also sein, aber doch noch etwas anders! Wie es aber ist, das wirst du schon zur rechten Zeit von den andern Jüngern erfahren. Ob du das nun schon genau weißt oder auch nicht weißt, daran liegt das Heil deiner Seele nicht; aber daran liegt es, daß du an den Herrn glaubst, Ihn über alles liebst und nach Seiner Lehre lebst und handelst. In dem allein suche du das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit; alles andere wird dir dann schon ohnehin als eine freie Gabe hinzugegeben werden. 4. So du mich aber für den Geist Mosis oder Elias hältst, da bist du in einer Irre; denn des Elias Geist war in Johannes, der euer Meister war. Moses aber hat schon sein Zeugnis dem Herrn vor den Augen Seiner Jünger gegeben, und diese werden den andern Völkern kundgeben, wann es an der Zeit sein wird. Und somit weißt du nun vorderhand zur Genüge.“ 5. Hierauf setzte sich Raphael wieder neben Mir nieder und nahm Brot und Wein zu sich. Auch der Hauptmann setzte sich mit dem Johannesjünger zusammen und nahm auch noch Brot und Wein zu sich. Der Jünger aber nahm kein Brot und keinen Wein, sowie auch seine Mitjünger nicht; denn die Jünger des Johannes führten ein strenges Leben und fasteten viel. Meine Jünger aber aßen und tranken noch. 6. Da sagte einer der bekehrten Pharisäer zu Mir: „Herr und Meister, warum fasten denn deine Jünger nicht, da doch des Johannes Jünger so viel fasten?“ 7. Sagte Ich: „Ich bin ein rechter Bräutigam denen, die an Mich halten, und die Ich erwählt habe. Warum sollen sie denn fasten, so Ich bei ihnen bin? Wenn Ich als ein wahrer Bräutigam ihrer Seelen aber persönlich nicht mehr bei ihnen sein werde, dann werden sie schon auch fasten zur Zeit der Not. Übrigens aber wird niemand darum das ewige Leben der Seele überkommen, weil er viel gefastet hat, sondern nur der, welcher den Willen Dessen tut, der Mich gesandt hat.“ 8. Das fiel dem Hauptmann auf, und er fragte Mich eiligst, sagend: „Herr und Meister, wie sprachst Du nun, daß nur der das ewige Leben der Seele ernten wird, der den Willen dessen tut, der Dich gesandt hat? Wer ist der, der Dich gesandt hat, und wie lautet sein Wille? Erkläre Dich da klarer, ansonst ich über diesen Deinen Ausspruch in einen offenbaren Zweifel geraten müßte! Denn einmal heißt es – wie ich das aus der Erklärung der Psalmen im Hause unseres Wirtes ersehen habe –, daß Du Selbst und allein der Herr bist, und daß der das ewige Leben der Seele überkommen werde, der Deine Lehre annimmt und nach ihr lebt und handelt, und nun sagtest Du Selbst, daß nur der das ewige Leben der Seele ernten wird, der den Willen dessen tut, der Dich gesandt hat! – Siehe! – das ist nun sehr zweideutig, und ein Mensch wie ich, dem es sicher um das ewige Leben seiner Seele ganz vollkommen ernstlich zu tun ist, wird da offenbar irre und weiß nicht, an wen er sich wenden soll, der ihm den Willen dessen, der Dich gesandt hat, treu und wahr kundtun könnte! Ich bitte Dich darum, daß Du Dich über Deinen Ausspruch nun deutlicher und bestimmter eröffnen möchtest!“ 9. Sagte Ich: „Es ist wohl noch viel Finsternis in euch! Der Mich gesandt hat, ist Mein ewiger Vater und ist in Mir; und so habe denn auch Ich Selbst aus Meiner Liebe zu euch Menschen Mich gesandt in diese Welt, um euch zu bringen und zu geben das ewige Leben. 10. Mein Wort und Meine Lehre, die euch den Weg zum ewigen Leben zeigt, ist aber eben der Wille Dessen, der in Mir ist, und der Mich gesandt hat. Denn der Vater, als die ewige Liebe, ist in Mir, und Ich, als ihr Licht, bin in ihr. 11. Sieh aber die Flamme der hier auf dem Tische leuchtenden Lampe an! Kannst du das Licht von der Flamme trennen oder die Flamme vom Lichte? Die Flamme aber ist das, was Ich ,Vater‘ und ,Liebe‘ nenne, und das Licht ist ihr Sohn, der von der Flamme ausgesendet wird, um zu erleuchten die Finsternis der Nacht. Sind da nicht die Flamme und ihr Licht ein Wesen? Und ist da nicht die Flamme ebenso im Lichte, als das Licht in der Flamme? Wenn aber also und unmöglich anders, so offenbart sich ja des Vaters Wille in dem von Ihm ausgehenden Lichte. 12. Wer sonach in diesem Lichte wandelt, der wandelt auch nach dem Willen Dessen, der Mich als Sein Licht in diese Welt gesandt hat; und wer in diesem Lichte wandelt, der kann nicht fehlgehen und muß das ewige Leben ernten, weil das Licht, nach und in welchem er wandelt, das ewige Leben selbst ist. 13. Nur wer dieses Licht verläßt und in der eigenen Weltnacht von neuem zu wandeln beginnt, der kann so lange nicht das ewige freie Leben der Seele ernten, als er nicht in das Licht des Lebens übergeht. Und nun wirst du, Hauptmann, Mich etwa wohl verstanden haben?“ 14. Sagte der Hauptmann: „Ja, ja, Herr und Meister, jetzt bin ich schon wieder im klaren und weiß nun, was ich zu tun habe, um zum ewigen Leben zu gelangen, und ich danke Dir abermals für diese gar gewichtige Belehrung. Ich habe Dich aber ehedem in Deiner Rede mit dem Pharisäer unterbrochen und bitte Dich nun, daß Du da noch weiter reden wollest!“ 15. Sagte Ich: „Dem habe Ich schon gesagt, was ihm not tat, und habe darum keine Fortsetzung für ihn! 16. Ich hätte euch allen aber noch gar vieles zu sagen, doch jetzt könntet ihr es noch nicht ertragen; wenn aber der Geist in euch erwachen wird, der Geist der Wahrheit, den Ich in euch erwecken werde, der wird euch in alle Wahrheit und Weisheit leiten. Erst in seinem Lichte werdet ihr alle Den erst vollends erkennen, der nun solches zu euch geredet hat. – Nun aber überdenket das, was ihr vernommen habt, und besprechet euch untereinander; Ich aber werde ein wenig ruhen.“ 17. Nach diesen Worten ward es eine kleine Weile still im Saale; denn ein jeder dachte eine Zeitlang über all das Vernommene und Gesehene nach. Kapitel 139 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 139. — Der Sturm und sein Zweck 1. Es war aber bei dieser Gelegenheit die Zeit schon gegen Mitternacht gekommen, und die Römer, von der Tagesreise etwas ermüdet, fingen beim Tische zu schlummern an, auch einige Meiner Jünger, da auch Ich Mich einem leichten Schlummer überließ; nur die Bethlehemer und die etlichen Jünger des Johannes besprachen sich noch über ein und das andere miteinander, und es kam also die volle Mitternacht herbei. Mit ihr aber erhob sich auch ein sehr heftiger Sturmwind, der von Süden her kam, der aber stets heftiger wurde und durch sein Toben, Brausen, Pfeifen und Heulen alle die Schlummernden aufweckte und die noch Wachen aber mit Furcht, Angst und Bangen erfüllte. Ich aber und etliche Meiner alten Jünger schlummerten noch fort. 2. Lazarus wandte sich an den Raphael und bat ihn, daß er dem Sturme gebieten möchte, daß dieser doch wenigstens sanfter werden möchte, da er sonst für nichts und wieder nichts einen großen Schaden anrichten werde in den Weinbergen, Gärten, an den Bäumen und Häusern. 3. Auch der Hauptmann, der so heftige Winde nicht leiden konnte, sagte ganz offen: „Da weiß man als ein Mensch wieder nicht, was man aus der großen Liebe und Weisheit Gottes machen soll! Wozu sollen solche heftigen Stürme wohl gut und nützlich sein? Oder hat denn Gott Selbst eine Freude daran, wenn Er die schwachen Menschen durch solch ein Toben und Wüten der Elemente erschreckt und sie in eine große Furcht und Angst versetzt? Solch ein böser Sturm macht den Menschen auch stets einen oft unberechenbaren Schaden, und zuallermeist den Armen, denen er ihre schwachen Hütten zerstört, daß sie dann dach- und fachlos herumbetteln müssen, um doch wieder zu irgendeiner armseligen Wohnhütte zu gelangen. Nein, dieser Akt der göttlichen Liebe und Weisheit ist wahrlich etwas sonderbar!“ 4. Hierauf wandte sich auch der Hauptmann an den Raphael und sagte: „Höre du mein wundermächtiger Freund, der du ehedem bloß durch deinen Willen jene schwere Säule in die Luft erhobst, reicht deine Willensmacht nun gegen das stets heftiger werdende Wüten des Sturmes nicht aus, um es zum Schweigen zu bringen? Wenn das so fortgeht, so liegen morgen ganze Wälder entwurzelt und zusammengebrochen am Boden! Wer wird den armen Menschen den angerichteten Schaden vergüten? Ich bitte dich, tue da doch etwas entgegen!“ 5. Sagte darauf Raphael: „O du mein schwacher, sturmfürchtiger Mensch! Was haderst du da gegen die Liebe, Weisheit und Ordnung Gottes! Meinst du denn, Gott lasse solch einen heftigen Wind aus einer Art Unwillen gegen die Menschen wehen? Oh, wie schwach bist du noch! Kennst du die dem Naturleben der Menschen und Tiere schädlichen Naturgeister, die sich aus dem Innern des Erdkörpers oft, und besonders in der Herbstzeit, in einem größeren Maße wegen der Befruchtung der Erdoberfläche zu entwickeln haben? 6. Siehe, gerade in dieser Nacht dringen große Massen aus dem Innern der Erde auf ihre Oberfläche herauf, auf daß das kommende Jahr ein fruchtbares werde! Wenn nun diese noch sehr ungegorenen Naturgeister in Gestalt eines grauen und modrigen Dunstes sich ruhig über die Oberfläche der Erde lagern würden, so würde in solchem Dunste keines Menschen Leibesleben auch nur ein paar Stunden lang bestehen können. Welch anderes Mittel aber kannst du mir angeben, um die erwähnten aufsteigenden rohen Naturgeister für die leibliche Gesundheit der Menschen unschädlich zu machen, als eben nur den Wind, und das einen gegen die hartnäckige und gewisserart klebrige Natur solcher Geister entsprechend heftigen? 7. Der Wind, der von reineren Geistern dadurch bewirkt wird, daß sie die sonst ruhige Luft der Erde in eine gewaltige Strömung versetzen, vermengt die rohen Naturgeister mit den reinen Geistern in der Luft und im Wasser und macht sie dadurch unschädlich für die Gesundheit der Menschen, der Tiere und der Pflanzen, was alles nach dem Willen Gottes geschieht, weil es also geschehen muß; und du meinest da, daß durch solche Winde Gott den schwachen Menschen einen Schaden zufügen wolle und gewisserart eine Freude daran habe, so die schwachen Menschen bei solchen Gelegenheiten vor Angst und Schrecken nahe zu verzweifeln anfangen? O du noch sehr schwachsinniger Mensch! 8. Was liegt denn daran, wenn bei einer für die Erde und ihre Geschöpfe heilsamen Gelegenheit auch einige morsche Bäume und auch etliche schon sehr baufällige Wohnhütten der Menschen und einige Vogelnester zerstört werden, wenn nur das Erdreich fruchtbar und die Erdluft dem geschöpflichen Naturleben unschädlich wird? 9. Wenn hie und da einem Menschen auch irgendein kleiner Weltschaden zugefügt wird, so wird es der Herr sicher auf eine ganz beste Art demselben mehrfach entschädigen; zudem aber schadet es den nur zu leicht und zu oft Gottes vergessenden Menschen gar nicht, so sie dann und wann durch besondere Naturszenen aus ihren trägen Weltträumereien aufgerüttelt werden und es erfahren, daß es höhere Kräfte und Mächte gibt, gegen die der menschliche Hochmut keinen Sieg erfechten kann. 10. Darum lassen wir diesen Wind nun nur noch ein paar Stunden lang arbeiten! Wenn er sein gutes Geschäft wird verrichtet haben, dann wird er sich auch schon wieder legen. Ich könnte dem Winde aus der Macht des Herrn in mir wohl gebieten, daß er sich augenblicklich legen müßte, – aber wozu wäre das gut? Ich sage es dir: für gar nichts; denn solch ein Zeichen würde nicht um ein Mal deinen Glauben an den Herrn erhöhen. Denn stille ich den Wind dir zuliebe nur auf einige Augenblicke, so wirst du dann geheim bei dir sagen: ,Ah, der Wind hat von selbst einige Augenblicke ausgesetzt!‘ und meinen, ich sagte dir nur so dabei, daß dies Aussetzen infolge der Macht meines Willens geschehen sei. Lasse ich aber den Wind sich ganz zur Ruhe legen, so sterben schon morgen tausend Menschen an der bösen Ruhr, und das würde dir denn doch auch sicher nicht angenehm sein; denn ich weiß es, daß du und gar viele Menschen keine Freunde von Epidemien seid. Und so lassen wir, wie schon gesagt, den Wind nur fortwehen; der kleine Schaden, den er hie und da anrichten wird, wird leicht zu vergüten sein. 11. Oder schadet es etwa so manchem allzu selbstsüchtigen Reichen, so er dann und wann durch die größere Not eines und des andern armen Nebenmenschen zum Mitleid und zur Barmherzigkeit aufgerüttelt wird? Ich bin der sicheren Meinung, daß so etwas der Seele des Reichen sehr nützlich ist. Der Arme aber wird Gott um so mehr danken, weil er ihm infolge seiner vor den Augen der reichen Menschen gesteigerten Not auch um vieles kräftiger geholfen hat, als es sonst geschehen konnte. Denn der früheren, schon lange gleichfort andauernden Armut und Not des armen Nachbarn gedachten die Reichen kaum und ließen ihn unberücksichtigt fortdarben; aber da Gott über ihn ein rechtes weltliches Unglück kommen ließ, so wurden die sonst zumeist harten Reichen erweicht und beschenkten den Armen darauf ansehnlich, daß ihm dann auf lange hin geholfen ward. 12. Sage du nun mir: Ist Gottes Liebe und Weisheit da nicht als wirkend ersichtlicher unter den Menschen auf der Erde als irgend in einer Gegend der Erde, wie es auch deren manche gibt, die von keinem Sturmwind heimgesucht werden, darum aber auch völlig wüste und unbewohnbar daliegen?!“ Kapitel 140 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 140. — Vom Zweck der Schöpfung 1. Sagte der Hauptmann: „O du holder und wunderbarer Freund, mit dir sich in der Weisheit messen, wäre wohl eine sehr vergebliche Mühe; denn du hast allzeit vollkommen recht, weil du auf Grund deiner gottähnlichen Allwissenheit und Allkenntnis auch stets die unbestreitbarste Wahrheit auf eine höchst klare Weise darstellen kannst. Aber wo soll unsereiner das hernehmen, dessen Wissenschaft und Kenntnis in den Dingen der Weltnatur von einer sicher nur höchst beschränkten Art ist? 2. Aber das weiß und fühlt auch der schwache und beschränkte Mensch, wo es ihm wehe tut, und seufzet und klagt oft lange vergeblich, und das kann ihm auch die höchste Liebe und Weisheit Gottes niemals zu einer Sünde rechnen. Und so denn klagte ich auch über den Wind, da ich schon oft nur zu empfindlich erfahren habe, welche Verheerungen er hie und da angerichtet hat; denn ich wußte ja nicht um den Grund seines Wütens. 3. Nun aber hast du mir ihn gar klar gezeigt, und ich erkenne jetzt die Wohltat seines Wirkens und gebe dir die volle Versicherung, daß ich von nun an niemals mehr mit meinen Klagen gegen ihn zu Felde ziehen werde, – auf dem festen Lande schon am allerwenigsten! Nur auf dem Meere möchte mich, solange ich im Leibe zu leben haben werde, der Herr vor solchen Winden beschützen; denn da ist es wohl erschrecklich, sich mitten im tobendsten Kampfe des Meeres mit dem Winde auf einem gebrechlichen Schiffe zu befinden! Ich habe das schon mehrere Male erlebt und bin den starken Winden eben darum Feind geworden und habe als noch ein starrer Heide oft über solch ein Gebaren der Götter losgezogen; aber da ein heftiger Wind sicher auch auf dem Meere eine gleiche für die Erde und ihre Geschöpfe wohltätige Bestimmung haben wird, wie auf dem festen Lande, so werde ich ihn auch über dem Meere lobend in Ruhe lassen. – Holder Freund, ist es recht also?“ 4. Sagte Raphael: „Das ganz sicher; denn der Mensch, dessen Leben und Alles von Gott abhängt, soll Gottes Anordnungen und Fügungen, so er Gott einmal erkannt hat, allzeit lobend und preisend anerkennen und nicht darüber murren und hadern. Denn Gott der Herr weiß es stets und ewig sicher am allerbesten, warum Er auf einem Erdkörper bald dieses und bald jenes in Erscheinung treten läßt. 5. Der Mensch aber hat sich dabei geduldig und voller Ergebung in den Willen Gottes zu verhalten und dabei auch also zu denken: Das geschieht nach dem Willen Gottes zum Besten des Menschen! Denn alles, was auf der Erde, im Monde, in der Sonne und in allen Sternen geschieht, das geschieht alles zum alleinigen Besten der Menschen; denn nur im Menschen liegt der Grund und der Zweck aller Schöpfung im endlosen Raume. 6. Wenn ein Mensch also denkt und fühlt, so wird er auch in allen Zuständen seines diesirdischen Freiheits-, Bildungs- und Probelebens Ruhe finden und haben, und Gott wird ihn erretten aus jeder Not und wird ihn finden lassen den Weg des wahren Lebens, den Weg des Lichtes und aller Wahrheit. 7. Aber wer da ungeduldig wird und über dies und jenes, das er doch nicht ändern kann, murrt und oft sogar in seinem gemeinen Grimme Lästerungen über die ihm widrig vorkommenden Erscheinungen in dieser Welt denkt und offen ausspricht, der eignet sich die Liebe Gottes nicht an, sondern entfernt sich nur mehr und mehr von ihr, und das gibt keinem Menschen weder eine irdische und noch weniger eine jenseitige Ruhe und Glückseligkeit. Denn alles geschieht ja nur durch die Liebe Gottes, wie schon gesagt, zum wahren Wohle des Menschen. Erkennt der Mensch das dankbar in seinem Gemüte an, so nähert er sich auch stets der Liebe und der Ordnung Gottes und geht dann bald und leicht ganz in dieselbe über und wird dadurch selbst weise und mächtig; tut er aber das Gegenteil, so wird er denn auch stets dümmer und in allem schwächer und machtloser. 8. Ich weiß es wohl, daß es auf dieser Erde allerlei Vorkommnisse gibt, die dem Menschen nicht angenehm sein können. So gibt es oft eine lästige Hitze, also auch eine große Kälte; es gibt eine langweilige Nacht und manchen trüben Tag, das Feuer brennt und zerstört; das Wasser, so es sich über seine Ufer erhebt, verwüstet die Länder und tötet Menschen und Tiere, – und kurz: Alles, was du ansiehst in der ganzen Natur der Welt, kann dir den Tod geben, wenn du es unweise benutzest und dich in die Gefahr begibst. 9. Aber darum kann Gott doch nichts ändern in Seiner wohlgeordneten Schöpfung! Sollte etwa das Feuer nicht so glühheiß und brennend und zerstörend sein, wie es ist? Wozu würde es dann wohl tauglich sein? Oder sollte das Wasser nicht flüssig sein, damit Menschen und Tiere im selben, so sie hineinfallen, nicht des Leibes Tod fänden? Oder sollen die Berge nicht hoch und steil sein, damit von ihren Zinnen niemand herabfallen und dadurch auch den Tod finden möchte? Sollte es keine reißenden Tiere geben, keine Schlangen und keine giftigen Pflanzen, weil alles das dem Leben des Menschen gefährlich ist? 10. Ja, wenn der Mensch alles das seinem Leben gefährlich werden Könnende von der Erde verbannt haben wollte, da bliebe am Ende von der ganzen Erde auch kein Atom mehr übrig, und der Mensch selbst auch nicht! Es muß denn schon alles so sein und bestehen, wie es ist und besteht, und alles kann dem Menschen frommen, wenn er es nur weise benutzt; aber wer es unweise benutzt und somit nicht mit der Ordnung Gottes im Einklange wandelt, dem muß am Ende alles schädlich werden. 11. Wer sich dann über die Schädlichkeit der Dinge und Einrichtungen in dieser Naturwelt ärgert und dabei gegen die Weisheit und Macht Gottes zu Felde zieht, der ärgert sich offenbar auch über Gott und verhöhnt Dessen Liebe und Weisheit; wer aber das tut, der lebt sicher nicht in Freundschaft, sondern nur in einer wahren Feindschaft Gottes des Herrn. Wird diese ihm wohl auch einen Segen bringen? Ich meine da, daß solch eine blinde Anfeindung Gottes dem Menschen zuerst Gott verlieren machen wird und der Mensch dann in seiner Gottlosigkeit kein Lebensglück mehr wird zu erwarten haben, so lange hin, als er sich nicht bekehren und Gottes Liebe, Weisheit und Ordnung in allem hochlobend anerkennen und mit der Zeit auch klar einsehen wird. 12. So dich aber der Sturm auf dem Meere ärgert, da bleibe auf dem festen Lande, so es auf dem Meere stürmt, und besteige erst dann ein Schiff, so des Meeres Sturmzeiten vorüber sind; wann aber diese am meisten und am heftigsten und anhaltendsten toben, das weiß ein jeder Mensch schon, der in der Nähe des Meeres wohnt und mit demselben auch immer zu tun hat. 13. Siehe, Freund, das sind auch weise Regeln, wer sie weiß und beachtet, der wird glücklich sein auch schon auf dieser Erde und wird Ruhe haben bei allen Erscheinungen und Begebnissen im irdischen Leben.“ Kapitel 141 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 141. — Ein Gewitter 1. Nach dieser wohlbegründet weisen Lehre aus dem Munde Raphaels dankte ihm der Hauptmann, die Jünger des Johannes und der Wirt aus der Nähe Bethlehems; denn sie hatten alle Furcht und Angst vor dem noch fortdauernden Toben und Wüten des Sturmwindes verloren. Aber es dauerte nicht lange, als ein mächtiger Blitzstrahl aus dem durch den Wind herbeigebrachten dicken und schweren Gewölke sich entlud und eine vom Hause nicht ferne stehende alte Zeder sehr beschädigte. Diesem ersten Blitze folgten nach allen Richtungen hin auch noch viele mit starkem Gekrache und den Erdboden erbeben machendem Donner. 2. Unser Hauptmann war aber dem Blitze und dem Donner noch weniger hold als dem starken Wind und geriet abermals in eine große Angst und Furcht. Auch der Wirt und Lazarus und seine Schwestern samt der Maria von Magdalon wurden ängstlich und fingen an, Mich zu bitten, daß Ich dem bösen Gewitter gebieten möchte, daß es verzöge. 3. Da erwachte Ich aus Meinem leichten Schlummer und sagte: „Fürchtet euch nicht, Kindlein; denn da Ich bin, hat das Gewitter keine Macht zu schaden, sondern nur zu nützen! Es wird noch eine kleine Stunde dauern, und Sturm und Gewitter werden verstummen, und morgen werden wir darum einen reinen und heiteren Tag haben, und die frische und gesunde Luft wird stärken unsere Glieder und Eingeweide.“ 4. Diese Meine Worte beruhigten die Gemüter der Furchtsamen, und Ich übergab Mich wieder einem leichten Schlummer. 5. Als Ich da also schlummerte, da betrachteten Mich alle, die da am Tische sitzend noch wach waren, und der Hauptmann sagte: „Vom Herrn kann man wohl sagen: Si totus illabatur orbis, impavidum ferient ruinae! (Wenn die ganze Erde zerbräche, so würden ihre Trümmer über den Furchtlosen fallen!) Ja ja, wenn man der Herr und der Schöpfer und Erhalter aller Kreatur ist, dann kann man vor derlei Erscheinungen freilich wohl keine Furcht haben; aber unsereiner als nur ein schwacher und ohnmächtiger Mensch kann sich bei solch einem Gewitter dennoch nicht aller Furcht entledigen, obschon man hier festest überzeugt ist, daß einem in der nächsten Nähe des Herrn sicher nichts geschehen kann. Aber merkwürdig ist und bleibt es, daß gerade heute in der Nacht, nach einem reinsten Sonnenuntergange, solch ein Gewitter losbrechen mochte! Ich bedauere nun alle jene, die sich nun auf irgendeinem Wege, und gar besonders jene, die sich nun zu Schiffe auf dem großen Meere befinden. Oh, da wird es nun ganz entsetzlich aussehen!“ 6. Als der Hauptmann solche Bedenken laut werden ließ, da stimmte ihm auch der durch das starke Gedonner erwachte Agrikola bei und sagte: „Meine Schiffe in Sidon und Tyrus werden von diesem sicher allgemeinen heftigsten Sturme auch übel hergenommen worden sein! Aber sei ihm nun, wie ihm wolle, – der Herr schläft und achtet des Sturmes nicht, und wir Menschen haben keine Gewalt wider das Ungetüm, und so sei es denn auch, wie es ist! In einer kleinen Stunde, sagte der Herr, werde dieser Sturm sich legen. Also wird es auch sicher werden; aber bis dahin kann noch viel Unglück durch diesen Sturm angerichtet werden! Der Herr wolle gnädigst dafür sorgen, daß des Unglücks und Schadens so wenig als möglich geschehen möchte!“ 7. Sagte nun Raphael: „Seid doch ruhig in eurem Gemüte, es wird da keinem Gerechten auch nur ein Haar gekrümmt werden; für die Gottlosen aber ist es gut, daß sie durch einen solchen Sturm ein wenig daran erinnert werden, daß es noch einen Herrn gibt, der über alle Elemente gebietet und sie ihm auch gehorchen wie treue Diener ihrem Herrn. Deinen Schiffen zu Tyrus und Sidon aber wird dieser Sturm nichts anhaben; denn dafür sorgt schon der Herr. Und so möget ihr alle nun ganz ruhig sein; denn es wird niemandem ein Haar zerstört werden! 8. Über Jerusalem aber wütet dieser Sturm nun am heftigsten, und die Blitze verschonen das eitle Gold des Tempels nicht. Es ist nun ein großes Heulen in und um den Tempel und um manches Haus. Der Blitz zündet hier und da, und die Menschen haben vollauf mit dem Löschen zu tun. Auch im Tempel hat der Blitz schon an einigen Stellen das dürre Gebälk entzündet; aber man erdrückt den Brand gleich bei seinem Entstehen, und so macht der Blitz auch im Tempel selbst keinen bedeutenden Schaden. Aber die Angst der Pharisäer ist groß, und das Volk dringt in sie, bei Gott zu bewirken, daß der Sturm sich legen möchte. Und die Pharisäer und Priester, Schriftgelehrten und Leviten machen nun ein großes Geplärr; dieses aber bleibt nun wirkungslos, und das Volk wird ungestümer und macht allerlei Drohungen und macht sich mitten im Sturme ganz lustig über die Ohnmacht der Pharisäer, die schon oft vorgegeben haben, daß sie sogar über Sonne, Mond und Sterne gleich Josua und Aaron Gewalt haben und jetzt nicht einmal dem Nachtsturme gebieten können. 9. Und sehet, so hat dieser Sturm auch darin sein entschieden Gutes, daß er bei vielen Jerusalemern, die noch Stocktempler sind, den alten finsteren Aberglauben ausfegt und sehr vermindert und sie zur späteren Annahme der Wahrheit nötigt! 10. Ich zeigte euch das zu dem Früheren, das ich über den Naturgrund dieses Sturmes euch schon erklärt habe, darum noch hinzu, damit ihr daraus auch das ersehen könnet, wie des Herrn Liebe und Weisheit bei solchen Gelegenheiten nicht nur für die bessere Befruchtung des Erdreichs und für die Reinigung der Luft, sondern dabei auch für die moralische höhere Befruchtung des Menschenherzens und für die Reinigung der Seelenluft sorgt, und das hat sicher noch einen größeren Wert als die größere Befruchtung des Erdreichs und die Reinigung der Erdluft. 11. Wer von euch aber nun Mut hat, der erhebe sich und gehe mit mir ein wenig ins Freie, und er soll daselbst so manches ersehen und erfahren, was er bisher sicher noch nie gesehen und erfahren hat!“ 12. Sagte Agrikola und auch der Hauptmann: „Mit dir nun ins Freie zu gehen, wird wohl ein jeder von uns den Mut haben; aber allein ohne dich ginge uns wohl der Mut aus. Mit dir wollen wir denn nun auch ganz mutig hinaus in den ordentlichen Blitzregen gehen!“ 13. Darauf erhoben sich alle Römer, der Hauptmann mit seinen Gefährten, der Bethlehemer Wirt, die etlichen Johannesjünger und auch der Lazarus. Kapitel 142 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 142. — Ursache und Wirkung des Gewitters 1. Als sie aber ins Freie kamen, da hielten sie sich eine Weile die Augen und die Ohren zu; denn es fuhren in einem fort Blitze auf Blitze mit heftigstem Gekrache und Gedonner aus dem schwarzen Gewölke auf die Erde herab. 2. Da ermahnte sie Raphael, sagend: „Aber so haltet euch doch eure Ohren und Augen nicht zu; denn da werdet ihr von der großartigen Sturmszene wenig sehen und von dem Geheul, das sogar von Jerusalem bis zu diesem Hügel, auf dem wir nun stehen, von Zeit zu Zeit gelangt, nichts vernehmen!“ 3. Endlich faßten die Anwesenden mehr Mut, öffneten Augen und Ohren und konnten nun nicht genug erstaunen über die Heftigkeit des Windes, dem aber Raphael bald gebot, den Hügel zu umgehen, und es ward darum auf dem Hügel auch plötzlich völlig windstill. Also durfte auch kein Blitz in die Nähe des Hügels fahren, sondern mehr in der Ferne von einigen Morgen Ackerlandes; aber da sah es einem wahren Feuerstrome gleich, der sich im weiten Umkreise mit erdröhnendem Getöse und Gekrache aus den Wolken auf die Erde stürzte. 4. Hier fragte Agrikola, sagend: „Aber sage es uns doch, wie es denn kommt, daß dieses wahre Feuermeer, das in einem fort auf die Erde herabstürzt, doch nirgends, wie man es sieht, Häuser und Bäume und auch ganze Wälder anzündet und in Brand steckt! Ich habe einmal ein ähnliches ganz trockenes Blitz- und Windgewitter in Hispania auch ungefähr um diese Zeit herum erlebt. Aber dort hat es große und wahrhaft erschreckliche Verheerungen angerichtet; doch hier sieht man wenig oder eigentlich gar nichts von einem besonderen Brande. – Wie kann man sich das erklären?“ 5. Sagte Raphael: „Das werdet ihr euch dann schon ganz leicht erklären, so nun bald der ganze Sturm verstummen wird. Das beständige, gar helle Licht der Blitze läßt das matte Leuchten von manchem Brande nun nicht merklich werden; aber wenn die Blitze mehr und mehr aufhören werden, dann werdet ihr schon auch mehrere starke Brände bemerken, und das besonders über der Gegend um Jerusalem. Aber daran liegt eben auch nicht viel, und wo ihr einen Brand merken werdet, da werdet darum nicht ängstlich; denn wo es zugelassen ward, daß ein Blitz ein Haus oder eine Hütte anzündet, oder auch eine Ortschaft oder den dürren Wald irgendeines Geizhalses, der sein Holz lieber verfaulen ließ, als daß er einen Armen auch nur einige dürre Reiser zu seinem Gebrauche nehmen ließ, da geschieht der guten Menschheit wahrlich kein Schaden! Und so steht es mit den Hütten, Häusern und Ortschaften; kurz und gut: Alles, was ihr nun sehet und später noch sehen werdet, geschieht nicht zum Schaden, sondern nur zum großen Nutzen der Menschen, was ihr später noch klarer fassen werdet. 6. Nun aber ist die Zeit auch schon da, in der dies Gewitter aufzuhören hat; und so will ich aus dem Willen Gottes des Herrn in mir, daß die Gewitter sich legen, – und sehet, das Blitzen hat aufgehört und der Wind hat sich gelegt! Aber jetzt sehet rings umher, und ihr werdet so manches ersehen, das eure Aufmerksamkeit erregen wird!“ 7. Hier sahen sich die Anwesenden nach allen Richtungen um und zählten in allem etliche zwanzig Brände, darunter einen Waldbrand, der sich ganz besonders verheerend zeigte; er wütete in einem großen Bergwald hinter Emmaus und gehörte einem Jerusalemer Geizhalse, der noch nie einem Armen ein dürres Reis zum Geschenke gemacht hatte. Das wußten die Anwesenden und lobten den Herrn, daß Er einmal den argen Geizhals mit der Zuchtrute ereilt hatte. Es war aber auch südöstlich von Jerusalem ein starker Brand zu sehen, und Lazarus fragte den Raphael, wen wohl jener Brand am meisten treffe und schädige. 8. Sagte Raphael: „Das ist eine Ortschaft, die zum größten Teile eben dem Geizhalse gehört, dem der brennende Wald gehört. Er hat aber alles um ein kaum erschwingbares Geld an arme Pächter hintangegeben. Diese sind denn, um ihren Pachtherrn zu befriedigen, auch genötigt, ihre Nachbarn zu betrügen, und lassen mit ihren Töchtern um Geld und allerlei andere Geschenke allerlei Hurerei treiben, wodurch jene Ortschaft zu einem wahren Sodom herabgesunken ist, und das in dem kurzen Zeitraume von kaum zwanzig Jahren, und das alles infolge des Gebarens eines reichen Geizhalses. Daß solch eine Ortschaft denn doch auch einmal eine Züchtigung überkommt, das wird von euch wohl sicher niemand für unbillig finden?“ 9. Sagte Lazarus: „Was der Herr tut, ist wohlgetan! Jenem Geizhalse, den ich nur zu gut kenne, habe ich selbst schon mehrere Male eine rechte Strafe für seine himmelschreienden Ungerechtigkeiten, die er zumeist an armen Menschen begangen hat, über den Hals gewünscht, und nun ist über sein frevelhaftes Treiben auch dem Herrn einmal Seine große Geduld ausgegangen, – und darum Ihm allein alles Lob! In jener Ortschaft gibt es freilich wohl auch noch etliche wenige, die ihre Knie vor Gog und Magog noch nicht gebeugt haben, – aber die wird der Herr auch sicher beschirmen!“ 10. Sagte Raphael: „Das kannst du dir wohl vorstellen, und sie werden nach dem Brande bald besser stehen, als sie je zuvor gestanden sind.“ 11. Weiter südlich war auch eine starke Feuerröte ersichtlich, und der Wirt bei Bethlehem sagte, den Raphael fragend: „O du alles wissender Freund, was wird wohl dort durchs Feuer zerstört? Bethlehem etwa doch nicht?“ 12. Sagte Raphael: „O nein, es ist ein Dorf der Griechen und der Sadduzäer, die mit den Schweinen einen betrügerischen Handel treiben und dabei die Menschen von Gott ganz abwegig machen durch ihre Beredsamkeit! Und da sie diese Sache nun zu bunt zu treiben angefangen haben, um die Ausbreitung der Lehre des Herrn zu hindern und sie bei den Weltmenschen möglichst zu verdächtigen, so hat ihnen nun auch der Herr bei dieser Gelegenheit einen Riegel vorgeschoben. Sie werden nun auf Jahre lang zu tun haben, um sich wieder aus dem Unglück zu erheben, und werden nun nicht Zeit haben, daran zu denken, wie sie die Ausbreitung der Lehre des Herrn behindern möchten. Sieh, mein Freund, so stehen die Sachen nun dort, und ich meine, daß denn auch jenen gottesleugnerischen Wucherern kein Unrecht geschieht!“ 13. Sagte der Wirt: „Oh, sicher nicht, und dem Herrn nun wieder alles Lob darum, daß Er über jene mir wohlbekannten Gottesleugner ein solches Ungemach hat kommen lassen, – denn die haben das auch schon lange verdient; und so werden auch die andern kleinen Brände, die wir von hier aus ersehen, nicht ohne Zulassung vom Herrn entstanden sein!“ 14. Sagte Raphael: „Allerdings; darum ängstiget euch nicht! Seht aber nun die Äste der Bäume und das Gras auf der Erde an!“ 15. Alle besahen nun die Äste der Bäume und das Gras, und alles glänzte wie faules Holz in einem Walde; auch die Haare auf den Häuptern schimmerten stark. Da ward es den Anwesenden unheimlich zumute, und sie fingen an zu fragen, was das sei. 16. Raphael aber sagte: „Nun gehen wir wieder ins Haus, und ich werde euch im Saale den Grund dieser Erscheinung erklären!“ 17. Darauf begaben sich alle wieder ins Haus. 18. Als die mit dem Raphael Hinausgegangenen und nun wieder in den Saal Zurückgekehrten ihre Plätze wieder eingenommen hatten, da fragte der Hauptmann alsbald den Raphael, was das Leuchten der Bäume, des Grases und sogar der Menschenhaare denn doch bedeuten möge dem wahren Grunde nach. 19. Und Raphael, der auch seinen alten Platz eingenommen hatte, sagte: „Liebe Freunde, es wäre für dieser Sache Erklärung zwar morgen auch noch Zeit, aber da ihr denn schon gar so wißbegierig seid, so kann ich euch das denn auch jetzt erklären! Doch ich sage es euch, daß daran nicht gar so viel liegt, wie ihr es euch nun der Erscheinlichkeit nach vorstellt, und es hängt von dem völlig richtigen Erkennen dieser und anderer ähnlicher Erscheinungen das Heil der Seele nicht ab; aber weil sich aus Unkenntnis von derlei Erscheinungen leicht allerlei finsterer Aberglaube gestaltet, so bin ich denn doch gewisserart genötigt, euch auch diese Erscheinung vom rechten Standpunkte aus begreiflich zu machen. 20. Bevor ihr aber diese Erscheinung erstens nur vom natürlichen Standpunkte aus verstehen könnet, ist es notwendig, euch zuvor die Sache des Blitzes begreiflich zu machen, auf daß besonders ihr Römer nicht noch neben der Lehre des Herrn an den fabelhaften Blitzefabrikanten Vulkan und an dessen Ausspender Jupiter denket. Und so habet denn wohl acht darauf, was ich euch nun zeigen und erklären werde!“ Kapitel 143 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 143. — Das Wesen der Elektrizität 1. Hier stand Raphael auf, ging vor die Türe, wo mehrere Hauskatzen auf eine Maus lauerten, nahm eine zu sich und brachte sie in den Saal. 2. Da stellte er sie auf den Tisch und sagte zum Hauptmanne (Raphael): „Siehe diese ganz zahme Katze an, deren Haare auch noch den gewissen Schimmer haben! Nimm sie hin, und streiche sie vom Schweife bis zum Kopfe, und wir werden bei dem nun schon schwach gewordenen Lampenlichte sogleich eine Erscheinung bemerken, die euch auffallen wird!“ 3. Der Hauptmann tat das, und es fingen, besonders in dieser noch höchst elektrizitätsschwangeren Luft, eine Menge blitzheller Funken vom Rücken der Katze ordentlich knisternd zu springen an. 4. Da sagte ein Jünger des Johannes, der noch so manchen alten Brocken Aberglauben geheim in seinem Herzen barg: „Ja, ja, da sieht man, und die Alten hatten recht, zu behaupten, daß eine alte Katze den Teufel im Leibe hat!“ 5. Raphael aber sagte: „O nein Freund, das sieht man hier wahrlich nicht; aber aus deinen Worten erkennt man, daß du, obwohl ein Jünger des Johannes, für dich doch noch nicht alles Aberglaubens ledig geworden bist! Die gleiche Erscheinung könnte ich dir auch bei andern Tieren und sogar an deinem Kopfe zeigen, und du wirst doch nicht etwa darum behaupten wollen, daß du auch einen Teufel im Leibe hast?“ 6. Sagte der Jünger: „Das glaube und hoffe ich auch nicht; aber woher rührt denn dann das Funkensprühen aus dem Rücken der Katze?“ 7. Sagte Raphael: „Wärest du mit deiner altabergläubischen Rede mir nicht ins Wort gefallen, so hätte ich die Sache nun schon zur Hälfte erklärt. So aber muß ich mit der Weitererklärung erst jetzt fortzufahren anfangen, und daher heißt es Geduld haben; denn auf einen Axthieb fällt kein Baum, außer er wäre von der Stärke eines Strohhalmes nur. 8. Seht, diese Funken kommen nicht etwa aus dem Leibe der Katze zum Vorschein, sondern nur von der Oberfläche ihrer Haare, an welcher sich das luftnaturgeistige Feuer gewisserart gern anklebt, um für euch in dieser Richtung verständlich zu reden. Dieses luftnaturgeistige Feuer wollen wir das sonst schlummernde, aber durch gewisse Umstände leicht wachzurufende, in die wirkende Erscheinlichkeit tretende und den alten Ägyptern, Phöniziern und Griechen wohlbekannte Elektron oder elektrisches Feuer nennen. 9. Dieses Feuer ist das eigentliche Lebenselement der Luft, durch das aus ihr am Ende die ganze Erde selbst und alles, was auf ihr und in ihr ist, lebt und sich zu Wesen gestaltet, sein natürliches Leben erhält sowie auch dessen Hauptnahrung. Doch in der gewissen Ruhe der Luft, des Wassers, der Mineralien, der Pflanzen, der Tiere und der Menschen entwickelt es sich nicht, sondern ruht auch so untätig mit, und solch eine elektrische Ruhe könnte man füglich den Tod der Materie nennen. 10. Dieses Feuer erfüllt aber den ganzen endlosen Schöpfungsraum Gottes und macht in seiner völligen Ruhe den Äther aus, in dem alle die zahllosen großen Weltkörper herumschwimmen, wie allenfalls die Fische im Wasser. Würden die Weltkörper in dem endlos großen Schöpfungs- und somit Ätherraume irgend auf einem Punkte ohne alle Bewegung weder nach vor- noch nach rückwärts, also in voller Ruhe stehenbleiben, so würden sie bald wie ein toter Leichnam verkümmern, vermodern und sich ganz auflösen und in den ruhigen Äther übergehen. Darum aber hat schon der Schöpfer mit Seiner Weisheit und Macht dafür wohl gesorgt, daß alle die zahllos vielen Weltkörper sich in einer steten und sehr vielfachen Bewegung im großen Ätherraume befinden, denselben fort und fort im hohen Grade beunruhigen und somit zur tätigen Erwachung nötigen. 11. Um euch aber das große Wie klar darzustellen, würde uns hier zuviel Zeit rauben, und ihr könnet das alles, genauest erklärt vom Herrn Selbst, von allen Seinen Jüngern vernehmen, die allein in die großen Schöpfungsgeheimnisse eingeweiht sind. Wir wollen uns denn nur bei dieser unserer Erde so im allgemeinen ein wenig näher umsehen! 12. Sehet, diese atmosphärische Luft, in der wir hier atmen und naturmäßig dem Leibe nach leben, reicht über die feste Oberfläche der Erde nach eurem Denken in die Höhe nur etliche Stunden Weges weit hinaus! Auf dieser Luftoberfläche ruht dann schon der gewisserart tote und somit ganz widerstandslose Äther. 13. Die Erde aber, um ganz wahr und richtig zu reden und nicht nach der alten, höchst unrichtigen Art der alten und blinden Astrologen und Astronomen und Jahresrechner zu denken, bewegt sich in – sage – 365 Tagen und einer kleinen Zeit darüber um die große Sonne, und dazu noch in etwa 24 Stunden und etwas Kleines darüber um ihre gewisserart eigene Mittelpunktachse, was euch die Jünger auch alles noch näher erklären werden; denn nun genügt es, daß ich euch nur auf die sehr rasche Bewegung der Erde in ihrer weiten Bahn um die Sonne aufmerksam mache. Wenn ihr das nun mit eurem Verstande auch noch nicht einsehen könnet, so könnet ihr es mir aber vorderhand doch glauben, daß sich die Erde, durchschnittlich angenommen, in einer Stunde Zeit wohl bei 5760 Stunden Weges in der weiten Kreisbahn vorwärtsbewegt und dazu auch noch um ihre eigene Achse, besonders am Äquator, den ihr die glühende Sonnenlinie nennet, in einer Stunde Zeit eine Vorrückung von ungefähr 474 Stunden Weges macht. 14. Ihr könnet aus diesen euch nun angegebenen Bewegungsraschheiten der Erde schon ersehen, daß allein dadurch die um die Erde ruhenden Äthergeister schon in eine ganz bedeutende Unruhe und aus ihr hervorgehende Tätigkeit versetzt werden. Dadurch wird die die Erde umgebende Luft zunächst von ihnen fort und fort gesättigt, und durch die Luft dann die ganze feste Erde selbst und alles, was auf ihr ist. 15. Zu den beiden euch gezeigten Bewegungen gesellt sich noch die noch um gar vieles raschere Bewegung des Lichtstrahles aus der Sonne, durch die die Äthergeister auch im hohen Grade beunruhigt und in großen Massen zur Erde herabgetrieben werden. Dadurch geschieht es aber, daß besonders in manchen Frühjahrs-, Sommer- und Herbsttagen die Luft der Erde zu sehr gesättigt wird, und durch sie auch die Erde und mit ihr ihre Bewohner. In solchen Tagen wird es dann gewöhnlich schwül, und Menschen, Tiere und Pflanzen fühlen eine Abmattung, werden träge und sehnen sich mehr nach Ruhe denn nach irgendeiner Tätigkeit. 16. Und sehet, dieses Gefühl rührt eben von den schon in einem großen Maße vorhandenen Äthergeistern in der Luft und in der Erde her, weil, wie schon gezeigt, diese Geister den ewig gleich vorwiegenden Hang zur förmlichen Todruhe haben, obschon sie in sich nicht tot sind! 17. Durch solche genötigte Anhäufung aber fangen diese besagten Äthergeister stets mehr und mehr an, einen sie belästigenden Druck zu fühlen, und fangen darum auch an, sich zu regen, um sich des Druckes zu entledigen, um sodann wieder zu ihrer süßen und behaglichen Ruhe zu gelangen. Dieses Regen gibt sich durch die Winde zuerst kund, welche dann um so heftiger werden, wenn der gewisserart übersättigte Erdkörper seine inneren, noch ungegorenen Naturäthergeister herauf auf die Oberfläche der Erde und in deren niederere Luftschichten zu treiben anfängt. 18. Aus dieser Durcheinandermengung der oberen und unteren Äthergeister in der Erdluft entstehen dann stets dichtere Nebel und Wolken; deren zunehmende Schwere belästigt die Äthergeister noch stets mehr, und diese fangen an, dahin einen Ausweg zu suchen und zu nehmen, wo sie den geringsten Widerstand finden, und diese Flucht der stets mehr gedrückten Äthergeister, die sich in ihrer Gedrücktheit denn auch mit den schon dichteren Geistern der Erdluft gewisserart unwillkürlich verbinden, erzeugen den heftigsten Sturmwind, der durch seine fortströmende Gewalt Bäume und Häuser zerstört und das Meer zu berghohen Wogen aufwühlt. 19. Wenn aber trotz solcher Flucht die beschriebenen Äthergeister sich in einem Hintergrunde einer Erdgegend noch gleichfort mehr und mehr anhäufen, was ihr durch das stets Schwärzer- und Dichterwerden der Wolken wohl merken könnet, so wird ihnen solch ein Druck unerträglich, und sie gehen dann in einer Art Grimmwut aus ihrer Trägheit plötzlich in die größte Tätigkeit über, und diese ihre größte Tätigkeit ist dann das zerstörende Feuer des Blitzes, der nahezu mit der Schnelligkeit des Gedankens aus der ihm zu lästigen Wolke weit hinfährt mit einem großen Getöse und alles, was ihm in den Weg tritt, mit unwiderstehlicher Gewalt zerstört. Die Erd- und Luftgeister aber werden bei dieser Gelegenheit wie durch gewaltigste Stöße derart aneinandergedrängt, daß sie sich notgedrungen ergreifen müssen, dichter und dichter und materiell schwer werden und entweder als ein starker Regen oder, wenn es sehr grimmig zugeht, auch als Hagel zur Erde fallen. 20. So aber die reinen Äthergeister, wie es ehedem der Fall war, durch die unreinen Erdäthergeister weithin zu sehr beleidigt werden, so steigern sie ihre Tätigkeit auch bis auf den höchsten Kulminationspunkt. In diesem Falle zerstören sie die Erdäther- und Luftgeister durch ihre allgemeine Feuertätigkeit, und es kommt da bei solchen selteneren Gelegenheiten weder ein Regen noch ein Hagelfall zum Vorschein.“ Kapitel 144 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 144. — Wettererscheinungen und deren Ursache 1. (Raphael): „Das Elektron ist demnach, klar dargetan, nichts anderes als zuerst die durch einen Druck und durch ein Reiben gestörte Ruhe und dann als zweites die erregte Tätigkeit der Äthergeister, die als ein zum Teil rein geistiger und zum Teil auch als der natürliche Licht- und Lebensstoff in der Erdluft, in dem ganzen Erdkörper selbst und dadurch auch in allem, was er trägt und hervorbringt, enthalten sind und sich erst dann auf eine auffallende Art zu äußern anfangen, wenn sie irgend auf die obbeschriebene Art beleidigt werden. 2. Wenn ihr denn zwei Hölzer nehmet und sie heftig aneinander zu reiben anfanget, so werden die besagten Geister, die zum Teil im Holze selbst stecken und zum Teil durch die das Holz umlagernde Erdluft auch mit ihr dasselbe umgeben, offenbar beleidigt, aus ihrer Ruhe gebracht und dadurch zu ihrer stets gleichen Tätigkeit erregt, und ihr werdet am zu stark geriebenen Holze nur zu bald ihrer Gegenwart und Tätigkeit durch das Glühendwerden und endliche Verbrennen des Holzes gewahr werden. 3. Ist aber einmal ein bedeutender Teil der Äthergeister tätig geworden, so werden dadurch auch die ehedem noch ruhigen Geister mit erregt und tätig, und durch diese Tätigkeit wird dann das ganze Stück Holz zerstört; und leget ihr dann auch ungeriebenes Holz dazu, so werden dessen Geister auch tätig und zerstören es, und je reichhaltiger ein Holz an derlei Geistern ist – was beim Harzholze der Fall ist –, desto eher und schneller wird es zerstört. 4. Da habe ich euch nun einmal schon ein handgreifliches Beispiel von dem gezeigt, was das eigentliche Elektron ist. Gehen wir aber nun weiter! 5. Nehmen wir zwei harte Steine und reiben diese recht gewaltig aneinander, und ihr werdet sogleich eine Menge Funken mit großer Schnelligkeit und Lebhaftigkeit aus denselben weit hintanspringend ersehen. Was anderes sind wieder diese Funken als die in den und um die Steine vorhandenen beleidigten und dadurch tätig gewordenen Äthergeister! Heftig aneinandergeriebene Metalle von sehr harter Beschaffenheit werden euch dieselbe Erscheinung fühlen und sehen lassen. 6. So zwei Winde mit großer Heftigkeit aneinanderzustoßen anfangen, was in solchen Gegenden, wo es hohe und steile Felsgebirge gibt, leicht geschehen kann, weil da der Wind leicht an den harten Wänden abprallt und dadurch mit großer Heftigkeit gegen sich selbst zu wüten anfängt, da werdet ihr auch bald eine Menge Feuererscheinungen entdecken. Ist die Heftigkeit minder groß, nun, so gleicht sich das mehr aus, und ihr werdet dann und wann da, wo ein heftigerer Zusammenstoß geschah, einen Blitz aus dem Winde zucken sehen und hier und da einen Windwirbel entdecken, der mit großer Leichtigkeit einen oder auch mehrere starke Bäume entwurzeln wird. Erreicht aber ein solcher sich selbst bekämpfender Wind die möglich höchste Heftigkeit auf irgendeinem günstigen Punkte einer dazu geeigneten Gegend, dann entzünden sich durch die Tätigkeit sämtliche darin anwesenden Äthergeister, und eine früher beschriebene Windwirbelsäule wird dann zu einer alles verheerenden Feuerwirbelsäule, vor deren Gewalt dann die mächtigsten Bäume, feste Burgen und sogar Felsen erbeben und ihr zertrümmert weichen müssen. 7. Was ist da eine solche verheerende Feuerwirbelsäule? Wieder nichts anderes als unser Elektron oder die Tatäußerung der in ihrer Ruhe zu sehr gestörten Äthergeister. Diese auf die höchste Weise tätig gewordenen Äthergeister ziehen dann auch alsbald aus der weiten Umgegend von hoch und nach allen Richtungen breit gedehnt ihresgleichen herbei, die ihnen gewisserart zu Hilfe eilen, und richten gewöhnlich oft eine so arge Verwüstung in einer Erdgegend an, daß ihre Spuren dann oft viele Jahre, ja hie und da wohl durch viele Jahrhunderte noch wohlersichtlich und bemerkbar sind. 8. Kommt ein solcher Windkampf auf dem Meere, am ehesten in der Nähe einer Küste vor, so wird durch den Windwirbel natürlich auch das leicht mitbewegbare Wasser in Mitleidenschaft gezogen, und es entstehen dadurch die sogenannten Wassersäulen, vor denen sich ein jeder Schiffer zu hüten hat; denn geriete ein Schiff in solch eine Säule, so würde es ohne Rettung zugrunde gerichtet werden. In den heißzonigen Gegenden der Erde kommen oft auch Feuerwirbelsäulen über dem Meere vor, vor denen sich ein jeder Schiffer noch mehr zu hüten hat. 9. Wir haben nun in den mehreren von euch auf der Erde schon erlebten und gesehenen Erscheinungen abermals gewahrt, wodurch sie hervorgebracht und bewirkt werden, was ihr Grund ist, und was sie eigentlich der Wahrheit nach in sich selbst sind. Aber wir wollen zur größeren Klärung eures Verstandes diese Sache noch weiter verfolgen und ausbeuten, denn der Hauptgrundsatz der Lehre des Herrn an alle Menschen dieser Erde und auch für alle Geister und Himmel für ewig gültig lautet: Nur die reinste Wahrheit in allen Dingen kann und wird euch frei und lebendig machen! Da aber derlei Erscheinungen auf dieser Erde notwendig unter allerlei Formen und Gestalten und somit auch unter allerlei Wirkungen und Nachwirkungen in Erscheinlichkeit treten und die blinden Menschen in allerlei falsche Mutmaßungen über den Grund und somit auch in allerlei Aberglauben versetzen, so ist es denn auch sicher gut, daß der Mensch neben der Erkenntnis und Annahme des göttlichen Willens auch die Erscheinungen, die ihm auf der Erde oft begegnen, vom Standpunkte der Wahrheit und nicht der finsteren Menschenfaselei beurteilen und erkennen kann.“ Kapitel 145 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 145. — Elektrische Erscheinungen 1. (Raphael:) „Wir haben zuerst gesehen, wie aus dem Rücken unserer Katze nach einigen gegen ihren Kopf geführten Strichen hervorsprühende Funken ersichtlich geworden sind. Waren etwa das auch beleidigte Äthergeister, die sich etwa an die Haare des Rückens der Katze gewissermaßen angeklebt hatten? Ja, sage ich euch, also ist es! Das Haar einer Katze ist sehr glatt und hat keine Unebenheiten, ist aber so wie eine jede andere Materie von der Luft und somit auch von den in ihr ruhenden und sicher vorhandenen Äthergeistern umlagert, und das gegen den Kopf hin darum reichhaltiger, weil die Haare da, besonders am Rücken, dichter werden als gegen den Schweif. 2. Streicht man nun das Tier vom Kopfe gegen den Schweif hin, so verteilt man die gegen den Kopf hin stets reichlicher vorhandenen Äthergeister in die weniger reichlich damit versehene Gegend. Es geschieht dadurch mehr eine Begleichung als eine eigentliche Beleidigung der gewissen Geister, und die Tätigkeitsäußerung derselben unterbleibt oder wird wenigstens nicht ersichtlich; im Gegenteil aber vermehrt man beim Streichen oder Reiben gegen den Kopf zu die bekannten Geister, beleidigt sie dadurch in einem gewissen Grade, und sie lassen alsbald ihr Vorhandensein durch ihre Tätigkeit merken. 3. Glatte Flächen, besonders von sehr harten Edelsteinen und vom Glas, das schon die alten Phönizier, die Philister und die Ägypter aus den Kieselsteinen zu bereiten verstanden haben, sind ganz besonders geeignet, die Äthergeister zur Äußerung ihrer Gegenwart zu nötigen, so man eben solche Flächen selbst nur mit trockenen Händen zu reiben anfängt. Und das auf diese Weise erzeugte Feuer ist wieder nichts anderes als das von mir euch beschriebene Elektron. 4. Weiter ist das Verbrennen des Holzes, des Strohs, der Öle, der Harze, der Naphtha, des Schwefels und aller brennbaren Stoffe nichts anderes als ein Akt des Elektrons. Das Erglühen und Schmelzen und sogar mögliche Verbrennen der Metalle und aller Mineralien geschieht auf demselben Wege nach den steigenden Graden der Tätigkeit der in ihrer Ruhe gestörten Äthergeister. Wenn diese kontinuierlich in eine solche Tätigkeit gebracht werden, wie sich ihre Tätigkeit in einem Blitze bekundet, dann zerstören sie alle Materie und lösen sie völlig in ihr ursprüngliches Äthergeisterelement auf. Aber beim Verbrennen des Holzes, des Öles und Harzes erreichen sie niemals solch einen höchsten Tätigkeitsgrad, weil sie dabei stets in einen ihre Tätigkeit hindernden Kampf mit den gröberen, in der Materie gefesselten Naturgeistern treten. 5. Wenn aber beim Akt des Verbrennens ihnen durch ein starkes Zuströmen der Luft immer größere Massen der Äthergeister gewisserart zu Hilfe kommen, dann wird auch die Hitze des Holz- und Kohlenfeuers um ein bedeutendes erhöht und kann auch die noch starreren Naturgeister in der Materie der Metalle und Steine in Tätigkeit versetzen, welche Tätigkeit dann gewöhnlich ihr Erglühen, Schmelzen, auch Verbrennen und möglich auch ihr gänzliches Auflösen bewirken kann. 6. Das Wasser selbst hat in großer Menge der nun schon vielfach euch erklärten Äthergeister in sich. Es besteht als Stoff aus überaus kleinen runden Bläschen, in denen sich die eigentlichen Äthergeister eingeschlossen befinden. Weil diese Bläschen, als höchst rund und glatt, einander weniger drücken, da sie als höchst leicht verschiebbar sich gegenseitig in einem fort ausweichen, so verhalten sich die Äthergeister im Wasser auch gewöhnlich ruhig. Aber es darf das Wasser nur in einem Gefäße zum Feuer gesetzt werden, so wird es bald unruhig werden; denn die Äthergeister im Wasser werden durch die Außentätigkeit der ihnen ebenbürtigen Äthergeister erregt, fangen an, mit stets größerer Heftigkeit die eigentlichen Wasserstoffbläschen durcheinanderzutreiben und auszudehnen, und viele verlassen beim Zerplatzen der zu sehr ausgedehnten Wasserstoffbläschen ihr Wohnelement und entweichen und vereinigen sich mit den freien Äthergeistern entweder in der Erdluft, oder sie steigen gar durch die ganze Luftschicht bis zu ihren Urverwandten schnell in die Höhe. 7. Daß sonach das Sieden und Verdampfen des Wassers bis auf den letzten Tropfen auch ein, um nach diesweltlicher Weise zu sprechen, elektrischer Akt ist, werdet ihr aus dem nun Gesagten wohl auch so ziemlich leicht begreifen können, und noch klarer aber wird euch das, so ich euch dabei noch auf einige Erscheinungen, die euch allen mehr oder weniger schon bekannt sind, aufmerksam mache. 8. Wir wissen nun, daß die aus ihrer Ruhe gebrachten Äthergeister nur zu bald durch ihre Tätigwerdung die ihnen eigene unwiderstehliche Gewalt und Macht zu erkennen geben, und seht, das tun sie auch, so sie im Wasser durch eine stets zunehmende Außentätigkeit ihrer Gefährten, also durchs Feuer, beunruhigt werden. Wenn sie da in ihrer Aufwallung noch entweichen und sich in den Zustand der Ruhe versetzen können, so ist ihnen das natürlich lieber; aber setzt ihr in einem festverschlossenen Gefäße ein Wasser ans Feuer, so werden die im Wasser ruhenden Äthergeister es euch bald zeigen, welche Gewalt sie in sich haben, so sie tätig zu werden anfangen. Es wird nicht lange dauern, und wäre das Gefäß auch aus armdickem Eisen angefertigt, so wird es in Stücke zerrissen, und die Geister werden sich unter einem großen Knallgetöse frei machen und sich darauf in ihre angestammte Ruhe zurückziehen. – Da habt ihr schon ein erscheinliches Beispiel, aus dem ihr nun schon wieder und sicher noch klarer ersehen möget, daß auch im Wasser die Äthergeister daheim sind. 9. Die reinen Äthergeister aber kann nichts so sehr in eine große Tätigkeit versetzen, als wenn die unreinen Naturgeister aus dem Innern des Erdkörpers in oft größeren Massen aufsteigen und sich mit den Luftgeistern gewisserart zu vereinen oder sich unter dieselben zu mengen anfangen, wie das soeben der Fall war. Da entsteht gleich ein großer Kampf, bei dem die unreinen Geister stets besiegt, aber dadurch auch gereinigt und fürs Leben der Pflanzen und Tiere nicht nur unschädlich, sondern sogar wohldienlich werden. 10. Über dem festen Boden der Erde wüten bei solchen Gelegenheiten stets große Stürme, wie wir nun einen erlebt haben; geschieht aber eine solche massenhaftere Aufsteigung der unreinen Naturgeister irgendwo unter dem Meere, so werden dadurch die reinen Äthergeister im Wasser auch gleich höchst unruhig, und die Folge davon ist gewöhnlich der Springflutsturm, der für die Schiffer am gefährlichsten ist, weil dabei die Wogen oft zu ordentlichen Wasserbergen emporgehoben werden und selbst mit den größten, festesten Schiffen wie ein Sturmwind mit der Spreu ein arges Spiel treiben. Bei solchen Gelegenheiten werden die unreinen Geister sicher auch sehr gereinigt; aber es ist da für die Menschen eben nicht geheuer, sich dort auf dem Meere zu befinden, wo ein solcher Akt vor sich geht. 11. Erfahrene Schiffer kennen das aus gewissen, solch einem Akte stets vorangehenden Warnungszeichen und begeben sich nicht in die Gefahr; sind sie aber schon auf dem Meere, so werden sie sich auch beeilen, sobald als möglich ein Ufer zu erreichen, und ist das nicht tunlich, sich doch dem hohen Meere anzuvertrauen. 12. Nach einem solchen Sturme werdet ihr, so das Meer wieder ruhig geworden ist, auch die Oberfläche des Meeres, das Tauwerk des Schiffes, die Ruder und noch manches andere lichtschimmernd ersehen, so wie ihr ehedem draußen das Gras, die Bäume und sogar eure Haare leuchtend ersehen habt. Die Ursache davon ist natürlich wieder das euch nun schon zur Genüge erklärte Elektron; aber es stammt das nun nicht so sehr mehr von der besonderen Tätigkeit der Äthergeister, sondern vielmehr von den geläuterten, ehedem unreinen Naturgeistern aus dem Innern der Erde her, welche Geister sich auf diese Weise sichtbar den Pflanzen, Tieren, dem Wasser und der Luft wohldienlich zu erweisen anfangen. Die alten Naturweisen haben solchen Schimmer das Gegenelektron genannt. 13. Und damit habe ich euch nun denn auch diese Erscheinung auf eine sicher begreifliche Weise erläutert, und ihr könnet dasselbe auch andern Menschen tun, damit der finstere und verderbliche Aberglaube bei den Menschen abnehme und verderbe; denn jeder Aberglaube ist wie ein tödliches Gift für die reine und die Seele allein belebende Wahrheit.“ Kapitel 146 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 146. — Die Frage nach Raphaels Wesen 1. (Raphael:) „Suchet daher die Menschen in allem der von euch erkannten Wahrheit nach wohl zu unterweisen, so werdet ihr das geistige Glaubensfeld wohl düngen, und der Same des Wortes Gottes wird da bald und leicht feste Wurzeln treiben, und der aus dem Samen emporkeimende Stamm wird sich zu einem wahren und kräftigen Lebensbaume entfalten! 2. Nur Wahrheit und Licht in allen Dingen muß ein Mensch, der zum Leben des Gottesgeistes in sich dringen will, in sich lebendig und klar erfassen; denn jeder Schatten in der Seele kann sie auf Irrwege bringen, auf denen sie sich dann schwer zurechtfinden wird. 3. So ihr aber den Menschen das Evangelium predigen werdet, da befreiet sie zuvor von dem verderblichen vielfachen Aberglauben, und sie werden dann bald der großen Segnungen des Wortes Gottes gewahr werden und zu euren Freunden werden! 4. Nichts aber wird vom Herrn und allen Engeln der Himmel mit größerer Liebe und Segnung angesehen als eben die allgemeine, wahre Liebe und Freundschaft unter den Menschen; diese aber kann nur dann zu walten anfangen, wenn die Menschen sich in aller Wahrheit und im hellsten Lichte aus Gott entgegenkommen. Denn die reine Wahrheit befriedigt das Herz und macht es sanft und demütig und dadurch gegen jedermann freundlich und liebdienstlich beflissen, weich und barmherzig. 5. Nehmet euch diese Worte wohl zu Gemüte und handelt danach, so werdet ihr viel Segen unter den Menschen verbreiten, und des Herrn Gnade wird in euch lebendig werden! – Habt ihr dies alles nun wohl aufgefaßt und begriffen?“ 6. Hier dankten alle dem Raphael und bejahten die Frage. 7. Der Hauptmann aber, über die Weisheit Raphaels höchst erstaunt, sagte zu ihm: „O du holdester junger Freund, wie hast du wohl zu solch einer großen Weisheit gelangen können? Denn die Lehren, die du uns nun schon gegeben hast, und die Macht, die du besitzest, und die du uns auch schon auf eine mehrfache und wunderbarste Weise gezeigt hast, zeugen dahin, daß auch du offenbar mehr sein mußt als ein auf dieser Erde aus dem Leibe eines Weibes geborener Mensch. Sage es uns doch, ob nicht auch du so etwas von einem Gotte bist!“ 8. Sagte Raphael: „O allerdings, denn ein jeder Mensch, der nach dem Willen und nach der Ordnung Gottes lebt, hat die Lebensmacht und Kraft Gottes in sich, ist darum ein Kind Gottes und kann zu Gott ,Heiliger Vater‘ in aller Wahrheit und Klarheit rufen. Wer aber das tut und tun kann, der wird ja wohl auch so ein starkes Etwas von dem einen und allein wahren Gott in sich haben, nicht nur für diese Zeit, sondern für die Ewigkeit! 9. Du staunest über mich, und ich sage es dir, daß nun schon mehrere Jünger des Herrn, so es nötig wäre, dasselbe zu leisten imstande wären, was ich vor euch geleistet habe. Ich bin darum nichts mehr und nichts weniger als ein Mensch, der in einer Zeit aus dem Leibe eines Weibes ist in die Welt geboren worden, aber nicht gestorben ist und auch nie sterben, sondern ewig fortleben wird, weil er in sich als ein reiner Geist ein Herr seines Lebens geworden ist, – was aber auch ihr alle werden könnet und auch werdet, so ihr nach der Lehre des Herrn leben und handeln werdet. Nun habe ich euch auch das, insoweit es für euch jetzt taugt, erklärt; ein Weiteres werdet ihr zur rechten Zeit schon noch erfahren.“ 10. Mit dem begnügten sich die Fragenden und fragten nicht weiter, wer Raphael noch wäre. 11. Die zehn Hauptrömer aber, die da wohl wußten, was es mit dem Raphael für eine Bewandtnis hat, sagten nichts aus, da ihnen Raphael dahin einen Wink gegeben hatte, daß sie ihn nicht ruchbar machen sollten, da die Neulinge sich an einem reinen Geiste in ihrem Herzen gestoßen hätten und ihre Seele zu bald und für sie nicht heilsam den Glaubenszwang überkommen hätte. Kapitel 147 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 147. — Schnee und Eis 1. Nach einer Weile fragte der Hauptmann abermals den Raphael, sagend: „Höre, du unser junger, allerholdester und hochverehrtester Freund, mir ist nun soeben noch etwas in Hinsicht auf die Wirkung des Elektrons eingefallen, und ich möchte es in Kürze von dir vernehmen, ob die Erscheinungen des Winters auch von der Tätigkeit der Äthergeister herrühren und wie.“ 2. Sagte darauf Raphael: „Allerdings! Im Winter, besonders in den mehr nördlichen Teilen der Erde, wie im gleichen auch in den tief südlichen Landen, Inseln und Meeren, fallen die Strahlen der Sonne stets schiefer auf die samt der atmosphärischen Luft kugelförmig runde Erde. Dadurch werden denn auch die Äthergeister auf der nördlichen und südlichen Erdhälfte gegen die Pole hin von den Strahlen der Sonne, die da offenbar schwächer werden, wie auch durch die geringer werdende Reibung der bis an den Äther hinaufreichenden Luft um vieles weniger denn im Mittelgürtel der Erde in ihrer Ruhe gestört. Dadurch aber werden sie denn auch untätiger und daher wirkungsloser. 3. Solche Untätigkeit aber hat dann auch das zur Folge, daß die Luftgeister selbst untätiger werden und am Ende auch ganz ohne alle Regung wie erstarrt einander drücken würden, so in solchen Teilen der Erde nicht die inneren Erdgeister in größeren Massen aufstiegen und sie in ihrer Ruhe störten. Diese gewisserart ungeladenen Gäste verspüren die in der Luft vorhandenen Äthergeister und fangen an, zumeist dorthin flüchtig zu werden, wo es weniger Erdgeister gibt, und das geschieht nach der Richtung gegen den Mittelgürtel der Erde. Die flüchtigen Äthergeister nötigen bei solchen Gelegenheiten denn auch die ihnen verwandten Luftgeister zur Mitflucht, und es fangen daraus fürs Gefühl der Menschen, Tiere und Pflanzen eisigkalte Winde zu wehen an, die ihrer um vieles geringeren Tätigkeit wegen kalt sind; denn nur die erhöhte und vermehrte Tätigkeit erzeugt Wärme. 4. Wenn sich die unreinen Geister in der Luft der Erde stets stärker und stärker mehren, so werden sich dadurch auch Dünste und Wolken stets in dichteren Massen zu bilden und zu zeigen anfangen, werden von den schon beschriebenen Winden mit fortgetragen und sehr gedrückt. Dadurch entsteht ein Kampf, bei dem die unreinen Geister in der Form des Schnees auf die Erde herabgeworfen und dabei auch gereinigt werden, und das oft in großen Massen. Das ist dann für den Erdboden wieder gut und dienlich, weil durch den Schnee die Erde gedüngt und ihre Fruchtbarkeit erhöht wird. 5. Ich sehe aber in dir noch eine Frage, und die besteht darin, daß du als ein Hauptmann durch den Wissensdurst getrieben, von mir noch gerne erfahren möchtest, ob das Eis auf den Flüssen, Seen, Teichen und auch auf den Meeren auch durch die gewissen Geister erzeugt wird. 6. Ganz sicher! Durch zu geringe Tätigkeit und durch ihren Trieb nach Ruhe werden sie enger aneinander, gewisserart wie gepreßt, ohne sich dabei irgend tätig zu regen; dadurch werden sie im Verein mit den Luftgeistern schwer, drücken auf die Geister des Wassers, die dadurch auch in eine völlige Untätigkeit übergehen, und diese völlige Untätigkeit ist hernach eben das, was sich dir am Wasser als Eis zeigt. Je weniger Tätigkeit in sich demnach die euch nun zur Genüge gezeigten Geister entwickeln, desto kälter muß es denn auch in den Gegenden werden, in denen den Geistern eine zu geringe Gelegenheit zur erhöhteren Tätigkeit geboten wird. Darum gefrieren im Winter denn auch rasch dahinfließende Ströme und Bäche um vieles schwerer als ganz ruhig stehende Gewässer, weil die gewissen Geister in ihnen notgedrungen tätiger sind als in den stehenden Gewässern. 7. Siehe, Menschen und auch Tiere, so sie träge und untätig sind, kommen vor Wärme in keinen Schweiß, und in einer kalten Jahreszeit schon gar nicht; aber Menschen, die sich recht tätig herumtummeln, werden selbst im Winter noch an innerer Naturlebenswärme keinen Mangel haben. Die Trägheit in allem ist gewisserart der Tod und das Gericht eines jeden Wesens. 8. Darum denn ermuntert auch eure Nebenmenschen zur Tätigkeit, denn in der Tätigkeit bildet sich das Leben, in der Trägheit aber der Tod. Mit dem habe ich euch nun auch in dieser Richtung ein gutes und wahres Licht gegeben; benützet es der Wahrheit gemäß, und es wird euch gute Früchte tragen!“ 9. Hierauf dankten wieder alle dem Raphael auch für diese Belehrung und priesen seine Weisheit, die ihm auch eigen sei in der Beleuchtung und gründlich klaren Darstellung aller früher von keinem Naturweisen nur annähernd der Wahrheit nach erkannten und erklärten Erscheinungen in der Naturwelt. 10. Es konnten sich aber diese neuen Jünger von der Gestalt der Erde trotz der weisen Rede Raphaels dennoch keinen richtigen Begriff machen. 11. Und der Hauptmann sagte darum zu Raphael: „Ich kann mir nun schon das meiste, über das du uns belehrt hast, recht gut vorstellen, da ich einsehe, wie die Geister oder die geheimen Naturkräfte überall beschaffen sind, und wie sie wirken; aber von der Gestalt der Erde fehlt mir noch eine richtige Vorstellung. Möchtest du mir nicht ein faßlicheres Bild von ihrer Gestalt und Beschaffenheit entwerfen?“ 12. Sagte Raphael: „Mein lieber Freund, mit Worten geht das wohl durchaus nicht, denn da könnte ich dir die Gestalt der Erde ein Jahr lang beschreiben, so hättest du noch keinen vollkommen richtigen Begriff von ihr; aber ich will euch Neulingen etwas anderes zu eurer helleren Aufklärung über die Gestalt der Erde tun, und zwar so ihr es wollt, das, was ich euch zur Erklärung des Fortlebens der Seele nach des Leibes Tode getan habe. Ihr werdet in solch einem erhöhten Sehzustande der Seele in wenigen Augenblicken die ganze Erde übersehen und euch dann sogestaltig den wahrsten Begriff von ihrer Gestalt selbst machen können. 13. Wir werden aber dazu nicht des dritten Grades des inneren Seelen-Sehezustandes benötigen, sondern nur des zweiten, und ihr werdet die Erde ganz, wie sie ist, vom Nord- bis zum Südpol übersehen, und so ich euch aus solch einer Verzückung wieder wachrufen werde, da werde ich auch dafür sorgen, daß euch das Geschaute in der möglichst klaren Erinnerung bleiben wird. So ihr also das wollet, so will ich euch auch das tun.“ 14. Sagten alle: „Wir bitten dich darum, tue uns das!“ 15. Es traten aber auch die andern Römer auf und sagten: „Höre! Wir haben wohl zwar schon vom Herrn eine derartige und wundervolle mit Anschauung verbundene Erklärung über die Gestalt der Erde überkommen, daß wir sie vom Nord- bis zum Südpol und dem ganzen Umfange nach völlig genau kennen; aber wir meinen, daß es uns dennoch auch zum Nutzen dienen würde, so du uns nun auch mit den Neulingen in die Verzückung zögest, auf daß wir von dem Gesehenen mit in aller Wahrheit zeugen könnten! Wenn du das für gut findest, so tue auch uns den Gefallen!“ 16. Sagte Raphael: „Euch tut das zwar nicht mehr not; aber des größeren Zeugnisses halber kann ich euch solchen Gefallen ja auch mit erweisen, und so machet euch denn nun gefaßt darauf!“ Kapitel 148 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 148. — Agrikolas Ermahnung zur Abreise 1. Nach diesen Worten streckte Raphael seine Hände über sie, und sie sahen, wie von einer Höhe von mehreren hundert Stunden über der Erde sich befindend, die ganze Erde, nahmen auch ihre Drehung um ihre Polarachse wahr, übersahen alle Länder und Reiche, das Meer und die mit ewigem Schnee und Eis bedeckten Polargegenden und merkten auch der Erde runde Gestaltung, der auch die höchsten Berge keinen Eintrag machten. 2. Diesmal aber ließ sie Raphael bei einer Stunde lang in dem hellsehenden Zustande, damit sie auch die Drehung der Erde entschiedener wahrnehmen konnten, wie auch die gegen den Äquator stets zunehmende Tätigkeit der Äther-, Luft- und aller reineren und gröberen Naturgeister, die sie in der Gestaltung von sehr kleinen, mehr oder weniger schimmernden Würmchen wahrnahmen. Daß sie auch alle andern Dinge, Sachen und Gegenstände auf der Erde nach allen Richtungen hin wohl ausnehmen konnten, versteht sich von selbst. 3. Nach einer Stunde erweckte sie Raphael wieder in den natürlichen Zustand zurück, und alle dankten zuerst Mir, daß Ich so etwas zugelassen habe, und dann auch dem Raphael, daß er ihnen diese sie über die wahre Gestalt und Bewegung der Erde sowie auch über das Sein und Wirken der Naturgeister so klar und tief belehrende Wohltat erwiesen habe. 4. Darauf fing aber auch gleich Hals über Kopf einer dem andern zu erzählen an, was er alles gesehen und wahrgenommen hatte, und ein jeder hatte darob eine große Freude, weil alles, was ein jeder gesehen und wahrgenommen hatte, bei allen genauest übereinstimmte, und die zehn Hauptrömer freuten sich auch darum noch mehr, weil das nun von neuem Gesehene und Wahrgenommene auch mit dem genauest übereinstimmte, was sie schon früher über das Wesen der Erde gehört und gesehen hatten. 5. Das gegenseitige Erzählen und Wahrheitsbestätigen aber wollte nun schon nahe kein Ende nehmen und dauerte bis zum Tagesgrauen fort, während Ich und alle die andern noch fortschlummerten. 6. Da ermannte sich Agrikola und sagte: „Meine Freunde und nun wahren Brüder durch die Gnade des Herrn! Der Tag unserer Abreise von hier ist im Anbrechen, und wir haben dafür noch so manches zu ordnen und zu besorgen. Wie sieht es mit unseren Dienern, mit den Lasttieren, mit unserem Reisegepäck aus? Wir sind nun schon nahe über zwölf Tage in dieser Gegend und haben uns in dieser Zeit aber auch nicht einmal darum bekümmert! Wir haben nun aber gar vieles mitzunehmen und werden deshalb auch eine viel größere Anzahl von Lasttieren vonnöten haben. Woher werden wir solche nehmen? Es ist nun im Ernste an der Zeit, daß wir dazu Vorkehrungen zu treffen anfangen.“ 7. Sagte Raphael: „Freunde, bis zur Stunde sind alle eure Sachen in bester Weise besorgt worden und werden auch bis zur Stunde eurer Abreise aufs beste und zweckdienlichste besorgt werden; darum kümmert euch auch jetzt nicht um das, um was ihr euch bis jetzt nicht zu kümmern nötig gehabt habt. Eure Diener und Knechte sind alle ohne euer Wissen und Wollen schon lange hier in Bethanien untergebracht, und so auch alles andere in der rechten Anzahl, denn der Herr wußte es sicher gar wohl, wessen ihr zu eurer Rückreise bedürfen werdet, und hat eben durch mich denn auch schon bestens dafür gesorgt. Darum könnet ihr in dieser weltlichen Hinsicht nun denn auch schon ganz ruhig sein!“ 8. Sagten die Römer: „O Freund, das wäre zu viel Gnade des Herrn für uns Heiden; aber weil sich alles schon also verhalten wird, wie du es uns nun gesagt hast, so ist es aber nun dennoch an uns schon hoch an der Zeit, mit unserem Gastwirt und Freunde Lazarus die Rechnung zu machen und ihm unsere große Schuld zu bezahlen!“ 9. Sagte nun Lazarus: „Freunde! Der für das eine gesorgt hat in Seiner großen Liebe und Erbarmung, der hat auch schon für das andere allerreichlichst gesorgt! Ihr werdet auf dem Wege in euer Heimatland noch eine Menge armer und notleidender Menschen hier und da treffen; denen könnet ihr Barmherzigkeit erweisen im rechten Maße. Und so habt ihr euch bis zur Stunde eurer Abreise von nun an um gar nichts mehr zu sorgen!“ 10. Sagte Agrikola ganz gerührt: „So geschieht hier doch ein Wunder der großen Liebe des Herrn ums andere, und wir großen und mächtigen Römer können Ihm nichts dagegen irgend Verdienstliches erweisen!“ Kapitel 149 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 149. — Der Herr gibt Seine irdische Zukunft kund 1. Hier erwachte Ich, richtete Mich auf und sagte: „So ihr an Mich glaubt und nach Meiner Lehre fortan lebt und handelt, so tut ihr Mir gegenüber alles, was da Meiner Liebe, Gnade und Erbarmung wert ist. Ihr werdet aber in Meinem Namen noch gar vieles zu tun bekommen; werdet ihr alles aus Liebe zu Mir und zum Nächsten tun, was zu tun euch Mein Geist in euch beheißen wird, so werdet ihr dadurch Mir auch alles vergüten, was euch durch Meine Liebe und Gnade zuteil geworden ist. 2. Was ihr euren armen Nebenmenschen Gutes tut, geistig und physisch, in Meinem Namen, das tut ihr Mir. 3. Ihr nehmet nun auch die von Mir euch anvertraute Jugend und noch mehrere hiesige Arme aus Liebe zu Mir mit euch, die euch so manche irdischen Unkosten, Mühen und Sorgen bereiten werden, und sehet, das nehme Ich auch so an, als würdet ihr dasselbe Mir tun, und Ich werde euch dafür auch den Lohn im Himmel bereiten, und in dieser Welt werdet ihr keinen Schaden erleiden! 4. So aber auch ihr, was in dieser Welt schon also zu sein und zu geschehen hat, von so manchen Prüfungen und Versuchungen heimgesucht werdet, so ertraget es in Geduld und werdet nicht unwillig, und sie werden euch zum Segen gereichen; denn welche Ich liebhabe, die prüfe ich auch und suche sie mit allerlei Proben heim. 5. Ich habe euch schon auf dem Ölberge einmal zu verstehen gegeben, daß Ich in von nun an nicht gar ferner Zeit es Selbst zulassen werde, zum Gerichte der Frevler und zum Heile der Meinen, daß Mich eben die Frevler ergreifen und Meinen Leib töten werden, und das am Kreuze wie einen gemeinsten Verbrecher. So ihr davon hören werdet, da ärgert euch nicht über Mich, sondern bleibet im Glauben an Mich und in der Liebe zu Mir, und ihr werdet dadurch einen großen Teil haben an Meinem Werke der Erlösung der Menschen aus den alten und harten Banden und Fesseln der Nacht des Todes, der Sünde und Sklaverei des finsteren und den Tod bringenden Aberglaubens! 6. Ich sage es euch und auch allen andern noch einmal, daß sich darob niemand ärgere und schwach werde im Glauben! Denn obschon dieser Mein Leib von den Frevlern wird getötet werden, so werde Ich aber dennoch schon am dritten Tage wieder den getöteten Leib beleben und werde auferstehen als ein ewiger Sieger über den Tod und über alles Gericht! Ich werde dann wieder zu euch kommen und werde euch geben die Kraft Meines Geistes und Willens in euch zu eurer eigenen Lebendigmachung und Beseligung für ewig! 7. Ich sagte euch dieses darum nun schon zum zweiten Male und mit großer Bestimmtheit zum voraus, auf daß, so es geschehen wird, sich von euch niemand ärgere an Mir. 8. Ich sage euch aber auch noch etwas, da ihr in euch nun also fragend denket: ,Ja, muß denn das also geschehen? Hat denn Er als der allweiseste und allmächtige Herr der Himmel und dieser Erde im Ernste kein anderes Mittel, um erstens die vielen Frevler zu bändigen, und zweitens, die an Ihn Gläubigen und Haltenden zu beseligen?‘ 9. Und sehet, das, was Ich euch darauf sage, besteht darin: Ich will es nicht, daß es also geschehe, und Ich hätte der Mittel und Wege, Meine Kinder auch ohne das, was da geschehen wird, zu erlösen und selig zu machen; aber die argen Menschen wollen es also, und darum lasse Ich es denn auch zu, daß es also geschehen möge, auf daß sich eben dadurch auch viele Frevler zur Reue, Buße und zum wahren Glauben an Mich bekehren mögen! Denn die Brut im Tempel sagt und schreit es ja in einem fort: ,Lasset uns ihn nur ergreifen und töten! Wenn er vom Grabe wieder auferstehen wird, dann wollen auch wir an ihn glauben!‘ Sie wollen also diese letzte Probe an Mir machen, und so sei es denn endlich auch einmal zugelassen. Es werden dadurch auch viele, die jetzt noch stockblind sind, sehend und an Mich gläubig werden; doch die Grundargen werden eben dadurch ihr Sündenmaß voll machen und fallen in ihr Gericht und in ihren ewigen Tod. 10. Wenn Ich wieder aus dem Grabe erstehen werde, da werde Ich auch zu euch nach Rom kommen und euch selbst überzeugen von dem, was Ich nun zu euch geredet habe.“ 11. Hier fragte der Römer Markus, sagend: „Herr und Meister, bis wann von nun an wird solches an Dir geschehen?“ 12. Sagte Ich: „Bald! Eher noch, als ein Jahr um sein wird, werde Ich zu euch kommen und euch geben, was Ich euch verheißen habe. Aber nun wollen wir davon nichts Weiteres mehr verhandeln! Es fängt schon stark zu tagen an, und wir wollen den Morgen wieder im Freien zubringen!“ 13. Damit waren alle zufrieden und fingen an, sich mit Mir ins Freie auf den schon bekannten Hügel zu begeben. Kapitel 150 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 150. — Der Weg zur Einung mit dem Geiste und zur Wiedergeburt 1. Als wir uns auf dem Hügel befanden bis auf einige Jünger, die der Schlaf noch gefangenhielt, da trat der Römer Markus zu Mir und sagte: „Herr, wirst auch Du heute diesen Ort verlassen? Und so Du ihn verlässest, möchtest Du es heute mir nicht bekanntgeben, wohin Du Dich wenden wirst, auf daß wir Römer es wüßten und Dir im Geiste um so leichter und bestimmter folgen könnten?“ 2. Sagte Ich: „Was den ersten Teil deiner Frage betrifft, so bin Ich da gleich einem Menschen, der viele Äcker hat und dafür sorgen muß, daß alle seine Äcker wohl bebaut werden. So er aber einen Acker einmal wohl bestellt hat, hieltest du ihn für weise, so er nun aus lauter Freude auf dem wohlbestellten Acker stehenbliebe und nicht daran dächte, daß er auch noch die andern Äcker zu bestellen hat? Siehe, Ich habe nun auch diesen Acker, den ihr alle darstellet, wohl bestellt und habe darob denn auch wahrlich eine rechte Freude! 3. Aber nun heißt es auf einen andern, noch brachliegenden Acker übergehen und ihn auch wohl bebauen und bestellen. Und so werde auch Ich nach dem Morgenmahle Mich mit Meinen Jüngern von hier irgend weiter wohin begeben; doch das eigentliche Wohin sage Ich jetzt noch nicht, auf daß es bei Gelegenheit nicht jemandem aus dem Munde falle und Ich dann leichter vor der Zeit von Meinen vielen Feinden bald da- und bald dorthin verfolgt werden könnte, was Mich in Meiner Arbeit nur stören würde, weil Ich dabei stets für nichts und nichts mit Meinen Widersachern zu kämpfen hätte. Und es ist also ganz gut, daß nur Ich allein es weiß, wohin Ich Mich wenden will und werde; für jeden andern aber genügt es, daß er das erst nachderhand erfahre, wo Ich war, und was Ich alldort gewirkt habe. 4. Ich will damit aber nicht behaupten, als könntet ihr Römer nicht verschlossenen Mundes sein; aber es gibt noch andere hier, die euch in dieser Tugend nicht gleichen, und es ist darum schon besser, daß Ich Selbst nicht der bin, der sich verrät. Muß denn nicht ein weiser Feldherr auch seine Kriegspläne manchmal sogar vor seinen nächsten Obersten und Hauptleuten verborgen halten, so er eine Schlacht gewinnen will? Und siehe, also tue es auch Ich! Darum machet euch nun nichts daraus, so Ich euch den irdischen Ort nicht näher angebe, den Ich besuchen werde; überall gibt es Römer und Griechen unter den Juden nun, diese werden euch dann schon bald die Nachrichten nachsenden, wo und was Ich weiter gelehrt und gewirkt habe. 5. So ihr Mir aber im Geiste folgen wollet, da denket nur so recht lebendig über alles nach, was ihr von Mir vernommen und gesehen habt! Handelt und lebet im Geiste Meiner Lehre, welche die Worte des Lebens in sich birgt, so werdet ihr Mir dadurch wahrhaft und lebendig im Geiste folgen!“ 6. Als Markus solches von Mir vernahm, da war er mit diesem Bescheide denn auch ganz zufrieden, und auch alle die andern, und es fragte Mich dann keiner mehr, wohin Ich an diesem Tage die Reise mit den Jüngern machen werde. 7. Darauf aber winkte Ich dem Raphael, daß er die Jugend versorgen und alles für die Abreise der Römer in Bereitschaft halten solle. Und Raphael verschwand auf diesen Wink augenblicklich aus Meiner Nähe. Das fiel den Neulingen schon wieder sehr auf, besonders dem Hauptmann von Bethlehem und seinen Gefährten. 8. Der Hauptmann fragte Mich denn auch sogleich und sagte: „Hatte ich in der Nacht denn nicht recht, so ich den Jungen, der ein wahres lebendiges Wunder ist, für eine Art Gott hielt? Seine große Weisheit, seine Kraft und nun dieses urplötzliche Verschwinden bestätigen das doch auf eine kaum widerredbare Weise! Woher ist er denn, und wer sind dieses seltenen Jungen Eltern? Herr und Meister, darüber könntest Du uns wohl einen näheren Aufschluß geben, so Du das wolltest, und uns wäre das wahrlich sehr lieb!“ 9. Sagte Ich: „Das könnte Ich wohl, so es zu eurem Seelenheil unbedingt notwendig wäre; aber das ist es nicht, und so ist es vorderhand genug, daß ihr der Wahrheit nach von ihm selbst über sein Wesen das wisset, was er euch gesagt hat, als ihr ihn darum befragt habt. Glaubet ihr ihm nicht, der euch in dieser Nacht doch so manche Beweise seiner Wahrhaftigkeit gegeben hat, so würdet ihr am Ende auch über das, was Ich euch über ihn aussagen würde, die Achsel zucken und bei euch sagen: ,Ah, wie kann denn das sein?!‘ Darum behaltet Meine Lehre, glaubet an Mich und handelt danach, so werdet ihr auch bald hinter das Seinsgeheimnis Meines Raphael kommen! 10. Viel wissen als noch ein purer Naturmensch beschwert Kopf und Herz; aber nach vielen edlen Handlungen viel des lebendigen Wahrheitslichtes in sein Inneres aufgenommen zu haben, das erheitert das Herz und erspart der Seele die mühsame Arbeit, oft fruchtlos im Gehirn ihres Leibeshauptes herumzuwühlen und das Wahre und Rechte doch nicht zu finden. 11. Ich sage es euch: Im Geiste des Menschen liegen alle und – sage – endlos viele Wahrheiten verborgen! Suchet nur, daß ihr auf den euch nun schon bekannten Wegen zur vollen Einung mit dem Geiste in euch gelanget, dann werdet ihr nicht mehr nötig haben zu fragen, wer des Raphael Eltern seien oder waren; denn der Geist wird euch in alle Wahrheit leiten. 12. Gehet hin in die Städte Ägyptens, und leset dort die ganze Zeit eures Erdenlebens alle die nahe zahllos vielen Bücher und Schriften mit allem Fleiße durch, und ihr werdet als außerordentliche Vielwisser wieder in euer Heimatland zurückkehren; aber deshalb wird euer innerer Geist noch lange nicht eins werden in euch, und ihr werdet nach der Durchlesung von vielen tausend Büchern und Schriften von dem Wesen Gottes, von eurem Geiste und von dem Fortleben der Seele ebensoviel wissen, wie ihr bis jetzt gewußt habt. Hier habt ihr in wenigen Stunden mehr gelernt und der vollsten Wahrheit nach erfahren, als euch alle Weisen der Welt hätten sagen und zeigen können. 13. Darum bleibet nun auf diesem Wege, der euch allein zur lebendigen Wahrheit und Weisheit in allen Dingen führen kann, und forschet nicht zur Unzeit nach Dingen und ihren Verhältnissen, zu deren richtigen Erfassung und Ergreifung ihr noch lange nicht zur Genüge lebensreif seid; denn solch ein eitles Forschen hält die Seele nur auf, wahrhaft stets tiefer und tiefer in ihren eigenen Geist zu dringen! 14. Suchet vor allem euer Lebensgefühl nach Meiner Lehre zu bilden und zu stärken, fühlet mit dem Armen seine Not und lindert sie nach euren Kräften und nach eurem Vermögen, tröstet die Traurigen, bekleidet die Nackten, speiset die Hungrigen, tränket die Durstigen, helfet, wo ihr könnet, den Kranken, erlöset die Gefangenen, und den Armen im Geiste prediget Mein Evangelium, – das wird bis in die Himmel erheben euer Gefühl, euer Gemüt, und eure Seele wird auf diesem wahrsten Lebenswege bald und leicht eins werden mit ihrem Geiste aus Gott und dadurch auch teilhaftig aller Seiner Weisheit und Macht! Und das wird doch sicher mehr sein als um vieles in der Welt zu wissen, aber dabei ein gefühlloser Mensch gegen seine Nebenmenschen zu sein und sich selbst durch sein zu wenig belebtes Gefühl das Zeugnis zu geben, daß man vom wahren Leben im Geiste noch sehr ferne steht! 15. Ich sage es euch: Geist, der allein lebendige im Menschen, ist pur Liebe und ihr zartestes und ewig wohlwollendstes Gefühl. Wer demnach solche seine Liebe und deren zartestes und ewig wohlwollendstes Gefühl in seine eigenliebige Seele stets mehr und mehr aufzunehmen bemüht ist und in selben auch stets stärker, kräftiger, mutiger und gefügiger wird, der befördert dadurch die volle Einung des Geistes mit der Seele; und wird dann die Seele zu purer Liebe und Weisheit ihrem zartesten und wohlwollendsten Gefühle nach, so ist solch eine Seele denn auch schon vollends eins mit ihrem Geiste und ist dadurch denn auch im lebendigsten Besitze aller der wunderbaren Lebens- und Seinsfähigkeiten ihres Geistes, und das ist denn doch sicher mehr wert, als alle Schulen der Weltweisen der Erde durchgemacht zu haben, dabei aber ein strenger und gefühlloser Mensch zu verbleiben. 16. Lasset daher vorderhand alles unnötige Forschen um den Stand der vielen Verhältnisse der Dinge und ihrer Erscheinungen, Ursachen und Wirkungen in der Welt, denn das bringt die Seele selbst in hundert Jahren ihrem wahren Lebensziele nicht um ein Haarbreit näher, weil sie dadurch zu keinem wahren, inneren Erkennen gelangen kann, sondern nur zu einem äußeren, oberflächlichen und stückweisen Wissen und blinden Mutmaßen, aus dem nie ein geordnetes und zusammenhängendes Wissen und Erkennen hervorgehen kann und die Seele sich darum in einem fortwährenden ängstlichen Suchen befindet, aus dem ihr wenig wahres Lebensheil erwächst. 17. Was euch zur Tilgung des vielen Aberglaubens aus der Natur der Dinge dieser Welt zu wissen notwendig war, das hat man euch denn auch nicht vorenthalten, sondern hat es euch treu und wahr beschrieben und zum Zeugnisse der Wahrheit auch auf eine wunderbare Weise anschaulich gemacht. Und das genüge euch vorderhand! Das Weitere bis ins Unendliche aber suchet nun nur selbst auf dem euch klarst und wahrst gezeigten Wege zu erreichen und zu erwerben, und ihr werdet dann wahrlich nicht mehr zu fragen nötig haben, wer Raphael sei und wer seine Eltern! – Habt ihr das nun wohl verstanden?“ Kapitel 151 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 151. — Die Hilfe des Herrn auf dem Weg zur Vollendung 1. Sagte der Hauptmann: „Ich für meinen Teil bin nun schon ganz im klaren und meine, daß es auch die andern sein werden. Es ist das freilich wohl eine ganz neue Lebenslehre, die vor Dir noch keines Menschen Mund in solcher Klarheit ausgesprochen hat, obschon bei einigen mir bekannten alten Weisen darauf auch schon Anspielungen gemacht worden sind, die aber leider bei den Weltweisen selbst und noch weniger bei ihren Jüngern in eine lebendige Übung übergegangen sind und somit auch erfolglos bleiben mußten. Aber hier verhält sich die Sache ja himmelhoch anders! Denn da trittst Du als ein Meister alles materiellen und geistigen Seins und Lebens unzweifelhaft auf und lehrest uns solches klar, was sonst so manche Weltweisen nur so im Vorbeigehen unklar und sehr verworren berührt haben; und so muß denn auch alles, was Du uns hier gelehrt und gezeigt hast, wahr sein, und wer sich nach solcher Deiner Lehre richten wird, der wird auch das allzeit und sicher erreichen müssen, was Du uns als eine lebendig wahre Folge davon verheißen und best erklärt versprochen hast, und wir alle werden darum auch nicht säumen, Deine Lehre ins Werk umzugestalten. 2. Es ist damit aber freilich eben keine kleine Sache, und die Erfüllung Deiner Lehre wird mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen haben; aber wenn man – was uns Römern eigen ist – etwas nur recht ernst will, so kann man auch das Schwierigste ins Werk setzen. Bei mir wird es am ernsten Willen nicht fehlen; aber nun kommt es auch auf Dich, Herr und Meister, an, daß Du einem treuen und ernst wollenden Befolger und Täter Deiner Lehre mit der Allmacht Deines Geistes dann zu Hilfe kommst, so man denn als nur ein Mensch doch dann und wann schwach und müde werden könnte. Wohl kann ein Mensch mit großem Ernste seines Willens vieles und Großes erreichen; aber alles gerade doch nicht! Mit Deiner Hilfe aber könnte man schon allzeit des Erfolges sicher sein.“ 3. Sagte Ich: „Was du wünschest, das ist schon von Ewigkeit her Dessen Sache, der in Mir wohnt, denn ohne Mich könnet ihr niemals etwas wahrhaft Verdienstliches zum ewigen Leben eurer Seele wirken! Aber dennoch muß zuvor ein jeder so viel tun, als er kann aus seinem freien Willen heraus; alles andere werde dann schon Ich ganz sicher und zuverläßlich tun. 4. Du mußt aber zuvor selbst ernst deine Augen von den Lockungen und Reizungen der Welt abwenden, und so auch deine andern Fleischsinne, und mußt ein Meister deiner Weltbegierden werden; wirst du das nicht, so werde Ich dich darum nicht blind, taub und stumm an deinen Leibessinnen machen, und du wirst mit ihnen gleichfort zu kämpfen haben. Aber so du es gegen deine Fleischsinne einmal nur zu einer halben Meisterschaft wirst gebracht haben, so werde Ich dich dann schon auch ehest in die ganze setzen, dessen du ganz versichert sein kannst. 5. Aber so ein Mensch sich auch dann und wann recht ernst vornimmt und sagt: ,Herr, von nun an werde ich unerschütterlich verharren bei meinem Vorsatze!‘, geht aber dann hinaus, und es kommen ihm wieder so reizende Dinge in der Welt vor, daß er seine Sinne nicht davon abwenden kann und er von neuem wieder schwach, wenn auch nicht böse wird, – ja, solch ein Mensch kommt nicht weiter, bleibt stets auf dem gleichen Flecke stehen und gelangt dadurch auch nicht zu einer Viertelsmeisterschaft über seiner Sinne Begierden. 6. In diesem Falle, wo seine Liebe zwischen den Reizen der Welt und Mir hin und her schwankt und nicht zu einer halben Stärke auf Meiner Seite gelangt, ja, da kann Ich solch einer Windfahne von einem Menschen noch nicht unter die Arme greifen und ihm eine volle Festigkeit geben. Denn den guten Anfang muß der Mensch infolge des ihm zu dem Lebensbehufe verliehenen freien Willens selbst machen; die volle Vollendung ist dann erst Meine Sache! Wenn du das so recht aufgefaßt hast, dann tue danach, und Meine Hilfe wird nicht unterm Wege verbleiben!“ 7. Mit dem war der Hauptmann denn auch zufrieden und besprach sich darüber gleich sehr ernst mit seinen Gefährten und auch mit den andern Römern. Kapitel 152 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 152. — Von der göttlichen Ordnung auf dem geistigen Lebenswege 1. Der Römer Markus, der auf jedes Meiner an den Hauptmann gerichteten Worte aufmerksamst achtgegeben hatte, trat zu Mir hin und sagte: „Herr und Meister! Ich habe die Bedeutung Deiner Worte wohl erfaßt und habe ihren Sinn mir tief ins Herz geprägt; aber ich kann dabei dennoch nicht umhin, hier offen zu bekennen, daß des Menschen Leben unter solchen Selbstbildungsverhältnissen wahrlich durchaus kein Scherz ist. Die Regel läßt sich bald und leicht aussprechen, aber nicht so bald und so leicht ins Werk setzen! 2. Du sagtest, daß der Mensch in der Besiegung seiner Sinne und Begierden und damit auch der besonders in den jungen Jahren stets vorherrschenden Eingenommenheit für die Reize der Welt es zu einer halben Meisterschaft bringen solle, bis er hoffen darf, daß Du ihm helfend unter die Arme greifen und ihn sodann in die volle Lebensmeisterschaft setzen werdest. Dieses hört sich wohl ganz gut, wahr und gewissermaßen auch leicht an, und man sieht auch den Grund bald ein, daß es auch also schon ganz Deiner schöpferischen Ordnung gemäß sein wird und auch sein muß; aber bedenkt man dabei, daß es für beinahe jeden noch jüngeren Menschen, auf den die Reize und Lockungen der Welt stets eine größere Gewalt ausüben denn auf unsereinen, der schon mehr an der Neige seiner Jahre steht und den Reizen und Lockungen der Welt ganz leicht den Rücken zukehrt, eine ganz außerordentlich schwere Sache ist, sich mit allen seinen Sinnen und Begierden von der Welt abzuwenden und männlich kräftig den geistigen Weg zu betreten und auf demselben fortzuwandeln, da möchte ich denn hier, wo es sich um das Allerhöchste und Wichtigste des Menschen handelt, doch diese mir nach meiner menschlichen Denkweise klug scheinende Frage stellen, ob es denn für jeden nicht ersprießlicher wäre, so Du, o Herr und Meister, ihm lieber zur Zeit seiner sicher größten Schwäche helfend unter die Arme griffest und er sonach mit Deiner Hilfe es zur Hälfte in der Lebensmeisterschaft brächte, wonach ihm dann die Erlangung der zweiten Hälfte mit den eigenen Lebens- und Willenskräften keine so großen Schwierigkeiten bieten würde wie die selbsttätige Erreichung der ersten Hälfte in der Lebensmeisterschaft. 3. Ich weiß das ja aus meiner höchsteigenen Lebenserfahrung, wie mächtig die Reize der Welt oft all mein besseres Denken und Wollen rein zu Boden schlugen, meine Phantasie erhitzten und mein ganzes Gemüt mit glühenden Leidenschaften erfüllten! Ja, Herr und Meister, da wäre es gut gewesen, so Du das Ungestüm meiner Leidenschaften in mir hättest dämpfen helfen! Jetzt dämpfe ich sie selbst schon ganz leicht mit geringer Mühe, und die Selbstverleugnung in gar vielen Stücken gibt sich von selbst. Freilich ist das eben wohl kein Lebensverdienst, so man mit seiner Lebenskraft nur mehr mit wahren Zwergen von Weltleidenschaften zu kämpfen hat und sie daher auch leichter bekämpft und besiegt als in der kräftigen Jugendzeit, wo einem ein ganzes Heer gepanzerter Riesen von Leidenschaften entgegenstürmen und den schwachen Kämpfer leicht und völlig erdrücken. 4. Wenn zum Beispiel in einem Dorfe oder Flecken ein Haus in Brand geraten ist, so meine ich, daß es eben während des Brandes wohl höchst an der Zeit sein dürfte, dem, dessen Haus in Brand geraten ist, dasselbe löschen zu helfen; denn gelang es ihm, selbst seinen Hausbrand zu bemeistern, und die Helfer kommen erst danach, wenn die größte Gefahr schon gedämpft ist, da kommt mir ihr Zu-Hilfe-Kommen wahrlich nicht zur rechten Zeit vor! Ich will aber diese meine Frage durch meine ausgesprochene Ansicht nicht als irgend maßgebend nun schon selbst beantwortet haben und bitte Dich darum nun um Deine Ansicht!“ 5. Sagte Ich: „Mein Freund, du hast auch diesmal ganz klug geredet und hast nach der diesirdischen Denkungs- und auch damit zu verbindenden Handlungsweise ganz recht; aber Ich kenne den Menschen und seinen Lebensprozeß offenbar besser als du und irgendein anderer kluger Mensch und kann dir und euch allen darum die Sache der wahren Lebensbildung denn auch nicht anders zeigen, darstellen und geben, als wie sie der vollsten Wahrheit nach ist und auch nicht anders sein kann. 6. Nach der irdisch klugen Menschendenkweise wäre in der ganzen Kreaturenschöpfung auf dieser Erde nahe gar alles zu bekritteln; doch nach der höchsten Liebe und Weisheit Gottes muß alles also werden und sein, wie es wird und ist. 7. Ist es gewisserart nicht sonderbar von Gott, daß er dem Menschen einen schweren Leib gegeben hat, den er erstens schwer und mühsam herumzutragen und -zuschleppen hat, und mit dem er von einer Höhe jählings herabstürzen und offenbar den Tod finden kann? Wäre es nicht klüger gewesen, dem Menschen einen ebenso leichten Leib zu geben wie einer Mücke, – und der Mensch würde damit von der höchsten Höhe herabspringen können, und es könnte ihm offenbar kein Leid geschehen, und fiele er ins Wasser, so würde er auch nicht untergehen und ersaufen! 8. Wie würde es aber einem so leichtleibigen Menschen im Sturm oder auch schon bei einem nur einigermaßen heftigen Wind ergehen? Würde ihn derselbe nicht alsbald wie eine leichte Federflaume emporheben und ihn davontragen, oft viele Tagereisen weit? Wo könnten solche leichtleibigen Menschen auf der Erde dann ihre Heimat haben und halten? Könnten sie mit ihren luftleichten und zarten Händen wohl die schwere Erde bebauen und sich feste Wohnhäuser erbauen? 9. Du wirst nun durch dieses Beispiel schon einsehen, warum ein Mensch auf dieser Erde einen schweren Leib haben muß, wenn er mit demselben auch vielen Gefahren ausgesetzt ist, die er aber durch seine Vernunft und durch seinen Verstand auch allzeit bekämpfen und beseitigen kann, wenn er das nur ernstlich will; denn nur der kommt in der Gefahr um, der sich in die Gefahr oft mutwillig begibt. Wir wollen aber unsere Kritik über die Beschaffenheit so mancher Kreatur noch ein wenig fortführen! 10. Was dünket dich: Ist es klug, daß zum Beispiel die Früchte in einer Zeit, die zumeist noch rauh und stürmisch ist, in der größten Keimeszartheit sich über den Boden der Erde zu erheben anfangen und von den Stürmen wegen ihrer Schwäche und Zartheit nur zu oft und zu leicht stark beschädigt werden und dann nicht zum Nutzen der Menschen oder Tiere heranwachsen und reifen können? Wäre es denn nicht klüger, entweder die Gewächse gleich schon anfangs als völlig also erstarkt aus dem Boden der Erde entstehen zu lassen, daß ihnen dann die rauhen Stürme nichts mehr anhaben könnten, oder in dieser ersten Entwicklungszeit den rauhen und bösen Stürmen zu gebieten, daß sie ruhen sollen? Siehe, das könnte die menschliche Klugheit ja ganz wohlbegründet von dem weisen und allmächtigen Schöpfer aller Dinge verlangen; denn wozu etwas zu einer Zeit werden lassen, in der das Werdende noch tausend Feinden und Gefahren ausgesetzt ist?! 11. Siehe, so denken und klügeln oft viele Tausende von Menschen mittels ihrer Vernunft und ihrem Weltverstande; doch Gott kann darum dennoch nicht aus Seiner ewigen Ordnung treten und läßt gleichfort alles, was da wird, einen höchst zarten und schwachen Anfang nehmen, weil Er allein es weiß und sieht, unter welchen Bedingungen aus den Naturgeistern ein festeres Werden und Sein bewerkstelligt werden kann. 12. Gott aber beschützt dabei dennoch allzeit das zarte Werden eines kreatürlichen Dinges, und zur Zeit der Ernte ist dann doch nahe stets von allem so viel da, daß die Menschen, besonders die da Gott lieben und sich Ihm vertrauen, in allem genug haben und Gott auch für alles danken. Ja, es kann da schon auch Zeiten und Jahre geben, die da mager sind und den Menschen oft das Nötigste nicht geben; aber solche Zeiten und Jahre läßt der Herr nur dann kommen, wenn die Menschen vor lauter Welttum Seiner ganz zu vergessen angefangen haben. Doch die noch an Gott den Herrn auch in den Tagen der Prüfungen und Heimsuchungen festhaltenden Menschen werden auch in solchen Zeiten versorgt dastehen und sicher wenig Not zu leiden haben, dessen Ich dich völlig versichern kann. 13. Und siehe, so könnte Ich dir aus der Sphäre der Dinge dieser Naturwelt noch so manches nach der menschlichen Weise beklügeln und bekritteln; aber darum könnte Ich die einmal von Ewigkeit her bestehenden Gesetze Meiner Ordnung dennoch nicht aufheben oder anders gestalten! 14. Und siehe nun weiter! Wie es mit allem Kreatürlichen steht, so steht es auch nach Meiner Ordnung mit der Gewinnung der Lebensmeisterschaft des Menschen. Er muß anfangs einmal selbsttätig auftreten und gegen die ihn bestürmenden Leidenschaften mit den ihm verliehenen Waffen zu kämpfen beginnen. Tut er das, so wird ihm nach dem Maße seiner Siege über sie auch die Hilfe von Mir aus für weitere und ernstere Kämpfe und Siege verliehen werden, und er wird also am Ende doch, trotz aller Stürme, die ihm von allen Seiten in den Weg traten, das Ziel des Lebens erreichen, so wie du als ein Heide, der du von vielen Leidenschaften bestürmt worden bist, nun doch durch Mein dir Entgegenkommen das rechte Lebensziel schon so gut wie völlig erreicht hast. – Hast du das nun wohl dem wahren Geiste nach aufgefaßt?“ 15. Sagte Markus: „Herr und Meister, ich glaube, daß ich Deiner Rede Geist von der wahren Seite aus wohl aufgefaßt und begriffen habe! Doch wenn ich an unser Rom denke und besonders an seine verweichlichten und weltgenußsüchtigen Bewohner, so wird es mir ordentlich bange; denn diese Weltmenschen kennen nunmehr nur ihren Gaumen, ihren Bauch, den größten Luxus und haben einen unersättlichen Trieb nach Vergnügungen aller Art und Gattung. Dabei ist bei den meisten der dickste Hochmut in einem solchen Grade zu Hause, daß sie die ärmere Menschenklasse gar nicht mehr zu den Menschen zählen und mit ihnen tun, was ihnen beliebt und ihnen irgend Vergnügen verschafft, und wäre dieses von einer die Menschenwürde noch so entehrenden und tiefst beleidigenden Art. 16. Es ist nicht genug, daß man in den großen, überreichen Häusern und Palästen in einem fort ein Freßgelage ums andere hält und sich dabei bis zum Wahnsinn berauscht, sondern man sorgt dabei auch für aller Art frechste Augenweiden und Ohrenschmaus. Bei einem solchen Festgelage werden auch Kämpfer bestellt, die zur größeren Belustigung der Gäste entweder mit dem Schwerte so lange kämpfen müssen, bis einer tot auf dem Platze bleibt, oder es müssen zwei Athleten so lange miteinander ringen, bis der Stärkere und Gewandtere seinen Gegner durchs öftermalige Niederwerfen und durch gewaltige Faustschläge derart beschädigt hat, daß er bald darauf seinen Geist aushaucht; und da werden die Kämpfer vor dem Kampfe noch dringlich darauf aufmerksam gemacht, daß sie erstens mit Anstand kämpfen sollen, und daß zweitens der Getötete mit allem Anstande sterben solle. 17. Ja, Herr und Meister, so ich nun an alles das zurückdenke und Deine göttliche Lehre daneben betrachte, so muß es mir wahrlich bange werden! Und da meine ich denn, daß eben bei einem solchen sittlich grausam entarteten Volke, das im Grunde freilich nicht darum kann, Deine Hilfe auf eine wunderbare Weise vorauswirkend käme, auf daß wir dann Dein Wort auf einen nur um ein weniges mehr gedüngten Boden ausstreuen könnten, wo es sicherer gute Wurzeln triebe und zur segensreichen Frucht heranwüchse. Denn so, wie es noch gar viele große und überreiche Römer nun gibt, wird Deine Lehre bei ihnen schwer oder gar nicht Eingang finden, außer nur vereinzelt in einem und dem andern den unsrigen ähnlichen Häusern. In diesen meinen wohlbegründeten Bedenken liegt denn auch der Grund, warum ich ehedem die gewisse Frage aufgestellt habe.“ Kapitel 153 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 153. — Der Herr belehrt die Römer 1. Sagte darauf Ich: „Freund, wie übel es in Rom und seinen anderwärtigen Ländern aussieht, weiß Ich wohl am allerklarsten und habe darum euch auch schon auf diese bösen Zustände aufmerksam gemacht, auf daß ihr, wo noch solche Dinge geschehen, die euch anvertraute Jugend davon fernhalten möget! Aber darum gibt es in Rom dennoch wieder Menschen, die gleich euch an allen solchen Greueln keine Freude haben und sie verabscheuen; und diese brauchen nun nicht mehr auf eine wundersame Weise zum voraus gedüngt zu werden, auf daß Mein Wort in ihnen Wurzel fasse, denn diese sind schon dazu gedüngt. 2. Jene aber, die noch an den alten, bösen Sitten und Gebräuchen hängen, sind mit keiner vorangehenden wunderbaren Düngung für Meine Lehre irgend reifer und empfänglicher zu machen; für diese muß etwas ganz anderes kommen, durch das sie aus ihrer alten Betäubung erweckt werden! Dafür wird zur rechten Zeit und am rechten Orte schon auch fürgesorgt werden. 3. Es werden sich aber auch schon jetzt mehrere, die auf die alten, bösen Festspiele und wilden, kriegerischen Volksbelustigungen noch große Stücke halten, davon fernzuhalten anfangen, wenn sie mit euch über das, was ihr hier gehört, gesehen und erfahren habt, in ein Gespräch kommen werden. 4. Auf daß ihr Römer aber nicht ohne den von euch verlangten Wunderdünger zur Aussaat Meiner Lehre nach Rom zurückkommet, so will Ich euch nun infolge eures starken Glaubens an Mich die Macht erteilen, daß ihr durch die Auflegung eurer Hände alle Kranken und bresthaften Menschen heilen könnet, und das wird euren Worten eine große Kraft und Wirkung verleihen. 5. Doch wollet vor allem mit der nun von Mir euch verliehenen Kraft keine Prunkerei treiben, und lasset euch dafür von niemandem irgend bewundern und ehren, sondern saget und zeiget es den Geheilten, wem sie im Grunde des Grundes ihre Heilung zu verdanken haben, und wem allein dafür Ehre, Lob und Dank gebührt! Umsonst aber erteile Ich euch aus der Macht Meines Willens solche Kraft, und so denn heilet auch ihr umsonst die Menschen, die eurer Hilfe bedürfen werden! 6. Ich gebe euch aber diese Kraft in der Weise noch erhöht, daß ihr die Menschen auch in jeder Ferne sich befindend heilen könnet, so ihr in euren Gedanken und im festen Glauben und Wollen in Meinem Namen ihnen die Hände aufleget. 7. Mit dieser Kraft nun versehen, werdet ihr beim weisen Gebrauche derselben viele Finsterlinge zum Glauben an einen allein wahren Gott, dadurch zum Lichte des Lebens, zur vollen Wahrheit und somit auch ihre Seelen zum ewigen Leben bringen. 8. Nehmet aber selbst keinen auch nur scheinbaren Anteil an den vielen alten, heidnischen Torheiten; denn deren Anschauung würde eure Herzen mit Ärger erfüllen und gegen die Toren der Welt erbittern, – und es ist der Seele nicht dienlich, so das Herz voll Galle wird! 9. Denket es euch allzeit, daß eben in der Liebe, Geduld, Sanftmut und Erbarmung die größte Macht und Kraft des Geistes im Menschen sich offenbart und mächtig wirkend sich bekundet; denn könnet ihr mit Liebe und Geduld einen Narren nicht zurechtbringen, so werdet ihr das mit Ärger und Zorn noch um so weniger imstande sein. Es ist wohl auch notwendig, daß man dann und wann, wo es sehr not tut, mit dem rechten Ernste auftritt; aber hinter dem Ernste muß dennoch stets die Liebe mit dem Gewande des wahren Wohlwollens hervorleuchten. Ist das nicht der Fall, so ist der Ernst nichts als ein blinder und wirkungsloser Lärm, der viel mehr Schaden als Nutzen anrichtet. 10. Wo ihr aber leicht auf den ersten Blick merken werdet, daß irgend ein oder auch mehrere Menschen zu dick und tief in aller götzenhaften Torheit der Welt vergraben sind und für die Stimme der Wahrheit weder ein Ohr und noch weniger ein Herz haben, da wendet euch von ihnen ab und habt mit ihnen keine Sache und keine Gemeinschaft, – außer es käme ein solcher Tor zu euch und verlangte einen oder den andern von euch zu hören, oder es fehlte ihm etwas und er möchte eine Hilfe von euch! So das vorkäme, da stellet ihm mit vernünftiger und für ihn begreifbarer Rede seine Torheiten vor, und hat er das angenommen, da lasset ihm denn auch die verlangte Hilfe zukommen! Aber mit der Hilfe gebet ihm auch liebernst die Mahnung, daß er in der Folge nicht mehr in der alten Torheit und ihren Sünden verharren solle; denn da werde sein zweiter Leidenszustand ein noch um vieles ärgerer werden, als wie da war sein erster, für den ihr ihm habt Hilfe angedeihen lassen. Wenn ihr diesen Meinen Rat allzeit befolgen werdet, so werdet ihr in Meinem Namen leicht zu wirken und zu handeln haben und werdet auch die besten Lebensfrüchte reichlichst ernten. 11. Wenn ihr aber selbst gute Jünger werdet in Meinem Namen gebildet haben, so könnet ihr ihnen denn auch wieder in Meinem Namen die Hände auflegen, und sie werden dadurch auch der Kraft in sich gewärtig werden, die Ich euch nun durch Meinen Willen schon erteilt habe. 12. Aber vor allem mache Ich euch noch einmal darauf sehr aufmerksam, daß weder einer von euch, noch späterhin irgendeiner eurer Jünger je aus den Schranken der wahren Liebe, Mäßigung, Geduld, Sanftmut und Erbarmung trete; denn ein solcher Austritt würde nur zu bald allerlei Gegenhaß, Verfolgung und Krieg zur Folge haben! Darum beachtet das vor allem, so ihr statt des Segens nicht Zwietracht, Ärger, Zorn, Haß und Verfolgung unter den Menschen ausbreiten wollet! 13. Es wird zwar der Zwietracht und ihrer bösen Folgen noch viel in dieser Welt unter den Menschen entstehen, gleichwie auch viel des Unkrautes auf einem Acker unter dem reinen Weizen emporkommt, aber der reine Weizen, wenn auch spärlicher gedeihend, soll und muß doch reiner Weizen verbleiben, und euch muß das Zeugnis bleiben, daß ihr kein Unkraut unter den Weizen auf den Acker des Lebens gesät habt. Diese Meine Worte präget euch tiefst in euer Herz, und euer Wirken wird ein segensreiches sein! – Habt ihr nun das alles wohl aufgefaßt?“ 14. Sagten mit ganz erstaunlich frohen Mienen die Hauptrömer: „Ja, Herr und Meister, und wir danken Dir auch mit der größten Inbrunst unseres Herzens für solch große uns erteilte Gnade, die Du uns nun, ohne daß wir Dich darum zu bitten uns getraut haben, aus der endlosen Fülle Deiner Liebe frei erteilt hast! Daß wir aber die Kraft von Dir nun auch wahrhaftigst überkommen haben, das haben wir in dem Augenblick, als Du sie uns mit der Allmacht Deines Willens erteilt hast, auch auf das lebendigste empfunden; denn es ergoß sich wie ein wahrer Feuerstrom in uns, und wir empfanden sogleich eine mächtige Glaubens- und Willenskraft in uns, daß es uns nun wie lebendigst überzeugend vorkommt, als könnten wir nun in Deinem Namen mit unserem Willen auch schon gleich ganze Berge niederreißen und sie den Tälern gleich machen. Aber dehne sich in uns Deine uns von Dir verliehene Kraft aus, soweit sie nur immer mag, so werden wir von ihr stets nur im Falle der rechten Not nur insoweit einen weisen Gebrauch machen, inwieweit Du sie zu gebrauchen angeraten und nur darum auch allergnädigst verliehen hast! – O Herr und Meister Jesus Jehova Zebaoth! Ist es recht also?“ Kapitel 154 Großes Evangelium Johannes, Buch 8 154. — Die Anwendung der Wunderkraft 1. Sagte Ich: „Allerdings! Doch so jemand von euch noch eine höhere Kraft in sich fühlt, so kann er sie, wenn es irgend zwecklich an der Zeit und am rechten Orte wäre, ja auch gebrauchen, aber ja nicht und niemals, um zu zeigen, was ihm alles möglich sei, sondern nur, so er damit geheim vor wenigen und weisen Zeugen irgend für die Menschen etwas wahrhaft Gutes bezwecken kann! Denn Ich kann euch nicht nur die Kraft zur Heilung aller leiblichen Krankheiten der Menschen erteilen; denn wer diese Kraft so, wie ihr nun, vollkommen überkommen hat, der hat mit ihr auch die Kraft über gar viele andere Dinge überkommen! 2. Aber er soll damit vor der Welt sich nicht darum etwa zeigen, daß sie über ihn erstaune und ihm dann auch aufs Wort alles fest glaube, was er ihr predigt, sondern im Besitze solch einer höheren Geisteskraft aus Mir soll der Besitzer auch stets sich fragend an Mich wenden und sagen: ,Herr, ist es auch Dein Wille, daß ich nun von der mir von Dir verliehenen Kraft Gebrauch mache, so gib mir das kund in meinem Herzen, und vereine Deinen allmächtigen Willen mit Deiner mir gnädig verliehenen Kraft! Ist es aber nun nicht auch Dein Wille, so zeige mir auch solches an nach Deiner Liebe, Weisheit und Gnade!‘ Und Ich werde solche demütige Frage allzeit augenblicklich im Herzen des Fragestellers entweder mit Ja oder Nein beantworten und werde ihm auch den Grund klar zeigen, aus dem entweder ein Zeichen zu wirken oder zu unterlassen sei. Der Besitzer solcher Meiner ihm verliehenen Kraft aber wird auch ohne Meine volle Einwilligung das Wunderzeichen wohl wirken können, aber es wird weder ihm und noch weniger denen, vor welchen er es gewirkt hat, etwas nützen, – was ihr euch auch gar wohl merken könnet! Denn wer in allem völlig mit Mir wandeln und handeln wird, dessen Wirken wird auch allzeit vom wahren Segen begleitet sein. 3. Vor allem aber merket euch das, was Ich euch und allen Jüngern auf dem Ölberge angedeutet habe, daß ihr, die ihr Mein Evangelium den Menschen überbringet, hauptsächlich nur durch die Macht des Wortes zu wirken bestrebt seid! Denn ein Mensch, den das Wort zur vollen Bekehrung führt, ist ein größerer Gewinn für Mein Gottesreich denn tausend Menschen, die durch Zeichen und Wunderwerke Meine Lehre anzunehmen genötigt worden sind. Denn das reine Wort und dessen Licht bleibt ewig, die Zeichen aber vergehen und haben für die Nachkommen, die davon keine Zeugen waren, nahe gar keinen Wert, weil sie nur blindlings als etwas Außergewöhnliches geschichtlich wohl geglaubt werden, aber dem Glaubenden dennoch keine volle Überzeugung von der Wahrheit Meiner Lehre verschaffen und andere zum Betruge stets sehr geneigte Müßiggänger nur zu bald und zu leicht zum Wirken falscher Zeichen und Wunder verleiten und die Zuschauer zum finsteren Aberglauben. 4. Das reine Wort aber ist ein Licht in und für sich und benötiget keines Zeichens zum Zeugnisse der Wahrheit in sich, weil es selbst eben das größte Zeichen aller Zeichen und das höchste Wunder aller Wunder ist. 5. So Ich vor euch nichts als nur die erstaunlichsten Zeichen gewirkt hätte, so hätten euch dieselben ebensowenig genützt wie diejenigen, die ihr schon gar oft von den Magiern und Zauberern zu eurem Vergnügen habt wirken sehen; nur hättet ihr die von Mir gewirkten sicher noch um vieles außerordentlicher gefunden als die, die ihr von den Magiern und Zauberern habt wirken sehen, und hättet noch länger davon zu erzählen gehabt. 6. Was euch aber nun innerlich so hell erleuchtet und nun denn auch belebt hat, das war nur Mein Wort und nicht die Zeichen, die Ich vor euren Augen so vielfach gewirkt habe. Wirkete Ich nun noch mehrere Zeichen vor euren Augen, so würdet ihr zwar darüber abermals staunen, aber hinterdrein Mich gleich fragen und zu Mir sagen: ,Herr, wie war Dir dieses Zeichen doch wieder zu wirken möglich, und wie ging es zu, daß aus Deinem Worte und Willen zum Beispiel Brot und Wein ward?‘ Ja, da müßte Ich dann